Verwaltungsgericht München Urteil, 28. Juli 2014 - M 11 K 14.30084

bei uns veröffentlicht am28.07.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamts ... vom … Januar 2014 wird in den Nrn. 2 und 3 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Überstellung nach Italien im Rahmen des Dublin-II-Systems.

Nach seinen Angaben im Verwaltungsverfahren ist der Kläger, der somalischer Staatsangehöriger ist, über Äthiopien, den Sudan und Libyen aus Somalia geflohen. Von Libyen sei er mit einem Schiff nach Lampedusa gelangt. Nach einer Woche sei er von dort nach Sizilien und über Catania weiter nach Mailand gereist. Von dort sei er mit dem Bus nach ... gefahren. Er ist am 17. Oktober 2013 bei der Einreise von Österreich nach Deutschland am Grenzübergang ... aufgegriffen worden. Er stellte beim Bundesamt ... (im Folgenden: Bundesamt) unstrittig (vgl. den streitgegenständlichen Bescheid sowie auch Bl. 27 der Behördenakten) einen Asylantrag, wobei aus den vorgelegten Akten nicht hervorgeht, unter welchem Datum genau der Antrag gestellt wurde.

Im Bescheid vom ... Januar 2014 (Bl. 99 der Behördenakten) ist das Datum, an dem der Asylantrag gestellt wurde, nicht dargestellt („und stellte am … Asylantrag“). Nach dem Verwaltungsvorgang ist vom 18. Oktober 2013 auszugehen (vgl. Bl. 8 ff. der Behördenakten; auf Bl. 35 der Behördenakten ist ohne nachvollziehbaren Grund der 23. Oktober 2013 genannt). Aufgrund eines EURODAC-Treffers der Kategorie 1 (Antrags-/Aufgriffsort: Agrigento, Antrags-/Aufgriffsdatum: 23.9.2013 sowie Datum Fingerabdrucknahme ebenfalls 23.9.2013) ersuchte das Bundesamt unter dem 23. Oktober 2013 die zuständige italienische Behörde um Aufnahme des Klägers. Mit Schreiben vom 5. November 2013 erklärte Italien unter Bezugnahme auf die Dublin-II-Verordnung die Bereitschaft zur Rückübernahme des Klägers. Im Verwaltungsvorgang der Beklagten findet sich ein Bescheid vom ... November 2013, in dem festgestellt wird, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist. Dieser Bescheid wurde offensichtlich nicht zugestellt. Ein weiterer Bescheid vom ... November 2013 erging sodann ohne Tenor, wurde dieses Mal jedoch zugestellt. Aus den Gründen dieses Bescheids ergibt sich, dass auch mit diesem Bescheid der Asylantrag als unzulässig behandelt wird. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger durch seine Bevollmächtigte am 25. November 2013 Klage und Eilantrag (Az: M 11 K 13.31231 sowie M 11 S 13.31232). Mit weiterem (= dem hier streitgegenständlichen) Bescheid vom ... Januar 2014 wurde zunächst der Bescheid vom ... November 2013 aufgehoben (Nr. 1) und sodann festgestellt, dass der Asylantrag (des Klägers in Deutschland) unzulässig ist (Nr. 2) und schließlich die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet (Nr. 3).

Der Kläger macht im gerichtlichen Verfahren geltend, dass er minderjährig sei. Dem Kläger sei es gelungen, durch Kontaktaufnahme in das Heimatland eine Geburtsurkunde übersandt zu bekommen. Diese bescheinige das Geburtsdatum ... Januar 1998 und sei am 22. Januar 2014 der Bevollmächtigten des Klägers per Fax übersandt worden.

Mit Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 25. April 2014 wurde mitgeteilt, dass die Bevollmächtigte einen Antrag auf Einrichtung einer Vormundschaft für den Kläger beim Amtsgericht ... gestellt hat. In dem Vormundschaftsverfahren ist ein Gutachten über das Alter des Betroffenen in Auftrag gegeben worden. Das Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin ... vom 15. April 2014 wurde vorgelegt.

Dieses Gutachten zur Bestimmung des Alters des Klägers wurde der Beklagten zur Kenntnis übersandt. Eine Stellungnahme erfolgte nicht.

Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 4. Februar 2014 die Behördenakten vor. Ein Antrag wurde nicht gestellt.

Mit Beschluss vom 24. Juni 2014 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen (§ 76 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG).

Am 17. Juli 2014 fand die öffentliche mündliche Verhandlung statt. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie im Verfahren M 11 S 14.30085 und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2014 entschieden werden, obwohl seitens der Beklagten im Termin niemand erschienen ist. Die Voraussetzungen von § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) lagen vor, die Beklagte ist, wie in der mündlichen Verhandlung festgestellt (vgl. das Sitzungsprotokoll), ordnungsgemäß geladen worden.

Die zulässige Klage ist begründet, da der Bescheid vom ... Januar 2014 in den angegriffenen Nummern 2 und 3 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers ist die Beklagte zuständig. Die Voraussetzungen der Vorschriften des § 27 a sowie des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG liegen demzufolge nicht vor.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf den den Kläger betreffenden Beschluss vom 24. März 2014 im Verfahren M 11 S 14.30085 Bezug genommen.

Zwar geht das Gericht weiterhin davon aus, dass das italienische Asylverfahren und Aufnahmesystem nicht an sogenannten systemischen Mängeln leiden, die befürchten ließen, dass Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen werden. Das ergibt sich aus der mittlerweile ganz überwiegenden Rechtsprechung hierzu (vgl. statt vieler: BayVGH, U.v. 28.2.2014 - 13 a B 13.30295 -, juris m.w.N.), der sich das Gericht anschließt. Das gilt ausdrücklich auch im Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylVfG) des hiesigen Verfahrens (vgl. statt vieler: VG Ansbach, B.v. 28.7.2014 - AN 1 S 14.50053, juris m.w.N.; VG Stuttgart, U.v. 9.7.2014 - A 12 K 868/14 -, juris Leitsatz 1 sowie Rn. 18 ff.).

