Verwaltungsgericht München Beschluss, 13. Nov. 2014 - M 8 SN 14.3336

bei uns veröffentlicht am13.11.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Wohnungseigentümergemeinschaft auf dem Grundstück ... Eck 1, ..., Fl.Nr. ... der Gemarkung ...

Das sechsgeschossige Gebäude der Antragstellerin grenzt westlich unmittelbar an das Vordergebäude der Beigeladenen auf dem streitgegenständliche Grundstück ... Eck 3 (Fl.Nr. ...). Das Vorhabengebäude der Beigeladenen ragt mit seinem rückwärtigen Seitengebäude in einen schmalen Hinterhof zwischen ...str. 2, 4, Fl.Nrn. ..., ... und dem Grundstück der Beigeladenen, Fl.Nr. ...

Mit Bauantrag vom 8. Oktober 2013 nach Plannr. ... beantragte die Beigeladene die Genehmigung für Umbau, Sanierung und Erweiterung des Vorder- und Rückgebäudes mit Nutzungsänderung in Teilbereichen von Büro zu Wohnen und den Einbau einer Tiefgarage im Kellergeschoß, ... Eck 3, Fl.Nr. ... in ... Nach den eingereichten Plänen ist u. a. vorgesehen, den bisher eingeschossigen südlichen Teil des Seitengebäudes terrassenförmig mit einer Traufhöhe von 12,49 m und 15,84 m bis 18,96 m aufzustocken und unmittelbar zum Grundstück ... Eck 5, Fl.Nr. ... an die dortige Brandwand anzuschließen. Das Vordergebäude soll mit seiner Rückseite um ca. 2 m in den Innenhof vorrücken, so dass es an das Nachbargebäude der Antragstellerin, ... Eck 1, Fl.Nr. ... bündig anschließt.

Zur baulichen Situation auf den Grundstücken sowie zur Umgebungsbebauung siehe folgenden Lageplan 1:1.000. Der Plan ist aufgrund des Einscannens möglicherweise nicht mehr maßstabsgetreu.

Bild

Am ... Mai 2014 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen unter dem Aktenzeichen ... die beantragte Baugenehmigung für das Grundstück ... Eck 3, Fl.Nr... In der Baugenehmigung wurden unter anderem folgende Befreiungen und Abweichungen erteilt: Unter Nr. 1: Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen Überschreitung der rückwärtigen Baugrenze durch Anbau am Vordergebäude sowie im Dachgeschoss. Unter Nr. 5: Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken Fl.-Nr. ..., ... und ... durch den nördlichen Teil des Seitengebäudes um insgesamt ca. 232 m2. Unter Nr. 7: Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken Fl.-Nr. ... und ... durch den südlichen Teil des Seitengebäudes um insgesamt ca. 91 m2. Zu den Nrn. 5 und 7 wurde ausgeführt, dass der Schutzzweck der Abstandsflächenvorschriften, Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung sowohl der neu beantragten wie der bestehenden Wohnnutzungen sowohl auf dem Baugrundstück wie auf den betroffenen Nachbargrundstücken erreicht sei. Da die bestehenden Nachbargebäude ihrerseits das Baugrundstück mit Abstandsflächen belasteten, sei auch dem Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme ausreichend Rechnung getragen.

Eine Nachbarausfertigung der Baugenehmigung wurde der Hausverwaltung der Antragstellerin, WEG ... Eck 1, am 17. Mai 2014 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2014, am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, erhoben die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin Klage gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom ... Mai 2014. Mit Schriftsatz vom 1. August 2014 beantragten sie,

die aufschiebende Wirkung der mit Schriftsatz vom 17.06.2014 erhobenen Anfechtungsklage (Az. M 8 K 14.2601) gegen den Baugenehmigungsbescheid der ... vom ...05.2014 (Az: ...) anzuordnen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, das Bauvorhaben der Beigeladenen verstoße gegen die nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts. Der streitgegenständliche Baugenehmigungsbescheid vom ... Mai 2014 berücksichtige in den Nrn. 5 und 7 lediglich die durch den südlichen und den nördlichen Teil des Rückgebäudes verursachten Abstandsflächen. Nicht berücksichtigt seien die in Richtung Süden/Südosten aufgrund der rückseitigen Erweiterungen des straßenseitigen Bestandsgebäudes sowie aufgrund der Erhöhung der südlichen Außenwand des straßenseitigen Vordergebäudes auf 21,51 m anfallenden Abstandsflächen. Hierfür seien keine Abweichungen erteilt worden. Das führe bereits zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung. Weiter seien die in Ziffern 5 und 7 in Ansehung des nördlichen und des südlichen Teils des Seitengebäudes erteilten Abweichungen ermessensfehlerhaft. Es fehle an der detaillierten Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der geplanten Bebauung. Auch eine Darlegung, inwieweit seitens des klägerseitigen Grundstücks ein vergleichbarer Abstandsflächenverstoß gegenüber dem Baugrundstück vorliege, sei nicht erfolgt. Daher sei sogar von einem Abwägungsausfall auszugehen. Das genehmigte Bauvorhaben überdecke mit seinen Abstandsflächen gut das gesamte klägerische Grundstück, während für das antragstellerseitige Grundstück Abstandsflächen nur geringfügig auf dem Baugrundstück der Beigeladenen anfielen. Durch die genehmigte Bebauung würden die Belichtung, Belüftung und Besonnung in erheblichem und unzumutbarem Umfang verschlechtert. Das antragstellerseitige Grundstück sei durch die vorhandene Situation bereits stark vorbelastet, die einzige Richtung für Belichtung und Belüftung sei Süd bzw. Südwest, genau hier solle nun die vier- bis sechsgeschossige Erweiterung des Seitengebäudes erfolgen. Durch diese Baumaßnahmen werde das Grundstück beinahe von jeglicher Belichtung und Belüftung abgeschottet. Dies sei weder in der Baugenehmigung noch bei der Ermessensausübung berücksichtigt worden. Selbst bei offenen Erfolgsaussichten überwiege das Interesse der Antragstellerin, da sonst Tatsachen geschaffen würden, die kaum mehr rückgängig gemacht werden könnten.

Mit Schreiben vom 14. August 2014 beantragte die Antragsgegnerin,

den Antrag abzulehnen.

Die Baugenehmigung verletze keine Nachbarrechte. Zur Begründung werde auf die Ausführungen im Baugenehmigungsbescheid und den Akteninhalt verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 12. August 2014 beantragten die Bevollmächtigten der Beigeladenen,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das bestehende fünfgeschossige Seitengebäude der Beigeladenen bereits jetzt den nördlichen Teil der Freifläche des Grundstücks der Antragstellerin vollständig überdecke und sich damit aus dem Bauvorhaben keine Verschlechterung ergäbe. Allein im südlichen Teil dieser Freifläche, der nur als Müllabstellplatz bzw. als Fahrradabstellfläche genutzt werde, ergäbe sich in geringem Umfang eine zusätzliche Verschattung. Die der Beigeladenen erteilten Abweichungen von den Abstandsflächen seien rechtmäßig. Es läge eine atypische Situation wegen der sehr dicht gedrängten innerstädtischen Bebauung vor. In der gesamten Umgebung seien gegenseitigen Abstandsflächenüberlagerungen vorzufinden, nirgendwo seien die erforderlichen Abstandsflächen eingehalten. Diese Atypik werde durch den Grundstückszuschnitt verstärkt. Es werde nur das Bestandsgebäude saniert und in gegenüber der Antragstellerin nicht abstandsrelevanter Weise erweitert. Soweit es durch das hinzukommende südliche Seitengebäude zu einer zusätzlichen Verschattung der Freifläche komme, so werde diese Fläche nur als Abstellplatz genutzt, eine Bebauung scheide aus. Auch nach Errichtung des neuen südlichen Teils des Seitengebäudes werde die Süd-West-Fassade der Antragstellerin nicht unzumutbar verschattet, denn der neue Gebäudeteil liege seitlich und sei deutlich abgesetzt. Durch die Terrassierung sei weiterhin ein Lichteinfall von 45 Grad möglich. Mögliche abstandsrechtliche Mängel des Ausgangsbescheids könnten durch einen Nachgangsbescheid jederzeit behoben werden.

Mit Schriftsatz vom 15. September 2014 erwiderten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, der von der Beigeladenen vorgelegte Abstandsflächenplan (Anlage BE 4) zeige deutlich, dass bereits die im Bereich des Vordergebäudes geplanten Maßnahmen zu einer maßgeblichen Erhöhung der von dort anfallenden Abstandsflächentiefe führen würden. Im Dachgeschoss würde nunmehr eine Wohnnutzung mit Dachterrasse realisiert. Hierbei handele es sich um eine abstandsflächenrechtlich relevante Nutzungsänderung, die eine abstandsflächenrelevante Neubetrachtung erforderlich mache (vgl. BayVGH, B. v. 19.02.2004 - 26 ZB 03.1559 - juris). Die erteilten Abweichungen seien lediglich pauschal und gänzlich ohne Einzelfallbetrachtung erfolgt. Die getroffenen Abweichungsentscheidungen gingen davon aus, dass das Gebäude der Antragstellerin das Baugrundstück ebenfalls in etwa gleichwertig mit Abstandsflächen belaste. Dies sei unzutreffend. Nicht alle in abstandflächenrechtlicher Hinsicht erforderlichen Abweichungen seien erteilt worden (Anlage BE 4). Der Fall normwidriger Unterlassung einer notwendigen Abweichung stehe dem Fall einer normwidrig erteilten Abweichung gleich (vgl. VG Würzburg, B. v. 03.09.2012 - W 5 S 12.729 - juris mit Verweis auf Simon/Busse Art. 66 BayBO Rn. 587 m. w. N.). Bereits deshalb sei die erteilte Baugenehmigung rechtswidrig. Es sei zwar richtig, dass das antragstellerseitige Grundstück bereits durch Abstandsflächen in östlicher, nördlicher und westlicher Richtung stark vorbelastet sei. Hieraus könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass eine weitere Verschlechterung der Abstandsflächensituation unproblematisch möglich sei. Ganz im Gegenteil führe die bestehende Vorbelastung zu einer gesteigerten Schutzbedürftigkeit des antragstellerseitigen Grundstücks. Die Überschneidung von bis zu 3 Abstandsflächen aus drei verschiedenen Richtungen zeige die einkesselnde Wirkung des Bauvorhabens. Eine ausreichende Belichtung, Besonnung, Belüftung sowie Sozialfrieden und Sozialabstand könnten daher nicht mehr gewährleistet werden. Nach Realisierung des Bauvorhabens werde das Grundstück der Antragstellerin künftig von beiden Längsseiten von einer Bebauung mit erheblicher Höhenentwicklung ohne Einhaltung der eigentlich erforderlichen Abstandsflächen geradezu eingekesselt. Gerade in den Wintermonaten werde mit einem niedrigen Sonnenstand die Belichtung und Besonnung aus südwestlicher bis südlicher Richtung erheblich beeinträchtigt. Die für die erteilten abstandsflächenrechtlichen Abweichungen erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen würden nicht vorliegen und von einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung könne ebenfalls nicht ausgegangen werden. Es fehle bereits an der erforderlichen atypischen Fallgestaltung. Der streitgegenständliche Bescheid setze sich mit dem Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung nicht im Ansatz auseinander, ferner fehle eine einzelfallbezogene Betrachtung. Zahlreiche Aspekte würden überhaupt nicht in das Ermessen eingestellt, so dass von einem Ermessensausfall auszugehen sei.

Mit Schriftsatz vom 29. September 2014 ergänzten die Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen, dass entgegen den Ausführungen der Antragstellerin das Vordergebäude und der bereits bestehende nördliche Teil des rückwärtigen Seitengebäudes nicht aufgestockt würden. Es werde lediglich die Dachform abgeändert. Die streitgegenständliche Planung stelle eine Verbesserung der bisherigen Nachbarsituation dar. Die „neuen“ Dachterrassen seien deutlich von der Dachkante zurückgesetzt, die künftige Dachwohnung erhalte mit Ausnahme des Dachaustritts (bereits als Dachgaube vorhanden) auch künftig nur Dachflächenfenster. Diese seien ebenfalls deutlich von der Dachkante abgesetzt. Soweit eine Neubetrachtung der Abstandsflächen erforderlich gewesen sei, habe man dies entsprechend berücksichtigt. Die Abstandsflächen seien im genehmigten Abstandsflächenplan dargestellt und die insoweit erforderlichen Abweichungen erteilt. Soweit die Antragstellerin meine, dass die für die östliche Außenwand des rückwärtigen Seitengebäudes anfallenden Abstandsfläche erforderliche Abweichung übersehen worden sei, werde auf den genehmigten Abstandsflächenplan verwiesen. Dort seien die Abstandsflächen insbesondere im Bereich der Dachgeschossänderung sowie der Dachterrasse eingetragen und soweit hierfür erforderlich auch die entsprechenden Abweichungen gegenüber dem Grundstück der Antragstellerin erteilt worden. Dem Verschattungsszenario am 21.12. jeden Jahres für ein zunächst noch umfänglicheres und höher geplantes Neubauvorhaben auf dem streitgegenständlichen Grundstück könne entnommen werden, dass die Belichtungssituation um 9.00 Uhr und um 12.00 Uhr am Gebäude der Antragstellerin ausschließlich durch die Bebauung auf den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... bestimmt werde. Das gesamte rückwärtige Seitengebäude spiele hingegen keine Rolle.

Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2014 ergänzten die Bevollmächtigten der Beigeladenen ihre Ausführungen. Die Beigeladene habe zwischenzeitlich einen Antrag hinsichtlich der vom Vordergebäude nach Süden anfallenden Abstandsflächen gestellt. Diese Abweichungen könnten auch unter Nachbargesichtspunkten erteilt werden. Die wegen des atypischen Grundstücksverlaufs zusätzlich vom streitgegenständlichen Vordergebäude auf die Freifläche fallenden Abstandsflächen überlagerten lediglich die Abstandsflächen des Gebäudes der Antragstellerin. Der Kommunanschluss des Vordergebäudes in gleicher Tiefe an das Gebäude der Antragstellerin sei planungsrechtlich zulässig. Dürfe an der Grundstücksgrenze gebaut werden, ginge das nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO dem landesrechtlichen Abstandsflächenrecht vor.

Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2014 führten die Bevollmächtigten der Antragstellerin aus, im Dachgeschoß des Vordergebäudes sei nunmehr eine Wohnnutzung vorgesehen, wofür die Wandhöhe abstandsflächenrelevant erhöht werde. Gleiches gelte für das Seitengebäude. Auch die südwestliche Außenwand des Vordergebäudes solle abstandsflächenrelevant verschoben werde. Damit belasteten die geplanten Baumaßnahmen die abstandsflächenrechtliche Situation zulasten der Antragstellerin erheblich. Weiter dürfe die abstandsflächenrechtliche Situation nicht isoliert auf die Mehrung der Abstandsfläche vor der südlichen Außenwand des Vordergebäudes beschränkt werden. Vielmehr müsse gerade die Summenwirkung der aus Richtung Nordwesten anfallenden Abstandsflächen durch das bestehende/neue Seitengebäude berücksichtigt werden. Die Errichtung des neuen Seitengebäudes verschärfe die abstandsflächenrechtliche Situation dabei erheblich.

Wegen des Umfanges der geplanten Maßnahmen sei eine vollständige neue Abstandsflächenbetrachtung erforderlich. Dass dies im Rahmen der Baugenehmigung erfolgt sei, sei wegen der lediglich formelhaften Begründung nicht nachvollziehbar. Die wechselseitigen Abstandsflächen stünden gerade im Bereich des neuen Rückgebäudes außerhalb jeden Verhältnisses. Auf das Erfordernis eines quantitativen Vergleiches sei bereits im Schriftsatz vom 15. September 2014 hingewiesen worden. Auch das von der Beigeladenen dazu zitierte Urteil des erkennenden Gerichts vom 7. Oktober 2013 postuliere das Erfordernis eines quantitativ wie qualitativ vergleichbaren wechselseitigen Abstandsflächenverstoßes als Grundlage für eine Abweichungserteilung. Die Erteilung der erforderlichen Abweichungen sei auch nicht nachholbar. Auch in einem dicht bebauten Innenstadtbereich sei bei Erteilung von Abweichungen stets eine einzelfallbezogene Betrachtung vorzunehmen, die hier fehle. Nach den Grundsätzen der Entscheidung des Gerichts vom 27. Februar 2012 führe die Nichtausübung des Ermessens und das Fehlen der erforderlichen Einzelfallbetrachtung zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung. Auch bei einer Höhenreduzierung der Erweiterung des Seitengebäudes sei von der Möglichkeit einer adäquaten Grundstücksausnutzung auszugehen. Das Abstellen auf die Verschattungswirkung greife zu kurz, es käme nicht nur auf die Besonnung, sondern gerade auch auf adäquate Belichtungsverhältnisse an. Im vorliegenden Fall würde das Grundstück der Antragstellerin auf beiden Seiten durch eine erhebliche Bebauung eingeklammert. Gleiches gelte für den ebenfalls abstandsflächenrechtlich geschützten Sozialfrieden, da sich wegen der Dachterrassen erhebliche Einblickmöglichkeiten auf das Grundstück der Antragstellerin ergäben.

