Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 18. Juni 2018 - 3 K 575/17.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2018:0618.3K575.17.00
bei uns veröffentlicht am18.06.2018

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren von dem Beklagten ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Beigeladenen.

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Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks M.-k-Straße in L.

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An die nördliche Grundstücksgrenze grenzt das Grundstück des Beigeladenen, J—Straße, an. Für dieses Grundstück wurde am 13. Juni 1997 der Neubau eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung genehmigt.

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Beide Grundstücke liegen innerhalb des durch den Bebauungsplan „Nord-West“ der Gemeinde L. festgesetzten reinen Wohngebiets (WR). Der Bebauungsplan wurde zuletzt geändert durch die 4. Änderung, die am 3. Mai 1983 vom Gemeinderat beschlossen und am 10. Oktober 1983 genehmigt wurde. Nachdem das VG Neustadt, Beschluss v. 26. Mai 1993 – 2 L 1699/93.NW –, die Unwirksamkeit des Bebauungsplanes aufgrund Ausfertigungsmängel festgestellt hatte, wurde die Ausfertigung am 18. Juni 1993 nachgeholt und der Bebauungsplan im Amtsblatt in der Ausgabe vom 24. Juni 1993 öffentlich bekannt gemacht.

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Im Wohnhaus des Beigeladenen leben seit Juni 2015 zwischen acht und neun ältere Personen, die zuvor teilweise als „Wohngemeinschaft Oase“ in N. gelebt haben. Diese haben jeweils mit dem Beigeladenen einen Mietvertrag geschlossen und bezeichnen sich jetzt als „Wohngemeinschaft P.“. Jede Person bewohnt ein eigenes Zimmer, das sie mit eigenem Mobiliar einrichten und individuell gestalten kann. Zudem sind sie als Mieter zur Nutzung der Gemeinschaftsräume (Küche, Wohnzimmer, Badezimmer, Terrasse) sowie des Gartens berechtigt. Die Mieter haben jeweils einen individuellen Pflegevertrag mit der Ökumenischen Sozialstation Li. e. V. abgeschlossen, die je nach Pflegestufe des jeweiligen Mitglieds der Wohngemeinschaft die einzelnen Pflegeleistungen erbringt. Die Wohngemeinschaft hat eine Gemeinschaftsvereinbarung getroffen, wonach die Mitglieder unter anderem über die Aufnahme neuer Mitglieder oder die Kündigung einzelner Mitglieder durch Mehrheitsbeschluss entscheiden. Entsprechend der Gemeinschaftsvereinbarung hat die Wohngemeinschaft einen zusätzlichen Betreuungsvertrag mit der Ökumenischen Sozialstation L. e.V. abgeschlossen, nach dem mittels einer 24-Stunden-Präzens in Wechselschicht Betreuungsleistungen für die Mitglieder der Wohngemeinschaft erbracht werden.

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Das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung hat in einer Stellungnahme vom 10. Januar 2013 und vom 27. September 2016 mitgeteilt, dass es sich nach Prüfung der Mietverträge und eingereichten Dokumenten um eine selbstorganisierte Wohngemeinschaft für volljährige Menschen mit Behinderung und pflegebedürftige Menschen gemäß § 3 Abs. 2 Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe – LWTG – handele und damit keine Einrichtung im Sinne des LWTG vorliege.

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Mit Schreiben vom 14. August 2015 beantragten die Kläger, dem Beigeladenen die dem Bebauungsplan widersprechende Nutzung zu untersagen. Das als Wohnhaus mit Einliegerwohnung genehmigte Haus werde zweckentfremdet als Pflegeheim für ältere und verwirrte Personen genutzt, die zu einem selbstbestimmten Wohnen nicht mehr in der Lage seien. Es sei ein Fahrstuhl und eine Rampe eingebaut worden. Tagsüber würden die Bewohner viel Zeit auf der Terrasse verbringen, die etwa 7 bis 8 Meter vom Grundstück der Kläger entfernt sei. Durch Unterhaltungen, aber auch durch unartikulierte Rufe und Laute sei der Lärmpegel sehr störend und der unmittelbaren Nachbarschaft nicht zuzumuten.

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In einer Stellungnahme vom 1. Dezember 2015 führte die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd aus, dass aufgrund der unmittelbaren Nähe der Wohngruppe zu der Nachbarschaft ein unlösbares immissionsschutzrechtliches Konfliktpotential bestehe, und wertete die von den Klägern geschilderten Immissionen der Wohngemeinschaft in einem reinen Wohngebiet als sozialadäquat nicht mehr hinnehmbar.

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Mit Bescheid vom 15. Juli 2016 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger ab, da keine relevante Nutzungsänderung im Sinne des § 29 BaugesetzbuchBauGB – vorliege. Unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung handele es sich um eine selbstorganisierte Wohngemeinschaft im Sinne des LWTG. Diese Wohnform sei in einem reinen Wohngebiet nach § 3 BaunutzungsverordnungBauNVO – zulässig. Auch der Gesetzgeber habe zur Begründung der Änderung der Regelungen zu Sonderbauten in § 50 Abs. 2 Nr. 6 Landesbauordnung – LBauO – ausgeführt, dass diese Bestimmung Wohnungen im engeren Sinne, wie abgeschlossene Wohnungen in Seniorenresidenzen oder selbstorganisierten Wohngemeinschaften, nicht erfasse. Eine Verletzung spezieller nachbarschaftsrechtlicher Vorschriften oder des Gebotes der Rücksichtnahme sei nicht erkennbar, da es sich bei den vorgetragenen störenden Geräuschen um sozialadäquate Lebensäußerungen älterer oder erkrankter Menschen handele. Zudem habe der Beigeladene erklärt, dass versucht werde, die Zimmerverteilung möglichst so zu gestalten, dass mögliche Lärmbelästigungen vermieden würden.

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Die Kläger erhoben gegen den Ablehnungsbescheid am 15. August 2016 Widerspruch. Zur Begründung führten sie unter Bezugnahme auf die Antragsbegründung im Schreiben vom 14. August 2016 ergänzend aus, dass sich in dem als Seniorenheim geführten Gebäude zwischen acht und neun pflegebedürftige sowie teilweise verwirrte Personen aufhielten, die der ständigen Aufsicht durch anwesendes Personal bedürften. Das Grundstück sei zur Straße durch einen Bauzaun abgeriegelt und eine Alarmglocke sei installiert worden, um einem unkontrollierten Weglaufen der Bewohner vorzubeugen. Es liege keine selbstorganisierte Wohngemeinschaft, sondern eine krankenhausmäßige Betreuung pflegebedürftiger, nicht mehr selbstständig handelnder Menschen vor. Über 24 Stunden hinweg seien Pflege- bzw. Überwachungspersonal sowie tagsüber zusätzliches Personal anwesend. Brandschutzvorgaben für eine stationäre Krankenanstalt im weiteren Sinne seien nicht eingehalten und eine angemessene Unterbringung in den Räumlichkeiten nicht gewährleistet. Die durch eine ständige Unruhe der Bewohner zu Tag- und Nachtzeit verursachten Geräusche seien über die Maße störend und mache die Nutzung des Gartens der Kläger nahezu unmöglich. Die Tagesaktivitäten der Bewohner fänden in unmittelbarer Sicht- und Hörweite des Anwesens der Kläger statt. Auch der Schichtwechsel des Personals verursache störende Geräusche, insbesondere früh morgens bzw. zur späten Abendstunde.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2017, zugestellt am 15. April 2017, wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch der Kläger zurück. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Kläger keinen Anspruch auf Einschreiten gegen die Nutzung des Grundstücks des Beigeladenen hätten und eine Verletzung nachbarschützender Normen nicht vorliege. Das Gebäude werde auch in der jetzigen Form ausschließlich zum Wohnen im Sinne des § 3 BauNVO in der Fassung von 1977 genutzt. Dass in dem Gebäude auch eine Betreuung und Pflege stattfinde, stehe dem „Wohnen“ nicht entgegen, da ein auf Dauer angelegtes, selbstbestimmtes Wohnen mit freiwilligem Aufenthalt der Mieter vorliege. Auch das sich aus § 15 BauNVO ergebende Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt, da eine unzumutbare Beeinträchtigung nicht erkennbar sei und eine gebietsverträgliche Nutzung vorliege. Soweit einzelne Bewohner durch Rufe oder sonstige Geräusche in der Umgebung gehört werden könnten, handele es sich um eine adäquate Geräuschentwicklung, die auch in einem reinen Wohngebiet von Nachbarn hinzunehmen sei.

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Die Kläger haben am 15. Mai 2017 Klage erhoben. Sie wiederholen ihr bisheriges Vorbringen und tragen ergänzend vor, dass die Zulässigkeit einer derartigen krankenhausähnlichen Pflegeeinrichtung nach § 3 BauNVO 1977 nicht nur nach dem vom Betreiber vorgetragenen Nutzungskonzept beurteilt werden könne, sondern die tatsächliche Umsetzung aufgrund der individuellen Zusammensetzung des Nutzerkreises entscheidend sei. Die Bewohner der Einrichtung seien nicht mehr zu einem selbstbestimmten Wohnen in der Lage und 24 Stunden am Tag auf Pflege und Betreuung angewiesen. Sie seien in einen festen Tagesablauf eingebunden, die vom schichtweise wechselnden Personal vorgegeben werde und dem sich die Bewohner nicht entziehen könnten. Dies zeige auch das mittlerweile installierte Schiebetor nebst Metallzaun, das ein unkontrolliertes Entweichen der verwirrten Personen verhindern solle. Es sei nur von einer bloßen durch Zufall zusammengesetzten Schicksalsgemeinschaft auszugehen, da die tatsächliche personelle Zusammensetzung der Bewohner nicht von ihrem Willen oder ihrer Zustimmung abhängig sei, sondern allein durch den Betreiber der Einrichtung vorgegeben werde. Die nach dem Bebauungsplan vorzuhaltenden drei Parkplätze seien nicht vorhanden, so dass die Fahrzeuge des Pflegepersonals über lange Zeiträume hinweg auf der Straße, die als Spielstraße ausgewiesen ist, geparkt werden würden. Die südliche Terrasse sei ungesichert auf zu hohen Stelzen errichtet und bereits vor mehreren Jahren ohne ihre Zustimmung bis an ihre Grundstücksgrenze erweitert worden. Aufgrund der engen Bebauung in dem fraglichen Gebiet würden die einzelnen Baukörper so nahe aneinander stehen, dass bereits diese räumliche Nähe des Pflegeheimes zur betroffenen Nachbarschaft ein unmittelbares immissionsschutzrechtliches Konfliktpotential berge. Die mit dem Pflegeheim verbundene Geräuschkulisse führe in dem reinen Wohngebiet zu einem nicht mehr hinnehmbaren Zustand, wie dies die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd bereits festgestellt habe.

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Die Kläger beantragen,

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den Bescheid des Beklagten vom 15. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses bei dem Rhein-Pfalz-Kreis vom 12. April 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, über das Begehren der Kläger die Nutzung des Grundstücks Nr. ..., J.-Straße in L. als Seniorenpflegeheim zu untersagen, neu zu entscheiden.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er nimmt Bezug auf die Begründung des Widerspruchbescheides vom 12. April 2017 und trägt ergänzend vor, dass die Nutzung des Hauses des Beigeladenen den Kriterien des „Wohnens“, d. h. einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie einer Freiwilligkeit des Aufenthaltes, entspreche. Die Gestaltung des Tagesablaufs oder das Vorhandensein eines Schiebetors stünden dem nicht entgegen. Die Bewohner würden freiwillig in dem Anwesen leben und soweit diese nicht mehr zur Ausübung ihres Willens in der Lage seien, sei die Vertretung durch den jeweiligen gesetzlichen Betreuer maßgeblich und gewährleistet. Die von der Sozialstation L. erbrachten Pflegeleistungen würden nicht dem Umfang entsprechen, wie sie in einem Pflegeheim erbracht werden würden.

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Der Beigeladene, der keinen Antrag stellt, trägt vor, dass die Bewohner beim Einzug vor etwa drei Jahren zum Großteil altersgemäß körperlich fit gewesen seien. Zwar hätte sich bei einigen Bewohnern der Zustand zwischenzeitlich verschlechtert, dies sei aber bei älteren Personen nicht ungewöhnlich. Es seien auch nicht alle Bewohner der Wohngemeinschaft an Demenz erkrankt. Es herrsche keine ständige Unruhe im Haus und andere Nachbarn hätten sich auch noch nicht über angebliche Lärmbelästigungen beschwert. Nachts würde kein Schichtwechsel stattfinden oder parkende Fahrzeuge abfahren. Es seien aufgrund der Selbstbestimmtheit der Bewohner häufig Angehörige zu Besuch, die diese beim Kochen, Gartenarbeit, Einkaufen oder Spazierengehen unterstützen würden. Körperpflege auf der Terrasse würde nicht stattfinden, lediglich ein Bewohner habe im Sommer Unterstützung bei der Fingernagelpflege erhalten. Die Einzäunung des Grundstücks sei bereits im Jahre 2000 erfolgt. Das im Jahre 1999/2000 fertiggestellte Anwesen sei als „Musterhaus für intelligentes Wohnen“ errichtet worden und habe alle zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften, u. a. auch zum Brandschutz erfüllt. Die massive Holzkonstruktion der Holzterrasse, die ein Abgang zum Garten sei, sei nicht baufällig und alle Abstandsvorschriften seien eingehalten worden.

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In der mündlichen Verhandlung hat der Beigeladene erklärt, er werde den Balkon auf der Südseite des Wohngebäudes zum Grundstück der Kläger hin bis zum 30. Juli 2018 ersatzlos entfernen.

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Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 6. November 2017 durch Einholung einer Stellungnahme des Pflegedienstes der Ökumenischen Sozialstation L. e.V. und durch Vorlage der den einzelnen Bewohnern im Jahr 2017 in Rechnung gestellten einzelnen Pflege- und Betreuungsleistungen in anonymisierter Form.

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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Sach- und Widerspruchsakten sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18. Juni 2018 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch gegen den Beklagten auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber dem Beigeladenen. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 15. Juli 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 12. April 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –).

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Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Beklagten, die begehrte Nutzungsuntersagungsverfügung gegenüber dem Beigeladenen zu erlassen, ist § 81 Satz 1 LBauO. Diese Vorschrift regelt nicht ausdrücklich eine Verpflichtung, sondern die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde, u. a. die Nutzung zu untersagen, wenn bauliche Anlagen oder andere Anlagen und Einrichtungen i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 2 LBauO gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Errichtung, Änderung, Instandhaltung oder Nutzungsänderung dieser Anlagen verstoßen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände wiederhergestellt werden können. Die Bauaufsichtsbehörde hat hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Ein Anspruch eines Nachbarn gegen die Bauaufsichtsbehörde auf Erlass einer Nutzungsuntersagung besteht nur dann, wenn die tatbestandlichen Eingriffsvoraussetzungen des § 81 Satz 1 LBauO erfüllt sind und die fragliche Nutzung gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt. Darüber hinaus müssen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass sich das der Behörde durch § 81 Satz 1 LBauO eröffnete Eingriffsermessen auf Null reduziert. Für die Bauaufsichtsbehörde besteht auf Antrag eines Nachbarn grundsätzlich eine Pflicht zur Beseitigung des baurechtswidrigen Zustandes, wenn die Errichtung oder Nutzung der Anlage zu einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften führt (vgl. OVG RP, Urteil vom 22. September 2000 – 1 A 10952/2000.OVG – juris; OVG RP, Beschluss vom 12. Februar 2016 –1 A 10530/15 –, Rn. 37, juris). Eine solche Ermessensreduzierung tritt nur dann nicht ein, wenn eine Abweichung von der auch im Interesse des Nachbarn liegenden Vorschriften in Betracht kommt, übergeordnete, sich aus der Sache selbst ergebende öffentliche Interessen einem Einschreiten entgegenstehen oder sich die Abweichung von der nachbarschützenden Vorschrift im Bagatellbereich hält (s. OVG RP, Urteil vom 3. November 1966 – 1 A 54/65.OVG –; Urteil vom 22. Oktober 1987 – 1 A 108/85.OVG –; und Beschluss vom 6. Juni 2011 – 8 A 10377/11.OVG – ESOVGRP; zur Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit Bundesrecht vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1987 – 4 B 248/87 –, Rn. 1, juris).