Jedoch folgt aus dem Umstand der Minderjährigkeit des Klägers zum relevanten Zeitpunkt der Asylantragstellung die Zuständigkeit von Deutschland für das Asylverfahren des Klägers gemäß Art. 6 Abs. 2 der für diesen Fall noch anwendbaren Dublin-II-Verordnung (= Verordnung (EG) Nr. 343/2003). Während zum Zeitpunkt des Beschlusses vom 24. März 2014, mit dem die aufschiebende Wirkung der hiesigen Klage angeordnet wurde, die Frage der Minderjährigkeit des Klägers noch offen war bzw. noch nicht abschließend beantwortet werden konnte, ist das Gericht im Entscheidungszeitpunkt inzwischen von der Minderjährigkeit des Klägers überzeugt. Aus dem in das hiesige Verfahren eingeführten Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin ... vom 15. April 2014 zur Bestimmung des Alters des Klägers folgt zweifelsohne seine Minderjährigkeit zum Zeitpunkt der Asylantragstellung wie übrigens auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Das Gutachten, das sich neben der eigenen Begutachtung des Klägers noch auf ein radiologisches Zusatzgutachten sowie auf eine zahnärztliche Untersuchung bezieht, kommt unter Berücksichtigung sämtlicher Untersuchungsbefunde (körperliche Untersuchung, zahnärztlicher Untersuchungsbefund, radiologischer Untersuchungsbefund sowie computertomographischer Befund) zu folgendem zusammenfassenden Ergebnis:

Bei zusammenfassender Beurteilung dürfte das wahrscheinlichste Lebensalter bei 17 Jahren liegen, also ein 3/4 Jahr über dem Lebensalter, das sich aus dem zugeordneten Geburtstagsdatum [...1.1998, Anm. des Unterzeichners] ergibt. Nach den Untersuchungsbefunden ist aber nicht davon auszugehen, dass Herr ... zum Zeitpunkt der körperlichen Untersuchung bereits das 18. Lebensjahr vollendet hatte.“

Wegen der somit nachgewiesenen Minderjährigkeit des Klägers ist die Beklagte gemäß Art. 6 Abs. 2 der Dublin-II-VO für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.

Zwar ergibt sich sowohl aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 10.12.2013 - C-394/12 -, NVwZ 2014, 208 = Amtsbl. EU 2014, Nr. C 45, 12) wie auch des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 -, juris; vgl. auch Berlit, jurisPR - BVerwG 12/2014 Anm. 3), dass ein Asylbewerber nur dann nicht an den nach der Dublin-II-VO zuständigen Mitgliedstaat überstellt werden darf, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat aufgrund systemischer Mängel, d.h. regelhaft, so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Das bedeutet, dass gegenüber der Abschiebungsanordnung grundsätzlich andere als sog. systemische Mängel nicht geltend gemacht werden können. Das gilt grundsätzlich auch ausdrücklich in dem Fall, dass bei einem aufnahmebereiten Unionsstaat die Zuständigkeitsregelungen der Dublin-II-/Dublin-III-Verordnung objektiv-rechtlich nicht richtig angewendet worden sind; d.h. im gerichtlichen Verfahren im Rahmen des dort maßgeblichen subjektiven Rechtsschutzes können diese Umstände nicht geltend gemacht werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2014, a.a.O., juris Rn. 7; EuGH, U.v. 10.12.2013, a.a.O., Rn. 60).

Das Gericht geht jedoch zumindest für die Zuständigkeitsvorschrift des Art. 6 Abs. 2 der Dublin-II-VO davon aus, dass diese Gewährleistung nicht nur objektiv-rechtlich besteht, sondern auch subjektiv-rechtlichen Rechtsschutz vermittelt (so auch VG München, B.v. 23.4.2014 - M 21 S 14.30537 -, juris Rn. 33; VG Aachen, B.v. 3.4.2014 - 7 L 165/14.A -, juris Rn. 23; VG Trier, B.v. 30.9.2013 - 5 K 987/13.TR -, juris Rn. 20; VG Stade, B.v. 1.10.2012 - 6 B 2303/12 -, juris Rn. 34). Dafür spricht, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH vom 6.6.2013 - C-648/11 -, juris) Art. 6 Abs. 2 Dublin-II-VO u.a. unter Berücksichtigung des Zwecks der Vorschrift, wonach Minderjährige als besonders gefährdete Personen auch besonders schutzwürdig sind sowie mit Blick auf Art. 24 Abs. 2, 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und auf den 15. Erwägungsgrund der Dublin-II-VO dahin auszulegen ist, dass die Vorschrift im Falle eines unbegleiteten Minderjährigen, der keinen sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates rechtmäßig aufhaltenden Familienangehörigen hat und der in mehr als einem Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt hat, denjenigen Mitgliedstaat als „zuständigen Mitgliedstaat“ bestimmt, in dem sich dieser Minderjährige aufhält, nachdem er dort einen Asylantrag gestellt hat. Das bedeutet, dass der Mitgliedstaat, in dem der Minderjährige seinen Asylantrag gestellt hat und in dem er sich gerade aufhält, im relevanten Zeitpunkt der Asylantragstellung dort (vgl. VG Aachen vom 3.4.2014 a.a.O., juris Rn. 23) zum zuständigen Mitgliedstaat wird, selbst wenn der Minderjährige zuvor einen Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat gestellt hat (vgl. VG München vom 23.4.2014 a.a.O.; VG München, U.v. 31.10.2013 - M 12 K 13.30730 –, juris Rn. 26; VG Trier, U.v. 30.9.2013 a.a.O.). Unter Berücksichtigung dieser Darlegungen, insbesondere der dargestellten Zwecksetzungen der Vorschrift des Art. 6 Abs. 2 Dublin-II-VO ist davon auszugehen, dass jedenfalls in diesem Falle die Zuständigkeitsbestimmung nicht nur objektiv-rechtlich besteht, sondern auch vom Kläger subjektiv-rechtlich per Rechtsbehelf geltend gemacht werden kann.

Daher erweist sich die Abschiebungsanordnung (Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids) als rechtswidrig. Gleiches gilt folgerichtig für die Feststellung, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist (Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids), weshalb der Bescheid auch insoweit aufzuheben ist.