Mit Schreiben vom 24.10.2014 teilten die Bevollmächtigten der Beigeladenen mit, dass bis zum Erlass des beantragten Nachgangsbescheids keine Baumaßnahmen ausgeführt würden, durch die die Rechte der Nachbarn beeinträchtigt werden könnten.

Mit Nachgangsbescheid vom ... Oktober 2014 verfügte die Beklagten, dass

1. zwei weitere Abweichungen gem. Art 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 BayBO zugelassen werden:

a) Eine Abweichung wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken Fl.Nr. ... und ... durch die Abstandsflächen der südlichen Außenwand des Vordergebäudes, der südlichen Brüstung der auf diesem befindlichen Dachterrasse und der auf der Südseite des Vordergebäudes befindlichen Dachgaube.

b) Eine Abweichung wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken Fl.Nr. ... und ... durch die Abstandsflächen der östlichen Brüstung der auf dem Vorder-/Seitengebäude befindlichen Dachterrasse.

Als Begründung zu a) und b) wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Abweichungen unter Berücksichtigung der Absichten des Abstandsflächenrechtes - Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung nach Würdigung der Gesamtumstände und der nachbarlichen Belange - mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar seien. Zu a): Die 3 in der Abweichung genannten Bauteile lösten bei isolierter Betrachtung Abstandsflächen aus. Da das Vordergebäude schräg zur Grenze mit dem Grundstück Fl.Nr. ... verlaufe, fielen diese primär auf den Innenhof des Grundstücks ... Eck 1. Aufgrund der Schrägstellung des Vordergebäudes ... Eck 3 bestehe eine atypische Grundstückssituation. Die Antragsgegnerin sei der Auffassung, dass durch diese „Abstandsflächenerstreckung“ geschützte Nachbarrechte nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würden. Die Bauteile lösten in der Realität so gut wie keine zusätzliche Verschattung aus. Zu b): Die östliche Brüstung der Dachterrasse auf dem Vorder-/Seitengebäude löse Abstandsflächen aus, die auf die Grundstücke Fl.Nr. ... und ... fallen würden. Größtenteils lägen sie innerhalb der Abstandsflächen der Südwand des Gebäudes ... Eck 3 und würden deren Ausmaße mit einer geringfügigen Ausnahme in einer Breite von 30 cm nicht überschreiten. Aufgrund der Schrägstellung des Vordergebäudes ... Eck 3 bestehe eine atypische Grundstückssituation. Auch hier würden die geschützten Nachbarrechte nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt. Die Dachterrassenbrüstung löse in der Realität so gut wie keine zusätzliche Verschattung aus, zumal sie im Norden läge und 8,4 bis 9,4 m von der Grundstücksgrenze entfernt sei.

2. Zu den in der Baugenehmigung vom ... Mai 2014 erteilten Abweichungen in Ziffern 5 bis 7 wurde die Begründung im Nachgangsbescheid vom ...10.2014 ergänzt: Zu Ziffer 5: Die für die Abweichung erforderliche atypische Situation ergäbe sich aus der beengten Innenstadtlage und dem Gebäudebestand. Der nördliche Teil des Seitengebäudes bestehe bereits, die Traufkante werde nahezu unverändert übernommen, das anschließende Dach sei wegen seines 45 Grad Winkels abstandsflächenneutral. Eine nennenswerte zusätzliche Verschattung ergäbe sich gegenüber den Nachbargrundstücken Fl. Nrn. ..., ... und ... nicht, zumal das Gebäude im Nordwesten läge, von wo aus kein direkter Lichteinfall erfolge. Die Dachterrassen auf dem nördlichen Seitengebäude seien ausreichend weit von der Dachkante abgesetzt, so dass auch der Sozialabstand nicht unzureichend verkürzt werde. Zu Ziffer 7: Die Atypik betreffe auch den südlichen Teil des Seitengebäudes. Keines der benachbarten Gebäude könne die erforderlichen Abstandsflächen einhalten. Gegenüber den Nachbarn Fl.Nrn. ... und ... würde es nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen kommen, Fl.Nr. ... sei selbst grenzständig bebaut und werfe aufgrund der Höhe massiv Abstandsflächen auf das Baugrundstück, wobei aber aufgrund der Nutzungsanordnung innerhalb der Gebäude keine ungesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse entstünden. Der Nachbar Fl.Nr. ... sei durch die Abweichung nur hinsichtlich des südlichen Teils seiner Freifläche betroffen, die er primär als Müllabstellplatz nutze. Die erteilte Abweichung führe damit auch bei ihm nicht zu unzumutbaren Verhältnissen. Das gelte auch in Zusammenschau mit den weiteren ihm gegenüber bereits erteilten Abweichungen. Gegenüber seinem im rückwärtigen Bereich über die Südfassade belichteten Räumen befände sich eine knapp 30 m tiefe Freifläche, die auch an der Fensterkante des untersten Fensters den Mindestlichteinfallwinkel von 45 Grad deutlich unterschreite. Auch die Belichtungssituation als solche werde nicht in unzumutbarer Weise verschlechtert. Das südliche Seitengebäude sei leicht nach Westen abgesetzt und nach Süden hin abgetreppt, dadurch könne mehr Licht einfallen und es verbliebe ein zusammenhängender ca. 300 m2 großer Innenhof, der die Belichtung ausreichend gewährleiste. Andere Hofbereiche im zentralen Stadtbereich seien bei gleich hoher Bebauung wesentlich kleiner. Die Dachterrassen des südlichen Seitengebäudes seien ebenfalls von der Außenwand abgesetzt, der Abstand insbesondere zum Gebäude Fl.Nr. ... sei sehr groß. Das Gesamtvorhaben füge sich planungsrechtlich in die vorhandene Umgebung ein und trage dazu bei, den öffentlichen Bedarf nach dringend benötigtem Wohnraum zu erfüllen.

Mit Schriftsatz vom 5. November 2014 erklärten die Bevollmächtigten der Beigeladenen, dass der Gebäudebestand nicht aufgestockt und der künftige Wohnraum im Dachgeschoss zurückversetzt innerhalb des Bestandes verwirklicht werde. Die geplante Dachterrasse halte einen deutlichen Sozialabstand zur Richtung der Antragstellerin ein. Hinsichtlich des Seitengebäudes wurden die in Anlage BE 12 dargestellte Dachgestaltung und die dort angegebenen First- und Traufhöhen näher dargestellt. Es sei zutreffend, dass sich auf der rückwärtigen Freifläche der Antragstellerin zahlreiche Abstandsflächen überschnitten. Das sei aber kein unzumutbarer Ausnahmefall, vielmehr würden sich in zentralen Innenstadtlagen in nahezu allen Hofbereichen Abstandsflächen überlagern. Allein das führe nicht zur Unzumutbarkeit für den Eigentümer. Vielmehr komme es nach der Rechtsprechung darauf an, ob sich hinsichtlich der auf dem Grundstück stattfindenden Nutzungen eine unzumutbare Beeinträchtigung ergäbe. Nach den Ausführungen des BayVGH vom 8.12.2011 (15 ZB 11.1882 - juris) komme es für die Rechtmäßigkeit der Abweichung auf die konkrete aktuelle Grundstückssituation zum Zeitpunkt der Erteilung an. Im südlichen Teil der Freifläche der Antragstellerin komme es infolge der geplanten Baumaßnahmen zu weiteren Abstandsflächenüberlagerungen. Dessen gegenwärtige Nutzung sei aber Abstellplatz für Mülltonnen und Fahrräder. Diese bedürfe keiner Belichtung, der Platz sei für einen längeren Aufenthalt nicht vorgesehen. Es wäre daher ermessensfehlerhaft, der Nebennutzung dieser Freifläche gegenüber dem bestehenden Baurecht Vorrang einzuräumen. Soweit die Antragstellerin den unzureichenden Sozialabstand infolge des geplanten Dachterrassenausbaues bemängelt, so würden Gaube und Dachterrasse in Zukunft zurückversetzt und so weit vom Gebäude der Antragstellerin entfernt liegen, dass ein direkter Einblick nicht möglich sei. In zentraler Innenstadtlage könne dabei nicht mehr von einem unzureichenden Sozialabstand gesprochen werden. Dasselbe gelte auch für die im Süden angrenzende Terrasse im Seitengebäude und für die Terrassen im 3. und 4. Obergeschoß. Bei der Einhaltung der östlichen Abstandsflächen des Seitengebäudes ausschließlich auf dem Baugrundstück selbst, wäre nur noch eine eingeschossige Bebauung möglich. Angesichts des aus planungsrechtlichen Gesichtspunkten möglichen Baurechts schlösse dies eine sinnvolle Grundstücksnutzung aus. Im Übrigen seien die fehlenden Abweichungen von der Beklagten inzwischen erteilt und die Abweichungsbegründungen umfänglich ergänzt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (auch im Klageverfahren M 8 K 14.2601) sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Bauvorhaben weder in bauplanungsrechtlicher noch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegen drittschützende Rechte der Antragstellerin verstößt, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 59 Abs. 1 BayBO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen.

Beim Antrag gem. § 80 a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind - die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 80 Rn. 146; Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2013, § 80 Rn. 71). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Schmidt a. a. O., § 80 Rn. 73 f.). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, so wird im Regelfall die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich der angefochtene Bescheid dagegen bei summarischer Prüfung als rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung.

Bei Würdigung der maßgeblichen Umstände ist das Interesse der Beigeladenen am Sofortvollzug der Baugenehmigung hier höher einzuschätzen als das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs dann nicht angeordnet werden muss, wenn eine Baugenehmigung zwar möglicherweise Rechte der Antragstellerin verletzt, dieser Mangel aber behebbar ist oder - wie hier - durch einen Nachgangsbescheid eine Rechtsverletzung jedenfalls für die Zukunft entfallen ist (vgl. BayVGH, B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 21; BayVGH, B. v. 08.08.2001 - 2 ZS 01.1331 - juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 24.10.2000 - 26 ZS 99.3637 - juris Rn. 23; VG München, B. v. 12.07.2010 - M 8 SN 10.2346 - juris Rn. 74). Selbst die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des VG Würzburg vom 3. September 2012 (W 5 S 12.729 - juris Rn. 23) verweist auf die Kommentarliteratur, in der ausgeführt wird, dass die Verwaltungsbehörde die Abweichung nachträglich erteilen kann. Ein Rechtsschutzinteresse des Nachbarn an einer Entscheidung, dass der angefochtene Baugenehmigungsbescheid in seiner ursprünglichen Fassung rechtswidrig war, besteht dann im Allgemeinen nicht mehr (vgl. Simon/Busse Art. 66 BayBO Rn. 587 mit Verweis auf BayVGH, U. v. 1. 6. 1976 - 65 I 75 n.V.).

2. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20).

3. In bauplanungsrechtlicher Hinsicht beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 30 Abs. 3 BauGB nach den Festsetzungen des einfachen übergeleiteten Baulinienplanes, der für das Grundstück eine vordere Baulinie sowie eine hintere und seitliche Baugrenze festsetzt, im Übrigen nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB.

3.1 Es entspricht der ganz herrschenden Meinung, dass die Regelungen über das Maß der baulichen Nutzung, über die Bauweise und die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht nachbarschützend sind (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 6.11.2008 - 14 ZB 08.2327 - juris Rn. 9; B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 3).

3.2 Es liegt auch keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme vor. Insoweit kann dahinstehen, ob sich dieses im vorliegenden Fall aus dem Begriff des „Einfügens“ des § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 BauNVO ableitet, da im Ergebnis dieselbe Prüfung stattzufinden hat (vgl. BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4).

Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, den die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich - umgekehrt - um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG B. v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 - juris Rn. 9 m. w. N.). Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist, an (vgl. BVerwG U. v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - juris Rn. 22; U. v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 - juris Rn. 16; BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4).

Im vorliegenden Fall stellt sich das streitgegenständliche Vorhaben weder im Hinblick auf die gerügte Verschlechterung der Belichtung, Besonnung und Belüftung noch im Hinblick auf die gerügte einmauernde bzw. einkesselnde Wirkung noch hinsichtlich der vorgetragenen Verletzung des Sozialfriedens/Sozialabstands und schließlich auch nicht im Hinblick auf den gerügten Abstandsflächenverstoß als unzumutbar und damit rücksichtslos dar.

3.2.1 Soweit die Antragstellerin rügt, dass durch das streitgegenständliche Bauvorhaben die Belichtungs-, Besonnungs- und Belüftungssituation nachhaltig verschlechtert würde, kommt vorliegend keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots in Betracht.

Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17). Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist aber regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 6).

Im vorliegenden Fall ist bereits fraglich, inwieweit der Umbau des Dachgeschosses im Vordergebäude überhaupt zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Belichtungssituation auf dem antragstellerseitigen Grundstück führt. Die Frage der Beeinträchtigung durch das rückwärtige Seitengebäude ist - wie von der Antragstellerin zutreffend ausgeführt - durch keine Verschattungsstudie zum vorliegenden Bauvorhaben abschließend geklärt. Aus dem vorgelegten Verschattungsszenario zu einem - nach Angaben der Beigeladenen - höher geplanten Bauvorhaben auf dem streitgegenständlichen Grundstück wird jedoch deutlich, dass das östlich vom Vorhabengrundstück gelegene Gebäude der Antragstellerin nicht maßgeblich - allenfalls in den Abendstunden - durch das westlich geplante Bauvorhaben beeinträchtigt wird. Solche geringfügige Beeinträchtigungen durch Schattenwurf sind jedoch hinzunehmen (vgl. BayVGH B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 24). Dazu kommt, dass das nördliche Seitengebäude der Beigeladenen bereits seit langem besteht und von der Antragstellerin bereits seit langem hingenommen werden muss. Das rückwärtige nördliche Seitengebäude und das Vordergebäude sollen bis auf den Umbau im Dachgeschosses - bei gleichbleibender Firsthöhe des Vordergebäudes - und der Errichtung einer Dachterrasse sowie einer Dachgaube weitgehend unverändert bleiben und lediglich saniert bzw. modernisiert werden. Die Aufstockung des bisher eingeschossigen südlichen Seitengebäudes lässt ebenfalls nach den vorgelegten Bildsimulationen keine derart schwerwiegende zusätzliche Beeinträchtigung der Belichtungs-, Besonnungs-, und Belüftungssituation erkennen, die zu schlechthin unzumutbaren und nicht mehr hinnehmbaren Wohnverhältnissen führen würden. Eine solche Beeinträchtigung ist auch von der Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt. Die Sichtachse der Antragstellerin wird durch die im Bestand vorhandene Brandschutzwand des dreigeschossigen Gebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. ..., ... Eck 5 bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt beeinträchtigt, insoweit bewirkt das Vorhaben eine zumutbare Verschlechterung der seit langem bestehenden Situation. Außerdem verbleibt auch nach Realisierung des Bauvorhabens ein Innenhofbereich mit einer Gesamtfläche von insgesamt über 300 m², so dass nach wie vor einen ausreichende Belichtungs-, Belüftungs- und Besonnungssituation gewährleistet ist.

3.2.2 In der Rechtsprechung ist darüber hinaus anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1/78, - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U. v. 23.5.1986 - 4 C 34/85, - juris Rn. 15: Drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; BayVGH, B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 23; B. v. 5.7.2011 - 14 CS 11.814 - juris Rn. 21). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind unter anderem die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (BayVGH, B. v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5; B. v. 5.12.2012 - 2 CS 12.2290 - juris Rn. 9).

Vorliegend fehlt es bereits an einer erheblichen Höhendifferenz zwischen den Vorhabengebäuden und dem Anwesen der Antragstellerin. Durch den Dachgeschossumbau im Vordergebäude bleiben die Traufhöhe von 19,13 m und die Bestands-Firsthöhe von 24,44 m unverändert. Der rückwärtige Seitenbau soll im nördlichen Gebäudeteil eine Traufhöhe von 18,96 m und eine Firsthöhe/Flachdach von 21,81 m zuzüglich der Dachterrassenumwehrung mit 1,10 m, insgesamt demnach 22,91 m erhalten und im südlichen Seitenteil eine Traufhöhe von 12,49 m - 15,48 m. Das Gebäude der Antragstellerin weist eine Traufhöhe von 18,84 m und eine Firsthöhe von 24,21 m auf. Schon insoweit ist die im dicht bebauten innerstädtischen Bereich zur Bejahung einer abriegelnden oder erdrückenden Wirkung erforderliche erhebliche Höhendifferenz nicht gegeben. Dazu kommt, dass das rückwärtige Seitengebäude terrassenförmig abgestuft werden soll und damit ebenfalls Rücksicht auf die nachbarlichen Belange nimmt. Gerade im innerstädtischen Bereich hat ein Grundstückseigentümer kein Recht auf Beibehaltung einer ungehinderten oder bislang nur geringfügig beeinträchtigten Sicht von seinem Wohngebäude aus (vgl. BayVGH B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 23 mit Verweis auf BVerwG vom 28.10.1993 - NVwZ 1994, 686).