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Zur Überzeugung der Kammer führt die beanstandete Nutzung nicht zu einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften. Dies ergibt sich aus Folgendem:

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Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vorliegt. Eine Vermietung von Zimmern an Einzelpersonen einer Wohngemeinschaft ohne vorherige Durchführung eines baurechtlichen Genehmigungsverfahrens zur Nutzungsänderung eines Einfamilienhauses in eine Nutzung durch mehrere Personen in der vorliegenden Art kann die Kläger nicht in eigenen Rechten verletzen. Allein das Fehlen einer unter Umständen notwendigen Baugenehmigung verletzt keine nachbarschützenden Rechte. Dies erfordert in jedem Fall auch – abgesehen von einer eventuellen formellen Rechtswidrigkeit – eine Verletzung von Vorschriften des materiellen Baurechts, die nachbarschützend sind.

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Zur Überzeugung der Kammer verstößt die von den Klägern beanstandete Nutzung weder gegen die Festsetzung des hier maßgeblichen Bebauungsplanes noch wird hierdurch das grundsätzlich nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme in § 15 BauNVO oder nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften verletzt.

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Die Kläger können der Nutzung nicht den Gebietserhaltungsanspruch entgegenhalten. Die beanstandete Nutzung verstößt nicht gegen die Festsetzung „reines Wohngebiet“ im Bebauungsplan „Nord-West“ der Gemeinde L..

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Zwar litt der Bebauungsplan „Nord-West“ zunächst an einem Ausfertigungsmangel, da bei der ursprünglichen Fassung der 4. Änderung des Bebauungsplanes die Ausfertigung nicht nach Abschluss aller für die Verkündung des Bebauungsplanes notwendigen Verfahrensabschnitte, insbesondere auch der Genehmigung vom 15. Juli 1983, erfolgte (vgl. VG NW, Beschluss vom 26. Mai 1993 – 2 L 1699/93.NW –, n. v.). Dieser Ausfertigungsmangel wurde jedoch durch die am 18. Juni 1993 nachgeholte Ausfertigung und erneute öffentliche Bekanntmachung des Bebauungsplanes geheilt.

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Demnach ist für die rechtliche Beurteilung maßgebendes geltendes Ortsrecht hinsichtlich der im Bebauungsplan festgesetzten Baugebiete die Baunutzungsverordnung in der Fassung von 1977. Auch ohne ausdrückliche rückwirkende Inkraftsetzung des Bebauungsplanes bei der nachträglich nachgeholten Ausfertigung des Planes tritt dieser zu dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem er ursprünglich hätte in Kraft treten sollen. Damit wird dem Willen der Gemeinde im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Rechnung getragen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 2010 – 4 BN 67/09 –, Rn. 8, juris). Die vorliegend maßgebliche 4. Änderung des Bebauungsplanes wurde vom Gemeinderat 1983 beschlossen. In diesem Zeitpunkt galt noch die Baunutzungsverordnung 1977. Bei der nachgeholten Ausfertigung hat die Gemeinde nicht von der Möglichkeit gemäß § 25c Satz 2 BauNVO 1990 Gebrauch gemacht, das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes neu einzuleiten.

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Der Gebietserhaltungsanspruch setzt voraus, dass das Grundstück, dessen Nachbar sich auf den Anspruch beruft und das Grundstück, auf dem die beanstandete Nutzung stattfindet, in einem Baugebiet liegen. Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll jeder Planbetroffene in einem festgesetzten Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebietes unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 – 4 C 28/91 –, Rn. 12 ff., juris; BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2011 – 4 B 32/11 –, Rn. 5, juris).

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Die beanstandete Nutzung ist nach Auffassung der Kammer ein gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1977 zulässiges Wohnen.

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Die Kriterien, nach denen zu beurteilen ist, ob es sich um eine Wohnnutzung i. S. d. § 3 BauNVO 1977 handelt, sind eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Kriterien dienen insbesondere auch der Abgrenzung von anderen Nutzungsformen, etwa einer Unterbringung, des Verwahrens unter Betreuung oder einer bloßen Schlafstätte, die nicht als Wohngebäude, sondern als soziale Einrichtungen einzustufen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 1996 – 4 B 302/95 –, NJW 1996, Seite 2946, Rn. 12, juris; OVG NRW, Beschluss vom 14. August 2007 – 10 A 1219/06 –, NVwZ-RR 2008, Seite 20, Rn. 7 f., juris; Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 128. Erglf. Stand Februar 2018, § 3 BauNVO, Rn. 33 ff. m. w. N.). Maßgeblich für die Erfüllung dieses Wohnbegriffes ist das Nutzungskonzept und seine grundsätzliche Verwirklichung, nicht das individuelle und mehr oder weniger spontane Verhalten einzelner Bewohner (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 1996, a. a. O., Rn. 12, juris; BayVGH, Beschluss vom 25. August 2009 – 1 CS 09.287 –, BauR 2010, Seite 210, Rn. 33, juris).

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Im Unterschied zur heutigen Fassung der Baunutzungsverordnung hat die Baunutzungsverordnung 1977 noch keine Erweiterung durch § 3 Abs. 4 BauNVO 1990 erfahren, wonach zu den nach Abs. 2 zulässigen Wohngebäuden auch solche gehören, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen. § 3 Abs. 4 BauNVO 1990 kommt keine reine klarstellende Funktion zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 1996, a. a. O., Rn. 11 ff., juris). Es ist vielmehr darauf abzustellen, wie die Festsetzung eines reinen Wohngebiets im Zeitpunkt der Beschlussfassung von der Gemeinde verstanden wurde bzw. wegen einer insoweit übereinstimmenden allgemeinen Rechtsauffassung verstanden werden musste. Im Unterschied zur heutigen Auslegung des § 3 BauNVO der aktuellen Fassung kann es demnach bei der Auslegung des Wohnbegriffes i. S. v. § 3 Abs. 2 BauNVO 1977 nicht ohne Belang sein, ob der Betreuungs- bzw. Pflegezweck vorherrscht oder nur untergeordnet ist (vgl. zur Rechtslage ab § 3 BauNVO 1990 m. w. N. OVG RP, Beschluss vom 22. Juni 2016 – 8 B 10411/2016 –, NVwZ-RR 2016, Seite 899, Rn. 15, juris).

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Sofern der Wohnzweck bei einem Gebäude vorherrscht wurde zu § 3 Abs. 2 BauNVO 1977 in Literatur und Rechtsprechung einhellig angenommen, dass ein Wohngebäude auch dann in einem reinen Wohngebiet zulässig ist, wenn in diesem bauliche Vorkehrungen für die Betreuung und Pflege der Bewohner getroffen werden. Das Ausmaß dieser Leistungen darf dem Gebäude jedoch nicht sein Gepräge als Wohngebäude nehmen (s. m. w. N. VGH BW, Urteil vom 17. Mai 1989 – 3 S 3650/88 – NJW 1989, S. 2278, Rn. 22 ff., juris; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, 128. Ergl. Stand Feb. 2018, § 3, Rn. 70; Uechtritz, Baurecht 1989, S. 519 [520 ff.]). Dies wurde angenommen, wenn der Schwerpunkt der Einrichtungen in der Betreuung und Pflege älterer Menschen lag. Bei der Auslegung des Begriffs des Wohnens i. S. v. § 3 BauNVO 1977 wurde in der vorherrschenden Rechtsprechung und Literatur zur Abgrenzung zwischen Wohnnutzungen und anderen Nutzungsarten, die keine Wohnnutzung durch ältere Menschen mehr darstellen, in Anlehnung an die im sog. Heimrecht entwickelten Typen zwischen drei Arten unterschieden: Altenwohnheim, Altenheim und Altenpflegeheim.

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In Altenwohnheimen steht der Wohncharakter eindeutig im Vordergrund. Nicht voll pflegebedürftige ältere Menschen mieten oder kaufen Wohnräume, statten diese in der Regel mit eigenem Mobiliar aus und führen darin – ungeachtet der vom Heim zur Verfügung gestellten Betreuungsdienste – grundsätzlich einen selbständigen Haushalt. Die Heimverträge weisen dementsprechend starke miet- oder eigentumsrechtliche Ausgestaltung auf und alle Wohnräume verfügen über alle zur selbständigen Haushaltsführung notwendigen Einrichtungen, wie Küche, Kochnische oder Kochschrank, einen Sanitärraum mit Waschtisch und Spülklosett und Abstellmöglichkeiten. In Altenheimen vollzieht sich das Leben in reglementierteren Bahnen. Die Bewohner sind bei diesem Typ in der Regel zu einer eigenen Haushaltsführung nicht mehr voll imstande. Der Betreuung und Versorgung kommt erheblich größere Bedeutung zu. Da die Bewohner bei dieser Form grundsätzlich an einer Gemeinschaftsverpflegung teilnehmen, müssen die einzelnen Wohnplätze keine individuellen Kochmöglichkeiten enthalten. Aufgrund der verstärkten Pflege sind zusätzliche Funktions-, Zubehör- und Therapieräume sowie umfangreiche Gemeinschaftsflächen vorgeschrieben. Den Bewohnern verbleiben zwar nicht mehr alle, aber doch wesentliche mit der Führung autonomen häuslichen Lebens verbundene Möglichkeiten. Da sowohl bei Altenwohnheimen als auch bei Altenheimen der Wohncharakter im Vordergrund steht, sind diese als „Wohnformen“ in einem reinen Wohngebiet i. S. v. § 3 Abs. 2 BauNVO 1977 zulässig.

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Keine zulässige Wohnform in einem reinen Wohngebiet stellt hingegen die dritte Kategorie dar. Altenpflegeheime dienen der Aufnahme von vornherein oder voraussehbar auf Dauer pflegebedürftiger alter Menschen. Das Wohnelement tritt stark hinter dem Versorgungs-, Pflege- und Betreuungscharakter der Einrichtung zurück. Die Bewohner sind regelmäßig weder zur eigenständigen Haushaltsführung noch sonst zu der dem Wohnen wesenseigenen freien Disposition und Tagesplanung in der Lage. Die Pflegeplätze sind deshalb auch zu einer selbständigen Haushaltsführung nicht geeignet. Diese müssen weder eine Kochgelegenheit noch einen eigenen Wasseranschluss oder Sanitäranlagen enthalten. Wohnschlafräume dürfen mehrfach belegt werden und in einem Raum bis zu vier Personen aufgenommen werden. Es müssen zusätzliche, nach Art, Zahl und Ausgestaltungen der Pflegebedürftigkeit angepasste spezielle Funktions- und Zubehörräume vorhanden sein, wie etwa Schmutzräume und Fäkalienspülen. Gemeinschafts- und Sanitärräume sind besonders behindertengerecht zu gestalten. Altenpflegeheime erfordern einen Aufwand an besonders ausgebildeten Pflegekräften. Da bei diesem Typ der Pflege- und Betreuungscharakter im Vordergrund steht, sind diese städtebaulich nicht mehr als Wohngebäude i. S. v. § 3 BauNVO 1977 einzustufen (vgl. zum Ganzen jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen VGH BW, Urteil vom 17. Mai 1989 – 3 S 3650/88 – NJW 1989, S. 2278, Rn. 22 ff., juris; VGH Hessen, Beschluss vom 2. Mai 1980 – IV TG 24/80 –, BRS 36, Nr. 183, Seite 380 f.; Uechtritz, Baurecht 1989, S. 519 [520 ff.]; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, 128. Ergl. Stand Feb. 2018, § 3, Rn. 69 ff.).

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Im Unterschied zu diesen in Anlehnung an das Heimrecht entwickelten drei fremdorganisierten Institutionen bilden die Bewohner des Anwesens des Beigeladenen vorliegend eine zwischen den Mitgliedern selbst organisierte Wohngemeinschaft. Der Beigeladene hat mit jedem einzelnen Bewohner einen individuellen Mietvertrag geschlossen. Die nicht zeitlich befristeten Mietverträge sind auf Dauer angelegt.

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Die Mitglieder der Wohngemeinschaft leben auch freiwillig im Anwesen des Beigeladenen. Dem steht nicht entgegen, dass einzelne Bewohner teilweise aufgrund fortgeschrittener Demenz in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, denn diese werden durch ihren jeweiligen Betreuer vertreten. Ein freiwilliger Aufenthalt ist auch dann anzunehmen, wenn der freie Wille aufgrund eingetretener Krankheit oder Behinderung nicht mehr allein, sondern nur mit Hilfe eines bestellten Betreuers rechtlich umgesetzt werden kann (vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. November 2016 – 7 A 774/15 –, NVwZ-RR 2017, Seite 404, Rn. 45 f., juris; BayVGH, Beschluss vom 27. Oktober 1991 – 1 ZS 99.2460 –, VwRR BY 2000, Seite 230, Rn. 7, juris).

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Ferner ist das Element der selbstbestimmten Häuslichkeit und des privaten Wirkungskreises in einem hinreichenden Maße gegeben. Eine Mehrfachbelegung der Zimmer findet nicht statt. Jeder Bewohner kann sein Zimmer mit eigenen Möbeln möblieren und mit persönlichen Dingen ausstatten. Das Hausrecht verbleibt allein bei den Mitgliedern der Wohngemeinschaft. Es gibt keine vorgegebenen Schlaf- oder Ruhezeiten. Die Einzelzimmer der Bewohner erlauben das Verweilen unter Ausschluss unerwünschter Personen oder den Besuch von Angehörigen bzw. Freunden. Jedes Stockwerk verfügt über ein Badezimmer mit den entsprechenden Sanitäranlagen. Spezielle Pflege- oder Funktionsräume, wie Schmutzräume, Fäkalienspülen oder spezielle Hygieneeinrichtungen sind nicht vorhanden. Im Erdgeschoss ist eine Gemeinschaftsküche vorhanden, die jedem Mitglied der Wohngemeinschaft ermöglicht, eigene Speisen zuzubereiten. Feste Essenszeiten oder vorgegebene Speisepläne sind nicht vorgesehen. Der Umstand, dass sich wohl die meisten Mitglieder der Wohngemeinschaft dazu entschlossen haben, eine gemeinschaftliche Verpflegung mit gelieferten Mahlzeiten zu organisieren, steht einer Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises nicht entgegen, sondern entspringt einem jeweils freiwilligen Entschluss des Mitglieds der Wohngemeinschaft, Mahlzeiten gemeinsam einzunehmen und am Lieferdienst teilzunehmen.