Im Zusammenhang hiermit wird darauf hingewiesen, dass das Gericht davon ausgeht, dass es sich bei dem Klageantrag zu 2. (vgl. die Klageschrift vom 23.1.2014), nämlich die Beklagte zu verpflichten, das Asylverfahren in eigener Zuständigkeit durchzuführen, nicht um einen eigenständigen Klageantrag handelt, sondern um einen unselbständigen deklaratorischen Annex zum eigentlichen Klageantrag, den Bescheid der Beklagten vom ... Januar 2014 in den Nr. 2 und 3 aufzuheben. Die Verpflichtung, das Asylverfahren in eigener Zuständigkeit durchzuführen, ergibt sich nach erfolgter Aufhebung des rechtswidrigen Bescheids ohne weiteres aus dem Gesetz; schließlich liegt ein – zulässiger – Asylantrag des Klägers vor, über den noch nicht entschieden ist. Daher legt das Gericht den Klageantrag so aus wie geschehen, andernfalls - würde es sich um einen selbstständigen Klageantrag handeln - wäre dieser kostenpflichtig abzuweisen gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 11.02.2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der am … 1976 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört zu den Punjabi. Er kam nach seinen Angaben am 25.11.2013 in die Bundesrepublik Deutschland und stellte hier einen Asylantrag. Zuvor hatte er sich zuerst in Italien aufgehalten und zwei Asylanträge gestellt. Am 13.01.2014 fragte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Italien an, ob der Kläger wieder übernommen werde, und wiederholte diese Anfrage am 28.01.2014. Eine Antwort erfolgte nicht.
Daraufhin entschied das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 11.02.2014 - zugestellt am 14.02.2014 -, dass der Asylantrag unzulässig ist, und ordnete die Abschiebung nach Italien an.
Am 17.02.2014 hat der Kläger Klage erhoben. Er beruft sich zusätzlich auf Folgendes: Er habe zwei Asylanträge in Italien gestellt, die jeweils abgelehnt worden seien. In Italien bestünden systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen. Bei ihm bestehe der Verdacht einer posttraumatischen Belastungsstörung. Er könne nachts nicht schlafen. Hierzu hat er Vorkommnisse in Pakistan vorgetragen. So suchten seine Verwandten ihn und seine Familie, um sie zu töten. Er habe Selbstmordgedanken gehabt. Er sei nicht reisefähig.
Der Kläger hat hierzu Unterlagen vorgelegt, insbesondere Bescheinigungen der Psychologischen Beratungsstelle für politisch Verfolgte und Vertriebene, einen Arztbrief des Klinikums W. vom 13.05.2014 und ein Ärztliches Attest von Dr. U. S. vom 30.06.2014.
In der mündlichen Verhandlung hat er auf Fragen des Gerichts, aus welchen Gründen es zur stationären Behandlung vom 07.04.2014 bis 15.05.2014 gekommen sei, angegeben: Er wolle sich selbst töten, er habe keine andere Wahl. Er habe eine Frau und zwei Kinder. Seine Familienangehörigen wollten ihn und seine Frau und die zwei Kinder töten. Er habe seiner Frau erzählt, dass er nach Spanien gehen wolle, nachdem sein Cousin, der ihn töten wolle, in Italien bei seinem Arbeitgeber nach ihm - dem Kläger - gefragt habe. Er habe öfters ein Messer in der Hand gehabt und versucht, sich zu töten. In Behandlung sei er gegangen, damit sein Kopf wieder gesund werde.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11.02.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
In der mündlichen Verhandlung ist S. S. als Zeugin darüber vernommen worden, dass der Kläger im seelsorgerischen Erstgespräch bei ihr Suizidgedanken äußerte und dass der Kläger am 30.06.2014 bei einer unangekündigten Abschiebung eines anderen Asylbewerbers einen Nervenzusammenbruch erlitt und er ihr gegenüber danach erklärte, dass er Albträume hat, von der Familie nachts träumt und seit dem auch nicht mehr schlafen kann. Die Angaben zur Person und zur Sache sind auf Tonträger aufgenommen worden, der zu den Akten genommen ist.
11 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
12 
Das Gericht hat trotz Ausbleibens von Beteiligten über die Sache verhandeln und entscheiden können, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO). Im Einverständnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden (§ 87 a VwGO).
13 
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -). Sie ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
14 
Nach § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag allerdings unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (heute: Europäische Union) oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist vorliegend der Fall, denn der Kläger hatte zuerst einen Asylantrag in Italien gestellt. Damit war Italien (grundsätzlich) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und ist dies auch geblieben (Art. 13, 5 Abs. 2, 3 Abs. 1 Satz 2 Verordnung 343/2003/EG - Dublin-II-VO -).
15 
Es bestehen aber Gründe, die es ausnahmsweise gebieten, das Asylverfahren des Klägers im Bundesgebiet durchzuführen. Nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO jeder Mitgliedsstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
16 
Der Europäische Gerichtshof hat im Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12 ) ausgeführt, dass ein Asylbewerber im Rahmen des Dublin-Systems seiner Rücküberstellung ausschließlich entgegenhalten kann, im Zielstaat der Abschiebung bestünden systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er in seinem konkreten Einzelfall (vgl. BVerwG, Beschl. vom 19.03.2014 - BVerwG 10 B 6.14 -) tatsächlich Gefahr läuft, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU ausgesetzt zu werden.
17 
Hierfür gibt es nach Überzeugung des Gerichts hinsichtlich Italiens nun keine Anhaltspunkte. Durch Tatsachen bestätigte Gründe dafür, dass der Kläger im dortigen Asylverfahren voraussichtlich im Sinne von Art. 4 GRCh "der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wird", lassen sich nicht erkennen.
18 
Die Kammer geht in inzwischen gefestigter ständiger Rechtsprechung davon aus, dass in Italien keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen (vgl. Beschl. v. 26.05.2014 - A 12 K 2298/14 und Urt. v. 02.04.2014 - A 12 K 913/14 -). Im Beschluss vom 26.05.2014 (A 12 K 800/14) wird hierzu ausgeführt:
19 
"Der Einzelrichter schließt sich insoweit der neuesten und ausführlich begründeten Rechtsprechung des VGH Bad.-Württ. (vgl. Urt. vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -) an, das auch auf andere verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung Bezug nimmt, die damit übereinstimmt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders. OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a. A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris)."
20 
Daran wird festgehalten.
21 
Darüber hinaus geht das Gericht davon aus, dass in Italien auch eine (notwendige) Behandlung psychischer Erkrankungen in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. So gibt es eine psychologische/psychiatrische Versorgung, auch wenn sie nicht optimal erscheint (SFH, Italien - Aufnahmebedingungen - Oktober 2013 S. 50f., 58). Zwar wird dort auf Seite 38 ausgeführt: "Besonders prekär scheint auch hier die Situation für psychisch Kranke". Es wird hierzu allerdings nur auf ein (!) Beispiel verwiesen, ohne dass nachvollziehbar wäre, inwieweit dies verallgemeinerungsfähig ist. Die Ausführungen im Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 16.04.2014 (a.a.O.) sind insoweit auch nicht erhellender. Zu beachten ist aber, dass eine (erforderliche) Behandlung in Italien kostenfrei ist (Stellungnahme der Liaisonbeamtin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.11.2013). Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass davon auszugehen ist, dass die Behörden ihren in diesem Zusammenhang bestehenden Verpflichtungen nachkommen. Hiervon ging auch der EGMR (vgl. Beschl. vom 18.06.2013, Nr. 53852/11, Halimi gegen Österreich und Italien, ZAR 2013, 338) für das dortige Verfahren aus. Dort wird ausgeführt, der EGMR gehe davon aus, dass die italienischen Behörden von den geistigen und gesundheitlichen Problemen des dortigen Beschwerdeführers in Kenntnis gesetzt seien und wüssten, was er benötige. Außerdem werde darauf vertraut, dass die österreichischen Behörden im Falle der Abschiebung des dortigen Beschwerdeführers nach Italien den italienischen Behörden alle jüngsten vorhandenen medizinischen und psychologischen Unterlagen zur Verfügung stellen würden. Davon muss vorliegend auch für das Vorgehen Deutschlands und Italiens im Falle einer Abschiebung des Klägers ausgegangen werden. Daraus ergibt sich, dass sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die für notwendig gehaltene beabsichtigte ambulante psychologische Behandlung berufen kann.