Auch die gerügte Summenwirkung der Überschneidung von Abstandsflächen aus drei unterschiedlichen Richtungen auf dem antragstellerseitigen Grundstück führt zu keiner einkesselnden Wirkung. Es ist zwar zutreffend, dass der Innenhof auf dem antragstellerseitigen Grundstück nach Realisierung des südlichen rückwärtigen Seitengebäudes sowohl von Westen, wie auch von Osten und Süden von Gebäuden mit nicht unerheblicher Höhenentwicklung umgeben ist. Hierbei ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin selbst durch ihr eigenes Bestandsgebäude Teil der nördlichen Begrenzung des Innenhofbereichs darstellt. Die Antragstellerin hat ihr vergleichsweise kleines Grundstück mit einem sechsgeschossigen Gebäude massiv bebaut. Die beachtliche Ausübung des eigenen Baurechts ist daher ebenfalls ursächlich für die im Geviert vorliegende intensive innerstädtische Bebauung. Ein Nachbar ist nach Erfüllung der eigenen Bauwünsche nicht berechtigt, in etwa gleichwertige Bauwünsche abzuwehren. Das streitgegenständliche Bauvorhaben ist zwar flächenmäßig größer als das Bestandsgebäude der Antragstellerin. Dies ist jedoch durch den unterschiedlichen Grundstückszuschnitt bedingt. Das Grundstück der Antragstellerin ist im Verhältnis zu seiner geringen Größe bereits ausgeprägt bebaut. Das Grundstück der Beigeladenen ist größer und kann daher auch entsprechend bebaut werden, ohne damit gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu verstoßen. Zwar verändert das genehmigte Vorhaben die bauliche Situation im Hofbereich. Das Ergebnis stellt sich im Vergleich zum Normalfall verdichteter innerstädtischer Bebauung mit geschlossener Bauweise aber als noch hinnehmbar und für einen Durchschnittsbetrachter als nicht erdrückend dar. Nicht schon dann, wenn das angegriffene Vorhaben die Situation für den Nachbarn verändert, kann von einer erdrückenden Situation im Sinne einer Gefängnishofsituation die Rede sein, zumal sich das Anwesen der Antragstellerin jahrzehntelang dem bereits bestehenden Baukörper gegenübersah, der nunmehr im Vordergebäude und nördlichem Seitengebäude lediglich modernisiert und geringfügig verändert wird, ohne zu einer Erhöhung der Bestandsfirst- und Traufhöhe zu führen. Lediglich im südlichen Bereich kommt es durch die terrassenförmige Aufstockung des bisher eingeschossigen südlichen Seitengebäudes zu einer Vertiefung entlang der bestehenden Brandschutzwand des Gebäudes auf dem Grundstück, Fl.Nr. ..., ... Eck 5.

Insgesamt ist vorliegend daher schon aufgrund der geringen Höhendifferenz zwischen dem streitgegenständlichen Gebäudekomplex und dem Gebäude der Antragstellerin eine erdrückende bzw. einkesselnde Wirkung ausgeschlossen.

3.2.3 Soweit die Antragstellerin rügt, dass durch das streitgegenständliche Vorhaben der Sozialfrieden und Sozialabstand beeinträchtigt würden, führt dies ebenfalls zu keiner Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Trifft eine Wohnnutzung auf eine vorhandene Wohnnutzung, dann kommt unter dem Gesichtspunkt der Nutzungsart ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen in Betracht (vgl. BayVGH, B. v. 12.09.2005 - 1 ZB 05.42 BayVBl. 2006, 374 - juris Rn. 19). Das Rücksichtnahmegebot gibt dem Nachbarn insbesondere nicht das Recht, vor jeglicher Beeinträchtigung, speziell vor jeglichen Einblicken verschont zu bleiben (vgl. BayVGH, B. v. 12.9.2005 a. a. O.; Sächs. OVG B. v. 23.2.2010 - 1 B 581/09 - juris Rn. 5). Gegenseitige Einsichtnahmemöglichkeiten sind im dicht bebauten innerstädtischen Bereich unvermeidlich und führen nicht automatisch zu einer Verletzung des Sozialabstands. Außerdem sind die Fenster des rückwärtigen Seitengebäudes nicht unmittelbar in Richtung des antragstellerseitigen Gebäudes ausgerichtet. Auch die Fenster auf der Rückseite des Vordergebäudes und die geplanten Loggien sind nicht unmittelbar auf das antragstellerseitige Gebäude ausgerichtet, sondern ragen vielmehr in den Innenhof und schließen bündig mit der westlichen Gebäudemauer der Antragstellerin ab, so dass dadurch keine Einblickmöglichkeiten geschaffen werden. Die geplanten Dachterrassen sind von der Gebäudekante stark zurückversetzt, so dass keine unzumutbaren Einblicke in die Fenster des antragstellerseitigen Gebäudes ermöglicht werden. Die Betroffenen können sich ferner gegebenenfalls durch das Anbringen von Jalousien, Vorhängen oder verspiegelten Fenstern behelfen. Außerdem sind die Wohnräume im Gebäude der Antragstellerin teilweise dadurch geschützt, dass ihnen ein Balkon vorgelagert ist. Im Übrigen sind die verbleibenden Sozialabstände in der vorgegebenen städtebaulichen Situation hinzunehmen, obschon damit auch Einsichtnahmemöglichkeiten einhergehen können(vgl. BayVGH U. v. 07.10.2010 - 2 B 09.328- juris Rn. 30). Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ist insoweit nicht auszumachen.

3.2.4 Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, das Vorhaben der Beigeladenen verletze die Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO, ist klarzustellen, dass zwar die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften für das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot in tatsächlicher Hinsicht indiziert, dass auch das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot im Regelfall nicht verletzt ist (vgl. BVerwG, B. v. 11.01.1999 - 4 B 128/98 - juris Rn. 4; BayVGH, B. v. 15.3.2011 - 15 CS 11.9 - juris Rn. 32). Daraus lässt sich aber nicht der Umkehrschluss ableiten, dass bei einer Verletzung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften auch eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes zu bejahen oder indiziert wäre (vgl. BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris; B. v. 6.9.2011 - 1 ZB 10.1301 - juris).

Die streitgegenständliche Baugenehmigung verstößt daher gegen keine nachbarschützenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften.

4. Nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften werden durch den streitgegenständlichen Bescheid vom ...05.2014 unter Berücksichtigung des Nachgangsbescheids vom ...10.2014 nach der im einstweiligen Rechtschutz nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ebenfalls nicht verletzt. Die bestehenden Mängel der Baugenehmigung vom ...05.2014 hinsichtlich der Abstandsflächenvorschriften sind nach summarischer Prüfung voraussichtlich in nicht zu beanstandender Art und Weise durch den Erlass des Nachgangsbescheids vom ...10.2014 geheilt worden.

4.1 Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Der Zweck des Abstandsflächenrechts, der vor allem darin besteht, eine ausreichende Belichtung und Lüftung der Gebäude zu gewährleisten und die für Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern, kann regelmäßig nur dann erreicht werden, wenn die Abstandsflächen in dem gesetzlich festgelegten Umfang eingehalten werden. Da somit jede Abweichung von den Anforderungen des Art. 6 BayBO zur Folge hat, dass die Ziele des Abstandsflächenrechts nur unvollkommen verwirklicht werden, setzt die Zulassung einer Abweichung Gründe von ausreichendem Gewicht voraus, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Lüftung (sowie eine Verringerung der freien Flächen des Baugrundstücks) im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen. Es muss sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (BayVGH, B. v. 17.07.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16; B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23; B. v. 05.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3; U. v. 22.12.2011 - 2 B 11.2231 - juris Rn. 16). Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben. In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen. Weitere Voraussetzung ist die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen unter Würdigung nachbarlicher Interessen. Mit der Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen verlangt das Gesetz - wie bei dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme - eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn (BayVGH, B. v. 17.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 17). Ob eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen werden kann, beurteilt sich dabei nicht allein danach, wie stark die Interessen des betroffenen Nachbarn beeinträchtigt werden. Es ist stets auch zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (BayVGH, B. v. 17.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 20). Von Bedeutung ist bei der Beurteilung des Vorliegens der erforderlichen Atypik insbesondere, ob eine sinnvolle Ausnutzung des Baugrundstücks unter Beachtung der Anforderungen des Art. 6 Abs. 5 BayBO unmöglich oder unzumutbar ist (BayVGH, B. v. 30.8.2011 - 15 CS 11.1640 - juris Rn. 16). In dicht bebauten innerstädtischen Bereichen ist eine atypische Situation dann anzunehmen, wenn jedwede bauliche Veränderung der historischen Bausubstanz geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen (vgl. BayVGH, B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23).

4.2 Eine derartige Sondersituation (Atypik) ist im vorliegenden Fall gegeben.

Das Bauplanungsrecht gibt hier eine Bebauung unter Beachtung der vorderen Baulinie und der rückwärtigen Baugrenze vor. Soll auch in diesem Bereich Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen (vgl. BayVGH B. v. 05.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3). Dies gilt auch insbesondere deshalb, weil hier im dicht bebauten Altstadtbereich kaum ein Anwesen die Abstandsflächen wahrt. Entscheidend ist, ob sich ein Vorhaben vom normativen Regelfall unterscheidet (vgl. BayVGH vom 7.10.2010 Az. 2 B 09.328 - juris) und dies ist hier wegen der atypischen Grundstücksituation der Fall. Das streitgegenständliche Grundstück der Beigeladenen erlaubt grundsätzlich eine Bebauung, die sich im Rahmen der festgesetzten vorderen Baulinie und der rückwärtigen Baugrenze hält. Da das streitgegenständliche Grundstück an einer nicht geradlinig verlaufenden Straße situiert ist, verlaufen auch die Grundstückgrenzen schräg. Dadurch wirft das streitgegenständliche Bestandsvordergebäude unweigerlich Abstandsflächen auf das Grundstück der Antragstellerin. Die besondere Hinterhofsituation ist ebenfalls durch die nicht rechteckig verlaufenden Grundstückschnitte bedingt. Nicht nur das streitgegenständliche Grundstück, sondern auch die benachbarten Grundstücke haben einen irregulären Grundstückszuschnitt. Die Grundstücke im vorliegenden Geviert sind fast ausnahmslos massiv bebaut und weisen nur wenig Freifläche im Verhältnis zu ihrer Grundstücksfläche auf. Diese spezifische Lage des streitgegenständlichen Grundstücks im absoluten Stadtinnenzentrum mit zum Teil historischer Bausubstanz in Verbindung mit den besonderen Grundstückszuschnitten im vorliegenden Areal und der Vielzahl von Grundstücken mit vergleichsweise massiver Bebauung begründet eine atypische Situation.

4.3 Die erforderliche Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften ist auch mit den öffentlichen und mit den geschützten nachbarlichen Belangen vereinbar.

Zwar wird durch die Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens zweifellos eine Verschlechterung der abstandsflächenrechtlich geschützten Belange der Antragstellerin - hier Belichtung und Besonnung - bewirkt. Jedoch werden die Schutzziele der Art. 3 und Art. 6 BayBO nicht dergestalt verfehlt, dass eine Abweichung mit den nachbarlichen Belangen unvereinbar wäre. Nach summarischer Prüfung überwiegen die Interessen der Beigeladenen im Rahmen der Abweichungsentscheidung. In die erforderliche Interessenabwägung ist zunächst einzustellen, dass der Um- und Ausbau auch der Schaffung von Wohnraum dient und insoweit im öffentlichen Interesse liegt (vgl. BayVGH B. v. 05.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 5). Die Schaffung von Wohnraum ist zwar nicht geeignet, das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung zu begründen, aber - bei Vorliegen der erforderlichen Atypik - stellt die Wohnraumschaffung einen gewichtigen öffentlichen Belang dar, der im Rahmen der nach Art. 63 Abs. 1 BayBO vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen ist. Außerdem musste die Antragstellerin aufgrund der vorliegenden städtebaulichen Situation damit rechnen, dass früher oder später eine der Umgebung angepasste Baulückenschließung durch die Aufstockung des eingeschossigen Seitengebäudes im rückwärtigen Bereich erfolgen würde. Darüber hinaus berücksichtigt ein Gebäude, das im Hinblick auf das Rücksichtnahmegebot eine terrassenförmige Abstufung wahrt, tendenziell auch die nachbarlichen Belange.

4.4 Die erforderlichen Abweichungen können daher von der Antragsgegnerin nach pflichtgemäßer Ermessensausübung erteilt werden. Sie hat dabei die gesetzlichen Grenzen des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO beachtet. Das durch Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eingeräumte Ermessen ist ein tatbestandlich intendiertes Ermessen, d. h. sind die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Abweichung gegeben, so ist sie zuzulassen, es sei denn besondere Umstände stünden dem entgegen (vgl. BayVGH B. v. 22.07.2003 - 15 ZB 02.1233 - juris Rn. 8; Dhom in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, Stand: Januar 2014, Art. 63 Rn. 39). Denn bereits auf der Tatbestandsseite des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist eine Abwägung vorzunehmen, die jeweils die vorgesehene Abweichung zu den genannten Einzelaspekten in Beziehung setzt und die betroffenen Belange untereinander koordiniert (BayVGH B. v. 22.07.2003 - 15 ZB 02.1223 - juris Rn. 8).

4.5 Die mit Bescheid vom ...05.2014 erteilten Abweichungen für das südliche und nördliche Seitengebäude sind, obschon es bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 63 BayBO auf die im Bescheid angegebenen Ermessenserwägungen nicht im Einzelnen ankommt (BayVGH vom 22.7.2003, a. a. O.), vorliegend dennoch zu knapp und pauschal. Im streitgegenständlichen Bescheid vom ...05.2014 wurde bereits die Atypik nicht ausreichend dargelegt und auch die nachbarlichen und öffentlichen Belange nur formelhaften und pauschal begründet. Die erteilten Abweichungen genügten daher in ihrer Begründung nicht den zu stellenden Anforderungen. Ferner hatte die Beigeladenen nicht alle erforderlichen Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften im Bauantrag vom 08.10.2013 beantragt und die Beklagte nicht alle erforderlichen Abweichungen im Bescheid vom ...05. 2014 erteilt. Diese Mängel sind allerdings voraussichtlich durch den Nachgangsbescheid vom ...10.2014 behoben worden. Auch bei einer im Ergebnis unter Umständen unbedenklichen Abweichungsentscheidung muss sich die Bauaufsichtsbehörde ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen von den Abstandsflächenanforderungen gemacht haben (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Kommentar, Stand: Mai 2014, Art. 63 Rn. 18, 19). Die Antragsgegnerin hat jedenfalls im Nachgangsbescheid vom ...10. 2014 eine Gesamtschau und Gesamtwürdigung der hier im vorliegenden Fall erforderlichen abstandsrechtlichen Abweichungsentscheidungen vorgenommen, da sie nicht lediglich zwei zusätzliche Abweichungen erteilt, sondern ihre bereits erteilten Abweichungen nachträglich ergänzend begründet hat.

5. Die von der Beigeladenen bei der Antragsgegnerin beantragten weiteren Abweichungen gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO wurden mit Nachgangsbescheid vom...10.2014 nach summarischer Prüfung rechtmäßig erteilt. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung von den Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO liegen voraussichtlich vor, da im Rahmen der Ausübung des „Abweichungsermessens“ die vorstehenden Ausführungen (unter 3.) zum Rücksichtnahmegebot gelten (vgl. BayVGH U. v. 07.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 35).

5.1 Die geplante Dachterrasse mit Terrassenumwehrung ist nach summarischer Prüfung abstandsflächenpflichtig.

Nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO, der gem. Art. 6 Abs. 4 Satz 5 BayBO für Dachaufbauten gilt, ist die für die Abstandsflächenberechnung maßgebliche Wandhöhe das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Die vorliegend zu beurteilende Dachterrassenumwehrung ist als Bestandteil der Außenwand im vorgenannten Sinn bzw. ein versetzter Außenwandteil. Oberer Bezugspunkt für die Bestimmung der Wandhöhe ist damit die Oberkante der Terrassenumwehrung.

Das Vorliegen einer Außenwand oder eines Außenwandteiles hängt grundsätzlich nicht von der Ausgestaltung der Wand ab. Nur dann, wenn bei natürlicher Betrachtungsweise die Wirkung einer Wand nicht gegeben ist, kann von einer Abstandsflächenpflicht nicht mehr ausgegangen werden (BayVGH vom 8.8.2001 Az.: 2 ZS 01.1331 - Juris; weitergehend OVG NRW vom 1.6.2007 Az.: 7 A 3852/06 - Juris: auf das jeweilige Material eines Terrassengeländers und insbesondere darauf, ob dieses offen oder transparent gestaltet ist, kommt es nicht an; a. A. Simon/Busse, BayBO, Stand: Januar 2014, Art. 6, Rn. 180, für eine überwiegend lichtdurchlässig ausgeführte Dachterrassenumwehrung).

Die geschlossene Einfassung der Dachterrasse, die einen Austritt im Dachspitz des Vordergebäudes erhalten soll, hat eine Gesamtlänge von ca. 8,7 m an der nördlichen Außenwand des Vordergebäudes und ca. 5 m an der östlichen Außenwand des nördlichen rückwärtigen Seitengebäudes sowie eine Höhe von 1,10 m (abgegriffen aus dem genehmigten Abstandsflächenplan). Diese Einfriedung ragt über die Dachfläche hinaus und ist nicht Bestandteil des Daches, sondern tritt vielmehr optisch deutlich wahrnehmbar in Erscheinung. Ein zur Verneinung einer Abstandsflächenrelevanz führender Ausnahmefall ist nach diesen Umständen voraussichtlich nicht gegeben.