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Nach der von den Mitgliedern der Wohngemeinschaft geschlossenen Gemeinschaftsvereinbarung entscheiden die Mitglieder der Wohngemeinschaft nach dem Mehrheitsprinzip selbst über die Aufnahme neuer Mitglieder oder auch die Kündigung eines Mitbewohners. Neben der monatlichen Miete kommen die Mitglieder der Wohngemeinschaft auch für die laufenden Haushaltskosten, wie Lebensmittel, Putz- und Reinigungsmittel sowie haushaltsübliches Verbrauchsmaterial selbst auf. Die Mitglieder der Wohngemeinschaft haben mit der Ökumenischen Sozialstation L. e.V. einen Betreuungsvertrag geschlossen. Gemäß der Gemeinschaftsvereinbarung der Wohngemeinschaft kann durch Mehrheitsbeschluss auch ein anderer Dienstleister mit diesen Betreuungsleistungen beauftragt werden. Nach dem Betreuungsvertrag umfasst dieser Leistungen in Form von allgemeinen verwaltenden und organisatorischen Aufgaben, Tätigkeiten zur Förderung des Gemeinschaftslebens sowie einzelne hauswirtschaftliche Unterstützungstätigkeiten. Für diese Betreuungsleistungen gewährleistet die Ökumenische Sozialstation L. e.V. eine 24-Stundenpräsenz durch zwei Kräfte. Der Betreuungsvertrag umfasst nach § 2 des Vertrages nicht fachpflegerische Versorgungsleistungen, Behandlungspflege, medizinisch-pflegerische Maßnahmen oder Hol- und Bringdienste. Diese nach dem Betreuungsvertrag durch die Ökumenische Sozialstation e. V. zu erbringenden Leistungen sind auch unter Berücksichtigung der 24-Stundenpräsenz lediglich unterstützender Natur und treten zur eigenen Gestaltung des häuslichen Wirkungskreises der Mitglieder der Wohngemeinschaft hinzu. Nach dem Betreuungsvertrag wird den Mitgliedern der Wohngemeinschaft kein fester Tagesplan verbindlich vorgegeben. Der Tagesablauf bestimmt sich vielmehr nach den individuellen Wünschen der einzelnen Bewohner. Diese können über die Gestaltung ihres Tages frei entscheiden.

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Auch unter Berücksichtigung des geschilderten Gesundheitszustandes bzw. der Pflegebedürftigkeit der einzelnen Bewohner steht ein Versorgungs-, Pflege- und Betreuungscharakter nicht im Vordergrund; vielmehr überwiegt das Wohnelement deutlich. Derzeit sind die neun Bewohner zwischen 69 und 94 Jahre alt. Alle Bewohner weisen eine Pflegestufe auf. Drei Bewohner haben die Pflegestufe 3, zwei Bewohner die Pflegestufe 4 und vier Bewohner die Pflegestufe 5. Keiner der Mitglieder der Wohngemeinschaft ist bettlägerig. Sechs Personen sind an Demenz unterschiedlichen Grades erkrankt. Nach Auskunft der Ökumenischen Sozialstation L. e.V. sind drei Bewohner an einer leichten Form der Demenz erkrankt und drei Bewohner an einer schweren Form. Die einzelnen Mitglieder der Wohngemeinschaft haben jeweils einen individuellen Pflegevertrag entsprechend ihrer Pflegestufe mit der Ökumenischen Sozialstation L. e.V. geschlossen. Nach der Gemeinschaftsvereinbarung können die Mitglieder frei entscheiden, ob und welchen Pflegedienst sie bei einer eintretenden Pflegebedürftigkeit beauftragen möchten oder ob sie sich etwa durch ihre Angehörigen pflegen lassen möchten.

42

Die von der Ökumenischen Sozialstation L. e.V. exemplarisch für den Monat Juli 2017 vorgelegten Rechnungen für die erbrachten Pflegeleistungen enthalten einzelnen Pflegegraden entsprechende Pflegeleistungen, wie Hilfe bei der Morgen-/Abendtoilette und Hilfe bei Ausscheidungen, vollständiges Ab- und Beziehen eines Bettes, Reinigen der Wohnung, Zubereitung einer warmen Mahlzeit, Waschen von Kleidung und Betreuungsleistungen bei Demenz. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die einzelnen erbrachten Pflegeleistungen teilweise intime Leistungen, wie etwa mehrmals monatlich die Hilfe bei Ausscheidungen oder beim morgendlichen Toilettengang, umfassen, treten die nach den individuellen Pflegeverträgen erbrachten Pflegeleistungen zu der eigenen Gestaltung des häuslichen Wirkungskreises der Mitglieder der Wohngemeinschaft hinzu und ermöglichen diese. Umgekehrt bestimmt nicht die organisatorische Notwendigkeit einer Pflege, deren sich die Mitglieder der Wohngemeinschaft unterzuordnen hätten, die Dispositionsfreiheit der Bewohner, die ihnen zur eigenen Gestaltung verbleibt. Nicht im Vordergrund steht dabei, dass mit fortschreitendem Alter einzelner Bewohner bzw. einzelner individueller Krankheitsverläufe die Möglichkeit, den häuslichen Wirkungskreis noch selbst zu gestalten, eingeschränkt sein kann bzw. zukünftig stärker eingeschränkt sein könnte. Die Wohngemeinschaft ist zur Überzeugung der Kammer sowohl nach ihrem Nutzungskonzept als auch in ihrer tatsächlichen Umsetzung nicht zweckbestimmt auf solche Personen ausgerichtet, die krankheits- und altersbedingt überhaupt nicht mehr zu einer eigenen Gestaltung der Haushaltsführung in der Lage sind und gerade deshalb einer Einrichtung bedürfen, die sich ihrer Pflege und Betreuung annimmt. Die Wohngemeinschaft unterscheidet sich in ihrer Ausgestaltung deutlich von Pflege- und Betreuungseinrichtungen, die mit ihren durch deren Funktionsfähigkeit bedingten Ansprüchen die Lebensführung der jeweiligen Bewohner vorgeben und denen sich die Bewohner unterzuordnen haben. Die Bewohner der Wohngemeinschaft bleiben hingegen – auch ermöglicht durch die einzelnen Betreuungs- und Pflegeleistungen der Ökumenischen Sozialstation L. e. V. – zu einer eigenständigen Haushaltsführung und sonst zu der einem „Wohnen“ wesenseigenen freien Disposition und Tagesplanung in einem hinreichenden Maße in der Lage.

43

Die Kläger können der Nutzung des Hauses des Beigeladenen durch die Wohngemeinschaft auch nicht § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO entgegenhalten. Hiernach sind die in den §§ 2 bis 14 BauNBO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme ist dann anzunehmen, wenn sich unter Abwägung der widerstreitenden Interessen im konkreten Einzelfall ergibt, dass die Verwirklichung des jeweiligen Bauvorhabens dem Nachbarn nicht mehr zugemutet werden kann. Der Schutz des Nachbarn setzt bereits unterhalb der eigentumsrechtlich i. S. d. Art. 14 Grundgesetz – GG – maßgeblichen Schwelle eines „schweren und unerträglichen Eingriffs“ ein. Was dem Nachbarn eines Vorhabens aufgrund der Eigenart der näheren Umgebung an nachteiligen Wirkungen zugemutet werden darf, bestimmt sich nach der aus der Umgebung herzuleitenden Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit. Dabei kommt eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots insbesondere dann in Betracht, wenn sich aufgrund des Vorhabens der Gebietscharakter der Umgebung ändert (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 1991 – 4 C 5/87 –, NVwZ 1992, S. 977, Rn. 34 f., juris). § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO geht davon aus, dass im Einzelfall – ausnahmsweise – Quantität in Qualität umschlagen kann, mithin die Größe oder Lage einer baulichen Anlage die Art der baulichen Nutzung erfassen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 1995 – 4 C 3.94 –, NVwZ 1995, S. 899, Rn. 1 ff., juris; OVG Nds, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 1 ME 47/14 –, Baurecht 2014, S. 1910, Rn. 13, juris; OVG RP, Beschluss vom 5. März 2015 – 8 B 10144/15.OVG –, n. v.). Da es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, ist ein „Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets“ nur unter strengen Voraussetzungen anzunehmen. Der Widerspruch der Nutzung der baulichen Anlage muss sich daher bei objektiver Betrachtungsweise offensichtlich aufdrängen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 5. März 2015 – 8 B 10144/15.OVG –, n. v.; OVG RP, Beschluss vom 8. Dezember 2016 – 8 A 10680/16.OVG –, Rn. 11, juris).

44

Die Nutzung des Hauses des Beigeladenen durch die Wohngemeinschaft, die aktuell neun Personen umfasst, stellt auch von ihrer Intensität her keine gegenüber der üblichen Nutzung von Einfamilienhäusern deutlich andersartige Nutzung dar.

45

Zur Überzeugung der Kammer ist vielmehr davon auszugehen, dass die Nutzung des Nachbarhauses für die Kläger allenfalls zu geringfügig zusätzlichen Belästigungen oder Nachteilen führt, als dies bei einer Nutzung des Gebäudes durch eine Familie mit mehreren Kindern der Fall wäre. Auch eine überkommene familiäre Nutzung eines Einfamilienhauses ist nicht zwangsläufig auf die Anwesenheit bloß weniger Personen beschränkt. Eine intensivere Wohnnutzung eines Einfamilienhauses durch mehrere Personen wahrt ohne weiteres die Eigenart des reinen Wohngebietes (vgl. zu einer studentischen Wohngemeinschaft mit elf Personen: OVG RP, Beschluss vom 8. Dezember 2016 – 8 A 10680/16.OVG –, Rn. 12, juris). Entgegen der nicht näher ausgeführten Stellungnahme der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd vom 1. Dezember 2015 sind die von den Klägern geschilderten Immissionen der Wohngemeinschaft grundsätzlich sozialadäquat und auch in einem reinen Wohngebiet hinzunehmen. Zudem beschränken sich die von den Klägern hinreichend konkret geschilderten Vorfälle, wie ein gemeinschaftliches Singen eines gleichen Liedes auf der Terrasse, einzelne nächtliche Ausrufe von Bewohnern oder ein Rufen einer verwirrten Person im Garten, zumeist auf einzelne Vorfälle. Sollte es zukünftig zu Fehlverhalten einzelner Bewohner kommen, ist es den Klägern zumutbar, diesen mit Mitteln des Ordnungsrechtes zu begegnen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Mai 1989 – 4 B 26/89 –, Rn. 6, juris) oder sich insoweit an den Beigeladenen als Vermieter zu wenden. Dieser hat in der mündlichen Verhandlung bekräftigt, die Bewohner der Wohngemeinschaft zur Einhaltung der Ruhe- und Nachtzeiten anzuhalten und durch spezielle isolierte Fenster mögliche Immissionen weiter zu minimieren.

46

Eine Möglichkeit der Einsichtnahme – wie vorliegend auf die Terrasse des Hauses des Beigeladenen – ist in einem reinen Wohngebiet allgemein üblich (Vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 2. Januar 2018 – 2 B 820/17 –, Rn. 12, juris; und OVG NRW, Beschluss vom 9. Februar 2009 – 10 B 1713/08, Rn. 28 f., juris). Die Einsichtnahmemöglichkeit für die Kläger, die dazu führt, dass beispielsweise Körperpflegemaßnahmen eines Mitglieds der Wohngemeinschaft auf der Terrasse beobachtet werden können, führt deshalb nicht zu einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots.

47

Auch in brandschutzrechtlicher Hinsicht werden die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt. Soweit diese vortragen, dass ein Brandschutzkonzept nicht vollständig vorliegen würde, betrifft dies eine Abwehr einer möglichen Brandgefahr innerhalb des Gebäudes. Hierauf bezogene Normen dienen allein dem Schutz von Leben und Gesundheit der sich in diesem Gebäude aufhaltenden Personen, nicht aber auch dem Schutze der Nachbarn.

48

Auch eine unzumutbare Belastung der Kläger durch Kraftfahrzeugverkehr ist nicht gegeben. Die Kläger, deren Haus zur M.-Straße erschlossen ist, werden durch den Kraftfahrzeugverkehr in der J.-Straße bereits nicht betroffen. Überdies hält sich der geschilderte Kraftfahrzeugverkehr und Stellplatzbedarf, der durch Besucher oder durch Mitarbeiter der Ökumenischen Sozialstation ausgelöst werden kann, im Rahmen, der mit der umgebenden Wohnnutzung verträglich ist. Nach den von den Klägern vorgelegten Lichtbildern sind zwei bis vier Fahrzeuge des Ökumenischen Sozialdienstes zu sehen und ggf. ein Rettungswagen. Sollte ausnahmsweise vorübergehend ein höherer Mehrbedarf entstehen, wäre dieser im öffentlichen Verkehrsraum zu decken.

49

Auch eine Verletzung bauordnungsrechtlicher nachbarschützender Vorschriften liegt nicht vor.

50

Vorschriften über die erforderliche Anzahl von Stellplätzen nach § 47 Abs. 1 und Abs. 2 LBauO sind nicht nachbarschaftsschützend, da diese ausschließlich im öffentlichen Interesse den ruhenden Verkehr von öffentlichen Straßen und Plätzen fernhalten sollen (s. Lang, in: Jeromin, LBauO, 3. Aufl. 2012, § 47, Rn. 103). Selbst wenn eine zu geringe Anzahl von notwendigen Stellplätzen dargelegt worden wäre – was anhand der vorgelegten Lichtbilder, die zwischen zwei bis vier geparkte Fahrzeuge der Ökumenischen Sozialstation zeigen, zweifelhaft ist – würden die Nachbarn selbst dann nicht in ihren Rechten verletzt, wenn die Angehörigen der Mitglieder der Wohngemeinschaft oder die Mitarbeiter der Ökumenischen Sozialstation L. ihre Fahrzeuge in benachbarten Wohnstraßen abstellen sollten (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Juli 1994 – 11 B 1151/94 –, Rn. 18, juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13. September 2016 – AN 9 S 16.00830 –, Rn. 47, juris).

51

Nachbarschützende Abstandsvorschriften sind nicht verletzt. Vorliegend kann dahinstehen, ob die südliche Holzterrasse entgegen der nach § 8 LBauO zu wahrenden Abstandsflächen errichtet worden ist. Denn der Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung zugesichert, diese umgehend beseitigen zu lassen.

52

Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

53

Es entspricht vorliegend nicht der Billigkeit, den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil dieser keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat.

54

Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

55

Beschluss

56

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

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Gründe 1 Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

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(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30 bis 37.

(2) Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

2

1. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre.

3

1.1 Die Beschwerde wirft die Fragen auf,

ob eine Gemeinde auch im ergänzenden Verfahren verpflichtet ist, die Voraussetzungen der Entwicklungsmaßnahme nach § 165 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu prüfen und ob eine erneute Abwägung bei der Beschlussfassung einer Entwicklungssatzung im ergänzenden Verfahren nur dann notwendig ist, wenn das früher gewonnene Abwägungsergebnis wegen nachträglicher Ereignisse unhaltbar geworden ist.

4

Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich - soweit sie vorliegend überhaupt entscheidungserheblich sind - auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten.

5

Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 214 Abs. 4 BauGB. Danach kann eine Satzung nach dem BauGB durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden. Auch die förmliche Festlegung des städtebaulichen Entwicklungsbereichs erfolgt durch Satzung, so dass sich der Geltungsbereich von § 214 Abs. 4 BauGB auf diese Fälle erstreckt.