22 
Allerdings sind im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34 a Abs. 1 AsylVfG sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen (vgl. BayVGH, Beschl. vom 12.03.2014 - 10 CE 14.427 - juris). Dazu gehören auch nach Erlass der Abschiebungsanordnung entstandene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 30.08.2011 - 18 B 1060/11 - juris).
23 
Der Abschiebung des Klägers steht vorliegend entgegen, dass er sich in seinem konkreten Einzelfall auf Duldungsgründe berufen kann. Denn seine Abschiebung ist aus rechtlichen Gründen unmöglich (§ 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG).
24 
Allerdings beruft sich der Kläger zu Unrecht darauf, er sei nicht reisefähig. Denn dies lässt sich den vorgelegten ärztlichen Äußerungen nicht entnehmen, auf die es insoweit maßgeblich ankommt.
25 
Im Übrigen ergibt sich aus dem Arztbrief des Klinikums W. vom 13.05.2014 Folgendes: Am 07.04.2014 sei der Kläger in Begleitung u. a. von Frau S. S. erschienen. Nachdem er am Donnerstag zuvor die Nachricht erhalten habe, dass seine Klage gegen das Dublin-Verfahren (gemeint ist der Beschluss vom 19.03.2014 - A 12 K 869/14 - im Eilverfahren) abgewiesen worden sei, sei er richtig zusammengefallen. Seine Bekannten hätten ihn nicht mehr aus den Augen gelassen, da sie Angst gehabt hätten, dass er sich etwas antue. Er habe große Schlafprobleme und Albträume. Auch denke er die ganze Zeit an seine Familie in Pakistan, seine Frau und seine Kinder seien dort gefährdet. Er habe auch große Angst, dass ihn hier in Deutschland jemand von seiner männlichen Verwandtschaft finde und ihm etwas antue. Er habe lebensmüde Gedanken dahin, er würde mit dem Messer seine Pulsadern aufschneiden oder eine Überdosis Medikamente einnehmen. Eine weiterführende psychiatrische bzw. psychotherapeutische Betreuung werde für erforderlich gehalten. Als Diagnose wurde aufgenommen: Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome F 32.2. Der Kläger befand sich dort in stationärer Behandlung bis zum 15.05.2014.
26 
Die in der mündlichen Verhandlung als Zeugin vernommene S. S., eine den Kläger betreuende Pfarrerin, hat angegeben: Beim Kläger hätten schon ab dem ersten seelsorgerischen Gespräch im Januar 2014 Selbstmordgedanken vorgelegen. Er habe sich auch schon konkret überlegt gehabt, wie er sich umbringen wolle. Als ein anderer Asylbewerber am 30.06.2014 abgeschoben worden sei, sei der Kläger, der das mitbekommen habe, ganz grau geworden. Er habe ihr auf Frage gesagt, er habe jetzt große Angst, dass sie ihn auch holten. Nachdem der Eilantrag abgelehnt worden sei, habe sie mit ihm gesprochen. Er habe da gesagt, er habe sich das Messer und die Medikamente schon besorgt. Sie habe ihn dann am gleichen Tag noch in das Klinikum W. gefahren. Im Anschluss an das Ereignis vom 30.06.2014 habe der Kläger gesagt, Selbstmordgedanken seien eigentlich immer da, aber jedes Mal mehr, wenn die Abschiebung in Sichtweite komme. Sie seien aber nicht so stark, dass er das Messer praktisch griffbereit habe.
27 
Dr. U. S. führt im Ärztlichen Attest vom 30.06.2014 aus, der Kläger habe nach der Ankunft in Deutschland unter einer schweren depressiven Episode mit Suizidalität gelitten, so dass eine sechswöchige stationäre psychiatrische Behandlung erforderlich gewesen sei. Die unter medikamentöser Therapie deutlich gebesserte depressive Episode bedürfe weiterhin einer bereits eingeleiteten psychotherapeutischen Behandlung. Da bei einer Abschiebung des Klägers nicht mit einer adäquaten medizinischen Betreuung zu rechnen sei, sowie von einer Verschlechterung der depressiven Erkrankung bei Zurücksendung in das verfolgungsbedrohte Heimatland auszugehen sei, rate er aus ärztlicher Sicht dringend von der Abschiebung des Klägers ab.
28 
Aus den dargelegten ärztlichen Äußerungen ergibt sich nun nicht unmittelbar, dass die (angeordnete) Abschiebung nach Italien als solche zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers oder zur konkreten Gefahr eines Suizids führen würde. Der Arztbrief des Klinikums W. vom 13.05.2014 enthält insoweit gar nichts. Im Ärztlichen Attest von Dr. U. S. vom 30.06.2014 wird ausgeführt, es sei von einer Verschlechterung der depressiven Erkrankung bei Zurücksendung in das verfolgungsbedrohte Heimatland auszugehen. Die zum Ausdruck gebrachte Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands wird dagegen nicht auf die Abschiebung nach Italien bezogen.
29 
Aus den vorhandenen ärztlichen Äußerungen und aus den Angaben der Zeugin S. S. in der mündlichen Verhandlung erschließt sich aber insgesamt, dass der Gesundheitszustand des Klägers in unmittelbarem Zusammenhang mit der im Raum stehenden Abschiebung (nach Italien) steht. So ereignete sich die schwere depressive Episode, die zur stationären Behandlung führte, im Anschluss an den Beschluss vom 19.03.2014 (a.a.O.), der den Weg frei gemacht hätte für eine Abschiebung nach Italien. Insoweit ist der zeitliche Zusammenhang deutlich ersichtlich. Im Arztbrief des Klinikums W. vom 13.05.2014 wird auch ausdrücklich ein kausaler Zusammenhang zwischen der Mitteilung des Beschlusses und der schweren depressiven Episode dargestellt. Dies entspricht den Angaben der Zeugin S. S. in der mündlichen Verhandlung, sie habe mit dem Kläger gesprochen, nachdem der Eilantrag abgelehnt worden sei. Er habe da gesagt, er habe sich das Messer und die Medikamente schon besorgt. Sie habe ihn dann am gleichen Tag noch in das Klinikum W. gefahren.
30 
Ein weiterer Zusammenhang zwischen dem Gesundheitszustand des Klägers und einer drohenden Abschiebung lässt sich aus der Reaktion des Klägers auf die Abschiebung eines anderen Asylbewerbers am 30.06.2014 erkennen. Nach Angaben der Zeugin S. S. sei der Kläger, nachdem er die Abschiebung mitbekommen habe, ganz grau geworden und habe gesagt, die Selbstmordgedanken, die eigentlich immer da seien, verstärkten sich, wenn die Abschiebung in Sichtweite komme.
31 
Schließlich ist zu beachten, dass nach dem Ärztlichen Attest von Dr. U. S. vom 30.06.2014 die depressive Episode, die zum Beginn der stationären Behandlung ab 07.04.2014 bestand, nicht überwunden, sondern (nur) deutlich gebessert ist und der Kläger weiterhin einer psychotherapeutischen Behandlung bedarf.
32 
Daraus ergibt sich insgesamt, dass die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands unmittelbar durch die Abschiebung besteht. Insoweit lässt sich weiter eine konkrete Gefahr erkennen, dass sich die latent vorhandenen Selbstmordgedanken des Klägers dahin verdichten, dass sie in die Tat umgesetzt werden. Diese Gefahr ist so groß, dass sie nicht eingegangen werden darf. Darüber hinaus ist nach der oben dargestellten Erkenntnislage nicht gesichert, dass der Kläger in Italien im Falle der naheliegenden akuten Behandlungsbedürftigkeit auch schnell genug eine - ärztlicherseits für erforderlich gehaltene - Behandlung erhielte.
33 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Gründe

