Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. Juli 2016 wird in Ziffer I. dahingehend geändert, dass die vom Beklagten an den Kläger zu erstattenden notwendigen Aufwendungen auf insgesamt 731,37 Euro festgesetzt werden. Im Übrigen wird der Antrag auf Entscheidung des Gerichts gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller (Kläger) trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller hat im Klageverfahren (Az. M 7 K 15.3412) die Festsetzung eines Abschussplans für Rotwild angefochten und wendet sich nunmehr gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten für Frau … S. (im Folgenden: Frau S.) weitgehend abgelehnt wurde.

Am 25. November 2015 war zu verschiedenen Klagen des Antragstellers im Zusammenhang mit der Festsetzung von Abschussplänen (Aktenzeichen M 7 K 15.3412, M 7 K 15.4311 und M 7 K 14.4367) mündlich verhandelt worden. Frau S. ist in dieser Verhandlung im Verfahren M 7 K 14.4367 als Rechtsbeistand auf Seiten des Antragstellers aufgetreten, in den übrigen Verfahren wurde der Antragsteller in diesem Termin von Herrn Rechtsanwalt … vertreten. Mit Beweisbeschluss der Kammer vom 27. November 2015 wurde ein Sachverständiger mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens zu der Frage, wie sich die Verbisssituation durch Verbiss von Rotwild im Eigenjagdrevier … in der Hegegemeinschaft Werdenfels-Ost darstellt, beauftragt. Frau S. bestellte sich mit Schreiben vom 6. Dezember 2015 im Verfahren M 7 K 15.3412 neben dem bevollmächtigten Rechtsanwalt … zur Bevollmächtigten gem. § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VwGO. Der Ortstermin im Rahmen der Gutachtenerstellung fand am 7. Dezember 2015 in Anwesenheit des Antragstellers und Frau S. statt. Der mit Ladung vom 26. November 2015 ursprünglich auf 16. Dezember 2015 terminierte Fortsetzungstermin im Verfahren M 7 K 15.3412 wurde mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 auf den 10. Februar 2016 verlegt, da die dem Gutachter überlassenen Gerichts- und Behördenakten dem Gericht noch nicht wieder vorlagen und das Gutachten fehlte.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 24. März 2016 wurde die Festsetzung von Auslagen für den „Rechtsbeistand S. gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 5, § 15 Abs. 2, § 16 JVEG“ beantragt. Im Einzelnen handelt es sich um Auslagen i. H. v. 343,50 Euro für die Teilnahme an dem Gutachtertermin am 7. Dezember 2015, um Stornierungsaufwendungen von 26,50 Euro wegen einer nicht stattgefundenen mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2015 sowie um Auslagen von 243,00 Euro plus 87,75 Euro für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 10. Februar 2016.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Juli 2016, dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 18. Juli 2016 zugestellt, lehnte die Urkundsbeamtin die Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Teilnahme von Frau S. an dem Gutachtertermin am 7. Dezember 2015 teilweise und die Erstattungsfähigkeit der weiter geltend gemachten Kosten gänzlich ab. Zur Begründung führt sie aus, dass die Kosten für die Teilnahme am Gutachtertermin nur insoweit erstattungsfähig seien, als sie die Kosten nicht überstiegen, die entstanden wären, wenn der Hauptbevollmächtigte ... den Termin wahrgenommen hätte. Die Kosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 10. Februar 2016 seien nicht erstattungsfähig, da nur die Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten erstattungsfähig seien.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2016 beantragte die Antragspartei die Entscheidung des Gerichts bezüglich der bei der Festsetzung nicht berücksichtigten Reisekosten von Frau S. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen in den Kostenfestsetzungsanträgen vom 24. März und 20. Mai 2016 wurde zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, dass Frau S. über die Befähigung zum Richteramt nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VwGO verfüge. Mit mehr als 35 Jahresjagdscheinen sei sie als fachkundiger Beistand zu den Terminen herangezogen worden. Ihre zusätzliche fachliche Kompetenz auf dem Gebiet des Verfahrensgegenstands sei für die Termine notwendig und ihre Beiziehung zweckentsprechend und erforderlich gewesen. Nach dem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung am 25. November 2015 habe das Gericht es für notwendig befunden, einen Gutachter zu bestellen und einen zeitnahen weiteren Verhandlungstermin anzuberaumen. Als Verhandlungstermin sei ursprünglich der 16. Dezember 2015 angesetzt worden, an dem Frau S. den Kläger wegen dessen Urlaubsabwesenheit hätte vertreten sollen. In der Zwischenzeit sollte das Gutachten erstellt werden. Frau S. sei auch vertretungshalber für den verhinderten Bevollmächtigten des Klägers für den Gutachtertermin vom 7. Dezember 2015 eingeschaltet worden. Es sei von vorne herein festgestanden, dass nicht der bevollmächtigte Rechtsanwalt, sondern Frau S. auf Seiten des Klägers an diesem Termin teilnehmen würde. Der ursprünglich für 16. Dezember 2015 anberaumte Termin sei kurzfristig am 14. Dezember 2015 aufgehoben und auf 10. Februar 2016 verlegt worden. Die Anwesenheit von Frau S. an diesem Termin sei aufgrund der Wahrnehmung des Gutachtertermins erforderlich gewesen, da nur sie einen eigenen Eindruck von den örtlichen Gegebenheiten gehabt habe. Der Bevollmächtigte des Klägers sei zwar über den Verlauf des Ortstermins unterrichtet worden, doch könne selbst die sorgfältigste Berichterstattung nicht alle Facetten eines möglichen Verlaufes der Angaben des Gutachters vorhersehen und einen Dritten entsprechend vorab informieren. Der Kläger habe zwar sowohl an der Ortsbesichtigung wie auch am Termin am 10. Februar 2016 teilgenommen, habe aber als juristischer Laie, Waldeigentümer und Beteiligter naturgemäß einen anderen Blickwinkel.

Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung nicht ab und legte sie mit Schreiben vom 1. August 2016 dem Gericht zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom 29. August 2016 äußerte sich der Antragsgegner dahingehend, dass die Kosten für Frau S. nicht erstattungsfähig seien, da keine Notwendigkeit für ihre Teilnahme an den Terminen bestanden habe. Der Bevollmächtigte des Antragstellers sei umfassend informiert worden und habe sich in Schriftsätzen umfangreich und detailliert zum Sachverständigengutachten und dem Termin am 7. Dezember 2015 geäußert. Der Antragsteller habe an dem Termin teilgenommen und habe daher in der mündlichen Verhandlung waldfachbezogene Aussagen über den Verlauf des Termins machen können. Es sei fraglich, ob die Teilnahme eines Rechtsanwalts an einem Termin des Sachverständigen überhaupt notwendig sei.

Mit Schreiben vom 9. September 2016 erwiderte der Bevollmächtigte des Antragstellers, dass auch ein der Amtsermittlung und der Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung dienender Termin zur Rechtsverfolgung notwendig sei. Eine Teilnahme nur des Klägers an der zweiten mündlichen Verhandlung am 10. Februar 2016 hätte nicht genügt, um die Anhörung des Sachverständigen ohne Rechtsschutzeinschränkungen absolvieren zu können. Es sei im Sachverständigentermin nicht lediglich um „waldfachbezogene“ Fragen gegangen, wobei schon unklar sei, was damit gemeint sei, sondern inhaltlich auch um die richtige Anwendung einer normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift bzw. um die eingehende Befragung des gerichtlichen Gutachters. Zwar sei der Bevollmächtigte des Klägers unterrichtet worden, doch seien der Bericht, die Zuarbeit und die Anwesenheit von Frau S. zur Rechtsverfolgung unerlässlich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Akten in den Verfahren M 7 M 16.3397 und M 7 K 15.3412 Bezug genommen.

II.

Über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin entscheidet das Gericht in der Besetzung, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen worden ist (vgl. BayVGH, B. v. 3.12.2003 - 1 N 01.1845 - juris Rn. 10 m. w. N.; BayVGH, B. v. 19.1.2007 - 24 C 06.2426 - juris Rn. 19), vorliegend somit die Kammer.

Die zulässige Kostenerinnerung gem. §§ 165, 151 VwGO ist lediglich in der Höhe von 26,50 Euro für die Kosten der Stornierung von Bahntickets begründet, im Übrigen unbegründet.

Die angefallenen Kosten für die Stornierung der Online-Tickets samt Platzreservierung für eine Hin- und Rückfahrt für die Strecke Kassel-Wilhelmshöhe - München in Höhe von 26,50 Euro für die ursprünglich für den 16. Dezember 2015 anberaumte und kurzfristig verlegte mündliche Verhandlung sind erstattungsfähig. An diesem Termin sollte der verhinderte Antragsteller von Frau S. vertreten werden. Der Termin wurde am 14. Dezember 2015 kurzfristig aufgehoben, die geltend gemachten (Stornierungs-) Kosten waren daher unvermeidbar (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, B. v. 8.3.2010 - 2 W 13/10 - juris Ls. 2, Rn. 4).

Im Übrigen hat die Urkundsbeamtin die geltend gemachten Aufwendungen für Frau S. zu Recht weitgehend abgelehnt. Gem. § 162 Abs. 1 VwGO gehören zu den erstattungsfähigen Kosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten (BVerwG, B. v. 3.7.2000 - 11 A 1/99, 11 KSt 11 KSt 2/99 - juris Rn. 2 m. w. N.). Die Notwendigkeit einer Aufwendung beurteilt sich aus der Sicht einer verständigen Partei, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten (BVerwG, a. a. O.; BVerwG, B. v. 30.9.2014 - 9 KSt 6/14, 9 KSt 6/14 (9 A 14/12) - juris Rn. 3). Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind regelmäßig nur die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands als notwendig anzusehen (vgl. BayVGH, B. v. 26.6.2015 - 4 M 15.1062 - juris Rn. 11 f.; VGH BW, B. v. 1.2.2011 - 2 S 102/11 - juris Rn. 8). Die Kosten mehrerer Bevollmächtigter sind gem. § 173 VwGO i. V. m. § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Bevollmächtigten nicht übersteigen oder als in der Person des Bevollmächtigten ein Wechsel eintreten musste, also zwingende Gründe für einen Wechsel vorliegen (vgl. VGH BW, B. v. 1.2.2011 - 2 S 102/11 - juris Rn. 8 ff.). Weiter gilt, dass nur in besonderen Ausnahmefällen die Kosten eines zweiten Bevollmächtigten als notwenige Kosten erstattungsfähig sein können, etwa wenn sehr spezielle Kenntnisse auf einem schwierigen Gebiet erforderlich sind (vgl. OLG Frankfurt a.M., B. v. 14.3.1977 - 20 W 39/77 - JZ 1977, 404 f.; OLG München, B. v. 4.5.1966 - 11 W 1197/65 - NJW 1966, 2069 f.).

Der Antragsteller war im Verfahren M 7 K 15.3412 durch seinen Rechtsanwalt ... vertreten, dessen Anwaltskosten gemäß dem Kostenfestsetzungsantrag vom 24. März 2016 antragsgemäß festgesetzt worden sind. Frau S. ist in diesem Verfahren nicht als Anwalt oder Rechtsbeistand i. S. d. § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO aufgetreten, sondern - zusätzlich zum bevollmächtigten Rechtsanwalt … - als (sonstige) Bevollmächtigte nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VwGO. Die Erstattungsfähigkeit der Auslagen solcher Bevollmächtigter richtet sich grundsätzlich nach § 162 Abs. 1 VwGO, wonach die Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig gewesen sein müssen (Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014; vgl. auch OVG Münster, B. v. 27.5.1968 - II B 669/66 - NJW 1968, 1978). Bei den von Frau S. geltend gemachten Kosten handelt es sich weit überwiegend nicht um notwendige Aufwendungen, da es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht angezeigt war, sie zusätzlich zum bevollmächtigten Rechtsanwalt zuzuziehen. Deshalb können ihre Auslagen für die Teilnahme am Gutachtertermin am 7. Dezember 2015 nur begrenzt und ihre Auslagen für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 10. Februar 2016 nicht erstattet werden. Im Einzelnen:

Am Gutachtertermin ist Frau S. nach dem Vortrag des Antragstellers „auch vertretungshalber“ für den verhinderten Bevollmächtigten aufgetreten (vgl. Schriftsatz vom 24. März 2016). Für den Fall, dass ein Rechtsanwalt einem anderen Untervollmacht erteilt, gilt, dass eine solche nur ausnahmsweise bei besonderen Umständen vernünftigerweise geboten ist und zudem sind die dadurch verursachten Mehraufwendungen regelmäßig nur begrenzt bis zur Höhe der ersparten Aufwendungen erstattungsfähig (vgl. OVG NRW, B. v. 16.11.2009 - 7 D 2/09.NE - juris Ls. 1, Rn. 5 m. w. N.). Ein weitergehender Erstattungsanspruch scheidet regelmäßig aus, da grundsätzlich die Verlegung des Termins das adäquate Mittel ist, die zweckentsprechende Rechtsverfolgung sicherzustellen (vgl. OVG NRW, 16.11.2009 - 7 D 2/09.NE - juris Rn. 7).

Diese Rechtsprechung kann vorliegend herangezogen werden, da Frau S. - ähnlich einem Unterbevollmächtigten - aufgetreten ist, um den verhinderten bevollmächtigten Rechtsanwalt beim Gutachtertermin zu vertreten. In Anwendung der genannten Grundsätze sind die Auslagen von Frau S., wie von der Urkundsbeamtin zutreffend festgesetzt, nur insoweit erstattungsfähig, als sie die Kosten nicht übersteigen, die entstanden wären, wenn der Hauptbevollmächtigte den Termin wahrgenommen hätte. Die geltend gemachten Reisekosten für Frau S. in Höhe von 343,50 Euro sind somit lediglich in der Höhe der fiktiven Kosten der Teilnahme des Hauptbevollmächtigten an dem Gutachtertermin erstattungsfähig. Umstände, die einen weitergehenden Erstattungsanspruch begründen könnten, liegen nicht vor. Zur Sicherstellung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung wären bei der Absprache und Festlegung des Gutachtertermins die vom Bevollmächtigten des Antragstellers geltend gemachten Verhinderungsgründe zu berücksichtigen bzw. auszuräumen gewesen. Die Terminsabsprache ist durch den Gutachter erfolgt. Aufgrund der guten Wetterverhältnisse in dem für das Gutachten zur Verfügung stehenden Zeitraum wäre auch ein anderer Termin in Betracht gekommen. Es war auch nicht wegen besonderer Kenntnisse von Frau S. notwendig, dass sie an dem Gutachtertermin teilnimmt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sie von Beruf früher Finanzrichterin war und nicht nachgewiesen ist, dass sie über besondere Spezialkenntnisse bzw. gutachter(ähn)liche Kenntnisse im Jagdrecht verfügt.

Weiter sind die geltend gemachten Kosten für die Teilnahme von Frau S. als Rechtsbeistand an der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2016 nicht erstattungsfähig. Der Antragsteller hat diesen Termin mit seinem bevollmächtigten Rechtsanwalt … wahrgenommen. Grundsätzlich gehören, wie bereits ausgeführt, nur die Kosten eines Rechtsbeistands zu den erforderlichen Kosten der Rechtsverfolgung (vgl. BayVGH, B. v. 26.6.2015 - 4 M 15.1062 - juris Rn. 11; VGH BW, B. v. 1.2.2011 - 2 S 102/11 - juris Rn. 8). Die Notwendigkeit der Teilnahme von Frau S. am Verhandlungstermin ergibt sich insbesondere auch nicht aus ihrer vorherigen Teilnahme am Gutachtertermin. Zum einen ist es zumutbar, dass sich der Bevollmächtigte des Antragstellers umfassend über den Ablauf des Gutachtertermins unterrichten lässt, wie dies nach seinem Vortrag auch geschehen ist. Des Weiteren war der Antragsteller persönlich am Gutachtertermin und in der mündlichen Verhandlung am 10. Februar 2016 anwesend und konnte in tatsächlicher Hinsicht die unmittelbaren Eindrücke des Beweistermins weitergeben. Soweit vorgetragen wird, Frau S. sei als fachkundiger Beistand herangezogen worden, da sie über das Fachwissen aus 35 Jahresjagdscheinen verfüge, kann dies eine andere Bewertung nicht rechtfertigen. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung war es vorliegend ausreichend, sich eines Rechtsbeistands zu bedienen. Ein Ausnahmefall, der die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines zweiten Bevollmächtigten begründen könnte, liegt nicht vor. Der Streitstoff war weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht derart schwierig, dass die Zuziehung eines weiteren Bevollmächtigten als notwendig angesehen werden könnte (vgl. zu einer solchen Konstellation OLG München, B. v. 4.5.1966 - 11 W 1197/65 - NJW 1966, 2069). Der Antragsteller hat im Übrigen mit seinem Hauptbevollmächtigten einen Rechtsanwalt beauftragt, der - ausweislich der Angaben auf der Homepage und der von ihm wahrgenommenen Mandate vor der Kammer - u. a. auf dem Gebiet des Wald- und Jagdrechts spezialisiert ist und von dem daher auszugehen ist, dass er über das nötige Fachwissen verfügt. Auf der anderen Seite hat, wie bereits erwähnt, Frau S. den Beruf der Finanzrichterin ausgeübt und damit nicht nachgewiesen, dass sie über besondere Spezialkenntnisse bzw. gutachter(ähn)liche Kenntnisse im Jagdrecht verfügt.

Ein Erstattungsanspruch kann auch nicht aus § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 5, § 15 Abs. 2, § 16 JVEG hergeleitet werden, da Frau S. nicht in den Geltungsbereich des Gesetzes fällt bzw. nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten zählt (vgl. § 1 Abs. 1 JVEG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtskostenfrei (BayVGH, B. v. 29.1.2014 - 13 M 13.2399 - juris Rn. 19).

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Tenor

I.

Der Bescheid des Landratsamts Garmisch-Partenkirchen vom 21.7.2015, Az. ..., betreffend die Festsetzung des Abschussplanes für Rotwild für das Eigenjagdrevier ... für das Jagdjahr 2015/2016 wird aufgehoben, soweit er von dem vom Kläger eingereichten Abschussplan für Rotwild vom ....2.2015 abweicht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung des Rotwildabschusses für das Jagdjahr 2015/2016 durch den Beklagten. Er ist neben seinen beiden Brüdern Miteigentümer zu 1/3 des Eigenjagdreviers ... in der Hegegemeinschaft ... und der nach Art. 7 Abs. 4 BayJG gegenüber der Jagdbehörde Bevollmächtigte.

Das Forstliche Gutachten 2012 bescheinigt in der Hegegemeinschaft einen Verbiss als „deutlich zu hoch“. In der ergänzenden Revierweisen Aussage 2012 für das Eigenjagdrevier ... wird eine Wertung der Verbisssituation als „deutlich zu hoch“ und eine Tendenz der Verbisssituation als „nicht verändert“ vorgenommen.

Nach Anhörung setzte das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen mit Bescheid vom 21. Juli 2015 einen Abschussplan für das Jagdjahr 2015/2016 von 45 Stück Rotwild fest und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung wird ausgeführt, dass hinsichtlich der vom Kläger im Anhörungsverfahren vorgebrachten Einwände in Bezug auf das SPA-Gebiet mitgeteilt werden könne, dass derzeit ein Managementplan durch die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft erarbeitet werde. Darin würden Maßnahmen formuliert, um den Erhaltungszustand der Arten zu sichern bzw. zu verbessern. Es bleibe abzuwarten, ob und in welcher Weise sich bei der Umsetzung der Maßnahmen Auswirkungen auf die Abschussplanungen ergäben. Der Abschuss des Wildes sei so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche u. a. der Land- und Forstwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt blieben. Innerhalb dieser Grenzen solle der Abschussplan dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibe. Der Ursprung des gesetzlich normierten Vorranges „Wald vor Wild“ liege in der überragenden Bedeutung des Waldes für das Klima, den Wasserhaushalt, die Sauerstoffproduktion und die biologische Vielfalt. Erhöhter Wildverbiss sei der geforderten Waldverjüngung naturnaher Wälder und standortgemäßer Baumarten abträglich. Nach dem forstlichen Gutachten und der ergänzenden Revierweisen Aussage sei die Verbissbelastung in der Hegegemeinschaft ... und im Eigenjagdrevier ... „deutlich zu hoch“ und die Tendenz der Verbisssituation ausweislich der Revierweisen Aussage „nicht verändert“. Die Individualinteressen der Waldbesitzer, insbesondere von Waldflächen, die an das Revier ... angrenzten, und das Allgemeininteresse an einer Waldverjüngung sowie die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderten die Festsetzung. Diese berechtigten Interessen der Allgemeinheit und der Waldbesitzer überwögen die wirtschaftlichen Interessen der ... Guts- und Forstverwaltung.

Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am .... August 2015 Klage erheben und beantragte zuletzt,

den Bescheid des Landratsamtes Garmisch-Partenkirchen vom 21.7.2015, Az. ..., betreffend die Festsetzung des Abschussplanes für Rotwild für das Eigenjagdrevier ... für das Jagdjahr 2015/2016 aufzuheben,

hilfsweise,

den Bescheid des Landratsamtes Garmisch-Partenkirchen vom 21.7.2015, Az. ..., betreffend die Festsetzung des Abschussplanes für Rotwild für das Eigenjagdrevier ... für das Jagdjahr 2015/2016 insoweit aufzuheben, als damit eine von dem Abschussplanvorschlag abweichende Festsetzung erfolgt.

Weiter wurde beantragt, den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg anzurufen und ihm folgende Frage zur Entscheidung vorzulegen:

Ist Art. 3 der Richtlinie 2009/147/EG in der Fassung vom30. November 2009 - Vogelschutzrichtlinie - dahingehend zu verstehen, dass die nationale (landesrechtliche) Bestimmung des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG, wonach ohne Unterschied, also auch in SPA Gebieten „vorrangig“ der Zustand der Waldvegetation, insbesondere der Waldverjüngung zu berücksichtigen ist, entweder gemeinschaftsrechtskonform so auszulegen, dass es maßgeblich jedenfalls in einem SPA-Gebiet für die nach der nationalen Norm zu treffende Entscheidung in erster Linie darauf ankommt, den Wald als Lebensraum gemäß den Bedürfnissen der für dieses Gebiet genannten Vogelarten zu erhalten oder möglichst wiederherzustellen oder aber die nationale Vorschrift unangewendet zu lassen?

sowie,

das Verfahren auszusetzen.

Zur Begründung der Klage verweist der Kläger auf seine Ausführungen im Eilverfahren (M 7 S 15.3607) und im dazugehörigen Klageverfahren (M 7 K 15.3411), in denen er sich gegen einen jagdrechtlichen Bescheid des Beklagten (Anordnung eines Abschusskontingentes) gewandt hat. Weiter bezieht er sich auf sein Vorbringen im Klageverfahren gegen den Bescheid betreffend die Abschussfestsetzung des Vorjahres (M 7 K 14.4367) sowie auf seine Ausführungen im Rahmen der Anhörung. Es seien Verfahrensfehler bei der Erstellung der ergänzenden Revierweisen Aussage gemacht worden, außerdem weise diese inhaltliche Mängel und Unrichtigkeiten auf. Insbesondere werde die Aussage des Beklagten bestritten, dass eine ausreichende Waldverjüngung in dem erforderlichen Umfang in 2012 nicht erreicht gewesen sei und dass sich darin nichts geändert habe. Zudem seien bei der Abschussplanung naturschutzrechtliche Vorgaben nicht beachtet worden. Das Eigenjagdrevier liege vollständig im SPA-Gebiet ..., einem Gebiet mit höchstem Schutzstatus. Es seien demnach besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich der Lebensräume bestimmter Vogelarten zu ergreifen. Die Verlaubholzung durch eine stetige Verminderung der Herbivoren laufe den Zielen des SPA-Gebiets zuwider. Es liege eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts vor, da der Beklagte gegen die Vorgabe verstoße, den Gebietszustand schützenswerter Gebiete (Natura 2000) zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Der Lebensraum des besonders geschützten Auerhuhns werde durch zunehmende Verlaubholzung vernichtet. Der Beklagte räume nicht dem höherrangigen Gemeinschaftsrecht, sondern der Vorgabe „Wald vor Wild“ Priorität ein, so dass aufgrund des unzutreffenden Rechtsverständnisses die vorzunehmende Abwägung fehlerhaft und der Bescheid rechtswidrig und aufzuheben sei. Der Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass der Managementplan noch nicht erstellt sei, da die Pflicht bestünde, dem Gemeinschaftsrecht uneingeschränkt zur Geltung zu verhelfen. Im Übrigen regle bereits § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG, ohne dass es des Verweises auf das zwingende Europarecht zu Vogelschutzgebieten bedürfe, dass der Abschuss des Wildes so zu regeln sei, dass die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt würden. Auch Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 BayJG lasse die gesetzliche Vorgabe noch erahnen, Art. 32 BayJG negiere sie immerhin nicht. Weiter werde die Mitwirkung des Jagdbeirats im Vorfeld des Bescheids gerügt, da dieser nicht mit den gesetzlich vorgesehenen Mitgliedern besetzt gewesen sei. Die Beschlüsse des Jagdbeirats seien daher in gesetzeswidriger Weise ergangen und hätten vom Beklagten nicht berücksichtigt werden dürfen.

Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 25. August 2015,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird auf die im Klageverfahren des Vorjahres vorgelegte Klageerwiderung vom 1. Dezember 2014 verwiesen, da sich keine wesentlichen Änderungen ergeben hätten. Demnach habe sich die Verbissbelastung nach einer aktuellen Stellungnahme des AELF seit dem Forstlichen Gutachten 2012 und der ergänzenden Revierweisen Aussage nicht geändert, eine ausreichende Waldverjüngung sei nicht im erforderlichen Umfang erreicht worden. Zur Problematik des Naturschutzes wird darin ausgeführt, dass eine Verlaubholzung nicht festzustellen sei und die Befürchtungen auf damit verbundene Auswirkungen auf die Erhaltungsziele im SPA-Gebiet daher unbegründet seien. Die Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde bestätige zwar die Befürchtungen des Klägers weitgehend, jedoch sei wegen der besonderen Bedeutung der Wildschäden das Forstliche Gutachten maßgeblich. Der Managementplan für SPA-Gebiete werde gerade erstellt, wobei Aussagen zu Jagdmanagement, Wildbeständen oder Abschusszahlen darin voraussichtlich nicht enthalten seien. Neben der Wahrung der Eigentümerinteressen der Einschlussflächen des Eigenjagdreviers komme der Abschussregelung auch in Bezug auf einen leistungsfähigen und funktionsfähigen Naturhaushalt große Bedeutung zu. Das Revier liege im Sanierungsgebiet ... mit Schutzwaldanteilen, ein Bergmischwald sei zum Schutz vor Hochwasser und Bodenerosion notwendig.

Das Gericht hat am 25. November 2015 mündlich zur Sache verhandelt. Mit Beweisbeschluss vom 27. November 2015 wurde ein schriftliches Sachverständigengutachten zu der Frage, wie sich die Verbisssituation durch Verbiss von Rotwild im Eigenjagdrevier ... darstellt, eingeholt. Im Fortsetzungstermin am 10. Februar 2016 hat das Gericht den Sachverständigen gehört. Die vom Kläger unbedingt gestellten Beweisanträge wurden wegen mangelnder Entscheidungserheblichkeit und darüber hinaus zum Teil als nicht ordnungsgemäß gestellt abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

Der Bescheid des Beklagten vom 21. Juli 2015 war in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, da er insoweit rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

Der Kläger hatte im Hauptantrag die Aufhebung des Bescheids und im Hilfsantrag dessen Teilaufhebung insoweit beantragt, als damit eine von dem Abschussplanvorschlag abweichende Festsetzung erfolgt. Er kann kein berechtigtes Interesse an der Vollaufhebung des Bescheids geltend machen, da er damit auch die im Bescheid enthaltene Anordnung in Höhe von 32 Stück Rotwild angreift, die seinem Abschussplanvorschlag entspricht.

Mit Schreiben vom .... Februar 2015 hatte der Kläger seinen Abschussplanvorschlag für Rotwild eingereicht und darin eine Stückzahl von 32 Tieren angegeben. Die Behörde ist dem Vorschlag nicht gefolgt, sondern hat den Abschussplan auf 45 Stück festgesetzt. Die Festsetzung basiert auf § 21 Absatz 2 BJagdG i. V. m. Art. 32 Absatz 1 Satz 1 BayJG und § 15 Absatz 1 Sätze 1 und 2 AVBayJG. Nach § 15 Absatz 1 Satz 1 AVBayJG ist der vom Kläger vorgelegte Abschussplan vom Beklagten zu bestätigen, wenn er den Vorgaben des § 21 Absatz 1 BJagdG und des Art. 32 Absatz 1 Satz 2 BayJG entspricht und im Einvernehmen mit dem Jagdvorstand oder dem Inhaber des Eigenjagdreviers aufgestellt worden ist. In allen anderen Fällen ist der eingereichte Abschussplan, wie vorliegend geschehen, festzusetzen (§ 15 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 1 AVBayJG).

Das Gericht geht davon aus, dass die Klage eines jagdausübungsberechtigten Revierinhabers gegen einen bestätigten Abschussplan unzulässig ist (vgl. auch Frank/Käsewieter, Das Jagdrecht in Bayern, BayJG, Kommentar, S. 249, wonach gegen die Festsetzung eines Abschussplans der jagdausübungsberechtigte Revierinhaber vorgehen kann, im Unterschied zu einem einzelnen Jagdgenossen, der gegen die Festsetzung bzw. Bestätigung vorgehen kann). Denn mit einer solchen Klage wird eine antragsgemäße Entscheidung angegriffen. Eine Verletzung in eigenen Rechten ist damit zum einen offensichtlich nicht möglich, zum anderen liegt darin ein widersprüchliches Verhalten (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2001 - 1 C 35/00 - juris Rn. 15 m. w. N.; BayVGH, B.v. 25.1.1993 - 20 CS 92.3111 - juris Rn. 20, 23; Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, vor 40 Rn. 99; Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, vor 40-53 Rn. 22). Der jagdausübungsberechtigte Revier-inhaber, der sich mit einer Anfechtungsklage gegen eine aus seiner Sicht zu hohe Festsetzung wendet, kann nur insoweit dagegen vorgehen, als die Festsetzung seinen Abschussplanvorschlag übersteigt. In den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen wird - soweit ersichtlich - mit der Anfechtungsklage bzw. der Fortsetzungsfeststellungsklage lediglich die vom eigenen Vorschlag abweichende höhere Festsetzung angegriffen (vgl. etwa BayVGH, U.v. 30.4.1992 - 19 B 91.1220 - juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 19.5.1998 - 19 B 95.3738 - juris Rn. 82; VG Augsburg, U.v. 8.10.2014 - Au 4 K 14.811 - juris Rn. 31; VG Ansbach, U.v.14.11.2007 - AN 15 K 07.01396 - juris Rn. 21).

Das gerichtliche Vorgehen des Klägers gegen den gesamten Abschussplan und damit auch den seinem Abschussplanvorschlag entsprechenden Teil i. H. v. 32 Stück Rotwild ist demnach unzulässig. Der Kläger ist ausweislich seines Vorbringens der Auffassung, dass sein Abschussplanvorschlag den gesetzlichen Vorgaben gerecht wird. In seinem Schreiben im Rahmen der Anhörung vom 11. Juni 2015 legt er seine Auffassung zum Zustand des Waldes dar und spricht sich aufgrund des Waldbildes und der den Zielen des SPA-Gebietes zuwider laufenden Verlaubholzung gegen eine Erhöhung des Abschusses aus. Abschließend beantragt er, entweder das aktuelle Verbissgutachten abzuwarten oder die von ihm eingereichten Abschusspläne zu bestätigen. Auch in der mündlichen Verhandlung haben der Kläger und seine Bevollmächtigten deutlich gemacht, dass es nicht darum gehe, überhaupt keinen Abschuss zu tätigen.

Über den Hilfsantrag war zu entscheiden, da dem Hauptantrag nicht stattzugeben war. Die Klage ist im Hilfsantrag zulässig und begründet und der Bescheid daher teilweise aufzuheben. Soweit er einen höheren Abschuss als vom Kläger vorgeschlagen festsetzt, ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO; vgl. VG Augsburg, U.v. 8.10.2014 - Au 4 K 14.811 - juris Rn. 31).

Die Rechtswidrigkeit des Bescheids ergibt sich daraus, dass der Beklagte bei der im Rahmen der Festsetzung des Abschussplans vorzunehmenden Abwägung die Belange des Naturschutzes nicht ausreichend berücksichtigt hat. Nicht tragend ist hingegen der Einwand des Klägers, der Bescheid sei wegen Mängeln in der Beschlussfassung des Jagdbeirats unheilbar rechtswidrig.

Der Kläger macht geltend, der Jagdbeirat sei nicht mit den gesetzlich vorgesehenen Mitgliedern besetzt gewesen und die insoweit gesetzeswidrig gefassten Beschlüsse hätten vom Beklagten nicht berücksichtigt werden dürfen. Es kann dahingestellt bleiben, inwiefern sich Fehler bei der Beschlussfassung des Jagdbeirats auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids auswirken, denn eine fehlerhafte Beschlussfassung liegt nicht vor. Nach Art. 50 Abs. 1 BayJG wird zur Beratung aller Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung sowie wichtiger Einzelfragen bei jeder Jagdbehörde ein Jagdbeirat (§ 37 BJagdG) gebildet, wobei Art. 50 Abs. 2, Abs. 3 BayJG dessen Besetzung bei der unteren bzw. höheren Jagdbehörde regelt. Weiter bestimmt Art. 50 Abs. 5 BayJG, dass der Vorsitzende zu den Beratungen des Jagdbeirats weitere Sachkundige hinzuziehen kann. Ausweislich der Sitzungsprotokolle für die Jagdbeiratssitzungen am 30. April und 17. Juli 2015 und der Angaben des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung haben lediglich die gesetzlich vorgesehenen Mitglieder des Jagdbeirats abgestimmt. Neben den vom Gesetz vorgeschriebenen Personen waren noch der Kreisjagdberater, der Vertreter des AELF und der Hegegemeinschaftsleiter der Hegegemeinschafts ...-West (nur am 30.4.2015, soweit es seine Hegegemeinschaft betraf) bei den Beratungen anwesend. Die Hinzuziehung dieser Personen erfolgte rechtmäßig im Rahmen des Art. 50 Abs. 5 BayJG, da es sich nach Überzeugung der Kammer dabei um sachkundige Personen handelt.