6

Die Frage, welche Prüfungsschritte eine Gemeinde vorzunehmen hat, wenn sie eine Satzung in einem ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB rückwirkend in Kraft setzen will, lässt sich nicht losgelöst von der Art des Fehlers beantworten, der in einem ergänzenden Verfahren behoben werden soll. Gegenüber der früheren Fassung (vgl. § 215a Abs. 2 BauGB 1998) hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der rückwirkenden Inkraftsetzung deutlich erweitert; sie ist nicht mehr auf die Fälle der Verletzung von Verfahrens- oder Formfehlern beschränkt. Die Antragsgegnerin hat sich im vorliegenden Fall darauf beschränkt, Verfahrens- oder Formfehler zu korrigieren. Sie hat die Entwicklungssatzung zunächst (2002) in einem ersten Schritt zur Behebung eines Bekanntmachungsmangels - ohne Beschlussfassung durch die Stadtverordnetenversammlung - mit Rückwirkung erneut bekannt gemacht. Sodann (2004) erfolgte - vorsorglich - eine rückwirkende erneute Beschlussfassung, bei der im Wortlaut die Rathausanschrift, die flurstückgenaue Aufzählung der betroffenen Grundstücke sowie die Formulierung zum Inkrafttreten geändert wurden. Eine inhaltliche Änderung erfolgte damit nicht. Auch eine erneute Auslegung der Planungsunterlagen (vgl. hierzu Beschluss vom 8. März 2010 - BVerwG 4 BN 42.09 -) ist nicht vorgenommen worden. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen wären in einem Revisionsverfahren daher nur insoweit klärungsbedürftig, als sie sich auf eine rückwirkende Behebung von Verfahrens- oder Formfehlern in einem ergänzenden Verfahren erstrecken.

7

Dabei ist im Hinblick auf die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in tatsächlicher Hinsicht die Fragestellung auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen die Entwicklungsmaßnahme "in nicht unbeträchtlichen Teilen" bereits erfolgreich durchgeführt worden ist.

8

Für die rückwirkende Behebung von Verfahrens- oder Formfehlern bei einem Bebauungsplan ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse einer Fehlerbehebung nicht entgegen steht, weil gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (ursprünglichen) Beschlussfassung über den Plan maßgebend ist. Nur wenn sich - im Ausnahmefall - die Verhältnisse so grundlegend geändert haben, dass der Bebauungsplan inzwischen insgesamt einen funktionslosen Inhalt hat oder das ursprünglich unbedenkliche Abwägungsergebnis unhaltbar geworden ist, kommt eine Fehlerbehebung nicht mehr in Betracht (Beschluss vom 12. März 2008 - BVerwG 4 BN 5.08 - BauR 2008, 1417 = BRS 73 Nr. 32 S. 180 f. m.w.N.). Mit der rückwirkenden Inkraftsetzung tritt der Bebauungsplan zu dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem er ursprünglich hätte in Kraft treten sollen. Damit wird dem Willen der Gemeinde im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan Rechnung getragen (Urteil vom 10. August 2000 - BVerwG 4 CN 2.99 - Buchholz 406.11 § 215a BauGB Nr. 7 S. 20 f. = BRS 63 Nr. 42 S. 238 f.). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ferner geklärt, dass das rückwirkende Inkraftsetzen einer Sanierungssatzung auch dann noch zulässig ist, wenn die Sanierung bereits abgeschlossen und die förmliche Festlegung schon aufgehoben worden ist. Dies darf auch mit der Absicht erfolgen, mit der erneuten Sanierungssatzung für ergangene Ausgleichsbescheide nachträglich eine sichere Grundlage zu schaffen. Das Gesetz will städtebauliche Satzungen nicht daran scheitern lassen, dass sie verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sind (Urteil vom 3. Dezember 1998 - BVerwG 4 C 14.97 - BRS 60 Nr. 223 S. 785 m.w.N.). Maßgebend ist somit die Frage, ob es zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkraftsetzens noch gerechtfertigt ist, dem zum ursprünglichen Zeitpunkt beschlossenen Planungswillen der Gemeinde Geltung zu verschaffen. Bei einer auf ihre städtebauliche Umsetzung zielenden Satzung steht dem rückwirkenden Inkraftsetzen ferner nicht entgegen, dass die planerischen Absichten in der Zwischenzeit teilweise oder vollständig verwirklicht worden sind.

9

Diese Grundsätze lassen sich auch auf die rückwirkende Behebung von Verfahrens- oder Formfehlern bei einer - ebenfalls durch Satzung erfolgenden - förmlichen Festlegung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs gem. § 165 Abs. 6 BauGB übertragen. Dem stehen die im Vorbringen der Beschwerde herausgestellten Besonderheiten der Entwicklungssatzung nicht entgegen. Insbesondere bedarf es entgegen der Auffassung des Antragstellers keines "am Entwicklungsrecht orientierten Maßstabs", um beurteilen zu können, ob das ursprüngliche Abwägungsergebnis wegen nachträglich eingetretener Ereignisse unhaltbar geworden ist.

10

Allerdings ist - dies ist der Beschwerde einzuräumen - die Festlegung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs an eine Reihe von gesetzlichen Voraussetzungen gebunden. Insbesondere benennt § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauGB die Grundbedingungen, die für eine Entwicklungssatzung erfüllt sein müssen, bevor eine Abwägungsentscheidung nach § 165 Abs. 3 Satz 2 BauGB getroffen werden kann. Danach muss das Wohl der Allgemeinheit die Durchführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme erfordern, insbesondere zur Deckung eines erhöhten Bedarfs an Wohn- und Arbeitsstätten, zur Errichtung von Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen oder zur Wiedernutzung brachliegender Flächen (vgl. hierzu Urteil vom 12. Dezember 2002 - BVerwG 4 CN 7.01 - BVerwGE 117, 248). Ferner ist bei der Prüfung, ob das Wohl der Allgemeinheit die Entwicklungsmaßnahme erfordert, bereits in Rechnung zu stellen, dass im Grundsatz alle unbebauten Grundstücke des Entwicklungsbereichs in das Eigentum der Gemeinde überführt werden sollen (Urteil vom 12. Dezember 2002 a.a.O. S. 259 im Anschluss an das Urteil vom 15. Januar 1982 - BVerwG 4 C 94.79 - Buchholz 406.15 § 15 StBauFG Nr. 4 S. 16). Daraus resultieren weitergehende verfassungsrechtliche Anforderungen, denen im jeweiligen Verfahrensstadium Rechnung zu tragen ist.

11

Diese zusätzlichen Voraussetzungen haben den Gesetzgeber nicht veranlasst, die Entwicklungssatzung aus dem Anwendungsbereich des ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB herauszunehmen. Jedenfalls wenn die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme als solche weiterhin zum Erreichen der mit ihr angestrebten Ziele erforderlich ist oder - wie im vorliegenden Fall - in weiten Teilen erfolgreich durchgeführt worden ist, sind die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auch auf die Entwicklungssatzung übertragbar, so dass eine Gemeinde berechtigt ist, Verfahrens- und Formfehler auch rückwirkend zu heilen und damit den auf der Entwicklungssatzung beruhenden Verfahrensschritten und Entscheidungen nachträglich eine rechtliche Grundlage zu vermitteln. Wenn die Gemeinde - mit oder ohne einen Beschluss des Gemeinderats - einen Verfahrens- und Formfehler heilt, braucht sie nicht zugleich eine inhaltliche Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob wegen in der Zwischenzeit eingetretener Veränderungen einzelne Grundstücke zur Erreichung der Ziele der Entwicklungssatzung noch in Anspruch genommen werden müssen. Diese Prüfung kann vielmehr entweder einer inhaltlichen Änderung der Satzung mit Wirkung für die Zukunft vorbehalten bleiben oder durch die lediglich einzelne Grundstücke betreffende Entscheidung erfolgen, die Durchführung für abgeschlossen zu erklären (§ 163 Abs. 2 i.V.m. § 169 Abs. 1 Nr. 8 BauGB). Von der zweiten Möglichkeit ist vorliegend hinsichtlich des Grundstücks des Antragstellers auch Gebrauch gemacht worden.

12

Auch der von der Beschwerde besonders hervorgehobene Gesichtspunkt, wonach bereits bei der Beschlussfassung über eine Entwicklungssatzung in Rechnung zu stellen ist, dass im Grundsatz alle unbebauten Grundstücke des Entwicklungsbereichs in das Eigentum der Gemeinde überführt werden sollen, steht dem nicht entgegen. Denn damit wird lediglich der Gemeinde für den Zeitpunkt ihrer ursprünglichen Entscheidung eine gegenüber dem normalen Bebauungsplanverfahren erhöhte Prüfungs- und Darlegungslast auferlegt, die sich daraus ergibt, dass die Gemeinde die Grundstücke im städtebaulichen Entwicklungsbereich erwerben soll (§ 166 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Der Erwerb selbst und insbesondere eine eventuell erforderlich werdende Enteignung sind jedoch Gegenstand weiterer Entscheidungen, in denen erst für den Einzelfall geprüft werden kann und muss, ob die Voraussetzungen für eine Enteignung (weiterhin) bestehen.

13

Angesichts der Großflächigkeit eines Entwicklungsbereichs - vorliegend 95 ha - und mit Rücksicht darauf, dass bei Erlass der Satzung in der Regel noch keine ins einzelne gehende Planungskonzeption vorliegt (vgl. zur Sanierungssatzung auch Beschluss vom 24. März 2010 - BVerwG 4 BN 60.09 - Rn. 10), können zu diesem Zeitpunkt die Enteignungsvoraussetzungen nicht schon für jedes einzelne unbebaute Grundstück abschließend geprüft werden; zu beachten ist aber in diesem Zeitpunkt bereits die potentiell eigentumsumverteilende Wirkung mit der Folge, dass das Wohl der Allgemeinheit generell die geplante Entwicklung einschließlich der gebotenen Enteignungen rechtfertigen muss. Das bedeutet nicht, dass bereits bei Erlass der Satzung festgestellt werden muss, dass die Voraussetzungen für die Enteignung gerade auch bezüglich jedes einzelnen Grundstücks erfüllt sind. Die Gemeinde ist nicht verpflichtet, schon zum Zeitpunkt des Erlasses der Entwicklungssatzung hinsichtlich jedes Grundstücks gleichsam parzellenscharf ein Konzept über die künftige Nutzung vorzulegen. Vielmehr sind die Bebauungspläne, die die Vorstellungen über die bauliche oder sonstige Nutzung im Einzelnen festsetzen, erst nach Erlass der Entwicklungssatzung zu beschließen (§ 166 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Somit darf auch die Entscheidung, ob auf einem Grundstück die bisherige Nutzung im Grundsatz beibehalten werden soll oder ob beispielsweise im Einzelfall eine Bebauung in Betracht kommt, die sich an den vorhandenen Grundstücksgrenzen orientiert und vom Eigentümer selbst realisiert werden kann, auf diesen Zeitpunkt verschoben werden (Urteil vom 12. Dezember 2002 a.a.O. S. 260; Beschluss vom 27. Mai 2004 - BVerwG 4 BN 7.04 - BRS 67 Nr. 229). In bestimmten Fällen soll die Gemeinde überdies bereits nach den gesetzlichen Vorschriften von dem Erwerb eines Grundstücks absehen (§ 166 Abs. 3 Satz 3 BauGB). Mit dem Erlass einer Entwicklungssatzung wird somit die endgültige Prüfung und Entscheidung, ob im Einzelfall ein Grundstück zur Erreichung der Ziele der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme dem bisherigen Eigentümer entzogen werden soll, nicht vorweggenommen.

14

Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang betonten Unterschiede zwischen Entwicklungssatzungen und Bebauungsplänen vermindern sich, wenn man in Rechnung stellt, dass auch auf deren Grundlage Enteignungen im Grundsatz möglich sind (§ 85 BauGB). Auch bei einem Bebauungsplan hat eine Gemeinde im Interesse des Eigentümers im Rahmen der Prüfung, ob ein Bebauungsplan erforderlich ist, sowie bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass hinsichtlich aller oder einzelner Grundstücke im Hinblick auf die festgesetzte Nutzung - beispielsweise als öffentliche Verkehrsfläche oder Grünfläche - ein Eigentumsübergang erforderlich werden wird. Dies gilt unbeschadet des Grundsatzes, dass Bebauungspläne keine enteignungsrechtliche Vorwirkung haben (Urteil vom 6. Juni 2002 - BVerwG 4 CN 6.01 - BRS 65 Nr. 8 S. 36).

15

1.2 Auch die Frage,

ob aus dem Begründungserfordernis gem. § 165 Abs. 7 BauGB für den Fall der rückwirkenden Inkraftsetzung einer Entwicklungssatzung die Pflicht der Gemeinde folgt, eine neue Abwägung auf der Basis aktualisierter Tatsachengrundlagen vorzunehmen, und ob das Ziel des vereinfachten Verfahrens gem. § 214 Abs. 4 BauGB auch erreicht werden kann, wenn in jedem Fall einer rückwirkenden Inkraftsetzung von Satzungen eine erneute Abwägung erforderlich ist,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.

16

Das Begründungserfordernis gilt für Bebauungspläne und Entwicklungssatzungen gleichermaßen und steht somit einer Übertragung der Rechtsprechung zum ergänzenden Verfahren bei Bebauungsplänen auf Entwicklungssatzungen in der oben dargestellten Weise nicht entgegen.

17

2. Auch die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.

18

2.1 Die Beschwerde rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs und trägt vor, das Oberverwaltungsgericht habe seinen Sachvortrag im Schriftsatz vom 26. August 2009 (GA S. 131) nicht zur Kenntnis genommen. Die Rüge greift nicht durch. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet ein Gericht nicht, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Argument auseinanderzusetzen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen sowohl zur Kenntnis genommen als auch in seine Erwägungen einbezogen hat. Nur bei deutlichen gegenteiligen Anhaltspunkten kann ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs angenommen werden (stRspr; vgl. z.B. Beschluss vom 10. Mai 1999 - BVerwG 7 B 300.98 -). Dies ist hier nicht ersichtlich. Unter anderem auf Seite 14 der Entscheidungsgründe geht das Oberverwaltungsgericht sowohl auf die Prognosen aus dem Jahr 1995 als auch auf die zwischenzeitliche Entwicklung ein. In tatsächlicher Hinsicht weist es darauf hin, dass der Antragsteller auf Sanierungsprojekte außerhalb des hier betroffenen Ortsteils der Antragsgegnerin Bezug nimmt; demgegenüber betont das Gericht an anderer Stelle die außergewöhnliche Lage gerade dieses Ortsteils im Grenzbereich zum früheren West-Berlin (UA S. 3). In rechtlicher Hinsicht verdeutlicht das Gericht, auf welchen Zeitpunkt es nach seiner Auffassung ankommt. Somit ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht festzustellen.

19

Außerdem bleibt die Rüge erfolglos, weil der Antragsteller es an einer Darlegung fehlen lässt, aus welchen Gründen das Gericht auf der Grundlage seiner - allein maßgeblichen - Rechtsauffassung in der Sache zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen sollen.

20

2.2 Die Beschwerde rügt ferner eine Verletzung der aus Art. 14 Abs. 1 GG resultierenden richterlichen Prüfungspflicht (vgl. insbesondere BVerfG, Beschlüsse vom 19. September 2007 - 1 BvR 1698/04 - und vom 15. Februar 2007 - 1 BvR 300/06 - BRS 68 Nr. 4 S. 11). Auch damit dringt sie nicht durch. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob damit überhaupt ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO oder nicht vielmehr eine dem materiellen Recht zuzuordnende Kritik an der sachlich-rechtlichen Würdigung der Entwicklungssatzung im Normenkontrollverfahren vorgetragen wird.

