Verwaltungsgericht München Beschluss, 24. März 2014 - 11 S 14.30085
Gericht
Tenor
I.
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 23.Januar 2014 mit dem Aktenzeichen M 11 K 14.30084 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom ... Januar 2014 wird angeordnet.
II.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für dieses Antrags- sowie das Klageverfahren mit dem Aktenzeichen M 11 K 14.30084 gewährt und Frau Rechtsanwältin ... beigeordnet.
Gründe
I.
Mit seiner am 23. Januar 2014 erhobenen Klage M 11 K 14.30084 sowie dem zugleich geltend gemachten Eilrechtsschutzantrag wendet sich der Antragsteller gegen eine Überstellung nach Italien im Rahmen des Dublin II-Systems.
Nach seinen Angaben im Verwaltungsverfahren ist der Antragsteller über Äthiopien, den Sudan und Libyen aus Somalia geflohen. Von Libyen sei er mit einem Schiff nach L. gelangt. Nach einer Woche sei er von dort nach Sizilien und über C. weiter nach M. gereist. Von dort sei er mit dem Bus nach ... gefahren. Er ist am 17. Oktober 2013 bei der Einreise von Österreich nach Deutschland am Grenzübergang ... aufgegriffen worden. Er stellte beim Bundesamt ... (im Folgenden Bundesamt) unstrittig (vgl. den streitgegenständlichen Bescheid sowie auch Bl. 27 der Behördenakten) einen Asylantrag, wobei aus den vorgelegten Akten nicht hervorgeht, unter welchem Datum genau der Antrag gestellt wurde. Im Bescheid vom ... Januar 2014 (Bl. 99 der Behördenakten) ist das Datum, an dem der Asylantrag gestellt wurde, nicht dargestellt („und stellte am Asylantrag“). Nach dem Verwaltungsvorgang ist vom 18.10.2013 auszugehen (vgl. Bl. 8 ff. der Behördenakten; auf Bl. 35 der Behördenakten ist ohne nachvollziehbaren Grund der 23.10.2013 genannt). Aufgrund eines EuroODAC-Treffers der Kategorie 1 (Antrags-/Aufgriffsort: Agrigent, Antrags-/Aufgriffsdatum: 23.9.2013 sowie Datum Fingerabdrucknahme ebenfalls 23.9.2013) ersuchte das Bundesamt unter dem 23. Oktober 2013 die zuständige italienische Behörde um Aufnahme des Antragstellers. Mit Schreiben vom 5. November 2013 erklärte Italien unter Bezugnahme auf die Dublin II-Verordnung die Bereitschaft zur Rückübernahme des Antragstellers. Im Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin findet sich ein Bescheid vom ... November 2013, in dem festgestellt wird, dass der Asylantrag des Antragstellers unzulässig ist. Dieser Bescheid wurde offensichtlich nicht zugestellt. Ein weiterer Bescheid vom ... November 2013 erging sodann ohne Tenor, wurde dieses Mal jedoch zugestellt. Aus den Gründen dieses Bescheides ergibt sich, dass auch mit diesem Bescheid der Asylantrag als unzulässig behandelt wird. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte am 25. November 2013 Klage und Eilantrag (Az.: M 11 K 13.31231 sowie M 11 S 13.31232). Mit weiterem (= dem hier streitgegenständlichen) Bescheid vom ... Januar 2014 wurde zunächst der Bescheid vom ... November 2013 aufgehoben (Nr. 1) und sodann festgestellt, dass der Asylantrag (des Antragstellers in Deutschland) unzulässig ist (Nr. 2) und schließlich die Abschiebung des Antragstellers nach Italien angeordnet (Nr. 3).
Der Antragsteller macht im gerichtlichen Verfahren geltend, dass er minderjährig sei. Dem Antragsteller sei es gelungen, durch Kontaktaufnahme in das Heimatland eine Geburtsurkunde übersandt zu bekommen. Diese bescheinige das Geburtsdatum ... Januar 1998 und sei am 22. Januar 2014 der Bevollmächtigten des Antragstellers per Fax übersandt worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte im hiesigen Verfahren sowie auf die Gerichtsakten in den Verfahren M 11 K 14.30084, M 11 K 13.31231 sowie M 11 S 13.31232 und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat Erfolg.
