Verwaltungsgericht München Urteil, 20. Mai 2016 - M 12 K 15.50772
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig und die Anordnung seiner Überstellung nach Frankreich im Rahmen des so genannten „Dublin-Verfahrens“.
Der am ... ... ... geborene Kläger ist nach eigenen Angaben irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volks- und yedizidischer Religionszugehörigkeit. Eigenen Angaben zufolge reiste er am
Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am
Ein Abgleich der Fingerabdrücke des Klägers am
Mit Schreiben vom .... April 2015 zeigte der Bevollmächtigte des Klägers dessen Vertretung an und führte aus, dass sich die Frage einer Rückschiebung nach Frankreich nicht stelle. Während seines kurzen Aufenthalts in Paris habe der Kläger das Flughafengelände nicht verlassen. Die französischen Behörden hätten ihn vor die Wahl gestellt, entweder einen Asylantrag zu stellen oder weiterzureisen. Der Kläger habe von Anbeginn an nach Deutschland reisen wollen, wo sämtliche Angehörigen lebten. In Frankreich hätte er zu keinem Zeitpunkt einen Asylantrag stellen wollen. Er würde sich dort bereits deshalb fürchten, weil in Frankreich mehr Moslems als Yeziden lebten und er als Yezid dort keinerlei Sicherheit zu erwarten hätte.
Mit Bescheid vom
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Frankreich aufgrund der illegalen Einreise nach Frankreich vor weniger als zwölf Monaten gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Auch die Einwände im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 23. April 2015 könnten nicht dazu führen. Zwar sei es möglich, dass nach Art. 9 Dublin III-VO der Antrag auf internationalen Schutz in dem Mitgliedstaat geprüft werde, in dem bereits ein Familienangehöriger in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt sei, oder nach Art. 10 Dublin III-VO der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei, in dem über den Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen entschieden werde, bei dem noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen sei. Nach Art. 2 lit. g Dublin III-VO handle es sich bei den Geschwistern des Klägers jedoch nicht um Familienangehörige im Sinne der Dublin III-VO. Ferner sei davon auszugehen, dass ihm in Frankreich der notwendige Schutz vor eventuellen Übergriffen durch Dritte gewährt werde. Er habe die Möglichkeit, sich an die französischen Behörden zu wenden, um Schutz zu erhalten. Eine mangelnde Schutzbereitschaft oder Schutzfähigkeit der französischen Behörden sei nicht bekannt. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland materiell nicht geprüft. Die Anordnung der Abschiebung nach Frankreich beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Das Bundesamt müsse des Weiteren das Einreiseverbot gemäß § 75 Ziff. 12 AufenthG im Fall einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG befristen. Die Festsetzung der Befristung des Einreiseverbots auf 0 Monate sei erfolgt, weil es in dem neuen Aufenthaltsgesetz vom 1. August 2015 keine Übergangsregelung für Altfälle gebe, in denen eine Gewährung rechtlichen Gehörs zur Befristung noch nicht erfolgt sei. Die notwendige nachträgliche Gehörsgewährung vor Festsetzung der Frist würde aus Zeitgründen die Einhaltung der Überstellungsfrist von sechs Monaten nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO gefährden und hätte deshalb unterbleiben müssen.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit Telefax seines Bevollmächtigten vom .... September 2015 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,
den Bescheids vom
Zur Begründung wurde mit Schreiben vom .... September 2015 im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Bescheid der Beklagten rechtswidrig sei. Ein Großteil der Familienangehörigen und Verwandten des Klägers lebe in Deutschland. Seit kurzem seien auch seine Eltern in Deutschland angekommen und hätten hier Asylantrag gestellt. Es lägen damit außergewöhnliche, humanitäre Gründe vor, die die Beklagte veranlassen müssten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung auszuüben. Art. 26 Abs. 1 Dublin III-VO sehe vor, dass die Entscheidung, den Asylantrag nicht zu prüfen, dem Antragsteller mitzuteilen sei und dass diese zu begründen sei. Demnach sei auch die Ermessensentscheidung zur Nichtausübung des Selbsteintrittsrechts zu begründen. Wenn in dem streitgegenständlichem Bescheid lediglich ausgeführt werde, dass keine außergewöhnlichen, humanitären Gründe vorlägen, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung auszuüben, dann fehle jegliche Auseinandersetzung mit der Situation des Betroffenen. Nach der maßgeblichen Bescheidsbegründung liege ein völliger Ermessensausfall vor (vgl. VG Regensburg, U.v. 7.2.2012 - RO 7 K 11.30142 - juris).
Ein gleichzeitig mit der Klageerhebung gestellter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde mit Beschluss des Gerichts vom
Das Bundesamt legte mit Schreiben vom
Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 11. April 2016
Mit Schreiben vom .... April 2016 übersandte der Bevollmächtigte des Klägers das ärztliche Attest von Dr. med. ... B..., Allgemeinarzt - Naturheilverfahren,
In der mündlichen Verhandlung teilte der Bruder des Klägers, Herr ... ... ..., mit, dass die Eltern des Klägers sowie die miteingereisten minderjährigen Geschwister ... und ... inzwischen von der Beklagten als Asylberechtigte anerkannt worden seien. Eine weitere Schwester des Klägers lebe mit ihrem Sohn ebenfalls im Bundesgebiet. Insgesamt lebten ca. 150 Familienangehörige des Klägers in Bayern. Der Kläger besuche im Bundesgebiet die Berufsschule in ... ....
Des Weiteren wurde in der mündlichen Verhandlung ein ärztliches Attest von Herrn Dr. med. ...-... S..., Arzt für Neurologie und Psychiatrie,
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren als auch in den Verfahren M 12 S 15.50773, M 12 S 15.50775 und M 12 K 15.50774 sowie auf die vorgelegte Behördenakte des Bundesamts Bezug genommen.
Gründe
Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
Die Klage ist nur zum Teil zulässig (1.). Soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet (2.).
1. Die Klage ist bereits unzulässig, soweit sie sich gegen das in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides vom
2. Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom
2.1. Die Beklagte hat den Asylantrag des Klägers vom
2.1.1. Gemäß § 27a AsylG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das Bundesamt kann in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Im Fall des Klägers ist Frankreich aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union i. S.v. § 27a AsylG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist vorliegend die am
Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist vorliegend Frankreich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Ausweislich des bei einer EURODAC-Abfrage für den Kläger erzielten Treffers mit der Kennzeichnung „FR2“ wurde dieser in Frankreich bei dem illegalen Überschreiten der Grenze auf dem Land-, See- oder Luftweg von den zuständigen französischen Kontrollbehörden aufgegriffen (vgl. Art. 24 Abs. 4 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26. Juni 2013 (EURODAC-VO). Anhaltspunkte dafür, dass diese Daten unzutreffend sind, bestehen nicht, zumal nach Art. 23 Abs. 1 lit. c) EURODAC-VO eine europarechtliche Richtigkeitsgewähr der Mitgliedstaaten bezüglich der erhobenen und übermittelten Daten besteht. Der Kläger hat zudem bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 23. April 2015 bestätigt, dass er im Januar 2015 ohne gültiges Grenzübertrittspapier nach Frankreich eingereist ist und ihm dort Fingerabdrücke abgenommen wurden. Entgegen dem Vorbringen des Bevollmächtigten des Klägers ist auch anzunehmen, dass der Kläger den Transitbereich des Flughafens verlassen hat, so dass von einer illegalen Einreise in Frankreich auszugehen ist. Bereits nach seinen eigenen Angaben hat der Kläger den Transitbereich des Flughafens in Paris verlassen und ist von dort aus mit dem Taxi nach ... gefahren. Die Zuständigkeit Frankreichs ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen, da zum Zeitpunkt der erstmaligen Asylantragstellung im März 2015 der illegale Grenzübertritt noch nicht länger als zwölf Monate zurücklag (vgl. Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO). Damit ist vorliegend Frankreich der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat, unabhängig davon, ob der Kläger dort einen Asylantrag gestellt hat.
2.1.2. Die gegenüber Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO vorrangigen Zuständigkeitsbestimmungen der Art. 9, 10 und 11 Dublin III-VO kommen im Fall des Klägers nicht zur Anwendung. Diese beinhalten besondere Zuständigkeitsregelungen, die dem Schutz der familiären Beziehungen zwischen minderjährigen Kindern, ihren Eltern und Geschwistern dienen. Nach der bindenden Definition in Art. 2 g) Dublin III-VO gehören jedoch weder seine inzwischen im Bundesgebiet lebenden Eltern noch seine Geschwister zum Personenkreis der Familienangehörigen im Sinne der Verordnung, da der am... ... ... geborene Kläger nicht mehr minderjährig (vgl. Art. 2 i) Dublin III-VO) ist.
2.1.3. Die Zuständigkeit Frankreichs ist auch nicht aus verfahrensbezogenen Gründen auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Insbesondere wurde das Gesuch um Aufnahme des Klägers innerhalb von zwei Monaten nach Mitteilung der EURODAC-Treffermeldung an Frankreich gerichtet (Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO). Auch auf Grundlage von Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ergibt sich keine Zuständigkeit der Beklagten. Gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO hat die Überstellung des Asylantragstellers vom ersuchenden Staat in den ersuchten Staat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese nach Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat, zu erfolgen. Ein Rechtsbehelf bzw. eine Überprüfung mit aufschiebender Wirkung im unionsrechtlichen Sinne der Verordnung liegt nach Art. 27 Abs. 3 lit. c Dublin III-Verordnung dann vor, wenn der Asylantragsteller bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung beantragen kann. Der deutsche Gesetzgeber hat diesbezüglich in § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG geregelt, dass die Abschiebung bei rechtzeitiger Stellung eines Eilantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO vor der gerichtlichen Entscheidung über diesen Antrag nicht zulässig ist. Dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kommt damit aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO zu. Leitet der Asylantragsteller ein solches Verfahren ein, so beginnt die Überstellungsfrist daher nicht bereits mit dem Zugang der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat zu laufen, sondern nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-Verordnung erst mit der Bekanntgabe der endgültigen Entscheidung über den auf § 34a Abs. 2 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO gestützten Eilantrag (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.12.2015 - AN 14 K 15.50316 - juris Rn. 18; Sächs. OVG, B.v. 5.10.2015 - 5 B 259/15.A - juris; VG Aachen, U. v. 19.8.2015 - 6 K 2553/14.A - juris; VG Düsseldorf, B.v. 29.12.2014 - 23 L 3127/14.A - juris; VG Karlsruhe, B.v. 30.11.2014 - A 5 K 2026/14 - juris; Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, Kommentar, Stand: 1. 2. 2014, Art. 29 Anm. K4 und K7 ). Hiervon ausgehend ist die Überstellungsfrist zum maßgeglichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylG) noch nicht abgelaufen, da der Beschluss vom 30. Dezember 2015, mit dem der Antrag des Klägers nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt wurde, dem Bundesamt sowie seinem Bevollmächtigten erst am 19. Januar 2016 zugestellt wurde.
2.1.4. Besondere Umstände, die die Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 UnterAbs. 2 Dublin III-VO begründen würden, liegen nicht vor. Insbesondere kann der Kläger einer Überstellung nach Frankreich auch nicht mit dem Einwand entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Frankreich systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so dass eine Überstellung nach Frankreich unmöglich wäre (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO).
Das gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - finden (EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10
Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011, a. a. O.) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93
In Bezug auf Frankreich ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass dem Kläger im Falle seiner Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Frankreich über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches prinzipiell funktionsfähig ist und insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss (vgl. VG München, U.v. 24.11.2015 - M 12 K 15.50786; VG Augsburg, U.v. 19.10.2015 - Au 5 K 15.50438 - juris; VG Bayreuth, U.v. 18. 12. 2014 - B 3 K 14.50103 - juris; VG Bremen B.v. 4. 8. 2014 - 1 V 798/14 - juris; VG Dresden, B.v. 13.11.2014 - A 2 L 1278/14 - juris; VG Gelsenkirchen, B.v. 10. 9. 2014 - 7a L 1301/14.A - juris; VG Ansbach, B.v. 29. 7. 2014 - AN 4 S 14.50055 - juris; VG Düsseldorf, B.v. 24. 7. 2014 - 13 L 1502/14.A - juris). Es ist weder konkret vorgetragen noch ersichtlich, dass in Frankreich systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen.
Frankreich gilt außerdem als sicherer Drittstaat i. S. des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG. Hinderungsgründe für eine Abschiebung in einen derartigen sicheren Drittstaat ergeben sich nur ausnahmsweise dann, wenn der Asylsuchende individuelle konkrete Gefährdungstatbestände geltend machen kann, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung von Verfassungs- und Gesetzes wegen berücksichtigt werden können und damit von vorneherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind. Dies ist - bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat - etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaats als sicher maßgebenden Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalls sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen (BVerfG, U.v. 14.5. 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Auch in Anbetracht der bei ihm vor kurzem attestierten psychischen Erkrankung (reaktivdepressives Syndrom mit Angst- und Paniküberlagerung) ergeben sich keine Gründe, die ausnahmsweise zur Annahme einer individuellen Gefahr für den Kläger führen könnten, in Frankreich einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, als Frankreich über eine umfassende Gesundheitsfürsorge verfügt, die französischen Staatsbürgern sowie Flüchtlingen, Asylbewerbern und unter humanitären Schutz stehenden Personen gleichermaßen zugänglich ist. Nach der bestehenden Auskunftslage steht Asylsuchenden in Frankreich ein Anspruch auf kostenlose staatliche medizinische Versorgung zu. Die ärztliche Betreuung der Asylbewerber wird dabei in der ersten Zeit in den hierfür vorgesehenen Einrichtungen sichergestellt. Danach werden sie über die Basisversicherung für Bedürftige CMU und die Zusatzversicherung CMU-C kostenfrei abgesichert. Die Leistungen entsprechen dabei denen der allgemeinen Krankenversicherung (vgl. hierzu: Homepage der französischen Botschaft, abrufbar unter: http://www.ambafrancede.org/Reformdes-Asylrechts-Frankreichbeschleunigt-Verfahren; AIDA-Länderbericht zu Frankreich, Stand: Dezember 2015, Seiten 85 ff., abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/reportdownload/aida_fr_update_iv.pdf). Für das Gericht besteht daher kein Anlass zu Zweifeln daran, dass die vom Kläger geltend gemachte psychische Erkrankung in Frankreich als einem Mitgliedstaat der Europäischen Union mit hohem medizinischem Standard behandelt werden können und dass entsprechende Behandlungsmöglichkeiten auch Asylsuchenden offenstehen.
Ebenso wenig vermag das Vorbringen des Klägers, wonach er als Yezid in Frankreich keinerlei Sicherheit zu erwarten habe, seinem Antrag zum Erfolg zu verhelfen. Konkrete Anhaltspunkte für eine Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit der französischen Behörden gibt es nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht. Diesbezüglich lebensbedrohliche Umstände in Frankreich wurden darüber hinaus auch nicht konkret vorgetragen.
2.1.5. Die Beklagte ist auch nicht gemäß Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO zu einer Familienzusammenführung des Klägers mit seinen Eltern und Geschwistern verpflichtet. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller nicht von einem Elternteil oder einem seiner Geschwister zu trennen, wenn der Antragsteller wegen einer schweren Krankheit oder ernsthafter Behinderung auf die Unterstützung eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen ist, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, eines der Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben. Die Zuständigkeitsregelung des Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO beruht auf der humanitären Pflicht, Antragsteller, die auf die Hilfe bestimmter enger Bezugspersonen angewiesen sind, zusammenzuführen. Das die Zuständigkeit begründende Abhängigkeitsverhältnis bleibt dabei auf Ausnahmesituationen besonderer Hilfsbedürftigkeit beschränkt (vgl. Filzweiser/Sprung, Dublin III-Verordnung, Kommentar, Stand: 1.2.2014, K3 zu Art. 16; VG Ansbach, B.v. 5.3.2015 - AN 14 S 15.50026 - juris Rn. 21). Ein solches besonders Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Kläger und seinen Eltern oder Geschwistern ist vorliegend nicht ersichtlich. Den beiden vorgelegten ärztlichen Attesten vom 12. April 2016 und 29. April 2016 lässt sich nicht entnehmen, dass der Kläger infolge der bei ihm diagnostizierten psychischen Erkrankung in seiner Lebensführung derart beeinträchtigt ist, dass er zwingend auf die Lebenshilfe seiner Geschwister oder eines Elternteils angewiesen wäre. Auch die vom Kläger geltend gemachten Sprachprobleme sind nicht geeignet, um ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis im vorgenannten Sinne zu begründen.
2.1.6. Des Weiteren kann der Kläger auch keine Verpflichtung der Beklagten zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO beanspruchen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Bei Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO handelt es sich um eine restriktiv zu handhabende Ausnahmebestimmung, die eine Zuständigkeitsübernahme in Fällen ermöglicht, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern. Vor diesem unionsrechtlichen Hintergrund ist die im weiten Ermessen der Beklagten stehende Entscheidung, von ihrem Selbsteintrittsrecht im Fall des Klägers keinen Gebrauch zu machen, hier rechtlich nicht zu beanstanden. Es erscheint nicht ermessensfehlerhaft, die in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen sowie die geltend gemachte psychische Erkrankung als nicht hinreichende besondere humanitäre Gründe zur Wahrnehmung des Selbsteintrittsrechts anzusehen. Allein das Vorhandensein einer - auch schweren - Erkrankung begründet noch keinen Anspruch auf die Ausübung des Selbsteintrittsrechts im Wege der Ermessensreduzierung auf Null, wenn diese regelmäßig auch im zuständigen Mitgliedstaat behandelbar ist (vgl. VG Köln, U.v. 6. 11. 2015 - 18 K 4016/15.A - juris Rn. 49). Für das Gericht besteht vorliegend auch kein Anlass zu Zweifeln daran, dass die attestierte psychische Erkrankung des Klägers auch in Frankreich behandelt werden könnte und entsprechende Behandlungsmöglichkeiten Asylsuchenden auch offenstehen (s.o.).
Darüber hinaus begründen die Bestimmungen der Dublin III-VO - auch hinsichtlich der Selbsteintrittskompetenz - grundsätzlich keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers. Sie dienen als innerstaatliche Organisationsvorschriften vielmehr in erster Linie der klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16 der Verordnung, OVG R-P, U.v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13 - juris; VG Düsseldorf, B.v. 9.1.2015 - 13 L 2878/14.A - juris). Allenfalls in Fällen, in denen die Durchsetzung einer Zuständigkeit nach der Dublin III-VO eine Verletzung der EMRK bedeuten würde, käme möglicherweise ein subjektives Recht des Drittstaatsangehörigen auf Durchsetzung der Ausübung des Selbsteintrittsrechts in Betracht (Filzwieser/Sprung, a. a. O., K2 und K3 zu Art. 17). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Nach alledem erweist sich die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig in Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheids daher als rechtmäßig.
2.2. Auch die in Ziffer 2 des verfahrensgegenständlichen Bescheids auf Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG angeordnete Abschiebung nach Frankreich ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Gegen die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung des Klägers nach Frankreich bestehen keine Bedenken. Die französischen Behörden haben der Rückführung des Klägers mit Schreiben vom 22. Mai 2015 ausdrücklich zugestimmt. Ein der Abschiebung nach Frankreich entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis ist ebenfalls nicht ersichtlich:
Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist unter anderem gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche außerhalb des Transportvorgangs eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt und diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne; vgl. BayVGH, U.v. 18.10.2013 - 10 CE 13.1890 - juris). Ebenso kann eine konkrete, ernstliche Suizidgefährdung mit Krankheitswert zu einem Abschiebungshindernis führen (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2013 - 10 CE 12.2396 - juris Rn. 11).
Bei einer psychischen Erkrankung kann außer in Fällen einer eigentlichen Flugreise- bzw. Transportuntauglichkeit nur dann von einer Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne ausgegangen werden, wenn entweder im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Ausländers droht, der auch nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden kann, oder wenn dem Ausländer unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon sonst konkret eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, die allerdings - in Abgrenzung zu zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen - nicht wesentlich (erst) durch die Konfrontation des Betreffenden mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt werden darf. Ferner kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis aufgrund einer (auch psychischen) Erkrankung vorliegen, wenn dem Ausländer bei seiner Ankunft im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des oben aufgezeigten Maßstabs droht, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft einsetzenden Versorgung und Betreuung fehlt.
Hiervon ausgehend lässt sich ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis vorliegend nicht festzustellen. Dass sich der Gesundheitszustand des Klägers durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens“ wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht, geht aus keinem der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Atteste hervor. Die Atteste vom 12. April 2016 und vom 29. April 2016 lassen überdies weder darauf schließen, dass im Falle einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet mit einem Suizidversuch des Klägers gerechnet werden müsste noch dass sich sein Gesundheitszustand durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert. Vielmehr beschränken sich die vorgenannten Atteste auf die Darstellung der beim Kläger zu beobachtenden Symptomatik, ohne hierbei auf die Frage der Reisefähigkeit des Klägers oder etwaige gesundheitliche Folgen infolge einer Abschiebung nach Frankreich einzugehen. Ein Attest, das die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, nicht nachvollziehbar darlegt, ist zur Glaubhaftmachung eines Abschiebungshindernisses nicht geeignet (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2013 - 10 CE 12.2396 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 8.2.2012 - 2 M 29/12 - juris).
Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die vom Kläger geltend gemachte psychische Erkrankung auch in Frankreich behandelbar ist (s.o.). Die überstellende Behörde ist nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO des Weiteren gehalten, dem zuständigen Mitgliedstaat Informationen über die besonderen Bedürfnisse bezüglich der Gesundheit der zu überstellenden Person zu übermitteln, um es den zuständigen Behörden im zuständigen Mitgliedsstaat gemäß dem innerstaatlichen Recht zu ermöglichen, diese Person in geeigneter Weise zu unterstützen - unter anderem die zum Schutz ihrer lebenswichtigen Interessen unmittelbar notwendige medizinische Versorgung zu leisten - und um die Kontinuität des Schutzes und der Rechte sicherzustellen, die die Verordnung und andere einschlägige Bestimmungen des Asylrechts bieten. Dem Zielstaat wird daher im Vorfeld der Rückführung bei Vereinbarung eines Überstellungstermins mitgeteilt, wenn eine Person unmittelbar nach der Ankunft in ärztliche Hände übergeben werden soll. Soweit dieser Informationsaustausch erfolgt, genügt der überstellende Staat grundsätzlich den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention, so dass selbst bei Überstellung von besonders schutzbedürftigen Personen wie etwa psychisch Kranken keine grundlegenden Einwände bestehen (vgl. Thym, ZAR 2013, 331 unter Verweis auf die Rechtsprechung des EGMR; VG Würzburg, B.v. 5.3.2014 - W 6 S 14.30235 - juris).