 
12 
Das Gericht hat trotz Ausbleibens von Beteiligten über die Sache verhandeln und entscheiden können, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO). Im Einverständnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden (§ 87 a VwGO).
13 
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -). Sie ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
14 
Nach § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag allerdings unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (heute: Europäische Union) oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist vorliegend der Fall, denn der Kläger hatte zuerst einen Asylantrag in Italien gestellt. Damit war Italien (grundsätzlich) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und ist dies auch geblieben (Art. 13, 5 Abs. 2, 3 Abs. 1 Satz 2 Verordnung 343/2003/EG - Dublin-II-VO -).
15 
Es bestehen aber Gründe, die es ausnahmsweise gebieten, das Asylverfahren des Klägers im Bundesgebiet durchzuführen. Nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO jeder Mitgliedsstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
16 
Der Europäische Gerichtshof hat im Urteil vom 10.12.2013 (Rs. C-394/12 ) ausgeführt, dass ein Asylbewerber im Rahmen des Dublin-Systems seiner Rücküberstellung ausschließlich entgegenhalten kann, im Zielstaat der Abschiebung bestünden systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er in seinem konkreten Einzelfall (vgl. BVerwG, Beschl. vom 19.03.2014 - BVerwG 10 B 6.14 -) tatsächlich Gefahr läuft, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU ausgesetzt zu werden.
17 
Hierfür gibt es nach Überzeugung des Gerichts hinsichtlich Italiens nun keine Anhaltspunkte. Durch Tatsachen bestätigte Gründe dafür, dass der Kläger im dortigen Asylverfahren voraussichtlich im Sinne von Art. 4 GRCh "der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wird", lassen sich nicht erkennen.
18 
Die Kammer geht in inzwischen gefestigter ständiger Rechtsprechung davon aus, dass in Italien keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen (vgl. Beschl. v. 26.05.2014 - A 12 K 2298/14 und Urt. v. 02.04.2014 - A 12 K 913/14 -). Im Beschluss vom 26.05.2014 (A 12 K 800/14) wird hierzu ausgeführt:
19 
"Der Einzelrichter schließt sich insoweit der neuesten und ausführlich begründeten Rechtsprechung des VGH Bad.-Württ. (vgl. Urt. vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -) an, das auch auf andere verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung Bezug nimmt, die damit übereinstimmt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.11.2013 - 4 L 44/13 - juris, Nieders. OVG Beschluss vom 30.01.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.10.2013 - OVG 3 S 40.13 - juris; VG Würzburg, Beschluss vom 21.03.2014 - W 6 S 14.50007 - juris; VG Wiesbaden, Beschluss vom 06.03.2014 - 5 L 246/14.WI.A - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 28.02.2014 - A 12 K383/14 - juris; VG Ansbach, Beschluss vom 13.02.2014 - AN 2 S 14.30090 - juris; VG Saarland, Beschluss vom 27.01.2014 - 3 K 339/13 - juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21.01.2014 - 3 B 6802/13 - juris; VG Regensburg, Beschluss vom 18.12.2013 - RN 6 S 13.30720 - juris; VG Meiningen, Urteil vom 26.06.2013 - 5 K 20096/13 Me - juris; VG Augsburg, Beschluss vom 19.12.2012 - Au 6 E 12.30377 - juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.09.2012 - 6 L 1480/12.A - juris; a. A. noch OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris; VG Gießen, Urteil vom 25.11.2013 - 1 K 844/11.GI.A - juris; VG Schwerin, Beschluss vom 13.11.2013 - 3 B 315/13 As - juris; VG Frankfurt, Urteil vom 09.07.2013 - 7 K 560/11.F.A. - juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.05.2013 - 5a L 547/13.A - juris; VG Köln, Beschluss vom 07.05.2013 - 20 L 613/13.A - juris)."
20 
Daran wird festgehalten.
21 
Darüber hinaus geht das Gericht davon aus, dass in Italien auch eine (notwendige) Behandlung psychischer Erkrankungen in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. So gibt es eine psychologische/psychiatrische Versorgung, auch wenn sie nicht optimal erscheint (SFH, Italien - Aufnahmebedingungen - Oktober 2013 S. 50f., 58). Zwar wird dort auf Seite 38 ausgeführt: "Besonders prekär scheint auch hier die Situation für psychisch Kranke". Es wird hierzu allerdings nur auf ein (!) Beispiel verwiesen, ohne dass nachvollziehbar wäre, inwieweit dies verallgemeinerungsfähig ist. Die Ausführungen im Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 16.04.2014 (a.a.O.) sind insoweit auch nicht erhellender. Zu beachten ist aber, dass eine (erforderliche) Behandlung in Italien kostenfrei ist (Stellungnahme der Liaisonbeamtin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.11.2013). Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass davon auszugehen ist, dass die Behörden ihren in diesem Zusammenhang bestehenden Verpflichtungen nachkommen. Hiervon ging auch der EGMR (vgl. Beschl. vom 18.06.2013, Nr. 53852/11, Halimi gegen Österreich und Italien, ZAR 2013, 338) für das dortige Verfahren aus. Dort wird ausgeführt, der EGMR gehe davon aus, dass die italienischen Behörden von den geistigen und gesundheitlichen Problemen des dortigen Beschwerdeführers in Kenntnis gesetzt seien und wüssten, was er benötige. Außerdem werde darauf vertraut, dass die österreichischen Behörden im Falle der Abschiebung des dortigen Beschwerdeführers nach Italien den italienischen Behörden alle jüngsten vorhandenen medizinischen und psychologischen Unterlagen zur Verfügung stellen würden. Davon muss vorliegend auch für das Vorgehen Deutschlands und Italiens im Falle einer Abschiebung des Klägers ausgegangen werden. Daraus ergibt sich, dass sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die für notwendig gehaltene beabsichtigte ambulante psychologische Behandlung berufen kann.
22 
Allerdings sind im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34 a Abs. 1 AsylVfG sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen (vgl. BayVGH, Beschl. vom 12.03.2014 - 10 CE 14.427 - juris). Dazu gehören auch nach Erlass der Abschiebungsanordnung entstandene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 30.08.2011 - 18 B 1060/11 - juris).
23 
Der Abschiebung des Klägers steht vorliegend entgegen, dass er sich in seinem konkreten Einzelfall auf Duldungsgründe berufen kann. Denn seine Abschiebung ist aus rechtlichen Gründen unmöglich (§ 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG).