Die beantragte Abweichung wurde mit Nachgangsbescheid vom ...10.2014 voraussichtlich rechtmäßig erteilt.

5.2 Die geplante Dachgaube auf der südlichen Dachseite des Vordergebäudes bleibt gem. Art. 6 Abs. 8 Nr. 3 BayBO nur dann bei der Bemessung von Abstandsflächen außer Betracht, wenn es sich um eine untergeordnete Dachgaube handelt. Dies ist hier aber nicht der Fall, da die geplante Dachgaube mit einer Breite von etwa 4 m und einer Höhe von 2,34 m eine Ansichtsfläche von deutlich über 4 m² hat, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 6 Abs. 8 Nr. 3 b BayBO nicht erfüllt sind.

Mit Antrag vom 22.10.2014 hat die Beigeladene ebenfalls die Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für die Dachgaube beantragt und die Antragsgegnerin eine entsprechende Abweichung mit Nachgangsbescheid vom ...10.2014 für die Dachgaube erteilt.

5.3 Soweit durch den bündigen Anschluss der südlichen Rückwand des Vordergebäudes die zum Teil mit Loggien versehene Rückwand um 2 m tiefer in den Innenhof hineinragt, ist dies gem. Art. 6 Abs. 1 S. 3 BayBO als Grenzanbau zulässig. Nach Art. 6 Abs. 1 S. 3 BayBO ist vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, keine Abstandsfläche erforderlich, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.

Nach dem vorliegenden Lageplan ist die geschlossene Bauweise im vorliegenden Geviert vorherrschend. Die Antragsgegnerin hat für den geplanten bündigen Anschluss des Vordergebäudes eine Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB vom festgesetzten Bauraum erteilt. Die erteilte Befreiung ist auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar, da der Nachbar an den kommun angebaut werden soll, selbst die hintere Baugrenze überschreitet und daher selbst Auslöser für den Kommunanbau der südlichen Rückseite des streitgegenständlichen Vordergebäudes ist.

Der Grenzanbau des Vordergebäudes an das antragstellerseitige Gebäude ist somit zulässig.

5.4. Die Vertiefung der südlichen Rückwand des Bestandsvordergebäudes um 2 m und die damit teilweise Schaffung von zusätzlichem Wohnraum sowie der Anbau von Loggien kann als bauliche Veränderung abstandsflächenpflichtig sein. Wird durch einen Anbau eine neue einheitliche Außenwand hergestellt, die auch horizontal oder vertikal versetzt sein kann, so ist eine abstandsflächenrechtliche Betrachtung der gesamten Außenwand erforderlich, d. h. auch der Altbestand muss ebenso wie der hinzukommende Wandteil die Anforderungen des Art. 6 BayBO erfüllen, selbst wenn der Altbestand im Zeitpunkt seiner Errichtung keiner vergleichbaren Anforderung unterworfen war oder wenn er die zum damaligen Zeitpunkt geltenden Anforderungen erfüllt hat (vgl. Dhom in Simon/Busse, BayBO, Kommentar, Stand Januar 2014, Art. 6 Rn. 15).

Das Vorhaben bedarf daher hinsichtlich der vorgesehenen Dachgeschossänderungen im bestehenden Vordergebäude und den kommunen Wandanbau mit der damit verbundenen Vertiefung des Vordergebäudes um ca. 2 m nach der im einstweiligen Rechtschutzverfahren nur möglichen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich einer abstandsflächenrechtlichen Neubetrachtung.

Die Antragsgegnerin hat im Nachgangsbescheid vom ...10.2014 eine Abweichung gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen durch die südliche Außenwand des Vordergebäudes, der südlichen Brüstung der auf dem Vordergebäude befindlichen Dachterrasse und der auf der Südseite des Vordergebäudes befindlichen Dachgaube erteilt.

Da im Rahmen der Ausübung des „Abweichungsermessens“ die vorstehenden Ausführungen (unter 3.) zum Rücksichtnahmegebot gelten (vgl. BayVGH U. v. 07.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 35), erscheint es nach summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich, dass die Änderungen an der Rückseite des Vordergebäudes zwar zu einer abstandsflächenrechtlichen Neubetrachtung wegen der „neuen“ Außenwand führt, aber die von der Antragsgegnerin entsprechend erteilte Abweichung gem. Art. 63 BayBO nicht zu beanstanden sein wird.

6. Soweit die Antragstellerin rügt, durch die Summenwirkung der sich von vier Seiten auf ihrem Grundstück treffenden Abstandsflächen in ihren Rechten verletzt zu sein, kann das Gericht diesem Einwand nicht folgen. Ein Fall der Erstreckung von Abstandsflächen auf das Grundstück der Antragstellerin (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 BayBO) liegt hier gerade durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht vor, da die erteilten Abweichungen auf eine entsprechende Verkürzung der gesetzlichen Tiefe der Abstandsfläche abzielen (vgl. BayVGH B. v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris Rn. 2; Dhom in Simon/Busse, BayBO, Kommentar Stand Januar 2014, Art. 63 Rn. 46).

7. Nach § 80a Abs. 3 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO führt die vom Verwaltungsgericht zu treffende eigenständige Ermessensentscheidung dazu, dass die kraft Gesetzes bestehende sofortige Vollziehbarkeit der Baugenehmigung aufgrund des § 212a Abs. 1 BauGB aufrechterhalten bleiben kann.

Es erscheint unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft die aufschiebende Wirkung der voraussichtlich erfolglosen Klage der Antragstellerin anzuordnen.

Soweit die Beigeladene - wie angekündigt - vor einer endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren mit den Bauarbeiten beginnt, wird sie auf eigenes Risiko tätig.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 4 VwGO.

Die Sonderregelungen gem. § 155 Abs. 3 und 4 VwGO gehen der Kostenverteilung nach § 154 Abs. 1 VwGO vor (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Auflage, § 154 Rn.1). Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom ...05.2014 war ohne Berücksichtigung des zwischenzeitlich erlassenen Nachgangsbescheids vom ...10.2014 rechtswidrig, da die erteilten Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO trotz intendiertem Ermessen der Antragsgegnerin vorliegend zu beanstanden waren. Hinzu kommt der Umstand, dass nicht alle erforderlichen Abweichungen beantragt und genehmigt gewesen sind. Diese behebbaren Mängel rechtfertigen aufgrund des mittlerweile ergangenen Nachgangsbescheids zwar nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin, führen aber zur Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin und der Beigeladenen, die einen Sachantrag gestellt und sich damit entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

8. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 13. Nov. 2014 - M 8 SN 14.3336

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Verwaltungsgericht München Beschluss, 13. Nov. 2014 - M 8 SN 14.3336 zitiert 12 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Baugesetzbuch - BBauG | § 31 Ausnahmen und Befreiungen


(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüg

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

Baugesetzbuch - BBauG | § 30 Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans


(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsfl

Baugesetzbuch - BBauG | § 212a Entfall der aufschiebenden Wirkung


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung. (2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absa

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Verwaltungsgericht München Beschluss, 13. Nov. 2014 - M 8 SN 14.3336 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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Verwaltungsgericht München Urteil, 30. Nov. 2015 - M 8 K 14.2601

bei uns veröffentlicht am 30.11.2015

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistun

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 29. Nov. 2012 - 4 C 8/11

bei uns veröffentlicht am 29.11.2012

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Fabrikhalle in ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinhe
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht München Beschluss, 13. Nov. 2014 - M 8 SN 14.3336.

Verwaltungsgericht München Beschluss, 15. März 2016 - M 8 SN 15.5768

bei uns veröffentlicht am 15.03.2016

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 18. Dezember 2015 (M 8 K 15.5771) gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 17. November 2015 (Az.: ...) in der Fassung des Nachgangsbescheids vom 3. Februar 2016 wird

Verwaltungsgericht München Urteil, 30. Nov. 2015 - M 8 K 14.2601

bei uns veröffentlicht am 30.11.2015

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistun

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(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft auf dem Grundstück ... Eck 1, ..., Fl.Nr. ... der Gemarkung ... Sie wendet sich mit ihrer Klage gegen die der Beigeladenen am ... Mai 2014 erteilte Baugenehmigung, in der Fassung des Nachgangsbescheids vom ... Oktober 2014, für das nördlich angrenzende Grundstück, Fl.Nr. ...

Das sechsgeschossige Gebäude der Klägerin grenzt östlich unmittelbar an das Vordergebäude der Beigeladenen auf dem streitgegenständliche Grundstück ... Eck 3 (Fl.Nr. ...). Das Anwesen der Beigeladenen ragt mit seinem rückwärtigen Seitengebäude in einen schmalen Hinterhof zwischen ...-str. 2 - 4, Fl.Nrn. ... und ... und dem Grundstück der Beigeladenen, Fl.Nr. ...

Mit Bauantrag vom 8. Oktober 2013 nach Pl.Nr. ... beantragte die Beigeladene die Genehmigung für Umbau, Sanierung und Erweiterung des Vorder- und Rückgebäudes mit Nutzungsänderung in Teilbereichen von Büro zu Wohnen und den Einbau einer Tiefgarage im Kellergeschoß, ... Eck 3, Fl.Nr. ... Nach den eingereichten Plänen ist u. a. vorgesehen, den bisher eingeschossigen südlichen Teil des Seitengebäudes terrassenförmig mit einer Traufhöhe von 12,49 m und 15,84 m bis 18,96 m aufzustocken und unmittelbar an die Brandwand auf dem Grundstück ... Eck 5, Fl.Nr. ... anzuschließen. Weiter soll das Vordergebäude mit seiner Hofseite um ca. 2 m vertieft werden, so dass es an das Nachbargebäude der Klägerin ... Eck 1 auch hinsichtlich der Traufhöhe bündig anschließt. Das Dachgeschoss soll nach einem Brandschaden bei unveränderter Firsthöhe ertüchtigt werden, wobei teilweise statt des bisherigen Satteldaches des nördlichen Seitengebäudes eine zurückversetzte Dachterrasse errichtet werden soll.

Zur baulichen Situation auf den Grundstücken sowie zur Umgebungsbebauung siehe folgenden Lageplan 1:1.000, der aufgrund des Einscannens nicht mehr maßstabsgetreu ist.

Bild

Am ... Mai 2014 erteilte die Beklagte der Beigeladenen unter dem Aktenzeichen ... die beantragte Baugenehmigung, in der unter anderem folgende Befreiungen und Abweichungen erteilt wurden:

Unter Nr. 1: Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen Überschreitung der rückwärtigen Baugrenze durch Anbau am Vordergebäude sowie im Dachgeschoss.

Unter Nr. 5: Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken Fl.-Nr. ..., ... und ... durch den nördlichen Teil des Seitengebäudes um insgesamt ca. 232 m2.

Unter Nr. 7: Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken Fl.-Nr. ... und ... durch den südlichen Teil des Seitengebäudes um insgesamt ca. 91 m2.

Zu den Nrn. 5 und 7 wurde ausgeführt, dass der Schutzzweck der Abstandsflächenvorschriften, ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung sowohl der neu beantragten wie der bestehenden Wohnnutzungen sowohl auf dem Baugrundstück wie auf den betroffenen Nachbargrundstücken erreicht sei. Da die bestehenden Nachbargebäude ihrerseits das Baugrundstück mit Abstandsflächen belasteten, sei auch dem Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme ausreichend Rechnung getragen.

Eine Nachbarausfertigung der Baugenehmigung wurde der Hausverwaltung der Klägerin am 17. Mai 2014 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2014, am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin Klage gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom ... Mai 2014, Az. ...

Mit Schriftsatz vom 1. August 2014 beantragten sie, die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage anzuordnen. Dieser Antrag (M 8 SN 14.3336) wurde vom Gericht mit Beschluss vom 13. November 2014 abgelehnt. Wegen der Einzelheiten dieses Verfahrens wird auf diesen Beschluss sowie die Gerichtsakten zum Verfahren M 8 SN 14.3336 verwiesen.

Mit einem weiteren Schriftsatz vom 1. August 2014 beantragten sie,

Der Baugenehmigungsbescheid der ... vom ...05.2014 (Az.: ...) wird aufgehoben.

Zur Begründung wurde vorläufig auf den mit Schriftsatz vom selben Tage eingereichten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung verwiesen.

Mit Schreiben vom 14. August 2014 beantragte die Beklagte,

die Klage wird abgewiesen.

Auf die Ausführungen im Baugenehmigungsbescheid und den Akteninhalt werde verwiesen.

Mit Nachgangsbescheid vom ... Oktober 2014 verfügte die Beklagte, dass

1. Zwei weitere Abweichungen gem. Art 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 BayBO zugelassen werden:

a) Eine Abweichung wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken Fl.Nr. ... und ... durch die Abstandsflächen der südlichen Außenwand des Vordergebäudes, der südlichen Brüstung der auf diesem befindlichen Dachterrasse und der auf der Südseite des Vordergebäudes befindlichen Dachgaube.

b) Eine Abweichung wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken Fl.Nr. ... und ... durch die Abstandsflächen der östlichen Brüstung der auf dem Vorder- /Seitengebäude befindlichen Dachterrasse.

Als Begründung zu a) und b) wurde ausgeführt, dass die Abweichungen unter Berücksichtigung der Absichten des Abstandsflächenrechtes - Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung nach Würdigung der Gesamtumstände und der nachbarlichen Belange - mit den öffentlichrechtlichen Vorschriften vereinbar seien.

Zu a): Die drei in der Abweichung genannten Bauteile lösten bei isolierter Betrachtung Abstandsflächen aus. Da das Vordergebäude schräg zur Grenze mit dem Grundstück Fl.Nr. ... verlaufe, fielen diese primär auf den Innenhof des Grundstücks der Klägerin. Aufgrund der Schrägstellung des streitgegenständlichen Vordergebäudes ... Eck 3 bestehe eine atypische Grundstückssituation. Die Lokalbaukommission sei der Auffassung, dass durch diese Abstandsflächenerstreckung geschützte Nachbarrechte nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würden. Die Bauteile lösten in der Realität so gut wie keine zusätzliche Verschattung aus.

Zu b): Die östliche Brüstung der Dachterrasse auf dem Vorder-/Seitengebäude löse Abstandsflächen aus, die auf die Grundstücke Fl.Nr. ... und ... fallen würden. Größtenteils lägen sie innerhalb der Abstandsflächen der Südwand des verfahrensgegenständlichen Gebäudes ... Eck 3 und würden deren Ausmaße mit einer geringfügigen Ausnahme in einer Breite von 30 cm nicht überschreiten. Aufgrund der Schrägstellung des streitgegenständlichen Vordergebäudes ... Eck 3 bestehe eine atypische Grundstückssituation. Auch hier würden die geschützten Nachbarrechte nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt. Die Dachterrassenbrüstung löse in der Realität so gut wie keine zusätzliche Verschattung aus, zumal sie im Norden läge und 8,4 m bis 9,4 m von der Grundstücksgrenze entfernt sei.

2. Zu den in der Baugenehmigung vom ... Mai 2014 erteilten Abweichungen in Ziffern 5 bis 7 wurde die Begründung im Nachgangsbescheid vom ... Oktober 2014 ergänzt:

Zu Ziffer 5: Die für die Abweichung erforderliche atypische Situation ergebe sich aus der beengten Innenstadtlage und dem Gebäudebestand. Der nördliche Teil des Seitengebäudes bestehe bereits, die Traufkante werde nahezu unverändert übernommen, das anschließende Dach sei wegen seines 45 Grad Winkels abstandsflächenneutral. Eine nennenswerte zusätzliche Verschattung ergebe sich gegenüber den Nachbargrundstücken Fl.Nrn. ..., ... und ... nicht, zumal das Gebäude im Nordwesten liege, von wo aus kein direkter Lichteinfall erfolge. Die Dachterrassen auf dem nördlichen Seitengebäude seien ausreichend weit von der Dachkante abgesetzt, so dass auch der Sozialabstand nicht unzureichend verkürzt werde.

Zu Ziffer 7: Die Atypik betreffe auch den südlichen Teil des Seitengebäudes. Keines der benachbarten Gebäude könne die erforderlichen Abstandsflächen einhalten. Gegenüber den Nachbarn Fl.Nrn. ... und ... komme es nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen; Fl.Nr. ... sei selbst grenzständig bebaut und werfe aufgrund der Höhe massiv Abstandsflächen auf das Baugrundstück, wobei aber aufgrund der Nutzungsanordnung innerhalb der Gebäude keine ungesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse entstünden. Der Nachbar Fl.Nr. ... sei durch die Abweichung nur hinsichtlich des südlichen Teils seiner Freifläche betroffen, die primär als Müllabstellplatz genutzt werde. Die erteilte Abweichung führe damit auch bei ihm nicht zu unzumutbaren Verhältnissen. Das gelte auch in Zusammenschau mit den weiteren ihm gegenüber bereits erteilten Abweichungen. Gegenüber seinen im rückwärtigen Bereich über die Südfassade belichteten Räumen befinde sich eine knapp 30 m tiefe Freifläche, die auch an der Fensterkante des untersten Fensters den Mindestlichteinfallwinkel von 45 Grad deutlich unterschreite. Auch die Belichtungssituation als solche werde nicht in unzumutbarer Weise verschlechtert. Das südliche Seitengebäude sei leicht nach Westen abgesetzt und nach Süden hin abgetreppt, dadurch könne mehr Licht einfallen, und verbliebe ein zusammenhängender ca. 300 m2 großer Innenhof, der die Belichtung ausreichend gewährleiste. Andere Hofbereiche im zentralen Stadtbereich seien bei gleich hoher Bebauung wesentlich kleiner. Die Dachterrassen des südlichen Seitengebäudes seinen ebenfalls von der Außenwand abgesetzt, der Abstand insbesondere zum Gebäude Fl.Nr. ... sei sehr groß. Das Gesamtvorhaben füge sich planungsrechtlich in die vorhandene Umgebung ein und trage dazu bei, den öffentlichen Bedarf nach dringend benötigtem Wohnraum zu erfüllen.