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 20. Mai 2016 - M 12 K 15.50772
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Urteil, 20. Mai 2016 - M 12 K 15.50772
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenVerwaltungsgericht München Urteil, 20. Mai 2016 - M 12 K 15.50772 zitiert oder wird zitiert von 19 Urteil(en).
Tenor
I.
Das Verfahren wird eingestellt.
II.
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München
III.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klägerin hat mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom ... September 2015 Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. August 2015 erhoben, mit dem ihr Asylantrag als unzulässig abgelehnt und ihre Abschiebung nach Frankreich angeordnet wurde. Mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München
Nach der Niederlegung des Urteils hat die Beklagte den verfahrensgegenständlichen Bescheid vom
Die Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen ist auch dann noch möglich, wenn das erledigende Ereignis zwar nach Ergehen der erstinstanzlichen Entscheidung, aber vor Eintritt von deren Rechtskraft eintritt. Dies ergibt sich aus der Dispositionsmaxime sowie dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der es gestattet, eine Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurückzunehmen (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, Kommentar, 14. Auflage 2014, § 161 Rn. 12). Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Zur Klarstellung ist ferner darauf hinzuweisen, dass das Urteil vom 20. Mai 2016 gegenstandslos geworden ist.
Über die Kosten des Verfahrens hat das Gericht gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Im vorliegenden Fall entspricht es billigem Ermessen, die Kosten der Beklagten aufzuerlegen. Diese hat durch die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 27. August 2015 dem klägerischen Begehren entsprochen, was zur Kostenüberbürdung an die Beklagte führen muss.
Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
...
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die ihm drohende Überstellung nach Frankreich im Rahmen des so genannten „Dublin-Verfahrens“.
Der am ... geborene Antragsteller ist nach eigenen Angaben irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volks- und yedizidischer Religionszugehörigkeit. Er reiste eigenen Angaben zufolge am
Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am
Ein Abgleich der Fingerabdrücke des Antragstellers am
Mit Schreiben vom ... April 2015 zeigte der Bevollmächtigte des Antragstellers dessen Vertretung an und führte aus, dass sich die Frage einer Rückschiebung nach Frankreich nicht stelle. Während seines kurzen Aufenthalts in Paris habe der Antragsteller das Flughafengelände nicht verlassen. Die französischen Behörden hätten den Antragsteller vor die Wahl gestellt, entweder einen Asylantrag zu stellen oder weiterzureisen. Der Antragsteller hätte von Anbeginn an nach Deutschland reisen wollen, wo sämtliche Angehörigen lebten. In Frankreich hätte er zu keinem Zeitpunkt einen Asylantrag stellen wollen. Er würde sich dort bereits deshalb fürchten, weil in Frankreich mehr Moslems als Yeziden lebten und er als Yezid dort keinerlei Sicherheit zu erwarten hätte.
Mit Bescheid vom ... August 2015, ausweislich der Postzustellungsurkunde zugestellt am
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Frankreich aufgrund der illegalen Einreise nach Frankreich vor weniger als zwölf Monaten gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Auch die Einwände im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 23. April 2015 könnten nicht dazu führen. Zwar sei es möglich, dass nach Art. 9 Dublin-III-VO der Antrag auf internationalen Schutz in dem Mitgliedstaat geprüft werde, in dem bereits ein Familienangehöriger in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt sei, oder nach Art. 10 Dublin-III-VO der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei, in dem über den Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen entschieden werde, bei dem noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen sei. Nach Art. 2 lit. g Dublin-III-VO handle es sich bei den Geschwistern des Antragstellers jedoch nicht um Familienangehörige im Sinne der Dublin-III-VO. Ferner sei davon auszugehen, dass dem Antragsteller in Frankreich der notwendige Schutz vor eventuellen Übergriffen durch Dritte gewährt werde. Der Antragsteller habe die Möglichkeit, sich an die französischen Behörden zu wenden, um Schutz zu erhalten. Eine mangelnde Schutzbereitschaft oder Schutzfähigkeit der französischen Behörden sei nicht bekannt. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland materiell nicht geprüft. Die Anordnung der Abschiebung nach Frankreich beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Das Bundesamt müsse des Weiteren das Einreiseverbot gemäß § 75 Ziff. 12 AufenthG im Fall einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG befristen. Die Festsetzung der Befristung des Einreiseverbots auf 0 Monate sei erfolgt, weil es in dem neuen Aufenthaltsgesetz vom 1. August 2015 keine Übergangsregelung für Altfälle gebe, in denen eine Gewährung rechtlichen Gehörs zur Befristung noch nicht erfolgt sei. Die notwendige nachträgliche Gehörsgewährung vor Festsetzung der Frist würde aus Zeitgründen die Einhaltung der Überstellungsfrist von sechs Monaten nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO gefährden und hätte deshalb unterbleiben müssen.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller mit Telefax seines Bevollmächtigten vom ... September 2015 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und die Aufhebung des Bescheids vom ... August 2015 beantragt (Verfahren M 12 K 15.50772). Gleichzeitig wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom ... August 2015 hinsichtlich der Androhung der Abschiebung anzuordnen.
Zur Begründung wurde mit Schreiben vom ... September 2015 im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Bescheid der Antragsgegnerin rechtswidrig sei. Ein Großteil der Familienangehörigen und Verwandten des Antragstellers lebe in Deutschland. Seit kurzem seien auch die Eltern des Antragstellers in Deutschland angekommen und hätten hier Asylantrag gestellt. Es lägen damit außergewöhnliche, humanitäre Gründe vor, die die Antragsgegnerin veranlassen müssten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung auszuüben. Art. 26 Abs. 1 Dublin-III-VO sehe vor, dass die Entscheidung, den Asylantrag nicht zu prüfen, dem Antragsteller mitzuteilen sei und dass diese zu begründen sei. Demnach sei auch die Ermessensentscheidung zur Nichtausübung des Selbsteintrittsrechts zu begründen. Wenn in dem streitgegenständlichem Bescheid lediglich ausgeführt werde, dass keine außergewöhnlichen, humanitären Gründe vorlägen, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung auszuüben, dann fehle jegliche Auseinandersetzung mit der Situation des Betroffenen. Nach der maßgeblichen Bescheidsbegründung liege ein völliger Ermessensausfall vor (vgl. VG Regensburg, U. v. 7.2.2012 - RO 7 K 11.30142 - juris). Die aufschiebende Wirkung der Klage sei anzuordnen, da die angegriffene Entscheidung rechtswidrig sei und auch sonst ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Bescheides gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers nicht feststellbar sei. Der Antragsteller wäre nämlich im Falle einer Abschiebung nach Frankreich ganz auf sich allein gestellt und einer ungewissen Zukunft ausgeliefert.
Das Bundesamt legte mit Schreiben vom
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte des Bundesamts Bezug genommen.
II.
Der zulässige, insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG (vormals: AsylVfG, vgl. Art. 1 Nr. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015, BGBl. I S. 1722) eingelegte Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im Bescheid vom
Entfaltet ein Rechtsbehelf wie hier von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es abzuwägen hat zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren gebotene summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung; nicht erforderlich sind insoweit erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG Göttingen, B. v. 9.12.2013 - 2 B 869/13 - juris Rn. 16). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Gemessen an diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage, da die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Nach der hier gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) davon auszugehen, dass sich der angefochtene Bescheid im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen wird und die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.
1. Die Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung findet sich in § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt in Fällen, in denen der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass diese durchgeführt werden kann. Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
2. Im Fall des Antragstellers ist Frankreich aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union i. S. v. § 27a AsylG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
a) Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist vorliegend die am
Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Danach ist vorliegend Frankreich gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO der für die Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat. Ausweislich des bei einer EURODAC-Abfrage für den Antragsteller erzielten Treffers mit der Kennzeichnung „FR2“ wurde dieser in Frankreich bei dem illegalen Überschreiten der Grenze auf dem Land-, See- oder Luftweg von den zuständigen französischen Kontrollbehörden aufgegriffen (vgl. Art. 24 Abs. 4 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26. Juni 2013 (EURODAC-VO). Anhaltspunkte dafür, dass diese Daten unzutreffend sind, bestehen nicht. Vielmehr hat der Antragsteller im Rahmen des persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 23. April 2015 bestätigt, dass er im Januar 2015 ohne gültiges Grenzübertrittspapier nach Frankreich eingereist ist und ihm dort Fingerabdrücke abgenommen wurden. Entgegen dem Vorbringen des Bevollmächtigten des Antragstellers ist auch anzunehmen, dass der Antragsteller den Transitbereich des Flughafens verlassen hat, so dass von einer illegalen Einreise in Frankreich auszugehen ist. Bereits nach seinen eigenen Angaben hat der Antragsteller den Transitbereich des Flughafens in Paris verlassen und ist von dort aus mit dem Taxi nach München gefahren. Die Zuständigkeit Frankreichs ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen, da zum Zeitpunkt der erstmaligen Asylantragstellung im März 2015 der illegale Grenzübertritt noch nicht länger als zwölf Monate zurücklag (vgl. Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO). Damit ist vorliegend Frankreich der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat, unabhängig davon, ob der Antragsteller dort einen Asylantrag gestellt hat.
b) Die gegenüber Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO vorrangigen Zuständigkeitsbestimmungen der Art. 9, 10 und 11 Dublin-III-VO kommen im Fall des Antragstellers nicht zur Anwendung. Diese beinhalten besondere Zuständigkeitsregelungen, die dem Schutz der familiären Beziehungen zwischen minderjährigen Kindern, ihren Eltern und Geschwistern dienen. Nach der bindenden Definition in Art. 2 g) Dublin-III-VO fallen jedoch die erwachsenen Geschwister des Antragstellers nicht unter den Begriff des Familienangehörigen. Auch bei den Eltern des Antragstellers handelt es sich um keine Familienangehörigen im Sinne dieser Vorschrift. Denn nach Art. 2 g) Dublin-III-VO zählen Eltern nur dann zum Personenkreis der Familienangehörigen im Sinne der Verordnung, wenn es sich um einen minderjährigen, unverheirateten Antragsteller oder Begünstigten internationalen Schutzes handelt. Dies trifft jedoch auf den am ... 1996 geborenen Antragsteller nicht zu (vgl. Art. 2 i) Dublin-III-VO).
c) Die Zuständigkeit Frankreichs ist auch nicht aus verfahrensbezogenen Gründen auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Insbesondere wurde das Gesuch um Aufnahme des Antragstellers innerhalb von zwei Monaten nach Mitteilung der EURODAC-Treffermeldung an Frankreich gerichtet (Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO). Auch auf Grundlage von Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO ergibt sich keine Zuständigkeit der Antragsgegnerin. Denn die dort geregelte sechsmonatige Überstellungsfrist beginnt erst mit der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat.
3. Der Antragsteller kann der Überstellung nach Frankreich auch nicht mit dem Einwand entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Frankreich systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so dass eine Überstellung nach Frankreich unmöglich wäre (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin-III-VO).
Das gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - finden (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10
Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O.) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 und 2 BvR 2315/93
In Bezug auf Frankreich ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass dem Antragsteller im Falle seiner Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Frankreich über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches prinzipiell funktionsfähig ist und insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss (vgl. VG München, U. v. 24.11.2015 - M 12 K 15.50786; VG Augsburg, U. v. 19.10.2015 - Au 5 K 15.50438 - juris; VG Bayreuth, U. v. 18. 12. 2014 - B 3 K 14.50103 - juris; VG Bremen B. v. 4. 8. 2014 - 1 V 798/14 - juris; VG Dresden, B. v. 13.11.2014 - A 2 L 1278/14 - juris; VG Gelsenkirchen, B. v. 10. 9. 2014 - 7a L 1301/14.A - juris; VG Ansbach, B. v. 29. 7. 2014 - AN 4 S 14.50055 - juris; VG Düsseldorf, B. v. 24. 7. 2014 - 13 L 1502/14.A - juris). Es ist weder konkret vorgetragen noch ersichtlich, dass in Frankreich systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen
Frankreich gilt außerdem als sicherer Drittstaat i. S. des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG. Hinderungsgründe für eine Abschiebung in einen derartigen sicheren Drittstaat ergeben sich nur ausnahmsweise dann, wenn der Asylsuchende individuelle konkrete Gefährdungstatbestände geltend machen kann, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung von Verfassungs- und Gesetzes wegen berücksichtigt werden können und damit von vorneherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind. Dies ist - bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat - etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaats als sicher maßgebenden Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalls sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen (BVerfG, U. v. 14.5. 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Auch das Vorbringen des Antragstellers, als Yezid hätte er in Frankreich keinerlei Sicherheit zu erwarten, vermag seinem Antrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Konkrete Anhaltspunkte für eine Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit der französischen Behörden gibt es nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht. Diesbezüglich lebensbedrohliche Umstände in Frankreich wurden darüber hinaus auch nicht konkret vorgetragen.
4. Die Antragsgegnerin ist auch nicht gemäß Art. 16 Abs. 1 Dublin-III-VO zu einer Familienzusammenführung des Antragstellers mit seinen Geschwistern oder Eltern verpflichtet. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller nicht von einem Elternteil oder einem seiner Geschwister zu trennen, wenn eines der Geschwister des Antragstellers oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen ist, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, eines der Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben. Die Zuständigkeitsregelung des Art. 16 Abs. 1 Dublin-III-VO beruht auf der humanitären Pflicht, Antragsteller, die auf die Hilfe bestimmter enger Bezugspersonen angewiesen sind, zusammenzuführen. Das die Zuständigkeit begründende Abhängigkeitsverhältnis bleibt dabei auf Ausnahmesituationen besonderer Hilfsbedürftigkeit beschränkt (vgl. Filzweiser/Sprung, Dublin III-Verordnung, Kommentar, Stand: 1.2.2014, K3 zu Art. 16; VG Ansbach, B. v. 5.3.2015 - AN 14 S 15.50026 - juris Rn. 21). Ein solches besonders Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Antragsteller und seinen Geschwistern bzw. Eltern besteht vorliegend nicht. Die vom Antragsteller geltend gemachten Sprachprobleme sind nicht geeignet, um ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis im vorgenannten Sinne zu begründen. Darüber hinaus fehlt es an einem rechtmäßigen Aufenthalt seiner Eltern und seiner Schwester im Bundesgebiet. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Dublin-III-VO setzt voraus, dass dieser durch einen exekutiven oder legislativen Akt legalisiert wurde. Dies ist der Fall, wenn die Gebietszulassung - wie bei einer Duldung oder Aussetzung der Abschiebung - nicht nur hingenommen, sondern ausdrücklich ermöglicht wird. Dies trifft jedoch weder auf den Aufenthalt seiner Schwester ... noch auf den Aufenthalt der Eltern des Antragstellers zu. Insbesondere stellt auch das seinen Eltern nach § 55 Abs. 1 AsylG zustehende vorübergehende verfahrensbegleitende Aufenthaltsrecht keine Legalisierung in dem vorstehend genannten Sinne dar (vgl. VG München, B. v. 1.6.2015 - M 12 S 15.50463 - juris Rn. 41).
5. Des Weiteren kann der Antragsteller auch keine Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO beanspruchen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Die Antragsgegnerin hat vorliegend den ihr nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO eingeräumten Ermessensspielraum erkannt und sich mit der Situation des Antragstellers, insbesondere seinen in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen, inhaltlich auseinandergesetzt. Bei Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO handelt es sich um eine restriktiv zu handhabende Ausnahmebestimmung, die eine Zuständigkeitsübernahme in Fällen ermöglicht, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern. Vor diesem unionsrechtlichen Hintergrund ist die im weiten Ermessen der Antragsgegnerin stehende Entscheidung, von ihrem Selbsteintrittsrecht im Fall des Antragstellers keinen Gebrauch zu machen, hier rechtlich nicht zu beanstanden. Es erscheint nicht ermessensfehlerhaft, die in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen als nicht hinreichende besondere humanitäre Gründe zur Wahrnehmung des Selbsteintrittsrechts anzusehen. Allein die Existenz erwachsender Geschwister begründet keine besonderen humanitären Gründe, die im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Ausübung des Selbsteintrittsrechts maßgeblich zu berücksichtigen wären.
Darüber hinaus begründen die Bestimmungen der Dublin-III-VO - auch hinsichtlich der Selbsteintrittskompetenz - grundsätzlich keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers. Sie dienen als innerstaatliche Organisationsvorschriften vielmehr in erster Linie der klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16 der Verordnung, OVG R-P, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13 - juris; VG Düsseldorf, B. v. 9.1.2015 - 13 L 2878/14.A - juris). Allenfalls in Fällen, in denen die Durchsetzung einer Zuständigkeit nach der Dublin-III-VO eine Verletzung der EMRK bedeuten würde, käme möglicherweise ein subjektives Recht des Drittstaatsangehörigen auf Durchsetzung der Ausübung des Selbsteintrittsrechts in Betracht (Filzwieser/Sprung, a. a. O., K2 und K3 zu Art. 17). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
6. Schließlich begegnet die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung des Antragstellers nach Frankreich keinen Bedenken. Die französischen Behörden haben der Rückführung des Antragstellers mit Schreiben vom 22. Mai 2015 ausdrücklich zugestimmt. Ein der Abschiebung nach Frankreich entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34 Abs. 1 AsylG ausnahmsweise von der Antragsgegnerin auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen wäre (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - AuAS 2014, S. 244 ff. - juris Rn. 11 f.; OVG NRW, B. v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 - juris Rn. 4), ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Nach alledem war der Eilantrag daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
...
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Aufhebung des Bescheids der Beklagten, mit dem sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt und seine Abschiebung nach Italien angeordnet wurde.
Der am ... 1994 in ..., Äthiopien, geborene Kläger ist äthiopischer Staatsbürger, gehört der Volksgruppe der Oromo an und ist islamischen Bekenntnisses. Er reiste am
Nach den Erkenntnissen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden Bundesamt) lagen aufgrund eines EURODAC Treffers Italien der Kategorie 1 (IT1SA01ISH)
Am
Mit Bescheid vom
Mit Schriftsatz vom 16. Juli 2015, am selben Tag bei Gericht eingegangen, hat der Kläger Klage erhoben und einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach
Im Klageverfahren beantragt der Kläger,
den Bescheid der Beklagten vom
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Behördenakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 11. Dezember 2015 Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom
Rechtsgrundlage für die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig und die Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 27a AsylG i. V. m. der Dublin III-VO.
Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Ist dies der Fall, ist nach § 34a Abs. 1 AsylG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen, ohne dass es einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf.
Im vorliegenden Fall ist der Asylantrag des Klägers nach § 27a AsylG unzulässig, da die Republik Italien nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Dublin III-VO ist auf den Kläger als äthiopischen Staatsangehörigen und damit Drittstaatsangehörigen i. S. v. Art. 2 Lit. 1 Dublin III-VO anzuwenden, der noch in keinem Staat einen Schutzstatus erhalten hat. Aufgrund des EURODAC Treffers der Kategorie 1 steht fest, dass der Kläger bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hat. Die Republik Italien treffen daher die sich aus den Art. 18 ff. Dublin III-VO ergebenden Pflichten, insbesondere die Pflicht, den Kläger wieder aufzunehmen.
Am
Die Zuständigkeit Italiens ist nicht durch Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Dublin III-VO entfallen. Nach § 29 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin III-VO erfolgt die Überstellung eines Antragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme - oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat. Der deutsche Gesetzgeber hat auf der Grundlage des Art. 27 Abs. 3 lit. c) Dublin III-VO in § 34 a Abs. 2 Satz 2 AsylG geregelt, dass die Abschiebung bei rechtzeitiger Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO vor der gerichtlichen Entscheidung über diesen Antrag nicht zulässig ist. Damit kommt dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 29 UAbs. 1 Dublin III-VO zu. Der Lauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist wird demnach durch die rechtzeitige Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO unterbrochen und beginnt mit Erlass des ablehnenden Beschlusses, hier mit Zustellung des ablehnenden Beschlusses vom 19. Oktober 2015, von neuem zu laufen (so zuletzt VG Ansbach, B. v. 28.7.2015 - AN 14 S 15.50184;
Besondere Umstände, die die Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO begründen oder zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO führen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ist die Beklagte nicht nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO gehindert, den Kläger nach Italien überzustellen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem zuständigen Mitgliedstaat - hier Italien - systemische Mängel aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - EU-Grundrechtecharta (bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK) darstellen. Davon ist im Hinblick auf den Mitgliedstaat Italien nicht auszugehen. Diese Einschätzung entspricht der bisherigen Rechtsprechung der Kammer sowie der Rechtsprechung verschiedener Verwaltungsgerichte und Obergerichte (BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris; BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris; OVG RhPf, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris und
Einer der Hauptzwecke der Dublin III-VO ist die Errichtung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems (vgl. Erwägungsgründe Nr. 2 und 4 der Dublin III-VO; BVerwG, B. v. 19.3.2014, 10 B 6/14 - juris). Dieses System basiert auf dem gegenseitigen Vertrauen, dass die Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union entsprechend den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtecharta) behandelt werden (vgl. EuGH, große Kammer, U. v. 21.12.2011, RS: C-411/10
Für die Frage nach dem Vorliegen systemischer Mängel können verschiedene Kriterien herangezogen werden. Unter anderem ist danach zu fragen, ob überhaupt eine Struktur zur Aufnahme von Asylbewerbern besteht, wie der Zugang für Asylbewerber zu diesen Einrichtungen und zum Asylverfahren gestaltet ist, ob Zugang zu medizinischer, auch psychologischer und psychiatrischer Betreuung besteht, inwieweit Asylsuchende verpflegt werden und nicht zuletzt, ob für sie in dem betroffenen Mitgliedstaat gegen Entscheidungen im Asylverfahren effektiver Rechtsschutz möglich ist (vgl. zu diesen Kriterien auch OVG Münster, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris).
Ausgehend davon stehen der Rückführung des Klägers nach Italien systemische Mängel des italienischen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nach Überzeugung der Einzelrichterin nicht entgegen.
Es mag zwar immer wieder vorkommen, dass Asylsuchende während der Bearbeitung ihres Asylantrags in Italien auf sich alleine gestellt und zum Teil auch obdachlos sind. Dies und auch die zum Teil lange Dauer der Asylverfahren ist darauf zurückzuführen, dass das italienische Asylsystem aufgrund der momentan hohen Asylbewerberzahlen stark ausgelastet und an der Kapazitätsgrenze ist. Dennoch ist in dem Mitgliedstaat Italien ein an sich funktionierendes Asylsystem vorhanden. Von insgesamt 35.180 Entscheidungen über die Zuerkennung eines Schutzstatus fielen im Jahr 2014 20.580 Entscheidungen positiv aus (vgl. Pro Asyl, Zahlen und Fakten 2014). Mit ca. 59 Prozent bringt das italienische Asylverfahren damit eine seit Jahren gleichbleibend hohe Schutzquote hervor (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, Bern, Oktober 2013, S. 7). Dies kann als Zeichen für ein funktionierendes System gesehen werden. So stellt auch der UNHCR fest, dass Anstrengungen unternommen wurden, die Verfahren zu beschleunigen (vgl. UNHCR, Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien, Juli 2013, S. 6 f.).