21

Das Oberverwaltungsgericht konnte zum Zeitpunkt seiner Normenkontrollentscheidung (August 2009) davon ausgehen, dass die Entwicklungssatzung hinsichtlich der im Eigentum des Antragstellers stehenden Grundstücke aufgehoben worden war (Beschluss vom Mai 2008, berichtigt im September/Oktober 2008). Das gegen den Antragsteller eingeleitete (Teil-)Enteignungsverfahren ist beendet worden (UA S. 5). Schon aus diesem Grund scheiden erhöhte Anforderungen vor dem Hintergrund einer (noch) drohenden Enteignung aus. Davon abgesehen gilt allgemein, dass bei einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme, deren Verwirklichung anders als bei Infrastrukturmaßnahmen oder einer Landesmesse auch durch Baumaßnahmen eines Eigentümers auf seinem eigenen Grundstück verwirklicht werden kann, die Entscheidung, ob die Enteignung eines bestimmten Grundstücks erforderlich ist, nicht mit bindender Wirkung für das Enteignungsverfahren vorweggenommen wird. Das von der Beschwerde befürchtete Rechtsschutzdefizit besteht somit nicht.

22

Ferner ist Gegenstand der Normenkontrollentscheidung der im ergänzenden Verfahren zur Behebung eines Form- und Verfahrensfehlers ergangene Beschluss der Antragsgegnerin vom Oktober 2004. Mit ihm wird, wie oben dargestellt worden ist, die 1995 ergangene Entwicklungssatzung geheilt und nachträglich eine sichere Grundlage für darauf beruhende weitere Entscheidungen geschaffen. Dagegen enthält dieser Beschluss keine Entscheidung darüber, dass die 1995 generell bejahten Voraussetzungen, wonach das allgemeine Wohl die Maßnahme rechtfertigt, weiterhin bestehen und auch hinsichtlich sämtlicher Grundstücke weiterhin zu bejahen wären. Zwischenzeitliche Veränderungen, die sich nicht auf den städtebaulichen Entwicklungsbereich insgesamt auswirken, aber die Inanspruchnahme einzelner Grundstücke in einem anderen Licht erscheinen lassen, führen lediglich nicht zur Unwirksamkeit der Gesamtmaßnahme und damit der Entwicklungssatzung.

23

Das Oberverwaltungsgericht hat sich einer Prüfung, ob bezogen auf die ursprüngliche - mit Form- oder Verfahrensfehlern behaftete - Beschlussfassung das Wohl der Allgemeinheit die Durchführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme erforderte, nicht entzogen. Es ist allerdings zu dem Ergebnis gelangt, dass die Entwicklungsmaßnahme in nicht unbeträchtlichen Teilen erfolgreich durchgeführt worden ist (UA S. 13). Der Sache nach gelangt es somit zu dem Ergebnis, dass sich die der Entscheidung aus dem Jahre 1995 zugrunde liegende Prognose im Wesentlichen bestätigt habe und damit kein Zweifel angebracht sei, dass die Maßnahme insgesamt durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt sei.

24

Da die Beschwerde aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen war, bedarf es keiner Prüfung mehr, ob - wie die Antragsgegnerin vorträgt - die von Amts wegen zu prüfenden Zulässigkeitsvoraussetzungen des Normenkontrollantrags entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zu verneinen wären; denn selbst wenn dies zuträfe, bleibe die Beschwerde erfolglos, weil die angefochtene Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO jedenfalls im Ergebnis richtig wäre.

Ist der Entwurf eines Bauleitplans vor dem 27. Januar 1990 nach § 3 Absatz 2 des Baugesetzbuchs öffentlich ausgelegt worden, ist auf ihn diese Verordnung in der bis zum 26. Januar 1990 geltenden Fassung anzuwenden. Das Recht der Gemeinde, das Verfahren zur Aufstellung des Bauleitplans erneut einzuleiten, bleibt unberührt.

Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Lagerplatzes. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs liegt das Grundstück des Klägers im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der dort ein Allgemeines Wohngebiet festsetzt. Das Grundstück des Beigeladenen liegt außerhalb des Plangebiets im nicht überplanten Innenbereich, den der Verwaltungsgerichtshof - zugunsten des Klägers unterstellt - als faktisches Mischgebiet i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO eingestuft hat.

II.

2

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

3

1. Die Rechtsache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde zumisst.

4

1.1 Die Frage,

ob (sich) bauplanerischer Nachbarschutz kraft Bundesrechts auch auf das Verhältnis des Eigentümers eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks zu dem Eigentümer eines Grundstücks, das zwar in einem faktischen Baugebiet, aber außerhalb des Plangebiets liegt, übertragen lässt,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.

5

Soweit die Frage einer revisionsgerichtlichen Klärung zugänglich ist, lässt sie sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats ohne Weiteres im Sinne der berufungsgerichtlichen Entscheidung beantworten. Wie der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 16. September 1993 (BVerwG 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 <156>) ausgeführt hat, ergibt sich aus der Gleichstellung geplanter und faktischer Baugebiete im Sinne der Baunutzungsverordnung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung durch § 34 Abs. 2 BauGB, dass ein identischer Nachbarschutz schon vom Bundesgesetzgeber festgelegt worden ist. Das bedeutet, dass § 34 Abs. 2 BauGB innerhalb von faktischen Baugebieten nachbarschützende Wirkung entfaltet. Der Grundsatz, dass sich ein Nachbar im Plangebiet auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden kann, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird (Beschluss vom 18. Dezember 2007 - BVerwG 4 B 55.07 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 32 Rn. 5), lässt sich auf den Nachbarschutz in einem faktischen Baugebiet übertragen. Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Im Rahmen dieses nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses kann daher das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des (faktischen) Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindert werden. Sind die Eigentümer der betroffenen Grundstücke - wie hier - nicht denselben rechtlichen Bindungen unterworfen, können sie auch nicht von dem jeweils anderen Eigentümer deren Einhaltung verlangen.

6

Soweit der Kläger zur Begründung des Klärungsbedarfs des Weiteren darauf hinweist, der Lagerplatz füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, die einem Mischgebiet entspreche, zeigt er nicht auf, dass dieser Gesichtspunkt entscheidungserheblich sein könnte. Feststellungen dazu, ob das Vorhaben - wie der Kläger geltend macht - den Gebietscharakter des faktischen Mischgebiets verändern würde, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht getroffen.

7

1.2 Die Frage,

ob Auflagen, deren Überwachung zu einem ständigen Überwachungsproblem und somit zu einem nicht mehr vertretbaren Verwaltungsaufwand führen, zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot führen,

beruht auf Annahmen, von denen der Verwaltungsgerichtshof nicht ausgegangen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausführlich begründet, dass es sich bei den der Baugenehmigung beigefügten Auflagen um klare und präzise zeitliche und räumliche Vorgaben handele, die ohne Weiteres aus sich heraus verständlich seien und deren Einhaltung dem Beigeladenen damit auch möglich sei. Eine Überwachung der Einhaltung der Vorgaben scheitere auch nicht an einem hierfür notwendigen unvertretbaren Verwaltungsaufwand. Der im Betrieb des Beigeladenen eingesetzte Gabelstapler verfüge über eine Aufzeichnung seiner Betriebsstunden, mit deren Hilfe seine Einsatzzeiten festgestellt werden können. Auch im Übrigen könne die Einhaltung der Auflagen überwacht werden etwa durch Verpflichtung des Beigeladenen, den Einsatz der Geräte und Fahrzeuge auf dem Lagerplatz in zeitlicher Hinsicht selbst zu erfassen und die dabei gewonnenen Ergebnisse der Baurechtsbehörde vorzulegen. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von der Fallkonstellation, die dem vom Kläger in Bezug genommenen Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. August 2008 - 14 B 06.1181 - zugrunde lag. Die Frage, ob sich die Einhaltung von Auflagen praktisch überwachen lässt, hängt von den Umständen im konkreten Einzelfall ab und ist einer allgemeingültigen Klärung nicht zugänglich. Mit seiner Grundsatzrüge wendet sich der Kläger letztlich nur gegen die tatrichterliche Würdigung, die auf der Auslegung des Regelungsgehalts der strittigen Auflagen im konkreten Einzelfall und der tatsächlichen Feststellung beruht, dass sich mit Hilfe gerätespezifischer Aufzeichnungsmechanismen auch der Verwaltungsaufwand der Überwachung in vertretbarem Rahmen halte.

8

2. Soweit der Kläger geltend macht, das angefochtene Urteil weiche gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vom Beschluss des Senats vom 3. Januar 1973 ab (BVerwG 4 B 171.72 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 34), was auch die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. August 2008 belege, genügt der Vortrag nicht den Darlegungsanforderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz zu einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch tritt (Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712). Der Kläger zeigt keinen Rechtssatzwiderspruch auf, sondern wiederholt nur seinen bereits mit der Grundsatzrüge erhobenen Einwand, die Auflagen würden zu einem ständigen Überwachungsproblem und unvertretbaren Verwaltungsaufwand führen.

9

3. Die Verfahrensrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, mit der der Kläger unter Bezugnahme auf seine schriftsätzlich gestellten Beweisanträge geltend macht, die Vorinstanzen hätten ein "neutrales Gutachten" einholen müssen, genügt ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

10

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt ein Gericht seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter nicht ausdrücklich oder lediglich hilfsweise (Beschluss vom 10. Juni 1999 - BVerwG 9 B 81.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 302) beantragt hat. Die ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht setzt voraus, dass unter Auseinandersetzung mit dem Prozessgeschehen und der Begründung der vorinstanzlichen Entscheidung schlüssig aufgezeigt wird, dass sich dem Gericht auch ohne unbedingten Beweisantrag auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen. Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bezugnahme auf die vom Kläger geübte Kritik im Einzelnen dargelegt, dass er an der Qualifikation und Sachkunde des Gutachters keinen Zweifel habe. Unter diesen Umständen genügt es nicht, im Rahmen der Beschwerde pauschal darauf zu verweisen, der Kläger habe immer wieder berechtigte Einwände gegen das Gutachten vorgebracht.

11

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht in der Regel nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 162 Abs. 3 VwGO der unterliegenden Partei aufzuerlegen, wenn das Bundesverwaltungsgericht dem Beigeladenen nicht durch Zustellung der Beschwerdebegründung Gelegenheit und Veranlassung gegeben hat, sich zur Frage der Zulassung der Revision zu äußern (Beschluss vom 31. Oktober 2000 - BVerwG 4 KSt 2.00 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 36). Dass die nach Bitte des Beigeladenen um Übersendung der Beschwerdeschrift erfolgte Äußerung das Verfahren in besonderer Weise befördert hätte, ist nicht zu erkennen.

(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für eine Asylbewerberunterkunft.

Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. ... der Gemarkung ..., ... in .... Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. ... vom 12. September 1973, der für das klägerische Grundstück als Art der baulichen Nutzung ein Mischgebiet gemäß § 6 BauNVO (1968) vorsieht. Das klägerische Grundstück ist mit einem Einfamilienhaus nebst Carport bebaut, wofür mit Bescheid vom 14. November 2012 die bauaufsichtliche Genehmigung erteilt wurde. Es liegt östlich des Grundstücks Fl.-Nr. ..., welches östlich an die ... angrenzt und ist mit dieser durch eine ca. 20 m lange Zufahrt verbunden

Das Vorhabengrundstück Fl.-Nr. ... der Gemarkung ..., ... in ... ist mit einem zweigeschossigen bislang gewerblich genutzten Gebäude bebaut. Für das Vorhabengrundstück liegt eine bauaufsichtliche Genehmigung mit Bescheid vom 17. April 1984 zur Errichtung eines Geschäftshauses mit Wohnung für Aufsichtspersonal vor.

Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. ... vom 12. September 1973, der für das Vorhabengrundstück als Art der baulichen Nutzung ein Gewerbegebiet gemäß § 8 BauNVO (1968) vorsieht. In § 3 der Bebauungsplansatzung Nr.... vom 12. September 1973 ist folgendes geregelt:

„1. Art der baulichen Nutzung:

1.1 Innerhalb der Gewerbegebiete nördlich der ... kann pro Betrieb nur eine Wohnung für Aufsichtspersonal ausnahmsweise zugelassen werden. Wohnungen für Betriebsinhaber, Betriebsleiter und Bereitschaftspersonen sind auch nicht ausnahmsweise zulässig.

1.2 Im Gewerbegebiet zwischen der Straße „C“, der nördlichen Grenze des Flurstücks Nr. ... und deren Verlängerung bis zur ..., der ..., der südlichen Geltungsbereichsgrenze und der Fußwegverbindung zwischen ... und der Straße „C“ sowie innerhalb eines 50 m breiten Streifens westlich der ... (gemessen ab Straßenbegrenzungslinie) sind nur Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude sowie rauchlose, geruchlose und geräuscharme Gewerbebetriebe zulässig. Das gleiche gilt für das Gewerbegebiet westlich der ....“

Am 4. Dezember 2014 beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Gewerbebetriebs mit Wohnung in Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende, die als soziale Einrichtung zur Unterbringung von Asylbewerber durch den Bezirk Mittelfranken genutzt werden solle. Laut Betriebsbeschreibung vom 19. Dezember 2014 sollte das Anwesen zur vorübergehenden Aufnahme und der Sozialbetreuung von maximal 263 Asylsuchenden, aufgeteilt in 47 Apartments und zwei Wohnungen nebst den erforderlichen Gemeinschaftsräumen dienen.

Die Antragsteller, deren Grundstück Fl.-Nr. ... der Gemarkung ..., ... in ..., sich nordöstlich in einem Abstand des Wohngebäudes vom Vorhabengebäude von mindestens 60 m befindet, wurden im Baugenehmigungsverfahren nicht als Nachbarn gemäß Art. 66 BayBO beteiligt.

Mit Bescheid vom 6. Februar 2015 erteilte die Antragsgegnerin der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die bauaufsichtliche Genehmigung zur Nutzungsänderung von Gewerbebetrieb zu Gemeinschaftsunterkunft für Leistungsberechtigte nach Asylbewerberleistungsgesetz unter Erteilung einer Ausnahme gemäß § 8 Abs. 3 BauNVO. Eine Zustellung einer Ausfertigung des Genehmigungsbescheids an die Antragsteller erfolgte nicht, da die Antragsgegnerin die Antragsteller aufgrund der Lage ihres Grundstücks in der ... baurechtlich nicht als Nachbarn im verfahrensrechtlichen Sinne eingestuft hatte.

Mit Bauantrag vom 14. Juli 2015, ergänzt mit Schreiben vom 31. Juli 2015 beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die Nutzungsänderung eines Gewerbebetriebes zu Beherbergungsbetrieb (Hotel) unter Genehmigung einer befristeten „Sondernutzung“ für die Zwecke der Landesflüchtlingsverwaltung für die Dauer von 20 Jahren. Der Bauantrag wurde seitens der Antragsgegnerin fortan als Tektur zum Bauvorhaben ... zur Änderung in Beherbergungsbetrieb mit Unterbringung für Asylbewerber während der ersten 20 Jahre behandelt.