Mit Schriftsatz vom 28. November 2014, am selben Tag per Fax am Verwaltungsgericht eingegangen, erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin Klage gegen den mit Postzustellungsurkunde am 28. Oktober 2014 zugestellten Nachgangsbescheid vom ... Oktober 2014, Az. ... und beantragten,

Der Baugenehmigungsbescheid der ... vom ...05.2014 (Az.: ...) sowie der Nachgangsbescheid der ... vom ...10.2014 (Az. ...) werden aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2015 begründeten die Bevollmächtigten die Klage unter Bezugnahme auf die mit Schriftsatz vom 28. November 2014 angekündigten Anträge. Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom ... Mai 2014 umfasse den Umbau, die Sanierung und die Erweiterung von Vorder- und Rückgebäude mit Nutzungsänderung in Teilbereichen von Büro zu Wohnen sowie den Einbau einer Tiefgarage. Erheblich seien für die Klägerin die Aufstockung der Dachgeschosse des straßenseitigen Vordergebäudes sowie des vorhandenen Seitengebäudes und der Dachgeschossausbau mit Errichtung von zwei zurückversetzten Dachterrassen auf dem straßenseitigen Gebäude und dem Seitengebäude. Durch die Aufstockung würden Wandhöhen von 21,51 m im Vordergebäude bzw. 18,96 m im Seitengebäude erreicht. Weiter sei die Klägerin durch die rückwärtige Erweiterung des Vordergebäudes in Richtung des Hofinnenraumes um rund 2 m sowie die Neuerrichtung eines abgetreppten vier- bis sechsgeschossigen Baukörpers an der nordwestlichen Grundstücksgrenze im Anschluss an das bestehende Seitengebäude anstelle des sich dort befindlichen eingeschossigen Bauteils betroffen. Hier würden Wandhöhen von 12,49 m, 15,84 m und 18,96 m erreicht. Das streitgegenständliche Bauvorhaben verstoße gegen die abstandsrechtlichen Vorgaben nach Art. 6 BayBO, die erteilten Abweichungen seien rechtswidrig. Es läge weder eine Atypik vor noch sei von einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung im Hinblick auf die abstandsflächenrechtlich geschützten Belange der Klägerin auszugehen. Vorliegend fehle es bereits an der erforderlichen atypischen Fallgestaltung. Die Beklagte stelle im Wesentlichen auf die zentrale Innenstadtlage sowie auf den Zuschnitt des Baugrundstücks ab. Daraus ergäben sich jedoch keine atypischen Umstände. Allein die Lage in einem dicht bebauten Bereich rechtfertige nicht die Abweichung von den Abstandsflächen. Erforderlich sei vielmehr eine grundstücksbezogene Zwangslage, die eine sinnvolle Grundstücksnutzung ausschließe. Eine solche sei vorliegend nicht ersichtlich. Eine sinnvolle Grundstücksnutzung sei nicht erst dann gegeben, wenn das Maximum der planungsrechtlich zulässigen Bebauung erreicht sei. Die durch einfachen Bebauungsplan festgesetzte vordere Baulinie und die rückwärtige Baugrenze beinhalte keine abstandsflächenverkürzende Wirkung zulasten der Klägerin. Das von dem erkennenden Gericht im Rahmen der Eilentscheidung vom 13. November 2014 unterstellte Baurecht stehe damit von Vornherein unter dem Vorbehalt der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen und könne zur Begründung einer grundstücksbezogenen Atypik nicht herangezogen werden. Auch unter Bezugnahme auf den Zuschnitt des Grundstücks lasse sich eine atypische Situation nicht begründen. Die Lage an einer nicht geradlinig verlaufenden Erschließungsstraße sei entgegen der Ansicht des erkennenden Gerichts im Eilbeschluss in keiner Weise relevant für die vorliegend entscheidungserhebliche Abstandsflächensituation im rückwärtigen Grundstücksbereich. Der Abstandsflächenverstoß werde hier nicht durch die schrägen Grundstücksgrenzen verursacht, sondern dadurch, dass das geplante Bauvorheben in Kombination mit dem vorhandenen Bestand, der ohne Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen verwirklicht worden sei, über eine abstandsflächenrechtlich deutlich überdimensionierte Höhenentwicklung verfüge. Daran ändere auch die Abtreppung nach Süden nichts. Eine atypische Situation bestehe höchstens für das klägerische Grundstück, das äußerst schmal sei und bereits durch den Bestand der zum Teil grenzständig errichteten Nachbargebäude in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht vorbelastet sei. Gerade dies spreche gegen eine auf das Baugrundstück bezogene Atypik. Dass die umgebenden Grundstücke sehr massiv bebaut seien, spreche ebenfalls nicht für, sondern gegen die Erteilung der streitgegenständlichen Abweichungen. Die Erteilung der streitgegenständlichen Abweichungen stelle sich außerdem als ermessensfehlerhaft dar. Bei einer Berücksichtigung der erteilten Abweichungen und der Verwirklichung des neuen südlichen Seitengebäudes auf dem Baugrundstück würden sich die Abstandsflächen von drei verschiedenen Baukörpern überschneiden. Das geplante neue Seitengebäude versperre die letzte noch vorhandene freie Blick- und Belüftungsachse des klägerischen Grundstücks und habe damit einen unzumutbaren Einmauerungseffekt zu Folge. Das klägerische Grundstück werde künftig auf beiden Längsseiten von einer Bebauung mit erheblicher Höhenentwicklung ohne Einhaltung der eigentlich erforderlichen Abstandsflächen geradezu „eingekesselt“. Das streitgegenständliche Bauvorhaben orientiere sich vielleicht an der Höhenentwicklung des klägerischen Bestandsgebäudes, dies sei jedoch unerheblich, da die auf dem Baugrundstück genehmigte Baumasse das Maß der baulichen Nutzung auf dem klägerischen Grundstück klar übersteige. Bei Betrachtung der festzustellenden wechselseitigen Abstandsflächenverstöße sei eine deutliche Disproportionalität zulasten des klägerischen Grundstücks festzustellen. Diese sei im Rahmen der erteilten Abweichungen nicht berücksichtigt worden. Der Abstandsflächenverstoß indiziere auf der bauplanungsrechtlichen Ebene einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Durch die streitgegenständlichen Bescheide werde eine massive Fortentwicklung der Bebauung in den Blockinnenbereich zulasten des klägerischen Grundstücks gestattet. Man dürfe nicht wie das Gericht im Rahmen der Eilentscheidung vorrangig auf die Höhenentwicklung abstellen, sondern müsse auch die Längenentwicklung des genehmigten Baukörpers und dessen Gesamtkubatur in den Blick nehmen. Gerade durch die Länge nach Süden entstehe für die Klägerin eine nicht mehr zumutbare „Gefängnishofsituation“.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2015 beantragte die Beklagte,

die Klage wird abgewiesen.

Das geplante Vorhaben führe nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Belichtung, Besonnung und Belüftung der Bebauung auf dem klägerischen Grundstück. Das Vordergebäude bestehe bereits und werde ohne wesentliche Erhöhung vor allem umgebaut und saniert; das geplante Vorhaben befinde sich auf der Nord- und Nordwestseite des klägerischen Grundstücks, so dass nur eine ganz geringfügige Verschattung in den Abendstunden in Betracht komme. Hauptkriterien für die Beurteilung einer abriegelnden Wirkung seien die Höhe, die Länge und die Distanz. Das geplante Vorhaben stelle sich im Verhältnis zur Nachbarbebauung nicht als übergroß dar und füge sich hinsichtlich der Höhe in die Umgebung ein. Daher habe es keine erdrückende Wirkung. Auch das Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt. Ein Nachbar habe gerade im dicht bebauten innerstädtischen Bereich keinen Anspruch darauf, von jeglichen Einsichtnahmemöglichkeiten verschont zu werden. Das geplante Vorhaben werde keine unzumutbaren neuen Einsichtnahmemöglichkeiten eröffnen. Es befänden sich am seitlichen Bestandsgebäude in südlicher Richtung bereits Balkone mit Einsichtmöglichkeiten, andererseits seien die geplanten Dachterrassen in südlicher Richtung abgestuft und im Wesentlichen nach Süden ausgerichtet, während sich an der östlichen Seite lediglich Fenster befänden. Die von der Beklagten erteilten Abweichungen wegen Nichteinhaltung der Abstandsflächen zum klägerischen Grundstück seien rechtmäßig. Es liege eine atypische Situation vor, infolge dem besonderen Grundstückszuschnitt und der vorhandenen Bestandsbebauung sowie der Schrägstellung des Vordergebäudes. Das maßgebliche Geviert sei darüber hinaus durch die Überlagerung von Abstandsflächen geprägt. Die Abweichungen führten nur zu einer relativ geringen Verschlechterung der Belichtungs-, Besonnungs- und Belüftungssituation auf dem klägerischen Grundstück, die zumutbar sei. Das Vorhaben füge sich in die Umgebungsbebauung ein und trage dem öffentlichen Interesse an der Schaffung von Wohnraum Rechnung. Die von der Beklagten vorgenommene Abwägung der öffentlichrechtlich geschützten Belange mit den öffentlichen Belangen sei in ermessensfehlerfreier Weise erfolgt.

Mit Schriftsatz vom 18. November 2015 replizierten die Bevollmächtigten der Beigeladenen. Die Atypik ergebe sich aus der historischen Altstadtlage und den schräg verlaufenden Grundstücksgrenzen sowie dem bestehenden Altbestand und der Umgebungsbebauung. Es sei für die Annahme einer Atypik nicht erforderlich, dass faktisch jede Grundstücksnutzung ausgeschlossen sei. Das Vorhaben schöpfe auch nicht das Maximum des planungsrechtlich Zulässigen aus, es gebe in dem Geviert im rückwärtigen Bereich noch deutlich höhere Gebäude. Eine sinnvolle Grundstücksnutzung liege andererseits nicht schon dann vor, wenn es bei dem eingeschossigen Seitengebäude bleibe. Die Ermessenserwägungen der Beklagten seien ausreichend und nicht ermessenfehlerhaft, da die Beklagte berücksichtigt habe, dass der Innenhof etwa 10 m breit und etwa 30 m lang sei und somit ausreichend, um die Belichtung und die Belüftung des klägerischen Anwesens sicherzustellen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Beibehaltung einer bestimmten Blick- oder Sichtachse, weil vorliegend die Fortentwicklung der Bebauung aufgrund des Bauliniengefüges absehbar gewesen sei. Im Übrigen habe die Beklagte die Abwägung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen durch den Ergänzungsbescheid vom ... Oktober 2014 umfänglich nachgeholt. Hinsichtlich des klägerischen Vortrags, das Vorhaben wirke erdrückend und abriegelnd, müsse auf das Vordergebäude der Klägerin und auf das seitliche Rückgebäude der Beigeladenen abgestellt werden. Dieses sei niedriger und wirke nicht abriegelnd infolge der Kombination aus der abgetreppten Bauweise und des Abstandes zur Südfassade des klägerischen Gebäudes. Eine Gefängnishofsituation sei nicht gegeben, da die rückwärtige Hoffläche eine Tiefe von ca. 30 m aufweise.

Über die baulichen Verhältnisse auf dem streitgegenständlichen Grundstück sowie in dessen Umgebung hat das Gericht am 30. November 2015 Beweis durch Einnahme eines Augenscheins erhoben. Hinsichtlich der Feststellungen dieses Augenscheins sowie der anschließenden mündlichen Verhandlung, in der die Beteiligten ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge stellten, wird auf das Protokoll verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowohl im Verfahren M 8 K 14.2601 wie auch im Eilverfahren M 8 SN 14.3336 und auf den Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vom 13. November 2014 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom ... Mai 2014 in der Fassung des Nachgangsbescheids vom ... Oktober 2014 zugelassene Bauvorhaben weder in bauplanungsrechtlicher noch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegen drittschützende Rechte der Klägerin verstößt, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 59 Abs. 1 BayBO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Dritte können sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U. v. 13.6.1969 - IV C 234.65 - BayVBl 1969, 390 - juris Rn. 15; BVerwG, U. v. 25.2.1977 - IV C 22.75 - BayVBl 1977, 639 - juris Rn. 25; BVerwG, U. v. 19.9.1986 - 4 C 8/84 - BayVBl 1987, 151- juris Rn. 9; BVerwG, U. v. 26.9.1991 - 4 C 5/87 - BVerwGE 89, 69 - juris Rn. 18) gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit (auch) auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B. v. 26.7.2011 - 14 CS 11.535 - juris Rn. 21; BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20).

2. In bauplanungsrechtlicher Hinsicht beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 30 Abs. 3 BauGB nach den Festsetzungen des einfachen übergeleiteten Baulinienplanes, der für das Grundstück eine vordere Baulinie sowie eine hintere und seitliche Baugrenze festsetzt, im Übrigen nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB.

2.1 Es entspricht der ganz herrschenden Meinung, dass die Regelungen über das Maß der baulichen Nutzung, über die Bauweise und die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht nachbarschützend sind (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 6.11.2008 - 14 ZB 08.2327 - juris Rn. 9; B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 3).

2.2 Es liegt auch keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme vor. Insoweit kann dahinstehen, ob sich dieses im vorliegenden Fall aus dem Begriff des „Einfügens“ des § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 BauNVO ableitet, da im Ergebnis dieselbe Prüfung stattzufinden hat (vgl. BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4).

Im vorliegenden Fall stellt sich das streitgegenständliche Vorhaben weder im Hinblick auf die gerügte Verschlechterung der Belichtung, Besonnung und Belüftung noch im Hinblick auf die gerügte einmauernde bzw. einkesselnde Gefängnishofwirkung noch hinsichtlich der vorgetragenen Verletzung des Sozialfriedens/Sozialabstands als unzumutbar und damit rücksichtslos dar.

2.2.1 Soweit die Klägerin rügt, dass durch das streitgegenständliche Bauvorhaben die Belichtungs-, Besonnungs- und Belüftungssituation nachhaltig verschlechtert würde, kommt vorliegend keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots in Betracht.

Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17). Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist aber regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 6).

Im vorliegenden Fall ist bereits fraglich, inwieweit der Umbau des Dachgeschosses im Vordergebäude überhaupt zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Belichtungssituation auf dem klägerischen Grundstück führt. Die Frage der Beeinträchtigung durch das rückwärtige Seitengebäude ist zwar durch keine Verschattungsstudie zum vorliegenden Bauvorhaben abschließend geklärt. Aus dem vorgelegten Verschattungsszenario (Anlage BE 7 im Verfahren M 8 SN 14.336) zu einem - nach Angaben der Beigeladenen - höher geplanten Bauvorhaben auf dem streitgegenständlichen Grundstück wird jedoch deutlich, dass das östlich vom Vorhabengrundstück gelegene Gebäude der Klägerin nicht maßgeblich - allenfalls in den Abendstunden - durch das westlich geplante Bauvorhaben beeinträchtigt wird. Solche geringfügige Beeinträchtigungen durch Schattenwurf sind jedoch hinzunehmen (vgl. BayVGH B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 24). Dazu kommt, dass das nördliche Seitengebäude der Beigeladenen, das für die Verschattung des klägerischen Gebäudes maßgeblich ist, bereits seit langem besteht und von der Klägerin bereits seit langem hingenommen werden muss. Das rückwärtige nördliche Seitengebäude und das Vordergebäude sollen bis auf den Umbau im Dachgeschoss - bei gleichbleibender Firsthöhe des Vordergebäudes - und der Errichtung einer Dachterrasse sowie einer Dachgaube unverändert bleiben und lediglich nach einem Brandschaden saniert bzw. modernisiert werden. Die Aufstockung des bisher eingeschossigen südlichen Seitengebäudes entlang der dort seit langem bestehenden Brandmauer des Nachbargebäudes ... Eck 5 lässt ebenfalls sowohl nach den vorgelegten Bildsimulationen wie auch nach dem Ergebnis des Augenscheins keine schwerwiegende zusätzliche Beeinträchtigung der Belichtungs-, Besonnungs-, und Belüftungssituation erkennen, die zu schlechthin unzumutbaren und nicht mehr hinnehmbaren Wohnverhältnissen führen würden. Eine solche Beeinträchtigung ist von der Klägerin auch nicht dargelegt. Die Sichtachse der Klägerin wird durch die im Bestand vorhandene Brandschutzwand des dreigeschossigen Gebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. ..., ... Eck 5 bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt beeinträchtigt. Außerdem verbleibt auch nach Realisierung des Bauvorhabens ein gemeinsamer Innenhofbereich mit einer Gesamtfläche von über 300 m², so dass nach wie vor eine ausreichende Belichtungs-, Belüftungs- und Besonnungssituation gewährleistet ist.