Es bestehen ausdifferenzierte Strukturen zur Aufnahme von Asylbewerbern, auch speziell für Dublin-Rücküberstellte. Diese befinden sich in staatlicher, in kommunaler, kirchlicher oder privater Trägerschaft und werden zum Teil zentral koordiniert (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O., S. 15 ff.). Die Einbeziehung solcher nichtstaatlicher Träger in die Betreuung Asylsuchender kann dem italienischen Staat auch zugerechnet werden, da diese Träger nicht ausschließlich aus eigenem Antrieb tätig werden, sondern auch auf staatlichen Auftrag hin (vgl. Ebd., S. 14, 22, 33; OVG Münster, U. v. 7.3.2014, Az.: 1 A 21/12.A). Nach Angaben des Jesuitenhilfswerkes Centro Astalli und des italienischen Innenministeriums wurde die Zahl der Unterbringungsplätze in der jüngsten Vergangenheit bedeutend erhöht (vgl. Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu einer Anfrage des VG Schwerin
Das italienische Recht gewährt den Asylsuchenden ab dem Zeitpunkt des Asylantrags Zugang zu diesen Unterbringungsmöglichkeiten (Art. 5 Ziff. 5 Decreto Legislativo Nr. 140 vom 30.3.2005). Damit wurde die damalige europäische Aufnahmerichtlinie umgesetzt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O., S. 12). In der Praxis wird Zugang zu den Aufnahmezentren häufig erst mit der formellen Registrierung des Asylantrags (verbalizzazione) gewährt. Hierdurch kann eine Zeitspanne ohne Unterbringung entstehen. Die Behörden sind darum bemüht, diese zu verringern (vgl. Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu einer Anfrage des VG Schwerin
Auch funktioniert die notfallmedizinische Versorgung und der Zugang zu Hausärzten grundsätzlich ebenso wie das Angebot von psychologischer und psychiatrischer Behandlung (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O., S. 49 f.). Die Asylsuchenden haben während des Asylverfahrens auch Anspruch auf Verpflegung. Hierzu zählen Nahrung, Kleidung und Hygieneartikel (vgl. Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 21.1.2013 für das OVG Sachsen-Anhalt,
Angesichts der Tatsache, dass der Mitgliedstaat Italien beachtliche Anstrengungen unternommen hat und auch aktuell noch unternimmt, um die im italienischen Asylsystem vorhandenen Defizite und Mängel zu beseitigen, sieht auch der UNHCR die Schutzstandards im Rahmen des italienischen Asylverfahrens für ausreichend an (vgl. UNHCR, a. a. O.; diese Ansicht wird auch in den ergänzenden Informationen vom März 2014 nicht revidiert). Davon geht auch das Auswärtige Amt in seinen letzten, dem Gericht vorliegenden Auskünften aus (vgl. AA, Auskünfte an OVG Sachsen-Anhalt
Nach alledem ist festzustellen, dass das italienische Flüchtlingsaufnahmesystem zwar insbesondere im Bereich der Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber weiterhin Mängel und Defizite aufweist. Diese sind aber für sich genommen insgesamt noch nicht als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes systemisches Versagen dieses Mitgliedstaates vorliegen würde. Der Kläger muss derzeit also nicht ernsthaft mit einer durch das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Italien verursachten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta oder von Art. 3 EMRK rechnen. Insbesondere gehört der Kläger als alleinstehender, junger und kinderloser Mann nicht zu dem Kreis der besonders schutzbedürftigen bzw. verletzlichen Personen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrecht (vgl. EGMR, Entscheidung vom 13.1.2015 - Nr. 51428/10). Darauf, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel im Einzelfall zu Unverträglichkeiten kommen kann, kommt es - wie bereits ausgeführt - in diesem Zusammenhang nicht an.
Nach alledem erweist sich die in Ziffer 1) des streitgegenständlichen Bescheids getroffene Regelung (Ablehnung des Asylantrags als unzulässig) als rechtmäßig.
Auch die in Ziffer 2) angeordnete Abschiebung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Vom Bundesamt gemäß § 34 a i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 2 AsylG zu prüfende inlandsbezogene Abschiebungshindernisse wurden vom Kläger weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83 b AsylG.
Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 GVG.
Tenor
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 18. Dezember 2014 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger ist am 00.00.0000 in S. , Syrien, geboren. Er ist syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens.
3Der Kläger reiste am 24. November 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 1. Dezember 2014 einen Asylantrag. Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 1. Dezember 2014 gab der Kläger gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) an, er sei von Syrien aus zu Fuß in die Türkei gegangen und habe sich dort einen Monat und acht Tage aufgehalten. Danach sei er mit dem Flugzeug nach Weißrussland geflogen, wo er sich zwei Tage aufgehalten habe. Von dort aus sei er mit dem Zug nach Polen gereist. In Polen habe er sich drei bis vier Tage aufgehalten und sei anschließend mit dem Zug nach Deutschland gereist. In Polen seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden.
4Ein Datenabgleich mit der Eurodac-Datenbank ergab einen Treffer mit der Länderkennung Polens.
5Am 9. Dezember 2014 richtete die Beklagte daraufhin ein Übernahmeersuchen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates (Dublin-III-Verordnung) an Polen. Die polnischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 11. Dezember 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags.
6Mit Bescheid vom 18. Dezember 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1.) und ordnete seine Abschiebung nach Polen an (Ziffer 2.). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, der Asylantrag sei gemäß § 27a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) unzulässig, da Polen aufgrund des dort bereits zuvor gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c) Dublin-III-Verordnung für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Insbesondere lägen keine Gründe zur Annahme von systemischen Mängeln in polnischen Asylverfahren vor. Die Anordnung der Abschiebung nach Polen beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
7Der Kläger hat am 2. Januar 2015 Klage erhoben, zu deren Begründung er ausführt, entgegen der Auffassung der Beklagten sei sein Asylantrag zulässig. Es bestünden systemische Mängel in polnischen Asylverfahren. Die Lebensbedingungen, die Asyl suchende Flüchtlinge in Polen anträfen, seien unzumutbar. Insoweit nimmt der Kläger Bezug auf einen Bericht des UNHCR aus dem Jahr 2013. Darüber hinaus bestünden außergewöhnliche humanitäre Gründe für einen Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger leide neben einer Herzerkrankung an einer psychischen Erkrankung, die zu seiner Reiseunfähigkeit führe. Spätestens nach Ablauf der Überstellungsfrist von sechs Monaten sei die Beklagte zwischenzeitlich für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers ohnehin zuständig geworden.
8Der Kläger beantragt,
9den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 18. Dezember 2014 aufzuheben.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags nimmt sie Bezug auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides.
13Der zugleich mit der Klage gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist mit Beschluss vom 30. Januar 2015 (6 L 895/14.A) abgelehnt worden.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach‑ und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Verfahrens 6 L 895/14.A sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten (1 Heft) Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
16Die Kammer kann trotz Nichterscheinens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beklagte auf diese Folge ihres Ausbleibens in der ordnungsgemäßen Ladung hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungs-gerichtsordnung - VwGO -).
17Die als Anfechtungsklage statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage,
18vgl. zur Statthaftigkeit (allein) der Anfechtungsklage: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), u.a. Beschluss vom 18. Mai 2015 - 11 A 2639/14.A -, juris Rn. 20,
19hat Erfolg. Sie ist begründet.
20Der angefochtene Bescheid des Bundesamts, mit dem die Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers festgestellt und seine Abschiebung nach Polen angeordnet worden ist, ist jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig (geworden) und verletzt den Kläger in eigenen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Weder ist der Asylantrag unzulässig noch durfte das Bundesamt die Abschiebung des Klägers nach Polen anordnen.
21Eine Unzulässigkeit des Asylantrags wegen Unzuständigkeit der Beklagten ist jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht (mehr) gegeben.
22Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist hier nicht (mehr) der Fall.
23Anwendbar für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Prüfung des Asylantrags ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. Nr. L 180 S. 31) zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutzes zuständig ist (Dublin-III-VO), die am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 49 Abs. 1 Dublin-III-VO). Gemäß Art. 49 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO findet diese Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz Anwendung, die - wie hier der Antrag des Klägers - ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014, gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern.
24In Anwendung dieser Vorschriften ist für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zunächst die Zuständigkeit Polens begründet worden, das sich auf das Übernahmeersuchen der Beklagten gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO zur Übernahme des Klägers und zur Durchführung des Asylverfahrens in eigener Zuständigkeit bereit erklärt hat.
25Die Zuständigkeit Polens für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ist nach Ablauf der Überstellungsfrist jedoch zwischenzeitlich entfallen.
26Gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO hat die Überstellung des Asylantragstellers vom ersuchenden Staat in den ersuchten Staat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese nach Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat, zu erfolgen. Ein Rechtsbehelf bzw. eine Überprüfung mit aufschiebender Wirkung im unionsrechtlichen Sinne der Verordnung liegt nach Art. 27 Abs. 3 lit. c Dublin-III-Verordnung dann vor, wenn der Asylantragsteller bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung beantragen kann. Ein derartiges Verfahren mit - in diesem unionsrechtlichen Sinne verstandener - aufschiebender Wirkung stellt das Verfahren nach § 34a Abs. 2 AsylVfG dar, das eine gerichtliche Überprüfung der Abschiebungsanordnung, durch die die Überstellungsentscheidung vollzogen werden soll, im Wege des Eilrechtsschutzes vorsieht. Leitet der Asylantragsteller ein Verfahren nach § 34a Abs. 2 AsylVfG ein, so beginnt die Überstellungsfrist nicht bereits mit dem Zugang der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat zu laufen, sondern nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung erst mit der Bekanntgabe der endgültigen Entscheidung über den auf § 34a Abs. 2 AsylVfG gestützten Eilantrag.
27Vgl. u.a. Verwaltungsgericht (VG) Minden, Urteile vom 29. April 2015 - 10 K 2430/14.A -, juris Rn. 29 ff., 49, 59, und vom 23. März 2015 - 1 L 794/14.A -, juris Rn. 12; VG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Dezember 2014 - 23 L 3127/14.A -, juris Rn. 13 ff., 21; ebenso Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung - Das Europäische Asylzuständigkeitssystem (Stand: 1. Februar 2014), Art. 29 Anm. K4 und K7.
28Vorliegend wurde dem Kläger die ablehnende Entscheidung des Gerichts über seinen auf § 34a Abs. 2 AsylVfG gestützten Eilantrag (6 L 895/14.A) am 2. Februar 2015 zugestellt. In dem für die Hauptsacheentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war die am 2. August 2015 endende Überstellungsfrist von sechs Monaten mithin bereits abgelaufen.
29Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und geht die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Anhaltspunkte dafür, dass Polen ungeachtet des Fristablaufs nach wie vor bereit ist, den Kläger zu übernehmen und das Asylverfahren durchzuführen, liegen nicht vor. Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers ist daher nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO auf die Beklagte übergegangen. Ziffer 1. des angefochtenen Bescheides, mit dem die Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylVfG festgestellt worden ist, ist vor diesem Hintergrund objektiv rechtswidrig (geworden).
30Der Kläger wird durch die rechtswidrige Feststellung der Unzulässigkeit seines Asylantrags auch in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31Ihm steht nach nationalem Recht (vgl. §§ 24, 31 AsylVfG) ein Anspruch auf sachliche Prüfung seines Asylantrags durch die Beklagte zu. Nur unter den Voraussetzungen des § 27a AsylVfG darf die Beklagte von einer sachlichen Prüfung eines Asylantrags absehen, dann nämlich, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Liegen diese Voraussetzungen aber nicht vor, verletzt der objektiv rechtswidrige Verwaltungsakt das subjektiv-öffentliche Recht des Klägers aus §§ 24, 31 AsylVfG, da dann nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Prüfung des Asylbegehrens überhaupt bzw. innerhalb angemessener Frist erfolgt.
32Vgl. Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. August 2013 - 12 S 675/13 -, juris Rn. 13; VG Aachen, Urteile vom 1. Juni 2015 - 9 K 1234/14.A -, juris Rn. 31, und vom 17. April 2015 - 7 K 2344/14.A -; VG Würzburg, Urteil vom 13. Januar 2015 - W 3 K 14.30092 -, juris Rn. 18; VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2015 - 22 K 2262/14.A -, juris Rn. 43; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 17. Februar 2015 - 6a L 239/15.A -, juris Rn. 12 ff.
33Unionsrecht steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Zunächst spricht bereits viel dafür, dass die Maßgeblichkeit des Rechtsregimes der Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags mit dem in Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO geregelten Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte endet.
34Vgl. VG Aachen, Urteil vom 1. Juni 2015 - 9 K 1234/14.A -, juris Rn. 31.
35Ungeachtet dessen dürfte auch Art. 29 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO Asylsuchenden ein subjektives Recht einräumen, sich auf den Ablauf der Überstellungsfrist und den damit verbundenen Übergang der Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens berufen zu können.
36Zwar dienen die Zuständigkeitsregelungen der Dublin-III-VO in erster Linie nicht dem Schutz der Asylsuchenden, sondern der effektiven Regelung der Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft mit dem Ziel der schnellen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und der gegebenenfalls zeitnahen Überstellung in diesen Staat.
37Vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 29. Januar 2015 - 13a B 14.50039 -, juris Rn. 24; VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 - 10 K 2658/14.A -, juris Rn. 74.
38Folgerichtig besteht kein subjektives Recht des Asylsuchenden auf Durchführung eines Asylverfahrens in einem bestimmten Mitgliedstaat.
39Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, juris Rn. 25; VG Aachen, Urteil vom 17. April 2015 - 7 K 2344/14.A -; VG Ansbach, Urteil vom 16. Januar 2015 - AN 14 K 14.50166 -, juris Rn. 22; VG Würzburg, Urteil vom 31. März 2015 - W 1 K 14.30151 -, juris Rn. 29.
40Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann der Asylsuchende der Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat daher auch nicht unter Berufung auf ein fehlerhaftes Verfahren oder eine fehlerhafte Bestimmung der Zuständigkeit entgegentreten, sondern allein geltend machen, das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat seien so defizitär, dass er eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung zu erwarten habe („systemische Mängel“).
41Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 (Abdullahi) -, juris Rn. 62.
42Voraussetzung hierfür ist aber regelmäßig, dass die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates, in den die Überstellung erfolgen soll, begründet worden ist. Gegen diese Überstellung soll sich der Asylsuchende regelmäßig nur im Ausnahmefall des Vorliegens systemischer Mängel berufen können. Dies ist vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass im Fall der Übernahmebereitschaft des ersuchten Mitgliedstaats jedenfalls sichergestellt ist, dass der Asylantrag überhaupt in der Sache geprüft wird. Denn hierauf, also auf die sachliche Prüfung seines Asylbegehrens in einem (nach den Kriterien der VO zu bestimmenden) Mitgliedstaat, hat der Asylsuchende nach der Konzeption der Dublin-III-VO einen Anspruch. Dieser wird im Fall der Überstellung und der nachfolgenden Durchführung des Asylverfahrens im ersuchten Mitgliedstaat regelmäßig erfüllt.
43Anders liegt der Fall aber, wenn - wie hier - die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaats infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist entfallen ist und keine Anhaltspunkte für einen Selbsteintritt dieses Mitgliedstaats vorliegen. In diesem Fall kommt es - wie aufgezeigt - zum Zuständigkeitswechsel und der Verpflichtung des ersuchenden Mitgliedstaats, das Asylverfahren nunmehr durchzuführen. Lehnt der ersuchende Mitgliedstaat - wie hier die Beklagte durch Ziffer 1. des angefochtenen Bescheids - seine Zuständigkeit jedoch ab und fehlt es zugleich an einer Verpflichtung des ersuchten Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens, gerät der Asylsuchende in eine Situation, in der zu befürchten ist, dass sein Asylbegehren nicht mehr zeitnah in der Sache geprüft werden wird.
44Diese Situation des sog. "refugee in orbit", dessen Asylantrag über längere Zeit in keinem Mitgliedstaat geprüft wird, wollte der Unionsgesetzgeber mit der Regelung in Art. 29 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO aber gerade vermeiden.
45Vgl. VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 - 10 K 2658/14.A -, juris Rn. 89, unter Verweis auf: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Rats zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat, KOM (2001) 447 endgültig, S. 20; ebenso: Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung - Das Europäische Asylzuständigkeitssystem (Stand: 1. Februar 2014), Art. 29 Anm. K 9.
46Auch Erwägungsgrund Nr. 5 zur Dublin-III-VO deutet mit seiner Formulierung, dass die Verordnung „insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ermöglichen“ soll, um den „effektiven Zugang zu den Verfahren der Gewährung des internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden“ darauf hin, dass jedenfalls einzelne Regelungen der Verordnung zumindest auch dem Schutz der Interessen des betroffenen Antragstellers, nämlich insbesondere dem effektiven Zugang zu einem Asylverfahren innerhalb angemessener Frist, zu dienen bestimmt sind.
47Vgl. VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 - 10 K 2658/14.A -, juris Rn. 85, u.a. unter Verweis auf ein Arbeitspapier der Kommission zur Überarbeitung des Dublin-Übereinkommens, in dem die Gewährleistung eines effektiven Zugangs zum Asylverfahren für alle Antragsteller ("for all applicants") sogar als Hauptzweck ("fundamental purpose") dieses Übereinkommens bezeichnet werde; vgl. auch EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 (Abdullahi) -, juris Rn. 53 (Hauptzweck der Dublin-VO, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen).
48Die in Ziffer 1. des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck kommende Weigerung der Beklagten, das Asylverfahren des Klägers durchzuführen und sein Begehren sachlich zu prüfen, verletzt den Kläger vor diesem Hintergrund in seinen Rechten.
49Die in Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides ausgesprochene und auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Voraussetzungen dieser Norm, namentlich das Vorliegen eines Falls des § 27a AsylVfG, nicht (mehr) erfüllt sind.
50Der angefochtene Bescheid erweist sich mithin insgesamt als rechtswidrig, weshalb der Klage in vollem Umfang stattzugeben ist.
51Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylVfG.
52Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 16. Dezember 2014 sinngemäß - und zum wiederholten Male - gestellte Antrag,
3den Beschluss des Gerichts vom 15. September 2014 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage 23 K 5433/14.A gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 21. Mai 2014 anzuordnen,
4wird abgelehnt.
5Nach wie vor liegen - bei unveränderter Sachlage – weder auf der Grundlage der stetig wiederholten Rechtsauffassung des Antragstellers noch bei nochmaliger Überprüfung der Entscheidung des Gerichts Gründe im Sinne des § 80 Abs. 7 VwGO vor.
6I.
7Bei der Überstellungsfrist von sechs Monaten handelt es sich nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO um eine reine Handlungsfrist für die Antragsgegnerin, die nach dem Beschluss im Verfahren 23 L 1907/14.A vom 15. September 2014 frühestens im März 2015 ablaufen wird. Entsprechend kommt es auf die Frage, ob diese Frist überhaupt ein subjektives Recht des Antragstellers begründen kann, derzeit nicht an.
81.
9Bei der Überstellungsfrist handelt es sich um eine reine Handlungsfrist für die Antragsgegnerin bzw. für die mit der Überstellung betraute Ausländerbehörde.
10Die Überstellung erfolgt gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten. Dabei ist die Überstellung aber an die Bedingung geknüpft, dass diese „praktisch möglich“ ist. Die praktische Möglichkeit unterscheidet sich dabei nicht von der Fassung des Art. 19 Abs. 3 Dublin II‑VO. Diese Vorgängerverordnung enthielt zwar in der deutschen Sprachfassung die Wendung „materiell möglich“, beansprucht dadurch aber keine andere Bedeutung. Insofern weicht Art. 29 Abs. 1 Dublin III‑VO mit dem deutschen Wortlaut „praktisch möglich“ nicht vom Inhalt des Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO („materiell möglich“) ab. Das zeigt bereits ein Vergleich der unterschiedlichen Sprachfassungen der Verordnungen, in denen beide Artikel durchgängig sprachlich identisch gefasst sind. So heißt es etwa einheitlich: „matériellement possible“ (französisch), „practically possible“ (englisch“), „materialmente posible“ (spanisch), „materialemente possibile (italienisch), „praktisch mogelijk“ (niederländisch), „materialemente possível“ (portugiesisch), „praktycznie mozliwe“ (polnisch).
11Insofern knüpft die tatsächliche Durchführung der Überstellung (materiell oder praktisch möglich) allein an die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Überstellung an. Die Überstellungsfrist läuft - als Handlungsfrist - erst, wenn die Überstellung auch rechtlich möglich ist.
12Das folgt zudem zwanglos aus der Funktion der Überstellungsfrist. Die Frist bezweckt eine zeitliche Begrenzung der Zuständigkeit ab dem Zeitpunkt, zu dem grundsätzlich vereinbart und sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben,
13OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. August 2012 - 4 MC 133/12 -, in: juris (Rn. 15); EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 (Petrosian u.a.) -, unter: curia.eu (Rn. 45).
14Die notwendigen Vorbereitungen für sowie die Überstellung (Handlung) selbst können (und dürfen) nämlich erst durchgeführt werden, wenn die Überstellung materiell (so: Art. 19 Abs. 2 Dublin II-VO) bzw. praktisch (so: Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO) möglich ist,
15EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 (Petrosian u.a.) -, unter: curia.eu (Rn. 45).
162.
17Die Frist begann vorliegend frühestens mit der Bekanntgabe der Entscheidung vom 15. September 2014 im Verfahren 23 L 1907/14.A.
18Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO bestimmt für den Beginn der Frist unterschiedliche Zeitpunkte. Diese liegen entweder im Zeitpunkt der „Annahme des Antrags auf Aufnahme“ oder der „endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat“.
19Dabei ist die Entscheidung, welcher dieser beiden genannten Zeitpunkte heranzuziehen ist, bereits in der Dublin III-VO festgelegt. Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO bestimmt nämlich materiell eine Reihenfolge dieser Zeitpunkte. Diese knüpft dabei auch an das europarechtlich vorgegebene System des nationalen Rechtschutzes an.
20Art. 27 Dublin III-VO enthält dabei die europarechtlichen Vorgaben für das nationale Rechtschutzsystem.
21Art. 27 Abs. 3 lit. a) Dublin III-VO bestimmt so zunächst, dass die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass der Antragsteller bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs (der Überprüfung) im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates verbleiben darf. Daran knüpft die eine Variante des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO an. Maßgeblich ist in diesem Fall, dass über den Rechtsbehelf „endgültig“ entschieden wurde.
