Verwaltungsgericht München Beschluss, 25. Apr. 2016 - M 9 S 16.50084

bei uns veröffentlicht am25.04.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Staatsangehöriger Malis und reiste nach seinen Angaben am 6. Juli 2015 ohne Papiere in das Bundesgebiet ein und stellte am 18. September 2015 einen Asylantrag. Am 16. November 2015 wurde aufgrund eines EURODAC-Treffers ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-VO an Ungarn gerichtet. Die ungarischen Behörden haben nicht geantwortet.

Mit Bescheid vom … Februar 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Ziffern 1. und 2.). Das gesetzliche Verbot des § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 3.). Der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylG unzulässig, da Ungarn gemäß Art. 18 Abs. 1 b) Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Gründe für ein Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO seien nicht ersichtlich. Der Antragsteller habe am Verfahren nicht mitgewirkt, so dass nach Aktenlage entschieden wurde.

Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat am 8. Februar 2016 Klage erhoben (M 9 K 16.50083) und gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,

Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.

Die neue Adresse des Antragstellers sei durch das zuständige Landratsamt der Antragsgegnerin mitgeteilt worden. Ein persönliches Gespräch sei durchzuführen, da den Antragsteller kein Verschulden daran träfe, dass er die Ladung zur Zweitbefragung nicht erhalten habe. Der Antragsteller sei über Serbien und Ungarn eingereist. Deshalb lägen systemische Mängel vor, da die ungarischen Aufnahmebedingungen den Mindestanforderungen zur Gewährung einer Unterkunft, Versorgung und Verpflegung nicht genügten und da das ungarische Asylsystem wegen Rückführungen nach Serbien, das seit dem 1. August 2015 ein sicherer Drittstaat sei, das Refoulement-Verbot verletze.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) hat den Asylantrag zu Recht als unzulässig abgelehnt, dass nach Art. 22 Abs. 7, Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO die Zuständigkeit Ungarns für die Durchführung des Asylverfahrens vorliegt.

Die Voraussetzungen für ein ausnahmsweise vorliegendes Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO liegen nicht vor. Danach kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatangehörigen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den Kriterien der Dublin-III-VO nicht für die Prüfung zuständig ist. Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO bestimmt, dass jeder Antrag auf internationalen Schutz eines Drittstaatsangehörige im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III, Art. 7 ff., als zuständiger Staat bestimmt wird. Dies ist nach Art. 13 Dublin-III-VO derjenige Mitgliedstaat, in den der Betreffende erstmals eingereist ist.

Als Ausnahme von diesem Grundsatz regelt Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO, das im Falle systemischer Schwachstellen in einem Mitgliedstaat für den Fall, dass keine anderen zuständigen Staaten gefunden werden können, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat wird. An das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls sind strenge Anforderungen zu stellen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherheit von Drittstaaten ist von der Annahme auszugehen, dass alle am europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte, die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention beachten und jeder Mitgliedstaat sich versichert, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er einer Verfolgung ausgesetzt ist. Dazu gehört auch, dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (EuGH U.v. 21.12.2011 - C - 411/10; BVerfG U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93; VG München B.v. 11.2.2016 - M 25 S. 15.51007; VG Ansbach B.v. 10.12.2015 - AN 3 S. 15.50559; VG Greifswald B.v. 14.3.2016 - 4 B 649/16 AsHGW). Dieser Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten einander diesbezüglich vertrauen dürfen, wird bestätigt durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, wonach der zurückschiebende Mitgliedstaat die nationalen Regelungen und die Praxis der Zurück- oder Ausweisung in sichere Drittstaaten nicht prüfen muss (EuGH U.v. 17.3.2016 - C-695/15 - PPU).