24 
Allerdings beruft sich der Kläger zu Unrecht darauf, er sei nicht reisefähig. Denn dies lässt sich den vorgelegten ärztlichen Äußerungen nicht entnehmen, auf die es insoweit maßgeblich ankommt.
25 
Im Übrigen ergibt sich aus dem Arztbrief des Klinikums W. vom 13.05.2014 Folgendes: Am 07.04.2014 sei der Kläger in Begleitung u. a. von Frau S. S. erschienen. Nachdem er am Donnerstag zuvor die Nachricht erhalten habe, dass seine Klage gegen das Dublin-Verfahren (gemeint ist der Beschluss vom 19.03.2014 - A 12 K 869/14 - im Eilverfahren) abgewiesen worden sei, sei er richtig zusammengefallen. Seine Bekannten hätten ihn nicht mehr aus den Augen gelassen, da sie Angst gehabt hätten, dass er sich etwas antue. Er habe große Schlafprobleme und Albträume. Auch denke er die ganze Zeit an seine Familie in Pakistan, seine Frau und seine Kinder seien dort gefährdet. Er habe auch große Angst, dass ihn hier in Deutschland jemand von seiner männlichen Verwandtschaft finde und ihm etwas antue. Er habe lebensmüde Gedanken dahin, er würde mit dem Messer seine Pulsadern aufschneiden oder eine Überdosis Medikamente einnehmen. Eine weiterführende psychiatrische bzw. psychotherapeutische Betreuung werde für erforderlich gehalten. Als Diagnose wurde aufgenommen: Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome F 32.2. Der Kläger befand sich dort in stationärer Behandlung bis zum 15.05.2014.
26 
Die in der mündlichen Verhandlung als Zeugin vernommene S. S., eine den Kläger betreuende Pfarrerin, hat angegeben: Beim Kläger hätten schon ab dem ersten seelsorgerischen Gespräch im Januar 2014 Selbstmordgedanken vorgelegen. Er habe sich auch schon konkret überlegt gehabt, wie er sich umbringen wolle. Als ein anderer Asylbewerber am 30.06.2014 abgeschoben worden sei, sei der Kläger, der das mitbekommen habe, ganz grau geworden. Er habe ihr auf Frage gesagt, er habe jetzt große Angst, dass sie ihn auch holten. Nachdem der Eilantrag abgelehnt worden sei, habe sie mit ihm gesprochen. Er habe da gesagt, er habe sich das Messer und die Medikamente schon besorgt. Sie habe ihn dann am gleichen Tag noch in das Klinikum W. gefahren. Im Anschluss an das Ereignis vom 30.06.2014 habe der Kläger gesagt, Selbstmordgedanken seien eigentlich immer da, aber jedes Mal mehr, wenn die Abschiebung in Sichtweite komme. Sie seien aber nicht so stark, dass er das Messer praktisch griffbereit habe.
27 
Dr. U. S. führt im Ärztlichen Attest vom 30.06.2014 aus, der Kläger habe nach der Ankunft in Deutschland unter einer schweren depressiven Episode mit Suizidalität gelitten, so dass eine sechswöchige stationäre psychiatrische Behandlung erforderlich gewesen sei. Die unter medikamentöser Therapie deutlich gebesserte depressive Episode bedürfe weiterhin einer bereits eingeleiteten psychotherapeutischen Behandlung. Da bei einer Abschiebung des Klägers nicht mit einer adäquaten medizinischen Betreuung zu rechnen sei, sowie von einer Verschlechterung der depressiven Erkrankung bei Zurücksendung in das verfolgungsbedrohte Heimatland auszugehen sei, rate er aus ärztlicher Sicht dringend von der Abschiebung des Klägers ab.
28 
Aus den dargelegten ärztlichen Äußerungen ergibt sich nun nicht unmittelbar, dass die (angeordnete) Abschiebung nach Italien als solche zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers oder zur konkreten Gefahr eines Suizids führen würde. Der Arztbrief des Klinikums W. vom 13.05.2014 enthält insoweit gar nichts. Im Ärztlichen Attest von Dr. U. S. vom 30.06.2014 wird ausgeführt, es sei von einer Verschlechterung der depressiven Erkrankung bei Zurücksendung in das verfolgungsbedrohte Heimatland auszugehen. Die zum Ausdruck gebrachte Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands wird dagegen nicht auf die Abschiebung nach Italien bezogen.
29 
Aus den vorhandenen ärztlichen Äußerungen und aus den Angaben der Zeugin S. S. in der mündlichen Verhandlung erschließt sich aber insgesamt, dass der Gesundheitszustand des Klägers in unmittelbarem Zusammenhang mit der im Raum stehenden Abschiebung (nach Italien) steht. So ereignete sich die schwere depressive Episode, die zur stationären Behandlung führte, im Anschluss an den Beschluss vom 19.03.2014 (a.a.O.), der den Weg frei gemacht hätte für eine Abschiebung nach Italien. Insoweit ist der zeitliche Zusammenhang deutlich ersichtlich. Im Arztbrief des Klinikums W. vom 13.05.2014 wird auch ausdrücklich ein kausaler Zusammenhang zwischen der Mitteilung des Beschlusses und der schweren depressiven Episode dargestellt. Dies entspricht den Angaben der Zeugin S. S. in der mündlichen Verhandlung, sie habe mit dem Kläger gesprochen, nachdem der Eilantrag abgelehnt worden sei. Er habe da gesagt, er habe sich das Messer und die Medikamente schon besorgt. Sie habe ihn dann am gleichen Tag noch in das Klinikum W. gefahren.
30 
Ein weiterer Zusammenhang zwischen dem Gesundheitszustand des Klägers und einer drohenden Abschiebung lässt sich aus der Reaktion des Klägers auf die Abschiebung eines anderen Asylbewerbers am 30.06.2014 erkennen. Nach Angaben der Zeugin S. S. sei der Kläger, nachdem er die Abschiebung mitbekommen habe, ganz grau geworden und habe gesagt, die Selbstmordgedanken, die eigentlich immer da seien, verstärkten sich, wenn die Abschiebung in Sichtweite komme.
31 
Schließlich ist zu beachten, dass nach dem Ärztlichen Attest von Dr. U. S. vom 30.06.2014 die depressive Episode, die zum Beginn der stationären Behandlung ab 07.04.2014 bestand, nicht überwunden, sondern (nur) deutlich gebessert ist und der Kläger weiterhin einer psychotherapeutischen Behandlung bedarf.
32 
Daraus ergibt sich insgesamt, dass die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands unmittelbar durch die Abschiebung besteht. Insoweit lässt sich weiter eine konkrete Gefahr erkennen, dass sich die latent vorhandenen Selbstmordgedanken des Klägers dahin verdichten, dass sie in die Tat umgesetzt werden. Diese Gefahr ist so groß, dass sie nicht eingegangen werden darf. Darüber hinaus ist nach der oben dargestellten Erkenntnislage nicht gesichert, dass der Kläger in Italien im Falle der naheliegenden akuten Behandlungsbedürftigkeit auch schnell genug eine - ärztlicherseits für erforderlich gehaltene - Behandlung erhielte.
33 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.