Mit Bescheid vom 17. August 2015 erteilte die Antragsgegnerin der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen unter Abänderung des Baugenehmigungsbescheids vom 6. Februar 2015, ..., die bauaufsichtliche Genehmigung zur Nutzungsänderung von Gewerbebetrieb zu Gemeinschaftsunterkunft für Leistungsberechtigte nach Asylbewerberleistungsgesetz - Tektur zur Änderung in Beherbergungsbetrieb mit Unterbringung für Asylbewerber während der ersten 20 Jahre. Nach Ziffer 2) des Bescheides vom 17. August 2015 bleiben die Auflagen Ziffer 1 bis 8 und 11 bis 34 des Genehmigungsbescheids ... vom 6. Februar 2015 aufrechterhalten. Zur Begründung wird ausgeführt, das als Sonderbau genehmigungspflichtige Vorhaben (Art. 2 Abs. 4, Art. 55 BayBO) widerspreche nicht öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen seien (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Auf die Einzelheiten des streitgegenständlichen Bescheids wird im Übrigen verwiesen. Eine Beteiligung der Antragsteller oder die Zustellung des Tekturbescheids an sie erfolgte wiederum nicht.

Mit Schreiben vom 10. September 2015 an die Antragsgegnerin wurde ein Bauherrnwechsel auf die Beigeladene durch die bisherige Bauherrin angezeigt und mit Schreiben vom 7. März 2016 durch die Beigeladene bestätigt. Mit E-Mail vom 1. Februar 2016 sowie weiteren E-Mail-Nachrichten und Schreiben vom 22. Februar 2015 bemängelte der Antragsteller zu 2) die unterbliebene Nachbarbeteiligung und beantragte Akteneinsicht. Im nachfolgenden Schriftwechsel hielt die Antragsgegnerin daran fest, dass die Antragsteller mangels möglicher Beeinträchtigungen nachbarlicher Rechte als Nachbar nicht am Verfahren zu beteiligen seien (E-Mail vom 16. und 17.2.2016). Am 22. Februar 2016 wurde dem Antragstellervertreter Akteneinsicht in den Räumlichkeiten der Bauordnungsbehörde gewährt. Die Einsicht in die Pläne und die Fertigung von Kopien hierzu wurde seitens der Bauordnungsbehörde mit der Begründung abgelehnt, dass diese für eine Klage zur Durchsetzung eventueller Nachbarrechte nicht zwingend erforderlich sei. Des Weiteren wurde auch keine Auskunft über die am Verfahren beteiligten Nachbarn erteilt.

Mit Schriftsatz vom 16. Mai 2016 haben die Antragsteller gegen den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2015, ..., in Gestalt des Änderungsbescheids vom 17. August 2015, ..., Klage erhoben und Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt. Zur Begründung wird ausgeführt, aufgrund unzureichender Beteiligung und Akteneinsicht sei es den Antragstellern nicht möglich gewesen, ausführlich zu den geplanten Maßnahmen Stellung zu nehmen. Die angefochtene Baugenehmigung verletze das Rücksichtnahmegebot gemäß § 15 BauNVO, da die Belange der Eigentümer des ebenfalls im Bebauungsplan liegenden Grundstücks der Antragsteller durch die erteilte Genehmigung nicht nur geringfügig beeinträchtigt würden. Durch den Betrieb des streitgegenständlichen Bauvorhabens, insbesondere die Unterbringung von insgesamt 210 Asylbewerbern sei mit erheblichem, unzumutbarem Lärm für das in 60 m Entfernung liegende Grundstück der Antragsteller zu rechnen. In dem kleinen Hof der Einrichtung seien nach der Baugenehmigung 26 Kfz-Stellplätze und sieben Fahrradstellplätze vorgesehen. Bei einer Frequentierung von 210 Asylbewerbern sei damit zu rechnen, dass Besuchsverkehr für die Einrichtung die Antragsteller beeinträchtigen werde. Bei einer Frequentierung mit 210 Asylbewerbern werde es zu lautstarken Diskussionen, zu erheblichen Gefährdungen von Menschen und vorhersehbar zu Beschädigungen von Einrichtungen und abgestellten Fahrzeugen, auch auf den Nachbargrundstücken, insbesondere dem Grundstück der Antragsteller und deren einziger Einfahrt, kommen. Der Charakter der näheren Umgebung werde sich durch die genehmigte Nutzungsänderung erheblich zum Nachteil der Antragsteller auch bauplanungsrechtlich verändern. Die vom Bauvorhaben in der genehmigten Form ausgehenden Geräuschimmissionen seien für die Antragsteller nicht zumutbar. Dabei seien die Bewertungsmaßstäbe der TA-Lärm heranzuziehen, da es vorliegend nicht nur um verhaltensbedingten Lärm, sondern auch um Geräusche gehe, die durch technische Anlagen hervorgerufen würden, insbesondere im Hinblick auf die geplante nachfolgende Nutzung als Hotelgebäude. Das Grundstück der Antragsteller erleide durch die Zulassung des streitgegenständlichen Bauvorhabens einen erheblichen Wertverlust, was wiederum einen Eingriff in das Grundstückseigentum der Antragsteller darstelle. Die Antragsgegnerin habe die Erfüllung von Schallschutzanforderungen, Lärmschutzanforderungen und Feuerschutzauflagen nicht hinreichend geprüft. Das genehmigte Vorhaben mache den vorliegenden qualifizierten Bebauungsplan obsolet, was insofern Auswirkungen auf das Grundstück der Antragsteller habe, als die im Gewerbegebiet vorhandenen Gewerbebetriebe nicht mehr produzieren dürften. Das im Einfügungsgebot gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BauGB enthaltene nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme werde verletzt. Die Antragsteller seien auch antrags- und klagebefugt, da die Möglichkeit einer Verletzung drittschützender Rechte der Antragsteller nicht von vorneherein auszuschließen sei. Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung seien anerkanntermaßen drittschützend; darüber hinaus sei im Rahmen von § 31 BauGB zu prüfen, ob die mit der Abweichungsentscheidung betroffene Festsetzung des Plans obsolet werde. Der Gebietsbewahrungsanspruch gewähre dem Eigentümer eines Grundstücks hinsichtlich der durch einen Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsart einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der zulässigen Nutzungsart abweiche, und zwar unabhängig davon, ob die zugelassene gebietswidrige Nutzung des Nachbarn selbst unzumutbar beeinträchtige. Die Festsetzung zum Baugebiet durch einen Bebauungsplan habe grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet. Die formellen Voraussetzungen zur Erteilung der streitgegenständlichen Baugenehmigung seien nicht eingehalten worden. Insbesondere seien nicht sämtliche Eigentümer der Nachbaranwesen, insbesondere die Antragsteller, im Baugenehmigungsverfahren beteiligt worden. Eine Einsicht in die entsprechende Bauakte sei den Antragstellern seitens der Antragsgegnerin verwehrt worden. Die Antragsgegnerin habe ein anderes Vorhaben genehmigt, als das, was die Bauherrin in ihrem Antrag entsprechend der ausführlichen Betriebsbeschreibung zur Genehmigung gestellt habe. In der Baubeschreibung zum Bauantrag vom 5. Dezember 2014 sei das Vorhaben als „Nutzungsänderung eines Gewerbebetriebes zu Beherbergungsbetrieb (Hotel)“ bezeichnet worden. Die Antragsgegnerin habe jedoch mit Genehmigungsbescheid vom 6. Februar 2015 in der Fassung der Tekturgenehmigung vom 17. August 2015 als Vorhaben „Bauliche und Fassadenänderung sowie Nutzungsänderung von Gewerbebetrieb zu Gemeinschaftsunterkunft für Leistungsberechtigte nach Asylbewerberleistungsgesetz - Tektur zur Änderung in Beherbergungsbetrieb mit Unterbringung für Asylbewerber während der ersten 20 Jahre“ genehmigt. Die streitgegenständliche Genehmigung sei auch mit weiteren modifizierenden Auflagen versehen worden, was eine konkludente Ablehnung des ursprünglichen Bauantrags der Bauherrin sowie letztlich die Genehmigung eines Aliuds darstelle. Die Baugenehmigung sei daher formell rechtswidrig, da die Antragsgegnerin gegen das Antragserfordernis und die Antragsbindung der Behörde verstoßen habe. Die angefochtene Baugenehmigung sei jedoch auch materiell rechtswidrig. Bei dem Vorhaben handele es sich um eine Anlage für soziale Zwecke mit wohnähnlichem Charakter, die im Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO eine unzulässige Nutzung darstelle. Das streitgegenständliche Vorhaben sei auch nicht ausnahmsweise genehmigungsfähig. Die angefochtene Baugenehmigung widerspreche dem Bebauungsplan Nr. ... der Antragsgegnerin und verletze daher die Antragsteller in ihrem Anspruch auf Gebietserhaltung. Der Bebauungsplan schließe generell Anlagen für soziale Zwecke aus. Den Festsetzungen des streitgegenständlichen Bebauungsplans sei eine abschließende Regelung zu entnehmen, welche Nutzungen ausnahmsweise zulässig sein sollen. Nach § 3 Nr. 1.1 des Bebauungsplans seien Wohnungen für Aufsichtspersonal im Umfang von einer Wohnung pro Betrieb ausnahmsweise zulässig. Der Ausschluss von Wohnungen für Betriebsinhaber, Betriebsleiter und Bereitschaftspersonen in § 3 Nr. 1.1 Satz 2 der Bebauungsplansatzung mache deutlich, dass nur solche Nutzungsarten ausnahmsweise zulässig sein könnten, die in den Festsetzungen positiv aufgeführt seien. Aus dem objektiven Erklärungsinhalt des Bebauungsplans ergebe sich mit der ausdrücklichen Aufzählung zur ausnahmsweisen Zulässigkeit bestimmter Nutzungen zugleich die generelle Unzulässigkeit der übrigen Nutzungen (mit Verweis auf BayVGH, B.v 5.3.2015 - 1 ZB 14.2373). Nach § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO sei entsprechend der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs keine Verpflichtung der Gemeinde abzuleiten, wonach alle nicht erwünschten Nutzungen durch ausdrückliche Festsetzung auszuschließen seien. Vielmehr reiche es aus, dass durch die Festsetzung ausnahmsweise zulässiger Nutzungen umgekehrt zum Ausdruck komme, dass die im Übrigen in § 8 Abs. 3 BauNVO genannten Ausnahmen nicht Bestandteil des Bebauungsplanes werden sollten. Somit seien in dem vorliegenden Gewerbegebiet Anlagen für soziale Zwecke insgesamt nach dem Bebauungsplan wirksam ausgeschlossen, so dass auch eine auf § 246 Abs. 10 BauGB oder auf § 31 Abs. 1 BauGB gestützte Befreiung rechtswidrig sei. Es fehle bereits an den Tatbestandsvoraussetzungen von § 246 Abs. 10 BauGB, da an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke nicht als Ausnahme zugelassen werden könnten oder auch nicht allgemein zulässig seien. Da es bei § 246 Abs. 10 BauGB um eine lex specialis handele, sei ein Rückgriff auf § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht zulässig. Soweit also die Tatbestandsvoraussetzungen des § 246 Abs. 10 BauGB nicht vorlägen, könne nicht auf § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB zurückgegriffen werden. Wegen Fehlens der Tatbestandsvoraussetzungen von § 246 Abs. 10 BauGB sei auch nicht entscheidungserheblich, ob das Vorhaben als Anlage für soziale Zwecke im Gewerbegebiet gebietsverträglich sei. Hilfsweise sei hier auszuführen, dass Anlagen für soziale Zwecke sich nicht mit der Zweckbestimmung eines Gewerbegebietes deckten (unter Verweis auf BVerwG, U.v. 2.2.2012 - 4 C 14.10 - juris, Rn. 13). Die Gebietsverträglichkeit einer Anlage für soziale Zwecke sei im Hinblick auf den jeweiligen Baugebietstyp zu bestimmen. Eine Asylbewerberunterkunft sei mit dem Baugebietstyp „Gewerbegebiet“ nicht gebietsverträglich (mit Verweis auf VG München, U.v. 9.10.2014 - M 11 K 14.3715). Bei der Beurteilung der Gebietsverträglichkeit komme es nicht auf die konkrete Bebauung in der Nachbarschaft, sondern auf eine Typisierung des Störpotentials an, das nicht nur im Störgrad, sondern auch in der Störempfindlichkeit eines Vorhabens liegen könne. Die Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in Gewerbegebieten mit tags 65 dB(A) und nachts 50 dB(A) sowie die hinzukommenden Geruchs- und Staubpotentiale in erheblichem, gewerbeüblichem Umfang seien mit einem Asylbewerberwohnheim nicht vereinbar. Auch die nur befristete Zulassung einer solchen Anlage für soziale Zwecke könne nichts an der grundsätzlichen Gebietsunverträglichkeit ändern. Die ausnahmsweise bestehende Zulässigkeit einer Wohnung pro Betrieb für Aufsichtspersonen nach der Bebauungsplansatzung und der generelle Ausschluss von weiteren Wohnungen zeige den Unterschied zu einer Asylbewerberunterkunft. Es gehe dabei um Wohnungen, die unter bewusster Inkaufnahme des von dem umliegenden Gewerbebetrieben ausgehenden Störpotentials von den Bewohnern genutzt würden, um im Gegenzug den Vorteil einer ortsnahen Unterbringung beim Gewerbebetrieb zu erreichen. Die Betriebsbeschreibung des Beherbergungsbetriebs sei nicht ausreichend und geeignet, um prüfen zu können, ob das Vorhaben zu erwartenden, unzumutbaren Schallimmissionen ausgesetzt sei. Aus den Bauvorlagen gehe nicht hervor, welche Nutzungen an welchen Stellen ausgeübt werden sollten. Dies gelte insbesondere für die besonders schutzwürdigen Schlaf- und Aufenthaltsräume. Darüber hinaus sei entgegen Art. 13 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Art. 62 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BayBO eine Immissionsprognose nicht vorgelegt worden, die die Einhaltung der zulässigen Immissionsrichtwerte an den maßgeblichen Immissionsorten nachweise. Auch enthalte die Baugenehmigung keinerlei schalltechnische Auflagen im Hinblick auf das geplante Wohnheim für Asylbewerber. Gleiches gelte für die Einhaltung des Brandschutzes. Die in der Baugenehmigung erteilten Auflagen seien aus technischer Sicht nicht geeignet, das bereits vorhandene Bestandsgebäude entsprechend an die zum heutigen Stand der Technik entsprechenden Anforderungen anzupassen, was jedoch im Rahmen der Nutzungsänderung rechtlich erforderlich sei. Dasselbe gelte letztlich auch für die Tatsache, dass sich das Vorhaben in der Fluglärmschutzzone (Zone C I) befinde. In der erteilten Genehmigung fänden sich keinerlei Auflagen hierzu.