Von diesem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens kann unter den Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO in Ausnahmefällen abgewichen werden, wenn im Mitgliedstaat eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta (Art. 4 EU-GRCh) oder Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (Art. 3 EMRK) besteht, die speziell und im Einzelfall den jeweiligen Rechtsschutzsuchenden in seiner konkreten Lage betrifft. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn der gesamte staatliche, insbesondere der Verwaltungsapparat nach seinen realen Möglichkeiten unfähig ist, Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK zu beachten, da dann strukturelle Mängel im Gesamtsystem des nationalen Asylverfahrens vorliegen. Diese im jeweiligen Asylsystem festzustellenden Mängel müssen so gravierend sein, dass sie nicht lediglich singulär, zufällig oder als Ausnahme geschehen, sondern aufgrund der Systematik in einer Vielzahl von Fällen zur Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Ursache dafür können einerseits Fehler bereits im System sein, andererseits aber auch die Praxis eines theoretisch nicht zu beanstandenden Asylsystems (BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35.14). Keine systemischen Mängel sind Aufnahmebedingungen, die den Verhältnissen des Mitgliedstaates entsprechen, da ein Schutzsuchender keinen Anspruch darauf hat, besser gestellt und versorgt zu werden als die eigene Bevölkerung. Von systemischen Mängeln kann ausgegangen werden, wenn der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren selber an grundlegenden Mängeln leidet oder dass der Betreffende während der Dauer des Asylverfahrens elementare Grundbedürfnisse des Menschen wie Unterkunft, Nahrung und Hygiene nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (OVG Münster U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A).

Voraussetzung ist immer, dass eine durch Tatsachen bestätigte Gefahr für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Asylbewerbers vorliegt. Bloße nicht nachprüfbare Vermutungen, vereinzelt gebliebene Ausnahmefälle oder generell niedrige Unterbringungsstandards reichen dafür nicht aus. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Maßstab im gerichtlichen Verfahren die Überzeugungsgewissheit, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dass eine beachtliche, d.h. überwiegende Wahrscheinlichkeit systemischer Mängel besteht (BVerwG, B.v. 6.6.2014, 10 B 35/14).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist nach der dem Gericht vorliegenden aktuellen Erkenntnisse zur Situation von Asylbewerbern in Ungarn für die Person des Antragstellers nicht ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren selber oder die Aufnahmebedingungen systemische Mängel aufweisen, die einen Verstoß gegen Art. 4 EU-GRCh, Art. 3 EMRK oder die Genfer Flüchtlingskonvention begründen können.

Als aktuelles Erkenntnismaterial haben die Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten zu Ungarn einen besonderen Stellenwert (EuGH, U.v. 30.5.2013 - C 528/11). Eine Empfehlung des UNHCR, Asylbewerber im Rahmen des Dublin-Verfahrens nicht nach Ungarn zurück zu überstellen, gibt es zum Zeitpunkt der hier maßgeblichen Entscheidung nicht. Die aktuellen Berichte z.B. vom 17. September 2015 (Homepage des UNHCR: „Kursänderung in Europa notwendig“) betrifft die Grenzschließung durch Ungarn und enthält den Appell an die ungarischen Behörden, Schutzsuchenden uneingeschränkten Zugang an der Grenze zu gewähren. Insbesondere wendet sich der UNHCR in diesem Bericht ausdrücklich gegen das Argument, dass Asylsuchende nicht nach Ungarn einreisen dürften, weil es möglich sei, sie nach Serbien zurück zu bringen; Bedenken des UNHCR diesbezüglich bestünden nur wegen des noch im Aufbau begriffenen Asylsystems in Serbien, das nicht in der Lage sei, mit den Flüchtlingsstrom im Herbst 2015 umzugehen. Auch die Länderseite Ungarn des UNHCR (Stand März 2016) enthält keine Hinweise darauf, dass eine Aufnahme von Asylbewerbern in Ungarn wegen systemischer Mängel nicht in Betracht komme. Der letzte offizielle Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn stammt vom April 2012 und ist überholt. Unter Randnummer 89 wird ausgeführt, dass bereits damals Flüchtlingen tagtäglich Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz entgegen gebracht wird; aufgezählt werden einige Fälle, die keine Systematik erkennen lassen. Eine Empfehlung des UNHCR zur Beachtung der Aufnahme und Verfahrensregelungen der Dublin-Verordnungen in nationales Recht gibt es anders als für andere Mitgliedstaaten nicht. Aus dem ebenfalls durch Änderungen der Sach- und Rechtslage überholten Bericht des UNHCR vom 24. November 2014 an das VG Düsseldorf ergibt sich vielmehr, dass der UNHCR im Grunde die Veränderungen des ungarischen Asylsystems ab dem Jahr 2014 begrüßt, wonach u.a. Dublin-Rückkehrer unterstützt werden; eine Übertragung auf die Verhältnisse in der zweiten Hälfte 2015 und die derzeit vorliegende Situation ist allerdings nicht möglich.