2.2.2 In der Rechtsprechung ist darüber hinaus anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1/78, - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U. v. 23.5.1986 - 4 C 34/85, - juris Rn. 15: Drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; BayVGH, B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 23; B. v. 5.7.2011 - 14 CS 11.814 - juris Rn. 21). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind unter anderem die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (BayVGH, B. v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5; B. v. 5.12.2012 - 2 CS 12.2290 - juris Rn. 9).

Vorliegend fehlt es bereits an einer erheblichen Höhendifferenz zwischen den Vorhabengebäuden und dem Anwesen der Klägerin. Durch den Dachgeschossumbau im Vordergebäude bleibt die Firsthöhe von 24,44 m unverändert. Der rückwärtige Seitenbau soll im nördlichen Gebäudeteil eine Traufhöhe von 18,96 m und eine Firsthöhe/Flachdach von 21,51 m zuzüglich der Dachterrassenumwehrung mit 1,10 m, insgesamt demnach 22,61 m erhalten und im südlichen Seitenteil eine Traufhöhe von 12,49 m - 15,48 m. Das Gebäude der Klägerin weist eine Traufhöhe von 18,84 m und eine Firsthöhe von 24,21 m auf. Schon insoweit ist die im dicht bebauten innerstädtischen Bereich zur Bejahung einer abriegelnden oder erdrückenden Wirkung erforderliche erhebliche Höhendifferenz nicht gegeben.

2.2.3 Auch die gerügte Summenwirkung der Überschneidung von Abstandsflächen aus drei unterschiedlichen Richtungen auf dem klägerischen Grundstück führt weder zu einer einkesselnden Wirkung noch zu einer Gefängnishofsituation. Es ist zwar zutreffend, dass der Innenhof auf dem klägerischen Grundstück nach Realisierung des südlichen rückwärtigen Seitengebäudes sowohl von Westen, wie auch von Osten und Süden von Gebäuden mit nicht unerheblicher Höhenentwicklung umgeben ist. Hierbei ist aber auch zu berücksichtigen, dass dies bereits der Bestandssituation geschuldet ist. Die geplante Gebäudeaufstockung des südlichen Seitengebäudes erfolgt im Anschluss an eine bereits bestehende Brandwand in vergleichbarer Höhe. Außerdem besteht ein Teil der nördlichen Begrenzung des Innenhofbereichs aus dem Bestandsgebäude die Klägerin selbst. Zwar verändert das genehmigte Vorhaben die bauliche Situation im Hofbereich, aber das Anwesen der Klägerin sah sich bereits jahrzehntelang dem bestehenden Baukörper gegenüber, der nunmehr im Vordergebäude und nördlichem Seitengebäude lediglich modernisiert und nach einem Brandschaden saniert bzw. erneuert wird. Im südlichen Bereich kommt es durch die terrassenförmige Aufstockung des bisher eingeschossigen südlichen Seitengebäudes zu einer Vertiefung entlang der bestehenden Brandschutzwand des Gebäudes auf dem Grundstück, Fl.Nr. ..., ... Eck 5. Aber nicht schon dann, wenn das angegriffene Vorhaben die Situation für den Nachbarn geringfügig verändert, kann von einer erdrückenden Situation im Sinne einer Gefängnishofsituation die Rede sein. Gerade im innerstädtischen Bereich hat ein Grundstückseigentümer kein Recht auf Beibehaltung einer ungehinderten oder bislang nur geringfügig beeinträchtigten Sicht von seinem Wohngebäude aus (vgl. BayVGH B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 23 mit Verweis auf BVerwG, U. v. 28.10.1993 - 4 C 5/93 - NVwZ 1994, 686).

Zweifellos ist der Hof in seiner Querausdehnung schmal und erweckt nicht den Eindruck großzügiger Gestaltung. Eine derartige Situation ist aber im eng bebauten Altstadtbereich in nahezu allen Hinterhöfen gegeben, wie der Blick auf die dem Bauantrag beigefügten Lagepläne zeigt. Gerade in der unmittelbaren Umgebung des Vorhabens sind die Grundstücke dabei in ganz besonderer Dichte baulich genutzt, einige Flurstücke sind ohne jede Freifläche vollständig bebaut.

Die durch die Bestandsbebauung auf dem Vorhabengebäude vorgegebene Situation wird durch die Realisierung des verfahrensgegenständlichen Vorhabens nicht gravierend verändert, sondern entspricht vielmehr der umliegenden üblichen Bebauungsdichte im historischen Ortskern der Altstadt. Der streitgegenständliche Hof hat außerdem auch nach der Verwirklichung des verfahrensgegenständlichen Vorhabens eine unveränderte Länge (Tiefe) von über 30 m. An seiner schmalsten Stelle wird er nach Errichtung des südlichen Seitengebäudes 7,5 m breit sein. Zudem bleibt die gerade Sichtachse aus den Hoffenstern der Klägerin unangetastet. Allein der Blick zur Seite wird geringfügig beeinträchtigt. Dieser Blick zur Seite fällt aber gegenwärtig auf die Brandmauer des Anwesens ... Eck 5 - Hintergebäude, mit vergleichbarer Höhe. Auch nach seiner äußeren Gestaltung sieht ein erkennbar für Wohn- und Bürozwecke bestimmtes Gebäude deutlich weniger „gefängnishofartig“ aus wie die vorhandene kahle Brandmauer. Verschwindet sie wie vorgesehen hinter der neuen Büro- und Wohnbebauung des Vorhabens, so kann dies zumindest insoweit nicht zu einer gefängnishofartigen Verschlechterung führen. Viele der in der Umgebung liegenden Straßen sind von Hausfassade zu Hausfassade wesentlich schmäler, wie beispielsweise der Abstand der straßenseitigen Gebäude ... Eck 2 und 3 bzw. 6 und 9/11 mit unter 15 m und vor allem auch die gesamte ...-straße, die an der Einmündung in das ... Eck nach dem Lageplan nur eine Breite von 6 m hat. Demgegenüber hat man aus den Hoffenstern der Klägerin einen unverstellten Blick in südliche Richtung von rund 31 m bis zur gegenüberliegenden Hausfassade. Eine derartige Situation ist im eng bebauten innerstädtischen Altstadtbereich mit noch aus der Zeit des Mittelalters stammenden Straßen- und Grundstückseinteilungen großzügig, wie auch der Blick auf den amtlichen Lageplan zeigt. Unter solchen Umständen von einer „Gefängnishofsituation“ zu sprechen, verkennt die Rahmenbedingungen, die für das Wohnen in einem solchen Stadtbereich durch die historisch gewachsenen Umstände vorgegeben sind. Hinzu kommt, dass ein Nachbar grundsätzlich nicht das Recht hat, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachse von seinem Grundstück verschont zu bleiben (vgl. BayVGH, B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 23). Dies gilt umso mehr im historisch gewachsenen, dicht bebauten Ortskern, insbesondere wenn - wie im vorliegenden Fall - die gerade Sichtachse unverändert erhalten bleibt.

2.2.4 Soweit die Klägerin rügt, dass durch das streitgegenständliche Vorhaben der Sozialfrieden und Sozialabstand beeinträchtigt würden, führt dies ebenfalls zu keiner Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Trifft eine Wohnnutzung auf eine vorhandene Wohnnutzung, dann kommt unter dem Gesichtspunkt der Nutzungsart ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen in Betracht (vgl. BayVGH, B. v. 12.09.2005 - 1 ZB 05.42, BayVBl. 2006, 374 - juris Rn. 19). Da im Rahmen des Klageverfahrens hierzu keine neuen Gesichtspunkte von der Klägerin geltend gemacht wurden, wird im Übrigen auf die Ausführungen hierzu im Eilbeschluss vom 13. November 2014 im Verfahren M 8 SN 14.3336 verwiesen.

Die streitgegenständliche Baugenehmigung verstößt daher gegen keine nachbarschützenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften.

3. Das beantragte Bauvorhaben wurde im vereinfachten Genehmigungsverfahren gemäß Art. 59 BayBO genehmigt. Da die Beigeladene Abweichungen von den Vorschriften des Abstandsflächenrechts nach Art. 6 BayBO beantragt und die Beklagte diese gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO erteilt hat, gehören die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften auch zum Prüfumfang der streitgegenständlichen Baugenehmigung gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO, so dass sie im Rahmen des Nachbarrechtsbehelfes zu prüfen sind (vgl. BayVGH, B. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - juris Rn. 36; BayVGH, B. v. 5.11.2015 - 15 B 15.1371 - juris Rn. 15).

Nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften werden durch den streitgegenständlichen Bescheid vom ... Mai 2014 unter Berücksichtigung des Nachgangsbescheids vom ... Oktober 2014 ebenfalls nicht verletzt. Die bestehenden Mängel der Baugenehmigung vom ... Mai 2014 hinsichtlich der erteilten Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften sind in nicht zu beanstandender Art und Weise durch den Erlass des Nachgangsbescheids vom ... Oktober 2014 ausgeräumt worden.

3.1 Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Die Zulassung einer Abweichung setzt Gründe von ausreichendem Gewicht voraus, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Belüftung im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH B. v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16). Es muss sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (vgl. BayVGH, B. v. 13.2.2002 - 2 CS 01.1506 - juris Rn. 16; B. v. 23.5.2005 - 25 ZB 03.881 - juris Rn. 8; B. v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris Rn. 2; B. v. 29.11.2006 - 1 CS 06.2717 - juris Rn. 24; B. v. 11.1.2007 - 14 B 03.572 - juris Rn. 22; B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16; B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23; B. v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3; U. v. 22.12.2011 - 2 B 11.2231, BayVBl. 2012, 535 - juris Rn. 16; B. v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris Rn. 4; B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris Rn. 3; B. v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16). Es müssen rechtlich erhebliche Unterschiede vorliegen, die das Vorhaben als einen sich von der Regel unterscheidenden atypischen Fall erscheinen lassen und dadurch eine Abweichung rechtfertigen können (vgl. BayVGH, B. v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 15; B. v. 11.12.2014 - 15 CS 14.1710 - juris Rn. 19). Diese können sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben (vgl. BayVGH, B. v. 22.9.2006 - 25 ZB 01.1004 - juris Rn. 4; B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16; B. v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris Rn. 4; B. v. 2.12.2014 - 2 ZB 14.2077 - juris Rn. 4; B. v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16). In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen. Hingegen begründen allein Wünsche eines Eigentümers, sein Grundstück stärker auszunutzen als dies ohnehin schon zulässig wäre, noch keine Atypik, da Modernisierungsmaßnahmen, die nur der Gewinnmaximierung dienen sollen, auch in Ballungsräumen nicht besonders schützenswert sind (vgl. BayVGH, B. v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris Rn. 4; B. v. 2.12.2014 - 2 ZB 14.2077 - juris Rn. 3).

Liegt die erforderliche Atypik nicht vor, erweist sich eine trotzdem erteilte Abweichung von der Einhaltung der gesetzlich vorgeschrieben Abstandsflächen von vornherein als rechtswidrig; die Baugenehmigung ist auf eine Nachbarklage hin aufzuheben (vgl. BayVGH, B. v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16).

Liegt die erforderliche Atypik vor, ist weitere Voraussetzung die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen unter Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Interessen. Mit der Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen verlangt das Gesetz - wie bei dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme - eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn (BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 17). Ob eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen werden kann, beurteilt sich dabei nicht allein danach, wie stark die Interessen des betroffenen Nachbarn beeinträchtigt werden. Es ist stets auch zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 20).

3.2 Eine derartige Sondersituation (Atypik) ist im vorliegenden Fall hinsichtlich der streitgegenständlichen Abweichungen gegeben.

Das Bauplanungsrecht gibt hier eine Bebauung unter Beachtung der vorderen Baulinie und der rückwärtigen Baugrenze vor. Bauplanungsrechtlich darf in diesen Bereich auf dem Vorhabengrundstück gebaut werden. Soll auch in diesem Bereich Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen (vgl. BayVGH B. v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3). Dies gilt auch insbesondere deshalb, weil hier im dicht bebauten Altstadtbereich kaum ein Anwesen die Abstandsflächen wahrt (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23 m. w. N.; BayVGH, B. v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 34). Entscheidend ist, ob sich ein Vorhaben vom normativen Regelfall unterscheidet (vgl. BayVGH vom 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 34), was vorliegend aus mehreren, sich gegenseitig verstärkenden Gründen der Fall ist. Zum einen weist das Vorhabengrundstück einen besonderen Grundstücksschnitt auf, zum anderen liegt das Vorhabengrundstück in einem Geviert, das durch eine aus dem Rahmen fallende Bebauung auf dem Bau- und dem Nachbargrundstücken wesentlich geprägt wird. Zudem wird die besondere städtebauliche Situation durch die Lage des Vorhabengrundstücks im historischen Ortskern begründet (vgl. BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16 m. w. N.; B. v. 23.3.2010 - 1 BV 07.2363 - juris Rn. 35; BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23). Da das streitgegenständliche Grundstück an einer nicht geradlinig verlaufenden Straße situiert ist, verlaufen auch die Grundstückgrenzen schräg. Dadurch wirft das streitgegenständliche Bestandsvordergebäude sowie der bündige Anschluss des Vordergebäudes an das klägerische Anwesen unweigerlich Abstandsflächen auf das Grundstück der Klägerin. Die besondere Hinterhofsituation ist ebenfalls durch die nicht rechteckig verlaufenden Grundstückschnitte bedingt. Nicht nur das streitgegenständliche Grundstück, sondern auch die benachbarten Grundstücke haben einen irregulären Grundstücksschnitt. Außerdem sind die Grundstücke im vorliegenden Geviert ausnahmslos massiv bebaut und weisen nur wenig Freifläche im Verhältnis zu ihrer Grundstücksfläche auf. Hinzu kommt, dass das streitgegenständliche Vorhabengrundstück ... Eck 3 mit einer Länge von über 60 m außergewöhnlich lang und zugleich ausgesprochen schmal ist, wobei es sich zudem im Innenhofbereich zunehmend verschmälert. Das Vorhabengrundstück hat an der Straße noch eine Breite von 16,09 m (vermaßt) und verengt sich bis zur schmalsten Stelle mit 10,5 m am Südende. Im Wesentlichen ist das Vorhabengrundstück also im rückwärtigen Bereich bei einer Länge von knapp 65 m zwischen ca. 10,5 m und 11,5 m breit. Angesichts dieses äußerst schmalen Grundstückszuschnitts und der bereits vorhandenen Bestandsbebauung auf dem Vorhabengrundstück ist es nicht möglich, irgendeine über ein Erdgeschoss hinausgehende der Höhenentwicklung der Umgebungsbebauung im maßgeblichen Geviert entsprechende Bebauung auf irgendeinem Teil des gesamten hinteren Grundstücks zu errichten, ohne die Abstandsflächenvorschriften zu verletzen. Jede nutzbare Bebauung auf dem Vorhabengrundstück im Geviertinneren, die über das Erdgeschoss hinausgeht, muss folglich die Abstandsflächenbestimmungen verletzen. Die unmittelbare Umgebungsbebauung weist im rückwärtigen Bereich jedoch erheblich höhere Trauf- und Firsthöhen auf. Das Rückgebäude ... Eck 5 beispielsweise hat mit drei Vollgeschossen sowie ausgebautem Dachgeschoss eine Trauf- und Firsthöhe von 14,62 m bzw. 21,88 m. Das gegenüberliegende Gebäude ...-straße 4 hat vier Vollgeschosse mit 13,11 m Trauf- und 17,35 m Firsthöhe. Das Rückgebäude ... Eck 13 weist eine Traufhöhe von 16,18 m sowie eine Firsthöhe von 17,20 m auf. Hinzu kommt die historisch gewachsene Bebauungsstruktur, die maßgeblich auch auf den historischen Straßenverlauf im streitgegenständlichen Geviert zurückzuführen ist. Wie aus alten Karten von beispielsweise 1644 ersichtlich ist, verliefen die umliegenden Straßen bereits damals in der heutigen Weise. Der historische Straßenverlauf und die damit verbundenen historisch bedingten Grundstückszuschnitte führen dazu, dass in dieser historisch gewachsenen Situation in der Regel jedwede Änderung des historischen Baubestandes zu einer weiteren Verletzung der Abstandsflächen führt. Möchte man diese Grundstücke unter Beachtung der vorgegebenen Bestandsbebauung innerhalb des durch Baulinien und Baugrenzen vorgegebenen Bauraums sinnvoll nutzen, wird man nicht umhin kommen, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch die Zulassung von Abweichungen zu ermöglichen.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung das durch Art. 14 GG geschützte Interesse des Bauherrn an einer sinnvollen Verwertung der vorhandenen Bausubstanz mit einer zeitgemäßen, den Wohnungsbedürfnissen entsprechende Sanierung, Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz durch die Erteilung einer Abweichung Rechnung getragen werden kann, wenn die Änderung weder die Interessen der Nachbarn noch sonstige öffentliche Belange nennenswert beeinträchtigt und die nach heutigem Recht vorgeschriebenen Abstandsflächen wegen der Lage im dicht bebauten Innenstadtbereich nicht einhalten werden können (vgl. BayVGH, B. v. 20.9.2011 - 2 CS 11.1849 - juris Rn. 9 m. w. N.; B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23 m. w. N.; B. v. 8.9.2008 - 1 CS 08.1380 - juris Rn. 17; B. v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris Rn. 2 m. w. N.; B. v. 10.2.2003 - 2 ZB 02.2015 - juris Rn. 2). Die bereits vorhandenen bestandsgeschützten Gebäude auf dem Vorhabengrundstück stellen einen noch nutzbaren und wirtschaftlichen Wert dar. Vorliegend ist infolge des Brandschadens eine Instandsetzung und Erneuerung der zum Teil geschädigten Bausubstanz erforderlich. Bei einer derartigen Erhaltungsmaßnahme an einem bestandsgeschützten Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich kommt man daher nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23). Eine wesentliche Veränderung soll dabei nicht stattfinden, denn bereits in der Baugenehmigung vom ... Dezember 1960 und vom ... November 1961 war das Dachgeschoss als ausgebauter Wohnraum bzw. Atelier dargestellt und genehmigt.