Die Antragsteller beantragen,

die Vollziehung des Baugenehmigungsbescheids der Antragsgegnerin vom 6. Februar 2015, ..., in Gestalt des Änderungsbescheids vom 17. August 2015, ..., auszusetzen und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 6. Februar 2015 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 17. August 2015 anzuordnen, sowie der Antragsgegnerin aufzugeben, die Baustelle auf dem Grundstück ..., Fl.-Nr. ... der Gemarkung ... stillzulegen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wird ausgeführt, die Klage der Antragsteller sei mangels Klagebefugnis nicht zulässig, da die Antragsteller weder formell noch materiell als Nachbarn des Vorhabens anzusehen seien. Der Kreis der beteiligten Nachbarn müsse, insbesondere im Hinblick auf das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot, das im Zeitpunkt der Nachbarbeteiligung oft nur schwer zu beurteilen sei, vernünftig eingegrenzt werden, da der Bauherr nicht unzumutbar einer nicht übersehbaren Zahl von Abwehrberechtigten gegenüber stehen dürfe. Vorliegend sei dieser Kreis vernünftig eingegrenzt worden, da von dem Vorhaben keine unzumutbaren Belästigungen gegenüber den Antragstellern ausgingen, die das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot gefährden würden. Die Klage der Antragsteller sei darüber hinaus auch unbegründet. Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich in dem festgesetzten Gewerbegebiet ausnahmsweise zulässig. Der Bebauungsplan Nr. ... enthalte für das betroffene Gewerbegebiet keinen Ausschluss von Einrichtungen sozialer Art, weshalb auch eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber nach § 246 Abs. 10 BauGB zulässig sein könne. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 3 Nr. 1.1 der Bebauungsplansatzung, wonach in den Baugebieten nördlich der ... pro Betrieb nur eine Wohnung für Aufsichtspersonal zulässig sei. Es gehe vorliegend nicht um Wohnungen, sondern um eine Gemeinschaftsunterkunft bzw. einen Beherbergungsbetrieb. Aus § 3 Nr. 1.2 der Bebauungsplansatzung, wonach in einem abgegrenzten Teil des Plangebiets nur Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude zulässig seien, möge sich die Unzulässigkeit von Anlagen für soziale Zwecke ergeben können. Das Gewerbegebiet, in welchem das Bauvorhaben liege, befinde sich jedoch außerhalb dieses räumlich beschriebenen Bereichs. Darüber hinaus habe ein Nachbar, dessen Grundstück nicht im jeweiligen Baugebiet liege, grundsätzlich keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im angrenzenden Baugebiet. Dies gelte auch dann, wenn die beiden unterschiedlichen Baugebiete in demselben Bebauungsplan festgesetzt worden seien (mit Verweis auf BayVGH, B.v. 23.11.2015 - 1 CS 15.2207). Hinsichtlich der Begleiterscheinungen einer großen Gemeinschaftsunterkunft werde darauf verwiesen, dass Belästigungen und Störungen, die nicht der bestimmungsgemäßen Nutzung zugeordnet werden können, mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts zu begegnen sei. Auch sei unerheblich, ob das Grundstück durch die Unterkunft eine Wertminderung erfahren werde, solange die Wertminderung nicht Folge einer dem Nachbarn unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit seines Grundstücks sei. Zu den Stellplätzen auf dem Baugrundstück sei auszuführen, dass für die Gemeinschaftsunterkunft nicht 26 Stellplätze, sondern nur 10 Stellplätze beantragt und genehmigt worden seien. Für den Beherbergungsbetrieb seien 28 Stellplätze vorgesehen, davon seien bauordnungsrechtlich 26 Stellplätze notwendig. Die Stellplätze lägen schallschutztechnisch günstig auf der dem Grundstück der Antragsteller abgewandten Gebäudeseite. Der Sonderbau sei mit bauaufsichtlicher Prüfung des Brandschutzes genehmigt worden; beide Genehmigungen enthielten Auflagen zum Brandschutz. Zusammenfassend lasse sich keine Verletzung der Rechte der Antragsteller erkennen.

Mit Beschluss vom 18. Mai 2016 wurde die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zum Verfahren notwendig beigeladen. Nach Mitteilung des Bauherrenwechsels wurde dieser Beiladungsbeschluss mit Beschluss vom 12. September 2016 aufgehoben. Mit Beschluss vom 30. Juni 2016 wurde die Beigeladene zum Verfahren beigeladen.

Mit Schreiben vom 7. Juli 2016 hat sich die Beigeladenenvertreterin als Vertretungsbevollmächtigte angezeigt.

Die Antragsteller führen mit Schriftsatz vom 6. August 2016 ergänzend aus, die Antragsteller seien baurechtlich als Nachbarn anzusehen. Benachbart im baurechtlichen Sinn seien alle die Grundstücke, die durch das Vorhaben selbst oder durch seine Nutzung in ihren öffentlich-rechtlichen Belangen berührt sein könnten. Dabei sei die Art des Vorhabens, seine Größe, Ausdehnung und Höhenentwicklung und insbesondere die Intensität und Reichweite der von ihm ausgehenden Auswirkungen auf seine Umgebung von Bedeutung. Dass das Grundstück der Antragsteller nicht unmittelbar an das Vorhabengrundstück angrenze, sei daher unerheblich. Das Grundstück der Antragsteller liege gerade einmal 50 m vom Vorhabengrundstück entfernt. Die Kinder der Antragsteller und die Antragsteller selbst müssten jeden Tag am Grundstück mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zwingend vorbeifahren oder vorbeilaufen, um ihr eigenes Grundstück und die Einfahrt sowie die anliegende U-Bahn-Haltestelle ... zu erreichen. Aufgrund der Größe und der geplanten Anzahl der Bewohner von über 200 Personen sei mit einem erheblichen Lärmaufkommen durch die Bewohner der Unterkunft zu rechnen. Ebenso durch die Besucher der Bewohner der geplanten Unterkunft und die täglich notwendigen Organisatoren, Helfer und Anlieferer zur Versorgung der Bewohner der geplanten Unterkunft. Die von der Antragsgegnerin dabei geplanten Parkplätze seien erfahrungsgemäß nicht ausreichend, da in der ... bereits zu wenige Parkplätze vorhanden seien. Es sei durch die Presse seit Jahren bekannt, dass allein durch die Besucher des ... Flughafens, welche lieber in dem angrenzenden Wohngebiet von ... dauerparkten anstatt Parkplatzgebühren zu bezahlen, die ... stark frequentiert sei und von auswärtigen Dauerparkern genutzt werde. Unerheblich sei, wo die geplanten Parkplätze laut Plan entstehen sollten. Fakt sei, dass sämtliche Bewohner, Besucher und Zulieferer der Unterkunft diese nur über die einzige Ein- und Ausfahrt über die ... erreichen könnten, die sich in Entfernung der Antragsteller von gerade einmal 50 m befinde. Vor allem bei Lärm, Abgasen, Gerüchen oder sonst emittierenden Vorhaben seien aber auch noch andere als angrenzende Grundstücke benachbart im Sinne der BayBO anzusehen; insofern sei eine potentielle Betroffenheit ausreichend. Die Möglichkeit der Verletzung einer drittschützenden Vorschrift erscheine nicht völlig ausgeschlossen. Auf die Festsetzungen der Art der baulichen Nutzung nach dem Bebauungsplan könne sich jeder Nachbar im jeweiligen Gebiet ohne weitere individuelle Betroffenheit berufen (Gebietserhaltungsanspruch). Eine individualisierte und qualifizierte Betroffenheit der Antragsteller liege vor. Eine Möglichkeit der Verletzung sei auch gegeben, da nicht von vorneherein ausgeschlossen sei, dass das geplante und genehmigte Asylbewerberwohnheim gegen den vorliegenden qualifizierten Bebauungsplan verstoße. Der nur bis zum 31. Dezember 2019 geltende § 246 Abs. 10 BauGB ermögliche die Erteilung einer - hier beantragten - unbefristeten Befreiung nicht. Das Vorhaben sei offensichtlich formell und materiell rechtswidrig. Die vorliegende Baugebietsfestsetzung verfolge sogar den Zweck, Gebietsnachbarn einen Anspruch auf Gebietserhaltung zu geben. Dabei könne nicht nur auf die amtliche Begründung zur gebotenen Auslegung herangezogen werden, sondern auch Unterlagen des Planaufstellungsverfahrens. Im Rahmen der Bürgerbeteiligung an der Bauleitplanung zur Satzung Nr. 31 sei für einen Teilbereich östlich der ... ausgeführt, dass wegen der Flurlärmschutzzone (Zone C I) sowie der zwischen der ... und der ... gelegene, überwiegend mit Wohngebäuden bebaute Teilbereich als gewerbliche Baufläche umgewidmet worden sei. Weiter sei dort ausgeführt, es werde eine ersatzlose Aufhebung aller Festsetzungen für diesen Teilbereich vorgeschlagen, um die noch anstehenden Möglichkeiten einer städtebaulichen Nahverdichtung nach § 34 BauGB im Sinne eines Mischgebietes und auch im Sinne der Erhaltung des Ortsbildes positiv beurteilen zu können.

Das Interesse der Antragsteller an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiege daher das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Akten, auch im Hauptsacheverfahren (AN 9 K 16.00831) sowie die beigezogenen Verfahrensakten verwiesen.

II.

Der nach § 80 a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässige Antrag der Antragsteller ist nicht begründet. Die Kammer sieht nach einer einem Eilverfahren wie diesem angemessenen summarischen Prüfung, die umso eingehender sein muss, als die angegriffene Maßnahme Unabänderliches bewirkt (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 - 1 BvR 165/09 - NVwZ 2009, 581), im Rahmen der von ihr eigenständig zu treffenden Ermessensentscheidung keine Notwendigkeit für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage der Antragsteller gemäß § 80 a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Nach § 212 a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212 a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind - die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden. Dabei stehen sich das Suspensivinteresse des Nachbarn und das Interesse des Bauherrn, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch zu machen, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches Indiz zu berücksichtigen. Fällt die Erfolgsprognose zugunsten des Nachbarn aus, erweist sich die angefochtene Baugenehmigung also nach summarischer Prüfung gegenüber dem Nachbarn als rechtswidrig, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.1991 - 1 CS 91.439 - juris). Hat dagegen die Anfechtungsklage von Nachbarn mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist das im Rahmen der vorzunehmenden und zulasten der Antragsteller ausfallenden Interessensabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse des Bauherrn an der sofortigen Vollziehung der ihm erteilten Baugenehmigung (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011 - 14 CS 11.535 - juris Rn. 18). Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011, a. a. O.).

Nach der im Rahmen der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung verletzt der angefochtene Bescheid der Antraggegnerin vom 6. Februar 2015 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 17. August 2015 die Antragsteller nicht in ihren Rechten, so dass ihnen voraussichtlich kein Anspruch auf Aufhebung dieser Baugenehmigung zusteht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).

Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich um einen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 Nr. 6 BayBO, so dass sich der Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde aus Art. 60 BayBO ergibt.

Der Antragsteller kann die Baugenehmigung mit dem Ziel der Aufhebung nur dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch dem nachbarlichen Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit (auch) auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind, weil dieser in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen ist (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 26.9.1991 - 4 C 5/87 - BVerwGE 89, 69; BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris m. w. N.). Dabei ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rdnr. 20). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren aber nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung des Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B. v. 16.1.1997 - 4 B 244/96 -, NVwZ 1998, 58; BayVGH, B. v. 14.10.2008 - 2 CS 08/2132 - juris Rn. 3).

Nach summarischer Überprüfung wird die Klage der Antragsteller voraussichtlich keinen Erfolg haben. Bereits die Zulässigkeit der Klage erscheint im Hinblick auf die Klagebefugnis der Antragsteller nach § 42 Abs. 2 VwGO als zweifelhaft. Jedenfalls erweist sich die Klage voraussichtlich als unbegründet, da der angefochtene Bescheid der Antraggegnerin vom 6. Februar 2015 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 17. August 2015 die Antragssteller nicht in ihren Rechten verletzt, so dass ihnen kein Anspruch auf Aufhebung dieser Baugenehmigung zusteht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die erteilte Baugenehmigung ist sowohl in formeller Hinsicht (vgl. nachfolgend 1.) als auch im Hinblick auf die Einhaltung nachbarschützender Vorschriften jedenfalls den Antragstellern gegenüber wohl nicht zu beanstanden. Das Bauvorhaben verletzt insbesondere nicht einen allgemeinen bzw. einen gebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller (vgl. nachfolgend 2.). Auch das bauplanungsrechtliche Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme in seiner subjektivrechtlichen Ausprägung ist vorliegend voraussichtlich nicht verletzt (vgl. nachfolgend 3.). Verstöße gegen nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften sind ebenfalls nicht zu erkennen (vgl. nachfolgend 4.).

1. Dahin stehen kann, ob die Beteiligung der Antragsteller als Nachbarn im Baugenehmigungsverfahren nach Art. 66 BayBO zu Unrecht unterblieb. Eine unterlassene oder unzureichende Nachbarbeteiligung begründet zwar einen Verfahrensmangel. Dieser Verfahrensmangel allein führt aber nicht zur materiell-rechtlichen Fehlerhaftigkeit der Baugenehmigung. Art. 66 erweist sich nicht in dem Sinne nachbarschützend, dass die Nichtbeteiligung von Nachbarn schon für sich allein die Baugenehmigung diesen Nachbarn gegenüber rechtswidrig macht, und die Nachbarn die Aufhebung der Baugenehmigung nicht allein wegen unterbliebener Beteiligung beanspruchen können (vgl. BayVGH, B.v. 12.7.2010 - 14 CS 10.327 - juris Rn. 27; Simon/Busse/Dirnberger, BayBO Kommentar, Art. 66 Rn. 207-212). Art. 66 BayBO ist gegenüber der allgemeinen Anhörungsvorschrift für Beteiligte (Art. 28 BayVwVfG) die speziellere Regelung, so dass durch Nachholung von Akteneinsicht - vorliegend in umfassender Weise spätestens im Klageverfahren - Heilung dieses Verfahrensmangels eingetreten ist (Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG).

2. Eine Verletzung des geltend gemachten Gebietsbewahrungsanspruchs bzw. eines „baugebietsübergreifenden Gebietsbewahrungsanspruchs“ vermag die Kammer nicht zu erkennen.

Der Gebietsbewahrungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet (§ 9 Satz 1 Nr. 1 BauGB, § 1 Abs. 3 BauNVO) das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung zur Wehr zu setzen (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - juris Rn. 13; B.v. 27.8.2013 - 4 B 39/13 - juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 10.8.2016 - 9 ZB 16.944 - juris Rn. 11; B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 29). Der Gebietsbewahrungsanspruch ist eine Folge davon, dass Baugebietsfestsetzungen kraft Gesetz dem Schutz aller Eigentümer der in dem Gebiet gelegenen Grundstücke dienen. Diese weitreichende nachbarschützende Wirkung beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist. Im Hinblick auf diese wechselseitig wirkende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG hat jeder Eigentümer - unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung - das Recht, sich gegen eine „schleichende Umwandlung des Gebiets durch Zulassung einer gebietsfremden Nutzung zur Wehr zu setzen“ (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009, a. a. O., juris Rn. 29).

Da der Gebietsbewahrungsanspruch auf der durch eine Baugebietsfestsetzung wechselseitigen Eigentumsbindung beruht, kann er einem Eigentümer, dessen Grundstück sich außerhalb des Baugebiets befindet, regelmäßig nicht zustehen (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009, a. a. O., juris Rn. 29 m. w. N.). Ein Nachbar‚ dessen Grundstück nicht im jeweiligen Baugebiet liegt‚ hat grundsätzlich keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im angrenzenden Baugebiet (vgl. BVerwG‚ B.v. 18.12.2007 - 4 B 55.07 - juris Rn. 6). Dies gilt auch dann‚ wenn die beiden (unterschiedlichen) Baugebiete in demselben Bebauungsplan festgesetzt wurden (vgl. BayVGH‚ U.v. 25.3.2013 - 14 B 12.169 - juris Rn. 19; B.v. 23.11.2015 - 1 CS 15.2207 - juris Rn. 4). Allerdings kann eine Baugebietsfestsetzung im Einzelfall auch den Zweck verfolgen‚ Gebietsnachbarn einen Anspruch auf Gebietserhaltung zu geben. Bei der gebotenen Auslegung können nicht nur die amtliche Begründung‚ sondern auch Unterlagen des Planaufstellungsverfahrens herangezogen werden (vgl. BayVGH‚ U.v. 25.3.2013 a. a. O. Rn. 21).