Das Gericht folgt nicht den Berichten von Menschenrechtsorganisationen über die Zustände in der zweiten Jahreshälfte 2015, insbesondere August und September. Die Situation von Flüchtlingen war zu diesem Zeitpunkt nicht nur in Ungarn allein aufgrund der Menge untragbar. Soweit das Hungarian-Helsinki-Commitee schlagwortartig über den Zustand und das Verfahren im August 2015 berichtet (Immigration and Asylum in Hungary Facts and Figurs August 2015) betraf das die damalige Situation. Auch der Bericht des European Council of Refugees and Exils (ECRE) vom Januar 2016 wertet die Fälle aus dem Jahr 2015 aus (Fußnote 1). Auch der Bericht ECRE und AIDA „crossing boundaries“ gibt den Informationsstand vom 1. Oktober 2015 wieder. Die Berichte von amnesty international vom Juli 2015 „Europeans Borderland - Violance against refugees and immigrants in Mazedonia, Serbia and Hungary“ und vom 8. Oktober 2015 „Ungarn verletzt Menschenrechte von Flüchtlingen” betreffen das Jahr 2015 und die Lage der Flüchtlinge entlang der Balkan-Route, vor allem die Abschottungspolitik der ungarischen Regierung und das Asylverfahren als Schnellverfahren.

Aktuelle Erkenntnisse, aus denen sich belegbar ergibt, dass die Zustände bei der Unterbringung von Flüchtlingen unzumutbar sind, gibt es keine. Eine Überfüllung der vorhandenen Unterkünfte wird nirgendwo berichtet. Dies ist schlüssig und nachvollziehbar, da zum einen die im Sommer und Herbst 2015 in Ungarn lebenden oder durchreisenden Flüchtlinge mittlerweile das Land Richtung Österreich und Deutschland verlassen haben und da die Grenzen Ungarns geschlossen sind. Menschenunwürdige Unterbringungs- und Versorgungsverhältnisse in den ungarischen Aufnahmeeinrichtungen werden deshalb aus nachvollziehbaren Gründen aktuell nicht vorgetragen.

Der Umstand, dass in Ungarn seit dem 1. August 2015 ein geändertes Asylverfahrensgesetz in Kraft getreten ist, das die Rechte von Asylsuchenden erneut einschränkt, ist nicht dazu geeignet, einen systemischen Mangel zu begründen. Die materielle-rechtliche Verschärfung des Asylrechts, wonach Asylanträge abgelehnt werden dürfen, wenn Asylsuchende über sichere Transitstaaten eingereist sind, ist eine einschränkende Bestimmung, die ebenso wenig wie die entsprechende Bestimmung des § 26a AsylG einen systemischen Mangel darstellt. Auch die Regelung, wonach die Asylverfahren verkürzt werden und Asylanträge dann abgelehnt werden, wenn sich ein Asylbewerber unentschuldigt länger als 48 Stunden aus der ihm zugewiesenen Unterkunft entfernt, kann nicht als systemischer Mangel betrachtet werden. Die Verkürzung der Asylverfahren durch Einführung eines Schnellverfahrens und die rasche Abschiebung ist der Versuch erkennbar, Einreise, Registrierung, Aufenthalt und Anerkennung von Flüchtlingen zu regulieren, um einem ungehinderten Zustrom auch von Flüchtlingen, die nicht in Ungarn Asyl beantragen, sondern weiterreisen wollen, Herr zu werden. Es ist kein systemischer Mangel, wenn nur Asylanträge bearbeitet werden, wenn der Betreffende sich noch an dem ihm zur Verfügung gestellten und zugewiesenen Aufenthaltsort aufhält. Aus dem Rechtsgutachten über das ungarische Asylrecht des Instituts für Ostrecht in München für das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 2. Oktober 2015, in dem das ungarische Asylrecht übersetzt und erläutert wird, folgt, ebenso wie aus der Stellungnahme des Auswärtigen Amts vom 27. Januar 2016 an das Verwaltungsgericht Augsburg, dass die ungarische Rechtslage umfangreiche Regelungen über eine Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennung, Rückschickungsverbote und Ausweisungen enthält und gegen die Entscheidung der Flüchtlingsbehörde sowie gegen die Ausweisung Rechtsmittel möglich sind. Danach findet das beschleunigte Verfahren statt, wenn u.a. ein Wiederholungsantrag gestellt wird, ohne dass neue Umstände oder Tatsachen vorliegen (§ 51 Abs. 2 Buchst. d) oder wenn ein sicherer Drittstaat existiert (§ 51 Abs. 2 Buchst. e). Dabei darf die Feststellung der Unzulässigkeit des Antrags wegen eines sicheren Drittstaats nur erfolgen, wenn der Antragsteller in diesem sicheren Drittstaat die Möglichkeit gehabt hätte, Schutz zu beanspruchen oder durch das Gebiet dieses Drittstaats durchgereist ist und dabei die Möglichkeit gehabt hätte, Schutz zu beanspruchen (§ 51 Abs. 4 Buchst. a und b). Eine Beweislastumkehr sieht Abs. 5 bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 4 vor. Sonstige Fälle eines beschleunigten Verfahrens regelt Abs. 7 u.a. für den Fall eines wiederholten Antrags, der nicht unzulässig ist, bei illegaler Einreise oder Aufenthalt ohne das Stellen eines Asylantrags in vernünftiger Frist, und u.a. bei der Weigerung, Fingerabdrücke abzugeben. Nach § 51 Abs. 11 hat der Antragsteller eine Frist von drei Tagen um zu erklären, warum in seinem individuellen Fall das angegebene Land kein sicheres Herkunfts- oder Drittland ist (abgedruckt und übersetzt S. 16 bis 18 des Gutachtens). Der verfahrensrechtliche Ablauf bei Unzulässigkeit oder im Schnellverfahren lässt nach der Rechtslage keinen systemischen Mangel erkennen, insbesondere ist nicht erkennbar, dass diese schnelle Durchführung den Zugang zum Asyl faktisch unmöglich machen könnte oder internationale menschen- und flüchtlingsrechtliche Standards dadurch verletzt werden könnten.