Der Bescheid ist jedoch wegen Abwägungsfehlern rechtswidrig. Nach § 21 Abs. 2 BJagdG, Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayJG und § 14 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 AVBayJG sind für Rotwild für jeweils ein Jagdjahr Abschusspläne aufzustellen, die von der Jagdbehörde im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat zu bestätigen oder festzusetzen sind. Der Abschuss des Wildes ist nach § 21 Abs. 1 BJagdG so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 BayJG ist Gesetzeszweck des Bayerischen Jagdgesetzes, die jagdlichen Interessen mit den sonstigen öffentlichen Belangen, insbesondere mit den Belangen der Landeskultur, des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen. Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG legt fest, dass bei der Abschussplanung neben der körperlichen Verfassung des Wildes vorrangig der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung zu berücksichtigen ist. Um den genannten rechtlichen Vorgaben gerecht zu werden, hat die untere Jagdbehörde zunächst den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und die in den gesetzlichen Vorschriften enthaltenen Belange in die Entscheidung einzustellen, sowie einen Interessenausgleich der zum Teil gegenläufigen Interessen vorzunehmen (BVerwG, U.v. 19.3.1992 - 3 C 62/89 - juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 30.4. 1992 - 19 B 91.1220 - juris Rn. 38; OVG RP, U.v. 13.8.1997 - 8 A 10391/96 - juris Rn. 25; OVG NRW, U.v. 1.8.2014 - 16 A 805/13 - juris Rn. 29 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 7.1.2016 - OVG 11 S 76.15 - juris Rn. 9).

Der Jagdbehörde steht bei der Entscheidung über den vorgelegten Abschussplan und der Festsetzung kein planerischer Gestaltungsspielraum zu. Die Abschusszahl ist allerdings nicht rein mathematisch-logisch zu bestimmen, vielmehr ist der Behörde eine gewisse Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten eingeräumt. Das Gericht untersucht die in den jagdrechtlichen Vorschriften gebrauchten unbestimmten Rechtsbegriffe daraufhin, ob die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt richtig gewertet, die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen hat und sich die Höhe des Abschusses in einem vertretbaren Zahlenrahmen befindet (BVerwG, U.v. 19.3.1992 - 3 C 62/89 - juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 19.5.1998 - 19 B 95.3738 - juris Rn. 91; BayVGH, U.v. 30.4.1992 - 19 B 91.1220 - juris Rn. 37 ff; OVG RP, U.v. 13.8.1997 - 8 A 10391/96 - juris Rn. 27). Der Abschussplan entspricht mithin nur dann den gesetzlichen Vorgaben, wenn keine Fehler bei der Erfassung des Sachverhalts vorliegen und die verschiedenen Belange gemäß der gesetzlichen Vorgaben abgewogen wurden (vgl. BayVGH, U.v. 19.5.1998 - 19 B 95.3738 - juris Rn. 91; VG Augsburg, U.v. 22.1.2014 - Au 4 K 13.958 - juris Rn. 47; VG Freiburg, U.v. 24.9.2008 - 1 K 430/08 - juris Rn. 25). Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abwägung der gesetzlich formulierten Belange macht den Abschussplan bereits rechtswidrig (BVerwG, U.v. 19.3.1992 - 3 C 62/89 - juris Rn. 26; OVG NRW, U.v. 1.8.2014 - 16 A 805/13 - juris Rn. 36).

So liegt der Fall hier. Die Behörde hat die Belange des Naturschutzes nicht in ausreichendem Maße in ihre Abwägungsentscheidung eingestellt.

Das Eigenjagdrevier, für das der Abschussplan gilt, liegt im Vogelschutzgebiet ... (SPA-Gebiet) und teilweise im FFH-Gebiet .... Dieses ist Teil des europaweiten Schutzgebietsnetzes „Natura 2000“. Rechtsgrundlage für Natura 2000 sind die Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 79/409/EWG, erlassen am 2. April 1979 vom Rat der Europäischen, seit 15. Februar 2010 nunmehr in kodifizierter Fassung als Richtlinie 2009/147/EG vom 30. November 2009 in Kraft) und die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen).

Aus Art. 4 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG) ergibt sich, dass für die in Anhang I aufgeführten Arten besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden sind, um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen. In diesem Anhang ist unter anderem das Auerhuhn (Tetrao urogallus) aufgeführt.

Die Umsetzung der „Natura 2000“ Vorgaben und damit auch der Vogelschutzrichtlinie erfolgt in Deutschland vornehmlich durch das Bundesnaturschutzgesetz (§§ 31 ff. BNatSchG) und die Landesnaturschutzgesetze (in Bayern Art. 20 ff. BayNatSchG). Für die in der Vogelschutzrichtlinie aufgeführten Arten erklären die Mitgliedstaaten geeignete Gebiete zu Schutzgebieten (sog. SPA - special protection areas).

Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz hat aufgrund der Ermächtigung im BayNatSchG eine Verordnung über die Festlegung von Europäischen Vogelschutzgebieten sowie deren Gebietsbegrenzungen und Erhaltungszielen (Vogelschutzverordnung - VoGEV vom 12. Juli 2006, in Kraft seit 1. September 2006) erlassen, in der die Europäischen Vogelschutzgebiete in Bayern einschließlich ihrer Gebietsbegrenzungen und Erhaltungsziele rechtsverbindlich festgelegt sind. Gemäß § 1 VoGEV werden die in Anlage 1 aufgeführten und näher beschriebenen Gebiete gemäß Art 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie als Europäische Vogelschutzgebiete festgesetzt. § 3 VoGEV beschreibt die Erhaltungsziele, nämlich Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der in Anlage 1 für das jeweilige Gebiet aufgeführten Vogelarten und ihrer Lebensräume. In der Anlage 1 der VoGEV ist unter der Gebietsnummer DE... das ... aufgeführt. Dessen Erhaltungsziele lauten u. a.: „Erhaltung oder Wiederherstellung der Bestände von Birkhuhn, Auerhuhn (…) und deren Lebensräume, insbesondere des charakteristischen subalpinen und alpinen Gebirgsstockes mit hohem Strukturreichtum wie Hangschuttwälder und Schluchten, Borstgras- und Magerrasen, Latschengebüsche, alpine Zwergstrauchheiden, Quellmoore und Felsen als Brut-, Nahrungs- und Durchzugsgebiet“. In der gebietsbezogenen Konkretisierung der Erhaltungsziele der Regierung von Oberbayern (Stand 24.4.2008) werden für das ... als Gebiets-Typ F (Europäisches Vogelschutzgebiet, das ein FFH-Gebiet enthält) die zu erhaltenden bzw. wiederherzustellenden Bestände an Pflanzen und Tieren genauer dargelegt.

Der Kläger hat bereits im Anhörungsverfahren auf die Erhaltungsziele des SPA-Gebiets ... und die Belange des dort beheimateten besonders geschützten Auerhuhns hingewiesen. Nach einer in den Behördenakten befindlichen Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 20. November 2014 könne eine Verminderung der Wildbestandsdichte zu erhöhtem Laubgehölz-Aufwuchs führen, der sich nachteilig auf die Schneeheide-Kiefernwälder und das Auerhuhn auswirke. Es bestünde ein Zielkonflikt innerhalb des Naturschutzes, da neben der Erhaltung von Raufußhühnern und lichten Waldbeständen auch gemischte Bergmischwälder als naturschutzrechtlich hohes Gut anzusehen seien. Diese Bergmischwälder seien Lebensraum für Vögel, die ebenfalls im SPA-Gebiet ... in einem guten Populationszustand zu erhalten seien. Der Erhaltung der Restvorkommen des besonders gefährdeten Auerhuhns komme ein gewisser Vorrang zu.

Im angefochtenen Bescheid wird zu den vom Kläger im Anhörungsverfahren vorgebrachten Einwänden ausgeführt, dass derzeit ein Managementplan durch die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft erarbeitet werde. Darin würden Maßnahmen formuliert, um den Erhaltungszustand der Arten zu sichern bzw. zu verbessern. Es bleibe abzuwarten, ob und in welcher Weise sich bei der Umsetzung der Maßnahmen Auswirkungen auf die Abschussplanungen zeigten. Weiter hat sich die Behörde im Klageverfahren unter Bezugnahme auf ein Vorbringen im Vorjahresverfahren dahingehend geäußert, dass eine Verlaubholzung nicht festzustellen sei. Zwar würden nach der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde die Befürchtungen des Klägers weitgehend bestätigt, wegen der besonderen Bedeutung der Wildschäden sei aber das Forstliche Gutachten für die Abschussplanung maßgeblich. Ein Managementplan sei noch nicht erstellt und enthalte voraussichtlich keine Aussage zu Jagdmanagement, Wildbeständen oder Abschusszahlen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Behörde ergänzend dargelegt, dass die Zielsetzung für SPA-Gebiete die Erhaltung und Wiederherstellung der Lebensraumkomplexe aus großflächigen, reich strukturierten Laub-, Misch-, und Nadelwäldern mit naturnaher Struktur und Baumzusammensetzung und Erhalt von naturnahen störungsarmen Bergmischwäldern und Erhaltung und Wiederherstellung der Buchenwälder und montanen und subalpinen Fichtenwälder sei. Diese Ziele würden mit der Abschussplanung 2015/2016 verfolgt. Im Hinblick auf die große Bedeutung der Schutzwälder und des hohen Schutzwaldanteils im Revier würden keine Widersprüche zu den Natura-2000-Zielen gesehen.

Der im Bescheid enthaltene Hinweis auf noch ausstehende Managementpläne (sog. Bewirtschaftungspläne, in denen u. a. Erhaltungs- und Entwicklungsziele festgelegt und dazugehörige Maßnahmen geplant werden) ist für eine ordnungsgemäße Abwägungsentscheidung nicht ausreichend. Der Behörde ist es auch nicht gelungen, das Abwägungsdefizit nachträglich zu heilen. Daraus ergibt sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Im Einzelnen:

Die Belange des Naturschutzes mit den besonders zu schützenden Vogelarten wurden inhaltlich nicht in ausreichendem Maße in die Entscheidung eingestellt und auch nicht mit den übrigen im Gesetz genannten Belangen abgewogen. Die Behörde hat sie vielmehr unter Verweis auf die ausstehenden Managementpläne als (noch) nicht abwägungsrelevant eingestuft. Dies ist jedoch fehlerhaft. Die Vorgaben der in nationales Recht umgesetzten europäischen Vogelschutzrichtlinie und FFH-Richtlinie sind bei der Aufstellung der Abschusspläne zu beachten und unabhängig von etwaigen Bewirtschaftungsplänen in die dabei vorzunehmende Abwägung miteinzubeziehen. Darüber hinaus enthält der zu erwartende Plan nach Angabe der unteren Naturschutzbehörde voraussichtlich ohnehin keine Aussagen zu Jagdmanagement, Wildbeständen oder Abschusszahlen. Dass naturschutzrechtliche Belange aufgrund der Lage des Jagdreviers im geschützten SPA-Gebiet relevant sind, hat die Jagdbehörde erkannt, indem sie im Laufe des Klageverfahrens betreffend den Vorjahresabschussplan eine naturschutzrechtliche Stellungnahme eingeholt hat. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem darin beschriebenen Zielkonflikt und eine Überprüfung der Abschussfestsetzung auf ihre SPA-Verträglichkeit haben bei der hier streitgegenständlichen Abschussfestsetzung dennoch nicht stattgefunden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob Abwägungsfehler im Rahmen der Abschussplanfestsetzung grundsätzlich durch Ergänzung der Abwägungsbelange geheilt werden können und ob im Bescheid ein hinreichend konkreter Anknüpfungspunkt für eine Ergänzung der Erwägungen vorhanden ist. Voraussetzung dafür ist eine materiell-rechtliche Heilungsmöglichkeit, die in prozessualer Hinsicht - etwa unter Heranziehung des allgemeinen Rechtsgedankens aus § 114 S. 2 VwGO (vgl. BeckOK VwGO/Decker VwGO § 114 Rn. 40 m.w.N; Sodan/Ziekow, VwGO 4. Auflage 2014, § 114 Rn. 203; BayVGH, B.v. 20.7.2009 - 7 CE 09.10091 u. a. - juris Rn. 14, 17) - noch nachträglich vorgenommen werden kann. Hier kommt es darauf nicht entscheidungserheblich an, da die vom Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragenen Gesichtspunkte jedenfalls nicht genügen, um die Abwägungsfehler zu heilen. Er hat darin allgemein auf die Zielsetzung für SPA-Gebiete abgestellt, die mit der Abschussplanung verfolgt werde und angefügt, dass im Hinblick auf die große Bedeutung der Schutzwälder keine Widersprüche zu den Natura-2000 Zielen bestünden. Ein Eingehen auf die sich im Zielkonflikt befindlichen Belange (Erhaltung von lichten Waldflächen als Lebensraum für geschützte Vogelarten einerseits; Laubmischwälder als naturschutzrechtlich hohes Gut und Lebensraum für andere geschützte Vogelarten andererseits) sowie eine Bewertung und Gewichtung der Umstände ist damit nicht erfolgt. Es fehlt mithin an einer auf Ausgleich der zum Teil gegenläufigen Interessen abzielenden Abwägungsentscheidung.

Die vom Kläger beantragte Vorlage an den EuGH ist abzulehnen. Nach Art. 267 AEUV kann ein Gericht dem EuGH eine Frage betreffend die Auslegung der Verträge oder die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union vorlegen, wenn es eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält. Die aufgeworfene Frage lässt sich, wie aufgezeigt, bereits durch das nationale Recht lösen. Mangels Vorlage an den EuGH war auch der diesbezüglich gestellte Aussetzungsantrag abzulehnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1, Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-)

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

Tenor

I.

Der Bescheid des Landratsamts Garmisch-Partenkirchen vom 21.7.2015, Az. ..., betreffend die Festsetzung des Abschussplanes für Rotwild für das Eigenjagdrevier ... für das Jagdjahr 2015/2016 wird aufgehoben, soweit er von dem vom Kläger eingereichten Abschussplan für Rotwild vom ....2.2015 abweicht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung des Rotwildabschusses für das Jagdjahr 2015/2016 durch den Beklagten. Er ist neben seinen beiden Brüdern Miteigentümer zu 1/3 des Eigenjagdreviers ... in der Hegegemeinschaft ... und der nach Art. 7 Abs. 4 BayJG gegenüber der Jagdbehörde Bevollmächtigte.

Das Forstliche Gutachten 2012 bescheinigt in der Hegegemeinschaft einen Verbiss als „deutlich zu hoch“. In der ergänzenden Revierweisen Aussage 2012 für das Eigenjagdrevier ... wird eine Wertung der Verbisssituation als „deutlich zu hoch“ und eine Tendenz der Verbisssituation als „nicht verändert“ vorgenommen.

Nach Anhörung setzte das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen mit Bescheid vom 21. Juli 2015 einen Abschussplan für das Jagdjahr 2015/2016 von 45 Stück Rotwild fest und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung wird ausgeführt, dass hinsichtlich der vom Kläger im Anhörungsverfahren vorgebrachten Einwände in Bezug auf das SPA-Gebiet mitgeteilt werden könne, dass derzeit ein Managementplan durch die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft erarbeitet werde. Darin würden Maßnahmen formuliert, um den Erhaltungszustand der Arten zu sichern bzw. zu verbessern. Es bleibe abzuwarten, ob und in welcher Weise sich bei der Umsetzung der Maßnahmen Auswirkungen auf die Abschussplanungen ergäben. Der Abschuss des Wildes sei so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche u. a. der Land- und Forstwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt blieben. Innerhalb dieser Grenzen solle der Abschussplan dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibe. Der Ursprung des gesetzlich normierten Vorranges „Wald vor Wild“ liege in der überragenden Bedeutung des Waldes für das Klima, den Wasserhaushalt, die Sauerstoffproduktion und die biologische Vielfalt. Erhöhter Wildverbiss sei der geforderten Waldverjüngung naturnaher Wälder und standortgemäßer Baumarten abträglich. Nach dem forstlichen Gutachten und der ergänzenden Revierweisen Aussage sei die Verbissbelastung in der Hegegemeinschaft ... und im Eigenjagdrevier ... „deutlich zu hoch“ und die Tendenz der Verbisssituation ausweislich der Revierweisen Aussage „nicht verändert“. Die Individualinteressen der Waldbesitzer, insbesondere von Waldflächen, die an das Revier ... angrenzten, und das Allgemeininteresse an einer Waldverjüngung sowie die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderten die Festsetzung. Diese berechtigten Interessen der Allgemeinheit und der Waldbesitzer überwögen die wirtschaftlichen Interessen der ... Guts- und Forstverwaltung.

Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am .... August 2015 Klage erheben und beantragte zuletzt,

den Bescheid des Landratsamtes Garmisch-Partenkirchen vom 21.7.2015, Az. ..., betreffend die Festsetzung des Abschussplanes für Rotwild für das Eigenjagdrevier ... für das Jagdjahr 2015/2016 aufzuheben,

hilfsweise,

den Bescheid des Landratsamtes Garmisch-Partenkirchen vom 21.7.2015, Az. ..., betreffend die Festsetzung des Abschussplanes für Rotwild für das Eigenjagdrevier ... für das Jagdjahr 2015/2016 insoweit aufzuheben, als damit eine von dem Abschussplanvorschlag abweichende Festsetzung erfolgt.

Weiter wurde beantragt, den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg anzurufen und ihm folgende Frage zur Entscheidung vorzulegen:

Ist Art. 3 der Richtlinie 2009/147/EG in der Fassung vom30. November 2009 - Vogelschutzrichtlinie - dahingehend zu verstehen, dass die nationale (landesrechtliche) Bestimmung des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG, wonach ohne Unterschied, also auch in SPA Gebieten „vorrangig“ der Zustand der Waldvegetation, insbesondere der Waldverjüngung zu berücksichtigen ist, entweder gemeinschaftsrechtskonform so auszulegen, dass es maßgeblich jedenfalls in einem SPA-Gebiet für die nach der nationalen Norm zu treffende Entscheidung in erster Linie darauf ankommt, den Wald als Lebensraum gemäß den Bedürfnissen der für dieses Gebiet genannten Vogelarten zu erhalten oder möglichst wiederherzustellen oder aber die nationale Vorschrift unangewendet zu lassen?

sowie,

das Verfahren auszusetzen.

Zur Begründung der Klage verweist der Kläger auf seine Ausführungen im Eilverfahren (M 7 S 15.3607) und im dazugehörigen Klageverfahren (M 7 K 15.3411), in denen er sich gegen einen jagdrechtlichen Bescheid des Beklagten (Anordnung eines Abschusskontingentes) gewandt hat. Weiter bezieht er sich auf sein Vorbringen im Klageverfahren gegen den Bescheid betreffend die Abschussfestsetzung des Vorjahres (M 7 K 14.4367) sowie auf seine Ausführungen im Rahmen der Anhörung. Es seien Verfahrensfehler bei der Erstellung der ergänzenden Revierweisen Aussage gemacht worden, außerdem weise diese inhaltliche Mängel und Unrichtigkeiten auf. Insbesondere werde die Aussage des Beklagten bestritten, dass eine ausreichende Waldverjüngung in dem erforderlichen Umfang in 2012 nicht erreicht gewesen sei und dass sich darin nichts geändert habe. Zudem seien bei der Abschussplanung naturschutzrechtliche Vorgaben nicht beachtet worden. Das Eigenjagdrevier liege vollständig im SPA-Gebiet ..., einem Gebiet mit höchstem Schutzstatus. Es seien demnach besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich der Lebensräume bestimmter Vogelarten zu ergreifen. Die Verlaubholzung durch eine stetige Verminderung der Herbivoren laufe den Zielen des SPA-Gebiets zuwider. Es liege eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts vor, da der Beklagte gegen die Vorgabe verstoße, den Gebietszustand schützenswerter Gebiete (Natura 2000) zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Der Lebensraum des besonders geschützten Auerhuhns werde durch zunehmende Verlaubholzung vernichtet. Der Beklagte räume nicht dem höherrangigen Gemeinschaftsrecht, sondern der Vorgabe „Wald vor Wild“ Priorität ein, so dass aufgrund des unzutreffenden Rechtsverständnisses die vorzunehmende Abwägung fehlerhaft und der Bescheid rechtswidrig und aufzuheben sei. Der Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass der Managementplan noch nicht erstellt sei, da die Pflicht bestünde, dem Gemeinschaftsrecht uneingeschränkt zur Geltung zu verhelfen. Im Übrigen regle bereits § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG, ohne dass es des Verweises auf das zwingende Europarecht zu Vogelschutzgebieten bedürfe, dass der Abschuss des Wildes so zu regeln sei, dass die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt würden. Auch Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 BayJG lasse die gesetzliche Vorgabe noch erahnen, Art. 32 BayJG negiere sie immerhin nicht. Weiter werde die Mitwirkung des Jagdbeirats im Vorfeld des Bescheids gerügt, da dieser nicht mit den gesetzlich vorgesehenen Mitgliedern besetzt gewesen sei. Die Beschlüsse des Jagdbeirats seien daher in gesetzeswidriger Weise ergangen und hätten vom Beklagten nicht berücksichtigt werden dürfen.

Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 25. August 2015,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird auf die im Klageverfahren des Vorjahres vorgelegte Klageerwiderung vom 1. Dezember 2014 verwiesen, da sich keine wesentlichen Änderungen ergeben hätten. Demnach habe sich die Verbissbelastung nach einer aktuellen Stellungnahme des AELF seit dem Forstlichen Gutachten 2012 und der ergänzenden Revierweisen Aussage nicht geändert, eine ausreichende Waldverjüngung sei nicht im erforderlichen Umfang erreicht worden. Zur Problematik des Naturschutzes wird darin ausgeführt, dass eine Verlaubholzung nicht festzustellen sei und die Befürchtungen auf damit verbundene Auswirkungen auf die Erhaltungsziele im SPA-Gebiet daher unbegründet seien. Die Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde bestätige zwar die Befürchtungen des Klägers weitgehend, jedoch sei wegen der besonderen Bedeutung der Wildschäden das Forstliche Gutachten maßgeblich. Der Managementplan für SPA-Gebiete werde gerade erstellt, wobei Aussagen zu Jagdmanagement, Wildbeständen oder Abschusszahlen darin voraussichtlich nicht enthalten seien. Neben der Wahrung der Eigentümerinteressen der Einschlussflächen des Eigenjagdreviers komme der Abschussregelung auch in Bezug auf einen leistungsfähigen und funktionsfähigen Naturhaushalt große Bedeutung zu. Das Revier liege im Sanierungsgebiet ... mit Schutzwaldanteilen, ein Bergmischwald sei zum Schutz vor Hochwasser und Bodenerosion notwendig.

Das Gericht hat am 25. November 2015 mündlich zur Sache verhandelt. Mit Beweisbeschluss vom 27. November 2015 wurde ein schriftliches Sachverständigengutachten zu der Frage, wie sich die Verbisssituation durch Verbiss von Rotwild im Eigenjagdrevier ... darstellt, eingeholt. Im Fortsetzungstermin am 10. Februar 2016 hat das Gericht den Sachverständigen gehört. Die vom Kläger unbedingt gestellten Beweisanträge wurden wegen mangelnder Entscheidungserheblichkeit und darüber hinaus zum Teil als nicht ordnungsgemäß gestellt abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

Der Bescheid des Beklagten vom 21. Juli 2015 war in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, da er insoweit rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

Der Kläger hatte im Hauptantrag die Aufhebung des Bescheids und im Hilfsantrag dessen Teilaufhebung insoweit beantragt, als damit eine von dem Abschussplanvorschlag abweichende Festsetzung erfolgt. Er kann kein berechtigtes Interesse an der Vollaufhebung des Bescheids geltend machen, da er damit auch die im Bescheid enthaltene Anordnung in Höhe von 32 Stück Rotwild angreift, die seinem Abschussplanvorschlag entspricht.

Mit Schreiben vom .... Februar 2015 hatte der Kläger seinen Abschussplanvorschlag für Rotwild eingereicht und darin eine Stückzahl von 32 Tieren angegeben. Die Behörde ist dem Vorschlag nicht gefolgt, sondern hat den Abschussplan auf 45 Stück festgesetzt. Die Festsetzung basiert auf § 21 Absatz 2 BJagdG i. V. m. Art. 32 Absatz 1 Satz 1 BayJG und § 15 Absatz 1 Sätze 1 und 2 AVBayJG. Nach § 15 Absatz 1 Satz 1 AVBayJG ist der vom Kläger vorgelegte Abschussplan vom Beklagten zu bestätigen, wenn er den Vorgaben des § 21 Absatz 1 BJagdG und des Art. 32 Absatz 1 Satz 2 BayJG entspricht und im Einvernehmen mit dem Jagdvorstand oder dem Inhaber des Eigenjagdreviers aufgestellt worden ist. In allen anderen Fällen ist der eingereichte Abschussplan, wie vorliegend geschehen, festzusetzen (§ 15 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 1 AVBayJG).

Das Gericht geht davon aus, dass die Klage eines jagdausübungsberechtigten Revierinhabers gegen einen bestätigten Abschussplan unzulässig ist (vgl. auch Frank/Käsewieter, Das Jagdrecht in Bayern, BayJG, Kommentar, S. 249, wonach gegen die Festsetzung eines Abschussplans der jagdausübungsberechtigte Revierinhaber vorgehen kann, im Unterschied zu einem einzelnen Jagdgenossen, der gegen die Festsetzung bzw. Bestätigung vorgehen kann). Denn mit einer solchen Klage wird eine antragsgemäße Entscheidung angegriffen. Eine Verletzung in eigenen Rechten ist damit zum einen offensichtlich nicht möglich, zum anderen liegt darin ein widersprüchliches Verhalten (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2001 - 1 C 35/00 - juris Rn. 15 m. w. N.; BayVGH, B.v. 25.1.1993 - 20 CS 92.3111 - juris Rn. 20, 23; Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, vor 40 Rn. 99; Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, vor 40-53 Rn. 22). Der jagdausübungsberechtigte Revier-inhaber, der sich mit einer Anfechtungsklage gegen eine aus seiner Sicht zu hohe Festsetzung wendet, kann nur insoweit dagegen vorgehen, als die Festsetzung seinen Abschussplanvorschlag übersteigt. In den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen wird - soweit ersichtlich - mit der Anfechtungsklage bzw. der Fortsetzungsfeststellungsklage lediglich die vom eigenen Vorschlag abweichende höhere Festsetzung angegriffen (vgl. etwa BayVGH, U.v. 30.4.1992 - 19 B 91.1220 - juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 19.5.1998 - 19 B 95.3738 - juris Rn. 82; VG Augsburg, U.v. 8.10.2014 - Au 4 K 14.811 - juris Rn. 31; VG Ansbach, U.v.14.11.2007 - AN 15 K 07.01396 - juris Rn. 21).

Das gerichtliche Vorgehen des Klägers gegen den gesamten Abschussplan und damit auch den seinem Abschussplanvorschlag entsprechenden Teil i. H. v. 32 Stück Rotwild ist demnach unzulässig. Der Kläger ist ausweislich seines Vorbringens der Auffassung, dass sein Abschussplanvorschlag den gesetzlichen Vorgaben gerecht wird. In seinem Schreiben im Rahmen der Anhörung vom 11. Juni 2015 legt er seine Auffassung zum Zustand des Waldes dar und spricht sich aufgrund des Waldbildes und der den Zielen des SPA-Gebietes zuwider laufenden Verlaubholzung gegen eine Erhöhung des Abschusses aus. Abschließend beantragt er, entweder das aktuelle Verbissgutachten abzuwarten oder die von ihm eingereichten Abschusspläne zu bestätigen. Auch in der mündlichen Verhandlung haben der Kläger und seine Bevollmächtigten deutlich gemacht, dass es nicht darum gehe, überhaupt keinen Abschuss zu tätigen.

Über den Hilfsantrag war zu entscheiden, da dem Hauptantrag nicht stattzugeben war. Die Klage ist im Hilfsantrag zulässig und begründet und der Bescheid daher teilweise aufzuheben. Soweit er einen höheren Abschuss als vom Kläger vorgeschlagen festsetzt, ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO; vgl. VG Augsburg, U.v. 8.10.2014 - Au 4 K 14.811 - juris Rn. 31).

Die Rechtswidrigkeit des Bescheids ergibt sich daraus, dass der Beklagte bei der im Rahmen der Festsetzung des Abschussplans vorzunehmenden Abwägung die Belange des Naturschutzes nicht ausreichend berücksichtigt hat. Nicht tragend ist hingegen der Einwand des Klägers, der Bescheid sei wegen Mängeln in der Beschlussfassung des Jagdbeirats unheilbar rechtswidrig.

Der Kläger macht geltend, der Jagdbeirat sei nicht mit den gesetzlich vorgesehenen Mitgliedern besetzt gewesen und die insoweit gesetzeswidrig gefassten Beschlüsse hätten vom Beklagten nicht berücksichtigt werden dürfen. Es kann dahingestellt bleiben, inwiefern sich Fehler bei der Beschlussfassung des Jagdbeirats auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids auswirken, denn eine fehlerhafte Beschlussfassung liegt nicht vor. Nach Art. 50 Abs. 1 BayJG wird zur Beratung aller Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung sowie wichtiger Einzelfragen bei jeder Jagdbehörde ein Jagdbeirat (§ 37 BJagdG) gebildet, wobei Art. 50 Abs. 2, Abs. 3 BayJG dessen Besetzung bei der unteren bzw. höheren Jagdbehörde regelt. Weiter bestimmt Art. 50 Abs. 5 BayJG, dass der Vorsitzende zu den Beratungen des Jagdbeirats weitere Sachkundige hinzuziehen kann. Ausweislich der Sitzungsprotokolle für die Jagdbeiratssitzungen am 30. April und 17. Juli 2015 und der Angaben des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung haben lediglich die gesetzlich vorgesehenen Mitglieder des Jagdbeirats abgestimmt. Neben den vom Gesetz vorgeschriebenen Personen waren noch der Kreisjagdberater, der Vertreter des AELF und der Hegegemeinschaftsleiter der Hegegemeinschafts ...-West (nur am 30.4.2015, soweit es seine Hegegemeinschaft betraf) bei den Beratungen anwesend. Die Hinzuziehung dieser Personen erfolgte rechtmäßig im Rahmen des Art. 50 Abs. 5 BayJG, da es sich nach Überzeugung der Kammer dabei um sachkundige Personen handelt.

Der Bescheid ist jedoch wegen Abwägungsfehlern rechtswidrig. Nach § 21 Abs. 2 BJagdG, Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayJG und § 14 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 AVBayJG sind für Rotwild für jeweils ein Jagdjahr Abschusspläne aufzustellen, die von der Jagdbehörde im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat zu bestätigen oder festzusetzen sind. Der Abschuss des Wildes ist nach § 21 Abs. 1 BJagdG so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 BayJG ist Gesetzeszweck des Bayerischen Jagdgesetzes, die jagdlichen Interessen mit den sonstigen öffentlichen Belangen, insbesondere mit den Belangen der Landeskultur, des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen. Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG legt fest, dass bei der Abschussplanung neben der körperlichen Verfassung des Wildes vorrangig der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung zu berücksichtigen ist. Um den genannten rechtlichen Vorgaben gerecht zu werden, hat die untere Jagdbehörde zunächst den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und die in den gesetzlichen Vorschriften enthaltenen Belange in die Entscheidung einzustellen, sowie einen Interessenausgleich der zum Teil gegenläufigen Interessen vorzunehmen (BVerwG, U.v. 19.3.1992 - 3 C 62/89 - juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 30.4. 1992 - 19 B 91.1220 - juris Rn. 38; OVG RP, U.v. 13.8.1997 - 8 A 10391/96 - juris Rn. 25; OVG NRW, U.v. 1.8.2014 - 16 A 805/13 - juris Rn. 29 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 7.1.2016 - OVG 11 S 76.15 - juris Rn. 9).

Der Jagdbehörde steht bei der Entscheidung über den vorgelegten Abschussplan und der Festsetzung kein planerischer Gestaltungsspielraum zu. Die Abschusszahl ist allerdings nicht rein mathematisch-logisch zu bestimmen, vielmehr ist der Behörde eine gewisse Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten eingeräumt. Das Gericht untersucht die in den jagdrechtlichen Vorschriften gebrauchten unbestimmten Rechtsbegriffe daraufhin, ob die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt richtig gewertet, die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen hat und sich die Höhe des Abschusses in einem vertretbaren Zahlenrahmen befindet (BVerwG, U.v. 19.3.1992 - 3 C 62/89 - juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 19.5.1998 - 19 B 95.3738 - juris Rn. 91; BayVGH, U.v. 30.4.1992 - 19 B 91.1220 - juris Rn. 37 ff; OVG RP, U.v. 13.8.1997 - 8 A 10391/96 - juris Rn. 27). Der Abschussplan entspricht mithin nur dann den gesetzlichen Vorgaben, wenn keine Fehler bei der Erfassung des Sachverhalts vorliegen und die verschiedenen Belange gemäß der gesetzlichen Vorgaben abgewogen wurden (vgl. BayVGH, U.v. 19.5.1998 - 19 B 95.3738 - juris Rn. 91; VG Augsburg, U.v. 22.1.2014 - Au 4 K 13.958 - juris Rn. 47; VG Freiburg, U.v. 24.9.2008 - 1 K 430/08 - juris Rn. 25). Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abwägung der gesetzlich formulierten Belange macht den Abschussplan bereits rechtswidrig (BVerwG, U.v. 19.3.1992 - 3 C 62/89 - juris Rn. 26; OVG NRW, U.v. 1.8.2014 - 16 A 805/13 - juris Rn. 36).

So liegt der Fall hier. Die Behörde hat die Belange des Naturschutzes nicht in ausreichendem Maße in ihre Abwägungsentscheidung eingestellt.

Das Eigenjagdrevier, für das der Abschussplan gilt, liegt im Vogelschutzgebiet ... (SPA-Gebiet) und teilweise im FFH-Gebiet .... Dieses ist Teil des europaweiten Schutzgebietsnetzes „Natura 2000“. Rechtsgrundlage für Natura 2000 sind die Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 79/409/EWG, erlassen am 2. April 1979 vom Rat der Europäischen, seit 15. Februar 2010 nunmehr in kodifizierter Fassung als Richtlinie 2009/147/EG vom 30. November 2009 in Kraft) und die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen).

Aus Art. 4 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG) ergibt sich, dass für die in Anhang I aufgeführten Arten besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden sind, um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen. In diesem Anhang ist unter anderem das Auerhuhn (Tetrao urogallus) aufgeführt.

Die Umsetzung der „Natura 2000“ Vorgaben und damit auch der Vogelschutzrichtlinie erfolgt in Deutschland vornehmlich durch das Bundesnaturschutzgesetz (§§ 31 ff. BNatSchG) und die Landesnaturschutzgesetze (in Bayern Art. 20 ff. BayNatSchG). Für die in der Vogelschutzrichtlinie aufgeführten Arten erklären die Mitgliedstaaten geeignete Gebiete zu Schutzgebieten (sog. SPA - special protection areas).

Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz hat aufgrund der Ermächtigung im BayNatSchG eine Verordnung über die Festlegung von Europäischen Vogelschutzgebieten sowie deren Gebietsbegrenzungen und Erhaltungszielen (Vogelschutzverordnung - VoGEV vom 12. Juli 2006, in Kraft seit 1. September 2006) erlassen, in der die Europäischen Vogelschutzgebiete in Bayern einschließlich ihrer Gebietsbegrenzungen und Erhaltungsziele rechtsverbindlich festgelegt sind. Gemäß § 1 VoGEV werden die in Anlage 1 aufgeführten und näher beschriebenen Gebiete gemäß Art 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie als Europäische Vogelschutzgebiete festgesetzt. § 3 VoGEV beschreibt die Erhaltungsziele, nämlich Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der in Anlage 1 für das jeweilige Gebiet aufgeführten Vogelarten und ihrer Lebensräume. In der Anlage 1 der VoGEV ist unter der Gebietsnummer DE... das ... aufgeführt. Dessen Erhaltungsziele lauten u. a.: „Erhaltung oder Wiederherstellung der Bestände von Birkhuhn, Auerhuhn (…) und deren Lebensräume, insbesondere des charakteristischen subalpinen und alpinen Gebirgsstockes mit hohem Strukturreichtum wie Hangschuttwälder und Schluchten, Borstgras- und Magerrasen, Latschengebüsche, alpine Zwergstrauchheiden, Quellmoore und Felsen als Brut-, Nahrungs- und Durchzugsgebiet“. In der gebietsbezogenen Konkretisierung der Erhaltungsziele der Regierung von Oberbayern (Stand 24.4.2008) werden für das ... als Gebiets-Typ F (Europäisches Vogelschutzgebiet, das ein FFH-Gebiet enthält) die zu erhaltenden bzw. wiederherzustellenden Bestände an Pflanzen und Tieren genauer dargelegt.

Der Kläger hat bereits im Anhörungsverfahren auf die Erhaltungsziele des SPA-Gebiets ... und die Belange des dort beheimateten besonders geschützten Auerhuhns hingewiesen. Nach einer in den Behördenakten befindlichen Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 20. November 2014 könne eine Verminderung der Wildbestandsdichte zu erhöhtem Laubgehölz-Aufwuchs führen, der sich nachteilig auf die Schneeheide-Kiefernwälder und das Auerhuhn auswirke. Es bestünde ein Zielkonflikt innerhalb des Naturschutzes, da neben der Erhaltung von Raufußhühnern und lichten Waldbeständen auch gemischte Bergmischwälder als naturschutzrechtlich hohes Gut anzusehen seien. Diese Bergmischwälder seien Lebensraum für Vögel, die ebenfalls im SPA-Gebiet ... in einem guten Populationszustand zu erhalten seien. Der Erhaltung der Restvorkommen des besonders gefährdeten Auerhuhns komme ein gewisser Vorrang zu.

Im angefochtenen Bescheid wird zu den vom Kläger im Anhörungsverfahren vorgebrachten Einwänden ausgeführt, dass derzeit ein Managementplan durch die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft erarbeitet werde. Darin würden Maßnahmen formuliert, um den Erhaltungszustand der Arten zu sichern bzw. zu verbessern. Es bleibe abzuwarten, ob und in welcher Weise sich bei der Umsetzung der Maßnahmen Auswirkungen auf die Abschussplanungen zeigten. Weiter hat sich die Behörde im Klageverfahren unter Bezugnahme auf ein Vorbringen im Vorjahresverfahren dahingehend geäußert, dass eine Verlaubholzung nicht festzustellen sei. Zwar würden nach der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde die Befürchtungen des Klägers weitgehend bestätigt, wegen der besonderen Bedeutung der Wildschäden sei aber das Forstliche Gutachten für die Abschussplanung maßgeblich. Ein Managementplan sei noch nicht erstellt und enthalte voraussichtlich keine Aussage zu Jagdmanagement, Wildbeständen oder Abschusszahlen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Behörde ergänzend dargelegt, dass die Zielsetzung für SPA-Gebiete die Erhaltung und Wiederherstellung der Lebensraumkomplexe aus großflächigen, reich strukturierten Laub-, Misch-, und Nadelwäldern mit naturnaher Struktur und Baumzusammensetzung und Erhalt von naturnahen störungsarmen Bergmischwäldern und Erhaltung und Wiederherstellung der Buchenwälder und montanen und subalpinen Fichtenwälder sei. Diese Ziele würden mit der Abschussplanung 2015/2016 verfolgt. Im Hinblick auf die große Bedeutung der Schutzwälder und des hohen Schutzwaldanteils im Revier würden keine Widersprüche zu den Natura-2000-Zielen gesehen.

Der im Bescheid enthaltene Hinweis auf noch ausstehende Managementpläne (sog. Bewirtschaftungspläne, in denen u. a. Erhaltungs- und Entwicklungsziele festgelegt und dazugehörige Maßnahmen geplant werden) ist für eine ordnungsgemäße Abwägungsentscheidung nicht ausreichend. Der Behörde ist es auch nicht gelungen, das Abwägungsdefizit nachträglich zu heilen. Daraus ergibt sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Im Einzelnen:

Die Belange des Naturschutzes mit den besonders zu schützenden Vogelarten wurden inhaltlich nicht in ausreichendem Maße in die Entscheidung eingestellt und auch nicht mit den übrigen im Gesetz genannten Belangen abgewogen. Die Behörde hat sie vielmehr unter Verweis auf die ausstehenden Managementpläne als (noch) nicht abwägungsrelevant eingestuft. Dies ist jedoch fehlerhaft. Die Vorgaben der in nationales Recht umgesetzten europäischen Vogelschutzrichtlinie und FFH-Richtlinie sind bei der Aufstellung der Abschusspläne zu beachten und unabhängig von etwaigen Bewirtschaftungsplänen in die dabei vorzunehmende Abwägung miteinzubeziehen. Darüber hinaus enthält der zu erwartende Plan nach Angabe der unteren Naturschutzbehörde voraussichtlich ohnehin keine Aussagen zu Jagdmanagement, Wildbeständen oder Abschusszahlen. Dass naturschutzrechtliche Belange aufgrund der Lage des Jagdreviers im geschützten SPA-Gebiet relevant sind, hat die Jagdbehörde erkannt, indem sie im Laufe des Klageverfahrens betreffend den Vorjahresabschussplan eine naturschutzrechtliche Stellungnahme eingeholt hat. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem darin beschriebenen Zielkonflikt und eine Überprüfung der Abschussfestsetzung auf ihre SPA-Verträglichkeit haben bei der hier streitgegenständlichen Abschussfestsetzung dennoch nicht stattgefunden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob Abwägungsfehler im Rahmen der Abschussplanfestsetzung grundsätzlich durch Ergänzung der Abwägungsbelange geheilt werden können und ob im Bescheid ein hinreichend konkreter Anknüpfungspunkt für eine Ergänzung der Erwägungen vorhanden ist. Voraussetzung dafür ist eine materiell-rechtliche Heilungsmöglichkeit, die in prozessualer Hinsicht - etwa unter Heranziehung des allgemeinen Rechtsgedankens aus § 114 S. 2 VwGO (vgl. BeckOK VwGO/Decker VwGO § 114 Rn. 40 m.w.N; Sodan/Ziekow, VwGO 4. Auflage 2014, § 114 Rn. 203; BayVGH, B.v. 20.7.2009 - 7 CE 09.10091 u. a. - juris Rn. 14, 17) - noch nachträglich vorgenommen werden kann. Hier kommt es darauf nicht entscheidungserheblich an, da die vom Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragenen Gesichtspunkte jedenfalls nicht genügen, um die Abwägungsfehler zu heilen. Er hat darin allgemein auf die Zielsetzung für SPA-Gebiete abgestellt, die mit der Abschussplanung verfolgt werde und angefügt, dass im Hinblick auf die große Bedeutung der Schutzwälder keine Widersprüche zu den Natura-2000 Zielen bestünden. Ein Eingehen auf die sich im Zielkonflikt befindlichen Belange (Erhaltung von lichten Waldflächen als Lebensraum für geschützte Vogelarten einerseits; Laubmischwälder als naturschutzrechtlich hohes Gut und Lebensraum für andere geschützte Vogelarten andererseits) sowie eine Bewertung und Gewichtung der Umstände ist damit nicht erfolgt. Es fehlt mithin an einer auf Ausgleich der zum Teil gegenläufigen Interessen abzielenden Abwägungsentscheidung.

Die vom Kläger beantragte Vorlage an den EuGH ist abzulehnen. Nach Art. 267 AEUV kann ein Gericht dem EuGH eine Frage betreffend die Auslegung der Verträge oder die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union vorlegen, wenn es eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält. Die aufgeworfene Frage lässt sich, wie aufgezeigt, bereits durch das nationale Recht lösen. Mangels Vorlage an den EuGH war auch der diesbezüglich gestellte Aussetzungsantrag abzulehnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1, Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-)

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Die Beteiligten können die Festsetzung der zu erstattenden Kosten anfechten. § 151 gilt entsprechend.

Gegen die Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden. Der Antrag ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts zu stellen. §§ 147 bis 149 gelten entsprechend.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

Tatbestand

1

Die Kläger sind nach § 3 UmwRG als Naturschutzvereinigungen anerkannt. Sie wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 30. April 2012 für den Neubau der Bundesautobahn A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg, Teilstrecke B 206 westlich Wittenborn bis B 206 westlich Weede.

2

Die planfestgestellte Teilstrecke der A 20 ist die Verlängerung des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 10 (Neubau der Ostseeautobahn A 20 zwischen Lübeck und Stettin). Etwa 340 km der A 20 zwischen dem Autobahnkreuz Uckermark an der A 11 nahe der polnischen Grenze (Brandenburg) und Weede bei Bad Segeberg (Schleswig-Holstein) sind bereits durchgängig befahrbar. Die westlich des Autobahnkreuzes Lübeck gelegenen Abschnitte der A 20 werden unter dem Oberbegriff "Nord-West-Umfahrung Hamburg" zusammengefasst. Sie sind in Ost-West-Richtung in insgesamt acht Streckenabschnitte unterteilt, von denen die beiden ersten bereits fertiggestellt und für den Verkehr freigegeben sind. Die streitgegenständliche Teilstrecke betrifft den 3. Abschnitt; erst beim 8. Abschnitt ist die Querung der Elbe zwischen der B 431 (Glückstadt) in Schleswig-Holstein und der K 28 (Drochtersen) in Niedersachsen vorgesehen. Sie soll nach derzeitiger Planung durch einen Tunnel erfolgen. Sämtliche Abschnitte der "Nord-West-Umfahrung Hamburg" sind im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen in der Stufe des vordringlichen Bedarfs ausgewiesen. Darüber hinaus sind sie Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V).

3

Der planfestgestellte Abschnitt weist eine Gesamtlänge von ca. 10 km auf. Die Trassenwahl folgt der Linienbestimmung des Bundesministeriums für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen vom 28. Juli 2005. Die Trasse verläuft von Bad Segeberg/Weede (B 206) in westlicher Richtung als ortsnahe Südumfahrung von Bad Segeberg, kreuzt die A 21 im Bereich der bestehenden Anschlussstellen mit den Bundesstraßen B 206 und B 432 und wird nördlich um Wittenborn bis auf die Trasse der bestehenden B 206 südlich des Standortübungsplatzes geführt. Verknüpfungen mit dem Bundesfernstraßennetz sind über das Autobahnkreuz A 20/A 21 sowie mit dem nachgeordneten Straßennetz über die Anschlussstellen A 20/K 73 (Wittenborn), A 20/K 7 (Segeberg-Ost) und im Zuge der A 21 über die Anschlussstelle A 21/K 61 (Schackendorf) vorgesehen. Zur Querung der Trave und des Travetals ist südwestlich von Bad Segeberg ein Brückenbauwerk von 250 m Länge, 55 m Breite und 19 m Höhe geplant (BW 5.08). Eine weitere Talbrücke von ca. 370 m Länge ist im Bereich der Ortsgrenze zwischen Bad Segeberg und Klein Gladebrügge nördlich des Gieselteichs vorgesehen (BW 5.12). Hierdurch sollen die Bahnstrecke Bad Segeberg - Bad Oldesloe sowie die verlegte B 206 und die L 83 gequert werden.

4

Die Trasse verläuft - ausgehend von ihrem östlichen Anfangspunkt - zunächst in einer Entfernung von ca. 1,3 bis 1,9 km südlich des 3 ha großen FFH-Gebiets DE 2027-302 "Segeberger Kalkberghöhlen", das sich im Zentrum von Bad Segeberg befindet. Die Höhlen sind das größte bekannte Fledermausquartier Deutschlands; in ihnen überwintern ca. 21 000 Tiere. Die Ansammlungen von Fransen- und Bechsteinfledermäusen sind die größten bekannten Vorkommen weltweit. Die Trasse schneidet dann über die vorgesehene Travebrücke in einer Gesamtbreite von etwa 90 m das FFH-Gebiet DE 2127-391 "Travetal", das über eine Gesamtlänge von etwa 20 km in Nord-Süd-Richtung verläuft und insgesamt eine Größe von 1 280 ha aufweist. Im weiteren Verlauf der Trasse liegt in etwa 2 km Entfernung südlich von Wittenborn das 311 ha große FFH-Gebiet DE 2127-333 "Leezener Au-Niederung und Hangwälder" und in etwa 500 m Entfernung westlich von Wittenborn das Vogelschutzgebiet DE 2026-401 "Barker und Wittenborner Heide". Es setzt sich aus 2 Teilgebieten zusammen und umfasst eine Gesamtfläche von 1 392 ha. Die kleinere, ca. 186 ha große "Barker Heide" im Süden wird von der Bundesstraße B 206 und einem ca. 370 m breiten Streifen entlang der Bundesstraße B 206 von der nördlich gelegenen, 1 206 ha umfassenden "Wittenborner Heide" getrennt. Die "Barker Heide" ist sowohl als Vogelschutzgebiet als auch als FFH-Gebiet (DE 2026-304 "Barker Heide"), die "Wittenborner Heide" nur als Vogelschutzgebiet ausgewiesen.

5

Das Verwaltungsverfahren nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

6

Die Linienbestimmung für den streitgegenständlichen Abschnitt erfolgte zunächst in einem eigenständigen Verfahren unter der Bezeichnung "Neubau der BAB A 20 Bad Segeberg - Lübeck, Abschnitt 5, Raum Segeberg". Die Planungsunterlagen einschließlich einer Umweltverträglichkeitsstudie, bestehend aus Raumempfindlichkeitsanalyse (UVS Teil I) und Variantenvergleich (UVS Teil II) wurden zwischen November 1994 und April 1999 erarbeitet (sog. "Voruntersuchung Streckenabschnitt 5"). Gegenstand des Hauptvariantenvergleichs waren drei sich deutlich unterscheidende Trassenverläufe: eine kombinierte Ausbau-/Neubauvariante (Ausbau der B 206 östlich Bad Segebergs und der Ortsdurchfahrt Bad Segebergs sowie Neubau westlich der Ortslage Bad Segeberg, Variante 1), eine ortsnahe Südumfahrung Bad Segebergs als Neubauvariante (Variante 2) sowie eine weite Südumfahrung Bad Segebergs als Neubauvariante mit Versatz auf der A 21 (Variante 3, sog. Schwissellinie). Nach Abschluss der Voruntersuchungen wurden die Unterlagen in der Zeit vom 7. Juni bis zum 7. Juli 1999 in der Stadt Bad Segeberg sowie in den Ämtern Segeberg-Land und Leezen öffentlich ausgelegt.

7

Für den sich westlich an den streitgegenständlichen Abschnitt anschließenden deutlich längeren Abschnitt gab es ein separates Linienbestimmungsverfahren unter der Bezeichnung "A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg, Abschnitt A 26 (Niedersachsen) bis Bad Segeberg (Schleswig-Holstein)". Für diesen Abschnitt fand eine großräumige Variantenprüfung zur Linienfindung statt. Die Unterlagen (Untersuchung zur Linienfindung von Oktober 2002) wurden vom 6. Januar bis 6. Februar 2003 in 30 Städten, amtsfreien Gemeinden und Amtsverwaltungen öffentlich ausgelegt, darunter auch im Rathaus der Stadt Bad Segeberg, der Amtsverwaltung Leezen und der Amtsverwaltung Segeberg-Land (heute: Trave-Land). Die Kläger nahmen zu der Planung jeweils Stellung.

8

Nachdem das Landesverkehrsministerium Schleswig-Holstein zunächst im März und Juli 2004 zwei getrennte Anträge auf Linienbestimmung nach § 16 FStrG gestellt hatte, forderte das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (künftig: Bundesverkehrsministerium) das Landesverkehrsministerium Schleswig-Holstein unter dem 20. Oktober 2004 zur Überarbeitung der Unterlagen auf. Zur Begründung wurde u.a. darauf hingewiesen, dass im Bereich Wahlstedt der Netzanschluss fehle; ohne den anschließenden Abschnitt Wahlstedt - Weede sei die weitere Bearbeitung nicht möglich. Auch habe sich gezeigt, dass die Linienbestimmungsabschnitte A 26, Wahlstedt und Wahlstedt - Weede "sich überlappen, im Überlappungsbereich aber nicht deckungsgleich" seien; außerdem genüge die Begründung und Darstellung der Linienfindung nicht den Anforderungen des Linienbestimmungsverfahrens für eine Bundesautobahn, da sie im Wesentlichen auf Ortsentlastungseffekte für Bad Segeberg abziele. Darüber hinaus sei die Auswahl der Varianten nicht nachvollziehbar dargestellt. Des Weiteren wurde angekündigt, dass das Linienbestimmungsverfahren künftig für beide Abschnitte gemeinsam fortgeführt werde.

9

Im November 2004 stellten daraufhin die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen beim Bundesverkehrsministerium unter Vorlage eines gemeinsamen Erläuterungsberichts den formellen Antrag nach § 16 FStrG auf Bestimmung der Linie für die "A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg, Abschnitt A 26 (Niedersachsen) bis Weede, östlich Bad Segeberg (Schleswig-Holstein)". Der Antrag umfasste eine Strecke mit einer Gesamtlänge von ca. 95 km. Aufgrund deutlicher Vorteile in verkehrlicher und städtebaulicher Hinsicht hatte man für den streitgegenständlichen Abschnitt - den früheren "Streckenabschnitt 5" - die Variante 2 (ortsnahe Südumfahrung Bad Segebergs) in der Untervariante 2.1 als Vorzugsvariante ermittelt. Eine erhebliche Beeinträchtigung gemeldeter FFH- oder Vogelschutzgebiete wurde verneint. Mit Schreiben vom 28. Juli 2005 bestimmte das Bundesverkehrsministerium im Benehmen mit den obersten Landesplanungsbehörden der beiden Länder die beantragte Linienführung mit verschiedenen Anmerkungen und Maßgaben.

10

Die Vorhabenträgerin beantragte im September 2006 die Durchführung des Anhörungsverfahrens für eine im Wesentlichen der Linienbestimmung entsprechende Trassenführung. Die Planunterlagen wurden vom 14. November bis 14. Dezember 2006 ausgelegt. Einwendungen konnten bis einschließlich 11. Januar 2007 erhoben werden. Zwischen Februar und Mai 2008 fanden verschiedene Erörterungstermine statt. Im August 2009 beantragte die Vorhabenträgerin die Durchführung eines Planänderungsverfahrens. Die geänderten Unterlagen und Pläne lagen in der Zeit vom 19. Oktober bis 19. November 2009 bzw. vom 9. November bis 9. Dezember 2009 öffentlich aus. Die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme endete am 17. Dezember 2009 bzw. am 6. Januar 2010. Im Juni/Juli 2010 fanden weitere Erörterungstermine statt. Im August 2011 beantragte die Vorhabenträgerin die Durchführung eines 2. Planänderungsverfahrens. Die erneut geänderten Unterlagen und Pläne lagen in der Zeit vom 19. September bis 19. Oktober 2011 öffentlich aus. Die Einwendungsfrist endete am 16. November 2011. Auf die Festsetzung weiterer Erörterungstermine wurde verzichtet. Beide Kläger nahmen zu der vorgenannten Planung einschließlich der verschiedenen Planänderungen Stellung.

11

Im Laufe des Verwaltungsverfahrens teilte die Europäische Kommission in ihrer Stellungnahme vom 11. Juni 2010 der Bundesrepublik Deutschland auf deren Ersuchen nach Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABI EG Nr. L 206 S. 7 - FFH-RL) ihre Auffassung mit, dass die nachteiligen Auswirkungen des Baus der Autobahn A 20 auf das Natura 2000-Gebiet DE 2127-391 "Travetal" aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses gerechtfertigt seien.

12

Mit Beschluss vom 30. April 2012 stellte der Beklagte den Plan für den Neubau der A 20, Teilstrecke B 206 westlich Wittenborn bis B 206 westlich Weede fest. Wesentliche Bestandteile des Vorhabens sind neben der Trasse der Bau des Autobahnkreuzes A 21/A 20, verschiedene Anschlussstellen, zwei Brückenbauwerke, Lärmschutzwälle und -wände sowie Gestaltungswälle im Bereich verschiedener Ortslagen. Gegenstand der Planung sind ferner naturschutzfachliche Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung von Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sowie zur Kompensation der mit dem Vorhaben verbundenen unvermeidbaren Eingriffe. Umstufungen sind ausdrücklich nicht Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses. Über den Neubau der Teilstrecke der A 20 hinaus ist der Ausbau der bestehenden Bundesautobahn A 21 von Betriebs-km 42+500 bis Betriebs-km 46+348,959 mit Anbau von Standstreifen vorgesehen.

13

Hinsichtlich des FFH-Gebiets DE 2027-302 "Segeberger Kalkberghöhlen" und des Europäischen Vogelschutzgebiets DE 2026-401 "Barker und Wittenborner Heide" verneint der Planfeststellungsbeschluss eine erhebliche Beeinträchtigung. Demgegenüber nimmt er hinsichtlich des FFH-Gebiets DE 2127-391 "Travetal" eine erhebliche Beeinträchtigung des Waldgürtels am Osthang der Trave (Lebensraumtypen 9130, 9160, *9180, *7220 und *91E0) durch verschiedene Wirkfaktoren (Flächenverlust, Zerschneidung, Störungen und Stickstoffbelastungen) an, lässt das Vorhaben aber nach § 34 Abs. 3 BNatSchG unter Hinweis auf verkehrliche Belange zu. Zum Ausgleich sind zwei Kohärenzsicherungsmaßnahmen festgelegt. Diese sind nach Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 9 des Planfeststellungsbeschlusses entsprechend der Beschreibung in den Unterlagen, die die deutschen Behörden der Europäischen Kommission übermittelt haben, durchzuführen und zu überwachen. Der Kommission ist zudem ein ausführlicher Bericht vorzulegen.

14

Die Kläger haben fristgerecht Klage erhoben.

15

Sie halten den Planfeststellungsbeschluss für materiell rechtswidrig. Zur Begründung führen sie aus: Schon das Linienbestimmungsverfahren sei unter verschiedenen Gesichtspunkten nicht ordnungsgemäß erfolgt. Des Weiteren fehle die Planrechtfertigung, da die Fortführung der Nord-West-Umfahrung Hamburgs wegen der absehbar fehlenden Finanzierbarkeit eines Elbtunnels höchst ungewiss sei. Das FFH-Gebiet "Segeberger Kalkberghöhlen" werde entgegen der Auffassung des Beklagten erheblich beeinträchtigt; insoweit bemängeln die Kläger insbesondere die Methodik der Fledermauserfassung sowie die Prüfung der charakteristischen Arten. Die Beeinträchtigung des FFH-Gebiets "Travetal" werde unterschätzt. Das FFH-Gebiet "Segeberger Kalkberghöhlen" sowie das Vogelschutzgebiet "Barker und Wittenborner Heide" seien zudem unzutreffend abgegrenzt. Die Abweichungsprüfung sei zu beanstanden, da es an zwingenden Gründen fehle und zudem vorzugswürdige Varianten zur Verfügung stünden. Auch sei die Kohärenz des Netzes "Natura 2000" durch die festgesetzten Maßnahmen nicht gesichert. Darüber hinaus verstoße der Planfeststellungsbeschluss gegen Artenschutzrecht. Schließlich fehle eine ordnungsgemäße Abwägung.

16

Der Beklagte hat mit Planänderungsbescheid vom 16. Oktober 2013 den Planfeststellungsbeschluss um Ausnahmen für vereinzelte Verstöße gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot für die Haselmaus und verschiedene Fledermausarten ergänzt. Des Weiteren hat er den Planfeststellungsbeschluss in der mündlichen Verhandlung in verschiedenen Punkten ergänzt.

17

Die Kläger beantragen,

1. den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der Bundesautobahn A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg, Teilstrecke B 206 westlich Wittenborn bis B 206 westlich Weede vom 30. April 2012 in der Fassung des Planänderungsbescheides vom 16. Oktober 2013 und der in der mündlichen Verhandlung vom 22./23. Oktober 2013 erklärten Ergänzungen aufzuheben,

2. hilfsweise: festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist,

3. weiter hilfsweise: den Beklagten zu verpflichten, dem Träger des Vorhabens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts geeignete Vorkehrungen bzw. die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzugeben, die zur weitergehenden Vermeidung bzw. zur Kompensation nachteiliger Umweltauswirkungen des Planfeststellungsbeschlusses erforderlich sind.

18

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

19

Er hält den Planfeststellungsbeschluss für rechtmäßig.

20

Der Beklagte hat auf Anregung des Senats eine Stellungnahme des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zur Frage der Methodik der Fledermauserfassung eingeholt. Die Stellungnahme datiert vom 14. Oktober 2013.

Entscheidungsgründe

21

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Der Planfeststellungsbeschluss vom 30. April 2012 in der Gestalt der Planänderung vom 16. Oktober 2013 sowie der in der mündlichen Verhandlung erklärten Ergänzungen verstößt in Teilen gegen Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes und damit gegen Vorschriften, deren Verletzung die Kläger als anerkannte Naturschutzvereinigungen gemäß § 64 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BNatSchG 2010 rügen können.

22

Der Vortrag der Kläger umfasst neben unberechtigten Einwänden auch solche Rügen, die auf Mängel bei der Behandlung des Habitatschutzes, der FFH-rechtlichen Ausnahmeprüfung und des Artenschutzes (A) sowie - infolge der vorgenannten Mängel - der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung und der fachplanerischen Abwägung führen (B). Diese Mängel rechtfertigen nicht die Aufhebung, sondern nur die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses, weil Heilungsmöglichkeiten in einem ergänzenden Verfahren verbleiben (C).

23

A. Ohne Erfolg machen die Kläger das Fehlen einer Planrechtfertigung (I.) sowie Mängel des Linienbestimmungsverfahrens (II.) geltend. Demgegenüber beanstanden sie zu Recht die Verträglichkeitsprüfung in Bezug auf das FFH-Gebiet "Segeberger Kalkberghöhlen", und zwar hinsichtlich der angewandten Methodik der Fledermauserfassung sowie hinsichtlich der Prüfung der charakteristischen Arten (III.). Nicht zu beanstanden sind die Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses zum Vogelschutzgebiet "Barker und Wittenborner Heide" (IV.). In Bezug auf das FFH-Gebiet "Travetal" ist die Prüfung der Verträglichkeit ebenfalls rechtens (V.). Einen beachtlichen Fehler enthält der Planfeststellungsbeschluss aber im Zusammenhang mit der Abweichungsprüfung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG. Zwar fehlt es insoweit nicht an zwingenden Gründen, auch greift die hinsichtlich der Kohärenzsicherungsmaßnahmen geäußerte Kritik der Kläger im Ergebnis nicht durch; jedoch kann die Alternativenprüfung nicht vollständig überzeugen (VI.). Insbesondere wegen der bereits im Zusammenhang mit dem Gebietsschutz festgestellten methodischen Mängel bei der Erfassung der Fledermäuse erweist sich auch die artenschutzrechtliche Beurteilung des Vorhabens als fehlerhaft (VII.).

24

I. Die Planrechtfertigung ist gegeben.

25

Ob das Erfordernis der Planrechtfertigung für ein Vorhaben auf die Klage eines anerkannten Naturschutzvereins hin trotz dessen beschränkter Rügebefugnis zu prüfen ist, kann (weiterhin) offenbleiben (vgl. hierzu Urteile vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 42 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30 und vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 28). Denn die Planrechtfertigung ist für das planfestgestellte Vorhaben gegeben. Es ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen zum Fernstraßenausbaugesetz i.d.F. vom 20. Januar 2005 (BGBl I S. 201) - FStrAbG - als Vorhaben des vordringlichen Bedarfs enthalten und damit gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG, gemessen an den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG, vernünftigerweise geboten. Die gesetzliche Feststellung des Bedarfs ist für die Planfeststellung wie auch das gerichtliche Verfahren verbindlich. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Bedarfsfeststellung für die A 20 die Grenzen seines gesetzgeberischen Ermessens überschritten hat, sind nicht ersichtlich. Das wäre nur der Fall, wenn die Bedarfsfeststellung evident unsachlich wäre, weil es für die Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfsplan im Hinblick auf die bestehende oder künftig zu erwartende Verkehrsbelastung oder auf die verkehrliche Erschließung eines zu entwickelnden Raums an jeglicher Notwendigkeit fehlte oder wenn sich die Verhältnisse seit der Bedarfsentscheidung des Gesetzgebers so grundlegend gewandelt hätten, dass das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd erreicht werden könnte (stRspr; vgl. nur Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 43).

26

Davon ist bei der geplanten Autobahn nicht auszugehen. Hiergegen spricht schon die aktuelle Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen vom 11. November 2010, die ergeben hat, dass Anpassungen nicht erforderlich sind. Zwar wurde die Überprüfung aufgrund der Vielzahl der Projekte nicht für Einzelmaßnahmen vorgenommen. Allerdings wurde - der hier vorliegenden Fragestellung entsprechend - untersucht, ob sich die seinerzeit der Bewertung zugrunde gelegten verkehrlichen Rahmenbedingungen so gravierend verändert haben, dass der Projektbedarf grundsätzlich in Frage gestellt werden muss. Dies wurde verneint. Die Analysen führten vielmehr im Ergebnis zu einer Bestätigung aller im geltenden Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ausgewiesenen Straßenbauprojekte. An der Verwertbarkeit dieses Ergebnisses ändert sich nichts durch die Kritik der Kläger, dass - anders als bei der Aufstellung des Bedarfsplans im Jahre 2004 - bei dessen Überprüfung entgegen § 4 Satz 1 Halbs. 2 FStrAbG nur die global-verkehrlichen Belange, nicht aber die Belange des Umweltschutzes einbezogen worden seien und zudem keine strategische Umweltprüfung nach § 14b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Anlage 3 Nr. 1.1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) stattgefunden habe. Solange sich die Verhältnisse nicht grundlegend gewandelt haben, wird der gesetzliche Bedarfsplan nicht dadurch automatisch gegenstandslos, dass die Prüfung eines etwaigen Anpassungsbedarfs nicht rechtzeitig oder nicht in jeder Hinsicht vollständig stattgefunden hat (vgl. auch Urteil vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <149> = Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 S. 10).

27

Die Planrechtfertigung fehlt auch nicht mit Blick auf die Finanzierungsprobleme eines Elbtunnels. Dieser Tunnel betrifft erst den 8. Abschnitt des Gesamtvorhabens. Im Übrigen sind sämtliche schleswig-holsteinischen Abschnitte der A 20 im Bedarfsplan als vordringlicher Bedarf ausgewiesen. Diese Ausweisung unterstreicht nicht nur die Dringlichkeit der Planung, sondern auch die Vorrangigkeit der Finanzierung (Urteil vom 20. Mai 1999 - BVerwG 4 A 12.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 154 S. 32). Die Planfeststellungsbehörden haben lediglich vorausschauend zu beurteilen, ob dem Vorhaben "unüberwindliche" finanzielle Schranken entgegenstehen (stRspr, vgl. nur Urteil vom 20. Mai 1999 a.a.O. S. 31; Beschluss vom 15. Januar 2008 - BVerwG 9 B 7.07 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 48). Davon kann hier keine Rede sein. Es steht keineswegs fest, dass die Finanzierung, ggf. auch unter Beteiligung Privater, auf Dauer ausgeschlossen ist.

28

Dem planfestgestellten Abschnitt kommt auch ein eigenständiger Verkehrswert zu (vgl. zu diesem Kriterium Urteil vom 7. März 1997 - BVerwG 4 C 10.96 - BVerwGE 104, 144 <152 f.> m.w.N.). Es ist nicht zu erkennen, dass im Falle des Scheiterns der Gesamtplanung die Verwirklichung des Projekts nicht sinnvoll bliebe und lediglich einen Planungstorso darstellen würde. Der Planfeststellungsbeschluss geht - gestützt auf Verkehrsprognosen - nachvollziehbar davon aus, dass ein erhebliches Entlastungspotential für Bad Segeberg sowie für die an der B 206 zwischen der A 21 und der L 78 liegenden Ortschaften sowohl bei einem Ende der A 20 westlich des Autobahnkreuzes A 21/A 20 als Kurztrasse (Netzfall 2a) als auch bei einem Ende der A 20 westlich von Wittenborn mit Einbindung in die vorhandene B 206 (Netzfall 2b) besteht. Würde die A 20 bis zur A 7 weitergebaut (Planfall 3), würde sich der Entlastungseffekt noch weiter verstärken (vgl. zum Vorstehenden Planfeststellungsbeschluss S. 336 ff. und S. 425 ff. sowie Anlage B 1 "Karte Prognosebelastungen 2025 im Planfall 3" zur Klageerwiderung im früher selbständigen - inzwischen verbundenen - Verfahren BVerwG 9 A 15.12).

29

II. Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht infolge der von den Klägern aufgezeigten Fehler des Linienbestimmungsverfahrens rechtswidrig. Aufgrund der nur verwaltungsinternen Bedeutung der Linienbestimmung können Fehler des Linienbestimmungsverfahrens nur unter engen Voraussetzungen auf die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses durchschlagen (1.); solche Fehler sind hier nicht festzustellen (2.).

30

1. Das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung enthält in Bezug auf die Linienbestimmung nach § 16 Abs. 1 FStrG bestimmte formelle und inhaltliche Vorgaben: Die Linienbestimmung ist nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 UVPG UVP-pflichtig, es sei denn, die Umweltverträglichkeitsprüfung hat bereits in einem Raumordnungsverfahren stattgefunden (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 UVPG). Zudem ist eine vereinfachte Öffentlichkeitsbeteiligung - ohne Durchführung eines Erörterungstermins - vorgeschrieben. Die Umweltverträglichkeit wird "nach dem jeweiligen Planungsstand des Vorhabens" geprüft. Alle ernsthaft in Betracht kommenden Trassenvarianten sind einzubeziehen (vgl. § 9 und § 15 Abs. 1 und 2 UVPG).

31

Fehler, die die Linienbestimmung nach § 16 Abs. 1 FStrG betreffen, können nach § 15 Abs. 5 UVPG nur im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die nachfolgende Zulassungsentscheidung - also im Rahmen der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss - überprüft werden. Aufgrund der nur verwaltungsinternen Bedeutung der Linienbestimmung sind aber nur wenige Fehler vorstellbar, die ohne Weiteres auf die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses durchschlagen. Die Linienbestimmung nach § 16 Abs. 1 FStrG ist weder eine formelle noch eine materielle Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der Planfeststellung. Sie ist nicht auf unmittelbare Rechtswirkungen nach außen gerichtet, sondern hat innerhalb des Planungsverlaufs den Charakter einer vorbereitenden Grundentscheidung mit allein verwaltungsinterner Bedeutung. Rechtliche Verbindlichkeit gegenüber dem Träger der Straßenbaulast und gegenüber Dritten erlangt sie erst dadurch, dass sie in den Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses ihren Niederschlag findet (stRspr; vgl. nur Urteil vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 26 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203). Da die Linienbestimmung nicht Teil eines gestuften Verfahrens mit einer der Bestandskraft fähigen Vorabentscheidung ist, sondern lediglich verwaltungsinterne Bedeutung entfaltet, können Fehler auf dieser vorgelagerten Ebene regelmäßig im nachfolgenden Verfahren, in dem "alle Optionen noch offen sind" und "eine im Hinblick auf den Ausgang des Entscheidungsverfahrens effektive Öffentlichkeitsbeteiligung" noch möglich ist, geheilt werden (EuGH, Urteil vom 15. Januar 2013 - Rs. C-416/10, Krizan - NVwZ 2013, 347 Rn. 85 ff., 88 f. m.w.N.). Etwas anderes kann allerdings gelten, soweit die Prüfung der Umweltverträglichkeit gemäß § 15 Abs. 4 UVPG im nachfolgenden Verfahren ausdrücklich auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen des Vorhabens beschränkt wurde. Denn in diesem Fall setzt sich ein Fehler, der im abgeschichteten Teil der auf die Linienbestimmung bezogenen Umweltverträglichkeitsprüfung aufgetreten ist, bis zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses fort.