Nach diesen Maßstäben können sich die Antragssteller, deren Grundstück sich in einem anderen Baugebiet, nämlich einem Mischgebiet nach § 6 BauNVO (1968) befindet, nicht auf einen Gebietsbewahrungsanspruch hinsichtlich der für das Vorhabengrundstück maßgeblichen Festsetzung eines Gewerbegebietes nach § 8 BauNVO (1968) berufen. Dass beide Baugebiete im Rahmen desselben Bebauungsplans festgesetzt wurden, dehnt den allgemeinen Gebietsbewahrungsanspruch nicht auf benachbarte Baugebiete aus. Eine Ausweitung des Gebietsbewahrungs- bzw. Gebietsgewährleistungsanspruchs auf die Abwehr von Vorhaben innerhalb anderer benachbarter Baugebiete scheidet sogar im Verhältnis unmittelbar benachbarter Grundstücke aus, erst recht jedoch für Grundstücke unterschiedlicher Baugebiete, die sich in einer Entfernung von 50 bis 60 m befinden. Hinsichtlich eines gebietsübergreifenden Gebietsbewahrungsanspruchs lässt sich im vorliegenden Fall ein entsprechender Planungswille der Gemeinde nicht feststellen. Es ist nicht erkennbar, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich des Gewerbegebiets den Gebietsnachbarn im Mischgebiet einen Anspruch auf Erhaltung des Gewerbegebiets vermitteln sollen. Dass die Festsetzung eines Mischgebietes, in dem sich das Grundstück der Antragsteller befindet, letztlich aus dem bestehenden Bestand an gemischter Bebauung bzw. insbesondere Wohnbebauung resultierte, vermag keinen Planungswillen der Gemeinde zur Begründungen eines baugebietsübergreifenden Gebietsbewahrungsanspruchs zu begründen. Daher verbleibt es dabei, dass die Antragsteller keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im angrenzenden Plangebiet haben. Es kommt auch nicht darauf an, ob sich das streitgegenständliche Vorhaben als mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung vereinbar und gebietsverträglich erweist. Ebenso kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen zur Erteilung einer Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplanes nach § 31 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNV0 oder die Voraussetzungen einer Befreiung nach § 246 Abs. 10 BauGB gegeben sind. Nachdem der Bebauungsplan Nr. ... vom 12. September 1973 keine Festsetzungen zur Zulässigkeit von Anlagen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNV0 (1968) enthält, ist diesem Schweigen wohl nicht der Bedeutungsgehalt eines konkludenten Ausschlusses der ausnahmsweisen Zulässigkeit von Anlagen für soziale Zwecke zuzumessen (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2016 - 1 CS 15.2687 - juris Rn. 2).

3. Der Nachbarschutz der mit ihrem Grundstück außerhalb des Plangebiets gelegenen Antragsteller bestimmt sich damit nur nach dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO für den beplanten Innenbereich enthaltenen Rücksichtnahmegebot (vgl. BVerwG, B. v. 18.12.2007 - 4 B 55/07 - juris Rn. 6 für § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO; BayVGH, B. v. 17.4.2013 - 14 ZB 11.1730 - juris Rn. 7).

Das Rücksichtnahmegebot findet in qualifiziert beplanten Bereichen nach § 30 Abs. 1 BauGB über § 15 Abs. 1 BauNVO Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung (vgl. BVerwG, U.v. 5.8.1983 - 4 C 96.79 - BVerwGE 67, 334). Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind die in den §§ 2 - 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder dessen Umgebung unzumutbar sind.

Das Maß der gebotenen Rücksichtnahme hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Bei der in diesem Zusammenhang anzustellenden Interessenbewertung ist ausschlaggebend, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem zur Rücksichtnahme Verpflichteten nach der jeweiligen Situation, in der sich die betroffenen Grundstücke befinden, im Einzelfall zuzumuten ist. Im Rahmen einer Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen sind die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, gegeneinander abzuwägen (BVerwG, U. v. 5.8.1983 - 4 C 96.79 - BVerwGE 67, 334/337 und B.v. 10.1.2013 - 4 B 48/12 - juris). Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen. (vgl. BVerwG, B. v. 10.1.2013 - 4 B 48/12 - juris; BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 40). Die Bewertung der Zumutbarkeit richtet sich danach ausschließlich nach den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit. Zu berücksichtigen sind dabei wertende Elemente wie allgemeine Akzeptanz und soziale Adäquanz. Diese Umstände müssen im Sinne einer „Güterabwägung“ in eine wertende Gesamtbetrachtung einfließen (vgl. BVerwG, B. v. 10.1.2013 a. a. O.; U.v. 24.4.1991 - 7 C 12.90 - BVerwGE 88, 143). Im Übrigen kann ein Grundstück in Randlage eines Baugebiets zu einem weniger geschützten festgesetzten Gebiet oder zum Außenbereich wegen dieser Lage nicht den vollen, für „sein“ Gebiet ansonsten geltenden Schutz beanspruchen (vgl. BayVGH, U. v. 24.08.2007 - 22 B 05.2870 - juris). Entscheidend ist letztlich, ob eine für den Rücksichtnahmebegünstigten unzumutbare Beeinträchtigung entsteht. Ob und inwieweit sich Belästigungen oder Störungen auswirken können, ist nach objektiven Maßstäben unter Berücksichtigung der bestimmungsgemäßen Nutzung der Anlage und der sich daraus ergebenden Erwartung von Auswirkungen zu beurteilen (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, Stand Mai 2016, Rn. 21 ff., 28 zu § 15).

Nach diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des drittschützenden Gebots der Rücksichtnahme gegenüber den Antragstellern voraussichtlich nicht vor. Es ist nicht erkennbar, inwieweit das Bauvorhaben als Anlage für soziale Zwecke mit wohnähnlichem Charakter, das der Wohnnutzung der Antragsteller wesentlich mehr entspricht als eine gewerbliche Nutzung, die bodenrechtliche Nutzung des Grundstücks der Antragsteller in unzumutbarer Weise beeinträchtigen könnte.

Unter Berücksichtigung der Distanz von 50 bis 60 m des Bauvorhabens zum Grundstück der Antragsteller erweisen sich die vom Bauvorhaben ausgehenden, zu erwartenden Geräuschimmissionen für die Antragsteller nicht als unzumutbar. Dabei sind die Bewertungsmaßstäbe der TA-Lärm nicht heranzuziehen, soweit es sich vorliegend um verhaltensbedingten Lärm und nicht um Geräusche, die durch technische Anlagen hervorgerufen werden, handelt (vgl. Nr. 1 h der TA-Lärm). Bei der Bewertung von Gefahren und Beeinträchtigungen nachbarlicher Interessen können nur solche Störungen berücksichtigt werden, die typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung des Vorhabens auftreten und von bodenrechtlicher Relevanz sind (städtebauliche Gesichtspunkte). Anderen Gefahren kann im jeweiligen Einzelfall mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts begegnet werden (vgl. BayVGH, B.v. 21.8.2015 - 9 CE 15.1318 - juris Rn. 19; B.v. 31.3.2015 - 9 CE 14.2854 - juris Rn. 19). Bei möglichen Rechts- und Ordnungsverletzungen müssen primär bestimmte Personen als Verhaltensstörer zur Verantwortung gezogen werden (BayVGH v. 13.9.2012, 2 B 12.109 - juris). Soweit auf Streitigkeiten zwischen den Asylbewerbern verwiesen wird, die an der Tagesordnung seien, ist der erforderliche Grundstücksbezug nicht ersichtlich. Die von einer baulichen Anlage ausgehenden Störungen und Belastungen sind nur insoweit auf ihre Nachbarverträglichkeit zu prüfen, als sie typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung auftreten und von bodenrechtlicher Relevanz sind. Anderweitige Belästigungen sind nicht Gegenstand baurechtlicher Betrachtung. Insbesondere ist das Baurecht im Allgemeinen nicht in der Lage, soziale Konflikte zu lösen, die wegen der Unterbringung von Asylbewerbern besorgt werden. Bei den zu erwartenden Geräuschimmissionen handelt es sich um typische, grundsätzlich hinzunehmende Wohngeräusche, auch wenn sich der Lebensrhythmus und die Gewohnheiten der Asylbewerber von denen der Ortsansässigen abheben mögen (BayVGH v. 13.9.2012, a. a. O.; v. 27.2.2015, 15 ZB 13.2384 - juris). Asylbewerberunterkünfte sind aufgrund ihrer zumindest wohnähnlichen Nutzung selbst mit dem Gebietscharakter eines Mischgebiets insoweit vereinbar, als von ihnen keine wohnunverträglichen Störungen ausgehen, die bebauungsrechtlich beachtlich wären (BayVGH, B.v. 9.12.2015 - 15 CS 15.1935 -, juris Rn. 19). Von den Antragstellern befürchtete, eventuell entstehende soziale Konflikte sind jedenfalls nicht im Wege des Baurechts zu lösen (vgl. VG Ansbach, B.v. 4.5.2015 - AN 9 S 15.00693 - juris; VG Würzburg v. 27.2.2003, W 4 E 03.116 - juris; VG Regensburg v. 29.8.2014, RN 6 E 14.1432 - juris). Das allgemeine Bauplanungsrecht gewährleistet keinen „Milieuschutz“ (BVerwG v. 23.8.1996, 4 C 13.94 - juris; BayVGH, B.v. 9.12.2015 - 15 CS 15.1935 - juris Rn. 19). Es ist daher kein im baurechtlichen Sinne schützenswerter Belang, bei einer Nutzung, die typischerweise Wohngeräusche verursacht, nach verschiedenen Personengruppen und deren sozialtypischen Verhaltensweisen zu differenzieren. Unterschiede in den Lebensgewohnheiten und dem Wohnverhalten verschiedener Bevölkerungsgruppen sind baurechtlich ohne Relevanz (vgl. VG Ansbach, B.v. 4.5.2015, a. a. O.). Die Anzahl der Wohnungen in einem Gebäude ist kein Kriterium zur Beurteilung der Frage, ob sich ein Vorhaben als rücksichtslos erweist. Die Antragsteller können sich demnach auch nicht unter diesem Gesichtspunkt mit Erfolg auf die mit der genehmigten Belegungsdichte bei einer Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft einhergehenden „Wohnnutzung in massierter Form“ berufen. Dies gilt vorliegend insbesondere unter Berücksichtigung der Distanz des Grundstücks der Antragssteller zum Vorhabengrundstück. Allein Blickbeziehungen zu der geplanten Einrichtung vermögen keine bauplanungsrechtliche Rücksichtslosigkeit zu begründen.

Soweit die Antragsteller eine unzumutbare Lärmbelästigung durch vom Vorhaben ausgelösten Verkehrslärm befürchte, fehlen dafür jegliche Anhaltspunkte. Die auf dem Baugrundstück genehmigten zehn Stellplätze befinden sich wie die Zufahrt zu ihnen entlang der Südgrenze und südlich des vorhandenen Gebäudes in einem Abstand von mindestens 80 m vom Wohnhaus der Antragsteller, zudem wird dieses in zweiter Reihe gelegene Anwesen durch das hier gegenständliche Hauptgebäude sowie die Bebauung auf den Grundstücken Fl.-Nr. ... und ... von eventuellem Verkehr auf dem Baugrundstück abgeschirmt. Eine unzumutbare Belastung des Grundstücks der Antragsteller durch Verkehrslärm auf dem Baugrundstück erscheint demnach als ausgeschlossen. Gleiches gilt für eventuellen vom Vorhaben ausgelösten Verkehr auf der ..., zumal insoweit auch angesichts der Tatsache, dass Asylbewerber in der Regel nicht über PKW verfügen, die Voraussetzungen der Ziffer 7.4. Abs. 2 TA-Lärm nicht vorliegen.

Auch die der Nutzung als Asylbewerberunterkunft nachfolgende, genehmigte Nutzung als Beherbergungsbetrieb erweist sich als im Mischgebiet zulässige Regelnutzung (§ 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) den Antragstellern gegenüber nicht als rücksichtslos.

Unerheblich ist, ob das Grundstück der Antragsteller durch die beabsichtigte Nutzung als Asylbewerberunterkunft eine Wertminderung erfahren könnte. Die im Rahmen der Prüfung des Rücksichtnahmegebots geforderte Interessenabwägung hat sich am Kriterium der Unzumutbarkeit auszurichten. Entscheidend ist dabei, ob die zugelassene Nutzung zu einer - unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen - unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten des anderen Grundstücks führt. Da sich jede - auch eine legale - Nachbarbebauung auf den Wert der umliegenden Grundstücke auswirken kann, kommt einer Wertminderung allenfalls eine Indizwirkung für die Interessenabwägung zu. Ein Abwehranspruch kann jedoch nur gegeben sein, wenn die Wertminderung die Folge einer dem Betroffenen unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.8.1996 - 4 C 13.94 - BVerwGE 101, 364 - juris Rn. 73; BayVGH, B.v. 21.8.2015 - 9 CE 15.1318 - juris Rn. 19). Dafür lässt sich dem Vorbringen der Antragsteller nichts entnehmen.

Eine Verletzung des planungsrechtlich hier allein in Betracht kommenden Gebotes der Rücksichtnahme ist - so das Ergebnis der summarischen Prüfung - nach alldem vorliegend zu verneinen.

4. Eine Verletzung nachbarlicher Belange ist auch bauordnungsrechtlich nicht erkennbar. Aufgrund der bestehenden Distanz von ca. 60 m zwischen dem Wohngebäude der Antragsteller und dem Gebäude der Asylbewerberunterkunft ist eine Verletzung nachbarschützender Brandschutzbelange nach Art. 12 BayBO nicht ersichtlich. Unabhängig davon, dass nicht sämtliche Brandschutzanforderungen nachbarschützend sind, so z. B. brandschutzrechtliche Vorschriften, die nur dem Schutze der Bewohner der Unterkunft dienen, ist vorliegend eine Nachbarrechtsverletzung im Hinblick auf den Brandschutz weder substantiiert vorgetragen, noch kommt eine solche unter Berücksichtigung der Entfernung zum Vorhabengrundstück in Betracht.

Vorschriften über die Stellplatz- und Garagenbaupflicht nach Art. 47 BayBO sind nicht nachbarschützend (vgl. Simon/Busse/Dirnberger BayBO Art. 66 Rn. 284 - 285-287). Selbst wenn eine zu geringe Zahl von notwendigen Stellplätzen nachgewiesen wäre, würden die Nachbarn auch dann nicht in ihren Rechten verletzt, wenn die Besucher der baulichen Anlage ihre Fahrzeuge in den benachbarten Wohnstraßen abstellten (vgl. OVG NRW, B.v. 21.7.1994, - 11 B 1511/94 - juris).

Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Kosten der Beigeladenen waren hiervon wegen §§ 154 Abs. 3 Halbsatz 1,162 Abs. 3 VwGO auszunehmen, da sie mangels Antragstellung auch kein Risiko eigener Kostentragungspflicht übernommen hat.

Die Bemessung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nummer 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.