Die seit 1. August 2015 geltende Regelung, dass zu den sicheren Drittstaaten Serbien als EU-Aufnahmekandidat gehört, führt ebenfalls nicht zu einem systemischen Mangel in Ungarn. Entgegen der in der Rechtsprechung weit verbreiteten Annahme lässt das Gutachten des Instituts für Ostrecht vom 2. Oktober 2016, erstellt für das Verwaltungsgericht Düsseldorf im dortigen Verfahren 22 K 3263/15.A diesen Schluss nicht zu, da das Gutachten lediglich die Rechtslage übersetzt, darstellt und erläutert. Eine Aussage über die tatsächliche Anwendung und entsprechende Fälle enthält das Gutachten nicht. Auch Ausführungen zu der tatsächlichen und rechtlichen Situation in Serbien gibt es keine (Seite 7 des Gutachtens). Aus diesem Gutachten ebenso wie aus den übrigen Quellen kann nur die Vermutung bzw. Befürchtung entnommen werden, dass Flüchtlinge nach Serbien als sicheren Drittsaat zurückgeführt werden und in Ungarn kein Asylverfahren durchführen können (UNHCR 8. bis 14. Januar 2016, Europens refugees emergency response update 18; amnesty international a.a.O.; Ungarisches Helsinki Kommitee, a.a.O.). Tatsachen diesbezüglich waren nicht benannt. Nach dem Lagebericht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zum Mitgliedsstaat Ungarn vom 13. Januar 2016 des Mitarbeiters des BAMF beim ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft ist tatsächlich eher die Situation so, dass Serbien momentan die Übernahme von Drittstaatsangehörigen aus Ungarn ablehnt. Anhaltspunkte dafür, dass Serbien seinerseits Drittstaatsangehörige weiter zurückschiebt und so eine Rückschiebungskette bis insbesondere zurück nach Syrien entsteht, sind weder ernsthaft behauptet noch belegt. Auch der EuGH geht in seiner Entscheidung vom 17. März 2016 (C-695/15) davon aus, dass eine Rückführung nach Serbien durch ungarische Behörden unbedenklich möglich ist und offenbar nicht gegen den in Art. 33 Abs. 1 Genfer Flüchtlingskonvention enthaltenen Grundsatz der Nichtzurückweisung (sog. Refoulement-Verbot) verstößt.