Der auf die ebenfalls am 23. Januar 2014 erhobene Klage bezogene Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist gemäß § 34a Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) statthaft und rechtzeitig angebracht worden.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung; nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylVfG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG Trier, B. v. 18.9.2013 - 5 L 1234/13.TR; VG Göttingen, B. v. 9.12.2013 - 2 B 869/13 - juris, Rn. 16). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Der Antrag ist begründet, denn nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage sind die Erfolgsaussichten der Klage mindestens als offen zu bewerten. Bei der demzufolge anzustellenden Abwägung des Interesses des Antragstellers, bis zur Entscheidung über seine Klage nicht zwangsweise nach Italien rücküberstellt zu werden, mit dem öffentlichen Interesse an einer möglichst umgehenden Rückführung des Antragstellers geht ersteres vor.
Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Im vorliegenden Fall ist jedoch offen, ob die Antragsgegnerin und nicht Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
Anzuwenden ist insoweit die Dublin II-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 343/2003), da sowohl der Antrag als auch das Übernahmeersuchen an Italien vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind (vgl. Art. 49 Abs. 2 Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 26.6.2013 - sog. Dublin III-Verordnung).
1. Der Antragsteller hat in Italien einen Asylantrag gestellt. Der diesbezügliche Einwand auf Antragstellerseite vermag hieran nichts zu ändern. Soweit vorgetragen wird, der Antragsteller habe in Italien keinen wirksamen Asylantrag gestellt, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Der aufgrund der dem Antragsteller in Italien abgenommenen Fingerabdrücke im EuroODAC-System gefundene Treffer lautet: „...“. Hieraus folgt, dass der Antragsteller in Italien (Buchstabe „IT“) einen Asylantrag (Nr. „1“) gestellt haben muss, denn gemäß Art. 2 Abs. 3 Satz 4 der Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 2725/2000, ABl L 316 vom 15.12.2000 werden Daten von Asylbewerbern mit „1“ gekennzeichnet. Soweit vorgetragen wird, der Antragsteller habe in Italien keinen wirksamen Asylantrag gestellt, da dem Antragsteller kein Vormund bestellt worden sei, überzeugt das nicht. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass es sich bei der EuroODAC-Datei um eine öffentliche Datei handelt. Werden in einer solchen Datenbank entsprechende Daten gespeichert, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diese Daten zutreffend sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn durch einen entsprechenden substantiierten Vortrag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Eintragung begründet werden bzw. wenn konkret schon entsprechende Berichtigungsanträge gestellt worden sind (Art. 15 der EuroODAC-Verordnung). Ob ein Vormund bestellt worden ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, denn daraus könnte allenfalls ein Verfahrensfehler folgen, jedoch ist das nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Stellung eines Asylantrags. Soweit von Antragstellerseite unter Verweis auf entsprechende Gerichtsentscheidungen (VG Stuttgart, B. v. 2.7.2012, Nr. A 7 K 1877/12 sowie VG Meinigen, B. v. 20.3.2013, 5 E 20050/13) vorgebracht wird, ein ordnungsgemäßes Asylverfahren werde von der Republik Italien nicht durchgeführt, ist das grundsätzlich nicht relevant. Die Durchführung eines Asylverfahrens in Italien und die Einhaltung der insoweit durch europäisches Recht vorliegenden Mindeststandards sind allein Sache der Republik Italien. Soweit geltend gemacht wird, dass Asylbewerber dann nicht an einen nach der Dublin II-Verordnung an sich zuständigen Mitgliedstaat überstellt werden dürfen, wenn dort systematische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber herrschen, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta ausgesetzt zu werden, vermag das Gericht derartige Verhältnisse zum entscheidungserheblichen gegenwärtigen Zeitpunkt für Italien beim vorliegenden Sach- und Streitstand nicht zu erkennen (vgl. dazu näher VG München, B. v. 22.2.2012 - M 4 E 12.30104; VG Ansbach, B. v. 18.9.2013 - AN 2 K 13.30675 m. w. N.).