22Art. 27 Abs. 3 lit. b) Dublin III-VO ermöglicht alternativ, dass die Überstellung automatisch für eine bestimmte Zeit ausgesetzt ist, binnen derer über die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs (der Überprüfung) zu entscheiden ist. Dabei ist der maßgebliche Bezugspunkt die mögliche aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs (einer Überprüfung). Dieser Bezugspunkt entspricht der dritten Variante in Art. 27 Abs. 2 lit. c) Dublin III‑VO. Die Mitgliedstaaten können danach auch vorsehen, dass ein Rechtsbehelf (eine Überprüfung) binnen einer bestimmten Frist zu erheben ist und eine Überstellung während des Rechtsbehelfsverfahrens nicht durchgeführt werden darf. Dabei knüpft diese Variante an die Vorgängervorschrift in Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO an, nach der die Frist erst zulaufen begann mit der „Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat“. Die Frage, ob ein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, war dabei allein (und einheitlich) europarechtlich zu beantworten ist und nahm folglich nicht auf die Grundsätze des § 80 Abs. 1 VwGO Bezug. Das damalige Recht wurde mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU mit der Einführung des § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG europarechtskonform umgesetzt wurde,
23Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 17/13063, 17/13392 -, BT-Drs. 17/13556, Seiten 4 und 7.
24Entsprechend entfaltet ein rechtzeitig bei Gericht gestellter Antrag „aufschiebende Wirkung“ im Sinne der europarechtlichen Vorgaben, was für den - unter dem Regime von Art. 27 Abs. 3 lit. c) Dublin III-VO - unveränderten § 34a AsylVfG fortgilt. Hieran knüpft entsprechend die Variante des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO an: immer dann, wenn das durch Art. 27 Dublin III-VO vorgeprägte nationale Rechtsbehelfssystem vorsieht, dass ein Rechtsbehelf (eine Überprüfung) an eine aufschiebende Wirkung im vorbeschriebenen Sinne anknüpft, die Entscheidung über diesen Rechtsbehelf maßgeblich ist.
25Die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, ein Rechtschutzsystem im Sinne des Art. 27 Abs. 3 lit. c) Dublin III-VO fortzuführen, führt damit dazu, dass immer dann, wenn einstweiliger Rechtschutz nach § 34a AsylVfG - wie hier im Verfahren 23 L 1907/14.A - rechtzeitig beantragt worden ist, die Überstellungsfrist erst beginnt, wenn ‑ wie hier negativ ‑ über diesen Rechtsbehelf endgültig - hier mit Beschluss vom 15. September 2014 - entschieden worden ist,
26vgl. ausführlich zum Ganzen: VG Frankfurt, Beschluss vom 19. September 2014 - 6 L 586/14.A -, in: juris (Rn. 8, 28, 50, 43).
27Mithin steht dem Antragsteller auch nicht - wie er erneut meint - die Rechtsprechung des OVG NRW zur Seite. Der zitierte Beschluss des OVG NRW vom 8. September 2014 ‑ 13 A 1347/14.A ‑ erging zur Vorgängervorschrift des Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO. Zwar ist ‑ wie ausgeführt ‑ das System der Überstellungsfrist in Art. 29 Dublin III‑VO dem Vorgängermodell nachgebildet, jedoch verkennt der Antragsteller erneut, dass die zitierte Entscheidung des OVG NRW vornehmlich auf die vorherige Entscheidung des Senats vom 8. Mai 2014 ‑ 13 A 827/14.A ‑ Bezug nimmt. Dort heißt es eindeutig, dass die Frage, wann die Überstellungsfrist beginnt, geklärt ist (nur) für die Fallkonstellation, in denen das Gericht durch einstweilige Anordnung die Durchführung der Überstellung vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache ausgesetzt hat,
28OVG NRW, Beschluss vom 8. Mai 2014 - 13 A 827/14.A -, in: juris (Rn. 3), Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑, in: juris (Rn. 55).
29Sofern in der Entscheidung vom 8. September 2014 eine Erweiterung versucht wird, kann das Gericht dem nicht folgen. Unabhängig von der Frage, ob die dort angenommenen Begründungen überhaupt zu Art. 29 Dublin III‑VO passen, steht dem entgegen, dass das angenommene „sinnwidrige Ergebnis“ (dort: auch eine stattgebende Entscheidung des Gerichts im einstweiligen Rechtschutzverfahren führe zu einem Beginn der Überstellungsfrist mit dieser Entscheidung) wohl nicht sinnwidrig ist. Der maßgebliche europarechtliche Rechtsbehelf („wirksamer“ Rechtsbehelf im Sinne des Erwägungsgrundes 19 Dublin III‑VO) führt nach der nationalen Umsetzung in § 34a AsylVfG zwangsläufig dazu, dass mit dem positiven Abschluss des Verfahrens im einstweiligen Rechtschutz eine „endgültige“ Entscheidung im Sinne des Art. 29 Dublin III-VO herbeigeführt worden ist. Denn dieser kommt - wie ausgeführt - aufschiebende Wirkung zu. Zudem ist dieses Ergebnis nicht sinnwidrig. Denn maßgebliches Ziel der Dublin III‑VO ist nicht nur die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates (Erwägungsgrund 40), sondern die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates innerhalb eines angemessenen Zeitraums,
30EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u.a. (N.S. u.a.) -, unter: curia.eu (Rn. 79, 84).
31Durch den Aufbau des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems mit dem Grundsatz, innerhalb der Europäischen Union soll nur einmal und einheitlich über einen Asylantrag entschieden, korrespondiert die Verpflichtung der Staaten, den zuständigen Mitgliedstaat innerhalb angemessener Zeit zu bestimmen, damit der Anspruch auf Durchführung dieses einen Asylverfahrens zeitnah umgesetzt werden kann. Insofern zielt das gesamte Fristensystem darauf ab, den zuständigen Mitgliedstaat zeitnah zu ermitteln.
32II.
33Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO; die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylVfG.
34Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.
35Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Entscheidungsgründe
| |||||
| |||||
|
| ||||
|
| ||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
|
| ||||
|
Gründe
| |||||
| |||||
|
| ||||
|
| ||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
|
| ||||
|
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Rechtsschutz gegen die Überstellung nach Frankreich im Rahmen des so genannten „Dublin-Verfahrens“.
Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge ein Asylbewerber mit Staatsangehörigkeit der Demokratischen Republik Kongo und unbekannter Volkszugehörigkeit. Er reiste am 27. Januar 2015 ins Bundesgebiet ein (Bl. 33 der Behördenakte) und stellte am 29. Mai 2015 einen Asylantrag (Bl. 12 der Behördenakte). Er gab am 29. Mai 2015 an, seine Heimat Kongo im Jahr 2010 verlassen zu haben. Er habe sich in Frankreich (2 Jahre), Marokko (3 Tage), wieder im Kongo (2 ½ Jahre), Angola (29 Tage) und in Äthiopien aufgehalten (Bl. 5 ff. der Behördenakte). Die Reise habe fünf Jahre gedauert. In der Europäischen Union sei er zuerst am 10. Oktober 2010 nach Frankreich eingereist. Dort seien ihm auch Fingerabdrücke abgenommen worden.
Es ergaben sich EURODAC-Treffer für Belgien (BE1...; Bl. 39 der Behördenakte) und Frankreich (Fr1...; Bl. 40 der Behördenakte), wonach der Kläger jeweils einen Asylantrag gestellt hat.
In der Anhörung vom 23. Juni 2015 erklärte der Kläger, er sei nie in Belgien gewesen und habe auch nie einen falschen Namen benutzt. Seine französische Aufenthaltserlaubnis sei abgelaufen. Sein Asylverfahren sei abgelehnt worden. Er sei dann nach Kinshasa zurückgekehrt, weil seine Schwester gestorben sei. Dort sei er von August bis Dezember 2014 im Gefängnis gewesen. Er habe Tuberkulose (Bl. 41 ff. der Behördenakte).
Auf ein Übernahmeersuchen der Beklagten vom 25. Juni 2015 (Bl. 47 der Behördenakte) hat das französische Innenministerium mit Schreiben vom 1. Juli 2015 der Rücknahme des Klägers zugestimmt (Bl. 65 der Behördenakte).
Mit Schreiben vom ... Juli 2015 führte der Kläger im Wesentlichen aus (Bl. 68 f. der Behördenakte), er möchte in Deutschland bleiben. Er sei Mitglied einer oppositionellen politischen Partei und Leibwächter des Präsidenten. Er sei sehr bedroht und wolle Asyl in Deutschland.
Mit Bescheid vom ... August 2015 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Nr.1), ordnete die Abschiebung nach Frankreich an (Nr.2) und setzte das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 0 Jahre ab der Tag der Abschiebung (Nr.3; Bl. 70 der Behördenakte).
Der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylG unzulässig, da Frankreich aufgrund des dort bereits gestellten aber abgelehnten Asylantrages gem. Art. 18 Abs. 1d) Dublin III VO für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig sei. Die französischen Behörden hätten ihre Zustimmung zur Rücknahme des Klägers erteilt. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
Der Bescheid wurde dem Kläger in der Gemeinschaftsunterkunft ... mit PZU am 7. September 2015 zugestellt.
Am ... September 2015 erhob die Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage (M 12 K 15.50786) mit dem Antrag,
den Bescheid vom ... August 2015 aufzuheben.
Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (M 12 S 15.50787). Mit Beschluss vom 9. Oktober 2015 lehnte das Gericht den Eilantrag ab.
Die Klage und der Eilantrag wurden im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger befinde sich seit dem Jahr 2002 mit Unterbrechungen in Europa. Nach seinen Angaben habe er in der Schweiz eine Aufenthaltserlaubnis gehabt, ursprünglich sei er mit einem italienischen Visum eingereist. Er habe in Frankreich ein Asylverfahren durchlaufen, das abgeschlossen sei. Im Jahr 2009 sei er kurzfristig in den Kongo zurückgekehrt. Er sei inhaftiert worden und habe sich Tuberkulose und andere schwere Krankheiten zugezogen. Die damalige Unterbringung in Frankreich/... habe nicht den Erfordernissen einer humanitären Unterbringung entsprochen. Im Falle einer Rückführung müsse der Kläger mit einer Abschiebung in den Kongo rechnen.
Die Beklagte stellte
keinen Antrag.
Mit Beschluss vom 28. Oktober 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Gründe
Über die Verwaltungsstreitsache konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. November 2015 entscheiden werden, obwohl für die Beklagte niemand zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Denn die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen und in der Ladung wurde darauf hingewiesen, dass auch ohne eine Partei verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
Die Klage ist bezüglich der Nr. 1 und 2 des Bescheides vom ... August 2015 zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom ... August 2015 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Hinsichtlich der Nr. 3 des Bescheides ist die Klage unzulässig, da der Kläger insoweit nicht in seinen Rechten verletzt ist, § 42 Abs. 2 VwGO.
Nach § 27a AsylG (Art. 1 Nr. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes; BGBL 2015 Teil I Nr.40, Bonn v. 23. 10.2015) ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Im vorliegenden Fall ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union Frankreich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Abl. L 180 v. 19. Juni 2013, S.31; Dublin III VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die - wie hier - nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung. Der Kläger hat am 29. Mai 2015 in der Bundesrepublik einen Asylantrag gestellt.
Das Übernahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland wurde am 25. Juni 2015 gestellt (Bl. 47 der Behördenakte).
Für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ist gem. Art. 18 Abs. 1 Satz 1d) Dublin III VO Frankreich zuständig. Der Kläger hat nach eigenen Angaben in Frankreich ein Asylverfahren durchgeführt, das abgelehnt wurde (Bl. 42 der Behördenakte). Dass der Kläger in Frankreich einen Asylantrag gestellt hat, ergibt sich aus dem für ihn erzielten EURODAC-Treffer, der mit der Erkennung „FR1“ beginnt. Die Ziffer „1“ steht gem. Art. 24 Abs. 4 EURODAC-VO für einen Antrag auf internationalen Schutz.
Die nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1d) Dublin III VO zuständige französische Behörde hat dem Wiederaufnahmegesuch mit Schreiben vom 1. Juli 2015 ausdrücklich zugestimmt (Bl. 65 der Behördenakte), so dass Frankreich für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist.
Es liegen auch keine Umstände vor, die die Zuständigkeit Frankreichs in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin-Verordnungen entfallen ließen.
Dem gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die Dublin-Verordnungen gehören, liegt die Vermutung zugrunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaatgemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Abl. C 83/389 v. 30. März 2010, des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge v. 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953, S.559) sowie der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten v. 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S.685 in der Fassung der Bekanntmachung v. 20. Oktober 2010 (BGBl. II S.1198) behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - zukommt.
Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, U. v. 21. Dezember 2011 - C - 411/10 und C - 493/10
Als systemische Mängel sind solche Störungen anzusehen, die entweder im System eines nationalen Asylverfahrens angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von ihnen nicht vereinzelt oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen objektiv vorhersehbar treffen oder die dieses System aufgrund einer empirisch feststellbaren Umsetzung in der Praxis in Teilen funktionslos werden lassen (vgl. Bank/Hruschka, Die EuGH-Entscheidung zu Überstellungen nach Griechenland und ihre Folgen für Dublin-Verfahren (nicht nur) in Deutschland, ZAR 2012, S. 182; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 21. Februar 2014 - 10 A 10656 - juris).
Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 4 GR- Charta ist gem. Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GR-Charta einschließlich der Erläuterungen hierzu (ABl. C 303/17 v. 14. Dezember 2007
Die Behandlung/Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insb. von der Dauer der Behandlung und ihrer physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers. Art. 3 EMRK kann allerdings nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass er die Vertragsparteien verpflichtete, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch begründet Art. 3 EMRK keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR, U. v. 21. Januar 2011, a. a. O.; B. v. 2. April 2013 - 27725/10
Gleichwohl sind die in der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2014 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen - Aufnahmerichtlinie - (Abl. L 180 S. 96) genannten Mindeststandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen. Asylsuchende werden in einem Mitgliedsstaat unmenschlich oder erniedrigend behandelt, wenn ihnen nicht die Leistungen der Daseinsvorsorge gewährt werden, die ihnen nach der Aufnahmerichtlinie zustehen. Ihnen müssen während der Dauer des Asylverfahrens die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen, mit denen sie die elementaren Bedürfnisse (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) in zumutbarer Weise befriedigen können. Als Maßstab sind die Art 17 und 18 der Aufnahmerichtlinie mit den dort geregelten zeitlich beschränkten Einschränkungsmöglichkeiten bei vorübergehenden Unterbringungsengpässen und der Verpflichtung, auch in diesen Fällen die Grundbedürfnisse zu decken, heranzuziehen (OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 7. März 2014 - 1 a 21/12.A - juris; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16. April 2014 - A 11 S 1721/13, InfAuslR 2014, 293 und juris).
Prognosemaßstab für das Vorliegen derart relevanter Mängel ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit. Die Annahme systemischer Mängel setzt somit voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Fall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19. März 2014 - 10 B 6.14 - juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss ihnen ein größeres gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d. h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH Bad.-Württ., U. v. 16. April 2014,a. a. O.; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 7. März 2014, a. a. O., OVG Sachsen-Anhalt, B. v.
Der Mitgliedsstaat, der die Überstellung des Asylsuchenden vornehmen muss, ist im Fall der Widerlegung der Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat im Einklang mit den Erfordernissen der GFK und der EMRK steht, verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedsstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
Es ist davon auszugehen, dass ein im Dublin-Verfahren nach Frankreich rücküberstellter Asylbewerber nicht mit Verstößen gegen Gewährleistungsrechte aus Art. 4 EU-Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK rechnen muss..
Nach aktuellem Kenntnisstand ist nicht davon auszugehen, dass Frankreich über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches prinzipiell funktionsfähig ist und insbesondere sicherstellt, dass dem Kläger im Falle seiner Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn nicht droht. Es ist weder konkret vorgetragen noch ersichtlich, dass in Frankreich systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen (vgl. VG Augsburg, B. v. 12. 1. 2015 - Au 7 S 14.50364 - juris; VG Bayreuth, U. v. 18. 12. 2014 - B 3 K 14.50103 - juris; VG Bremen B. v. 4. 8. 2014 - 1 V 798/14 - juris; VG Dresden, B. v. 13.11.2014 - A 2 L 1278/14 - juris; VG Gelsenkirchen, B. v. 10. 9. 2014 - 7a L 1301/14.A - juris; VG Ansbach, B. v. 29. 7. 2014 - AN 4 S 14.50055 - juris; VG Düsseldorf, B. v. 24. 7. 2014 - 13 L 1502/14.A - juris; VG Gelsenkirchen, B. v.
Frankreich gilt außerdem als sicherer Drittstaat i. S. des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylG. Hinderungsgründe für eine Abschiebung in einen derartigen sicheren Drittstaat ergeben sich nur ausnahmsweise dann, wenn der Asylsuchende individuelle konkrete Gefährdungstatbestände geltend machen kann, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung von Verfassungs- und Gesetzes wegen berücksichtigt werden können und damit von vorneherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind. Dies ist - bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat - etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaats als sicher maßgebenden Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalls sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen (BVerfG, U. v. 14.5. 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Die Sonderfälle in diesem Sinn entsprechen inhaltlich den systemischen Mängeln, die zu einer Gefahr für unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Asylsuchenden führen, im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Solche Sonderfälle liegen, wie oben dargestellt, im Falle Frankreichs nicht vor. Der Vortrag der Prozessbevollmächtigten, die Unterbringung des Klägers in ... habe „nicht den Erfordernissen einer humanitären Unterbringung“ entsprochen, kann einen solchen Sonderfall nicht begründen. Die von der Prozessbevollmächtigten befürchtete Abschiebung des Klägers in den Kongo ist die Folge einer bestandskräftigen oder rechtskräftigen Ablehnung des Asylverfahrens in Frankreich, die ihm ebenso in der Bundesrepublik drohen würde, wenn das Asylverfahren endgültig abgeschlossen wäre.
Die Abschiebung kann trotz der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Atteste und dargelegten Befunde durchgeführt werden. Die Beklagte hat zwar bei der hier erfolgten Abschiebungsanordnung gem. § 34a Abs.1 Satz 1 AsylG sowohl inlandsbezogene als auch auslandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu prüfen, etwa die fehlende Reisefähigkeit (BayVGH, B. v. 12. 3. 2014 - 10 CE 14.427 - juris). Solche Gründe sind indes nach Überzeugung des Gerichts auch bei Berücksichtigung der vorgelegten Arztbriefe, Atteste und Befunde nicht gegeben.
Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG liegt nicht vor. Danach ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG steht einer Abschiebung entgegen, wenn der Gesundheitszustand des Ausländers so kritisch ist, dass eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr durch den Abschiebungsvorgang selbst zu befürchten ist. Eine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn schon keine Transportfähigkeit gegeben ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reisefähigkeit im weiteren Sinne). Weder für das Eine noch für das Andere bestehen hinreichende Anhaltspunkte.
Beim Kläger wurde der Verdacht auf Tuberkulose der Lunge festgestellt (Arztbericht des Klinikum ... vom ... 3. 2015; Bl. 56 der Behördenakte). Ihm wurde die Einnahme verschiedener Medikamente bis längstens Ende August 2015 empfohlen (Bl. 56 der Behördenakte). In der Beurteilung ist ausgeführt, dass beim Kläger die Standarttherapie über 6 Monate durchgeführt werden sollte (Bl. 58 der Behördenakte).
Die durchgemachte und in der Behandlung abgeschlossene Lungentuberkulose hindert den Kläger nicht an der Reise nach Frankreich, er ist transportfähig. Die evtl. notwendigen Nachuntersuchungen des Klägers sind auch in Frankreich durchführbar. Nach der bestehenden Auskunftslage haben Asylbewerber in Frankreich einen Anspruch auf kostenlose staatliche medizinische Versorgung (www.ambafrance-de.org/Asylrecht-in-Frankreich; www.tagesspiegel.de/politik/eu-staaten-und-fluechtlinge-frankreich-und-italien). Die überstellende Behörde ist gem. Art. 32 Dublin III VO gehalten, dem zuständigen Mitgliedsstaat Informationen über die besonderen Bedürfnisse bezüglich der Gesundheit der zu überstellenden Person zu übermitteln. Gem. Art. 32 Abs. 1 Satz 3 Dublin III VO trägt der zuständige Mitgliedsstaat dafür Sorge, dass diesen besonderen Bedürfnissen in geeigneter Weise - insbesondere auch, sofern erforderlich, durch eine medizinische Erstversorgung - Rechnung getragen wird. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis ist beim Kläger daher nicht gegeben.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO:
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gründe
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger - die Kläger zu 1 und zu 2 sind die Eltern des am ... 2013 in Straßburg geborenen Klägers zu 3 - sind Staatsangehörige des K. und der Volkszugehörigkeit nach Roma. Sie reisten am ... 2014 von Straßburg kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am ... 2014 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Bei den Fragen zur Identitätsklärung gab der Kläger zu 1 an, er habe mit seiner Familie 2012 seine Heimat verlassen und sei schließlich am ... 2013 auf der Flucht in F. angekommen. Dort habe er sich asylsuchend gemeldet. Da der Asylantrag dort nicht anerkannt worden sei, hätten sie das Land verlassen müssen. Deshalb hätten sie sich entschlossen, nach Deutschland zu flüchten. Sie hätten Frankreich am ... 2014 mit dem Zug ab Straßburg verlassen und seien in Karlsruhe am ... 2014 angekommen. Dort habe er sich dann am ... 2014 mit seiner Familie als asylsuchend gemeldet.
Die Kläger zu 1 und zu 2 wurden am ... 2014 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) angehört.
Eine EURODAC-Abfrage durch das Bundesamt ergab einen Treffer für Frankreich: FR ... Am ... 2014 stellte das Bundesamt ein Übernahmeersuchen, dem die französischen Behörden am ... 2014 mit Hinweis auf die Bestimmung des Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin-III-VO entsprochen haben.
Mit Bescheid vom
Der Bescheid wurde den Klägern per Postzustellungsurkunde am
Mit Schriftsatz vom 11.11.2014 ließen die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erheben mit folgenden Anträgen:
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Gz. ...)