Die ungarischen Regelungen über die Asylhaft und die Haftpraxis lassen die Annahme systemischer Mängel ebenfalls nicht zu. Nach dem Lagebericht zum Mitgliedsstaat Ungarn vom 13. Januar 2016 des Mitarbeiters des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge beim ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft werden vor dem Hintergrund vermehrter Staatsangehörigkeitstäuschungen zwar nicht mehr Dublin-Rückkehrer bestimmter Nationalitäten von der Anwendung der Asylhaft ausgenommen. Im Herbst 2015 waren die Haftplätze demnach nicht voll belegt, wobei verlässliche Angaben darüber fehlen. Es ist nach der Stellungnahme des Auswärtigen Amts vom 27. Januar 2016 davon auszugehen ist, dass insbesondere Dublin-Rückkehrer in Asylhaft genommen werden, um ein erneutes Untertauchen zu verhindern. Das führt im vorliegenden Einzelfall nicht zu dem Ergebnis eines systemischen Mangels. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit Urteil vom 3. Juli 2014 zur damaligen Situation festgestellt, dass hinsichtlich der Inhaftierungspraxis in Ungarn keine systemischen Mängel vorliegen und dass auch ein tatsächliches Risiko einer schwerwiegenden Beeinträchtigung im Sinne des § 3 EMRK bei Dublin-Rückkehrern nach Ungarn nicht besteht (EGMR U.v. 3.7.2014 - 71932/12). Da die Inhaftierung zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens notwendig ist und dies als Haftgrund auch europarechtlichen und menschenrechtlichen Standards entspricht, ist darin kein systemischer Mangel zu erkennen. Es entspricht durchaus rechtsstaatlichen Grundsätzen, dass Ausländer ohne Aufenthaltsstatus und Papiere, die sich einem entsprechenden Verfahren bereits einmal entzogen haben, inhaftiert werden. Darin ist keine Menschenrechtsverletzung zu sehen.

Soweit Menschenrechtsorganisationen bei der Behandlung von Flüchtlingen durch Gewalt bei der Abnahme von Fingerabdrücken dokumentiert haben, wird dies auf entsprechende Berichte von Flüchtlingen gestützt und lasse keinen Schluss auf ein systematisches Vorgehen zu. Eine konkrete Gefahr für den Antragsteller, systematisch, unmenschlich und erniedrigend behandelt zu werden, kann daraus nicht geschlossen werden. Zum einen ist der Antragsteller in Ungarn bereits registriert, zum anderen hat er sich dort nur sehr kurz aufgehalten und gegenüber dem Bundesamt nur eine entsprechende pauschale Behauptung der Fremdenfeindlichkeit aufgestellt.

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzulehnen.

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 80 Ausschluss der Beschwerde


Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 26a Sichere Drittstaaten


(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt

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(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2009 über den Seeweg nach Italien ein. Er lebte etwa einen Monat in einer Aufnahmeeinrichtung in Sizilien, wurde dort erkennungsdienstlich behandelt und reiste im Herbst 2009 nach Deutschland weiter, ohne in Italien Asyl beantragt zu haben. Im Oktober 2009 stellte er in Deutschland einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - im Hinblick auf die Zuständigkeit Italiens nach der Dublin-II-Verordnung als unzulässig ablehnte. Der Kläger wurde daraufhin im Dezember 2009 auf dem Luftweg über den Flughafen Rom-Fiumicino nach Italien überstellt. Im Januar 2011 wurde er erneut in Deutschland angetroffen und stellte wieder einen Asylantrag. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 27. April 2011 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.

3

Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"inwieweit bei der Prognoseentscheidung über beachtliche Wahrscheinlichkeit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bei Rückführung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat individuelle Erfahrungen des Betroffenen im dortigen Mitgliedstaat in erheblichem Maße zu berücksichtigen sind."

4

Damit in Zusammenhang stehe die Frage,

"ob es der Feststellung systemischer Mängel bedarf, wenn einem Betroffenen schon einmal oder ggf. auch mehrmals erniedrigende und unmenschliche Behandlung widerfahren ist, insbesondere nach einer schon einmal erfolgten Überstellung."

5

Die aufgeworfenen Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lassen sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Der beschließende Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - BVerwG 10 B 6.14 - (juris Rn. 5 ff.) ausgeführt:

"Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den 'zuständigen Mitgliedstaat' im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ('systemic failure') abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus."

6

Aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass derartige individuelle Erfahrungen vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung des Antragstellers (hier: Italien) vorliegen (UA S. 26). In diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass persönliche Erlebnisse Betroffener, die - wie hier - einige Jahre zurückliegen, durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein können. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 GR-Charta verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (so auch das Berufungsgericht UA S. 26 f.). Weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es zur Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen nicht.

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.