32

2. Vorliegend sind bereits keine Fehler des Verfahrens der Linienbestimmung feststellbar.

33

a) Die Kläger beanstanden zum einen, dass die einheitliche Linienbestimmungsentscheidung des Bundesverkehrsministeriums vom 28. Juli 2005 auf zwei eigenständigen Verfahren beruhte (A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg einerseits und A 20, Südumfahrung Segeberg-Wittenborn bis Weede andererseits); diese Verklammerung habe zu Beteiligungsausfällen geführt. Die Beteiligten des einen Abschnitts seien am jeweils anderen nicht beteiligt worden; insbesondere habe die Öffentlichkeit nicht zum Gesamtkonzept Stellung nehmen können.

34

Die Kritik trifft nicht zu. Dass die Öffentlichkeit bei einem abschnittsweise geplanten Vorhaben im Regelfall nur in dem jeweiligen Abschnitt beteiligt wird, ist kein Verfahrensfehler; vielmehr liegt dies in der Natur jeder Abschnittsbildung. Im vorliegenden Fall wurde die von dem planfestgestellten Abschnitt betroffene Öffentlichkeit allerdings doppelt angehört, nämlich zunächst im Rahmen des Linienbestimmungsverfahrens zur Teilstrecke 5 (Auslegung der Unterlagen im Jahre 1999), sodann später erneut im Rahmen der Linienfindung für die großräumigere Nord-West-Umfahrung Hamburg (Auslegung der Unterlagen im Jahre 2003). Da die Auslegung jeweils übereinstimmend im Rathaus der Stadt Bad Segeberg, der Amtsverwaltung Leezen und der Amtsverwaltung Segeberg-Land (heute: Trave-Land) erfolgte, konnte die Öffentlichkeit zu dem später linienbestimmten Gesamtvorhaben Stellung nehmen.

35

b) Ebenso wenig greift die Kritik durch, es habe im Linienbestimmungsverfahren an ausreichenden Dokumenten nach §§ 11, 12 UVPG gefehlt. Nach § 11 Satz 4 UVPG kann die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen auch in der Zulassungsentscheidung selbst erfolgen, d.h. die Erstellung einer besonderen Unterlage ist nicht erforderlich. Gleiches gilt für die Bewertung der Umweltauswirkungen (§ 12 UVPG); auch insoweit ist keine besondere Form vorgeschrieben (Beckmann, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 11 Rn. 29 ff. und § 12 Rn. 18 ff.). Von daher ist es nicht zu beanstanden, dass im großräumigen Linienbestimmungsverfahren für die Nord-West-Umfahrung Hamburg auf die entsprechenden Unterlagen aus dem früher selbständigen Verfahren zur Teilstrecke 5 zurückgegriffen und nicht eine neue Gesamtunterlage nach §§ 11, 12 UVPG erstellt wurde.

36

c) Auch der Vorwurf der Kläger, die in der Linienbestimmungsentscheidung vom 28. Juli 2005 erwähnten FFH-Verträglichkeitsuntersuchungen seien zeitlich erst nach der Öffentlichkeitsbeteiligung erstellt worden, führt nicht auf einen Fehler.

37

Es steht dem nationalen Gesetzgeber frei, auf ein vorgelagertes Verfahren der Linienbestimmung zu verzichten. Eine Pflicht zur Durchführung eines derartigen Verfahrens ergibt sich weder aus der UVP-Richtlinie (Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl EU Nr. L 26 S. 1) noch aus der SUP-Richtlinie (Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, ABl EG Nr. L 197 S. 30). Beide Richtlinien regeln nur, dass bestimmte Projekte bzw. bestimmte Pläne oder Programme auf ihre Umweltverträglichkeit hin untersucht werden müssen; zu der davon zu unterscheidenden Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedstaaten Pläne oder Programme erlassen müssen, verhalten sich beide Richtlinien nicht. Infolgedessen besteht keine Pflicht zur Wiederholung des Verfahrens, wenn ein vorgelagertes Linienbestimmungsverfahren zu einer Zeit durchgeführt worden ist, zu der Art. 6 Abs. 3 FFH-RL mangels Listung der betroffenen Gebiete noch nicht anwendbar war. Den Anforderungen des FFH-Rechts ist dann allerdings im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens Rechnung zu tragen, d.h. der jeweilige Abschnitt - das Projekt i.S.d. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL - ist mit seinen Auswirkungen auf die von ihm betroffenen FFH-Gebiete in den Blick zu nehmen (Urteil vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 20). Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. Zwar bestand hier zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Linienbestimmung (2005) nicht nur eine Pflicht zur Prüfung der Umweltverträglichkeit, sondern nach § 35 Satz 1 i.V.m. § 34 BNatSchG auch eine solche zur Prüfung der Verträglichkeit mit Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung i.S.d. Art. 4 FFH-Richtlinie. Auch hatte die Kommission im Jahr 2004 bereits eine - wenn auch noch vorläufige - Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung veröffentlicht. Da die vorgeschaltete Öffentlichkeitsbeteiligung aber schon in den Jahren 1999 und 2003 stattgefunden hatte, konnte in diese die Prüfung der FFH-Verträglichkeit etwaiger Schutzgebiete noch nicht einbezogen werden. Auch in der hier vorliegenden Konstellation besteht keine Pflicht zur Wiederholung des Linienbestimmungsverfahrens bzw. zur erneuten Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung, sondern es genügt, dass dem FFH-Recht im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens Rechnung getragen wurde. Ob dies der Fall ist, wird im Folgenden ausgeführt.

38

III. Den besonderen Anforderungen an den Schutz von FFH-Gebieten trägt der Planfeststellungsbeschluss in Bezug auf das FFH-Gebiet "Segeberger Kalkberghöhlen" nicht vollständig Rechnung.

39

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG, mit dem Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL umgesetzt worden ist, sind Projekte vor ihrer Zulassung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen. Sie dürfen nach § 34 Abs. 2 BNatSchG nur zugelassen werden, wenn die Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass das Projekt nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen eines solchen Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Abweichend von § 34 Abs. 2 BNatSchG darf ein Projekt nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 BNatSchG zugelassen werden.

40

Die Verträglichkeitsprüfung, die ergeben hat, dass es nicht zu vorhabenbedingten erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets "Segeberger Kalkberghöhlen" kommen wird, enthält durchgreifende Mängel, so dass die Zulassung des Vorhabens nicht auf sie gestützt werden kann. Zwar ist die Gebietsabgrenzung entgegen der Auffassung der Kläger nicht zu beanstanden (1.). Die der Verträglichkeitsprüfung zugrunde gelegte Methode der Fledermauserfassung entspricht aber nicht den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen (2.), zudem ist der gewählte Prüfungsmaßstab in Bezug auf die charakteristischen Arten zu eng (3.). Nicht durchsetzen können die Kläger sich hingegen mit ihrer grundsätzlichen Kritik hinsichtlich des Schutzkonzepts (4.) und der Monitoringbestimmungen (5.).

41

1. Die Gebietsabgrenzung ist nicht zu beanstanden. Das FFH-Gebiet "Segeberger Kalkberghöhlen" umfasst 3 ha; die eigentliche Höhle selbst ist ca. 2 km lang; davon sind 300 m für Schauzwecke geöffnet. Die Höhle stellt laut Standarddatenbogen das größte bekannte Fledermausquartier Deutschlands dar. Nach der Installation neuer automatischer Erfassungsanlagen ergaben die Zählungen, dass im Jahr 2007 weit mehr als 21 000 Individuen die Höhle bewohnt haben.

42

Die Maßstäbe für die Gebietsabgrenzung ergeben sich aus Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Phase 1 FFH-RL. Diese Regelung ist nicht nur für die Identifizierung von FFH-Gebieten, sondern auch für deren konkrete Abgrenzung anzuwenden. Maßgebend sind ausschließlich die in Anhang III Phase 1 genannten naturschutzfachlichen Kriterien; den zuständigen Stellen ist insoweit ein naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum eingeräumt. Zwingend ist eine Gebietsmeldung nur, wenn und soweit die fraglichen Flächen die von der Habitatrichtlinie vorausgesetzte ökologische Qualität aufweisen. Gebietsteile, die den Auswahlkriterien zweifelsfrei entsprechen, dürfen nicht ausgespart werden, auch nicht im Hinblick auf ein bestimmtes Vorhaben. Ein sich aufdrängender Korrekturbedarf muss im Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt werden. Nach der Entscheidung der EU-Kommission über die Gebietslistung spricht eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit der Gebietsabgrenzung. Deshalb bedürfen Einwände dagegen einer besonderen Substantiierung; sie müssen geeignet sein, die Vermutung zu widerlegen (stRspr, vgl. nur Urteile vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 36 und vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 38 ff. = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 45).

43

Das ist den Klägern hier nicht gelungen. Sie halten das FFH-Gebiet für zu eng abgegrenzt und meinen, richtigerweise hätte zumindest der Segeberger Forst als Lebensraum für die Bechsteinfledermaus und das Gebiet der Trave für die Teichfledermaus miteinbezogen werden müssen. Das ist, geht man von den Erhaltungszielen des in dem FFH-Gebiet geschützten Lebensraumtyps 8310 aus, nicht überzeugend. Unter dem Lebensraumtyp (LRT) 8310 "nicht touristisch erschlossene Höhlen" sind Höhlen und Balmen (Halbhöhlen), soweit sie nicht touristisch erschlossen oder genutzt sind, einschließlich ihrer Höhlengewässer zu verstehen. In bestimmten Höhlensystemen kommen sogenannte endemische Arten vor, also Arten, die auf das betreffende Höhlensystem beschränkt sind. Hier wurde nur eine nicht zu den Anhang-II-Arten zählende endemische Käferart (Chlidera holsatica, vgl. Fachgutachten zur FFH-Verträglichkeitsprüfung "Segeberger Kalkberghöhlen" 2009, aktualisiert Juni 2011, S. 7, künftig: FFH-VP "Kalkberghöhlen") nachgewiesen, die eine Gebietserweiterung nicht erfordert. Höhlen werden zudem als Winterquartier von den meisten einheimischen Fledermausarten genutzt. Gefährdet sind Höhlen vor allem durch die touristische Nutzung, die z.B. zur Veränderung des Höhlenklimas führt und störungsempfindliche Arten wie Fledermäuse bei ihrer Winterruhe beeinträchtigt. Auch die Fledermäuse, die die im Stadtgebiet liegenden Segeberger Kalkberghöhlen bevölkern, nutzen diese in erster Linie als Winterquartier; die Sommerquartiere sind zum Teil weit entfernt, so dass eine Gebietserweiterung nicht nahe liegt, auch nicht eine Einbeziehung der Gebiete "Segeberger Forst" und "Trave". Danach ist es nicht zu beanstanden, dass der Gebietsschutz auf die Höhlen selbst und die unmittelbare nähere Umgebung beschränkt wird.

44

2. Die der Verträglichkeitsprüfung zugrunde gelegte Methode der Bestandserfassung der als Erhaltungsziel geschützten Fledermausarten nach Anhang II FFH-RL (Bechsteinfledermaus, Teichfledermaus und Großes Mausohr) entspricht nicht dem Standard der "besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse" und reicht deshalb als Grundlage für die Verträglichkeitsprüfung nicht aus.

45

Für die Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL hat eine sorgfältige Bestandserfassung und -bewertung in einem Umfang zu erfolgen, der es zulässt, die Einwirkungen des Projekts zu bestimmen und zu bewerten. Die Methode der Bestandsaufnahme ist nicht normativ festgelegt; die Methodenwahl muss aber die für die Verträglichkeitsprüfung allgemein maßgeblichen Standards der "besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse" einhalten (stRspr, vgl. nur Urteile vom 28. März 2013 a.a.O. Rn. 41 und vom 6. November 2012 - BVerwG 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 35; EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - Rs. C-127/02 - Slg. 2004, I-7405 Rn. 54).

46

Das kann hier nicht festgestellt werden. Die geplante Autobahn soll in einem Abstand von nur ca. 1,3 km an dem FFH-Gebiet "Segeberger Kalkberghöhlen", das sich im Zentrum von Bad Segeberg befindet, vorbeiführen. Bei diesen Höhlen handelt es sich - wie bereits oben erwähnt - um das größte bekannte Fledermausquartier Deutschlands, dem deshalb besondere Bedeutung zukommt, weil Überwinterungsquartiere bei Fledermäusen zugleich als Balz- und Paarungsquartiere dienen. Für die Bechsteinfledermaus besitzt das Winterquartier Bedeutung für die gesamte schleswig-holsteinische Population, da hier der Genaustausch während der Überwinterung stattfindet (vgl. zum Vorstehenden FFH-VP "Kalkberghöhlen" S. 2 und 17 f., sowie Stellungnahme des BfN vom 14. Oktober 2013 S. 2, künftig: BfN-Stellungnahme).

47

In sämtlichen einschlägigen Arbeitshilfen und Leitfäden ist als Standardmethode zur Bestandserfassung von Fledermäusen ein Methodenmix aus Habitatanalyse und Geländeuntersuchungen unter Einsatz von Detektoren, Horchboxen, Netzfängen etc. vorgesehen (vgl. nur "Arbeitshilfe Fledermäuse und Straßenverkehr" des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Entwurf Oktober 2011, S. 14 ff., künftig: Arbeitshilfe Fledermäuse; Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein, "Fledermäuse und Straßenbau, Arbeitshilfe zur Beachtung der artenschutzrechtlichen Belange bei Straßenbauvorhaben in Schleswig-Holstein", Juli 2011, S. 10 ff.; Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, "Planung und Gestaltung von Querungshilfen für Fledermäuse - Eine Arbeitshilfe für Straßenbauvorhaben im Freistaat Sachsen" S. 42 ff.; weitere Nachweise finden sich in der BfN-Stellungnahme S. 3).

48

Von der beschriebenen Standardmethode ist der Gutachter des Vorhabenträgers, Dr. M., mit der von ihm gewählten Methode (sog. faunistische Potentialanalyse ohne nähere Vorort-Untersuchungen, kombiniert mit einem "Worst-Case-Ansatz") ausdrücklich abgewichen (vgl. zu den Einzelheiten der Methode Planfeststellungsbeschluss S. 621 f.; Anlage 12.0 der Planfeststellungsunterlagen, Kap. 3.5.1.7 S. 117; FFH-VP "Kalkberghöhlen" S. 39 ff. sowie Stellungnahme des Gutachters Dr. M. vom 27. August 2013 S. 1 - 11). Dabei ist er - zusammengefasst - von folgenden Annahmen ausgegangen:

49

Bei dem Planungsraum handele es sich um ein Gebiet, dessen sehr hohe Bedeutung für die Fledermausfauna schon seit langem bekannt sei. So habe der Vorhabenträger bereits im Jahre 1995 eine umfassende Untersuchung zur Bedeutung des Raums Segeberg für Fledermäuse in Auftrag gegeben, die von ortskundigen Fachleuten (O. und L.) durchgeführt worden sei. In den folgenden Jahren seien im Rahmen anderer Projekte oder zu Forschungszwecken weitere fledermauskundliche Untersuchungen zu unterschiedlichen Fragestellungen und mit unterschiedlichen Methodenansätzen hinzugekommen. Das Artenspektrum im Raum Segeberg sei infolge dieser Arbeiten mittlerweile hinreichend erfasst. Eine Auswertung der Untersuchungen habe gezeigt, dass das Raumnutzungsmuster eines bestimmten Gebiets sehr komplex sein könne. Wolle man es vollständig erfassen, wäre angesichts der Anzahl der Fledermäuse im Umfeld der Segeberger Höhlen ein Aufwand notwendig, der einem Forschungsvorhaben gleichkomme. Eine auch nur annähernd vollständige Kartierung des Raumnutzungsmusters setze eine intensive, alle Entwicklungsphasen sowohl der Fledermäuse wie auch ihrer Beutetiere berücksichtigende Untersuchung voraus, die zudem artspezifische Verhaltensweisen und insbesondere wechselnde Witterungsverläufe einbeziehen müsse. Hiervon ausgehend habe man sich für eine faunistische Potentialanalyse entschieden, die alle vorliegenden Daten berücksichtige und davon ausgehe, dass alle geeigneten Habitate und Strukturen im Laufe der Zeit von allen dort zu erwartenden Fledermausarten zumindest zeitweilig genutzt werden. Diese Methode stelle eine deutlich bessere Basis für die Entwicklung eines Maßnahmenkonzepts zur Vermeidung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände bzw. erheblicher Beeinträchtigungen der FFH-Gebiete dar, als weitere "Momentaufnahmen" durch zeitlich begrenzte Geländekartierungen.

50

Das genaue methodische Vorgehen beschreibt der Gutachter in folgenden Schritten: 1. Auswertung aller bereits vorliegenden Untersuchungen sowie der einschlägigen Literatur, 2. flächendeckende Begehungen des Trassenbereichs zur Erfassung aller fledermausrelevanten Strukturen einschließlich ihrer landschaftlichen Einbindung, 3. im Jahr 2009 flächendeckende Suche nach potentiellen Quartieren in einem ca. 200 m breiten Korridor entlang der geplanten Trasse, 4. Durchführung der eigentlichen Potentialanalyse, d.h. Bewertung des vom Vorhaben betroffenen Raums hinsichtlich seiner potentiellen Nutzung durch die Fledermausarten; Methode: "Verschneiden" der Lebensraumansprüche und Verhaltensweisen aller im Raum Segeberg nachgewiesenen Arten mit den im Gelände vorgefundenen Habitatstrukturen unter Berücksichtigung der räumlichen Einbindung dieser Strukturen in die Landschaft (Worst-Case-Ansatz), 5. Konfliktermittlung und 6. Entwicklung eines Maßnahmekonzepts.

51

Der Senat vermochte sich auch und gerade wegen der besonderen Bedeutung des betroffenen Fledermaushabitats nicht davon zu überzeugen, dass diese Methode den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht. Zwar sind Worst-Case-Annahmen nach der Rechtsprechung - auch bei der Bestandsaufnahme - grundsätzlich zulässig, sofern hierdurch ein Ergebnis erzielt wird, das hinsichtlich der untersuchten Fragestellung auf der "sicheren Seite" liegt (stRspr, vgl. nur Urteile vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 38 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203 und vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 64 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 26). Auch kann dem Gutachter noch darin gefolgt werden, dass das Artenspektrum und die Häufigkeit der Arten im Untersuchungsraum, insbesondere im Nahbereich der Höhlen, bereits hinreichend erforscht sind. Nicht gefolgt werden kann ihm aber in der Annahme, durch eine Potentialanalyse ließen sich Flugrouten, Jagd-/Nahrungshabitate und Quartiere hinreichend sicher ermitteln, um darauf aufbauend ein Schutzkonzept zu entwickeln. Die hier angewandte Methode der faunistischen Potentialanalyse birgt schon von ihrem theoretischen Ansatz her die Gefahr, dass scheinbar geeignete Habitate von den Tieren nicht genutzt werden und dass andererseits Arten in Bereichen vorkommen, die dafür eigentlich nicht prädestiniert sind, kurz gesagt: In der Landschaft vorgefundene Strukturen können über- oder unterschätzt werden (vgl. hierzu mit näherer Begründung Stellungnahme des Klägers zu 1, Verfasser: Stefan Lüders, vom 12. Juli 2013 S. 13 f., künftig: Stellungnahme Lüders sowie BfN-Stellungnahme S. 8). Hierzu trägt auch der Umstand bei, dass neben der Habitatstruktur eines Lebensraums insbesondere dessen Lage im Raum entscheidend ist; diese zu bewerten fällt allerdings schwer, wenn etwa die Lage der Sommerlebensräume nicht ermittelt worden ist (vgl. hierzu Stellungnahme Lüders S. 13). Zu kritisieren ist zudem, dass der behauptete Worst-Case-Ansatz nicht konsequent durchgehalten wird, denn die vorgefundenen Strukturen werden drei verschiedenen Bewertungsstufen zugeordnet (gering = Flugrouten nicht auszuschließen, mittel = Flugrouten möglich und hoch = bedeutende Flugrouten wahrscheinlich; vgl. hierzu Stellungnahme Lüders S. 12 und 20 f.). Im Übrigen erscheint eine Worst-Case-Betrachtung, bei der wie hier keine Unterschiede in der räumlichen Betroffenheit von Arten bzw. unterschiedliche räumliche Konfliktgrade herausgearbeitet werden, vor dem Hintergrund problematisch, dass diese Angaben als Grundlage zur Bewertung von Beeinträchtigungen notwendig sein können. Die räumliche Differenzierung ist zudem notwendig, um zielgerichtet Maßnahmen zur Schadensbegrenzung konzipieren zu können (vgl. hierzu genauer BfN-Stellungnahme S. 9 f.; vgl. zudem Stellungnahme Lüders S. 13 f. zum weiteren Problem des Fehlens einer Skala mit einem absoluten Bezugspunkt). Die herkömmliche Methode verlangt entgegen der Darstellung des Gutachters Dr. M. auch keinen Aufwand, der einem Forschungsvorhaben gleichkommt. Das zeigen zum einen die dem Senat aus anderen Verfahren bekannten Bestandsaufnahmen von Fledermäusen; zum anderen weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass diese Methode - wenn auch eingeschränkt im Rahmen der durchgeführten Nullaufnahme - auch im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren bereits ohne Probleme angewandt wurde.

52

Dass die Gefahr der Fehleinschätzung der in der Landschaft vorgefundenen Strukturen tatsächlich besteht, hat sich nicht zuletzt daran gezeigt, dass der Gutachter des Vorhabenträgers, Dr. M., in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich einräumen musste, eine von den Klägern mit herkömmlicher Methode ermittelte "lokal besonders bedeutsame Fledermaus-Flugroute" wenige Kilometer südöstlich der Kalkberghöhlen mit der Potentialanalyse nicht erkannt zu haben. Er hat dies damit erklärt, dass er die entsprechenden Knicks "in ihrer Bedeutung unterschätzt" habe. Sie hätten "scheinbar im Nirgendwo geendet"; nach Norden hin habe man "keine Struktur, insbesondere keine Gehölze" erkannt. Diese Fehleinschätzung stellt keinen Anwendungsfehler im Rahmen eines ansonsten methodengerechten Vorgehens dar, sondern verdeutlicht die konzeptionelle Schwäche einer auf Vor-Ort-Ermittlungen der Fledermausvorkommen und -bewegungen gänzlich verzichtenden Potentialanalyse. Eine vergleichbare Fehleinschätzung wäre bei sorgfältiger, den einschlägigen Arbeitshilfen entsprechender Durchführung der Standardmethode unterblieben. Denn danach ist insbesondere in der näheren Umgebung eines europaweit bedeutsamen Winterhabitats - wie hier der Kalkberghöhlen - eine besonders gründliche Untersuchung mittels verschiedener Erfassungsmethoden erforderlich.

53

3. Ebenfalls zu beanstanden ist der gewählte Prüfungsmaßstab in Bezug auf die charakteristischen Arten des FFH-Gebiets "Segeberger Kalkberghöhlen".

54

Für die Verträglichkeitsprüfung sind auch die in den einschlägigen Lebensraumtypen vorkommenden charakteristischen Arten maßgeblich (Art. 1 Buchst. e FFH-RL). Charakteristische Arten sind solche Pflanzen- und Tierarten, anhand derer die konkrete Ausprägung eines Lebensraums und dessen günstiger Erhaltungszustand in einem konkreten Gebiet und nicht nur ein Lebensraumtyp im Allgemeinen gekennzeichnet wird. Es sind deshalb diejenigen Arten auszuwählen, die einen deutlichen Vorkommensschwerpunkt im jeweiligen Lebensraumtyp aufweisen bzw. bei denen die Erhaltung der Populationen unmittelbar an den Erhalt des jeweiligen Lebensraumtyps gebunden ist und die zugleich eine Indikatorfunktion für potentielle Auswirkungen des Vorhabens auf den Lebensraumtyp besitzen (Urteile vom 6. November 2012 - BVerwG 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 52, vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 55 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 45 und vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 79 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30). Richtigerweise hätte deshalb untersucht werden müssen, welche Arten charakteristische Arten der Segeberger Kalkberghöhlen sind und ob diese aufgrund des Vorhabens erheblich beeinträchtigt werden. Dass hierzu auch Anhang IV-Arten - wie etwa die von den Klägern genannte Wasserfledermaus, Fransenfledermaus und das Braune Langohr - gehören können, ergibt sich bereits daraus, dass die Erhaltung der einzigen Gips-Großhöhle Norddeutschlands als herausragender Lebensraum für zahlreiche Fledermausarten der Anhänge II und IV FFH-RL "übergreifendes" Erhaltungsziel des FFH-Gebiets ist. Stattdessen hat sich die Verträglichkeitsprüfung hier ausdrücklich darauf beschränkt, die ungestörte Erreichbarkeit der Höhlen nur für die drei ausdrücklich als Erhaltungsziele genannten Fledermausarten (Teichfledermaus, Bechsteinfledermaus und Großes Mausohr) zu prüfen (FFH-VP "Kalkberghöhlen" S. 37 f.). Soweit der Beklagte sein Vorgehen damit rechtfertigt, dass die Höhlen gerade für diese Arten eine besondere Bedeutung hätten und es keine weiteren Arten gebe, die noch empfindlicher gegenüber Zerschneidungswirkungen seien als die drei geprüften Arten, hätte dies näherer Begründung bedurft. Der knappe Hinweis (vgl. FFH-VP "Kalkberghöhlen" S. 42), eine eigenständige Prüfung der sonstigen Fledermausarten als charakteristische Arten des LRT 8310 erübrige sich deshalb, weil diese Fledermausarten durch die gleichen Wirkprozesse beeinträchtigt würden, kann angesichts der gegenteiligen Einschätzung der Kläger nicht genügen.

55

4. Aus dem Vorstehenden folgt, dass auch das Schutzkonzept, das zur Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen von Fledermäusen entwickelt worden ist, keinen Bestand haben kann, denn es setzt genauere Kenntnisse über Flugrouten, Jagdreviere etc. sowie ggf. die Einbeziehung weiterer charakteristischer Arten voraus. Hiervon abgesehen sind grundsätzliche Mängel des Schutzkonzepts entgegen der Auffassung der Kläger nicht feststellbar.

56

Der Planfeststellungsbeschluss ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die prognostizierten Beeinträchtigungen der Fledermäuse durch Schadensvermeidungsmaßnahmen der hier vorgesehenen Art verhindert werden können. Nach der Arbeitshilfe Fledermäuse (S. 51), der als Ergebnis sachverständiger Erkenntnisse besondere Bedeutung bei der Bewertung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen zukommt, hängt die Wirksamkeit vieler Maßnahmen in hohem Maß von ihrer Einbettung in ein Gesamtkonzept ab. Ein solches Gesamtkonzept, bestehend aus Querungshilfen in Verbindung mit entsprechenden Leit- und Sperreinrichtungen wurde hier entwickelt und im Planfeststellungsbeschluss festgelegt. Die Prognosesicherheit bezüglich der Wirksamkeit ist bei Unterführungen mit geeignetem Querschnitt sehr hoch (Arbeitshilfe Fledermäuse S. 56). Soweit in Bezug auf die Wirksamkeit der Leit- und Sperreinrichtungen wissenschaftlich bisher nicht zu beseitigende Unsicherheiten bestehen (vgl. hierzu Arbeitshilfe Fledermäuse S. 68), hat der Planfeststellungsbeschluss dem durch die Anordnung eines Risikomanagements in Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 4 Rechnung getragen (vgl. genauer zum Risikomanagement Urteile vom 6. November 2012 a.a.O. Rn. 48 und vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 105). Soweit die Kläger unter Hinweis auf die Studie von Berthinussen und Altringham die Auffassung vertreten haben, die geplanten Leitstrukturen durch Anpflanzungen seien nicht wirksam, ist der Beklagte dem überzeugend entgegengetreten. Danach werden die in der Studie beschriebenen Fledermausbrücken und Ablenkungspflanzungen an der A 20 nicht eingesetzt, da ihre Funktionslosigkeit in Deutschland bekannt sei. Von den drei in der Studie untersuchten Tunneln habe einer einen sehr hohen Wirkungsgrad aufgewiesen. Dieser Tunnel habe auf einer traditionellen Flugroute gelegen und eine hohe Durchlasshöhe aufgewiesen. Die beiden anderen Tunnel könnten nicht mit den an der A 20 geplanten verglichen werden, denn sie seien niedriger, insbesondere fehle ihnen eine funktionsfähige Anbindung an Leitstrukturen.

57

Bezüglich der Wirksamkeit von Fledermauskästen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Rechtsprechung Bezug (Urteile vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - NuR 2013, 565 Rn. 128 und vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 A 73.07 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 39 Rn. 83).

58

5. Auch die Kritik der Kläger in Bezug auf Einzelheiten des Monitorings kann nicht überzeugen.

59

Die Kläger wenden sich zum einen dagegen, dass das Monitoring nach der Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 1 erst in der Ausführungsplanung näher festgelegt werden soll. Diese Regelung ist nicht zu beanstanden. Sämtliche Grundbedingungen des Monitorings (Art der Maßnahmen, Untersuchungsbereiche, Zeitpunkt der Untersuchungen und Untersuchungsstandard) sind in der Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 4 festgelegt worden. Auch die Möglichkeit der Nachsteuerung ist bereits in den Nebenbestimmungen 2.3.8 Nr. 1 und 2 geregelt; zudem hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung die letztgenannte Nebenbestimmung um einen allgemeinen Auflagenvorbehalt ergänzt. Die Verlagerung der konkreten Ausgestaltung auf die spätere Abstimmung mit den Beteiligten in der Ausführungsplanung ist angesichts dessen ausreichend. Sie ist darüber hinaus auch sinnvoll, weil aus den Ergebnissen der Nullaufnahme noch nicht absehbare Erkenntnisse folgen können. Der Beklagte hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass es nicht möglich gewesen sei, konkrete Nachsteuerungsmaßnahmen für den Fall der Zielverfehlung festzulegen. Wäre dies der Fall gewesen, wären sie bereits Bestandteil des Schutzkonzepts geworden.

60

Soweit die Kläger zum anderen beanstanden, dass sie bei der Nullaufnahme zu den Fledermäusen nicht beteiligt wurden, ist nicht erkennbar, aus welcher Rechtsnorm sich ein Beteiligungsrecht der Kläger ergeben soll.

61

IV. In Bezug auf das Vogelschutzgebiet "Barker und Wittenborner Heide" können die Kläger weder mit ihrer Kritik an der Gebietsabgrenzung (1.) noch an der Verträglichkeitsprüfung (2.) durchdringen.

62

1. Die Gebietsabgrenzung ist nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Anforderungen an die Gebietsabgrenzung kann auf die Ausführungen unter A.III.1. verwiesen werden; Gebietsteile, die den Auswahlkriterien zweifelsfrei entsprechen, dürfen nicht ausgespart werden, auch nicht im Hinblick auf ein bestimmtes Vorhaben. Der Senat ist der Behauptung der Kläger nachgegangen, der gesamte Bereich des ehemaligen Standortübungsplatzes Wittenborner Heide habe - insbesondere wegen seiner Bedeutung für den Ziegenmelker und die Heidelerche - als Vogelschutzgebiet ausgewiesen werden müssen. Die Planung wäre jedenfalls in Bezug auf die Überschreitung der Critical Loads zu einem anderen Ergebnis gekommen, ginge man von einem unmittelbar an ein Vogelschutzgebiet angrenzenden Trassenverlauf aus (vgl. hierzu Planfeststellungsbeschluss S. 517 unten mit näherer Begründung). Der Beklagte hat jedoch in seinem Schriftsatz vom 29. August 2013 (S. 3 ff.) unter Hinweis auf die Stellungnahme des Gutachters Dr. M. vom 27. August 2013 (S. 12 ff.), auf die der Senat hinsichtlich der Einzelheiten Bezug nimmt, ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, dass die vorgenommene Gebietsabgrenzung fachlich gerechtfertigt ist und für eine Nachmeldung angrenzender Gebiete keine Veranlassung besteht. Die Kläger sind dem nicht entgegengetreten.

63

2. Auch die Verträglichkeitsprüfung für das Vogelschutzgebiet "Barker und Wittenborner Heide" aus November 2010 (künftig: VP-VSG) weist keine Fehler auf. Sie hat alle aktuellen Brutvogelvorkommen behandelt, soweit sie für das Vogelschutzgebiet als Erhaltungsziel benannt sind (Neuntöter, Heidelerche, Raufußkauz und Schwarzspecht) sowie den im Gebiet nachgewiesenen Sperlingskauz (VP-VSG S. 12). Der Ziegenmelker wurde zu Recht nicht mituntersucht. Er stellt kein Erhaltungsziel mehr dar, da er im Gebiet nicht mehr vorkommt und auch keine Wiederansiedlung als Schutzziel formuliert worden ist (vgl. hierzu Planfeststellungsbeschluss S. 518). Dass der Brutbestand der Heidelerche im Vogelschutzgebiet in den Jahren 1999 bis 2008 von 17 auf 7 Brutpaare zurückgegangen ist, wird in der Verträglichkeitsprüfung nachvollziehbar auf die Entwicklung der Wald- und Vegetationsbestände (Neubepflanzung nach Windbrüchen) zurückgeführt; diese Flächen sind aktuell nicht mehr durch die Heidelerche besiedelbar. Gleiches gilt für Heideflächen, die aufgrund ihrer Vegetationsentwicklung nicht mehr für die Art geeignet sind (VP-VSG S. 21 f.; vgl. zum Bestandsrückgang der Heidelerche auch Stellungnahme Dr. M. vom 27. August 2013 S. 21 ff.). Auch die weiteren Annahmen sind nicht zu beanstanden: Erhebliche Beeinträchtigungen durch Lärm können für die zu prüfenden fünf Vogelarten ausgeschlossen werden. Mögliche Beeinträchtigungen durch Stickstoffeinträge werden zwar für die Heidelerche und den Neuntöter als relevant eingestuft; dies ist aber im Ergebnis unproblematisch, da der Bagatellwert von 3 % des Critical Load bei der prognostizierten Verkehrsmenge in einem Abstand von 300 m zur Trasse unterschritten wird. Damit können relevante Einträge in das mindestens 500 m entfernte Vogelschutzgebiet ausgeschlossen werden (vgl. hierzu Planfeststellungsbeschluss S. 517 sowie VP-VSG S. 35 ff.).