2. Allerdings ist derzeit offen, ob Deutschland aufgrund einer Minderjährigkeit des Antragstellers, die nach Aktenlage nicht hinreichend sicher ausgeschlossen ist, für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständig ist (Art. 6 Abs. 2 Dublin II-Verordnung).
Minderjährigen, die in keinem EU-Mitgliedstaat Angehörige haben, kommt aufgrund von Art. 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union besonderer Schutz zu, der es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 6.6.2013 C-648/11) gebietet, sie bei einer Asylantragstellung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union grundsätzlich nicht in einen EU-Mitgliedstaat zu überstellen, weil jedenfalls solange als - wie vorliegend - ein in einem anderen EU-Staat gestellter Asylantrag noch nicht beschieden wurde, regelmäßig der EU-Staat zuständiger Staat im Sinne des Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 ist, in dem er einen Asylantrag gestellt hat und sich tatsächlich aufhält, ohne dass es auf die vorherige Asylantragstellung in dem anderen EU-Staat ankommt.
Ob der Antragsteller minderjährig ist oder nicht, ist offen und lässt sich aufgrund der Aktenlage nicht beantworten. Art. 2 lit. h Teilsatz 1 Dublin II-Verordnung sieht vor, dass als unbegleitete Minderjährige unverheiratete Personen unter 18 Jahren zu verstehen sind, die ohne Begleitung eines für sie nach dem Gesetz oder dem Gewohnheitsrecht verantwortlichen Erwachsenen in einen Mitgliedstaat einreisen, solange sie sich nicht tatsächlich in der Obhut eines solchen Erwachsenen befinden. Zwar gilt wie allgemein im Hinblick auf die für einen Beteiligten günstigen Voraussetzungen, dass es Sache des Antragstellers ist, seine guten Gründe für eine Zufluchtnahme bei zumutbarer Anstrengung selbstständig und selbstverständlich wahrheitsgemäß vorzubringen sowie glaubhaft zu machen und soweit als möglich zu beweisen. Diese Rechtspflicht trifft grundsätzlich einen unbegleiteten Minderjährigen genauso wie einen Erwachsenen, wobei insoweit Abstriche gemacht werden dürfen und ggf. müssen, als aus der Natur der Umstände heraus einem Minderjährigen - vergleichbar erkrankten oder behinderten Menschen - einzelne oder bestimmte Angaben und/oder Nachweise nicht abverlangt werden können. Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben kann im vorliegenden Einzelfall nicht mit der hinreichenden Sicherheit angenommen werden, dass der Antragsteller volljährig ist bzw. anders gewendet, dass der Antragsteller kein unbegleiteter Minderjähriger im Sinne der oben genannten Vorschrift ist.
Keine entscheidende Rolle spielt für die Überzeugungsbildung des Gerichts die Vorlage der angeblichen „Geburtsurkunde“. Dieser „Urkunde“ kommt hier keinerlei Beweiswert zu. Erstens sind derlei Urkunden angesichts des völlig desolaten Verwaltungssystems in Somalia keiner Echtheitsüberprüfung zugänglich und haben sich in der Vergangenheit in einer Vielzahl von Fällen vergleichbare „Urkunden“ als falsche, gefälschte oder echte Urkunden mit falschem Inhalt herausgestellt. Zweitens liegt es im vorliegenden Fall nahe, dass die für den Antragsteller lediglich in schlechter Faxqualität vorgelegte Unterlage aus verfahrenstaktischen Gründen eingeführt wird. Denn der Antragsteller hatte auf die diesbezüglichen Fragen bei der Befragung bzw. dem „persönlichen Gespräch“ gegenüber der Bundespolizei am ... Oktober 2013 angegeben, keine Personalpapiere oder anderen Dokumente über seine Person vorlegen zu können. Davon ausgehend bedürfte es eines wenigstens hinreichend substantiierten Vorbringens dazu, unter welchen Umständen genau der Antragsteller wann, von wem und wie die „Geburtsurkunde“ erst jetzt doch habe erlangen können.