3

1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."

4

Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.

5

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

6

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

7

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

8

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

9

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.

10

2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.

11

Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).

12

An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.

13

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren 7 K 421/14.A gegen den Bescheid vom 30. Januar 2014 wird abgelehnt.

     Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2013 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte. hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten über die Unzulässigkeit des von ihm gestellten Asylantrags und die Anordnung der Abschiebung nach Italien.

2

Am 21. Februar 2013 wurde der Kläger – ohne Ausweispapiere – in ... von der Polizei aufgegriffen und bat um Asyl, wobei sein Geburtsdatum in der vom Antragsteller unterzeichneten und in ... ausgestellten Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender mit dem ... 1997 erfasst und er zweifelsfrei als Minderjähriger angesehen wurde.

3

In der am 25. Februar 2013 von der ... ausgestellten Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender und in dem am 26. März 2013 bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in ... gestellten förmlichen Asylantrag – beide Schriftstücke sind vom Kläger unterzeichnet - ist sein Geburtsdatum alsdann mit dem ... 1994 angegeben.

4

Aufgrund einer EURODAC-Recherche wurde außerdem festgestellt, dass der Kläger am ... 2012 in Italien einen Asylantrag gestellt hat. Auf entsprechende Nachfrage bejahten die italienischen Behörden unter dem 13. März 2013 ihre Zuständigkeit zur Bearbeitung des Asylantrags, wobei in Italien das Geburtsdatum des Klägers mit dem ... 1994 erfasst worden ist.

5

Ein gegen den Kläger bei der Staatsanwaltschaft ... anhängig gemachtes Verfahren, in dem der Kläger als am ... 1997 geborener Minderjähriger geführt wurde, wurde am 15. März 2013 eingestellt. Außerdem teilte die Beklagte der Stadtverwaltung ... unter dem 14. März 2013 mit, dass eine Überstellung des minderjährigen Klägers bis zum 13. September 2013 möglich sei.

6

Mit Bescheid vom 11. Juni 2013, der am 26. Juli 2013 als Einschreiben zur Post gegeben wurde, entschied die Beklagte alsdann, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig sei, weil Italien für eine Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, seien nicht ersichtlich. Außerdem heißt es in dem Bescheid, dass die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet werde.