64

V. Die Verträglichkeitsprüfung hinsichtlich des FFH-Gebiets "Travetal", das durch die Trasse gequert wird, ist nicht zu beanstanden. Insoweit nimmt der Planfeststellungsbeschluss eine erhebliche - nicht vermeidbare - Beeinträchtigung des Waldgürtels am Osthang der Trave (LRT 9130, 9160, *9180, *7220 und *91E0) durch verschiedene Wirkfaktoren (Flächenverlust, Zerschneidung, Störung von charakteristischen Vogelarten und Stickstoffbelastung) an, lässt das Vorhaben aber nach § 34 Abs. 3 BNatSchG unter Hinweis auf verkehrliche Belange zu. Weitere erhebliche Beeinträchtigungen - u.a. der Teichfledermaus - werden unter Einbeziehung verschiedener Maßnahmen zur Schadensbegrenzung verneint (Planfeststellungsbeschluss S. 220 f.).

65

Die Kläger halten die Beeinträchtigung des FFH-Gebiets "Travetal" insgesamt für schwerwiegender als vom Planfeststellungsbeschluss angenommen. Soweit sich diese Einschätzung darauf stützt, dass bestimmte Gefahren für Fledermäuse - genannt werden insbesondere Teichfledermaus und Bechsteinfledermaus - unterschätzt werden, haben sie allerdings die gegenteilige Bewertung der Planfeststellungsbehörde nicht substantiiert in Frage gestellt. Unbeschadet der im Grundsatz berechtigten Kritik an der Methode der Fledermauserfassung (s.o.) durfte die Behörde angesichts der Größe und Längenausdehnung des dem Flusslauf folgenden, von dem Autobahnvorhaben mittels einer Hochbrücke überspannten FFH-Gebiets "Travetal" zu dem Ergebnis gelangen, dass eine Verschlechterung des Erhaltungszustands der dort geschützten Fledermausarten nicht ernsthaft zu besorgen ist. Soweit die Kläger weitergehende Beeinträchtigungen durch Schadstoffeinträge in Folge zu niedrig angesetzter Lkw-Anteile in den Verkehrsprognosen mit der Begründung annehmen, die in der Schalltechnischen Untersuchung angegebenen Werte lägen erheblich unter den Standardwerten der 16. BImSchV (dort: Tabelle A), im Anwendungsbereich des europäischen Naturschutzrechts seien Abweichungen von der einzig vorhandenen gesetzlichen Wertung aber nicht zulässig, kann ihnen nicht gefolgt werden. Der Planfeststellungsbeschluss (vgl. S. 330) verweist insoweit zutreffend auf Anlage 1 der 16. BImSchV, die auf die Werte der Tabelle A Bezug nimmt, "sofern keine geeigneten projektbezogenen Untersuchungsergebnisse vorliegen" (genauer zu diesen Voraussetzungen Urteil vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 9 A 19.11 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 228 Rn. 28 ff.). Auf solche projektbezogenen Untersuchungsergebnisse beruft sich die Planung hier. Eine Abweichung von normativen Vorgaben ist daher nicht erkennbar.

66

VI. Einen beachtlichen Fehler enthält der Planfeststellungsbeschluss im Zusammenhang mit der Ausnahmeprüfung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG. Zwar fehlt es insoweit nicht an zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses i.S.d. § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG (1.), die die konkrete Beeinträchtigung überwiegen (2.). Nicht vollständig überzeugen kann aber die Alternativenprüfung nach § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG (3.). Die Kohärenzsicherungsmaßnahmen sind nicht zu beanstanden (4.).

67

1. Für das planfestgestellte Vorhaben streiten zwingende verkehrliche Gründe innerhalb des deutschen wie des europäischen Netzes.

68

Als Abweichungsgründe kommen nach § 34 Abs. 4 BNatSchG für ein Vorhaben, das - wie hier - prioritäre Lebensraumtypen erheblich beeinträchtigen kann, grundsätzlich nur zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder den maßgeblich günstigen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt in Betracht. Sonstige Gründe im Sinne des § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG (Gründe sozialer oder wirtschaftlicher Art) können allerdings dann berücksichtigt werden, wenn die zuständige Behörde - wie hier - zuvor über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat.

69

Mit dem Vorhaben werden überregional bedeutsame verkehrliche Ziele verfolgt, wie sich aus der Aufnahme sämtlicher Abschnitte der "Nord-West-Umfahrung Hamburg" bis zur Elbquerung westlich Hamburg in den vordringlichen Bedarf und in das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-V) ergibt. Zwar entspricht die Vorzugstrasse nicht exakt dem Bedarfsplan und dem TEN-V. Der Aufnahme der A 20 in den Bedarfsplan und in das TEN-V-Netz lag ursprünglich eine andere Linienführung (sog. Krausebogen) zugrunde. Diese leichte Abweichung im Trassenverlauf ändert aber im Ergebnis nichts an der Bedeutung, die der Planfeststellungsbeschluss dem Vorhaben zu Recht zumisst. Der Bedarfsplan belässt - entsprechend seiner Unbestimmtheit als grobmaschiges Konzept - den nachfolgenden Verfahren der Linienbestimmung und der Planfeststellung planerische Spielräume (vgl. auch Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 62 m.w.N.). Auch auf die Qualifizierung als potentielles "Vorhaben von gemeinsamem Interesse" (i.S.v. Art. 7 der TEN-V-Leitlinien - Entscheidung Nr. 1692/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes, ABI EG Nr. L 228 S. 1, geändert mit Entscheidung Nr. 1346/2001/EG vom 22. Mai 2001, ABI EG Nr. L 185 S. 1 und Entscheidung Nr. 884/2004/EG vom 29. April 2004, ABI EG Nr. L 167 S. 1) hat die geänderte Linienführung keine Auswirkung (vgl. genauer Tausch, Gestufte Bundesfernstraßenplanung, Diss. Hamburg 2011, S. 11 ff.).

70

Darüber hinaus werden regional bedeutsame Planungsziele (Förderung und Entwicklung der verkehrlichen Wechselbeziehungen zwischen den Bundesländern Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, wirtschaftliche und touristische Erschließung des gesamten Ostseeraums, verbesserte Verkehrsanbindung Bad Segebergs an die schleswig-holsteinischen Oberzentren Lübeck und Kiel, Entlastung der Ortslage von Bad Segeberg sowie regionale Erschließung und Wirtschaftsförderung) verfolgt. Das Projekt ist zudem im aktuellen Landesentwicklungsplan Schleswig-Holstein als vordringliches Infrastrukturprojekt vorgesehen und damit als Ziel der Raumordnung zwingend zu beachten.

71

2. Die vorgenannten Gründe des öffentlichen Interesses überwiegen das Interesse an der Integrität des FFH-Gebiets. Der Beklagte hat festgestellt, dass der Waldgürtel am Osthang der Trave, ein gebietsweit seltener Komplex aus prioritären und nicht prioritären Lebensraumtypen, durch das Vorhaben in Gestalt von vier kumulativen Beeinträchtigungen betroffen wird, nämlich durch Flächenverlust, Zerschneidung, Zunahme von Störungen und Stickstoffbelastung (Planfeststellungsbeschluss S. 233). Ob er bei der Gewichtung des Ausmaßes dieser Beeinträchtigungen die vorgesehenen Kohärenzsicherungsmaßnahmen mindernd berücksichtigen durfte (unter bestimmten Voraussetzungen bejahend: Urteil vom 9. Juli 2009 - BVerwG 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 28; offen lassend demgegenüber: Urteil vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 100), kann unter den hier gegebenen Umständen dahinstehen. Ein etwaiger Fehler könnte sich auf das Ergebnis der Abwägung nicht ausgewirkt haben. Denn der Beklagte hat auf die seiner Auffassung nach mit der Kohärenzsicherungsmaßnahme einhergehende Minderung des Integritätsinteresses nicht entscheidend abgehoben, sondern vielmehr unbeschadet dessen die besondere Schwere der Beeinträchtigung ausdrücklich festgestellt (Planfeststellungsbeschluss S. 235).

72

Hiervon ausgehend hält die Abwägung des Beklagten, wonach das Integritätsinteresse trotz des Ausmaßes seiner Beeinträchtigung hinter das öffentliche Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens zurückzutreten hat, der Überprüfung stand. Insoweit müssen nach ständiger Rechtsprechung keine Sachzwänge vorliegen, denen niemand ausweichen kann; Art. 6 Abs. 4 FFH-RL setzt lediglich ein durch Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleitetes staatliches Handeln voraus, wobei allerdings Gemeinwohlbelange minderen Gewichts wie freizeitbedingte Bedürfnisse in Gebieten mit prioritären Arten ausscheiden (Urteile vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 129 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 26 und vom 28. März 2013 a.a.O. Rn. 99 m.w.N.). Der Beklagte durfte dem Konzept einer weiträumigen grenzüberschreitenden Küstenautobahn, die mehrere regionale Zentren und strukturschwache Räume an die Seehäfen anbindet und innerorts zu einer Entlastung von nachteiligen verkehrlichen Auswirkungen wie Lärm und Luftschadstoffen führt, in der Gesamtschau den Vorrang gegenüber den Nachteilen für den FFH-Gebietsschutz einräumen.

73

3. Die Prüfung, ob nach § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG zumutbare Alternativen gegeben sind, mit denen der mit dem Projekt verfolgte Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen erreicht werden kann, enthält Mängel. An die Alternativenprüfung für ein Vorhaben, das wie hier mehrere prioritäre Vorkommen erheblich beeinträchtigt, sind besonders strenge Anforderungen zu stellen (a). In Bezug auf die Variante einer Stadtautobahn wird der Planfeststellungsbeschluss diesen strengen Anforderungen gerecht (b); demgegenüber durfte er weiträumige Südumfahrungen nicht ohne nähere Untersuchung aufgrund einer bloßen Grobanalyse verwerfen (c).

74

a) Mit § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG wird Art. 6 Abs. 4 FFH-RL umgesetzt. Der Begriff der Alternative ist deshalb aus der Funktion des durch Art. 4 FFH-RL begründeten Schutzregimes zu verstehen. Er steht in engem Zusammenhang mit den mit einem Vorhaben verfolgten Planungszielen. Zwar darf eine Autobahn nach der vom Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 FStrG getroffenen Grundentscheidung grundsätzlich nur gebaut werden, wenn für sie ein überörtlicher Verkehrsbedarf besteht. Eine Bündelung mit anderen - lokalen oder regionalen - Zielen ist aber nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. Urteil vom 17. Mai 2002 - BVerwG 4 A 28.01 - BVerwGE 116, 254 <260 ff.> m.w.N. = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 7 S. 25 f.). Lässt sich das Planungsziel bzw. das Planungszielbündel an einem günstigeren Standort oder mit geringerer Eingriffsintensität verwirklichen, so muss der Projektträger von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Ein Ermessen wird ihm insoweit nicht eingeräumt. Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL bzw. § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG enthalten ein strikt zu beachtendes Vermeidungsgebot. Inwieweit Abstriche von einem Planungsziel hinzunehmen sind, hängt maßgebend von seinem Gewicht und dem Grad seiner Erreichbarkeit im jeweiligen Einzelfall ab (Urteil vom 9. Juli 2009 a.a.O. Rn. 33; Beschlüsse vom 1. April 2009 - BVerwG 4 B 61.08 - NVwZ 2009, 910 Rn. 62 § 8 luftvg nr. 34> und vom 16. Juli 2007 - BVerwG 4 B 71.06 - juris Rn. 42). Nur gewichtige naturschutzexterne Gründe können es danach rechtfertigen, zulasten des Integritätsinteresses des durch Art. 4 FFH-RL festgelegten kohärenten Systems eine Alternativlösung auszuschließen. Der Vorhabenträger darf von einer ihm technisch an sich möglichen Alternative erst Abstand nehmen, wenn diese ihm unverhältnismäßige Opfer abverlangt oder andere Gemeinwohlbelange erheblich beeinträchtigt; hierzu zählen auch Kostengründe. Der Vorhabenträger braucht sich nicht auf eine Alternativlösung verweisen zu lassen, wenn diese auf ein anderes Projekt hinausläuft, weil die vom Vorhabenträger in zulässiger Weise verfolgten Ziele nicht mehr verwirklicht werden könnten, oder auf eine Alternative, bei der sich die naturschutzrechtlichen Schutzvorschriften als ebenso wirksame Zulassungssperre erweisen wie an dem von ihm gewählten Standort (stRspr, vgl. zuletzt Urteile vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 105 und vom 6. November 2012 - BVerwG 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 70, jeweils m.w.N.; vgl. zur Alternativenprüfung auch EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 - Rs. C-239/04, Castro Verde - Slg. 2006, I-10183 Rn. 38).

75

Berühren sowohl die planfestgestellte Lösung als auch eine Planungsalternative FFH-Gebiete, so ist im Rahmen einer Grobanalyse allein auf die Schwere der Beeinträchtigung nach Maßgabe der Differenzierungsmerkmale des Art. 6 FFH-RL abzustellen, d.h. es ist nur zu untersuchen, ob Lebensraumtypen des Anhangs I oder Tierarten des Anhangs II der FFH-Richtlinie beeinträchtigt werden und ob die beeinträchtigten Lebensraumtypen prioritär oder nicht prioritär sind. Demgegenüber haben die bei der Gebietsmeldung zu beachtenden Feindifferenzierungskriterien (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 FFH-RL i.V.m. Anhang III Phase 1) beim Trassenvergleich außer Betracht zu bleiben; innerhalb der genannten Gruppen ist also nicht nochmals nach der Wertigkeit und der Anzahl der betroffenen Lebensraumtypen oder Arten sowie der jeweiligen Beeinträchtigungsintensität zu differenzieren (Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 170 f. = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30). Die Alternativenprüfung darf auch dann, wenn auf den vorgelagerten Planungsstufen noch keine korridorübergreifende FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden musste, nicht auf den "Planungskorridor" beschränkt werden. Vielmehr kommen grundsätzlich auch Trassen in einem Alternativkorridor in Betracht. Da solche Trassen außerhalb des Planungskorridors regelmäßig nicht im Einzelnen untersucht worden sind, reicht insoweit eine summarische Würdigung des Beeinträchtigungspotentials aus (Urteil vom 28. März 2013 a.a.O. Rn. 106 unter Hinweis auf Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 270 zur Vorausschau der habitatrechtlichen Realisierbarkeit der Folgeabschnitte nach Art eines "vorläufigen positiven Gesamturteils").

76

b) Gemessen an diesen Grundsätzen hat sich die Planfeststellungsbehörde abwägungsfehlerfrei gegen die Variante einer Stadtautobahn entschieden.

77

aa) Der Senat braucht nicht der zwischen den Beteiligten streitigen Frage nachzugehen, ob für die Variante einer Stadtautobahn eine zweite Travequerung erforderlich wäre und ob mit dieser zwingend die Inanspruchnahme des prioritären LRT *91E0 (Auenwälder) verbunden wäre. Denn der Planfeststellungsbeschluss hat entscheidungstragend auch auf die negativen städtebaulichen Auswirkungen auf die Stadt Bad Segeberg sowie auf verkehrliche Erwägungen abgestellt (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 226 und S. 413 f.). Der Senat hält diesen Teil der Abwägung für überzeugend begründet. Die beiden genannten Aspekte stellen - jedenfalls zusammen betrachtet - so gewichtige naturschutzexterne Gründe dar, dass sie einer Stadtautobahn selbst dann entgegenstehen, wenn - wovon die Kläger ausgehen - mit der Stadtautobahn eine Inanspruchnahme prioritärer Vorkommen gänzlich vermieden werden könnte.

78

bb) Der Planfeststellungsbeschluss geht zu Recht davon aus, dass mit einer Stadtautobahn gleich mehrere wichtige Teilziele, die mit dem Autobahnprojekt verfolgt werden, nicht - jedenfalls nicht vollständig - erreicht werden könnten. So könnte insbesondere die für eine Fernautobahn geforderte Verbindungsqualität bei einer Führung durch die Innenstadt von Bad Segeberg nicht eingehalten werden. Ursächlich hierfür sind einerseits die Überlagerung innerstädtischer Verkehrsfunktionen mit den Ansprüchen des Fernverkehrs und andererseits die Abstände zwischen den Anschlussstellen. Diese Abstände - im Mittel in Deutschland etwa alle 10 km - müssten auf 2 km reduziert werden. Im Übrigen müsste die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h festgelegt werden. Zugleich würde die angestrebte gleichbleibende Streckencharakteristik für die A 20, die in ihrer gesamten Streckenführung überwiegend außerhalb bebauter Gebiete verläuft, durchbrochen. Auch würde die Verkehrsstärke infolge verdrängten Stadtverkehrs sprunghaft ansteigen. Nicht erreichen ließe sich auch eine Entlastung der Ortsdurchfahrt von Bad Segeberg; diese würde im Gegenteil sogar zusätzlich belastet, weil auf den parallel zur A 20 verlaufenden Innerortsstrecken der Verkehr zunehmen würde (vgl. genauer Anhang I zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 9 ff. = "Fachbeitrag: Verkehr" von S. Consult aus Mai 2009; Stellungnahme von S. Consult aus März 2011 S. 30 f. = Anlage B 3 zur Klageerwiderung im Verfahren BVerwG 9 A 15.12; Planfeststellungsbeschluss S. 375 ff. und S. 413).

79

Ob die Rechtsauffassung des Beklagten zutrifft, dass die vorgenannten Umstände die Variante einer Stadtautobahn bereits als ein "anderes Projekt" im Sinne der oben unter 3a) genannten Rechtsprechung erscheinen lassen (so Planfeststellungsbeschluss S. 399; ähnlich Erläuterungsbericht zur FFH-Ausnahmeprüfung, Juni 2009, S. 63 "keine Alternativen im Rechtssinne"), ist dennoch zweifelhaft, im Ergebnis aber unerheblich. Da das strikte Vermeidungsgebot des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL nur durchbrochen werden darf, soweit dies mit dem Zweck der größtmöglichen Schonung der durch die FFH-Richtlinie geschützten Rechtsgüter vereinbar ist, bedarf es einer sorgfältigen Untersuchung im Einzelfall, welche Bedeutung einem Teilziel und seiner etwaigen Nichterreichung oder nicht vollständigen Erreichung nach der Planungskonzeption zukommen (Urteil vom 9. Juli 2009 - BVerwG 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166; vgl. auch Winter, NuR 2010, 601 <605>). Gegen die Bewertung als "anderes Projekt" spricht, dass eine Stadtautobahn, auch wenn sie nicht durchgehend sämtliche Entwurfs- und Betriebsmerkmale einer Fernautobahn aufweist, in das Netz der Fern- oder Überregionalautobahnen integriert sein kann (vgl. Richtlinien für die Anlage von Autobahnen, Ausgabe 2008, S. 16). Insoweit spricht einiges dafür, dass es sich bei den vom Beklagten herausgestellten Nachteilen der Stadtautobahnvariante lediglich um Abstriche von Planungszielen handelt, denen allerdings unter den hier gegebenen Umständen in der Gesamtabwägung ein erhebliches Gewicht zukommt.

80

Unter dieser Prämisse lässt sich als ein weiteres wesentliches Argument gegen die Stadtautobahn ins Feld führen, dass sie die Zerschneidungswirkung für die Stadt Bad Segeberg verfestigen würde, deren Südstadt schon jetzt durch die Ortsdurchfahrt der B 206 von der Altstadt getrennt wird. Aufgrund der erforderlichen Immissionsschutzbauwerke würde sich diese Zäsur noch deutlich verstärken. Die Lärmschutzwände müssten in der Ortslage von Bad Segeberg eine Höhe von durchgehend 4 m bzw. aufgrund der Überschreitung des Grenzwertes für PM10 sogar teilweise von 6 m haben (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 377 ff. unter Hinweis auf den im Linienbestimmungsverfahren erstellten Städtebaulichen Fachbeitrag von B.-P.-W. zur UVS aus dem Jahre 1999 sowie Erläuterungsbericht zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 78 f.). Hinzu kämen weitere negative städtebauliche Folgen. Durch die mit dem Ausbau der B 206 verbundenen Verkehrsverlagerungen würden Planungsziele des Bebauungsplans Nr. 69 der Stadt Bad Segeberg aus dem Jahr 2005 sowie das städtebauliche Entwicklungsziel einer Entlastung der Kurhausstraße konterkariert. Zudem würde sich die Luftschadstoffsituation verschlechtern, wodurch nach Einschätzung der Stadt Bad Segeberg Status und Entwicklungspotential des Luftkurortes und Heilbades in Frage gestellt würden; hiervon betroffen wären gerade auch schutzwürdige Nutzungen im Stadtgebiet wie Schulen und Wohngebäude. Von den im Falle einer Stadtautobahn sogar ansteigenden Verkehrsstärken in der Ortslage wäre vor allem die Wohnsiedlung Christiansfelde (mit über 31 000 Kfz/d) betroffen; dies ginge voraussichtlich mit einer Lärmpegelerhöhung nachts von rund 3 dB(A) einher. Zwar führt auch die Vorzugstrasse zur Neubelastung von Wohnbereichen von Klein Gladebrügge; diese Belastung beträfe aber mit 100 m gegenüber 1,2 km eine deutlich kürzere Strecke (vgl. genauer Stellungnahme von S. Consult aus März 2011 S. 24, 28 = Anlage B 3 zur Klageerwiderung im Verfahren BVerwG 9 A 15.12).

81

cc) Die Kläger können dagegen nicht einwenden, die Planung stütze sich hinsichtlich der negativen städtebaulichen Folgen auf den Städtebaulichen Fachbeitrag zur UVS aus Mai 1999; diese Unterlage sei jedoch veraltet, genüge keinen wissenschaftlichen Anforderungen und sei sachlich weitgehend falsch. Die Planfeststellungsbehörde ist der Frage nachgegangen, ob sich an den Kernaussagen zur städtebaulichen Situation, insbesondere der dauerhaften Zerschneidungs- und Barrierewirkung für die Stadt Bad Segeberg und der Einschränkung ihrer Entwicklungsmöglichkeiten, etwas geändert hat. Dies wurde mit nachvollziehbarer Begründung unter Auswertung neuerer Erkenntnisse verneint; der Planfeststellungsbeschluss kommt sogar zu dem Ergebnis, dass die städtebaulichen Veränderungen seit der Linienbestimmung einer Stadtautobahn noch stärker entgegenstehen.

82

Eine aktuelle und nachvollziehbare Kostenaufstellung liegt entgegen der Auffassung der Kläger vor (vgl. Anhang VII zur FFH-Ausnahmeprüfung "Fachbeitrag: Aktualisierung der Baukosten" von S. Consult aus Mai 2009 sowie Stellungnahme von S. Consult aus März 2011 S. 31 ff. = Anlage B 3 zur Klageerwiderung im Verfahren BVerwG 9 A 15.12).

83

Die Kläger können die Abwägungsentscheidung auch nicht erfolgreich mit dem Hinweis darauf angreifen, dass ein Rückbau der B 206 angesichts der in der Innenstadt verbleibenden Verkehrsmengen ausgeschlossen sei. Von einem sicheren Rückbau der B 206 geht der Planfeststellungsbeschluss schon nicht aus (vgl. nur S. 415: "realistische Chance", "möglicher Rückbau"). Zwar teilt der Senat die Bedenken der Kläger, dass selbst die angenommene Möglichkeit eines Rückbaus angesichts der prognostizierten Verkehrszahlen eher unrealistisch erscheint. Hierauf kommt es aber nicht entscheidend an. Denn die Frage des Rückbaus ändert im Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung nichts an dem Gewicht der beschriebenen negativen Folgen der Stadtautobahn; demgegenüber liegt es auf der Hand, dass jede Trasse - so auch die Vorzugstrasse -, die zu einer nennenswerten Verkehrsentlastung in der Ortslage Bad Segebergs führt, schon angesichts der Reduzierung von Lärm und Schadstoffen mit Vorteilen für die städtebaulichen Entwicklungsmöglichkeiten verbunden ist, und zwar unabhängig davon, ob dieser Vorteil tatsächlich gerade in dem Rückbau der innerstädtischen Haupt-Durchgangsstraße liegt.

84

dd) Schließlich führen auch die weiteren Argumente der Kläger zu keiner anderen Einschätzung. Den Vorschlag eines Kurztunnels von 30 m Länge mit jeweils anschließendem zweimal 200 m langem Trogbauwerk zwischen dem Knotenpunkt Bahnhofstraße/Burgfeldstraße und der Abfahrt "Am Landratspark" (vgl. hierzu Stellungnahme von R.Consult "Alternativen zur planfestgestellten Variante der A 20 und Variantenvergleich" aus Mai 2012 S. 12 ff., vorgelegt im Parallelverfahren BVerwG 9 A 9.12) hat der Beklagte mit nachvollziehbaren Erwägungen zurückgewiesen: Die Belastung der Wohngebiete mit Lärm und Schadstoffen würde im Zentrum von Bad Segeberg extrem ansteigen, da über die Kurztunnel-/Troglösung der gesamte innerstädtische Verkehr abgewickelt werden müsste. Zudem lägen die vorgesehenen Anschlussstellen der A 20 im Ortsbereich zu eng beieinander und stellten eine erhebliche Gefahr für die Verkehrssicherheit dar. Auch erschienen die von R.Consult angesetzten Troglängen und daran anknüpfend die Baukosten nicht plausibel, zudem würden keine Kosten für die erforderlichen Arbeiten an Versorgungsleitungen, die zwischen der Nord- und Südstadt von Bad Segeberg verlaufen und insofern einen infrastrukturellen Riegel bilden, sowie für Ausbaumaßnahmen im nachgelagerten Straßennetz veranschlagt. Auf die Varianten B und C aus dem Gutachten R.Consult kommt es nach dem Vorstehenden schon deshalb nicht an, weil diese nur den westlichen Anschluss an die problematische Stadtdurchfahrt betreffen. Hiervon ausgehend muss auch der Frage nicht weiter nachgegangen werden, ob eine Inanspruchnahme des bestehenden Kasernengeländes (Lettow-Vorbeck-Kaserne) in Betracht gekommen wäre.

85

c) Der Beklagte durfte aber eine weiter südliche Umfahrung von Bad Segeberg nicht im Wege einer Grobanalyse verwerfen.

86

Insoweit stellt der Planfeststellungsbeschluss (S. 224 und S. 353 f.) darauf ab, dass die Trasse im Falle einer weiträumigen Südumfahrung Bad Segebergs in einem weiten Bogen um das FFH-Gebiet DE 2127-333 "Leezener Au-Niederung und Hangwälder" und um den Neversdorfer See geführt werden müsste, um ohne Zerschneidung weiterer Natura 2000-Gebiete und ohne Versatz auf der A 21 weiter in Richtung Westen verlaufen zu können. Eine so weit südliche Trassenführung wäre verkehrlich aber nicht mehr sinnvoll; sie würde die Ost-West-Orientierung der A 20 für ein erhebliches Teilstück in eine Nord-Süd-Richtung verschwenken und zugleich die Gesamtstrecke erheblich verlängern. Alle denkbaren Varianten wären mit einem größeren Flächenverbrauch, einer Zerschneidung von verkehrsarmen Räumen und - wegen der erheblichen Streckenverlängerung - mit höheren Gesamtimmissionen verbunden. Dies widerspreche den selbständigen Planungszielen der Sicherung und Gewährleistung einer angemessenen Verbindungsqualität und der Minimierung von Fahrtzeit und Transportkosten. Auch könnten die selbständigen Planungsziele der Entlastung der B 206 westlich von Bad Segeberg und der Ortsdurchfahrt nicht mehr erreicht werden. Eine geradlinige Fortführung auf der sog. "Schwissellinie" über die A 21 hinweg scheide aufgrund des erheblichen Konfliktpotentials im Hinblick auf den Mözener See und das FFH-Gebiet "Leezener Au-Niederung und Hangwälder" von vornherein aus.

87

Diese Begründung greift zu kurz. Insbesondere durchlaufende, d.h. einen Versatz vermeidende Trassenvarianten in dem Korridor zwischen einer derart weiträumigen Südumfahrung und der Plantrasse durften nicht von vornherein ausgeblendet werden. Der Umstand allein, dass eine in diesem Korridor verlaufende Trasse neben dem FFH-Gebiet "Travetal" ein weiteres FFH-Gebiet queren müsste, reicht nicht als Ausschlussgrund. Vielmehr hätte - wie sich aus der oben angegebenen Rechtsprechung zu den Differenzierungsmerkmalen des Art. 6 FFH-RL ergibt - näher untersucht werden müssen, ob die jeweilige Alternativtrasse, und zwar unter Einbeziehung von Schadensvermeidungsmaßnahmen, ebenso wie die Vorzugstrasse zwingend prioritäre Vorkommen in Anspruch nehmen müsste. Das liegt bei einer großräumigen Südumfahrung trotz der Querung eines weiteren FFH-Gebiets nicht ohne Weiteres auf der Hand. Denn das FFH-Gebiet "Travetal" könnte bei einem südlicheren Trassenverlauf möglicherweise an einer weniger empfindlichen Stelle gequert werden, so dass nicht - wie bei der jetzigen Vorzugstrasse - drei prioritäre LRT in einer besonders seltenen Kombination und Ausprägung (vgl. genauer hierzu Anhang V zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 6 ff.) beeinträchtigt werden müssten. Ebenso hätte näher untersucht werden müssen, ob die Querung des FFH-Gebiets "Leezener Au-Niederung und Hangwälder", zu dessen Erhaltungszielen der prioritäre LRT *91E0 (Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior) gehört, zwingend mit der Inanspruchnahme gerade dieses prioritären Vorkommens verbunden wäre oder ob auch insoweit ein schonenderer Trassenverlauf in Betracht käme.

88

Eine solche Untersuchung hat nicht stattgefunden. Im Rahmen der sog. "Voruntersuchung Streckenabschnitt 5" wurden zwischen November 1994 und April 1999 verschiedene Planungsunterlagen erarbeitet, darunter eine Umweltverträglichkeitsstudie, bestehend aus Raumempfindlichkeitsanalyse (UVS Teil I) und Variantenvergleich (UVS Teil II). Dabei war der Untersuchungsbereich beider Teile aufgrund eines vorangegangenen Scopings von vornherein deutlich eingegrenzt, d.h. südlichere Varianten als die sog. Schwissellinie schieden von vornherein aus. Selbst die Schwissel-Variante ist erst aufgrund einer nachträglichen Erweiterung des Untersuchungsraums hinzugenommen worden (vgl. Voruntersuchung UVS I S. 5 unten ).

89

Im Planfeststellungsverfahren hat der Vorhabenträger zwar, nachdem sich die erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebiets "Travetal" herausgestellt hatte, eine spezielle Abweichungsprüfung durchgeführt (vgl. Erläuterungsbericht zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 46 ff. sowie Anhang II zur FFH-Ausnahmeprüfung "Beurteilung der Alternativen aus Sicht der Belange von Natura 2000"). Hierbei hat er aber nur die bereits im Linienbestimmungsverfahren untersuchten Varianten nochmals näher betrachtet, also die Stadtautobahn (Variante 1), die sog. Schwissellinie (Variante 3), die aber einen verkehrstechnisch von vornherein ungünstigen Versatz auf der A 21 aufweist, sowie eine Untervariante (2.2) der Vorzugstrasse, die sich von der Vorzugslinie (Untervariante 2.1) vor allem dadurch unterscheidet, dass die Querung der Trave etwa 230 m südlich liegt und die Hangbereiche der Trave schräg und nicht rechtwinklig gequert werden. Hinsichtlich der weiträumigen südlichen Varianten enthält die spezielle Alternativenprüfung lediglich einen knappen Hinweis darauf, dass die Trasse nach Süden hin in einem weiten Bogen um das FFH-Gebiet "Leezener Au-Niederung und Hangwälder" und um den Bebensee (gemeint ist offenbar der Neversdorfer See in der Gemeinde Bebensee) geführt werden müsste. Da die Niederung der Leezener Au von Hangwäldern umrahmt werde und auf dem Talgrund stellenweise Übergangsmoore (LRT 7140) sowie quellige Feuchtgrünländer ausgebildet seien, sei eine Querung der Niederung der Leezener Au - zusätzlich zur ohnehin notwendigen Querung des Travetals - als kritisch zu bewerten (Anhang II zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 6).

90

Die genauere Untersuchung anderer südlicher Trassenvarianten war auch nicht deshalb von vornherein entbehrlich, weil naturschutzexterne, insbesondere verkehrstechnische Gegenargumente ohne Weiteres den Vorzug verdienten. Der pauschale Hinweis darauf, dass die verkehrliche Entlastung Bad Segebergs umso geringer ausfällt, je weiter von der Plantrasse nach Süden abgewichen wird, genügt nicht. Er verkennt zum einen, dass auch eine durchgehende südlichere Trasse den Fernverkehr in Ost-West-Richtung aufnehmen und einer Entlastung von Wahlstedt und Fahrenkrug über den bestehenden Anschluss an die A 21 herbeiführen würde. Zum anderen wird übersehen, dass nach den bisher vorliegenden Untersuchungen auch die Vorzugstrasse aufgrund des starken Quell- und Zielverkehrs in Bad Segeberg nur eine relativ geringe Entlastung der Ortslage bewirkt.

91

Je nach dem Ergebnis der danach erforderlichen naturschutzfachlichen und verkehrlichen Untersuchung einer weiträumigen Südumfahrung wird sich herausstellen, ob es weiterhin sinnvoll erscheint, die Trasse - wie bislang geplant - westlich der A 21-Querung an der "Gelenkstelle Wittenborn" auf die B 206 zurückzuführen. Zwar ist den Klägern zuzugestehen, dass dieser Gelenkpunkt vor dem Hintergrund der geänderten Trassierung (nicht mehr entlang der B 206 durch den Segeberger Forst) nicht mehr zwingend erscheint. Dennoch mag ein Festhalten an dem Gelenkpunkt plausibel sein, um die angestrebten Entlastungswirkungen im Zentrum sowie im Westen von Bad Segeberg bestmöglich zu erreichen. Dass die mit einer Straßenplanung verfolgten Teilziele auch regionale und lokale Ziele einschließen dürfen, ergibt sich aus der o.g. Rechtsprechung. Daher darf sich der Beklagte im Grundsatz auch auf die stark auf Bad Segeberg zugeschnittenen Teilziele, also die Entlastung der Ortsdurchfahrt, die Entlastung der B 206 westlich von Bad Segeberg, die verbesserte Verkehrsanbindung Bad Segebergs an Lübeck und Kiel und die Verknüpfung mit dem nachgeordneten Straßennetz von Bad Segeberg berufen, ohne dass ihm der von den Klägern erhobene Vorwurf einer "unionsrechtswidrigen Verengung der Planungsziele" gemacht werden kann. Gerade die Entlastung des Großraums Bad Segeberg, insbesondere der Ortsdurchfahrt, gehörte bereits in der "Voruntersuchung zum Streckenabschnitt 5" seit Mitte der 90er Jahre zu den beabsichtigten Zielen (vgl. Allgemeinverständliche Zusammenfassung gemäß § 6 UVPG S. 4 f. und UVS I S. 33), die mit der jetzigen Planung weiterverfolgt werden sollen. Ob die genannten Ziele sowie insbesondere das übergeordnete Planungsziel einer Trassenbündelung zur Vermeidung der Zerschneidung bislang unzerschnittener Räume die bisherige Plantrasse rechtfertigen können, kann allerdings abschließend erst auf einer vollständigen Tatsachengrundlage entschieden werden.