Auch von dem auf Seite 19 der Behördenakte enthaltenen Bild des Antragstellers lässt sich selbstverständlich keine belastbare Aussage über sein Alter gewinnen, wenn auch dort der Antragsteller nicht eben eindeutig als minderjährig erscheint.
Wenn es auch somit grundsätzlich Sache des Antragstellers ist, seine Minderjährigkeit darzulegen und nötigenfalls zu belegen, so kann doch nicht ignoriert werden, dass im vorliegenden Fall keine hinreichende Grundlage für die Annahme der Volljährigkeit des Antragstellers gegeben ist, weil sich aus der Aktenlage gar keine belastbare Aussage über das genaue Alter des Antragstellers treffen lässt.
Im gesamten Vorgang, d. h. in der Behördenakte sowie in den Schriftsätzen samt Anlagen der Beteiligten finden sich insgesamt sage und schreibe mindestens sechs verschiedene Geburtsdaten des Antragstellers, davon mindestens fünf, die potenziell zutreffen könnten (das Bundesamt geht ausweislich des streitgegenständlichen Bescheids vom 1.1.1991 aus; auf Blatt 2 wie auf Blatt 19 der Behördenakte findet sich der 25.10.1994; auf Blatt 5 der Behördenakte der 20.1.1991, falls dort der Antragsteller als „Person 5“ („P5“) und nicht als „Person 3“ („P3“) gemeint ist, was beides als möglich erscheint; auf Blatt 33 der Behördenakte der 1.3.1994; auf Blatt 1 der Behördenakte der offensichtlich unzutreffende fehlerhafte 25.1.2013; sowie auf Blatt 8 der Behördenakte möglicherweise - wegen der Schriftqualität schlecht leserlich - der 26.10.1994; nach dem Klagevortrag ist das Geburtsdatum dagegen der 1.1.1998). Es lässt sich auch nicht dahingehend argumentieren, dass mit Ausnahme des mit der Klage geltend gemachten Geburtsdatums alle anderen Daten dazu führen würden, dass der Antragsteller bei Asylantragstellung volljährig gewesen wäre. Denn dieser Umstand kann nicht einfach völlig offen bleiben.
Festzuhalten ist als Zwischenergebnis, dass sich eine Vielzahl widersprechender Geburtsdaten für den Antragsteller aus den Akten ergibt, so dass nicht von einem feststehenden Datum ausgegangen werden kann.
Dazu kommt noch, dass sich kein nachvollziehbarer Grund für die Annahme des 1.1.1991 als Geburtsdatum des Antragstellers seitens der Antragsgegnerin (vgl. den streitgegenständlichen Bescheid) finden lässt. Unklar bleibt, warum unmittelbar nach dem Aufgriff des Antragstellers, zu einem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller in den Behördenakten unter zwei Aliaspersonalien erfasst ist ... alias ... bzw. ... alias ..., vgl. Bl. 2 und Bl. 8 der Behördenakten), noch von zwei verschiedenen Geburtsdaten ausgegangen wird für die jeweiligen Aliaspersonalien, nämlich 25.10.1994 (oder 26.10.1994, auf Bl. 8 der Behördenakten schlecht leserlich) bzw. 1.1.1991 (vgl. Bl. 2 sowie Bl. 8 der Behördenakten), jedoch im weiteren Verlauf ohne Erklärung bzw. erkennbaren Grund für beide (beibehaltenen) Aliaspersonalien plötzlich vom 1.1.1991 ausgegangen wird (vgl. Bl. 20 der Behördenakten und den streitgegenständlichen Bescheid).
Ebenso wenig ist aus den Akten irgendetwas erkennbar dafür, dass die Antragsgegnerin entweder den Antragsteller selbst gefragt hätte, wann er denn nun geboren sei noch ist wenigstens eine bewusste Übernahme eines in Italien festgestellten Geburtsdatums erkennbar. Letzteres wäre im Übrigen wohl am ehesten (oder zumindest genau so gut wie der 1.1.1991) der 1.3.1994 gewesen (vgl. Bl. 33 der Behördenakten), da Italien selbst offensichtlich von diesem Datum ausgeht.