2. Die Beklagte wird verpflichtet, das Asylverfahren der Kläger in Deutschland durchzuführen.
Zur Begründung wird insbesondere vorgetragen, es sei nicht zutreffend, dass ein vorrangiger Asylantrag in F. vorliege. Die Kläger seien gerade deshalb nach Deutschland gekommen, weil in F. ein gleichwertiges und gleichgelagertes Asylverfahren nicht gegeben sei. Die Standards des Asylverfahrens in F. entsprächen nicht den Vorgaben des Art. 3 EMRK und seien aus Sicht der Kläger bedenklich. Deshalb seien die Kläger auch nach Deutschland eingereist, um hier ihrem Begehren nach Asyl nachzugehen. Deshalb sei eine vorrangige Zuständigkeit des Staates in F. nicht zu erkennen. Insbesondere im Hinblick auf die Familienstruktur der Kläger mit zwei kleinen Kindern sei eine aktuelle Abschiebung und eine Durchführung des Asylverfahrens in F. nicht zumutbar. Eine weitere Tochter der Kläger zu 1 und zu 2 sei am ... 2014 in Deutschland zur Welt gebracht worden.
Der Eilantrag der Kläger wurde mit
Mit Beschluss der 3. Kammer vom
Mit Schriftsatz vom
die Klage abzuweisen.
Mit Schriftsatz vom
Ergänzend wird auf die vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte im Verfahren B 3 S 14.50102 und die Gerichtsakte in diesem Verfahren verwiesen.
Gründe
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
Die Klage hat keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom
Das Bundesamt hat den Asylantrag zu Recht gemäß § 27 a AsylVfG als unzulässig abgelehnt (1.). Die auf § 34 a AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig (2.).
1. Zuständig für die Durchführung des streitgegenständlichen Asylverfahrens ist nicht die Beklagte, sondern die Französische Republik.
a) Die Zuständigkeit Frankreichs für die Prüfung des (weiteren) Asylantrages der Kläger gemäß § 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin-III-VO steht aufgrund der Aufnahmezustimmung vom
b) Wesentliche Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Kläger in F. systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen (Art. 3 Abs. 2, 2. Unterabs. Dublin-III-VO), wurden seitens der Kläger nicht konkret genannt (siehe Schriftsatz vom 11.11.2014: „Die Kläger sind gerade deshalb nach Deutschland gekommen, weil in F. ein gleichwertiges und gleichgelagertes Asylverfahren nicht gegeben ist … Die Standards des Asylverfahrens in F. entsprechen nicht den Vorgaben des Art. 3 EMRK und sind aus der Sicht der Kläger bedenklich“) und sind für das Gericht nach den vorliegenden Erkenntnissen auch nicht ersichtlich. Das Gericht nimmt insoweit die ausführlichen Darlegungen im Beschluss des VG Bremen
Von daher ergibt sich für die Beklagte auch keine Pflicht zur Fortsetzung der Zuständigkeitsprüfung (Art. 3 Abs. 2, 2. Unterabs. a. E., Dublin-III-VO); insbesondere einen Anspruch auf bundesdeutsche Standards mit Wahlfreiheit des Asylziellandes (sogenanntes „forum-shopping“) gibt es in diesem Kontext nicht.
2. Die Abschiebungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig. Gemäß § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor. Etwaige Abschiebungshindernisse im Sinne von § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, die bereits durch das Bundesamt im Rahmen der Entscheidung nach § 34 a Abs. 1 AsylVfG zu berücksichtigen wären, sind nicht ersichtlich. Der Umstand, dass der Kläger zu 3 ein Kleinstkind und ein weiteres Kind der Familie am ... 2014 neu geboren, also ein Säugling ist, ändert an dieser Beurteilung nichts. Säuglinge und Kleinkinder können in aller Regel unproblematisch gerade auch auf dem Luftweg befördert werden, allemal dann, wenn es sich wie vorliegend um eine Kurzstrecke handelt. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Familie der Kläger in F. keine gesicherte Unterkunft nach dort allgemein üblichen Standards erhielte, liegen ebenfalls nicht vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.09.2014 - 2 BvR 1795/14 u. a.). Auch insofern sind bundesdeutsche Standards allerdings nicht geboten.
Ein etwa gegebener Behandlungsbedarf des Klägers zu 3 aufgrund eines angeborenen Hüftschadens kann ohne Frage auch in F. gedeckt werden, sofern dafür eine Notwendigkeit besteht. Die Reisefähigkeit des Klägers zu 3 ist durch diesen angeborenen Hüftschaden offenkundig nicht beeinträchtigt.
Soweit der Kläger Repressalien durch die Familie einer früheren Freundin und die strafrechtliche Ahndung eines diesbezüglichen Vergewaltigungsvorwurfs geltend macht, beziehen sich diese Einwände auf das K. und sind in keiner Weise geeignet, eine Abschiebung des Klägers zu 1 nach Frankreich entgegengesetzt zu werden.
Die Klage ist sonach insgesamt als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung des nach § 83 b AsylVfG gerichtskostenfreien Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) der Berichterstatter als Einzelrichter.
3Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
4die aufschiebende Wirkung der Klage 7a K 3865/14.A gegen die Abschiebungsanordnung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 15. August 2014, dem Antragsteller zugestellt am 22. August 2014, anzuordnen,
5hat keinen Erfolg. Der Antrag ist zwar zulässig. Insbesondere hat der Antragsteller die Frist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG, wonach Anträge nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegen die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen sind, gewahrt.
6Der Antrag ist aber unbegründet.
7Das Gericht kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Klage, die – wie hier – gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung hat, ganz oder teilweise anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des Bescheides vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides überwiegt. Bei der insoweit vorzunehmenden Interessenabwägung sind vor allem die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen. Stellt sich bei summarischer Betrachtung heraus, dass die Klage aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird, hat das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hinter dem öffentlichen Vollziehungsinteresse zurückzustehen.
8Vorliegend erweist sich der Bescheid vom 15. August 2014, mit dem das Bundesamt das Asylverfahren für unzulässig erklärt und die Abschiebung der Antragsteller nach Frankreich angeordnet hat, als rechtmäßig.
9Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
10Zuständiger Staat für das Asylverfahren des Antragstellers ist vorliegend Frankreich. Der Antragsteller hat jedenfalls keine Gesichtspunkte vorgetragen, die diese Einschätzung in Frage stellen könnten.
11Die Bundesrepublik Deutschland hat nach Erhalt der EURODAC-Treffermeldung vom 23. Juli 2014 das Wiederaufnahmegesuch an Frankreich am 24. Juli 2014 gestellt. Die französischen Behörden haben daraufhin am 7. August 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags des Antragstellers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (sog. „Dublin III-Verordnung“) erklärt.
12Die Antragsgegnerin ist auch nicht etwa verpflichtet, den Antrag selbst zu prüfen, weil Flüchtlingen in Frankreich in verfahrens- oder materiell-rechtlicher Hinsicht kein hinreichender Schutz gewährt würde oder sonstige „systemische Schwachstellen“ bei der Behandlung von Asylbewerbern bestünden. Für entsprechende Mängel in Bezug auf Frankreich sieht das Gericht nach Recherche in den einschlägigen Datenbanken keine Anhaltspunkte. Vielmehr belegen die aktuell vorliegenden Erkenntnisse über die Situation von Asylbewerbern in Frankreich insgesamt, dass die Aufnahmebedingungen dort im Allgemeinen den grund- und menschenrechtlichen Standards genügen.
13Vgl. ebenso zuletzt etwa VG Bremen, Beschluss vom 4. August 2014 - 1 V 798/14 -; VG Ansbach, Beschluss vom 29. Juli 2014 - AN 4 S 14.50055 -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Juli 2014 - 13 L 1502/14.A -; VG München, Gerichtsbescheid vom 12. Mai 2014 - M 21 K 14.30320 -, jeweils zitiert nach juris.
14Sonstige Umstände, aufgrund derer die Antragsgegnerin zu Gunsten des Antragstellers ihr Selbsteintrittsrecht hätte ausüben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
Tenor
Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. aus L. werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 2. Juli 2014 sinngemäß bei Gericht anhängig gemachte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 4294/14.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Juni 2014 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos.
5Der hier gestellte Antrag nach § 80 Absatz 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zwar statthaft, da nach § 34a Absatz 2 Satz 1 AsylVfG in seiner durch Artikel 1 Nr. 27 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Absatz 1 Satz 1, 2. Alt. AsylVfG hier auch zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsandrohung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO in Verbindung mit § 75 Absatz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antragsteller hat den Eilantrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 20. Juni 2014 und damit fristgerecht im Sinne von § 34a Absatz 2 Satz 1 AsylVfG gestellt. Der auf die Unzulässigkeit des Asylantrags gemäß § 27a AsylVfG gestützte Bescheid wurde ausweislich der im Verwaltungsvorgang enthaltenen Postzustellungsurkunde am 25. Juni 2014 gemäß § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylVfG dem Antragsteller persönlich zugestellt. Er hat am 2. Juli 2014 innerhalb der Wochenfrist den Eilantrag gestellt und Klage erhoben.
7Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
8Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Absatz 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Absatz 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Absatz 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Absatz 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
9vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR –, juris. Rn. 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 –, juris. Rn. 3 f.; siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschlüsse vom 7. Januar 2014 – 13 L 2168/13.A – und 24. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A –, juris.
10Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich –nicht ausschließlich – an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt und geht von der Zuständigkeit Frankreichs für dessen Prüfung aus. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
12Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO), da sowohl der Asylantrag vom 28. März 2014 als auch das an Frankreich gerichtete Aufnahmeersuchen Deutschlands vom 15. April 2014 nach dem 1. Januar 2014, dem gemäß Artikel 49 Unterabsatz 1 Satz 1 für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Dublin‑III VO maßgeblichen Zeitpunkt, gestellt worden sind.
13Danach folgt die Zuständigkeit Frankreichs aus Artikel 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Unterabsatz 1 Dublin III-VO. Nach diesen einschlägigen Normen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gilt Folgendes: Besitzt der Asylbewerber ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig, es sei denn, dass das Visum in Vertretung oder mit schriftlicher Zustimmung eines anderen Mitgliedstaats erteilt wurde (Artikel 12 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO). Für letzteres bestehen keine Anhaltspunkte. Besitzt der Asylbewerber ein Visum, das seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist, aufgrund dessen er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so bleibt der das Visum erteilende Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat (Artikel 12 Absatz 4 Unterabsatz 1 Dublin III-VO).
14Die am Tag der Asylantragstellung am 28. März 2014 vom Bundesamt durchgeführte Abfrage in der VIS-Datenbank ergab, dass der Antragsteller am 9. Dezember 2013 ein von Frankreich mit der Nr. FRA000000000 ausgestelltes Schengen-Visum für den Zeitraum vom 14. Dezember 2013 bis zum 10. Januar 2014 erhalten hat. Dass das Visum inzwischen seit mehr als sechs Monaten abgelaufen ist, ist unerheblich. Nach Artikel 7 Absatz 2 der Dublin III-VO kommt es für die Bestimmung des nach Kapitel III zuständigen Mitgliedstaates auf den Zeitpunkt der ersten Stellung eines Gesuchs auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat an, mithin vorliegend auf den 28. März 2014. Zu diesem Zeitpunkt war das Visum aber erst knapp drei Monate abgelaufen. Dementsprechend hat Frankreich am 10. Juni 2014 seine Zustimmung zur Aufnahme des Antragstellers gemäß Artikel 12 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Dublin III-VO erklärt.
15Offen bleiben kann auch, ob der Antragsteller ohne Aufenthalt in Frankreich unmittelbar auf dem Luftweg von Guinea nach Deutschland eingereist ist. Denn Artikel 12 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO setzt nach seinem eindeutigen Wortlaut für die Begründung der Zuständigkeit lediglich die Erteilung eines gültigen Visums durch einen Mitgliedstaat voraus. Dagegen ist nicht erforderlich, dass der Asylbewerber sich aufgrund dieses Visums auch tatsächlich – zumindest vorübergehend – gerade in diesem Mitgliedstaat aufgehalten hat.
16VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A –, juris, Rn. 16.
17Es ist schließlich auch nichts dafür ersichtlich oder von dem Antragsteller vorgetragen, dass die Zuständigkeit Frankreichs nach Maßgabe der Artikel 19 ff. Dublin III-VO wieder erloschen oder auf Deutschland übergegangen ist.
18Die Pflicht Frankreichs, den Antragsteller aufzunehmen, folgt aus Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe a) Dublin III-VO, wonach der nach der Dublin III-VO zur Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedsstaat gehalten ist, einen Asylbewerber, der einen Antrag in einem anderen Mitgliedstaat gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen. Insbesondere steht der Aufnahme in diesem Fall weder die Dreimonatsfrist von Artikel 21 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO (Frist für die Stellung des Aufnahmegesuchs) noch die Sechsmonatsfrist von Artikel 29 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO (Frist für die Überstellung an den zuständigen Mitgliedsstaat) entgegen.
19Der Antragsteller hat seinen Asylantrag am 28. März 2014 beim Bundesamt gestellt. Das an die Republik Frankreich gerichtete Aufnahmegesuch datiert vom 15. April 2014. Frankreich hat seinerseits das Aufnahmegesuch ausdrücklich am 10. Juni 2014 und damit noch innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt des Gesuchs angenommen (vgl. Artikel 22 Absatz 1 Dublin III-VO). Frankreich ist daher grundsätzlich verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Aufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, aufzunehmen (Artikel 29 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO). Diese Frist ist noch nicht abgelaufen; sie endet erst am 10. Dezember 2014.
20Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz der genannten Zuständigkeit Frankreichs eine Verpflichtung der Antragsgegnerin begründen könnten, vom Selbsteintrittsrecht nach Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, den Antragsteller nach Frankreich abzuschieben.
21Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die Dublin‑Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Artikel 9 Dublin III-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen – wie die der bisherigen Dublin II‑VO – zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
22vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 37; Schlussanträge des GA Jääskinnen vom 18. April 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 57 f.
23Die Antragsgegnerin ist aber auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO zugunsten des Antragstellers – nach Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO gehindert, diesen nach Frankreich zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich bringen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs,
24EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, S. 413,
25der Fall wäre, liegen nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sine können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
26EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
27Gemessen hieran ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass der Antragsteller Gefahr liefe, nach der Rücküberstellung nach Frankreich einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. im Sinne Artikel 3 EMRK zu unterfallen. Es liegen dem erkennenden Gericht keinerlei Erkenntnismittel vor, die die Befürchtung rechtfertigen könnten, dass in Frankreich systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im oben genannten Sinne bestehen.
28Vgl. auch VG München, Gerichtsbescheid vom 12. Mai 2014 – M 21 K 14.30320 –, juris, Rn. 35 f. m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 7. April 2014 – 2 L 55/14.A –, juris, Rn. 35 und vom 7. Juli 2014 – 13 L 1031/14.A –, n.V.
29Entsprechendes macht der Antragsteller auch nicht geltend. Vielmehr äußert er lediglich völlig unsubstantiiert die Befürchtung, eine objektive Beurteilung des Asylbegehrens guineischer Staatsangehöriger sei in Frankreich, mit Blick auf die (bereits historisch bedingte) enge Verflechtung zwischen Frankreich und Guinea, nicht gewährleistet. Insoweit geht bereits aus diesem Vortrag nicht hervor, dass ihm in Frankreich eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Zudem bestehen auch keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass die Befürchtungen des Antragstellers begründet sein könnten.
30Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG bestehen – vor diesem Hintergrund – keine Bedenken. Es sind weder zielstaatsbezogene noch in der Person des Antragstellers, also inlandsbezogene, Abschiebungshindernisse ersichtlich.
31Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Absatz 1 Zivilprozessordnung).
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 RVG.
33Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
Tenor
1. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der 1992 geborene Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Er begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Abschiebungsanordnung nach Österreich.
Der Antragsteller reiste am
Im Rahmen des persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates am
Mit Bescheid vom
Dagegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache, das vorliegend gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG durch die Einzelrichterin entscheidet, auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylVfG ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung.
Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung zwischen den sich aus § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs fällt zulasten des Antragstellers aus. Bei der Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Überprüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei summarischer Überprüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung; nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylVfG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Im vorliegenden Verfahren wird die Klage des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben. Die angefochtene Abschiebungsanordnung erweist sich unter Berücksichtigung der maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) aller Voraussicht nach als rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Abschiebung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, wenn der Ausländer dorthin abgeschoben werden soll und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG liegen hier vor. Das Bundesamt ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Republik Österreich gemäß § 27a AsylVfG aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Republik Österreich hat auf das Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamtes nach Art. 23 Dublin III-VO mit Schreiben vom 24. Oktober 2014 einer Übernahme des Antragstellers zugestimmt und die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens erklärt. Damit treffen die Republik Österreich die Pflichten aus Art. 18 Dublin III-VO, insbesondere ist Österreich gemäß Art. 29 Abs. 1 und Abs. 1 Dublin III-VO verpflichtet, den Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über einen Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen. Die Überstellung kann insoweit noch erfolgen.
Der Europäische Gerichtshof hat die Frage, inwieweit ein Asylbewerber die rechtsrichtige Anwendung der Zuständigkeitskriterien nach der Dublin-Verordnung beanspruchen und geltend machen kann, dahingehend beantwortet, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grund-rechtecharta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH (große Kammer), U. v. 10.12.2013 - C-394/12
Der Antragsteller kann der Überstellung nach Österreich damit nicht mit dem Einwand entgegentreten, die Republik Bulgarien sei für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers vorrangig zuständig gewesen.
Anhaltspunkte für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Österreich, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU Grundrechte Charta bzw. Art. 3 EMRK begründen und damit einer Überstellung nach Österreich entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. VG Ansbach, U. v. 8.4.2014 - AN 11 K 14.30189 -; VG Augsburg, B. v. 5.8.2014 - AU 3 S 14.50165 - jeweils juris).
Die Bundesrepublik Deutschland ist auch nicht nach Art. 9 Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Nach Art. 9 Dublin III-VO ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, in dem der Antragsteller einen Familienangehörigen, der in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in diesem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt ist, hat. Die Anwendung dieser Zuständigkeitsbestimmung ist auf Familienangehörige im Sinne von Art. 2g Dublin III-VO beschränkt und schließt erwachsene Geschwister nicht mit ein.
Auch eine Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 16 Abs. 1 Dublin III-VO ist nicht zu erkennen. Danach ist ein Antragsteller mit seinen Geschwistern zusammenzuführen, wenn der Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung eines seiner Geschwister angewiesen ist. Eine schwere Krankheit oder ernsthafte Behinderung des Antragstellers, wegen der der Antragsteller auf die Unterstützung seiner Geschwister angewiesen wäre, wurde nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Das die Zuständigkeit begründende Abhängigkeitsverhältnis nach Art. 16 ist auf Ausnahmesituationen besonderer Hilfsbedürftigkeit beschränkt und wird nicht bereits durch die allgemein mit der Flucht zusammenhängenden Belastungen begründet.
Schließlich kann der Antragsteller eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO nicht beanspruchen. Abgesehen davon, dass das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO keine subjektiven Rechte von Asylbewerbern begründet, erscheint es nicht ermessensfehlerhaft, die in der Bundesrepublik bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen des Antragstellers als nicht hinreichende besondere humanitäre Gründe zur Wahrnehmung des Selbsteintritts anzusehen. Die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor und sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen (vgl. EuGH, U. v. 10.12.2013, a. a. O.; BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris). Allein die Existenz erwachsener Geschwister begründen keine besonderen humanitären Gründe, die im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Ausübung des Selbsteintrittsrechts maßgeblich zu berücksichtigen wären. Die im weiten Ermessen der Antragsgegnerin stehende Entscheidung, vom Selbsteintrittsrecht keinen Gebrauch zu machen, ist daher nicht zu beanstanden.
Die Anordnung der Abschiebung des Antragstellers nach Österreich gemäß § 34a AsylVfG erweist sich somit voraussichtlich als rechtmäßig. Anhaltspunkte für Abschiebungshindernisse, die einer Überstellung nach Österreich entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.
Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Tenor
Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30.6.2015 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage mit der Maßgabe abgewiesen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den französischen Behörden gemäß Art. 31 Abs. 1 und 2 Buchstaben a) und c) sowie Art. 32 Abs. 1 Dublin III-VO Informationen über die besonderen Bedürfnisse der Kläger zu 1 bis 3 hinsichtlich ihrer Erkrankung bzw. Behinderung zum Zwecke ihrer medizinischen Versorgung und Behandlung bzw. bildungsmäßigen Betreuung zu übermitteln hat.
Von den Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Kläger als Gesamtschuldner zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel.
1
T a t b e s t a n d
2Die in Makmur, Provinz Ninive, Irak geborenen Kläger zu 1 und 2 sowie die in Erbil, Kurdische Autonomieregion, Irak geborenen Kläger zu 3 bis 5 sind irakische Staatsangehöriger kurdischer Volks- und muslimischer Religionszugehörigkeit. Sie reisten am 13.10.2014 in die Bundesrepublik Deutschland von Frankreich aus ein, wohin sie von der Türkei aus mit dem Flugzeug gelangt waren, und stellten am 11.2.2015 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag. Die Kläger hatten vom französischen Konsulat in Erbil am 15. bzw.16. 9.2014 jeweils ein französisches Schengen-Visum mit der Gültigkeit vom 18.9.2014 bis zum 2.11.2014 erhalten.
3Das Bundesamt richtete am 9.4.2015 ein Wiederaufnahmegesuch an Frankreich unter Hinweis auf die Schengen-Visa. Am 9.6.2015 stimmte Frankreich der Rückführung der Kläger aufgrund des Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO zu.
4Mit Bescheid vom 30.6.2015 lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Kläger als unzulässig ab und ordnete ihre Abschiebung nach Frankreich an. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
5Gegen diesen Bescheid haben die Kläger am 14.7.2015 die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung sie unter Vertiefung ihrer bisherigen Angaben vortragen: Die 2003 geborene Klägerin zu 3 sei schwer behindert und leide zudem unter gesundheitlichen und psychischen Beschwerden. Sie sei derzeit in intensiver und engmaschiger fachärztlicher Behandlung sowohl hinsichtlich ihrer Behinderung als auch der Zusatzerkrankungen. Sie zeige nach wie vor starke Angstzustände und habe Albträume sowie Verhaltensauffälligkeiten. Ihre schwere Hauterkrankung verschlimmere sich bei Aufregung; die Haut an den betroffenen Stellen wie an den Händen, am Kopf und an den Füßen falle regelrecht fetzenweise ab und sei stark gerötet bis blutig. Aus medizinischer Sicht sei es erforderlich, ohne Unterbrechung ihre Beschulung und Stabilisierung fortzusetzen, um ihre Hauterkrankung zu stabilisieren. Ferner werde die Unterrichtung der gesamten Familie in der Gebärdensprache empfohlen. Bei einer Überstellung nach Frankreich werde die damit einhergehende Belastung und Aufregung für die Klägerin zu 3 sowie die Unterbrechung der hier intensiv begonnenen und laufenden Behandlungen zu einer Verschlimmerung ihres gesundheitlichen Zustands einschließlich ihres psychischen Zustands führen. Nach den beigefügten eingeholten Arztberichten sei es medizinisch erforderlich, ihre Behandlung im Inland fortzusetzen. Zudem sei jede Aufregung und Anstrengung der Klägerin zu 3 aus gesundheitlichen Gründen zu vermeiden. Nach ärztlicher Einschätzung würde ihre Abschiebung nach Frankreich für sie eine Gefahr für Leib und Leben darstellen, weshalb eine Reiseunfähigkeit vorliege und eine Abschiebung der Familie nach Frankreich nicht in Betracht komme.