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4. Die nach § 34 Abs. 5 BNatSchG festgesetzten Maßnahmen sichern die Kohärenz des FFH-Gebietsnetzes.

93

Wird ein Projekt nach § 34 Abs. 3 und 4 BNatSchG zugelassen, sind nach § 34 Abs. 5 BNatSchG die zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes "Natura 2000" notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die durch die Beeinträchtigung entstehende Funktionseinbuße im FFH-Gebiet ist durch Maßnahmen, die zu dem Projekt hinzutreten, zu kompensieren. Die Ausgestaltung der Kohärenzsicherungsmaßnahmen hat sich funktionsbezogen an der jeweiligen Beeinträchtigung auszurichten, derentwegen sie ergriffen wird. Sie muss die beeinträchtigten Lebensräume und Arten in vergleichbaren Dimensionen erfassen, sich auf die gleiche biogeographische Region im gleichen Mitgliedstaat beziehen und Funktionen vorsehen, die mit den Funktionen, aufgrund deren die Auswahl des ursprünglichen Gebiets begründet war, vergleichbar sind (EU-Kommission, Natura 2000 - Gebietsmanagement - Die Vorgaben des Artikels 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG, 2000, S. 49 ff.). Zu den Maßnahmen gehören die Wiederherstellung oder die Verbesserung des verbleibenden Lebensraums oder die Neuanlage eines Lebensraums, der in das Netz "Natura 2000" einzugliedern ist (EU-Kommission, Auslegungsleitfaden zu Artikel 6 Absatz 4 der "Habitat-Richtlinie" 92/43/EWG, Januar 2007, S. 11, 16 und 21, künftig: EU-Auslegungsleitfaden; vgl. auch Urteile vom 6. November 2012 - BVerwG 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 82 f. und vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 199 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30). Der Ausgleich zur Kohärenzsicherung muss nicht notwendig unmittelbar am Ort der Beeinträchtigung erfolgen; es reicht vielmehr aus, dass die Einbuße ersetzt wird, die das Gebiet hinsichtlich seiner Funktion für die biogeographische Verteilung der beeinträchtigten Lebensräume und Arten erleidet (EU-Auslegungsleitfaden S. 20 f.). In zeitlicher Hinsicht muss zumindest sichergestellt sein, dass das Gebiet unter dem Aspekt des beeinträchtigten Erhaltungsziels nicht irreversibel geschädigt wird (Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 148 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 26). Ist das gewährleistet, lässt sich die Beeinträchtigung aber - wie im Regelfall - nicht zeitnah ausgleichen, so ist es hinnehmbar, wenn die Kohärenzsicherungsmaßnahmen rechtzeitig bis zur Vollendung des Vorhabens ergriffen, die Funktionseinbußen hingegen erst auf längere Sicht wettgemacht werden (Urteile vom 6. November 2012 a.a.O. Rn. 82 und vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 200).

94

Die Eignung einer Kohärenzsicherungsmaßnahme ist ausschließlich nach naturschutzfachlichen Maßstäben zu beurteilen. An die Beurteilung sind weniger strenge Anforderungen zu stellen als an diejenigen der Eignung von Schadensvermeidungs- und Minderungsmaßnahmen. Während für letztere der volle Nachweis ihrer Wirksamkeit zu fordern ist, weil sich nur so die notwendige Gewissheit über die Verträglichkeit eines Plans oder Projekts gewinnen lässt (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 54 ff.), genügt es für die Eignung einer Kohärenzsicherungsmaßnahme, dass nach aktuellem wissenschaftlichen Erkenntnisstand eine hohe Wahrscheinlichkeit ihrer Wirksamkeit besteht. Anders als bei der Schadensvermeidung und -minderung geht es bei der Kohärenzsicherung typischerweise darum, Lebensräume oder Habitate wiederherzustellen oder neu zu entwickeln. Dieser Prozess ist in aller Regel mit Unwägbarkeiten verbunden. Deshalb lässt sich der Erfolg der Maßnahme nicht von vornherein sicher feststellen, sondern nur prognostisch abschätzen. Würde man gleichwohl die Gewissheit des Erfolgseintritts fordern, müsste eine positive Abwägungsentscheidung regelmäßig am Kohärenzerfordernis scheitern. Das widerspräche dem Regelungszweck des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL. Schon mit Rücksicht auf den prognostischen Charakter der Eignungsbeurteilung verfügt die Planfeststellungsbehörde bei der Entscheidung über Kohärenzsicherungsmaßnahmen über eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative. Das Gericht hat seine Prüfung insoweit auf eine Vertretbarkeitskontrolle zu beschränken. Um sie vornehmen zu können, muss die Eingriffs- und Kompensationsbilanz im Planfeststellungsbeschluss nachvollziehbar offengelegt werden. Dafür genügt eine verbal-argumentative Darstellung, sofern sie rational nachvollziehbar ist und erkennen lässt, ob der Bilanzierung naturschutzfachlich begründbare Erwägungen zugrunde liegen (Urteil vom 6. November 2012 a.a.O. Rn. 83 m.w.N.).

95

Diesen Grundsätzen genügen die planfestgestellten Kohärenzsicherungsmaßnahmen, mit denen der erhebliche Eingriff in das FFH-Gebiet "Travetal" ausgeglichen werden soll. Die Kritik der Kläger greift weder hinsichtlich der Kohärenzsicherungsmaßnahme "Seitental der Trave" (a), noch bezüglich der Kohärenzsicherungsmaßnahme "Süderbeste" (b) durch. Die naturschutzfachliche Einschätzung der Planfeststellungsbehörde, dass durch beide Maßnahmen gemeinsam der Zusammenhang des Netzes "Natura 2000" gesichert wird, ist vertretbar (c).

96

a) Die Kohärenzsicherungsmaßnahme "Seitental der Trave" ist am Höftgraben in einer Entfernung von ca. 1,5 km Luftlinie vom Eingriffsort geplant. Die derzeit am Maßnahmeort vorhandenen LRT *91E0 (Ausprägung als Quellwald), *9180 sowie LRT 9130 und 9160 sind hinsichtlich Alter und Entwicklungsstadien mit denen des Eingriffsgebiets vergleichbar. Durch ihre Lage im Biotopverbund der Trave haben sie sehr gute standörtliche Voraussetzungen, damit hier ein Lebensraumkomplex, bestehend aus LRT 9130, 9160 und *9180 durch Waldumbau und Waldentwicklungsmaßnahmen entstehen kann; der bereits vorhandene LRT *91E0 soll durch Umwandlung einer artenarmen Feuchtgrünlandfläche mit Flutrasenvegetation in einen Quell- und Auenwald entwickelt werden. Nach Durchführung der erforderlichen Entwicklungsmaßnahmen sollen die Wald-Lebensraumtypen sämtlich aus der forstwirtschaftlichen Nutzung genommen werden. Da die für die Kohärenzsicherung vorgesehene Fläche zugleich im Beeinträchtigungsband der A 20 liegen wird - der überwiegende Teil des Maßnahmegebiets befindet sich in einem Abstand von weniger als 100 m zur geplanten Trasse -, sieht die Planung verschiedene Maßnahmen vor, um der Stickstoffbelastung durch die Autobahn entgegenzuwirken. So ist nach Norden, also zur Trasse hin, die Anlage eines Immissionsschutzwalls sowie einer Immissionsschutzpflanzung vorgesehen. Zur südlich angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Offenlandschaft hin ist die Entwicklung einer Pufferzone (Anlage eines Knicks und eines Unterhaltungswegs) geplant, um stoffliche Einträge durch Einschwemmung und Einwehung von Ackerboden sowie Dünge- und Pflanzenschutzmitteln zu senken. Zur Sicherstellung des Erfolgs der Kohärenzsicherungsmaßnahme ist ein umfangreiches Monitoring vorgesehen, bei dem u.a. die Entwicklung und Funktionsfähigkeit der Immissionsschutzpflanzungen überprüft wird (vgl. zum Vorstehenden Planfeststellungsbeschluss S. 236 f. sowie Nebenbestimmungen 2.3.8 Nr. 11 und 12, Maßnahmenblätter A 9.2, 9.4, 9.5, 10.3 und 10.4 sowie Anhang IV zur FFH-Ausnahmeprüfung "Maßnahmen zur Kohärenzsicherung" Mai 2009, künftig: Unterlage Kohärenzsicherung).

97

Der Senat weist zur Klarstellung darauf hin, dass die vorgesehenen Maßnahmen zur Stickstoffreduzierung nicht als Schadensvermeidungsmaßnahmen für die Beeinträchtigung des FFH-Gebiets "Travetal" geplant sind. Als solche Schadensvermeidungsmaßnahme wurde allerdings - neben einer Einhausung - eine vergleichbare Maßnahme, nämlich eine beidseitige Verwallung mit einer Höhe von 10 m über Gradiente entlang der geplanten Trasse östlich der Travequerung näher untersucht. Letzteres wurde verworfen, weil deutliche Reduzierungen nur im absoluten Trassennahbereich erzielt werden könnten und derartige Anlagen zudem aus landschaftsplanerischen und Kostengründen kaum vertretbar seien (vgl. Erläuterungsbericht zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 37 f.). Die hier in Rede stehenden Maßnahmen im Traveseitental (Immissionsschutzwall sowie Immissionsschutzpflanzung) können und sollen indes keinen unmittelbaren Ausgleich für im FFH-Gebiet "Travetal" entstehende vorhabenbedingte Stickstoffbelastungen bewirken; schon wegen ihrer Entfernung zum Eingriffsort scheiden sie als Schadensvermeidungsmaßnahme aus. Sie sind vielmehr Bestandteil der Kohärenzsicherungsmaßnahme "Traveseitental", die zum Ziel hat, den Habitatverbund des betroffenen Traveabschnitts durch die Integration des Seitentals der Trave in das Netz "Natura 2000" zu erweitern. Dabei sollen Wall und Pflanzungen - sozusagen als Schadensvermeidungsmaßnahmen im Rahmen einer Kohärenzsicherungsmaßnahme - langfristig dafür sorgen, dass die Stickstoffeinträge zu keiner erheblichen Beeinträchtigung des neu zu meldenden FFH-Gebiets führen.

98

Die pauschale Kritik der Kläger, die vorgesehenen Schutzstreifen seien zu schmal, kann nicht überzeugen. Abgesehen davon, dass die in den Maßnahmenblättern A 9.4 und A 10.3 festgesetzten Schutzstreifen teilweise bis zu 20 m breit sind, wird in den Planungsunterlagen nachvollziehbar dargelegt, dass gerade in den ersten 50 bis 100 m vom Trassenbereich, d.h. unmittelbar hinter dem Gestaltungswall, die höchste Abschirmungswirkung gegeben ist. Da das Tal sehr schmal ist (50 bis 100 m) und weitgehend trassenparallel verläuft, wird der überwiegende Teil des Kohärenzgebiets in dem Bereich dieser größten Abschirmungswirkung liegen (Unterlage Kohärenzsicherung S. 10, 13). Zwar wurde die Stickstoffbelastung bzw. die aufgrund von Immissionsschutzwall und -pflanzungen zu erreichende Reduzierung nicht im Einzelnen untersucht; es lassen sich aber hinreichend aussagekräftige Rückschlüsse aus der bereits erwähnten Untersuchung zur Einhausung bzw. Verwallung ziehen.

99

b) Die Kohärenzsicherungsmaßnahme "Süderbeste" ist ca. 30 km vom Eingriffsort entfernt im Tal der Süderbeste, einem Zufluss der Trave, in Lasbek im Kreis Stormarn geplant. Die große Entfernung hängt damit zusammen, dass die im Travetal beeinträchtigten Lebensraumtypen zum Teil sehr selten und in der Kombination der LRT 3260, *7220, 9130, *9180 und *91E0 in Schleswig-Holstein bisher nur im Travetal vertreten sind. Daher wurde für die Kohärenzsicherung eine landesweite Standortsuche durchgeführt. Die Maßnahmefläche ist insgesamt 19,2 ha groß, davon entfallen 17 ha auf alte Waldstandorte. Das Maßnahmegebiet umfasst eine in einen größeren Wald eingebettete Bachschlucht der Süderbeste; hier sind auf einer Fläche von 0,21 ha gut ausgebildete Kalktuffquellen des prioritären LRT *7220, sowie darüber hinaus der LRT 9130, grundwassergeprägte Eichen-Hainbuchenwälder des LRT 9160 sowie prioritäre Auenwälder des Typs *91E0 (Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxus excelsior ) in quelliger und bachbegleitender Ausprägung vorhanden. Sämtliche Lebensraumtypen sind in ausgereiftem Zustand vorhanden. Auf dem nicht bewaldeten Teil des Flurstücks 10/2 ist zudem ein unter Biotopschutz stehender Binsen- und Simsenried auf einer Nasswiese ausgebildet sowie an den Grenzen zur landwirtschaftlichen Nutzung eine Feldhecke bzw. ein Knick mit waldmantelähnlichem Bestand, ebenfalls ein gesetzlich geschütztes Biotop. Herausragendes Merkmal des gesamten Maßnahmegebiets ist die Störungsarmut. Der vom Vorhaben ebenfalls beeinträchtigte LRT *9180 Schlucht- und Hangmischwälder ist an der Süderbeste zurzeit nicht ausgeprägt, aber standörtlich möglich. Die Bodenverhältnisse und die Krautschicht zeigen nach Einschätzung der Gutachter an, dass die typkennzeichnende Linde dort vorkommen könnte; die aktuelle Dominanz der Buche sei das Ergebnis der selektiven Buchenförderung durch Forstwirtschaft. Die Planung geht davon aus, dass sich die gewünschte Verbesserung des Erhaltungszustands im Umfeld der Kalktuffquellen durch den natürlichen Abgang der dort noch vorhandenen Fichten von selbst einstellen wird; die forstwirtschaftliche Nutzung sowie die Gewässerunterhaltung soll vollständig eingestellt werden (vgl. zum Vorstehenden Planfeststellungsbeschluss S. 237 f. und S. 852 sowie Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 13, Maßnahmenblatt A 32.1; sowie Unterlage Kohärenzsicherung S. 6 f. und S. 15 ff.).

100

Auch in Bezug auf diese Maßnahme greift die Kritik der Kläger nicht durch. Dass die Flächen bereits jetzt unter gesetzlichem Biotopschutz nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG bzw. § 21 Abs. 1 Nr. 5 LNatSchG SH stehen, betrifft zum einen nur einen Teil der Maßnahmefläche; im Übrigen haben die Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu Recht darauf hingewiesen, dass der FFH-Gebietsschutz über den Biotopschutz hinausgehen kann (vgl. § 30 Abs. 8 BNatSchG). Im Hinblick auf die vollständige Einstellung der forstwirtschaftlichen Nutzung ist das hier auch tatsächlich der Fall.

101

Soweit die Kläger beanstanden, dass Aufwertungsmaßnahmen fehlen, kann der Senat offenlassen, ob solche Maßnahmen für eine Kohärenzsicherungsmaßnahme unabdingbar sind. Dafür spricht der ausdrückliche Hinweis im EU-Auslegungsleitfaden (S. 15 Mitte), wonach die Ausweisung neuer Natura 2000-Gebiete zwar Teil eines Ausgleichspakets sein könne, allerdings reiche "eine Ausweisung allein, ohne entsprechende Begleitmaßnahmen, nicht aus". Dagegen spricht der auf derselben Seite enthaltene Hinweis, der Ausgleich könne in der Eingliederung eines neuen Gebiets in das Netz "Natura 2000" bestehen, das ähnliche Eigenschaften wie das ursprüngliche Gebiet aufweise; denn das Projekt würde zwar zu einem Verlust bei diesem Lebensraumtyp auf der Ebene des Mitgliedstaates führen, auf der Ebene der Gemeinschaft komme aber ein neues Gebiet in den Genuss des in Art. 6 FFH-RL vorgesehenen Schutzes. Der zuletzt beschriebene Fall liegt hier aus Sicht des Senats vor. Die Frage des Erfordernisses von Aufwertungsmaßnahmen kann aber dahinstehen, da die geplante Herausnahme aus der forstlichen Nutzung, die den Zweck verfolgt, die aktuelle Dominanz der Buche zurückzudrängen, in Verbindung mit der Absicht, die Lebensraumflächen der natürlichen Sukzession zu überlassen, damit sich die bereits im Unterwuchs vorhandenen standortgerechten Laubhölzer entwickeln können, als eine solche Aufwertungsmaßnahme angesehen werden kann.

102

c) Die naturschutzfachliche Einschätzung der Planfeststellungsbehörde, dass durch beide Maßnahmen gemeinsam der Zusammenhang des Netzes "Natura 2000" gesichert wird, ist vertretbar.

103

Der Eingriff besteht hier in einer erheblichen Beeinträchtigung des Waldgürtels am Osthang der Trave (LRT 9130, 9160, *9180, *7220 und *91E0) durch verschiedene Wirkfaktoren (Flächenverlust, Zerschneidung, Störung von charakteristischen Vogelarten und Stickstoffbelastung); der Eingriffsumfang wird in den verschiedenen Planungsunterlagen näher beschrieben und soweit möglich, d.h. in Bezug auf die Stickstoffbelastung (5,55 ha) sowie in Bezug auf den Flächenverlust durch Überbauung (1 027 qm durch das Brückenwiderlager) quantifiziert (vgl. Fachgutachten zur FFH-Verträglichkeitsprüfung "Travetal", aktualisiert 2011, S. 141 ff. und S. 153; Anhang V zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 5 ff.). Diesem Eingriff stehen insgesamt ausreichend Kompensationsmaßnahmen gegenüber. Für den überbauten Eichen-Hainbuchenwald (LRT 9160) steht ein Kohärenzausgleich im Verhältnis von 1:12, für den nicht überbauten Komplex der Quell- und Auenwälder (LRT *7220 und *91E0) im Umfang von 1:2,5 und für den nicht überbauten Komplex der Laubwälder (LRT 9130, 9160 und *9180) im Umfang von 1:8 zur Verfügung. Dieses Verhältnis erscheint ausreichend, um den im Bereich der zu entwickelnden Lebensraumtypen im Seitental der Trave entstehenden Zeitversatz und die Problematik der Bewältigung der bereits bestehenden hohen Hintergrundbelastung durch Stickstoff, die in Schleswig-Holstein mehrfach die Critical Loads für naturnahe Laubwälder überschreitet, aufzufangen (vgl. genauer Planfeststellungsbeschluss S. 238, Erläuterungsbericht zur FFH-Ausnahmeprüfung S. 39).

104

Beide außerhalb des bisherigen FFH-Gebiets "Travetal" neu entwickelten Flächen werden entsprechend den oben beschriebenen Anforderungen in das FFH-Gebiet einbezogen und die Änderung der Grenzziehung an die EU-Kommission bekannt gegeben. Soweit die Kläger Bedenken hinsichtlich der fehlenden Kompetenz des Beklagten zur Meldung sowie hinsichtlich des Meldezeitpunkts geäußert haben, sind diese inzwischen ausgeräumt. Hinsichtlich des Meldezeitpunkts hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung durch Protokollerklärung die Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 10 dahin geändert, dass die Gebiete nunmehr "sogleich nach Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses" (statt "in einem angemessenen zeitlichen Zusammenhang mit der Projektumsetzung und der Durchführung der Kohärenzsicherungsmaßnahmen") zu melden sind. Zudem haben die Vertreter des Beklagten erläutert, dass es im Zusammenhang mit der Ausnahmeprüfung bereits Absprachen mit dem zuständigen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gegeben habe. Danach steht hinreichend sicher fest, dass eine Meldung rechtzeitig erfolgen wird.

105

Für die Übergangszeit ist die erforderliche rechtliche Sicherung der Maßnahme gegenüber der Flächeneigentümerin durch den Eintrag einer Grunddienstbarkeit gewährleistet (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 238, 572). Ein Monitoring wurde festgelegt (siehe Nebenbestimmungen 2.3.8 = Planfeststellungsbeschluss S. 25 ff.).

106

VII. Die artenschutzrechtliche Beurteilung des Vorhabens enthält zum Teil Mängel.

107

Bei der Prüfung, ob artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt sind, steht der Planfeststellungsbehörde eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative sowohl bei der ökologischen Bestandsaufnahme als auch bei deren Bewertung zu, namentlich bei der Quantifizierung möglicher Betroffenheiten und bei der Beurteilung ihrer populationsbezogenen Wirkungen. Die gerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob die Einschätzungen der Planfeststellungsbehörde im konkreten Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und nicht auf einem unzulänglichen oder gar ungeeigneten Bewertungsverfahren beruhen (stRspr, vgl. nur Urteile vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 114 und vom 6. November 2012 - BVerwG 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 100). Wegen der bereits im Zusammenhang mit dem Gebietsschutz festgestellten methodischen Mängel bei der Erfassung der Fledermäuse erweist sich diesbezüglich auch die artenschutzrechtliche Bestandsaufnahme - und infolgedessen auch die artenschutzrechtliche Bewertung etwaiger Verbotstatbestände - als fehlerhaft; hiervon abgesehen bleibt die allgemeine Kritik der Kläger hinsichtlich der artenschutzrechtlichen Bestandsaufnahme sowie hinsichtlich der Bauzeitenregelungen zu vage (1.). Die artenschutzrechtliche Behandlung der Haselmaus erweist sich als unzureichend (2.); demgegenüber ist diejenige der Reptilien (3.), der europäischen Vogelarten (4.), der Schmetterlinge (5.) und der Amphibien (6.) nicht zu beanstanden.

108

1. Die artenschutzrechtliche Bestandsaufnahme beruht hinsichtlich der Fledermäuse auf methodischen Mängeln; insofern kann auch die Bewertung etwaiger Verbotstatbestände nicht gerichtlich bestätigt werden. Hinsichtlich der übrigen artenschutzrechtlichen Bestandsaufnahme, die die Kläger ebenfalls für unzureichend halten, bleibt ihre Kritik zu allgemein. Gleiches gilt für die Bauzeitenregelungen.

109

Regelmäßig speisen sich die erforderlichen fachgutachtlichen Untersuchungen zur Ermittlung der artenschutzrechtlichen Betroffenheiten im Planungsraum aus zwei wesentlichen Quellen: der Bestandserfassung vor Ort sowie der Auswertung bereits vorhandener Erkenntnisse und Fachliteratur. Eine aus beiden Quellen gewonnene, sich wechselseitig ergänzende Gesamtschau wird der Planfeststellungsbehörde regelmäßig die erforderliche hinreichende Erkenntnisgrundlage verschaffen können (Beschluss vom 14. April 2011 - BVerwG 4 B 77.09 - juris Rn. 67; ausführlich zur artenschutzrechtlichen Bestandsaufnahme Urteil vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 63 ff. = Buchholz 406.400 § 42 BNatSchG 2002 Nr. 6). Wegen der bereits im Zusammenhang mit dem Gebietsschutz festgestellten methodischen Mängel bei der Erfassung der Fledermäuse erweist sich die artenschutzrechtliche Bestandsaufnahme insoweit - und infolgedessen auch die Bewertung etwaiger Verbotstatbestände - als fehlerhaft. Namentlich im Hinblick darauf, dass die Autobahntrasse den südöstlichen Teil des Segeberger Forstes durchschneidet, genügt das Vorgehen des Beklagten, eine "flächendeckende Nutzung aller geeigneten Waldbereiche durch die wertgebenden Fledermausarten" zu unterstellen und auf diese Annahme - ohne konkrete Erfassung der Quartiere - ein Maßnahmekonzept aufzubauen, das die "nicht ausgeschlossenen Konflikte" maßgeblich mindern soll (Stellungnahme des Gutachters Dr. M. vom 27. August 2013 S. 40 f.), auch in artenschutzrechtlicher Hinsicht nicht den methodischen Anforderungen. Anders ist die Situation freilich im Bereich der Travequerung. Angesichts des die Flugrouten weiträumig überspannenden, mit Kollisionsschutzwänden ausgestatteten Brückenbauwerks (BW 5.08) hat der Beklagte insoweit ein signifikantes Kollisionsrisiko im Ergebnis zu Recht ausgeschlossen.

110

Hinsichtlich aller übrigen Tierarten, bei denen es "Datenlücken" gab, durfte die Bestandserfassung auf eine Potentialanalyse beschränkt werden. Der Beklagte hat dieses methodische Vorgehen nachvollziehbar damit gerechtfertigt, dass es in den Jahren 2003 ausreichende faunistische Erfassungen der Tiergruppen Brutvögel, Amphibien, Libellen, Heuschrecken, Tagfalter und Nachtfalter gegeben habe; die Auswahl dieser Indikatorengruppen sowie die Methodik der Erfassung werde im biologischen Fachbeitrag und in seiner Aktualisierung (KIFL 2005 und 2009) näher beschrieben und begründet. Eine nochmalige Aktualisierung sei im Rahmen der 2. Planänderung im Jahre 2011 nicht erforderlich gewesen. Die Kläger haben sich nur in allgemeiner Form gegen dieses methodische Vorgehen gewandt, ohne der Argumentation des Beklagten etwas Konkretes entgegenzusetzen. Infolgedessen muss der Senat der Frage der Bestandsaufnahme - mit Ausnahme der nachfolgend speziell geprüften Arten - nicht weiter nachgehen.

111

Ähnlich allgemein bleibt die Kritik in Bezug auf die für verschiedene Arten festgesetzten Bauzeitenregelungen. Diese können nicht pauschal mit dem Argument mangelnder Durchsetzbarkeit in Frage gestellt werden. Bauzeitenregelungen stellen nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich wirksame Maßnahmen dar. Allerdings ist im Einzelfall zu untersuchen, ob die Regelung artangemessen ist. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Einhaltung der Bauzeitenregelungen nicht - wie in Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 7 vorgesehen - durch die Umweltbaubegleitung überwacht wird, werden von den Klägern nicht benannt; solche Anhaltspunkte sind auch im Übrigen nicht erkennbar. Auch der Umstand, dass hiervon bereits im Planfeststellungsbeschluss selbst Ausnahmen vorgesehen und im näher begründeten Einzelfall etwa Vergrämungsmaßnahmen zugelassen werden (vgl. Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 30), steht der grundsätzlichen Wirksamkeit nicht entgegen.

112

2. Der Bestand der Haselmaus wurde in einem zu engen Untersuchungskorridor erfasst (a); auch die Prüfung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände (b) kann wegen der auch vom Planfeststellungsbeschluss selbst erkannten Probleme der räumlichen Entfernung der Umsiedlungsflächen nicht überzeugen (c).

113

a) Die im Herbst 2008 durchgeführte systematische Erfassung des Eingriffsbereichs nach Kobeln (Nestern) und Fraßspuren, die insgesamt 29 Nachweise (22 durch Kobel und 7 durch Fraßspuren) erbracht hat, stellt wegen des zu engen Untersuchungskorridors von nur 50 m beidseits der Trasse keine ausreichende Bestandsaufnahme dar. Der Gutachter hat hierzu auf gerichtliche Nachfrage erläutert, dass der Untersuchungsraum aufgrund der konkreten Lebensraumstruktur der Habitate im Umfeld des Eingriffs auf diese Breite festgelegt worden sei. Die Haselmaus besiedele im Raum Segeberg vorwiegend lineares Straßenbegleitgrün sowie Knicks, nur in Einzelfällen flächige Gehölze. Die Konzentration auf Straßenbegleitgrün erkläre sich aus dem sehr geringen Nahrungsangebot in den intensiv "gepflegten" und dadurch weitgehend degradierten Knicks in der im Raum Segeberg vorherrschenden Agrarlandschaft (Stellungnahme des Gutachters Dr. M. vom 27. August 2013 S. 30 f.; vgl. im Übrigen Planfeststellungsbeschluss S. 565 f.; Fachgutachten zur Prüfung der Artenschutzrechtlichen Belange nach § 42 BNatSchG, 2009, aktualisiert Juni 2011, S. 38, künftig: Artenschutzbeitrag, sowie Formblatt A-5; Biologischer Fachbeitrag aus August 2009 S. 9 und Blatt 1.1). Dieses Vorgehen erscheint fachlich nicht vertretbar. Dass Haselmäuse im Straßenbegleitgrün teilweise in hohen Dichten auftreten können, wird auch von den Klägern nicht bestritten. Da es hier aber um einen Neubau und nicht etwa um eine nachträgliche Maßnahme an einer bestehenden Straße geht, gibt es noch kein Straßenbegleitgrün. Vielmehr muss sich der Untersuchungsraum nach dem typischen Aktionsradius der Art richten. Zwar hat die Haselmaus einen vergleichsweise geringen Aktionsradius. Die Weibchen legen meist nur Entfernungen von weniger als 50 m zurück, während die Männchen größere Ortswechsel bis über 300 m in einer Nacht vornehmen können (vgl. Infosysteme und Datenbanken des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen "Geschützte Arten in NRW", Stichwort Haselmaus ; etwas größere Radien ergeben sich aus dem Endbericht zum FuE-Vorhaben im Rahmen des Umweltforschungsplanes des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz "Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit von Maßnahmen des Artenschutzes bei Infrastrukturvorhaben", künftig: Endbericht Rahmenbedingungen, Artensteckbrief zur Haselmaus A 102, sowie aus den Angaben auf S. 150 der Klagebegründungsschrift im Verfahren BVerwG 9 A 15.12). Vor diesem Hintergrund bedürfte die Bemessung des Untersuchungsraums, jedenfalls soweit er einen Korridor von 100 m beidseits der Trasse unterschreitet, einer plausiblen naturschutzfachlichen Begründung, an der es bislang fehlt. Ob sogar der von den Klägern in der mündlichen Verhandlung geforderte 500 m-Korridor beidseits der Trasse geboten ist, mag der Beklagte im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens fachlich bewerten.

114

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der Tatbestand des Tötungsverbots (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) mit Blick auf die bei einem Bauvorhaben nie völlig auszuschließende Gefahr von Kollisionen geschützter Tiere mit Kraftfahrzeugen erst dann erfüllt, wenn das Vorhaben dieses Risiko in einer für die betroffene Tierart signifikanten Weise erhöht (stRspr, vgl. nur Urteile vom 14. Juli 2011 - BVerwG 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 99 = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 13 und vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 91 = Buchholz 406.400 § 42 BNatSchG 2002 Nr. 6). Dabei sind Maßnahmen, mittels derer solche Kollisionen vermieden werden können, in die Betrachtung einzubeziehen. Der Störungstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG kann vor allem durch bau- und betriebsbedingte Beeinträchtigungen der geschützten Tierarten in Gestalt von akustischen und optischen Störwirkungen (Urteile vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 49 und vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 104 f.), aber auch durch Trennwirkungen erfüllt werden, die von der vorgesehenen Trasse ausgehen (Urteile vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 114 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 45 und vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 105). Dabei enthält das Störungsverbot bereits im Wortlaut einen populationsbezogenen Ansatz. Eine erhebliche Störung liegt nach der Definition des § 44 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 BNatSchG vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert (s. dazu Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 258 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30). Der Begriff der "Fortpflanzungsstätte" in § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ist eng auszulegen. Dies folgt zum einen aus der scharfen systematischen Trennung zwischen der Teilregelung des Beschädigungs- und Zerstörungstatbestandes in § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG, der die eingriffsbetroffenen Lebensstätten nennt, und der ergänzenden Regelung in § 44 Abs. 5 BNatSchG, die im Rahmen einer funktionalen Betrachtung den räumlichen Zusammenhang einbezieht. Dasselbe folgt zum anderen daraus, dass es § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG auch verbietet, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, und damit dem Wortlaut nach eine enge Auslegung des Begriffs der Fortpflanzungs- oder Ruhestätte nahelegt, die jeden einer solchen Entnahme zugänglichen, als Ort der Fortpflanzung oder Ruhe dienenden Gegenstand - wie einzelne Nester oder Höhlenbäume - einschließt. In zeitlicher Hinsicht betrifft die Verbotsnorm primär die Phase aktueller Nutzung der Lebensstätte. Unter Berücksichtigung des verfolgten Zwecks der Regelung, die Funktion der Lebensstätte für die geschützte Art zu sichern, ist dieser Schutz aber auszudehnen auf Abwesenheitszeiten der sie nutzenden Tiere einer Art, sofern nach deren Lebensgewohnheiten eine regelmäßig wiederkehrende Nutzung zu erwarten ist (Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 66).

115

c) Hiervon ausgehend sind dem Planfeststellungsbeschluss in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Oktober 2013 bei der Prüfung der Verbotstatbestände teilweise Fehler unterlaufen.

116

aa) Der mit der Baufeldfreimachung einhergehende Tötungstatbestand sowie die Zerstörung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten der Haselmaus soll durch artenschutzrechtliche Vermeidungsmaßnahmen (Fangen und Umsiedlung in besonders zu sichernde Maßnahmegebiete; Festlegung artspezifischer Fällzeitpunkte) sowie durch vorgezogene artenschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen (langfristige Entwicklung neuer Knickanlagen) vermieden werden (vgl. genauer Planfeststellungsbeschluss S. 32 ff. und S. 565 sowie Artenschutzbeitrag S. 38 ff.). Das Umsiedlungskonzept ist im Grundsatz nicht zu beanstanden; die Ersatzlebensräume sind allerdings überwiegend so weit entfernt, dass die ökologische Funktion der Fortpflanzungs- und Ruhestätten entgegen der Annahme im Planfeststellungsbeschluss nicht im räumlichen Zusammenhang i.S.d. § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG erhalten bleibt; zudem ist die vorgesehene Funktionskontrolle ergänzungsbedürftig.

117

(1) Der Senat lässt weiterhin offen, ob das der Umsiedlung vorangehende Fangen wild lebender Tiere neben dem Entzug der Bewegungsfreiheit als solchem eine gewisse Dauer des Entzugs voraussetzt (Urteil vom 14. Juli 2011 - BVerwG 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 130 = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 13). Denn insoweit läge eine objektive Ausnahmelage vor, sodass der etwaige Mangel unerheblich wäre (vgl. Urteil vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - NuR 2013, 565 Rn. 143 unter Hinweis auf Urteil vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 147 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 45).