Der vom Klägerbevollmächtigten zitierten Rechtsprechung lagen andere Fallkonstellationen zugrunde, da die Grundstücke dort weder im historisch gewachsenen Altstadtbereich lagen noch in Form und Zuschnitt vergleichbar waren.

Die spezifische Lage des streitgegenständlichen Grundstücks im dicht bebauten Altstadtkern mit zum Teil historischer Bausubstanz in Verbindung mit den besonderen historisch gewachsenen irregulären Grundstücksschnitten im vorliegenden Areal sowie die vorhandene bestandsgeschützte, einen wirtschaftlichen Wert darstellende Bausubstanz begründen für die verfahrensgegenständlichen Abweichungen jeweils eine atypische Situation, die sich vom Regelfall wesentlich unterscheidet.

3.3 Die verfahrensgegenständlichen Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften sind auch mit den öffentlichen und mit den geschützten nachbarlichen Belangen vereinbar.

Zwar wird durch die Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens eine Verschlechterung der abstandsflächenrechtlich geschützten Belange der Klägerin - hier Belichtung und Besonnung - bewirkt, weil dies Folge einer jeden Abweichung ist. Jedoch werden die Schutzziele der Art. 3 und Art. 6 BayBO nicht dergestalt verfehlt, dass eine Abweichung mit den nachbarlichen Belangen unvereinbar wäre. In die erforderliche Interessenabwägung ist zunächst einzustellen, dass der Um- und Ausbau auch der Schaffung von Wohnraum dient und insoweit ein rechtlich beachtliches Bauherreninteresse darstellt (vgl. BayVGH B. v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 5) und durchaus auch im öffentlichen Interesse liegt. Die Schaffung von Wohnraum ist zwar nicht geeignet, das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung zu begründen, aber - bei Vorliegen der erforderlichen Atypik - stellt die Wohnraumschaffung einen gewichtigen öffentlichen Belang dar, der im Rahmen der nach Art. 63 Abs. 1 BayBO vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen ist. Außerdem musste die Klägerin aufgrund der vorliegenden städtebaulichen Situation damit rechnen, dass früher oder später eine der Umgebung angepasste Baulückenschließung durch die Aufstockung des eingeschossigen Seitengebäudes im rückwärtigen Bereich erfolgen würde. Das Maß dessen, was zumutbar ist, ist situationsbedingt. Vorliegend befindet sich das Vorhaben im innerstädtischen Altstadtbereich mit Baustrukturen, die historisch zu einer Zeit gewachsen sind, als das Abstandsflächenrecht in seiner heutigen Fassung noch nicht bestand.

Die Bestandssituation wird mit der Realisierung des Bauvorhabens keine nachhaltige Verschlechterung erfahren. Das klägerische Wohnhaus bleibt von der Veränderung selbst unberührt, insbesondere wird der Lichteinfallswinkel der Fenster des klägerischen Gebäudes durch das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben nicht verringert. Betroffen ist allein der geteerte Freibereich im Hinterhof, der durch die verfahrensgegenständlichen Abweichungen stärker als bisher beeinträchtigt wird. Wie der Augenschein jedoch gezeigt hat, kommt dieser Fläche eine wirkliche Freibereichsqualität nicht zu. In diesem Bereich sind nur Mülltonnen und Fahrräder abgestellt, er wird weder als Gartenfläche genutzt noch dient er den Bewohnern zum Aufenthalt im Freien. Das hinter dem streitgegenständlichen Vorhaben stehende Interesse der Beigeladenen, durch die Nutzungsänderung und den Umbau sowie die Erweiterung des Anwesens zeitgemäßen Wohnraum zu schaffen, ist rechtlich beachtlich. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil im vorliegenden dicht bebauten innerstädtischen Altstadtbereich kaum ein Anwesen die Abstandsflächen wahrt (vgl. BayVGH, B. v. 4.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23; B. v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris). Hinzu kommt, dass dem verfahrensgegenständlichen Bauvorhaben keine nachbarlichen Belange der Klägerin von ausreichendem Gewicht entgegenstehen, da durch die Realisierung die Bestandssituation nicht wesentlich zum Nachteil der Klägerin verändert wird. Das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben ist weder rücksichtslos noch führt es zu einer Reduzierung des erforderlichen Lichteinfallswinkels des Tageslichts von 45°. Im vorliegenden städtebaulichen Zusammenhang führt jede Veränderung der Bestandsbebauung zwangsläufig zu einer gewissen Beeinträchtigung der Belichtungssituation auf dem klägerischen Grundstück. Vorliegend ist dabei jedoch nicht das Wohngebäude betroffen, sondern allein die Hoffläche, die wie bereits dargestellt, nur als Abstellfläche genutzt wird. Insgesamt ist die Verschattungswirkung des Bauvorhabens hinsichtlich des klägerischen Anwesens daher nicht derart gravierend, dass eine Abweichung nicht erteilt werden könnte (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 25).

Bei der Interessenabwägung ist weiter zu berücksichtigen, dass die Beigeladene einen Rechtsanspruch auf Bebauung ihres Grundstücks in dem durch die Umgebung vorgegebenen Nutzungsmaß hat (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 26 m. w. N.). Zudem fällt ins Gewicht, dass das Gebäude der Klägerin die Abstandsflächen zum Grundstück der Beigeladenen ebenfalls nicht einhält und die Klägerin auf ihrem Grundstück das Baurecht auch in großem Umfang, insbesondere im Verhältnis zur Größe ihres eigenen Grundstücks ausgeschöpft hat. Schließlich sind die Grundstückszuschnitte zu beachten. Da das Gebäude der Beigeladenen an der westlichen Grundstücksgrenze ausgerichtet werden muss, wäre die Errichtung eines Bauwerks in der Größenordnung der Nachbarbebauung bei vollständiger Einhaltung der Abstandsflächen angesichts der Schmalheit des Vorhabengrundstücks im Bereich des festgesetzten Bauraums nicht möglich (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 26 m. w. N.). Hinzu kommt das durch Art. 14 GG geschützte Interesse der Beigeladenen an der sinnvollen Verwertung der vorhandenen Bestandsgebäude.

3.4 Die erforderlichen Abweichungen konnten daher von der Beklagten nach pflichtgemäßer Ermessensausübung erteilt werden. Sie hat dabei die gesetzlichen Grenzen des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO beachtet. Das durch Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eingeräumte Ermessen ist ein tatbestandlich intendiertes Ermessen, d. h. sind die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Abweichung gegeben, so ist sie zuzulassen, es sei denn besondere Umstände stünden dem entgegen (vgl. BayVGH, B. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - juris Rn. 38; BayVGH, B. v. 22.7.2003 - 15 ZB 02.1233 - juris Rn. 8; Dhom in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, Stand: Januar 2014, Art. 63 Rn. 39). Denn bereits auf der Tatbestandsseite des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist eine Abwägung vorzunehmen, die jeweils die vorgesehene Abweichung zu den genannten Einzelaspekten in Beziehung setzt und die betroffenen Belange untereinander koordiniert (BayVGH, B. v. 22.7.2003 - 15 ZB 02.1223 - juris Rn. 8). Zu den wesentlichen Zielen der gesetzlichen Abstandsflächenregelung gehört es einen gerechten Ausgleich zwischen den Belangen der benachbarten Grundeigentümer herzustellen. In der vorgegebenen dichtbebauten Altstadtlage würde keine nennenswerte Verbesserung der Situation auf dem klägerischen Grundstück und vor allem nicht in Bezug auf das klägerische Wohnhaus eintreten, wenn man der Beigeladenen das verfahrensgegenständliche Vorhaben verwehren würde.

3.5 Die mit Bescheid vom ... Mai 2014 erteilten Abweichungen für das südliche und nördliche Seitengebäude waren zunächst, obschon es bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 63 BayBO auf die im Bescheid angegebenen Ermessenserwägungen nicht im Einzelnen ankommt (BayVGH, B. v. 22.7.2003, a. a. O.), vorliegend dennoch zu knapp und pauschal. Diese Mängel sind allerdings durch den Nachgangsbescheid vom ... Oktober 2014 behoben worden. Die Beklagte hat im Nachgangsbescheid vom ... Oktober 2014 zudem eine Gesamtschau und Gesamtwürdigung der hier im vorliegenden Fall erforderlichen abstandsrechtlichen Abweichungsentscheidungen vorgenommen, da sie nicht lediglich zwei zusätzliche Abweichungen erteilt, sondern ihre bereits erteilten Abweichungen nachträglich ergänzend begründet hat. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung von den Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO liegen hier vor, da im Rahmen der Ausübung des „Abweichungsermessens“ die vorstehenden Ausführungen zum Rücksichtnahmegebot gelten (vgl. BayVGH, U. v. 07.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 35; B. v. 23.10.2010 - 1 BV 07.2363 - juris Rn. 35).

4. Da die Klägerin ihre Ausführungen hinsichtlich der einzelnen Abweichungen im Hauptsacheverfahren gegenüber ihren Ausführungen im Eilverfahren nicht ergänzt hat, wird insoweit auf die Ausführungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verwiesen (vgl. VG München, B. v. 13.11.2014 - M 8 SN 14.3336). Soweit in der mündlichen Verhandlung die Abweichungsentscheidung für die Seitenwand der Dachgaube auf dem Vordergebäude von der Beklagten ergänzt wurde, hat sie dies getan, um der nach Erlass der streitgegenständlichen Baugenehmigung und erst kurz vor der mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren geänderten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Beschluss vom 11. November 2015 (Az.: 2 CS 15.1251) gerecht zu werden. Diese ergänzte Abweichung ist im Ergebnis ebenfalls nicht zu beanstanden.

5. Soweit die Klägerin rügt, durch die Summenwirkung der sich von vier Seiten auf ihrem Grundstück treffenden Abstandsflächen in ihren Rechten verletzt zu sein, kann das Gericht diesem Einwand nicht folgen. Ein Fall der Erstreckung von Abstandsflächen auf das Grundstück der Klägerin (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 BayBO) liegt hier gerade durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht vor, da die erteilten Abweichungen auf eine entsprechende Verkürzung der gesetzlichen Tiefe der Abstandsfläche abzielen (vgl. BayVGH, B. v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris Rn. 2; Dhom, in: Simon/Busse, BayBO, Kommentar Stand Januar 2014, Art. 63 Rn. 46).

6. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

7. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 7.500.- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Fabrikhalle in ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinheiten.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er ein Holzbearbeitungsunternehmen betreibt. Auf dem angrenzenden Vorhabengrundstück des Beigeladenen steht eine nicht mehr genutzte Fabrikhalle, die mit dem Betriebsgebäude des Klägers baulich verbunden ist. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beklagten, der ein allgemeines Wohngebiet ausweist und für die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen erweiterten "Bestandsschutz gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO für bestehende Nutzung" festsetzt. Aus einem von der Beklagten im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die im Betrieb des Klägers vorhandenen Schallquellen an der nächstgelegenen Seite des Gebäudes des Beigeladenen Beurteilungspegel bis 70 dB(A) hervorrufen.

3

Die Baugenehmigung erteilte die Beklagte "nach Maßgabe der beigefügten geprüften Bauvorlagen". In einer mit einem Grünstempel versehenen schalltechnischen Untersuchung eines Ingenieurbüros heißt es, zur Beurteilung der Geräuschimmissionen des Betriebs des Klägers würden in Abstimmung mit der Beklagten die Beurteilungspegel des im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachtens herangezogen. In Abstimmung mit der Beklagten würden im Hinblick auf die ausschließlich an einer Seite des Gebäudes des Beigeladenen auftretende Überschreitung des Immissionsrichtwerts tags um 10 dB(A) keine aktiven Schallschutzmaßnahmen, sondern passive in Form von Schallschutzfenstern mit Belüftungseinrichtungen und einem Schalldämmmaß von mindestens 41 dB(A) für alle schutzbedürftigen Räume ausgearbeitet. Damit würden die Anhaltswerte für Innenschallpegel eingehalten. In einem ebenfalls grüngestempelten Schreiben des vom Beigeladenen beauftragten Planungsbüros an die Beklagte wird zur Ergänzung der Baubeschreibung ausgeführt, die Schallschutzmaßnahmen der schalltechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros würden eingebaut und unterhalten.

4

Das die Baugenehmigung aufhebende Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen geändert und die Klage abgewiesen. Weder bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans noch bei unterstellter Unwirksamkeit bestehe ein Aufhebungsanspruch des Klägers. Die genehmigte Wohnnutzung sei jedenfalls zulässig und verstoße nicht zum Nachteil des Klägers gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme, das auch im Fall der Wirksamkeit des Bebauungsplans anwendbar sei, weil der Bebauungsplan den konkreten Immissionskonflikt nicht abschließend bewältige. Ob dem betroffenen Nachbarn Geräuschimmissionen zuzumuten seien, sei grundsätzlich anhand der TA Lärm zu bestimmen. Nach ihrer Nr. 6.1 sei am Wohnbauvorhaben des Beigeladenen an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden grundsätzlich der hier allein maßgebliche Tag-Immissionsrichtwert von 55 dB(A) einzuhalten. Dieser Wert sei in Anwendung von Nr. 6.1 c und Nr. 6.7 der TA Lärm auf einen "Mittelwert" von tagsüber 60 dB(A) zu erhöhen, weil sich das Wohnbauvorhaben in einer faktischen Gemengelage befinde. Ein solcher Wert lasse sich zwar nicht vollumfänglich einhalten. Das Rücksichtnahmegebot ermögliche und gebiete aber zusätzliche Differenzierungen mit der Folge, dass die grobmaschigen baugebietsbezogenen Richtwerte je nach Lage des Einzelfalls durch situationsbezogene Zumutbarkeitskriterien zu ergänzen seien. So sei ein Wohnbauvorhaben auf einem durch gewerblichen Lärm erheblich vorbelasteten Grundstück rücksichtslos und daher unzulässig, wenn bei seiner Verwirklichung auf naheliegende, technisch mögliche und wirtschaftlich vertretbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen verzichtet werde, welche eine erhebliche Lärmbetroffenheit der Wohnnutzung spürbar mindern würden. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO begründe insoweit eine Obliegenheit des Bauherrn zu "architektonischer Selbsthilfe", verlange aber auch vom Betreiber des - bestands-geschützten - emittierenden Gewerbebetriebs, auf die für das Nachbargrundstück festgesetzte (heranrückende) Wohnbebauung Rücksicht zu nehmen. Welche Maßnahmen dem zur Rücksichtnahme auf seine Nachbarschaft verpflichteten Anlagenbetreiber zumutbar seien, bestimme sich nach den (dynamischen) Betreiberpflichten des § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Auch passiver Schallschutz könne ein zu berücksichtigender Baustein der "architektonischen Selbsthilfe" sein. Die im Gutachten des Ingenieurbüros vorgesehenen passiven Schallschutzmaßnahmen, die Bestandteil der Baugenehmigung geworden seien und ausweislich der Erklärung von Beklagter und Beigeladenem in der mündlichen Verhandlung für alle schutzbedürftigen Räume einschließlich Loggia gälten, sicherten, dass die Anhaltswerte für Innenschallpegel in Wohnräumen von tags 30 bis 35 dB(A) und in Schlafräumen von 25 bis 30 dB(A) (Mittelungspegel) von schutzbedürftigen Räumen nach VDI 2179 eingehalten werden könnten.

5

Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Vorinstanz gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass das Vorhaben trotz einer Überschreitung der (Außen-)Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 und Nr. 6.7 der TA Lärm aufgrund der festgesetzten passiven Schallschutzmaßnahmen zulässig sei. Passive Schallschutzmaßnahmen führten nicht zu einer Reduzierung des maßgeblichen Außen-Immissionsrichtwertes und seien nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig. Ohnehin sei das Rücksichtnahmegebot bereits in der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung aufgegangen, weil auch für den Konflikt zwischen den streitbefangenen Grundstücken der für andere Grundstücke festgesetzte Immissionswert von 60 dB(A) gelte. Außerdem verstoße die streitgegenständliche Baugenehmigung gegen das Bestimmtheitsgebot. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht unter Verletzung der Aufklärungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör den unter Beweis gestellten Sachvortrag, dass die Immissionsrichtwerte im Gebäudeinneren gemäß Nr. 6.2 der TA Lärm aufgrund der vorhandenen Gebäudeverbindung nicht eingehalten würden, zu Unrecht unbeachtet gelassen.