6Dazu wird ein Bericht der Märkischen Kliniken GmbH, Klinikum Lüdenscheid vom 4.2.2015 vorgelegt. Nach dem weiteren Bericht dieser Klinik vom 28.4.2015 leidet die Klägerin zu 3 an einer psoriasisformen Dermatitis, wohingegen eine Psoriasis vulgaris nicht sicher nachgewiesen werden könne. Aus diesem Grund bescheinigte der Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Allergologie Dr. med. N. H. unter dem 20.7.2015, die Klägerin zu 3 stelle sich drei- bis viermal wöchentlich in der Praxis vor und werde mit verschiedenen Lokaltherapeutika sowie mittels einer Creme-PUVA-Therapie behandelt; die Ergebnisse seien viel versprechend. Es sei dringend erforderlich, dass die Bestrahlungsbehandlung in gleicher Frequenz fortgesetzt werde, um ein zufriedenstellendes Hautergebnis zu erreichen. Über die notwendige Dauer könne derzeit keine Aussage getroffen werden.
7Die Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Cochlear Implant Centrum Köln bescheinigte durch Dr. M. -S. und die Lehrerin für Sonderpädagogik Dr. rer. medic. C. T. unter dem 19.2.2015 der Klägerin zu 3 eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit und führte weiter aus, es seien regelmäßige Kontrolluntersuchungen erforderlich hinsichtlich einer Hörgeräteversorgung, um die bestehenden Hörreste zu aktivieren. Die Klägerin zu 3 solle dringend an die Schule mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation in der H1.--------straße in Köln angebunden werden. Sobald ihr Hörstatus geklärt und ihre Lernfähigkeit durch die Schule kennen gelernt worden sei, könne über eine Cochlea Implantation nachgedacht werden; derzeit stehe jedoch die Hörgeräteversorgung sowie das Erlernen eines Kommunikationssystems im Sinne der deutschen Gebärdensprache im Vordergrund. Im Bericht der Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Cochlear Implant Centrum Köln vom 24.7.2015 führten Dr. M. -S. und die Lehrerin für Sonderpädagogik Dr. C. T. weiter aus, dass die Klägerin zu 3 im weiteren Verlauf dringend die weitere Schulung ihres Gehörs sowie die Ausweitung der Gebärdensprachkompetenz benötige; das derzeitige Bildungskonzept helfe ihr, einen Einstieg in die Gehörlosenbildung zu erhalten, zu lernen und kommunizieren zu können. Aus ärztlicher Sicht sei die Fortsetzung der nun endlich eingeleiteten Behandlung und schulischen Förderung im Sinne der Klägerin zu 3; eine Unterbrechung der bisherigen Maßnahmen bedeute deren weitere schwere Traumatisierung. Im Gespräch mit Gebärden spreche sie über ihre Angst, von langen bärtigen Männern erschossen zu werden. Im Bericht der Uniklinik Köln vom 15.10.2015 wird mitgeteilt, die Klägerin zu 3 besuche die H2. , fühle sich dort wohl und sei eingebunden; zudem habe sie täglich eine Therapie in der dermatologischen Praxis aufgrund der schweren Psoriasis. Als Therapie werde vorgeschlagen: Fortführung der weiteren dermatologischen, sozialpädiatrischen und augenärztlichen Untersuchung, Fortführung der Beschulung und Kontinuität sowie Stabilisierung, um die Psoriasis und die psychosoziale Situation zu stabilisieren, Gebärdensprachen-Unterricht für die gesamte Familie sowie pädaudiologische Kontrolle in sechs Monaten.
8Ferner legen die Kläger folgende ärztliche Unterlagen vor: Einen Überweisungsschein des Kinderarztes Dr. D. F. vom 26.10.2015 für die Klägerin zu 3 an einen Neurologen/Psychiater wegen Verdachts auf eine posttraumatische Belastungsstörung, jeweils einen Überweisungsschein des Facharztes für Allgemeinmedizin D1. Q. vom 27.10.2015 für den Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 an einen Neurologen/Psychiater wegen psychosomatischen Belastungssyndroms, zwei Bescheinigungen dieses Arztes für die beiden Kläger vom 27.10.2015, wonach aufgrund der Erkrankung dringend ein psychiatrisches Attest erforderlich sei, ein fachärztliches Attest des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie P. M1. vom 3.11.2015 für die Klägerin zu 2 mit der Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung, ein fachärztliches Attest des selben Arztes vom selben Datum für den Kläger zu 1 mit der Diagnose einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung, der Anordnung einer notfallmäßigen stationären psychiatrischen Krankenhausbehandlung wegen der Stärke der Depressivität und zur Abwendung der Suizidgefahr sowie der Äußerung, dass für ihn derzeit von einer Reiseunfähigkeit ausgegangen wird und ein Transport gegen seinen Willen das Risiko suizidaler Handlungen birgt, weiter eine Bescheinigung des Klinikums Oberberg, Klinik Marienheide, Zentrum für seelische Gesundheit vom 5.11.2015, wonach der Kläger zu 1 sich seit dem 3.11.2015 bis auf weiteres in stationärer Behandlung befindet, sowie einen Bericht der Klassenlehrerin der Klägerin zu 3 vom 3.11.2015 über deren Situation, wegen deren Einzelheiten auf Blatt 120 bis 122 der Gerichtsakte verwiesen wird.
9Die Kläger beantragen,
10den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30.6.2015 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid.
14Wegen der weiteren Einzelheiten wird insbesondere auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2015 und vom 6.11.2015 verwiesen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig.
17Vgl. BVerwG, Urteile vom 27.10.2015 - 1 C 32, 33 und 34.14 -, Pressemitteilung vom 28.10.2015 in juris; OVG NRW, Urteil vom 7.3.2014 - 1 A 21/12.A -, juris.
18Der ursprünglich schriftsätzlich angekündigte Antrag, die Beklagte zu verpflichten, das Asylverfahren fortzuführen, geht nicht darüber hinaus, weil er lediglich eine sich materiellrechtlich aus dem Anfechtungsantrag ergebende Folge umschreibt.
19Die Klage ist aber nur zum Teil begründet. Die Ablehnung der Asylanträge der Kläger als unzulässig in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids ist im gemäß §§ 87 Abs. 2, 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts rechtmäßig und verletzt die Kläger deshalb nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Bundesamt hat auf zu Recht auf der Grundlage des § 27a AsylG die Asylanträge der Kläger als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staats ist die Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (Dublin III-VO). Danach ist hier Frankreich für die Durchführung des Asylverfahrens der Kläger zuständig. Für die Prüfung, welcher Mitgliedstaat für ein Asylverfahren zuständig ist, kommt es auf den Zeitpunkt der ersten Asylantragstellung an, weil gemäß Art. 20 Abs. 1 Dublin III-VO das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats eingeleitet wird, sobald in einen Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird. Die Kläger haben ihren ersten Asylantrag am 11.2.2015 beim deutschen Bundesamt gestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren sämtliche Kläger seit weniger als sechs Monaten nicht mehr im Besitz eines Schengen-Visums, das Frankreich ihnen für die Zeit vom 18.9.2014 bis zum 2.11.2014 erteilt hatte. Nach Art. 12 Abs. 4 Unterabs. 1 Dublin III-VO sind in dem Fall, dass der Antragsteller ein Visum besitzt, das seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist, aufgrund dessen er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, die Absätze 1, 2 und 3 des Art. 12 Dublin III-VO anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat. Letzteres ist bis heute nicht der Fall gewesen. Gemäß Art. 12 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die von dieser Zuständigkeitsregelung abweichende Regelung des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 Dublin III-VO ist nicht einschlägig, weil Frankreich den Klägern das Visum nicht im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats erteilt hatte. Die danach zuständige Französische Republik ist gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe a) Dublin III-VO gehalten, die Kläger nach Maßgabe der Art. 21, 22 und 29 Dublin III-VO aufzunehmen. Die anderen Buchstaben des Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO sind nicht einschlägig, weil die Kläger in Frankreich keinen Asylantrag gestellt haben. Eine Übertragung der Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 1 Dublin III-VO hat nicht stattgefunden, weil kein Mitgliedstaat den Klägern einen Aufenthaltstitel erteilt hat.
20Das Bundesamt hat innerhalb der nach Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO geltenden dreimonatigen Frist nach der am 11.2.2015 erfolgten Asylantragstellung, nämlich am 9.4.2015 und damit vor dem 11.5.2015 das Übernahmeersuchen an Frankreich gestellt. Frankreich hat dem deutschen Aufnahmeersuchen unter dem 9.6.2015 stattgegeben. Die Überstellungsfrist i. S. d. Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO ist noch nicht abgelaufen. Seit der Annahme des deutschen Aufnahmegesuchs durch Frankreich unter dem 9.6.2015 sind noch keine sechs Monate verstrichen.
21Ferner ist die Beklagte nicht gemäß Art. 3 Absatz 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO gehindert, die Kläger nach Frankreich zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der Europäischen Grundrechtecharta (GrCh) oder des Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) mit sich brächten.
22Die Dublin III-VO beruht auf der Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Aufgrund dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens gilt daher grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Europäischen Grundrechtecharta (GrCh) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine unwiderlegbare Vermutung. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten nicht vereinbar ist. Eine Widerlegung der der Dublin III-VO zugrundeliegenden Vermutung ist allerdings wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft.
23Vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris, Rn.80 bis 83.
24Deshalb genügt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat und nicht jeder geringste Verstoß gegen die Richtlinien, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den zuständigen Mitgliedstaat zu verhindern. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel in dem zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Widerlegung der Vermutung setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
25Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.3.2014 - 10 B 6.14 -, juris, und vom 6.6.2014 - 10 B 35.14 -, juris.
26Ist ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GrCh implizieren, so ist die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar. In solchen Situationen obliegt es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCh ausgesetzt zu werden.
27Vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - Rs C-411/10 und C-493/10 -, juris; EGMR, Urteil vom 21.1.2011 - 30696/09 - M.S.S. / Belgien und Griechenland - und Urteil vom 4.11.2014 - 29217/12 - Tarakhel / Italien -.
28Der Begriff des systemischen Mangels ist weit zu verstehen. Mit „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen" ist der Gesamtkomplex des Asylsystems im Zielstaat gemeint. Dieses umfasst den Zugang zum Asylverfahren, das Asylverfahren selbst, die Behandlung während des Asylverfahrens, die Handhabung der Anerkennungsvoraussetzungen, das Rechtsschutzsystem und auch die in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Qualifikationsrichtlinie geregelte Behandlung nach der Anerkennung.
29Vgl. Lübbe. „Systemische Mängel" in Dublin-Verfahren, ZAR 2014, 105 ff.; Bank/Hruschka, ZAR 2012, 182 ff.
30Systemische Mängel im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind dabei nicht auf flächendeckende gravierende Systemausfälle (wie etwa für Griechenland festgestellt) beschränkt, sondern erfassen generell solche, die im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaats angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen und deshalb den Einzelnen vorhersehbar und regelhaft treffen. Auch tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weit gehend unwirksam wird, können einen systemischen Mangel darstellen.
31Nicht erforderlich ist, dass sich der systemische Mangel bzw. die strukturelle - systemische - Schwachstelle auf eine unüberschaubare Vielzahl, die Mehrheit aller Asylbewerber oder gar auf alle Asylbewerber auswirkt. Ein systemischer Mangel kann vielmehr auch dann vorliegen, wenn nur eine geringe Anzahl von Asylbewerbern betroffen ist, soweit dies vorhersehbar und regelhaft geschieht.
32Vgl. VGH BW, Urteile vom 18.3.2015 - A 11 S 2042/14 - und vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -; Lübbe, a. a. O.
33Im Falle des Vorliegens systemischer Mängel ist es ferner erforderlich, dass der einzelne Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, hiervon im Falle einer Überstellung in den Zielstaat selbst betroffen zu sein. Bei flächendeckenden systemischen Mängeln bedarf dies keiner besonderen Darlegung. Bei systemischen Mängeln, die sich nur auf Teilgruppen oder vereinzelt auswirken, müssen weitere besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen bzw. geltend gemacht werden, die eine Betroffenheit des Einzelnen beachtlich wahrscheinlich machen.
34Vgl. Lübbe, a. a. O.
35Bei der Beurteilung der Situation in einem Mitgliedstaat und der für einen Asylbewerber dort bestehenden tatsächlichen Risiken im Falle einer Überstellung sind Stellungnahmen des UNHCR ebenso heranzuziehen wie regelmäßige und übereinstimmende Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen sowie sonstige Berichte der europäischen Institutionen, insbesondere der Kommission.
36Vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a. a. O., sowie vom 30.5.2013 - C-528/11 -, juris.
37Für die Rechtsfrage einer Verletzung des Art. 3 EMRK hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine Orientierungs- und Leitfunktion.
38Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und nach Auswertung der aktuellen Auskunfts- und Erkenntnislage zu Frankreich steht es zur Überzeugung der Kammer fest, dass den Klägern bei einer Überstellung nach Frankreich keine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Bereits die Kläger haben nicht vorgetragen, dass es durch Tatsachen gestützte und ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür gibt, dass bezogen auf Frankreich nach den aktuellen Erkenntnissen über die dort bestehenden konkreten Verhältnisse das Konzept normativer Vergewisserung nicht greift. Dem Gericht liegen zudem keine Erkenntnisse dazu vor, dass etwa systemische Mängel der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber und des Asylverfahrens in Frankreich bestehen würden.
39So auch VG Köln, Beschluss vom 10.4.2015 - 3 L 638/15.A - mit Verweis auf VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10.2.2015 - 6a K 5194/14.A - juris, m. w. N. aus der Rechtsprechung; VG Leipzig, Urteil vom 30.4.2015 - 6 K 1754/14.A -, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 16.3.2015 - 13 L 474/15.A -, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 3.2.2015 - 6a L 2012/14. A -, juris m. w. N. aus der Rechtsprechung.
40Das betrifft generell insbesondere den Zugang zur Gesundheitsversorgung und - speziell auf die Kläger bezogen - trotz verbesserungswürdiger Umstände in Bezug auf Zugangsschwierigkeiten und Kapazitätsengpässen auch den Zugang zur psychologischen Versorgung sowie den Zugang zu Schulen, die Kinder mit Förderbedarf unterrichten.
41Forum réfugiés - Cosi und European Council on Refugees and Exiles: Asylum Information Database, National Country Report France, Stand: 4.5.2014, S. 68-70; UNHCR: Towards a New Beginning: Refugee Integration in France, September 2013, S. 31 f., 72.
42Die Integration junger behinderter Menschen in den Regelschulen ihres Viertels ist nunmehr wieder die Regel. Außerdem gibt es spezielle Schulen und Institutionen für junge gehörlose Menschen.
43Vgl. die Inhaltsangabe des Buchs „L´école spécialisée pour jenes sourds ou l´intégration scolaire ordinaire“ von Caroline Michel Jacq, hrsg. von der Ecole supérieure de travail social, Paris 2007, aufrufbar unter http://cediasbibli.org/opac/index.php?lvl=notice_display&id=74153.
44Dieses Ergebnis gilt trotz derzeit vorhandener Probleme, ausreichende Unterbringungskapazitäten für die massiv angestiegene Zahl an Asylbewerbern bereitzustellen. Zwar leben zahlreiche Migranten unter miserablen Bedingungen in improvisierten Flüchtlingslagern, und es fehlt an Plätzen in staatlichen Unterkünften. Die französische Wohnungsbauministerin sprach insoweit von „Elendslagern“, die sich nicht allein auf die Hafenstadt Calais beschränkten.
45Handelsblatt, Internet-Auftritt vom 17.6.2015: Paris will 10.500 Flüchtlingsunterkünfte schaffen.
46Jedoch stellt sich die Unterbringungssituation in den französischen Departements sehr unterschiedlich dar. Zudem nimmt der französische Staat die gegebenen Umstände nicht tatenlos hin. So sind unter anderem Notaufnahmeprogramme entwickelt worden, um die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen zu ergänzen. All das spricht gegen eine beachtliche Unterschreitung der vom Unionsrecht vorgesehenen Mindestanforderungen.
47Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 3.2.2015 - 6a L 2012/14. A -, juris m. w. N. aus der Rechtsprechung.
48So sollen allein 4000 neue Plätze bis 2016 für Asylbewerber zur Verfügung gestellt werden.
49Handelsblatt, Internet-Auftritt vom 17.6.2015: Paris will 10.500 Flüchtlingsunterkünfte schaffen.
50Zur Absicherung der speziellen Bedürfnisse der Kläger zu 1 bis 3 hat das Bundesamt außerdem den französischen Behörden gemäß Art. 31 Abs. 1 und 2 Buchstaben a) und c) sowie 32 Abs. 1 Dublin III-VO Informationen insbesondere über die besonderen Bedürfnisse der Klägerin zu 1 bis 3 hinsichtlich ihrer Erkrankungen und Behandlungsbedürftigkeit bzw. ihrer Behinderung zum Zwecke ihrer medizinischen Versorgung und Behandlung bzw. bildungsmäßigen Betreuung zu übermitteln, wie das Gericht eigens im Tenor ausgesprochen hat. Die dafür gemäß Art. 32 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO erforderliche ausdrückliche Einwilligung der Kläger hat deren Prozessbevollmächtigte als ihre Vertreterin in der mündlichen Verhandlung am 6.11.2015 erklärt.
51Da auch keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, gibt es ferner keinen Grund für einen Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO. Insbesondere eine Eingewöhnung oder begonnene Integration eines Asylbewerbers in die Verhältnisse des nicht zuständigen Mitgliedstaats während seiner Zeit bis zur Abschiebung in den zuständigen Mitgliedstaat kann keinen solchen außergewöhnlichen Umstand darstellen, weil anderenfalls das System der Dublin III-VO mit seinen normierten Überstellungsfristen auf diese Weise durch Umstände unterminiert würde, die oft nahezu zwangsläufig mit den zulässigen Übergangszeiten einhergehen. Ebenso wenig ist allein eine – auch schwere – Erkrankung ein Grund, der zwangsläufig zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts führt, wenn sie regelmäßig auch im zuständigen Mitgliedstaat behandelbar ist.
52In diesem Zusammenhang war der Antrag der Kläger, die pädagogische Leiterin der die Klägerin zu 3 unterrichtenden Schule dazu als Zeugin einzuvernehmen, dass die Klägerin zu 3 im Falle ihrer Abschiebung nach Frankreich und damit einer Unterbrechung der bisherigen, in Deutschland erfolgten Maßnahmen eine weitere schwere Traumatisierung erleiden werde, bereits aus materiell-rechtlichen Gründen abzulehnen. Allein eine Traumatisierung i. S. d. Erlebnisses eines traumatischen Ereignisses kann schon deshalb kein Kriterium sein, weil ein solches Erlebnis allein noch nichts darüber besagt, wie der Betroffene damit umgeht. Daraus müssen nicht in jedem Fall Symptome, Beschwerden oder Störungsbilder wie ein akute Belastungsstörung oder eine posttraumatische Belastungsstörung resultieren.
53Sollten die Kläger dagegen mit dem Begriff der Traumatisierung eine psychische Störung mit Krankheitswert meinen, ist der Beweisantrag wegen der Ungeeignetheit des Beweismittels abzulehnen. Denn die Lehrerin ist trotz ihrer vielfältigen Erfahrungen und ihres akademischen Grads einer Doktorin der theoretischen Medizin keine medizinisch-psychologische Fachkraft. Darüber hinaus hätte es für die Darlegung einer „weiteren“ Traumatisierung der Darlegung einer bereits vorhandenen Traumatisierung der Klägerin zu 3 bedurft. Eine solche hat indes keine medizinische bzw. psychologische Fachkraft in der erforderlichen Weise dargelegt. Eine Überweisung wegen eines Verdachts auf eine posttraumatische Belastungsstörung ist diesbezüglich ihrer Natur nach nicht aussagekräftig.
54Der weitere Beweisantrag, die Klassenlehrerin der Klägerin zu 3 zu deren Beeinträchtigung in emotionaler, kognitiver und gesundheitlicher Hinsicht im Fall einer Abschiebung als Zeugin einzuvernehmen, war im Hinblick auf die gesundheitlichen Auswirkungen mangels Darlegung eines konkreten außergewöhnlichen Umstands wie etwa eines psychischen Störungsbilds – im Unterschied zu einem traumatischen Erlebnis/einer Traumatisierung – bzw. im Hinblick auf etwa gemeinte gesundheitliche Beeinträchtigungen mangels einschlägiger fachlicher medizinischer Ausbildung der Klassenlehrerin abzulehnen. Im Hinblick auf emotionale und kognitive Beeinträchtigungen der Klägerin zu 3 war der Beweisantrag abzulehnen, weil die Kläger schon nicht dargelegt haben, welche über die mit einer Abschiebung regelmäßig verbundenen Härten hinausgehenden Umstände vorliegen, die trotz medizinischer, psychologischer und edukativer Versorgung der Kläger in Frankreich für einen Selbsteintritt Deutschlands streiten können. Soweit dies durch die Einvernahme der Klassenlehrerin der Klägerin zu 3 bzw. der Leiterin ihrer Schule beabsichtigt war, waren die Beweisanträge auf eine unzulässige Ausforschung gerichtet.
55Dagegen ist die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids ausgesprochene Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 a. E. AsylG setzt die Anordnung der Abschiebung neben der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylG voraus, dass die Abschiebung auch durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass keine zielstaatsbezogenen oder in der Person des Ausländers bestehenden, also inlandsbezogenen, Abschiebungshindernisse bestehen.
56Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse i. S. d. § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) liegen nicht vor. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Leidet der Ausländer bereits vor der Abschiebung unter einer Erkrankung, ist von einer solchen Gefahr auszugehen, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht.
57BVerwG, Urteil vom 17.10.2006 - 1 C 18.05 - , BVerwGE 127,33 = juris, Rn. 15.
58Das ist der Fall, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, d.h. eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt.
59Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.4.2007 - 13 A 4611/04.A - , NRWE.