118

Die Umsiedlung der Haselmaus wird in den Nebenbestimmungen 2.3.8 Nr. 20 und 21 näher geregelt. Danach sind im Jahr der Baufeldfreimachung im April geeignete Kunstnester auszubringen und im September auf Besatz zu kontrollieren. Besiedelte Kobel und Kunstnester sind zu verschließen und in die hierfür vorgesehenen Ersatzlebensräume zu versetzen; der Vorgang ist mehrfach zu wiederholen, bis davon ausgegangen werden kann, dass sich keine Haselmaus mehr im Baufeld aufhält. Die betroffenen Gehölze sollen unmittelbar nach der Umsiedlung der Tiere - Anfang bis Mitte Oktober - gefällt, gerodet und abtransportiert werden, um eine kurzfristige Wiederbesiedlung der Standorte durch die Haselmaus, deren Winterruhe Ende Oktober einsetzt, zu verhindern. Zwar ist nicht auszuschließen, dass sich vereinzelt noch gehölzbewohnende Fledermäuse, deren Winterschlaf ebenfalls noch nicht begonnen hat, in den Bäumen befinden und sich, statt zu fliehen, noch tiefer in die Spalten und Höhlen verkriechen. Diese vereinzelt möglichen Tötungen der Fledermaus nimmt der Planfeststellungsbeschluss aber zugunsten der Haselmaus ausdrücklich hin. Lediglich für den Bereich des Segeberger Forstes, dem für die Fledermäuse eine herausragende Bedeutung zukomme, nimmt der Planfeststellungsbeschluss eine andere Wertung vor. Hier ist zum Schutz der Fledermäuse eine Fällung der Gehölze erst ab 1. Dezember, also dem endgültigen Beginn der Winterruhe der Fledermäuse, zulässig (vgl. Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 24). Hierdurch besteht eine Tötungsgefahr für die Haselmaus, da nicht auszuschließen ist, dass sie vereinzelt nach erfolgter Umsiedlung in das Baufeld zurückwandert und sich im Winterversteck oder im Boden aufhält. Angesichts dieser Konfliktlage hat der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 16. Oktober 2013 die Nebenbestimmung 2.3.5 dahin neu gefasst, dass nunmehr für 14 näher bezeichnete Fledermausarten außerhalb des Segeberger Forstes sowie für die Haselmaus im Segeberger Forst nach § 45 Abs. 7 BNatSchG eine artenschutzrechtliche Ausnahme von dem Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erteilt wird.

119

Der festgesetzte Pflegezeitraum, der einen Verzicht auf einen Gehölzrückschnitt für zwei Vegetationsperioden vorsieht, ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht zu kurz bemessen. Vielmehr hat ihn der Gutachter in seiner Stellungnahme vom 27. August 2013 (S. 30 f.) überzeugend begründet: Knicks, die in Schleswig-Holstein verbreitet Ersatzlebensräume der Haselmäuse sind, werden traditionell alle 8 bis 15 Jahre auf den Stock gesetzt, wobei die Gehölze rasch wieder ausschlagen. Ohne dieses "Knicken" verarmen die Knicks langfristig. Haselmäuse sind zwar an diese Vorgänge gewöhnt; da die beabsichtigte Umsiedlung für sie aber eine besondere Stresssituation darstellt, soll der neue Lebensraum zumindest die halbe normale Lebensspanne einer Haselmaus optimale Bedingungen bieten, bevor der Knick dann - aus Gründen der langfristigen Erhaltung - mit Eintritt der Winterruhe der Haselmaus erneut auf den Stock gesetzt wird. Bis zu diesem Zeitpunkt werden sich umgesetzte Haselmäuse in ihrem neuen Lebensraum bereits ein- bis mehrfach reproduziert haben (erster Wurf normalerweise nach einem Jahr, ein bis drei Würfe pro Jahr).

120

Auch der angenommene Ausgleichsbedarf ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. Die Knicklänge von 50 m pro Haselmaus soll neben der Sicherstellung des Ersatzlebensraums zugleich den Verlust der Lebensstätten ausgleichen. Durch das Einbringen zusätzlicher Nistkästen wird zudem die Attraktivität des Lebensraums gesteigert; die neuen Lebensräume sollen in das bestehende und für die Art geeignete Knicknetz eingebunden werden. Zusätzlich werden weitere Knicks in einem Umfang von 6,6 km als artenschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen neu angelegt, diese können langfristig u.a. auch der Haselmaus als Lebensräume dienen. Die neuen Knickanlagen sollen möglichst frühzeitig, jedoch nicht vor der Baufeldfreimachung hergestellt werden, um Haselmäuse nicht in den Baustellenbereich zu locken. Zwar ist insoweit nicht sichergestellt, dass die Ersatzflächen rechtzeitig hergestellt werden. Dennoch hat die Planung den Konflikt aus Sicht des Senats angemessen gelöst, da eine Rückwanderung der Haselmaus in den Baustellenbereich verhindert werden soll. Der entstehende Zeitverzug muss im Rahmen der Kompensationsbilanz berücksichtigt werden.

121

(2) Die ökologische Funktion der Fortpflanzungs- und Ruhestätten bleibt aber für einen überwiegenden Teil der Maßnahme nicht im räumlichen Zusammenhang i.S.d. § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG erhalten.

122

Die vorgesehenen Umsiedlungsflächen befinden sich nur zu einem geringen Teil in Vorhabennähe, im Übrigen liegen sie im Bereich der 15 km entfernten Kompensationsflächen am Zarpener Oser, da eingriffsnähere Maßnahmeorte für den Vorhabenträger nicht verfügbar waren. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 566) geht zu Recht davon aus, dass bei dieser Entfernung kein Zusammenhang mehr zwischen der lokalen Population des Eingriffgebiets und der Population des Umsiedlungsgebiets besteht. Die Planfeststellungsbehörde will die Maßnahme dennoch in Abstimmung mit dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume als CEF-Maßnahme anerkennen, weil die Umsiedlungsmaßnahmen und die geplanten Ausgleichsmaßnahmen "in Kombination" dazu führten, dass die ökologische Funktion der Fortpflanzungs- und Ruhestätten der Haselmaus im räumlichen Zusammenhang erhalten bleibt (Planfeststellungsbeschluss S. 32 ff. und S. 566). Das vermag nicht zu überzeugen. Die geplanten Ausgleichsmaßnahmen - Herstellung neuer Knickanlagen - können den Verlust der Fortpflanzungs- und Ruhestätten nicht kompensieren; denn auch bei der Vernetzung kleiner Teilhabitate darf die Entfernung zwischen der zentralen Population und kleineren Teilpopulationen nicht mehr als 500 m betragen (Endbericht Rahmenbedingungen, Artensteckbrief zur Haselmaus A 103). Konsequenterweise hätte der Beklagte daher - wie von den Klägern gefordert - die Erteilung einer Ausnahme erwägen müssen.

123

(3) Die schon jetzt im Planfeststellungsbeschluss umfassend vorgesehene Funktionskontrolle i.S.d. § 17 Abs. 7 BNatSchG (vgl. Nebenbestimmungen 2.3.8 Nr. 2 und 7 sowie der in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärte allgemeine Auflagenvorbehalt) bedarf der Ergänzung. Angesichts der mit der geplanten Umsiedlung verbundenen Unsicherheiten genügt es nicht, die Funktionalität der Ersatz-Lebensstätten zu prüfen. Vielmehr erscheint es geboten, die Ersatzlebensräume in einem festgelegten Turnus nach der Umsiedlung auf Besatz durch die Haselmaus zu kontrollieren. In diesem Zuge sollten auch die Nisthilfen instandgehalten und gesäubert werden (vgl. Endbericht Rahmenbedingungen, Artensteckbrief zur Haselmaus A 104). Einer aufwändigen Fang-Wiederfangmethode mit markierten Haselmäusen, wie sie der Gutachter Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 27. August 2013 (S. 31) als Gegenargument für eine Populationsüberwachung anführt und wie sie offenbar auch die Kläger für geboten halten (vgl. hierzu zuletzt in der mündlichen Verhandlung überreichte Folie Nr. 41 "Risikomanagement"), bedarf es hingegen nicht.

124

bb) Soweit, wie oben beschrieben, aus Gründen des Fledermausschutzes im Segeberger Forst eine Tötung der Haselmaus während des Winterschlafs nicht ausgeschlossen werden kann, durfte der Beklagte - ebenso wie außerhalb des Forstes für den umgekehrten Fall vereinzelter Tötungen von Fledermäusen zu Gunsten der Haselmaus - mit Änderungsbescheid vom 16. Oktober 2013 grundsätzlich eine Ausnahme von den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5, Satz 2 BNatSchG zulassen.

125

(1) Der die Ausnahmeregelung enthaltende Änderungsbescheid ist formell rechtmäßig.

126

Nach § 76 Abs. 2 VwVfG, der hier über die Verweisung des § 17d FStrG Anwendung findet, da es um eine Planänderung vor Fertigstellung des Vorhabens geht, kann die Planfeststellungsbehörde bei Planänderungen von unwesentlicher Bedeutung von einem neuen Planfeststellungsverfahren absehen, wenn die Belange anderer nicht berührt werden oder wenn die Betroffenen der Änderung zugestimmt haben. Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen vor. Eine Planänderung ist gegeben, da es um eine nachträgliche Änderung des festsetzenden Teils (hier: inhaltliche Änderung der Nebenbestimmung 2.3.5) und nicht nur um eine bloße Änderung der Begründung geht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 76 Rn. 5 m.w.N.). Dass die Planänderung von unwesentlicher Bedeutung ist, wird im Änderungsbescheid (S. 7 f.) zutreffend damit begründet, dass sie im Verhältnis zur abgeschlossenen Gesamtplanung unerheblich ist, also Umfang, Zweck und Auswirkungen des Vorhabens gleich bleiben. Die Erteilung der artenschutzrechtlichen Ausnahme führt nicht einmal zu einer Änderung des Schutzkonzepts für die von der Ausnahme betroffenen Arten; es wird lediglich der bereits im Planfeststellungsbeschluss beschriebene artenschutzrechtliche Konflikt rechtlich anders bewertet. Hieraus folgt zugleich, dass auch "die Belange anderer" nicht berührt werden. Der Beklagte hat auch von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht; dass er sich hierbei statt auf § 76 Abs. 2 VwVfG irrtümlich auf die wortgleiche Vorschrift des § 143 Abs. 2 LVwG gestützt hat, ist unschädlich.

127

Entgegen der Auffassung der Kläger mussten sie nicht an dem Änderungsbescheid beteiligt werden. Selbst wenn die Planfeststellungsbehörde hier statt einer Planänderung nach § 76 Abs. 2 VwVfG i.V.m. § 17d FStrG ein vereinfachtes Planfeststellungsverfahren durchgeführt hätte, hätte es nach § 76 Abs. 3 VwVfG keines Anhörungsverfahrens und keiner öffentlichen Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses und nach § 63 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG auch keiner Beteiligung der nach § 3 UmwRG anerkannten Naturschutzvereinigungen bedurft. Denn dies hätte vorausgesetzt, dass die Planänderung zu neuen oder zusätzlichen Eingriffen in Natur und Landschaft geführt hätte (vgl. Hüting/Hopp, UPR 2003, 1 <6> m.w.N.), zumindest hätten sich durch die Planänderung zusätzliche naturschutzrechtliche Fragen stellen müssen, zu deren Beantwortung der sachverständige Rat der Naturschutzverbände geboten erscheint (vgl. zur Funktion des Beteiligungsrechts Urteil vom 12. November 1997 - BVerwG 11 A 49.96 - BVerwGE 105, 348 <350 f.> = Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 16 S. 41 f.). Das ist hier nicht der Fall.

128

Die Planfeststellungsbehörde hat auch keine neuen Untersuchungen angestellt (vgl. Urteil vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 19.95 - BVerwGE 102, 358 <362> = Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 12 S. 25 f.), sondern ist lediglich zu einer anderen rechtlichen Bewertung gelangt.

129

(2) Die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG liegen grundsätzlich vor. Ob eine zumutbare Alternative im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG gegeben ist, kann jedoch mit Blick auf die Ausführungen zu einer großräumigen Südumfahrung (s. dazu oben unter A.VI.3.c) derzeit nicht abschließend festgestellt werden.

130

Nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG können die nach Landesrecht für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden - wegen der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses also auch die Planfeststellungsbehörden - im Einzelfall Ausnahmen von den Verboten des § 44 BNatSchG aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art zulassen. Darüber hinaus erfordert eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG, dass zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert. Anders als beim Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist im Rahmen der Ausnahme nicht der Erhaltungszustand des von dem Vorhaben unmittelbar betroffenen lokalen Vorkommens maßgeblich, sondern eine gebietsbezogene Gesamtbetrachtung anzustellen, die auch die anderen (Teil-)Populationen der Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in den Blick nimmt. Entscheidend ist, ob die Gesamtheit der Populationen in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet, das über das Plangebiet hinausreicht, als lebensfähiges Element erhalten bleibt. Diese Voraussetzung wurde von der Planfeststellungsbehörde im Rahmen des ihr dabei zustehenden Beurteilungsspielraums (s. Urteile vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9 A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 60 und vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - BVerwGE 146, 145 Rn. 133 ff.) fehlerfrei angenommen.

131

Ob im Rahmen der artenschutzrechtlichen Prüfung eine zumutbare Alternative besteht, kann hingegen nicht abschließend beurteilt werden. Zu den möglichen anderen zufriedenstellenden Lösungen i.S.d. Art. 16 Abs. 1 FFH-RL können alternative Standorte (oder Trassen), andere Größenordnungen oder alternative Aktivitäten, Prozesse oder Methoden gehören (vgl. Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG, Februar 2007, III.2.2 Rn. 37). Andere Trassenalternativen hat der Beklagte hier mit der Erwägung verworfen, dass damit keine grundsätzlich bessere Lösung des unvermeidbaren Konflikts zu erwarten sei (Änderungsbescheid vom 16. Oktober 2013 S. 5). Diese Aussage kann angesichts der obigen Ausführungen zu einer denkbaren großräumigen Südumfahrung - jedenfalls derzeit - nicht bestätigt werden; eine Südumfahrung würde gerade den Segeberger Forst und damit den konkret betroffenen Konfliktraum unter Umständen meiden. Dass für den in Rede stehenden Prozess - die Freimachung des Baufeldes - weniger eingreifende Varianten zur Verfügung stünden, ist hingegen weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Planfeststellungsbehörde hat hierzu nachvollziehbar dargelegt, dass eine Änderung des Schutzkonzepts das Tötungsrisiko für eine andere Art - verschiedene Fledermausarten - erhöhen würde; auch die Höhergewichtung der Schutzbelange dieser betroffenen Fledermausarten hält der Senat für überzeugend begründet. Schließlich wird sich auch der Erhaltungszustand der betroffenen Populationen aufgrund der vereinzelt möglichen Tötungen von Haselmäusen im Segeberger Forst nicht verschlechtern. Der Änderungsbescheid vom 16. Oktober 2013 geht davon aus, dass hierzu auch das festgesetzte Schutzkonzept beitragen wird. Diese Bewertung ist nicht zu beanstanden, zumal sich - bezogen auf die hier in Rede stehende Konfliktsituation - auch CEF-Maßnahmeflächen in enger räumlicher Verbindung zu den Eingriffsflächen befinden.

132

3. Hinsichtlich der Reptilien (Zauneidechse und Schlingnatter) ist die artenschutzrechtliche Prüfung nicht zu beanstanden.

133

a) Die Kläger wenden sich ohne Erfolg gegen die artenschutzrechtliche Datenerfassung, die auf einer Potentialanalyse aufbaut und eine Sichtbeobachtung der Zauneidechse einschließt.

134

Die Kriterien für die Annahme potentiell geeigneter Lebensräume für Zauneidechse und Schlingnatter hat der Gutachter in seiner Stellungnahme vom 27. August 2013 (S. 32 f.), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, näher dargelegt; sie sind nicht zu beanstanden. Auch gegen die hieraus abgeleiteten weiteren Untersuchungen und Annahmen ist nichts zu erinnern: Die für die Zauneidechse potentiell geeigneten Flächen westlich bzw. nordwestlich der geplanten A 20 im Bereich des Rummelsberges im Segeberger Forst wurden im Sommer 2008 (Juni bis September) mehrfach abgesucht, ohne dass ein Nachweis erbracht werden konnte. Da die Witterungsbedingungen dabei ungünstig waren (kühl und nass), fand eine zusätzliche Begehung im Juli 2009 - ebenfalls ohne Nachweis - statt. Da zum Zeitpunkt der Untersuchung der Zauneidechse in 2008/2009 kein rezentes Schlingnattervorkommen aus dem Raum Bad Segeberg bekannt war, wurde zwar nicht gezielt nach der Schlingnatter gesucht. Der Gutachter konnte aber davon ausgehen, dass sie bei der Suche mit angetroffen worden wäre, da sie die gleichen Habitate besiedelt wie die Zauneidechse. Die Schlingnatter wurde erst 2010 auf einer größeren Heidefläche westlich des Standortübungsplatzes (StÜP) Wittenborn, ca. 400 m nördlich der Ausgleichsfläche A 22.1 nachgewiesen. Der Artenschutzbeitrag schließt weitere Vorkommen beider Reptilien in weiteren Offenlandbereichen und an Saumstrukturen in Waldbereichen nicht aus; er nimmt potentielle Lebensräume im Umfeld des Rummelsberges (Binnendüne) und auf der Ausgleichsfläche im Segeberger Forst an (vgl. zum Vorstehenden Biologischer Fachbeitrag aus August 2009 S. 24 f., Artenschutzbeitrag S. 48 f. sowie Stellungnahme Dr. M. vom 27. August 2013 S. 31 f.).

135

b) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Prüfung der Verbotstatbestände.

136

Der Artenschutzbeitrag (S. 48) geht davon aus, dass eine Baufeldfreiräumung außerhalb der Reproduktions- und Ruhezeit der Zauneidechse nicht möglich ist, da diese ihre Lebensräume ganzjährig besiedele und sehr ortstreu sei. Als Vermeidungsmaßnahme ist eine näher beschriebene temporäre Sperreinrichtung sowie das Einfangen und Umsiedeln in geeignete Ersatzhabitate vorgesehen; der Beitrag enthält genauere Angaben zum Zeitpunkt der Aufstellung des Zauns und zur Anzahl der Begehungen (sechs). Eine Rückwanderung werde durch die Dauer der Sperre - gesamte Bauzeit - verhindert. Da im Umfeld der Maßnahme (Binnendüne beim Rummelsberg sowie StÜP Wittenborn) geeignete Ersatz-Lebensräume ausgebildet seien, die sich in einem ausreichenden Abstand zum Baufeld befinden, könnten die Zauneidechsen dorthin umgesiedelt werden (Maßnahme S 2.1); zusätzliche CEF-Maßnahmen seien nicht erforderlich. Relevante Zerschneidungseffekte seien nicht zu erwarten.

137

Die Ausführungen zur Schlingnatter sind vergleichbar (Artenschutzbeitrag S. 48a f.); hier sind allerdings zehn Begehungen sowie die Einrichtung detailliert beschriebener, dauerhafter Ersatzlebensstätten als CEF-Maßnahme (Ausgleichsfläche A 22.1) vorgesehen. Als Entwicklungszeit werden - bei ausreichender Einbringung reptiliengeeigneter Strukturen - zwei Jahre als ausreichend angesehen; die Entwicklung sei durch Fachleute zu begleiten und ggf. durch die Einbringung weiterer Kleinstrukturen zu fördern.

138

Die genannten Vorschläge werden im Planfeststellungsbeschluss in den Nebenbestimmungen 2.3.8 Nr. 22 und 23 (Planfeststellungsbeschluss S. 34 f., 243 f.) im Einzelnen umgesetzt.

139

Die unter verschiedenen Gesichtspunkten geübte Kritik der Kläger an diesem Konzept greift nicht durch. Ihnen kann zunächst nicht darin gefolgt werden, dass das Aufstellen eines mobilen Absperrzauns keinen ausreichenden Schutz biete. Der Zaun soll nach der Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 22 mindestens 70 cm über Geländeoberkante hoch und mindestens 30 cm in den Boden eingegraben sein, aus glattem Material bestehen und einen Überkletterschutz nach außen aufweisen und damit die Anforderungen der beiden einschlägigen Merkblätter (Merkblatt zur Anlage Querungshilfen für Tiere, Ausgabe 2008 sowie Merkblatt zum Amphibienschutz an Straßen, Ausgabe 2000) erfüllen. Ebenso wenig überzeugt das klägerische Argument, die Termine zum Abfangen der Schlingnatter seien unzureichend, der Zeitraum sei falsch gewählt und die Wirksamkeit der Maßnahme sei unsicher. Der Gutachter hat sich hierzu in seiner Stellungnahme vom 27. August 2013 ausführlich geäußert und die einzelnen Maßnahmen nachvollziehbar erläutert. Danach bestehen gegen die Wirksamkeit des Maßnahmekonzeptes keine durchgreifenden Bedenken. Der Umsiedlung von Reptilien wird im Übrigen auch im Endbericht Rahmenbedingungen des o.g. FuE-Vorhabens eine "sehr hohe Erfolgswahrscheinlichkeit als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme" zugebilligt (Artensteckbrief zur Zauneidechse A 173). Soweit die Kläger schließlich bemängeln, sämtliche Zeitfaktoren (Waldrodung, Wirksamkeit) seien unspezifiziert und nicht auf einen quantitativen Erfolg hin ausgelegt, ist auch dem zu widersprechen. Die Formulierung in der Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 23 ("Die CEF-Maßnahme A 22.1 im Segeberger Forst ist mindestens drei Vegetationsperioden vor Beginn der Waldrodung und Baufeldfreimachung ...durchzuführen") ist hinreichend bestimmt. Sofern die Kläger eine genaue zeitliche Eingrenzung der Waldrodung für erforderlich halten, ist diese nun in der überarbeiteten Fassung des Maßnahmenblattes (planfestgestellte Unterlage 12.0 S. 587) enthalten ("Waldrodung vom 01.09. - 28.02.").

140

4. Bezogen auf die verschiedenen Vogelarten ergeben sich ebenfalls keine Verstöße gegen artenschutzrechtliche Bestimmungen. Sowohl die Bestandsaufnahme (a) als auch der Prüfungsmaßstab in Bezug auf die Lärmauswirkungen (b) sowie die Prüfung der einzelnen Verbotstatbestände (c) halten einer gerichtlichen Prüfung stand.

141

a) Die Bestandsaufnahme hat in einem vertretbaren Umfang stattgefunden. Die Brutvögel wurden im Jahre 2009 erstmals flächendeckend erfasst, und zwar in einem Korridor um die Vorzugstrasse von 600 m Breite bzw. bei Offenlandschaften bis zu 1 000 m Breite (Biologischer Fachbeitrag aus August 2009 S. 27). Soweit die Kläger den gewählten Korridor für zu klein halten, kann dem nicht gefolgt werden. Nach der "Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr", herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Ausgabe 2010, bearbeitet von A. Garniel und Dr. U. Mierwald, S. 6, künftig: Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr, liegen die empirisch festgestellten Effektdistanzen in der Größenordnung von 100 m bis max. 500 m, im Übrigen bei max. 300 m (S. 6 ff.). Der einzige hier vorkommende Vogel mit einer Effektdistanz von 500 m ist die Feldlerche, die weite Offenflächen bewohnt; auch für sie ist deshalb der gewählte Korridor ausreichend groß.

142

b) Die Lärmauswirkungen auf die Vögel wurden nicht unterschätzt. Hinsichtlich des aus Sicht der Kläger zu niedrig angesetzten Lkw-Anteils kann auf die Ausführungen zu V. verwiesen werden. Soweit die Kläger sich unter Hinweis auf das mit dem Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau Nr. 22/2010 (VkBl 2010, 397) veröffentlichte sog. "Statuspapier Gussasphalt" der Bundesanstalt für Straßenwesen darauf berufen, der sog. Referenzpegel liege um 0,6 dB(A) zu niedrig, was zumindest bei naturschutzfachlichen Betrachtungen hätte berücksichtigt werden müssen, nimmt der Senat auf die umfangreiche Erwiderung des Beklagten im Schriftsatz vom 29. August 2013 Bezug. Darin wird unter Hinweis auf die beigefügte Stellungnahme des Ingenieurbüros Förster & Wolgast vom 27. August 2013 (Anlage B 7) ausgeführt, dass die Lärmimmissionen eines Straßenbauprojektes - wie hier geschehen - nach der RLS-90 zu berechnen sind (vgl. Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr S. 4). Die Aussagen des sog. "Statuspapier Gussasphalt" haben in das dort festgelegte Verfahren keinen Eingang gefunden. Hiervon unabhängig wird die in dem Papier geäußerte Schlussfolgerung, dass bei Fortschreibung des Trends zwischen 1990 und 1998 der Referenzwert heute um 0,6 dB(A) höher liege als 1998 insofern relativiert, als eingeräumt wird, dass genauere Untersuchungen dazu nicht vorlägen; messtechnisch ist also der höhere Referenzpegel nicht belegt.

143

c) Auch die Prüfung der einzelnen Verbotstatbestände ist hinsichtlich der Vögel nicht zu beanstanden.

144

Der Artenschutzbeitrag (S. 65) kommt zu dem Ergebnis, dass bezüglich aller in Schleswig-Holstein gefährdeten, seltenen oder im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie geführten Brutvögel (Eisvogel, Feldlerche, Fichtenkreuzschnabel, Heidelerche, Kiebitz, Kranich, Neuntöter, Schwarzspecht und Trauerschnäpper) sowie hinsichtlich der ungefährdeten europäischen Brutvogelarten, die in ihren nach Bruthabitaten unterschiedenen Artengilden betrachtet wurden (etwa Koloniebrüter, Gehölzbrüter etc.), die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG generell oder jedenfalls unter Berücksichtigung artspezifischer Schutz-, Vermeidungs-, Ausgleichsmaßnahmen oder CEF-Maßnahmen ausgeschlossen werden können. Der Planfeststellungsbeschluss schließt sich dieser Einschätzung an (S. 249 ff.). Insbesondere die verschiedenen Bauzeitenregelungen (vgl. Nebenbestimmungen 2.3.8 Nr. 29 ff.) gewährleisteten, dass Tötungen vermieden werden können. Auch gegen das Zugriffsverbot der Zerstörung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG werde nicht verstoßen. Zwar sei mit dem Verlust verschiedener Brutreviere, etwa der Heidelerche, der Feldlerche und des Neuntöters zu rechnen. Die Vögel könnten aber teilweise in angrenzende geeignete Habitate ausweichen; teilweise werde durch verschiedene vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (CEF-Maßnahmen) sichergestellt, dass die ökologische Funktion der Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang erhalten bleibe.

145

Die Kritik der Kläger an dieser Bewertung greift nicht durch. Soweit sie CEF-Maßnahmen zugunsten der Feldlerche vermissen, was im Widerspruch zum Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag (Formblatt Feldlerche, dort S. A-121 und A-122) stehe, kann ihre Kritik nicht nachvollzogen werden. Denn solche CEF-Maßnahmen sind vorgesehen (vgl. Artenschutzbeitrag S. 26, 51 ff. sowie Formblatt Feldlerche). So soll dem dauerhaften Verlust von fünf Revieren durch die Einrichtung von Ersatzhabitaten begegnet werden (Maßnahmen A 19.1, A 21.1 und E 28.1), davon ein Revier vor Baubeginn und vier Reviere vor Betriebsbeginn. Die Lage, weitere Voraussetzungen (wie Art der Bepflanzung und Pflege) sowie in Betracht kommende Ausgleichsflächen werden im Artenschutzbeitrag näher beschrieben. Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden im Planfeststellungsbeschluss (Nebenbestimmungen 2.3.8 Nr. 34 und 35) sowie in den genannten Maßnahmenblättern umgesetzt. Ebenso wenig ist die Kritik bezüglich der Heidelerche nachvollziehbar. Hier wird gerügt, die Maßnahme A 22.1 (Umfeldaufwertung Segeberger Forst) sei unspezifisch und nicht - wie erforderlich - auf einen quantitativen Erfolg hin ausgelegt. Aus dem Formblatt Heidelerche (S. A-131) ergibt sich jedoch, dass durch die Maßnahme u.a. ein Ersatzhabitat für ein Revier der Heidelerche geschaffen werden soll. Sowohl das Formblatt als auch das Maßnahmenblatt wurden überarbeitet; es wird jetzt genauer beschrieben, welche gestalterischen Maßnahmen (insbesondere Abschieben des Oberbodens zur Schaffung von Rohbodenstandorten) und Pflegemaßnahmen durchzuführen sind. Ohne Substanz bleibt schließlich auch die Kritik in Bezug auf den Ziegenmelker, den Raufußkauz, den Schwarzspecht und den Neuntöter. Hinsichtlich des Ziegenmelkers - einer Nachtschwalbe - beanstanden die Kläger, dass er im Artenschutzbeitrag - und konsequenterweise in den Maßnahmenblättern - fehle. Gleiches gelte für den Raufußkauz, eine Eulenart. Diese Kritik ist nicht berechtigt. Der Raufußkauz wird im Artenschutzbeitrag behandelt (dort S. 28 f.). Da er im Untersuchungsraum aber aktuell nicht nachgewiesen werden konnte, geht der Gutachter aufgrund des Vorkommens des Schwarzspechts nur vom potentiellen Vorkommen des Raufußkauzes aus. Konkrete Maßnahmen werden daher nicht abgeleitet. Das erscheint konsequent. Hinsichtlich des Ziegenmelkers gilt dasselbe: Er wurde im Untersuchungsraum nicht nachgewiesen, so dass keine Maßnahmen abzuleiten sind. Ähnlich verhält es sich mit dem Schwarzspecht und dem Neuntöter; auch für diese reklamieren die Kläger Maßnahmen, da diese im Formblatt-Teil des Artenschutzrechtlichen Fachbeitrages (A-154 ff. und A-150 ff.) verlangt würden. Auch hier trifft die Kritik nicht zu, denn die im Artenschutzbeitrag lediglich geforderten Bauzeitenregelungen werden im Planfeststellungsbeschluss umgesetzt.

146

5. Soweit die Kläger geltend machen, auch der Nachtkerzenschwärmer, eine Schmetterlingsart, der im Untersuchungsgebiet nicht nachgewiesen wurde (vgl. Artenschutzbeitrag S. 25), habe in die Prüfung miteinbezogen werden müssen, kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.

147

6. Auch in Bezug auf Amphibien enthält der Planfeststellungsbeschluss keine durchgreifenden Mängel. Die Bestandsaufnahme hat in einem vertretbaren Umfang stattgefunden; auch die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen sind nicht zu beanstanden.

148

Bereits 1996 wurden die Amphibien flächendeckend in den Korridoren der drei Trassenalternativen (Untersuchungsraum: 350 m beidseitig der jeweiligen Trassenlinie) untersucht. Damals wurden drei Begehungen zur Erfassung der Amphibien durchgeführt. Dabei wurde nur in einem Gewässer (seinerzeit Biotop 1706) der Kammmolch nachgewiesen. Im Jahre 2003 wurden erneut alle potentiell als Laichhabitat geeigneten Gewässer (insgesamt 60) im Zeitraum von April bis einschließlich August 2003 innerhalb des faunistischen Untersuchungsraums (Streifen von beidseitig jeweils mindestens 100 m ab Trassenrand aller untersuchten Trassenvarianten) bis zu sechsmal begangen; dies wurde durch eine Potentialabschätzung der Landlebensräume ergänzt. Dominant waren die drei ungefährdeten Arten Grasfrosch, Teichmolch und Erdkröte; die seltenste Amphibienart ist der Kammmolch mit nur einem Nachweis (Gewässer Nr. 115, Lage im Bereich einer alternativen Trasse und mindestens 600 m vom planfestgestellten Eingriff entfernt). Die Knoblauchkröte wurde nicht nachgewiesen. Da die streng geschützten Arten (Kammmolch in einem Gewässer und Moorfrosch in fünf Gewässern) sämtlich außerhalb des 200 m-Korridors festgestellt wurden, werden artenschutzrechtliche Konflikte für diese beiden Arten im Artenschutzbeitrag verneint. Beide Arten verblieben in der Nähe ihres Laichplatzes und fänden im Übrigen in trassenabgewandter Nähe optimale Landlebensräume vor (vgl. zum Vorstehenden Planfeststellungsbeschluss S. 497, 557, 608). Zum Schutz der betroffenen Amphibienbestände sieht der Planfeststellungsbeschluss ausreichende Sicherungsmaßnahmen vor: Während der Bauphase sind nach Nebenbestimmung 2.3.8 Nr. 41 Amphibienschutzzäune geplant, die dem Schutz vorhandener großer Amphibienpopulationen von Erdkröte, Grasfrosch und Teichmolch dienen sollen. Da Wanderbewegungen bislang nicht erfasst wurden, wird dies während der Bauphase nachgeholt; ggf. werden dauerhafte Amphibiensperranlagen errichtet (Planfeststellungsbeschluss S. 40, 260). Darüber hinaus sollen die Querungshilfen (Fahrenkruger Moorgraben, Trave, Nelkengraben und Gieselteich) auch den Amphibien dienen (Planfeststellungsbeschluss S. 501).

149

Hiervon ausgehend trifft der Vorwurf der Kläger, für die Amphibien werde fehlerhaft die Planungsrelevanz verneint, nicht zu. Dass weitere Vorkommen des Kammmolchs außerhalb des Untersuchungsraums seinerzeit wegen ihrer Lage - zu große Entfernung vom Vorhabenort - nicht systematisch erfasst wurden, ist nicht zu beanstanden. Die von den Klägern unter Hinweis auf ihr früheres Vorbringen im Linienbestimmungsverfahren behauptete Kammmolchpopulation mit insgesamt sechs Laichgewässern gehört offenbar zu diesen nicht weiter untersuchten Vorkommen. Auch der Umstand, dass im Jahre 1999 sowie offenbar erneut bei einer aktuellen Erhebung eine Knoblauchkröte gefunden wurde, stellt die methodische Angemessenheit der Amphibienkartierung nicht grundsätzlich in Frage. Im Übrigen hat der Planfeststellungsbeschluss sich bereits mit dem Vorbringen der Kläger auseinandergesetzt (vgl. S. 648); auf diese aus Sicht des Senats nicht zu beanstandenden Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Soweit die Kläger schließlich erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, die Planung weiche vom Merkblatt zum Amphibienschutz an Straßen (MAmS 2000) ab, das eine mindestens zweijährige Überprüfung der Wanderwege zwischen den Lebensräumen vorsieht, hat der Beklagte, sollte es ihm nicht gelingen, sein Vorgehen nachträglich zu plausibilisieren, die im Merkblatt vorgesehenen Untersuchungen im ergänzenden Verfahren vorzunehmen.

150

B. Die vorgenannten Mängel der Verträglichkeitsuntersuchung und der artenschutzrechtlichen Prüfung infizieren nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 14. Juli 2011 - BVerwG 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 67, 96 = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 13) auch die behördliche Beurteilung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung und die planerische Abwägung (§ 17 Satz 2 FStrG). Es lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass die Planfeststellungsbehörde aufgrund des Ergebnisses einer ordnungsgemäßen Verträglichkeitsprüfung eine veränderte Feintrassierung und/oder andere Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen angeordnet hätte.