6

Beklagte und Beigeladener verteidigen das angegriffene Urteil.

7

Nach Ansicht der Beklagten zählen passive Schallschutzmaßnahmen zu den Mitteln der "architektonischen Selbsthilfe". Das ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Je nach den Umständen des Einzelfalls könne es - zumal wenn wie hier Außenwohnbereiche nicht betroffen seien - abwägungsfehlerfrei sein, eine Minderung der Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu erreichen.

8

Der Beigeladene hält den Bebauungsplan für unwirksam, weil er keine Konfliktlösung in Bezug auf sein Grundstück biete. Deswegen sei sein Vorhaben an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen. Es halte sich im vorgezeichneten Rahmen und verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Zum einen seien die Lärmgutachten von Betriebszuständen ausgegangen, die nicht dem Stand der Lärmminderungstechnik entsprächen und die, würden sie real ausgeführt, nach § 22 BImSchG untersagt werden könnten. Zum anderen seien die von ihm angebotenen und damit zum Bestandteil der Baugenehmigung gewordenen Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe prinzipiell geeignet, im Rahmen einer Bewertung anhand des Gebotes der Rücksichtnahme Berücksichtigung zu finden. So würden die unmittelbar dem Grundstück des Klägers zugewandten Aufenthaltsräume während der Betriebszeiten ständig geschlossen gehalten und Fenster mit einem Schalldämmmaß ausgestattet, das die Einhaltung der Nr. 6.2 TA Lärm (Innenraumschutz) sicherstelle. Die Außenwohnbereiche befänden sich im Lärmschatten des Gebäudes.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.

10

1. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen allerdings nicht durch. Sie genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO.

11

a) Mit seiner Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) macht der Kläger geltend, das Gericht hätte die Beschaffenheit des Verbindungstunnels zwischen den Gebäuden des Klägers und des Beigeladenen weiter aufklären müssen. Da er hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Beweisantrag gestellt hat, hätte er mit der Revision darlegen müssen, aus welchen Gründen sich der Vorinstanz die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. hierzu etwa Urteil vom 11. Juli 2002 - BVerwG 4 C 9.00 - Buchholz 451.17 § 12 EnergG Nr. 1 S. 12 f.). Das ist nicht geschehen. Aufgrund des - auch auf Nachfrage der Vorinstanz - lediglich allgemein gehaltenen und nicht gebäudebezogenen privatgutachterlichen Vorbringens des Klägers und der Feststellungen des Berichterstatters im Rahmen der Ortsbesichtigung ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass sich solche Aufklärungsmaßnahmen aufgedrängt hätten.

12

b) Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nicht erheben, wer sich rechtliches Gehör durch entsprechende Beweis- oder Vertagungsanträge in der mündlichen Verhandlung hätte verschaffen können (Beschluss vom 4. August 2008 - BVerwG 1 B 3.08 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 70 Rn. 9 m.w.N.). Es ist weder dargelegt noch erkennbar, warum der Kläger dies im Hinblick auf die nach seiner Ansicht zeitlich und inhaltlich unzumutbare Aufforderung des Oberverwaltungsgerichts zur Substantiierung seines Vorbringens zum Verbindungstunnel nicht getan hat.

13

2. Dass das Oberverwaltungsgericht die Bestimmtheit der angegriffenen Baugenehmigung auf der Grundlage seiner Auslegung dieses Verwaltungsakts bejaht hat, lässt ebenfalls keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Mit seiner Rüge eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz setzt der Kläger dieser Auslegung lediglich eine eigene Auslegung der Baugenehmigung gegenüber, aus der er ihre unzureichende Bestimmtheit ableitet. Die Auslegung eines Verwaltungsakts ist jedoch Sache des Tatsachengerichts und jedenfalls dann, wenn dieses sich - wie hier - dazu verhalten hat (Beschluss vom 6. April 2004 - BVerwG 4 B 2.04 - juris Rn. 8) und die Auslegung keinen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (Urteil vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 6 C 36.11 - juris Rn. 26), der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen. Die Anforderungen des - revisiblen - Bestimmtheitsgebots (dazu etwa Urteil vom 2. Juli 2008 - BVerwG 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11) hat das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt. Soweit es dabei die Einbeziehung von grüngestempelten und damit eindeutig von der Behörde gekennzeichneten Antragsunterlagen des Beigeladenen sowie in der mündlichen Verhandlung abgegebenen und somit dem Kläger bekannten Erklärungen der Beklagten und des Beigeladenen als zulässig angesehen hat, ist dies bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

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3. Das Oberverwaltungsgericht durfte jedoch das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO nicht deswegen als gewahrt ansehen, weil der Beigeladene im Wege der architektonischen Selbsthilfe passive Schallschutzmaßnahmen für die ihm genehmigte Wohnnutzung vorgesehen hat.

15

a) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Rücksichtnahmegebot im vorliegenden Fall unabhängig von der Wirksamkeit des Bebauungsplans Anwendung findet. Der Einwand des Klägers, das Rücksichtnahmegebot sei im Falle der Wirksamkeit des Bebauungsplans bereits aufgrund der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung des Ortsgesetzgebers "aufgezehrt" (vgl. hierzu Beschluss vom 11. Juli 1983 - BVerwG 4 B 123.81 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 54), greift nicht durch. Auch insoweit stellt der Kläger der bindenden und irrevisiblen Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) lediglich seine eigene Auslegung gegenüber.

16

b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <318 f.> und vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <243>) stellt sich § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO als eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und als eine zulässige Bestimmung des Eigentumsinhalts (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) dar. Diese Vorschrift soll ebenso wie die übrigen Tatbestandsalternativen des § 15 Abs. 1 BauNVO gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt dies nicht nur zu einer Pflichtigkeit desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Immissionen aussetzt. Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausgegangen.

17

c) Ebenfalls zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht als Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Störung die TA Lärm herangezogen. Obwohl aber nach seinen bindenden Feststellungen das genehmigte Wohnbauvorhaben gemessen an den Immissionsrichtwerten der Nr. 6.1 einschließlich Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 der TA Lärm an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden unzumutbaren Geräuschimmissionen ausgesetzt ist, hat das Oberverwaltungsgericht eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots verneint, weil es angesichts der Vorbelastung des Vorhabengrundstücks durch gewerblichen Lärm noch Raum lasse, den gebotenen Interessenausgleich im Wege der architektonischen Selbsthilfe durch passive Schallschutzmaßnahmen zu bewirken. Diese Annahme verstößt gegen Bundesrecht.

18

aa) Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z.B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (Urteil vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 m.w.N.).

19

Diese Bindungswirkung besteht in gleicher Weise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO konkretisierte Rücksichtnahmegebot fordert. Denn das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319 f.). Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die TA Lärm enthalte lediglich Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von emittierenden Anlagen, regele aber nicht den Konflikt mit einer an eine latent störende gewerbliche Nutzung heranrückenden Wohnbebauung und sei deswegen für deren bauaufsichtliche Genehmigung nicht maßgeblich (so aber VGH Mannheim, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - 5 S 1904/06 - NVwZ-RR 2007, 168 <169 f.>). Aus der Spiegelbildlichkeit der dargelegten gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Rücksichtnahmegebot für die konfligierenden Nutzungen ergibt sich vielmehr, dass mit der Bestimmung der Anforderungen an den emittierenden Betrieb auf der Grundlage der TA Lärm zugleich das Maß der vom Nachbarn zu duldenden Umwelteinwirkungen und mithin die - gemeinsame - Zumutbarkeitsgrenze im Nutzungskonflikt feststeht. Dass etwaige Lärmminderungspflichten, die sich aus der Anwendung der TA Lärm für den emittierenden Gewerbebetrieb ergeben können, nicht - etwa in Form einer Auflage - zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht werden können, steht nicht entgegen. Denn als Teil der vom Rücksichtnahmegebot geforderten Zuordnung der Nutzungen gehören die gebotenen Lärmminderungsmaßnahmen zur Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung und sind gegebenenfalls im Wege der §§ 24 und 22 BImSchG gegen den Gewerbebetrieb durchzusetzen. Auch aus der in der früheren Rechtsprechung des Senats verwendeten Formulierung, die TA Lärm gelte in diesen Fällen "nicht unmittelbar" (Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319), folgt nichts anderes. Der Senat hat hiermit keine Abstriche am Umfang ihrer Anwendbarkeit und Bindungswirkung verbunden.

20

bb) Passive Lärmschutzmaßnahmen als Mittel der Konfliktlösung zwischen Gewerbe und Wohnen sieht die TA Lärm nicht vor. Nach ihrer Nr. 6.1 sind für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigung außerhalb der betroffenen Gebäude gelegene Immissionsorte maßgeblich. Sie können durch passive Schallschutzmaßnahmen, wie sie die angefochtene Baugenehmigung vorschreibt, nicht beeinflusst werden. Aus Nr. 6.2 der TA Lärm folgt nichts anderes. Die Vorschrift regelt den Sonderfall der Körperschallübertragung und kann deswegen nicht als "Auffangregelung" verstanden werden, aus der abzuleiten wäre, dass letztlich maßgeblich auf - durch passive Schallschutzmaßnahmen beeinflussbare - Innen-Immissionswerte abzustellen ist. Soweit es - wie hier - um die Beurteilung von Luftschall geht, der über die Außenfassade einwirkt, sind die Außen-Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 anzuwenden (vgl. auch Feldhaus, Bundesimmissionsrecht, Bd. 4, Stand August 2012, Rn. 29 zu Nr. 6 TA Lärm).

21

cc) Auch die von der TA Lärm belassenen Spielräume bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze eröffnen nicht die Möglichkeit, der Überschreitung der Außen-Immissionsrichtwerte durch Anordnung von passivem Lärmschutz zu begegnen.

22

Entgegen der Ansicht des Beigeladenen kann insoweit nicht Nr. 3.2.2 der TA Lärm herangezogen werden, die eine ergänzende Prüfung im Sonderfall ermöglicht. Die Voraussetzungen der in Buchstaben a bis d genannten Umstände, bei deren Vorliegen eine solche Sonderfallprüfung "insbesondere" in Betracht kommt, sind nicht gegeben. Namentlich sind besondere Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit und der sozialen Adäquanz der Geräuschimmission (Buchst. d) nicht schon dann zu bejahen, wenn sie von einer bestandskräftigen Genehmigung des emittierenden Gewerbebetriebs gedeckt ist. Auch begründet wegen des anzulegenden strengen Maßstabs für eine Sonderfallprüfung (Feldhaus a.a.O. Rn. 63 zu Nr. 3 TA Lärm) allein der Umstand, dass der Konflikt durch eine Gemengelage bedingt ist, noch keine besondere Standortbindung (Buchst. b).

23

Ein unbenannter Anwendungsfall der Regelung ist auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auszuschließen. Das folgt schon daraus, dass die insoweit allein in Betracht kommenden Umstände (Gemengelage, Vorbelastung, Prioritätsprinzip, konkrete Schutzwürdigkeit und Gebietsprägung) bereits Gegenstand der Regelung in Nr. 6.7 sind, die mit der Zwischenwertbildung eine auf die Gemengelagesituation und die genannten Umstände zugeschnittene Lösung enthält (vgl. auch Feldhaus a.a.O. m.w.N.). Es liegt fern, dass die TA Lärm für den Fall, dass - wie hier - trotz Zwischenwertbildung die Zumutbarkeit des Vorhabens nicht gewährleistet werden kann, aus denselben Gesichtspunkten einen zusätzlichen Spielraum für eine Lösung eröffnet, die, wie das Oberverwaltungsgericht nicht verkennt, die Rechtsordnung nur in gesetzlich ausdrücklich normierten Fällen unter strengen Voraussetzungen vorsieht.

24

Die Möglichkeit, einer Überschreitung der nach Nr. 6.1 und Nr. 6.7 maßgeblichen Immissionsrichtwerte mit passivem Lärmschutz zu begegnen, müsste auch das Schutzziel der TA Lärm verfehlen. Aus der Maßgeblichkeit der Außen-Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 und der Definition des maßgeblichen Immissionsortes in A.1.3 des Anhangs der TA Lärm - bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes - ergibt sich, dass dieses Regelungswerk - anders als etwa für Verkehrsanlagen die 16. und 24. BImSchV - den Lärmkonflikt zwischen Gewerbe und schutzwürdiger (insbesondere Wohn-) Nutzung bereits an deren Außenwand und damit unabhängig von der Möglichkeit und Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gelöst wissen will. Damit sichert die TA Lärm von vornherein für Wohnnutzungen einen Mindestwohnkomfort, der darin besteht, Fenster trotz der vorhandenen Lärmquellen öffnen zu können und eine natürliche Belüftung sowie einen erweiterten Sichtkontakt nach außen zu ermöglichen, ohne dass die Kommunikationssituation im Innern oder das Ruhebedürfnis und der Schlaf nachhaltig gestört werden können. Soweit andere Regelwerke wie die schon genannte 16. und 24. BImSchV passiven Lärmschutz zur Lösung des Nutzungskonflikts zulassen und damit einen geringeren Mindestwohnkomfort als Schutzziel zugrundelegen, beruht dies auf dem öffentlichen Interesse, das an den von diesen Regelungen erfassten (Verkehrs-)Anlagen besteht und weiterreichende Beschränkungen des Eigentumsinhalts zulasten der von Immissionen betroffenen Anliegern rechtfertigt.

25

Der von der TA Lärm gewährte Schutzstandard steht auch nicht zur Disposition des Lärmbetroffenen und kann nicht durch dessen Einverständnis mit passiven Schallschutzmaßnahmen suspendiert werden. Denn das Bauplanungsrecht regelt die Nutzbarkeit der Grundstücke in öffentlich-rechtlicher Beziehung auf der Grundlage objektiver Umstände und Gegebenheiten mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften städtebaulichen Ordnung und Entwicklung. Das schließt es aus, das bei objektiver Betrachtung maßgebliche Schutzniveau auf das Maß zu senken, das der lärmbetroffene Bauwillige nach seiner persönlichen Einstellung bereit ist hinzunehmen (Urteil vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <324>).

26

dd) Schließlich bietet auch der Gesichtspunkt der architektonischen Selbsthilfe keine Rechtfertigung für die vom Oberverwaltungsgericht für zulässig angesehene Konfliktlösung mit Mitteln des passiven Lärmschutzes. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass sich aus dem Rücksichtnahmegebot die Obliegenheit des Bauherrn ergeben kann, durch Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe den Lärmkonflikt mit einem benachbarten Gewerbebetrieb in einer Weise zu lösen, die die Zumutbarkeit der ihn treffenden Immissionen gewährleistet und somit die Erteilung der Baugenehmigung für sein Vorhaben ermöglicht. Auf dieser Grundlage können dem Bauherrn im Anwendungsbereich der TA Lärm aber nur mit diesem Regelwerk vereinbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen abverlangt werden. Das schließt immissionsreduzierende Maßnahmen wie Veränderungen der Stellung des Gebäudes, des äußeren Zuschnitts des Hauses oder der Anordnung der Wohnräume und der notwendigen Fenster, ohne Weiteres mit ein (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 323). Dasselbe gilt, soweit dies bauordnungsrechtlich zulässig ist, für den Einbau nicht zu öffnender Fenster (vgl. Beschluss vom 7. Juni 2012 - BVerwG 4 BN 6.12 - juris), die keine relevanten Messpunkte im Sinne von Nr. 2.3 der TA Lärm i.V.m. Nr. A.1.3 ihres Anhangs darstellen. Passiver Lärmschutz als Mittel der architektonischen Selbsthilfe kann daher nur außerhalb des Anwendungsbereichs der TA Lärm und bei - hier nicht einschlägiger - Anwendung solcher Regelwerke in Betracht kommen, die diese Möglichkeit zulassen (vgl. Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - BVerwGE 128, 238 Rn. 16 f.).

27

4. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann der Senat nicht entscheiden, ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze mit Blick auf die Bereitschaft des Beigeladenen, passiven Lärmschutz vorzusehen, unter Zugrundelegung derjenigen Lärmimmissionen ermittelt, die für das Grundstück des Beigeladenen im ungünstigsten Fall zu erwarten sind. Der Frage, welche Lärmminderungsmaßnahmen dem Kläger nach den (unter 3. b) dargelegten Vorgaben des Rücksichtnahmegebots obliegen, ist das Oberverwaltungsgericht nicht nachgegangen. Das wird es nachzuholen haben. Die dem zur Rücksichtnahme verpflichteten Kläger insoweit zumutbaren Maßnahmen bestimmen sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG (Urteil vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <246 f.> m.w.N). Dass Möglichkeiten der Lärmminderung beim Gewerbebetrieb des Klägers, mit denen der nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts maßgebliche Außen-Immissionswert von 60 dB(A) eingehalten werden könnte, schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen wären, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Auf die bestandskräftige Genehmigung seines Betriebs kann sich der Kläger gegenüber seinen dynamisch angelegten Grundpflichten aus § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht berufen (vgl. Urteil vom 18. Mai 1995 a.a.O). Anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 21 f.) offenbar annimmt, sind diese Pflichten gegenüber - wie hier - heranrückender Wohnbebauung nicht von vornherein auf solche Lärmminderungsmaßnahmen beschränkt, zu denen der Gewerbebetrieb bereits gegenüber der vorhandenen Wohnbebauung verpflichtet gewesen wäre.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.