7

Am 31. Juli 2013 hat der Kläger alsdann Klage erhoben, zu deren Begründung er geltend macht, dass er minderjährig sei und in Italien kein ordnungsgemäßes Asylverfahren durchgeführt werde. Er kenne sein genaues Geburtsdatum nicht, wisse aber, dass er noch keine 18 Jahre alt sei. Soweit er in Italien sein Geburtsdatum mit dem ... 1994 angegeben habe, habe dies seine Ursache darin gehabt, dass er dort als Minderjähriger keine Möglichkeit gesehen habe, einen Asylantrag zu stellen und in eine Schutzeinrichtung aufgenommen zu werden. Dass er minderjährig sei, hätten im Übrigen auch die Beklagte im Verwaltungsverfahren und die Staatsanwaltschaft ... angenommen. In Italien sei er nach der Asylbeantragung – er sei am 24. Oktober 2012 in Lampedusa angekommen und habe dann den Asylantrag gestellt – in der Einrichtung ... untergebracht worden. Eine Entscheidung über den in Italien gestellten Asylantrag sei bislang nicht ergangen. Er befürchte, in Italien nach sechs Monaten aus einer Einrichtung für Asylbewerber entlassen und obdachlos zu werden.

8

Der Kläger, der sich ebenso wie die Beklagte mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hat, beantragt,

9

den Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Asylantrag des Klägers im Wege des Selbsteintrittsrechts gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 der Dublin-II-VO nach nationalem Recht zu entscheiden.

10

Die Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen,

12

und trägt vor, dass in Italien keine systemischen Mängel im Sinne der europarechtlichen Rechtsprechung vorlägen. Auf die vom Antragsteller in den Vordergrund seines Vorbringens gestellte Minderjährigkeit ist die Beklagte im Rahmen der Klageerwiderung nicht eingegangen.

13

Mit Beschluss vom 16. August 2013 hat das Gericht des Rechtsstreits dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

14

Dem Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung hat das Gericht mit Beschluss vom 15. August 2013 stattgegeben und zur Begründung der Entscheidung ausgeführt, dass es sich bei dem Kläger nach Aktenlage um einen unbegleiteten Minderjährigen handele, bei dem Deutschland für eine sachliche Bearbeitung des Asylantrags zuständig sei.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsvorgänge, die vorlagen und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe

16

Die Klage, über die das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist insoweit, als sie sich als Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2013 richtet, zulässig. Dies gilt auch insoweit, als die Beklagte den Asylantrag des Klägers als unzulässig bescheiden hat. In den Fällen, in denen die Beklagte einen von einem Ausländer gestellten ersten Asylantrag noch nicht in der Sache beschieden hat, ist nämlich kein Raum für eine Verpflichtungsklage dahingehend, dass die Beklagte zur Asylanerkennung sowie Feststellung der Flüchtlingseigenschaft oder von Abschiebungsverboten oder auch (nur) zur Ausübung des ihr durch Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) eingeräumten Selbsteintrittsrechts verpflichtet werden könnte.

17

Zwar sind auch im Bereich des Asylrechts die Verwaltungsgerichte bei einer Verpflichtungsklage – als solches ist das mit der Klage geltend gemachte Verpflichtungsbegehren auszulegen - grundsätzlich gehalten, die Sache spruchreif zu machen und das Verfahren nicht an die Behörde zurückzuverweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 - 9 C 45/97 -, juris). Dies gilt indessen in den Fällen, in denen ein Asylbewerber erstmals einen Asylantrag gestellt hat, nur dann, wenn bereits eine behördliche Sachentscheidung über das Asylbegehren ergangen ist. Ist hingegen noch keine behördliche Sachentscheidung ergangen, so würde eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung der Sache und zum Durchentscheiden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen. Gelangt das Bundesamt nämlich nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergebnis, das Begehren sei gemäß §§ 29 a und 30 AsylVfG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylVfG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtlichen Kontrolle der Bundesamtsentscheidung und gegebenenfalls eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers vor. Eine vergleichbare Möglichkeit steht dem Gericht nicht zu, denn es kann eine Abschiebungsandrohung gemäß § 34 AsylVfG unter Fristsetzung (§ 36 Abs. 1 AsylVfG) nicht aussprechen. Stellt sich nämlich das Asylbegehren nach Ansicht des Verwaltungsgerichts als schlicht unbegründet dar, bemisst § 38 Abs. 1 AsylVfG die Ausreisefrist auf 30 Tage. Allerdings müsste sie, da sie nicht vom Gericht ausgesprochen werden kann, nachträglich von der Behörde festgesetzt werden, was dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes völlig widerspricht (vgl. zu alledem: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264/94 -, juris). Von daher kommt ein Durchentscheiden des Verwaltungsgerichts bei einer Asylverpflichtungsklage nur in Betracht, wenn der Kläger mit seinem erstmals in Deutschland gestellten Asylantrag beim Bundesamt in der Sache erfolglos gebliebenen ist (vgl. insoweit auch BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 - 9 C 45/97 juris, rechtskräftiges Urteil der erkennenden Kammer vom .30. Mai 2012 - 5 K 967/11.TR -, ESOVGRP, VG Osnabrück, Urteil vom 23. Januar 2012 – 5 A 212/11 -, juris).

18

Dies hat zur Folge, dass in den Fällen der vorliegenden Art (nur) eine (isolierte) Anfechtungsklage statthaft ist und keine Verpflichtungsklage. Das Bundesamt hat sich in den Fällen des § 27 a AsylVfG lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorrangigen – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylverfahrens der Kläger zuständig ist. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiter zu führen (vgl. auch VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 - RN 5 K 13.30029 -, juris).

19

Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch begründet, denn Deutschland ist aufgrund der Minderjährigkeit des Klägers, von der das Gericht nach Aktenlage überzeugt ist, zumal sich die Beklagte zu ihr in Kenntnis des im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschlusses nicht mehr geäußert hat, für eine Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.

20

Minderjährigen, die in keinem EU-Mitgliedstaat Angehörige haben, kommt aufgrund von Art. 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union besonderer Schutz zu, der es nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 6. Juni 2013 – C-648/11 -, juris) gebietet, sie bei einer Asylantragstellung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union grundsätzlich nicht in einen anderen EU-Mitgliedstaat zu überstellen, weil jedenfalls solange, als – wie vorliegend - ein in einem anderen EU-Staat gestellter Asylantrag noch nicht beschieden wurde, regelmäßig der EU-Staat zuständiger Staat im Sinne des Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 ist, in dem er einen Asylantrag gestellt hat und sich tatsächlich aufhält, ohne dass es auf die vorherige Asylantragstellung in dem anderen EU-Staat ankommt.

21

Von daher kann der Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2013 keinen Bestand haben.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, weil dem – unzulässigen – Verpflichtungsbegehren aufgrund der sich aus der gerichtlichen Aufhebung des angefochtenen Bescheides ergebenden gesetzlichen Rechtsfolge letztlich keine eigenständige Bedeutung zukommt; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

23

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.