60Die Gefahr einer solchen Gesundheitsbeeinträchtigung besonderer Intensität liegt hier nicht vor. Es sind nämlich keine Umstände ersichtlich oder vorgetragen, die einen Anhaltspunkt dafür geben könnten, dass eine Behandlung der attestierten psychischen Erkrankung der Kläger zu 1 und 2 in Frankreich ausgeschlossen ist. Vielmehr bestehen in Frankreich grundsätzlich auch Behandlungsmöglichkeiten, wie oben erläutert worden ist. Auch deshalb fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass sich der Gesundheitszustand insbesondere des Klägers zu 1 nach der Überstellung nach Frankreich in einer Weise verschlimmern wird, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt.
61Soweit sich aufgrund gesundheitlicher Erwägungen womöglich eine Abschiebung in den
62Herkunftsstaat verbieten sollte, ist ein entsprechender Einwand in dem zuständigen Mitgliedstaat, also Frankreich, zu erheben. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies den Klägern nicht möglich sein soll.
63Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse liegen für die Klägerin zu 3 nicht aus dem Grund vor, dass sie in Frankreich keinen Zugang zu medizinischen und Bildungs-Maßnahmen hätte. Das Gegenteil ist der Fall, wie oben im Zusammenhang mit den (verneinten) systemischen Mängeln des französischen Asylsystems erläutert worden ist.
64Dagegen ist für sämtliche Kläger von einem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis auszugehen. Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis i. S. d. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Gestalt einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit liegt vor, wenn krankheitsbedingt schon keine Transportfähigkeit besteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne).
65Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 16.3.2015 - 13 L 474/15.A -, juris m. w. N.
66Allerdings stellt die Taubstummheit der Klägerin zu 3 von vornherein unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Reisehindernis dar. Ihre Hauterkrankung, die sich bei Aufregung verschlimmert, stellt sich zwar möglicherweise als erhebliche, aber nicht als nachhaltige Verschlimmerung ihres Krankheitszustands dar. Zum einen kann die Klägerin die ihr bereits verschriebenen Medikamente anwenden. Zum anderen ist ihre hautärztliche Versorgung auch in Frankreich sichergestellt.
67Bei einer psychischen Erkrankung, wie sie hier von den Klägern zu 1 bis 3 im Weiteren geltend gemacht wird, kann vom Vorliegen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses im genannten Sinn außer in Fällen einer Flugreise- bzw. Transportuntauglichkeit im engeren Sinne nur dann ausgegangen werden, wenn entweder im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Ausländers droht, der auch nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden kann, oder wenn dem Ausländer unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon sonst konkret eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, die allerdings - in Abgrenzung zu zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen - nicht wesentlich (erst) durch die Konfrontation des Betreffenden mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt werden darf. Ferner kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis aufgrund einer (auch psychischen) Erkrankung vorliegen, wenn dem Ausländer bei seiner Ankunft im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des oben aufgezeigten Maßstabs droht, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft einsetzenden Versorgung und Betreuung fehlt.
68Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 16.3.2015 - 13 L 474/15.A -, juris m. w. N.
69Daran fehlt es hier hinsichtlich der Klägerinnen zu 2 und 3. Zwar ist möglicherweise im Falle ihrer Abschiebung nach Frankreich eine vorübergehende erhebliche Verschlechterung ihres psychischen Zustands zu befürchten. Sie ist aber nicht als nachhaltig einzustufen, weil die Klägerinnen zu 2 und 3 auch in Frankreich psychologisch betreut werden können. Den Klägerinnen zu 2 und 3 ist auch nicht bescheinigt worden, reiseunfähig zu sein. Ein anderweitiger genügender Nachweis einer Vorerkrankung der Klägerin zu 3 ist ebenfalls nicht erbracht worden.
70Auch in diesem Zusammenhang waren die Anträge der Kläger, die pädagogische Leiterin der die Klägerin zu 3 unterrichtenden Schule und die Klassenlehrerein der Klägerin zu 3 dazu als Zeuginnen einzuvernehmen, dass die Klägerin zu 3 im Falle einer Abschiebung nach Frankreich und damit einer Unterbrechung der bisherigen, in Deutschland erfolgten Maßnahmen eine weitere schwere Traumatisierung erleiden bzw. in emotionaler, kognitiver und gesundheitlicher Hinsicht beeinträchtigt werde, aus den oben im Zusammenhang mit dem Selbsteintrittsrecht genannten Gründen abzulehnen.
71Im Übrigen kommt es auf die mit den Beweisanträgen unter Beweis gestellten Umstände im Hinblick auf Abschiebungshindernisse schon deshalb nicht an, weil der Abschiebung der Kläger aus anderen Gründen ein inlandsbezogenens Hindernis entgegensteht. Denn dem Attest des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie P. M1. vom 3.11.2015 für den Kläger zu 1 ist dessen Reiseunfähigkeit im engeren sowie im weiteren Sinne in ausreichendem Maße zu entnehmen, zumal der Kläger zu 1 deshalb auch zur stationären Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgenommen worden ist. Das Attest gibt nachvollziehbar die tatsächlichen Umstände an, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist (Befundtatsachen), ferner die Methode der Tatsachenerhebung und die fachliche medizinische Beurteilung des Krankheitsbilds (Diagnose) sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben (prognostische Diagnose). Darauf gründend geht der Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie nachvollziehbar von einer Reiseunfähigkeit aus, weil ein Transport des Klägers zu 1 gegen dessen Willen das Risiko suizidaler Handlungen berge.
72Den Klägern zu 2 bis 5 kommt in der Folge wegen des in Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz verankerten besonderen Schutzes von Ehe und Familie ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis zugute.
73Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 159 Satz 2 VwGO, § 83b AsylG.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 22. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem die Unzulässigkeit eines von ihm in Deutschland gestellten Asylantrags festgestellt und die Abschiebung nach Italien angeordnet wird. Er begehrt die Ausübung des Selbsteintrittsrechts und die sachliche Prüfung des Asylantrags in Deutschland.
- 2
Der Kläger stellte am 2. August 2012 bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Trier (Bundesamt) einen Asylantrag, nachdem er am 17. Juli 2012 als Asylbewerber erfasst worden war. Bei der Antragstellung gab er an, am 5. August 1988 in Mogadischu geboren zu sein und die somalische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Er sei Mitglied der Volksgruppe der Hawadle und sunnitischer Religionszugehörigkeit.
- 3
Bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 29. August 2012 trug der Kläger vor, zwei Jahre lang als Schneider ausgebildet worden zu sein und diesen Beruf ein Jahr lang selbständig ausgeübt zu haben. Seine Schneiderei habe in der Nähe einer Fabrikruine gelegen, auf deren Gelände äthiopische Soldaten campiert hätten. Immer wieder seien diese von Mitgliedern der Al Shabaab attackiert worden. Auch die äthiopischen Soldaten hätten angegriffen. Die Al Shabaab sei zu ihm gekommen und habe gesagt, sie brauche Hilfe. Er habe nicht kämpfen wollen und sei im August 2008 geflohen. Hierzu habe er Mogadischu mit einem Kraftfahrzeug verlassen und sei über Addis Abeba und Khartum nach Tripolis gelangt, wo er am 18. November 2008 angekommen sei. Von dort aus sei er mit einem Boot nach Sizilien gefahren und am 25. Mai 2009 gelandet. Auf seinen Asylantrag hin habe er in Italien den Status eines subsidiär Schutzberechtigten erhalten. Danach habe er das Flüchtlingslager verlassen müssen und sei nach Florenz gegangen. Dort habe ihm die Caritas einmal am Tag etwas zu essen gegeben. Einen Monat lang habe er in einem verlassenen Haus ohne Wasser und Strom gelebt. Dann sei er insgesamt zwei Mal in die Niederlande gefahren und habe versucht, dort Asyl zu bekommen. Er sei aber jedesmal nach Italien zurückgeflogen worden. Die Polizisten am Flughafen Rom hätten ihm gesagt, er solle zum Bahnhof gehen. Dort seien viele Somalis gewesen, die ihn zur somalischen Botschaft in Rom gebracht hätten. Die Botschaft sei aufgegeben und von Flüchtlingen zum Übernachten genutzt worden. Es sei furchtbar dreckig gewesen und man habe krank werden können. Es habe Wasser, aber keinen Strom gegeben. Schließlich habe er sich auf den Weg nach Deutschland gemacht, wo er am 14. Juli 2012 angekommen sei.
- 4
Er sei krank. Er leide an einer schiefen Wirbelsäule und könne manchmal nicht gehen, außerdem habe er einen Vitamin-D-Mangel und eine Magenerkrankung. In Italien habe man ihm im Krankenhaus nur eine Schmerzspritze gegeben, weil er keinen Gesundheitsausweis habe vorzeigen können.
- 5
Die niederländischen Behörden wiesen ein Übernahmeersuchen der Beklagten zurück und teilten mit, dass sie den Kläger ihrerseits am 23. Dezember 2010 und 10. Oktober 2011 nach Italien überstellt hätten.
- 6
Auf entsprechenden Antrag vom 17. Dezember 2012 akzeptierten die italienischen Behörden mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 - Dublin-II-VO - ihre Zuständigkeit, wobei der Kläger dort mit syrischer Staatsangehörigkeit und dem Geburtsdatum 1. Januar 1988 geführt wurde, und stimmten einer Überstellung bis zum 20. Juni 2013 zu.
- 7
Vom 14. bis 24. Oktober 2012 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung wegen Schmerzen im Hüftbereich. Entzündliche sowie autoimmune Erkrankungen konnten laborchemisch ausgeschlossen werden. In einer Magnetresonanztomographie zeigten sich arthropische Veränderungen des Hüftgelenks. Es wurden eine ausgewogene eiweißreiche Ernährung und ambulante Krankengymnastik-Maßnahmen beziehungsweise Reha-Sport sowie eine ambulante psychiatrische Betreuung empfohlen. Am 6. und 7. Januar 2013 befand sich der Kläger wegen epigastrischer Schmerzen unklarer Genese erneut in stationärer Krankenhausbehandlung. Nachdem die Laborbefunde sowie eine Gastroskopie keine Auffälligkeiten aufwiesen und der Patient sich subjektiv beschwerdegebessert zeigte, wurde er ohne weitere Medikation entlassen. In privatärztlichen Attesten einer allgemeinmedizinischen Praxis vom 7. Februar 2013 und 29. Januar 2014 werden als Diagnosen Oberbauschschmerzen bei rezidivierender Gastritis, Lws-Syndrom, Coxalgie, Vitamin-D-Mangel und Mangelernährung bei Appetitlosigkeit aufgezählt. Der Patient sei auf regelmäßige medizinische Behandlung und Medikamente angewiesen. Eine Abschiebung nach Italien wäre mit einem hohen Risiko der Verschlechterung des Gesundheitszustandes verbunden.
- 8
Mit Bescheid vom 13. Februar 2013 erklärte die Beklagte den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a AsylVfG für unzulässig. Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und habe seine Zuständigkeit auch anerkannt. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich. Insbesondere hinderten die vorgelegten Atteste eine Überstellung des Klägers nach Italien nicht, denn in Italien habe der Kläger wie jeder italienischer Staatsbürger Zugang zum dortigen Gesundheitssystem.
- 9
Am 19. Februar 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens sei auf die Beklagte übergegangen, da der Übernahmeantrag an Italien erst nach Ablauf der Frist des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO gestellt worden sei. Im Übrigen dürfe der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Italien überstellt werden, weil er sich in ständiger ärztlicher Behandlung befinde. Schließlich sei die Beklagte zur Prüfung des Antrags verpflichtet, weil in Italien systemische Mängel im Asylverfahren herrschten. Die Mindeststandards in Bezug auf Unterbringung, soziale und medizinische Versorgung würden erheblich unterschritten. Das gelte insbesondere für Sizilien, wohin der Kläger abgeschoben werden sollte. Ihm drohte daher nach seiner Rückführung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ohne Perspektive auf Arbeit oder Obdach.
- 10
Der Kläger hat beantragt,
- 11
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003 Gebrauch zu machen,
- 12
hilfsweise,
- 13
die Beklagte zu verpflichten, über die Ausübung des vorgenannten Selbsteintrittsrechts erneut zu entscheiden.
- 14
Die Beklagte hat beantragt,
- 15
die Klage abzuweisen.
- 16
Sie weist darauf hin, dass Personen mit Schutzstatus hinsichtlich der Unterbringung und der medizinischen Versorgung die gleichen Rechte genössen wie italienische Staatsangehörige. Damit seien Unterkunft und Wohnung in eigener Verantwortung zu besorgen. Die entsprechenden Kosten seien selbst zu tragen. Nach Meldung bei dem „Servizio Sanitario Nazionale“ erhielten Personen mit Schutzstatus eine „Tessera Sanitaria“, mit deren Hilfe Zugang zu allen ärztlichen Leistungen erfolge. Die Kosten der Behandlungen würden vom italienischen Staat getragen. Nach Auskunft der deutschen Liaisonbeamtin des Bundesamtes in Rom sei die Gewährung dieser medizinischen Versorgung unabhängig von einem festen Wohnsitz. Alle Personen, die in Italien einen Schutzstatus erhielten, hätten das Recht zu arbeiten (guida practica per i titolari di protezione internazionale). Nach Auskunft der Liaisionbeamtin sei die Arbeitserlaubnis eigentlich an eine „residenza“, also einen festen Wohnsitz geknüpft. Viele Vereinigungen böten den betroffenen Personen aber ihre Adresse als Briefkastenadresse an. Schließlich habe der Kläger auch keine Krankheit substantiiert, die ihn reiseunfähig machen beziehungsweise besondere Lebens- oder Gesundheitsgefahren begründen würde.
- 17
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. Mai 2013 abgewiesen. Die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrags ergebe sich aus Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung, da Italien dem Kläger einen Aufenthaltstitel ausgestellt habe. Die Fristvorschriften des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO begründeten keine subjektiven Rechte, so dass es auf deren Versäumung nicht ankomme. Zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts sei die Beklagte nicht verpflichtet. Es sei nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte, Gutachten sowie Berichte und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung weder zu befürchten, dass dem Kläger keine hinreichende soziale beziehungsweise medizinische Versorgung zugute käme, noch herrschten systemische Mängel im italienischen Asylverfahren, die befürchten ließen, dass dem Kläger in Italien eine menschenunwürdige Behandlung drohte.
- 18
Auf entsprechenden Antrag ließ der Senat die Berufung zu und untersagte der Beklagten mit Beschluss vom 19. Juni 2013, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berufungsverfahrens aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen.
- 19
Der Kläger wiederholt und vertieft zur Begründung der Berufung seinen Vortrag aus dem Klageverfahren. Als Schutzberechtigtem stünde ihm weder Anspruch auf Unterkunft, noch auf staatliche Sozialleistungen zu. Er habe auch keinen Anspruch auf Integrationsmaßnahmen und könne allenfalls in ländlichen Gebieten zeitlich befristet und schlecht bezahlt als Erntehelfer arbeiten. Außerhalb von Rom habe er keine Möglichkeit, sich eine virtuelle Adresse geben zu lassen, so dass er vermutlich auch keinen Zugang zum Gesundheitssystem habe. In Not geratene italienische Staatsangehörige könnten in der Regel auf Hilfe durch die (Groß-) Familie hoffen. Diese Möglichkeit hätten Flüchtlinge nicht.
- 20
Der Kläger beantragt,
- 21
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) 343/2003 Gebrauch zu machen,
- 22
hilfsweise,
- 23
die Beklagte zu verpflichten, über die Ausübung des vorgenannten Selbsteintrittsrechts erneut zu entscheiden.
- 24
Die Beklagte beantragt,
- 25
die Berufung zurückzuweisen.
- 26
Sie macht sich im Wesentlichen eine Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern im vorliegenden Verfahren zu Eigen. Danach liegen außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, nicht vor. Italien erfülle seine Verpflichtung nach den Artikeln 20 bis 24 Genfer Flüchtlingskonvention, Flüchtlinge im Sozial- und Arbeitsrecht ebenso zu behandeln wie eigene Staatsangehörige. Eine Besserstellung von Asylbewerbern sei danach nicht vorgesehen. Aus dem Umstand, dass Italien kein ähnliches soziales Netz biete wie Deutschland und andere Mitgliedstaaten, könne nicht geschlossen werden, dass es sich von seiner Verpflichtung aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention gelöst habe. Die von dem Kläger zitierten Gutachten ergäben keine neuen Erkenntnisse, insbesondere kein belastbares Zahlenmaterial darüber, welcher Anteil der Schutzberechtigten für wie lange tatsächlich der Obdachlosigkeit anheimgefallen sei.
- 27
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte, die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 28
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Er hat keinen Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland. Die Beklagte ist weder nach den allgemeinen Regeln zuständig (I), noch besteht ein Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts (II). Daher ist auch die Abschiebungsanordnung nach Italien rechtlich nicht zu beanstanden (III).
I.
- 29
Die Frage, welcher Staat für das Asylverfahren des Klägers zuständig ist, bestimmt sich vorliegend nach den Regeln der Dublin-II-Verordnung (1). Danach ist Italien der zuständige Mitgliedstaat (2). Die Zuständigkeit ist nachträglich weder nach der Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO (3), noch nach der Vorschrift des Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO (4) auf die Beklagte übergegangen.
- 30
1. Im vorliegenden Fall kommt unbeschadet der Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG noch die Dublin-II-Verordnung und nicht die mittlerweile in Kraft getretene Nachfolgeverordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO) zur Anwendung. Gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 49 Dublin-III-VO gilt diese nämlich erst für Anträge auf Internationalen Schutz sowie Anträge der Mitgliedstaaten auf Aufnahme oder Wiederaufnahme, die nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurden. Vorliegend hat der Kläger seinen Asylantrag bei der Beklagten bereits im Jahr 2012 gestellt. Auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Klägers wurde noch im Jahr 2012 gestellt und von Italien mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 akzeptiert.
- 31
2. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass Italien nach der Vorschrift des Art. 16 Abs. 2 Dublin-II-VO zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Danach fallen dem Mitgliedstaat die Pflichten zur Wiederaufnahme und abschließenden Prüfung eines Asylverfahrens zu, sofern er einem Antragsteller einen Aufenthaltstitel erteilt. Italien hat dem Kläger in Folge der Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter einen Aufenthaltstitel erteilt und diesen im Jahr 2012 nochmals verlängert.
- 32
3. Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen. Nach dieser Vorschrift sind Aufnahmegesuche an andere Mitgliedstaaten spätestens innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrags zu stellen. Wird das Gesuch nicht innerhalb dieser Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung zuständig.
- 33
Zum einen vermittelt diese Vorschrift dem Asylbewerber aber keine subjektiven Rechte, sondern dient als innerstaatliche Organisationsvorschrift in erster Linie der klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16 der Verordnung). Im Vordergrund steht daher das Interesse, die Zuständigkeit zeitnah festzustellen und den Asylantrag durch einzig den zuständigen Mitgliedstaat prüfen zu lassen, nicht aber, die Prüfung einem ganz bestimmten Mitgliedstaat zuzusprechen, in dem der Antragsteller einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat.
- 34
Zum anderen ist die Vorschrift auf den vorliegenden Fall schon nicht anwendbar. Die Beklagte hat kein Aufnahmegesuch nach Art. 17, sondern ein Wiederaufnahmegesuch nach den Art. 16. Abs. 2, Abs. 1 lit. c), 20 Abs. 1 Dublin-II-VO gestellt. Für Wiederaufnahmegesuche sieht die Dublin-II-VO aber keine Frist vor.
- 35
4. Schließlich ist die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens auch nicht deshalb nach Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellung nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten erfolgt ist. Diese Frist beginnt gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. d) nämlich erst nach rechtskräftigem Abschluss eines Rechtsbehelfsverfahrens zu laufen, sofern diesem aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2009 – C 19/08 –, Juris-Rn. 44 ff.; OVG Niedersachen, Urteil vom 04.07.2012 – 2 LB 163/10 – Juris-Rn. 36 m.w.Nw.). Vorliegend hatte der Senat noch vor Ablauf der Frist der Beklagten untersagt, den Kläger nach Italien abzuschieben.
II.
- 36
Es besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO.
- 37
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die mittlerweile ihren Niederschlag in Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO gefunden hat, kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet sein, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen. Das ihm insofern eingeräumte Ermessen ist nämlich Teil des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats und stellt ein Element des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dar. Bei der Ermessensausübung führt der Mitgliedstaat daher Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union aus. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Europäischen Grundrechtscharta, aber auch der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. Art. 18 der Charta und Art. 78 AEUV). Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausübung ihres Ermessens diese Grundsätze daher zu beachten (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011-0000, Rn. 68 ff.).
- 38
Dabei kann jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (sogenanntes Prinzip gegenseitigen Vertrauens beziehungsweise normativer Vergewisserung, vgl. grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.05.1996, 2 BvR 1938/93, Juris-Rn. 179 ff.). Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht. Diese Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass das System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
- 39
Allerdings berührt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat das in der Dublin-II- bzw. Dublin-III-Verordnung niedergelegte Zuständigkeitssystem. Der Europäische Gerichtshof macht deutlich, dass nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel steht (EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 83). Das Zuständigkeitssystem ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs deshalb nur dann auszusetzen, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem an sich zuständigen Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Grundrechtecharta ausgesetzt zu sein (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O., Rn. 78 bis Rn. 106).
- 40
Anhaltspunkte dafür, wann eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung anzunehmen ist, lassen sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK entnehmen, der mit Art. 4 der Europäischen Grundrechtecharta übereinstimmt. In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 hat der Gerichtshof eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Art. 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Unterbringung von Asylbewerbern in Haftzentren ohne Angabe von Gründen eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden sei. Es gebe auch zahlreiche übereinstimmende Zeugenaussagen zu überfüllten Zellen, Schlägen durch Polizisten und unhygienischen Bedingungen in dem Haftzentrum neben dem internationalen Flughafen von Athen. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer monatelang in extremer Armut gelebt habe und außer Stande gewesen sei, für seine Grundbedürfnisse - Nahrung, Hygieneartikel und eine Unterkunft - aufzukommen. Er sei über Abhilfemöglichkeiten nicht angemessen informiert worden und habe in der ständigen Angst gelebt, angegriffen beziehungsweise überfallen zu werden (Urteil vom 21.01.2011, M.S.S. gegen Belgien und Griechenland, Beschwerde-Nr. 30696/09, Rn. 226 und Rn. 254 ff.).
- 41
Der Senat kommt nach Auswertung der vorliegenden Gutachten, Auskünfte und Berichte und unter Würdigung des Vortrags des Klägers zu dem Ergebnis, dass das italienische Asylsystem nicht an systemischen Mängeln leidet, auf Grund derer dem Antragstellers nach seiner Rückführung eine menschenunwürdige Behandlung droht (ebenso OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 -, OVG Nds, Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - und vom 02.08.2012 - 4 MC 133/12 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - und vom 24.06.2013 - OVG 7 S 58.13 -; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 -; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 -; VG Ansbach, Beschluss vom 18.09.2013 - An 2 K 13.30675 -; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me -; VG Lüneburg, Urteil vom 04.06.2013 - 6 A 176/11 - (n.V.); VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A -; VG Osnabrück, Urteil vom 02.04.2012 - 5 A 309/11 - (n.V.) a.A. OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A -; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A -; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As -; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A -; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A, soweit veröffentlicht zitiert nach Juris).