Schließlich hätte die Antragsgegnerin aufgrund der aufgezeigten Konfusion über das richtige Geburtsdatum des Antragstellers zwingenden Anlass gehabt, im Verwaltungsverfahren hierzu nähere Aufklärung herbeizuführen. Hierzu ist jedoch nichts erfolgt. Zumindest müsste feststehen, ob sich der Antragsteller jemals selbst mit einem Geburtsdatum, das - seine Richtigkeit unterstellt -, seine Volljährigkeit begründet, eingelassen hat, um wenigstens einen belastbaren Anhaltspunkt zu haben, dass irgendein Geburtsdatum seitens der beteiligten Behörden bewusst aufgrund bestimmter Umstände angenommen wurde. Das ist aber nicht der Fall. Wie soeben schon dargelegt, wurde nicht einmal der Antragsteller selbst in Deutschland nach seinem Geburtsdatum gefragt geschweige denn wurden weitere Maßnahmen getroffen. Dies obwohl der Antragsgegnerin spätestens mit dem Schreiben der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 25. November 2013 (vgl. Bl. 68 der Behördenakten) zur Kenntnis gebracht wurde, dass das von der Antragsgegnerin angenommene Geburtsdatum bestritten wird („Geburtsdatum ungesichert“), wobei der Antragsgegnerin auch schon vorher hätte auffallen müssen, dass die aufgezeigten Diskrepanzen bestehen.
Da somit jede Grundlage fehlt, von welchem Geburtsdatum nun für den Antragsteller auszugehen ist, fehlt ebenso jegliche Grundlage für die Annahme, dass der Antragsteller mit der notwendigen Sicherheit volljährig sein soll.
Nicht entscheidend, jedoch indiziell verwertbar ist schließlich der Umstand, auf den auch die Bevollmächtigte des Antragstellers hinweist, dass dem Antragsteller laut Niederschrift über das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 18. Oktober 2013 Fragen vorgelegt wurden, die sich ausdrücklich an unbegleitete Minderjährige richten (vgl. Bl. 12 f der Behördenakten).
Nach alledem fehlt es an einer hinreichenden Tatsachengrundlage, um von einer Volljährigkeit des Antragstellers auszugehen. Denn aufgrund der dargelegten widersprüchlichen Angaben von einem halben Dutzend verschiedener Geburtsdaten lässt sich nicht sagen, von welchem Geburtsdatum nun zutreffend ausgegangen werden soll. Dann aber ist es sowohl möglich, dass der Antragsteller volljährig ist oder eben auch nicht. Es steht schlicht nichts fest. In diesem Fall wiederum fällt die Abwägung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes in Richtung auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage aus. Es ist Sache der Antragsgegnerin, ggf. durch weitere Maßnahmen eine nähere Aufklärung zu erzielen. Ob dies dann entweder durch einen wiederum neuen Bescheid auf der Grundlage der §§ 27a sowie 34a AsylVfG oder ggf. über einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO geltend gemacht oder gar nicht weiter verfolgt wird, ist ebenfalls Sache der Antragsgegnerin. Welches Alter das Gericht zugrunde legt (etwa im Zweifelsfall die Minderjährigkeit, in diese Richtung bspw. VG Leipzig, B. v. 7.2.1995 - A 6 K 30912/94), kann für den Eilrechtsschutzantrag offen bleiben.
Da die Minderjährigkeit des Antragstellers demzufolge im gegenwärtigen Zeitpunkt gerade nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann, ist nach der eingangs zitieren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes derzeit davon auszugehen, dass eine Zuständigkeit Deutschlands für das Asylverfahren besteht.
Nach alledem war dem Antrag stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylVfG.
Aus den oben genannten Gründen war dem gestellten Prozesskostenhilfeantrag nebst Beiordnung der Bevollmächtigten des Antragstellers stattzugeben. Der Antragsteller ist bedürftig, Antrag sowie auch Klage haben hinreichende Erfolgsaussichten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.