- 42
Italien verfügt über ein planvolles und ausdifferenziertes Asylsystem (a). Dieses System leidet zwar an Mängeln (b), nicht aber an systemischen Mängel (c). Das gilt auch für Personen mit Schutzstatus (d).
- 43
(a) Zunächst ist festzuhalten, dass Italien über ein planvolles und ausdifferenziertes Aufnahmesystem für Asylbewerber verfügt, das in zwei Phasen gegliedert ist. Nach Stellung des Asylantrags ist die Unterbringung in Aufnahmezentren für Asylsuchende, den sogenannten CARA (Centri di Accoglienza per Richiedenti Asilo) vorgesehen. Die maximale Aufenthaltsdauer dort soll grundsätzlich 35 Tage betragen. Daneben gibt es noch Aufnahmeeinrichtungen für Migranten, die keine Asylsuchenden sind, die so genannten CDA (Centri di Accoglienza). Diese werden in der Praxis ebenfalls für die Erstaufnahme von Asylsuchenden verwendet. In der zweiten Phase sollen die Antragsteller in einer Einrichtung des Aufnahmesystems SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati) untergebracht werden. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk von Unterkünften, das auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Gemeinden und verschiedenen NGOs basiert. Die SPRAR-Projekte umfassen nicht nur eine Wohnmöglichkeit, sondern ein individualisiertes Integrationsprojekt mit Sprachkursen, Berufsbildung und Unterstützung bei der Arbeitssuche. Die Aufenthaltsdauer im einem SPRAR beträgt normalerweise 6 Monate und kann bis zu einem Jahr verlängert werden (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 ff.).
- 44
Endet das Asylverfahren mit der Zuerkennung eines Schutzstatus, werden den Schutzsuchenden Aufenthaltsberechtigungen („permessi die soggiorno“) ausgestellt. Danach genießen sie in Italien formal dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige. Sie haben freien Zugang zum Arbeitsmarkt und kostenfreien Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Freiburg vom 11.07.2012). In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden sie nicht mehr aufgenommen. In Einrichtungen des SPRAR können sie Unterkunft finden, sofern sie die vorgesehene maximale Aufenthaltsdauer noch nicht ausgeschöpft haben und ein Platz frei ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 22 und S. 25; borderline-europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28.09.2012, S. 50).
- 45
(b) In der Praxis litt - und leidet - das italienische Aufnahmesystem an Mängeln. Die Berichtslage zeigt übereinstimmen, dass es insbesondere auf die sehr hohen Antragszahlen in den Jahren 2008 und 2011 nicht ausreichend vorbereitet war (Bethke & Bender, Zur Situation von Flüchtlingen in Italien - Bericht über die Recherchereise nach Rom und Turin im Oktober 2010 -; Schweizer Flüchtlingshilfe/Juss-Buss: Situation von Asylsuchenden, Flüchtlingen und „Dublin-Rückkehrern“, Bericht vom Mai 2011; borderline-europe/Judith Gleitze: Zur Lage von Asylsuchenden und „Dublin-Rückkehrern“, Stellungnahme vom Dezember 2012; Auskunft des Auswärtigen Amtes an VG Darmstadt vom 29.11.2011 und an VG Braunschweig vom 09.12.2011). In der Folge verlängerten sich die Verfahrenszeiten deutlich über die vorgesehenen Fristen hinaus. Die zeitliche Lücke zwischen der Stellung des Asylantrags und dessen formeller Registrierung (verbalizzazione) führte zu der Gefahr der Obdachlosigkeit, da in der Praxis Zugang zu den Erstaufnahmeeinrichtungen erst ab dem Zeitpunkt der Registrierung gewährt wurde (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 12). Zudem waren die Aufnahmekapazitäten der staatlicherseits zur Verfügung gestellten Plätze überlastet. Für Personen mit Schutzstatus bedeutete dies, dass sie Schwierigkeiten hatten, im SPRAR-Aufnahmesystem unterzukommen, auch wenn sie die maximale Verweildauer noch nicht ausgeschöpft hatten. Hinzu kam die wirtschaftliche schwierige Lage, in der sich auch Italien nach der Wirtschaftskrise befand und noch befindet. Nach den Informationen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe lebt vor allem in Rom eine ganz erhebliche Zahl von Asylbewerbern und Personen mit Schutzstatus (die Schätzungen sprechen von 1.200 bis 1.700) in Slums oder besetzten Häusern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, a.a.O., S. 36).
- 46
(c) Diese Mängel begründen aber keine systemischen Mängel im oben dargestellten Sinne. Dabei versteht der Senat unter systemischen Mängeln solche, die entweder bereits im System selbst angelegt sind und von denen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar betroffen sind oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem faktisch in weiten Teilen funktionsunfähig wird. Nach Auswertung der vorliegenden Auskünfte kommt der Senat zu der Überzeugung, dass die systembedingten Missstände von den italienischen Behörden angegangen werden und sich die Situation deshalb verbessert hat und aller Voraussicht nach weiter verbessern wird. Außerdem ist festzustellen, dass die Zustände punktuell, aber nicht flächendeckend unzureichend sind, so dass nicht davon gesprochen werden kann, dass das Asyl- und Aufnahmesystem faktisch außer Kraft gesetzt ist.
- 47
Ein im System angelegter Mangel ist die Tatsache, dass der Zugang zum Erstaufnahmesystem offensichtlich von der Registrierung (verbalizzazione) abhängt und dies bei einer Verzögerung des Verfahrens zur Obdachlosigkeit führen kann. Allerdings hat das italienische Innenministerium in der ersten Jahreshälfte 2013 eine Weisung herausgegeben, wonach die Registrierung zeitlich mit der Asylgesuchstellung zusammenfallen soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). Auch die Überlastung des Aufnahmesystems nimmt Italien nicht tatenlos hin. Auf die hohen Asylbewerberzahlen im Jahr 2011 reagierte das Land zunächst mit einem Notstandskonzept, bei dem unter Führung des Zivilschutzes (Protezione Civile) Aufnahmestrukturen in der Größenordnung von 26.000 Plätzen bereitgestellt wurden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013; UNHCR an VG Braunschweig, S. 3; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 9). Daneben wurden und werden die Plätze, die im SPRAR-Projekt zur Verfügung stehen, in erheblichem Umfang aufgestockt (siehe zur Bedeutung dieser Plätze für das Aufnahmesystem den Report von Nils Muižnieks, Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, 18.09.2012, Abs. 152). Standen ursprünglich 3.000 Plätze zur Verfügung, waren es Anfang Juni 2013 bereits 4.800 Plätze, wobei hierzu auch bereits vorhandene Unterkunftsplätze gezählt wurden, die um die im SPRAR-System vorgesehen Integrationsleistungen ergänzt wurden. Aufgrund eines im September 2013 erlassenen Dekrets des Innenministeriums soll die Kapazität im Zeitraum 2014 bis 2016 nochmals auf insgesamt 16.000 Plätze erhöht werden (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22). Außerdem wurde ein neues Informatiksystem „Vestanet“ eingeführt, das ebenfalls zu einer Verbesserung des Verfahrens beitragen soll (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 12). In seiner Antwort an das Verwaltungsgericht Braunschweig vom 24. April 2012 hat der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen ausdrücklich anerkannt, dass in den letzten Jahren Verbesserungen des Aufnahmesystems stattgefunden haben. Gleiches gilt für die Auskunft des Auswärtige Amtes vom 21. Januar 2013 an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt.
- 48
Der Senat geht außerdem davon aus, dass die aufgezeigten Missstände in bestimmten Städten und Regionen auftreten, die Funktionsfähigkeit des Asyl- und Aufnahmesystems aber nicht insgesamt in Frage stellen. Es liegt in der Natur der Sache, dass Aufklärungsreisen die Problemschwerpunkte in den Blick nehmen (so ausdrücklich der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe mit Schwerpunkt Rom und Mailand, S. 1; in der Sache nicht anders der Bericht von Maria Bethke & Dominik Bender mit Schwerpunkt Rom und Turin; Gutachten von borderline-europe e.V. mit Schwerpunkt Rom und Sizilien). Diese Situationen sind aber nicht ohne Weiteres verallgemeinerbar. So geht der UNHCR, dessen Dokumente bei der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften von besonderer Relevanz sind (vgl. EuGH, Urteil vom 30.05.2013 - C-528/11 - Rn. 44), in seiner Antwort an das Verwaltungsgericht Braunschweig davon aus, dass die CARA, CDA und SPRAR-Projekte in der Lage sind, dem Aufnahmebedarf einer signifikanten Anzahl an Asylsuchenden nachzukommen (UNHCR an VG Braunschweig vom 24. April 2012, S. 3). Anders als im Falle Griechenlands oder jüngst Bulgariens (UNHCR Briefing Notes vom 03.01.2014) hat der UNHCR bislang in keiner seiner Stellungnahmen eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten ausgesprochen, Überstellungen nach Italien nicht mehr vorzunehmen (siehe zuletzt UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, July 2013). Auch die Auskünfte des Auswärtigen Amtes sprechen gegen die Annahme eines systemischen Mangels des italienischen Asylsystems. Sie basieren auf laufenden Gesprächen der Botschaft Rom mit dem italienischen Flüchtlingsrat CIR und UNHCR in Rom, grenzpolizeilicher Verbindungsbeamter der Bundespolizei im italienischen Innenministerium, Präsentationen des italienischen Innenministeriums und des statistischen Landesamtes ISTAT, Kontakten zu nichtstaatlichen karitativen Organisationen sowie Informationen des SPRAR und sind daher geeignet, einen Überblick über die Situation im Land zu geben. Nach der Auskunft an das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt konnten seinerzeit (Januar 2013) alle Asylbewerber und Flüchtlinge in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Gegebenenfalls gebe es lokale und regionale Überbelegungen, italienweit seien aber genügen Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien seien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen/öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale und karitative Einrichtungen, so dass meist ein Unterbringungsplatz in der Nähe gefunden werden könne. Es sei nicht davon auszugehen, dass Personen, die in den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen und staatlichen Unterkünften keinen Platz fänden, regelmäßig oder überwiegend obdachlos auf der Straße oder in Elendsquartieren leben müssten.
- 49
(d) Mit Blick auf den hier vorliegenden Fall ist weiter festzuhalten, dass sich aus der Auskunftslage auch keine systemischen Mängel für Personen ergeben, denen bereits ein Schutzstatus zugesprochen wurde. Die mit der Anerkennung verbundene Erteilung eines Aufenthaltsrechts (permession di soggiorno) bedeutet in der Praxis, dass sich die Personen mit Schutzstatus grundsätzlich selbst um eine Unterkunft und eine Arbeit kümmern müssen. Sie können nicht mehr in CARA unterkommen, da diese nur Asylbewerbern offenstehen. Sie können sich aber für Plätze im SPRAR-System bewerben, sofern sie die maximale Verweildauer noch nicht überschritten haben. Tatsächlich wird eine große Zahl der Plätze im SPRAR-System von Personen mit Schutzstatus belegt. Allerdings bestehen zum Teil lange Wartezeiten (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 22). Hier dürfte die geplante Ausweitung der SPRAR-Plätze eine deutliche Entlastung bringen. Daneben bieten die Gemeinden Unterkünfte an. Jedenfalls in Rom betrug die durchschnittliche Wartezeit auf einen solchen Platz allerdings drei Monate und in Mailand einen bis drei Monate (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 27 und S. 30). Schließlich können sich Personen mit Schutzstatus, die keine Unterkunft finden, an kirchliche Organisationen und Nichtregierungsorganisationen wie die Caritas oder das Consiglio Italiano per i Rifugiati wenden (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.01.2013 an das OVG des Landes Sachsen-Anhalt). Verlässliche Zahlen, wie viele Schutzberechtigte von keiner dieser Möglichkeiten Gebrauch machen können und letztlich obdachlos werden, fehlen. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes ist im Regelfall oder gar überwiegend aber nicht davon auszugehen, dass Flüchtlinge in Italien beziehungsweise Rückkehrer nach der Dublin-II-Verordnung dort unter Verhältnissen leben müssen, welche man gemeinhin als „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (Betteln, Leben auf der Straße etc.)“ bezeichnen könne. Hierbei handle es sich eher um Einzelfälle (Auswärtiges Amtes an OVG Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
- 50
In Italien gibt es auch für italienische Staatsangehörige kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen zur Lebensunterhaltssicherung vor dem 65. Lebensjahr. Die Zuständigkeit für die Festsetzung von Sozialhilfeleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. In bestimmten Regionen wird die Höhe des Sozialgeldes durch die Kommune festgesetzt. Öffentliche Fürsorgeleistungen weisen daher deutliche Unterschiede je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft auf (Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern im vorliegenden Fall; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Oktober 2013, S. 48).
- 51
Auch wenn sich die Situation damit deutlich schlechter und unsicherer darstellt als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet dies für sich genommen keinen systemischen Mangel. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ausdrücklich festgehalten, dass Art. 3 EMRK die Vertragsparteien nicht verpflichte, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen. Die Norm enthalte auch keine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmen Lebensstandard zu bieten. Ausländer, die von einer Ausweisung betroffen seien, gewähre die Konvention grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren, die vom ausweisenden Staat zur Verfügung gestellt werde. Wenn keine außergewöhnlichen zwingenden humanitären Gründe vorlägen, die gegen eine Ausweisung sprächen, sei allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse des Antragstellers bedeutend geschmälert würden, falls er oder sie ausgewiesen würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen Art. 3 EMR zu begründen (Beschluss vom 02.04.2013, Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, a.a.O. Rn. 70 f.).
- 52
Keine systematischen Mängel bestehen schließlich auch im Hinblick auf den Zugang zum Gesundheitssystem. Personen mit Schutzstatus sind in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim Nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtigt. Hierzu benötigen Schutzberechtigte den Aufenthaltstitel, die Steuernummer sowie eine feste Adresse. Personen ohne festen Wohnsitz können sich zumindest in Rom unter Sammeladressen karitativer Einrichtungen melden, die von den Behörden akzeptiert werden. Eine aktuelle Vereinbarung zwischen der italienischen Zentralregierung und den Regionen garantiert die Not- und Grundversorgung auch von Personen, die sich illegal im Land aufhalten. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (Auswärtiges Amt an OVG des Landes Sachsen-Anhalt vom 21.01.2013).
- 53
(e) Die Einschätzung, dass das italienische Asylsystem nicht an systemischen Mängeln leidet, wird durch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs für Menschenrechte bestätigt. In seinem Beschluss vom 2. April 2013 hat er die Überstellung der dortigen Beschwerdeführerin, der - wie dem Kläger - in Italien bereits ein Schutzstatus zugesprochen worden war, mit Art. 3 EMRK für vereinbar gehalten. Dabei hat er - neben der konkreten Situation der Antragstellerin - eine Vielzahl von Stellungnahmen sowie Berichten von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen über die generelle Situation in Italien ausgewertet. Er kommt nach ausführlicher Würdigung der festzustellenden Mängel - und keineswegs nur unter Bezug auf den ihm vorgelegten konkreten Sachverhalt - zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen (Beschluss vom 02.04.2013, Mohammed Hussein u.a. gegen Niederlande und Italien, Rn. 70 ff., in Teilen übersetzt von Wischrath, ZAR 2013, 336, besprochen von Thym in ZAR 2013, 331; siehe auch Hailbronner, AuslR, Dezember 2013, § 34a Rn. 29 f.; ebenso Beschluss vom 18.06.2013, Halimi gegen Österreich und Italien, Rn. 68, in Teilen übersetzt von Wischrath, ZAR 2013, 338). Diese Einschätzung hat er jüngst nochmals ausdrücklich bestätigt (Beschluss vom 10.09.2013 - Nr. 2314/10 -, Hussein Diirshi u.a. gegen Niederlande und Italien, zitiert nach HUDOC).
- 54
(f) Es sind auch keine besonderen Umstände des Einzelfalles ersichtlich, die befürchten ließen, dass gerade dem Kläger in Italien eine mit Art. 4 der Grundrechtecharta nicht vereinbare Behandlung drohen würde. Er leidet insbesondere nicht an außerordentlich schweren oder seltenen Krankheiten, deren Behandlung in Italien nicht möglich erschiene. Nach seiner Schilderung bekam er in Italien in Notfallsituationen zumindest Schmerzmittel verabreicht. Die Probleme bei einer weiterführenden Behandlung resultierten offenbar daraus, dass er mangels festen Wohnsitzes keine Gesundheitskarte beantragt hat. Dem hätte der Kläger nach der Auskunftslage aber zumindest in Rom dadurch abhelfen können, dass er sich bei einer gemeinnützigen Organisation eine fiktive Meldeadresse hätte geben lassen. Aus den Angaben des Klägers lässt sich außerdem schließen, dass er noch keinen Platz im SPRAR-System beansprucht hat. Damit steht ihm nach seiner Rückkehr die Möglichkeit offen, sich für einen solchen Platz zu bewerben. Auf die von dem Kläger zuletzt aufgeworfene Frage, ob die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt vom 21. August 2013 zutrifft, nach der alle im Rahmen der Dublin-Verordnung zurückgeführten Personen von der Questura in eine Unterkunft verteilt werden, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Diese Auskunft dürfte sich auf Personen ohne Schutzstatus bezogen haben, die - wie oben dargestellt - ohnehin einem anderen Aufnahmeregime unterfallen.
III.
- 55
Die Abschiebungsanordnung ist nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies ist der Fall, nachdem Italien seine Zuständigkeit akzeptiert hat und der Abschiebung keine relevanten Hindernisgründe entgegenstehen.
IV.
- 56
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
- 57
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
- 58
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen. Streitentscheidend ist vorliegend die Würdigung der tatsächlichen Umstände in Italien.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 26. November 2014 bei Gericht gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 7908/14.A gegen die Abschiebungsanordnung unter Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. November 2014 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
5Die Abwägung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil der angefochtene Bescheid des Bundesamtes keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
6Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt, weil Italien für dessen Prüfung zuständig ist. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
7Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Diese findet gemäß ihrem Art. 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, also auch auf den Asylantrag des Antragsteller vom 24. September 2014.
8Nach den Vorschriften der Dublin III-VO ist Italien der zuständige Staat für die Prüfung dieses Asylantrags.
9Der Antragsteller hat ausweislich der Meldung aus der Eurodac-Datenbank (Treffer IT1ANOOQFI) in Italien einen Asylantrag gestellt. Auf das Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 22. Oktober 2014 hat Italien nicht reagiert. Gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO ist in diesem Fall davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen. Italien ist daher gemäß Art. 29 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO verpflichtet, den Antragsteller spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
10Lediglich vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass sich der Antragsteller auf einen etwaigen Verstoß gegen diese Fristenregelung auch nicht berufen könnte, da die Vorschrift ihm kein subjektives Recht einräumt.
11Vgl. hierzu ausführlich VG Düsseldorf, Urteil vom 12. September 2014 - 13 K 8286/13.A -, juris.
12Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, sich freiwillig bei den zuständigen Behörden in Italien zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. Dies betreffend regelt Art. 7 Abs. 1 Buchst. a) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, die ausweislich der der Dublin III-VO vorangestellten Erwägungen (Nr. 24) entsprechend anwendbar ist, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen kann.
13Vgl. hierzu Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 231 m.w.N.
14Hat es der Asylbewerber folglich selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolgt und dass sie überhaupt erfolgt, kann er mithin selbst zu der von ihm gewünschten Beschleunigung beitragen, verbietet schon der allgemeine - aus dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB abgeleitete - Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“), sich auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschland zu berufen.
15Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz der Zuständigkeit Italiens eine Verpflichtung der Antragsgegnerin begründen könnten, von dem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, den Antragsteller nach Italien abzuschieben.
16Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die jeweiligen Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Art. 9 Dublin III-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen - wie die der bisherigen Dublin II‑VO - zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin.
17Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - C 394/12 -, juris, Rn. 60, 62 und Urteil vom 14. November 2013 - C 4/11 -, juris, Rz. 37; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6/14 -, juris, Rz. 7.
18Die Antragsgegnerin ist aber auch nicht - unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO zugunsten des Antragstellers - nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO gehindert, diesen nach Italien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) mit sich brächten. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs,
19EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413,
20der Fall wäre, liegen hier nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
21Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rn. 94.
22Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind diejenigen Umstände besonders zu berücksichtigen, die auf die Situation des jeweiligen Antragstellers zutreffen. Die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Situationen spielt hingegen keine unmittelbare Rolle und kann allenfalls ergänzend zur Beurteilung der Situation herangezogen werden.
23Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn 130.
24Vorliegend ist danach hier besonders die Situation von Dublin-Rückkehrern in den Blick zu nehmen, die - wie der Antragsteller - in Italien bereits einen Asylantrag gestellt haben.
25Insoweit macht sich das Gericht die Einschätzung und Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in dessen Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑ juris, Rz. 131 ff., 176 ff., 186 zu eigen, wonach mit Blick auf das Rechtssystem als auch insbesondere die Verwaltungspraxis des Asylverfahrens davon auszugehen ist, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches trotz ggf. vorliegender einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der „vor Ort“ tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass rücküberstellte Asylbewerber - darunter speziell Dublin-Rückkehrer - „im Normalfall“, also bei nach der Erkenntnislage vorhersehbarem Verlauf der Dinge, nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen, namentlich nicht solchen im Sinne der Gewährleistung aus Artikel 4 EU-GR-Charta, rechnen müssen.
26Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Antragsteller angeführten Entscheidung des
27EGMR vom 4. November 2014 – 29217/12 – Tarakhel –, juris.
28In dieser Entscheidung hält der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausdrücklich an seiner früheren Einschätzung fest, dass systemische Mängel im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen in Italien nicht bestehen (Rn. 115 und 117). Lediglich für Kinder schätzt er die Situation differenzierend ein (Rn. 119), was hier angesichts der Volljährigkeit des Antragstellers ohne Bedeutung ist.
29Unabhängig von der allgemeinen Situation bestehen zur Überzeugung des Gerichts auch sonst in der Person des Antragstellers selbst keine besonderen Gründe, die es vorliegend verbieten, den Antragsteller nach Italien zu überstellen. Der Antragsteller hat keine beachtlichen Umstände vorgetragen, die ihn als eine innerhalb der Gruppe der Dublin-Rückkehrer besonders gefährdete oder verletzliche Person erscheinen lassen.
30Gegen die Rechtmäßigkeit der auf § 34a Abs. 1 AsylVfG beruhende Abschiebungsanordnung bestehen nach alledem ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Für das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
31Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.
32Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.