151

Demgegenüber begegnet die Abschnittsbildung keinen Bedenken. Die Kläger stellen diese in Frage, weil die Trasse in späteren Abschnitten auf erhebliche, teilweise rechtlich unüberwindliche Widerstände stoße. So stelle der spätere Abschnitt "Elbquerung" ein Rastgebiet für Nonnengänse dar, das als Ramsar-Gebiet auszuweisen sei; im Abschnitt "Krempermarsch" führe die A 20 am FFH-Gebiet "Wetternsystem Kollmarer Marsch" entlang, das bei zutreffender Gebietsabgrenzung sogar gekreuzt werde; eine weitere Durchschneidung erfolge im Abschnitt A 23 bis L 114 ("Westerhorn"), dort gebe es Konflikte mit Ausgleichsflächen im Zusammenhang mit der Dasa-Erweiterung. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats erfährt die grundsätzliche Zulässigkeit der Abschnittsbildung auch durch das Habitatrecht keine Einschränkung; für das Artenschutzrecht gilt nichts anderes. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine Vorausschau auf nachfolgende Abschnitte nach Art eines vorläufigen positiven Gesamturteils. Die Prognose muss ergeben, dass nach summarischer Prüfung der Verwirklichung des Vorhabens auch im weiteren Verlauf keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen. Diese Prognose fällt nicht schon deshalb negativ aus, weil das Vorhaben im weiteren Verlauf voraussichtlich nachteilige Auswirkungen auf ein FFH-Gebiet haben kann oder haben wird; vielmehr ist auch zu berücksichtigen, ob es möglich erscheint, mit Hilfe von Schutzmaßnahmen die Verträglichkeit zu gewährleisten oder aufgrund einer Abweichungsprüfung zur Zulässigkeit des Vorhabens zu gelangen (vgl. zum Ganzen Urteile vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 114 f. = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203 und vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 270 f. = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30). Nach diesem Maßstab ist die Abschnittsbildung hier auch nicht aus naturschutzrechtlichen Gründen zu beanstanden. Es wird nicht substantiiert dargetan, dass dem Gesamtvorhaben der A 20 in den Nachbarabschnitten ein unüberwindbares naturschutzrechtliches Planungshindernis entgegensteht.

152

Nicht gefolgt werden kann den Klägern auch darin, dass die Planung zu Unrecht die Gesichtspunkte Biodiversität/Klimaschutz nicht geprüft habe, obwohl das Projekt insbesondere durch die Zerschneidungswirkung und die Stickstoffeinträge wesentlich zu einer Verschlechterung beitrage. Der Planfeststellungsbeschluss hält die Biodiversitätskonvention entgegen der Darstellung der Kläger nicht für unanwendbar; vielmehr geht er - zutreffend - davon aus, dass die Konvention durch die bestehenden Richtlinien der Europäischen Union und durch das nationale Recht, etwa durch den auch von den Klägern zitierten § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG, umgesetzt worden ist. Der Sache nach sind die genannten Punkte daher durchaus geprüft worden (so auch Planfeststellungsbeschluss S. 616 f.).

153

C. Die aufgezeigten Fehler nötigen nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. Es genügt, ihn für rechtswidrig und nichtvollziehbar zu erklären. Die in § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG getroffene Fehlerfolgenregelung findet nicht nur auf den Abwägungsmangel, sondern - entsprechend - auch auf Verstöße gegen Vorschriften strikten Rechts Anwendung, die wie die hier festgestellten Verstöße gegen die FFH-Richtlinie der Abwägung Schranken setzen (vgl. Urteile vom 14. Juli 2011 - BVerwG 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 68 = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 13 und vom 17. Mai 2002 - BVerwG 4 A 28.01 - BVerwGE 116, 254 <268>). Die festgestellten Fehler sind nicht von solcher Art, dass sie die Planung von vornherein als Ganzes in Frage stellen. Vielmehr besteht die konkrete Möglichkeit, dass die erforderlichen zusätzlichen Ermittlungen und Bewertungen in einem ergänzenden Verfahren nachgeholt werden.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

Tenor

I.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. April 2015 in der Fassung der Ergänzung vom 4. Mai 2015 wird dahingehend abgeändert, dass die für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu erstattenden notwendigen Aufwendungen für Fahrtkosten des Bevollmächtigten der Antragstellerin nicht in Höhe der fiktiven Reisekosten von Bonn zum Gerichtssitz und zurück, sondern in Höhe der tatsächlichen Reisekosten von der Kanzlei der Bevollmächtigten der Antragstellerin in Hamburg zum Gerichtssitz in München und zurück zu erstatten sind. Die Neufassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses nach Maßgabe dieses Beschlusses wird dem Urkundsbeamten übertragen.

II.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Im Normenkontrollverfahren mit dem Az. 4 N 12.2074 erreichte die Antragstellerin die Aufhebung einiger Satzungsbestimmungen der Entwässerungssatzung (EWS) der Antragsgegnerin durch Urteil vom 3. November 2014. Im Urteil ist bestimmt, dass die Antragstellerin neun Zehntel der Kosten des Verfahrens und die Antragsgegnerin ein Zehntel der Kosten des Verfahrens bei einem Streitwert von 20.000 Euro zu tragen hat.

Am 5. November 2014 stellten die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin Kostenfestsetzungsantrag. Am 20. November 2014 veranlasste der Kostenbeamte des Verwaltungsgerichtshofs die Rücküberweisung von überzahlten Gerichtskosten an die Antragstellerin auf ein von dieser angegebenes Konto (ein Zehntel der vorab eingezahlten Gerichtskosten). Zugleich forderte er die Bevollmächtigten der Antragstellerin auf, ihrerseits gemäß § 106 Abs. 1 ZPO Kostenfestsetzungsantrag zu stellen. Dieser erfolgte unter dem 27. November 2014. Unter den vom Bevollmächtigten der Antragstellerin geltend gemachten Kosten finden sich auch die Flugkosten für einen Flug von Hamburg nach München und zurück zum Zweck der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung in München. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin begründete die Notwendigkeit dieser Kosten damit, dass er in langjähriger Tätigkeit als Hausanwalt für die Antragstellerin arbeite und deshalb ein besonderes Vertrauensverhältnis bestünde. Seine Kanzlei sei mit den Anforderungen und Gegebenheiten der Antragstellerin bestens vertraut.

In dem daraufhin erfolgenden mehrfachen Austausch von Schriftsätzen der Bevollmächtigten der Streitparteien vertrat der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin die Auffassung, dass die Antragstellerin Reisekosten für ihren Rechtsanwalt nur in fiktiver Höhe (unterstellte Beauftragung eines Rechtsanwalts aus Bonn, dem Sitz der Antragstellerin) geltend machen könne. Der Vertreter der Antragstellerin verwies darauf, dass er die Antragstellerin seit Jahren in vielen Rechtsstreitigkeiten vertrete und sich deshalb ein besonderes Vertrauensverhältnis gebildet habe. Hilfsweise mache er darauf aufmerksam, dass fiktiv Fahrtkosten von Bonn aus in Höhe von 471,10 Euro geltend gemacht werden müssten.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. April 2015, um Zinsansprüche ergänzt mit ergänzendem Beschluss vom 4. Mai 2015, setzte der Kostenbeamte des Verwaltungsgerichtshofs fest, dass ein Betrag von 1.930,62 Euro von der Antragstellerin an die Antragsgegnerin zu erstatten sei. Bei den Reisekosten für den Bevollmächtigten der Antragstellerin seien dabei nur fiktive Kosten für eine Fahrt von Bonn nach München und zurück in Höhe von 471,10 Euro (statt 731,75 Euro Flugkosten von Hamburg nach München und zurück) berücksichtigt worden. Eine Berücksichtigung der von der Antragstellerin geltend gemachten Reisekosten in voller Höhe sei nicht in Betracht gekommen, weil keine mit der Streitsache in Zusammenhang stehenden Umstände vorlägen, die ein besonderes Vertrauensverhältnis annehmen lassen könnten.

Am 18. Mai 2015 stellte die Antragstellerin Antrag auf Entscheidung des Gerichts. Es hätten die tatsächlich angefallenen Reisekosten aus Hamburg angerechnet werden müssen. Zudem habe der Kostenbeamte von der Antragstellerin vorab verauslagte Gerichtskosten nicht berücksichtigt. Eine Vorschrift wie § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO fehle in der Verwaltungsgerichtsordnung. Deshalb habe u. a. auch das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es auf ein besonders Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt gar nicht ankomme. Selbst wenn man ein solches für erforderlich halten wolle, liege ein solches vor. Die Antragstellerin arbeite mit ihrem Bevollmächtigten seit mehreren Jahren in vertrauensvoller Zusammenarbeit in zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren zusammen. Jedenfalls würden die ausgelösten Reisekosten im vorliegenden Fall auch nicht außer Verhältnis stehen, es gehe nur um ca. 250 Euro, die angesichts der Bedeutung des Rechtsstreits nicht ins Gewicht fielen.

Mit Schreiben vom 19. Mai 2015 legte der Kostenbeamte die Angelegenheit dem Senat zur Entscheidung vor. Es fehlten besondere Umstände, die mit der Streitsache im Zusammenhang stünden und die eine Anrechnung der tatsächlich geltend gemachten Reisekosten rechtfertigen würden. Der Ausgleich der verauslagten Gerichtskosten sei bereits vorab im Dezember 2014 durch die Gerichtskasse erfolgt, der insoweit zu erstattende Betrag von 115,20 Euro sei direkt an die Antragstellerin zurückerstattet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. April 2015 in der Fassung vom 4. Mai 2015 ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 165 i. V. m. § 151 VwGO).

Hinsichtlich der Gerichtskosten ist den Akten zu entnehmen, dass ein Zehntel der von der Antragstellerin verauslagten Kosten bereits vor den Kostenfestsetzungsanträgen bezüglich der außergerichtlichen Kosten zur Rücküberweisung auf ein von der Antragstellerin mitgeteiltes Konto angewiesen worden ist. Dieser Punkt ist damit bereits erledigt, war aber dem Bevollmächtigten der Antragstellerin wohl nicht mitgeteilt worden.

Hinsichtlich der Reisekosten der Antragstellerseite geht es noch um eine Differenz von 260,65 Euro, von der die Antragstellerin ohnehin neun Zehntel selber tragen muss. Ihre Beschwer liegt damit bei einem Betrag von 26 Euro. Die Erinnerung ist diesbezüglich begründet, weil die geltend gemachten Reisekosten des auswärtigen Rechtsanwalts der Antragstellerin zur Wahrnehmung des Verhandlungstermins vor dem Verwaltungsgerichtshof in München nach § 162 Abs. 1 VwGO als notwendig anzuerkennen sind.

Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig. Eine Einschränkung des Inhalts, dass Reisekosten eines nicht am Sitz des Gerichts tätigen oder wohnenden Rechtsanwalts nur erstattungsfähig seien, wenn seine Zuziehung notwendig war, kennt die VwGO nicht. Die für den Zivilprozess insoweit in § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffene Regelung findet über § 173 VwGO keine Anwendung. Der Gesetzgeber wollte die Parteien im Verwaltungsprozess bei der Wahl eines Bevollmächtigten freier stellen (BVerwG, B. v. 11.9.2007 - 9 KSt 5/07 - NJW 2007, 3656).

Allerdings wird in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines Anwalts zur Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins unter dem Vorbehalt des § 162 Abs. 1 VwGO steht, wonach es sich um zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Aufwendungen handeln muss (BVerwG a. a. O.). Der daraus herzuleitende Grundsatz der Kostenminimierung ist bei der Anwaltswahl mit der Folge zu beachten, dass ohne nähere Prüfung Reisekosten eines Rechtsanwalts nur dann voll zu erstatten sind, wenn er seine Kanzlei am Sitz oder im Bezirk des angerufenen Gerichts oder am Wohnsitz seines Mandanten oder in dessen Nähe hat. Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der beauftragte Rechtsanwalt seine Kanzlei weder am Wohnsitz des Mandanten noch am Gerichtssitz hat, sind grundsätzlich nur bei Vorliegen besonderer Gründe erstattungsfähig. Dies kann der Fall sein, wenn der beauftragte Anwalt etwa über Spezialkenntnisse verfügt und der Streitfall Fachfragen aus diesem Fachgebiet von solcher Schwierigkeit aufwirft, dass ein verständiger Beteiligter die Zuziehung eines solchen Anwalts für ratsam erachten wird. Ein anderer Grund, der die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts rechtfertigen kann, ist ein bestehendes besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Mandanten und dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt (vgl. BayVGH, B. v. 10.10.2011 - 20 C 11.1783 - juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 14.8.2014 - 15 C 13.1504 - juris Rn. 10: „Hausanwalt“; OVG Berlin-Bbg, B. v. 8.4.2013 - OVG 1 K 6.12 - juris Rn. 4; VGHBW, B. v. 19.6.2000 - 6 S 931/99 - juris Rn. 2; SächsOVG, B. v. 13.2.2009 - 2 E 101/08 - juris Rn. 4: Vertrauensverhältnis aus der „Vertretung in vielen anderen Verfahren“; Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 162 Rn. 69; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 162 Rn. 9).

Nach Auffassung des Senats liegt hier jedenfalls ein derartiges besonderes Vertrauensverhältnis und damit ein guter Grund für die Beauftragung des Bevollmächtigten der Antragstellerin vor. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat im Verfahren darauf hingewiesen, dass er in langjähriger Tätigkeit gleichsam als „Hausanwalt“ für die Antragstellerin tätig sei und deshalb ein besonderes Vertrauensverhältnis vorliege. Er sei in besonderer Weise mit den Anforderungen und Gegebenheiten der Antragstellerin vertraut. Er vertrete die Antragstellerin in zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren seit mehreren Jahren. Damit sind besondere Umstände dargelegt, die entgegen der Auffassung des Kostenbeamten auch mit der jetzt abzurechnenden Streitsache (Normenkontrollverfahren gegen die Entwässerungssatzung der Antragsgegnerin) in direktem Zusammenhang stehen. Es ist dem Senat aus anderen anhängigen Verfahren der Antragstellerin (etwa Az. 4 ZB 14.2822) bekannt, dass die Antragstellerin bereits seit langem Rechtsstreitigkeiten um die Anschlussmodalitäten der von ihr betriebenen Autobahnraststätte an die Entwässerungseinrichtung der Antragsgegnerin führt. Bereits geraume Zeit vor dem Beginn des Normenkontrollverfahrens fanden Verhandlungen zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin unter Beteiligung des jetzt auch im Normenkontrollverfahren tätigen Hamburger Rechtsanwalts statt (aktenkundig mindestens schon seit 2011; vgl. BayVGH, B. v. 24.2.2010 - 11 C 10.81 - juris Rn. 18: Vertrauensverhältnis wegen der Vertretung in einem früheren Verfahrensstadium). Vor dem Hintergrund, dass die hier zwischen den Parteien streitige Reisekostendifferenz in Höhe von 260,65 Euro im Verhältnis zu den Gesamtkosten des Verfahrens ohnehin nicht erheblich ist und damit kein unkalkulierbares Kostenrisiko erzeugen kann (zu diesem Aspekt vgl. BayVGH, B. v. 14.8.2014 a. a. O.), liegt nach Auffassung des Senats aufgrund der Vorbefassung des Bevollmächtigten der Antragstellerin mit den Umständen und dem Satzungsrecht der Antragsgegnerin ein nachvollziehbares besonderes Vertrauensverhältnis vor, das einen objektiven Grund dafür abgeben kann, dem bereits gewählten Anwalt des Vertrauens auch die weitere Vertretung im Zusammenhang mit Streitigkeiten um den Anschluss der Autobahnraststätte an die Entwässerungseinrichtung der Antragsgegnerin zu übertragen und nicht wegen der vergleichsweise kleinen Kostendifferenz einen in diese Fragen nicht eingearbeiteten Rechtsanwalt zu beauftragen.

Nach alledem war der Erinnerung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Der Senat macht von § 173 VwGO i. V. m. § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch und überträgt die erforderliche Anordnung dem Urkundsbeamten (vgl. Happ/Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 165 Rn. 9).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Tenor

I.

Der Bescheid des Landratsamts Garmisch-Partenkirchen vom 21.7.2015, Az. ..., betreffend die Festsetzung des Abschussplanes für Rotwild für das Eigenjagdrevier ... für das Jagdjahr 2015/2016 wird aufgehoben, soweit er von dem vom Kläger eingereichten Abschussplan für Rotwild vom ....2.2015 abweicht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung des Rotwildabschusses für das Jagdjahr 2015/2016 durch den Beklagten. Er ist neben seinen beiden Brüdern Miteigentümer zu 1/3 des Eigenjagdreviers ... in der Hegegemeinschaft ... und der nach Art. 7 Abs. 4 BayJG gegenüber der Jagdbehörde Bevollmächtigte.

Das Forstliche Gutachten 2012 bescheinigt in der Hegegemeinschaft einen Verbiss als „deutlich zu hoch“. In der ergänzenden Revierweisen Aussage 2012 für das Eigenjagdrevier ... wird eine Wertung der Verbisssituation als „deutlich zu hoch“ und eine Tendenz der Verbisssituation als „nicht verändert“ vorgenommen.

Nach Anhörung setzte das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen mit Bescheid vom 21. Juli 2015 einen Abschussplan für das Jagdjahr 2015/2016 von 45 Stück Rotwild fest und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung wird ausgeführt, dass hinsichtlich der vom Kläger im Anhörungsverfahren vorgebrachten Einwände in Bezug auf das SPA-Gebiet mitgeteilt werden könne, dass derzeit ein Managementplan durch die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft erarbeitet werde. Darin würden Maßnahmen formuliert, um den Erhaltungszustand der Arten zu sichern bzw. zu verbessern. Es bleibe abzuwarten, ob und in welcher Weise sich bei der Umsetzung der Maßnahmen Auswirkungen auf die Abschussplanungen ergäben. Der Abschuss des Wildes sei so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche u. a. der Land- und Forstwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt blieben. Innerhalb dieser Grenzen solle der Abschussplan dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibe. Der Ursprung des gesetzlich normierten Vorranges „Wald vor Wild“ liege in der überragenden Bedeutung des Waldes für das Klima, den Wasserhaushalt, die Sauerstoffproduktion und die biologische Vielfalt. Erhöhter Wildverbiss sei der geforderten Waldverjüngung naturnaher Wälder und standortgemäßer Baumarten abträglich. Nach dem forstlichen Gutachten und der ergänzenden Revierweisen Aussage sei die Verbissbelastung in der Hegegemeinschaft ... und im Eigenjagdrevier ... „deutlich zu hoch“ und die Tendenz der Verbisssituation ausweislich der Revierweisen Aussage „nicht verändert“. Die Individualinteressen der Waldbesitzer, insbesondere von Waldflächen, die an das Revier ... angrenzten, und das Allgemeininteresse an einer Waldverjüngung sowie die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderten die Festsetzung. Diese berechtigten Interessen der Allgemeinheit und der Waldbesitzer überwögen die wirtschaftlichen Interessen der ... Guts- und Forstverwaltung.

Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am .... August 2015 Klage erheben und beantragte zuletzt,

den Bescheid des Landratsamtes Garmisch-Partenkirchen vom 21.7.2015, Az. ..., betreffend die Festsetzung des Abschussplanes für Rotwild für das Eigenjagdrevier ... für das Jagdjahr 2015/2016 aufzuheben,

hilfsweise,

den Bescheid des Landratsamtes Garmisch-Partenkirchen vom 21.7.2015, Az. ..., betreffend die Festsetzung des Abschussplanes für Rotwild für das Eigenjagdrevier ... für das Jagdjahr 2015/2016 insoweit aufzuheben, als damit eine von dem Abschussplanvorschlag abweichende Festsetzung erfolgt.

Weiter wurde beantragt, den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg anzurufen und ihm folgende Frage zur Entscheidung vorzulegen:

Ist Art. 3 der Richtlinie 2009/147/EG in der Fassung vom30. November 2009 - Vogelschutzrichtlinie - dahingehend zu verstehen, dass die nationale (landesrechtliche) Bestimmung des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG, wonach ohne Unterschied, also auch in SPA Gebieten „vorrangig“ der Zustand der Waldvegetation, insbesondere der Waldverjüngung zu berücksichtigen ist, entweder gemeinschaftsrechtskonform so auszulegen, dass es maßgeblich jedenfalls in einem SPA-Gebiet für die nach der nationalen Norm zu treffende Entscheidung in erster Linie darauf ankommt, den Wald als Lebensraum gemäß den Bedürfnissen der für dieses Gebiet genannten Vogelarten zu erhalten oder möglichst wiederherzustellen oder aber die nationale Vorschrift unangewendet zu lassen?

sowie,

das Verfahren auszusetzen.

Zur Begründung der Klage verweist der Kläger auf seine Ausführungen im Eilverfahren (M 7 S 15.3607) und im dazugehörigen Klageverfahren (M 7 K 15.3411), in denen er sich gegen einen jagdrechtlichen Bescheid des Beklagten (Anordnung eines Abschusskontingentes) gewandt hat. Weiter bezieht er sich auf sein Vorbringen im Klageverfahren gegen den Bescheid betreffend die Abschussfestsetzung des Vorjahres (M 7 K 14.4367) sowie auf seine Ausführungen im Rahmen der Anhörung. Es seien Verfahrensfehler bei der Erstellung der ergänzenden Revierweisen Aussage gemacht worden, außerdem weise diese inhaltliche Mängel und Unrichtigkeiten auf. Insbesondere werde die Aussage des Beklagten bestritten, dass eine ausreichende Waldverjüngung in dem erforderlichen Umfang in 2012 nicht erreicht gewesen sei und dass sich darin nichts geändert habe. Zudem seien bei der Abschussplanung naturschutzrechtliche Vorgaben nicht beachtet worden. Das Eigenjagdrevier liege vollständig im SPA-Gebiet ..., einem Gebiet mit höchstem Schutzstatus. Es seien demnach besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich der Lebensräume bestimmter Vogelarten zu ergreifen. Die Verlaubholzung durch eine stetige Verminderung der Herbivoren laufe den Zielen des SPA-Gebiets zuwider. Es liege eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts vor, da der Beklagte gegen die Vorgabe verstoße, den Gebietszustand schützenswerter Gebiete (Natura 2000) zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Der Lebensraum des besonders geschützten Auerhuhns werde durch zunehmende Verlaubholzung vernichtet. Der Beklagte räume nicht dem höherrangigen Gemeinschaftsrecht, sondern der Vorgabe „Wald vor Wild“ Priorität ein, so dass aufgrund des unzutreffenden Rechtsverständnisses die vorzunehmende Abwägung fehlerhaft und der Bescheid rechtswidrig und aufzuheben sei. Der Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass der Managementplan noch nicht erstellt sei, da die Pflicht bestünde, dem Gemeinschaftsrecht uneingeschränkt zur Geltung zu verhelfen. Im Übrigen regle bereits § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG, ohne dass es des Verweises auf das zwingende Europarecht zu Vogelschutzgebieten bedürfe, dass der Abschuss des Wildes so zu regeln sei, dass die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt würden. Auch Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 BayJG lasse die gesetzliche Vorgabe noch erahnen, Art. 32 BayJG negiere sie immerhin nicht. Weiter werde die Mitwirkung des Jagdbeirats im Vorfeld des Bescheids gerügt, da dieser nicht mit den gesetzlich vorgesehenen Mitgliedern besetzt gewesen sei. Die Beschlüsse des Jagdbeirats seien daher in gesetzeswidriger Weise ergangen und hätten vom Beklagten nicht berücksichtigt werden dürfen.

Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 25. August 2015,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird auf die im Klageverfahren des Vorjahres vorgelegte Klageerwiderung vom 1. Dezember 2014 verwiesen, da sich keine wesentlichen Änderungen ergeben hätten. Demnach habe sich die Verbissbelastung nach einer aktuellen Stellungnahme des AELF seit dem Forstlichen Gutachten 2012 und der ergänzenden Revierweisen Aussage nicht geändert, eine ausreichende Waldverjüngung sei nicht im erforderlichen Umfang erreicht worden. Zur Problematik des Naturschutzes wird darin ausgeführt, dass eine Verlaubholzung nicht festzustellen sei und die Befürchtungen auf damit verbundene Auswirkungen auf die Erhaltungsziele im SPA-Gebiet daher unbegründet seien. Die Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde bestätige zwar die Befürchtungen des Klägers weitgehend, jedoch sei wegen der besonderen Bedeutung der Wildschäden das Forstliche Gutachten maßgeblich. Der Managementplan für SPA-Gebiete werde gerade erstellt, wobei Aussagen zu Jagdmanagement, Wildbeständen oder Abschusszahlen darin voraussichtlich nicht enthalten seien. Neben der Wahrung der Eigentümerinteressen der Einschlussflächen des Eigenjagdreviers komme der Abschussregelung auch in Bezug auf einen leistungsfähigen und funktionsfähigen Naturhaushalt große Bedeutung zu. Das Revier liege im Sanierungsgebiet ... mit Schutzwaldanteilen, ein Bergmischwald sei zum Schutz vor Hochwasser und Bodenerosion notwendig.

Das Gericht hat am 25. November 2015 mündlich zur Sache verhandelt. Mit Beweisbeschluss vom 27. November 2015 wurde ein schriftliches Sachverständigengutachten zu der Frage, wie sich die Verbisssituation durch Verbiss von Rotwild im Eigenjagdrevier ... darstellt, eingeholt. Im Fortsetzungstermin am 10. Februar 2016 hat das Gericht den Sachverständigen gehört. Die vom Kläger unbedingt gestellten Beweisanträge wurden wegen mangelnder Entscheidungserheblichkeit und darüber hinaus zum Teil als nicht ordnungsgemäß gestellt abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

Der Bescheid des Beklagten vom 21. Juli 2015 war in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, da er insoweit rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

Der Kläger hatte im Hauptantrag die Aufhebung des Bescheids und im Hilfsantrag dessen Teilaufhebung insoweit beantragt, als damit eine von dem Abschussplanvorschlag abweichende Festsetzung erfolgt. Er kann kein berechtigtes Interesse an der Vollaufhebung des Bescheids geltend machen, da er damit auch die im Bescheid enthaltene Anordnung in Höhe von 32 Stück Rotwild angreift, die seinem Abschussplanvorschlag entspricht.

Mit Schreiben vom .... Februar 2015 hatte der Kläger seinen Abschussplanvorschlag für Rotwild eingereicht und darin eine Stückzahl von 32 Tieren angegeben. Die Behörde ist dem Vorschlag nicht gefolgt, sondern hat den Abschussplan auf 45 Stück festgesetzt. Die Festsetzung basiert auf § 21 Absatz 2 BJagdG i. V. m. Art. 32 Absatz 1 Satz 1 BayJG und § 15 Absatz 1 Sätze 1 und 2 AVBayJG. Nach § 15 Absatz 1 Satz 1 AVBayJG ist der vom Kläger vorgelegte Abschussplan vom Beklagten zu bestätigen, wenn er den Vorgaben des § 21 Absatz 1 BJagdG und des Art. 32 Absatz 1 Satz 2 BayJG entspricht und im Einvernehmen mit dem Jagdvorstand oder dem Inhaber des Eigenjagdreviers aufgestellt worden ist. In allen anderen Fällen ist der eingereichte Abschussplan, wie vorliegend geschehen, festzusetzen (§ 15 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 1 AVBayJG).

Das Gericht geht davon aus, dass die Klage eines jagdausübungsberechtigten Revierinhabers gegen einen bestätigten Abschussplan unzulässig ist (vgl. auch Frank/Käsewieter, Das Jagdrecht in Bayern, BayJG, Kommentar, S. 249, wonach gegen die Festsetzung eines Abschussplans der jagdausübungsberechtigte Revierinhaber vorgehen kann, im Unterschied zu einem einzelnen Jagdgenossen, der gegen die Festsetzung bzw. Bestätigung vorgehen kann). Denn mit einer solchen Klage wird eine antragsgemäße Entscheidung angegriffen. Eine Verletzung in eigenen Rechten ist damit zum einen offensichtlich nicht möglich, zum anderen liegt darin ein widersprüchliches Verhalten (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2001 - 1 C 35/00 - juris Rn. 15 m. w. N.; BayVGH, B.v. 25.1.1993 - 20 CS 92.3111 - juris Rn. 20, 23; Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, vor 40 Rn. 99; Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, vor 40-53 Rn. 22). Der jagdausübungsberechtigte Revier-inhaber, der sich mit einer Anfechtungsklage gegen eine aus seiner Sicht zu hohe Festsetzung wendet, kann nur insoweit dagegen vorgehen, als die Festsetzung seinen Abschussplanvorschlag übersteigt. In den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen wird - soweit ersichtlich - mit der Anfechtungsklage bzw. der Fortsetzungsfeststellungsklage lediglich die vom eigenen Vorschlag abweichende höhere Festsetzung angegriffen (vgl. etwa BayVGH, U.v. 30.4.1992 - 19 B 91.1220 - juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 19.5.1998 - 19 B 95.3738 - juris Rn. 82; VG Augsburg, U.v. 8.10.2014 - Au 4 K 14.811 - juris Rn. 31; VG Ansbach, U.v.14.11.2007 - AN 15 K 07.01396 - juris Rn. 21).

Das gerichtliche Vorgehen des Klägers gegen den gesamten Abschussplan und damit auch den seinem Abschussplanvorschlag entsprechenden Teil i. H. v. 32 Stück Rotwild ist demnach unzulässig. Der Kläger ist ausweislich seines Vorbringens der Auffassung, dass sein Abschussplanvorschlag den gesetzlichen Vorgaben gerecht wird. In seinem Schreiben im Rahmen der Anhörung vom 11. Juni 2015 legt er seine Auffassung zum Zustand des Waldes dar und spricht sich aufgrund des Waldbildes und der den Zielen des SPA-Gebietes zuwider laufenden Verlaubholzung gegen eine Erhöhung des Abschusses aus. Abschließend beantragt er, entweder das aktuelle Verbissgutachten abzuwarten oder die von ihm eingereichten Abschusspläne zu bestätigen. Auch in der mündlichen Verhandlung haben der Kläger und seine Bevollmächtigten deutlich gemacht, dass es nicht darum gehe, überhaupt keinen Abschuss zu tätigen.

Über den Hilfsantrag war zu entscheiden, da dem Hauptantrag nicht stattzugeben war. Die Klage ist im Hilfsantrag zulässig und begründet und der Bescheid daher teilweise aufzuheben. Soweit er einen höheren Abschuss als vom Kläger vorgeschlagen festsetzt, ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO; vgl. VG Augsburg, U.v. 8.10.2014 - Au 4 K 14.811 - juris Rn. 31).

Die Rechtswidrigkeit des Bescheids ergibt sich daraus, dass der Beklagte bei der im Rahmen der Festsetzung des Abschussplans vorzunehmenden Abwägung die Belange des Naturschutzes nicht ausreichend berücksichtigt hat. Nicht tragend ist hingegen der Einwand des Klägers, der Bescheid sei wegen Mängeln in der Beschlussfassung des Jagdbeirats unheilbar rechtswidrig.

Der Kläger macht geltend, der Jagdbeirat sei nicht mit den gesetzlich vorgesehenen Mitgliedern besetzt gewesen und die insoweit gesetzeswidrig gefassten Beschlüsse hätten vom Beklagten nicht berücksichtigt werden dürfen. Es kann dahingestellt bleiben, inwiefern sich Fehler bei der Beschlussfassung des Jagdbeirats auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids auswirken, denn eine fehlerhafte Beschlussfassung liegt nicht vor. Nach Art. 50 Abs. 1 BayJG wird zur Beratung aller Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung sowie wichtiger Einzelfragen bei jeder Jagdbehörde ein Jagdbeirat (§ 37 BJagdG) gebildet, wobei Art. 50 Abs. 2, Abs. 3 BayJG dessen Besetzung bei der unteren bzw. höheren Jagdbehörde regelt. Weiter bestimmt Art. 50 Abs. 5 BayJG, dass der Vorsitzende zu den Beratungen des Jagdbeirats weitere Sachkundige hinzuziehen kann. Ausweislich der Sitzungsprotokolle für die Jagdbeiratssitzungen am 30. April und 17. Juli 2015 und der Angaben des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung haben lediglich die gesetzlich vorgesehenen Mitglieder des Jagdbeirats abgestimmt. Neben den vom Gesetz vorgeschriebenen Personen waren noch der Kreisjagdberater, der Vertreter des AELF und der Hegegemeinschaftsleiter der Hegegemeinschafts ...-West (nur am 30.4.2015, soweit es seine Hegegemeinschaft betraf) bei den Beratungen anwesend. Die Hinzuziehung dieser Personen erfolgte rechtmäßig im Rahmen des Art. 50 Abs. 5 BayJG, da es sich nach Überzeugung der Kammer dabei um sachkundige Personen handelt.

Der Bescheid ist jedoch wegen Abwägungsfehlern rechtswidrig. Nach § 21 Abs. 2 BJagdG, Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayJG und § 14 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 AVBayJG sind für Rotwild für jeweils ein Jagdjahr Abschusspläne aufzustellen, die von der Jagdbehörde im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat zu bestätigen oder festzusetzen sind. Der Abschuss des Wildes ist nach § 21 Abs. 1 BJagdG so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 BayJG ist Gesetzeszweck des Bayerischen Jagdgesetzes, die jagdlichen Interessen mit den sonstigen öffentlichen Belangen, insbesondere mit den Belangen der Landeskultur, des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen. Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG legt fest, dass bei der Abschussplanung neben der körperlichen Verfassung des Wildes vorrangig der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung zu berücksichtigen ist. Um den genannten rechtlichen Vorgaben gerecht zu werden, hat die untere Jagdbehörde zunächst den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und die in den gesetzlichen Vorschriften enthaltenen Belange in die Entscheidung einzustellen, sowie einen Interessenausgleich der zum Teil gegenläufigen Interessen vorzunehmen (BVerwG, U.v. 19.3.1992 - 3 C 62/89 - juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 30.4. 1992 - 19 B 91.1220 - juris Rn. 38; OVG RP, U.v. 13.8.1997 - 8 A 10391/96 - juris Rn. 25; OVG NRW, U.v. 1.8.2014 - 16 A 805/13 - juris Rn. 29 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 7.1.2016 - OVG 11 S 76.15 - juris Rn. 9).

Der Jagdbehörde steht bei der Entscheidung über den vorgelegten Abschussplan und der Festsetzung kein planerischer Gestaltungsspielraum zu. Die Abschusszahl ist allerdings nicht rein mathematisch-logisch zu bestimmen, vielmehr ist der Behörde eine gewisse Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten eingeräumt. Das Gericht untersucht die in den jagdrechtlichen Vorschriften gebrauchten unbestimmten Rechtsbegriffe daraufhin, ob die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt richtig gewertet, die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen hat und sich die Höhe des Abschusses in einem vertretbaren Zahlenrahmen befindet (BVerwG, U.v. 19.3.1992 - 3 C 62/89 - juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 19.5.1998 - 19 B 95.3738 - juris Rn. 91; BayVGH, U.v. 30.4.1992 - 19 B 91.1220 - juris Rn. 37 ff; OVG RP, U.v. 13.8.1997 - 8 A 10391/96 - juris Rn. 27). Der Abschussplan entspricht mithin nur dann den gesetzlichen Vorgaben, wenn keine Fehler bei der Erfassung des Sachverhalts vorliegen und die verschiedenen Belange gemäß der gesetzlichen Vorgaben abgewogen wurden (vgl. BayVGH, U.v. 19.5.1998 - 19 B 95.3738 - juris Rn. 91; VG Augsburg, U.v. 22.1.2014 - Au 4 K 13.958 - juris Rn. 47; VG Freiburg, U.v. 24.9.2008 - 1 K 430/08 - juris Rn. 25). Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abwägung der gesetzlich formulierten Belange macht den Abschussplan bereits rechtswidrig (BVerwG, U.v. 19.3.1992 - 3 C 62/89 - juris Rn. 26; OVG NRW, U.v. 1.8.2014 - 16 A 805/13 - juris Rn. 36).

So liegt der Fall hier. Die Behörde hat die Belange des Naturschutzes nicht in ausreichendem Maße in ihre Abwägungsentscheidung eingestellt.

Das Eigenjagdrevier, für das der Abschussplan gilt, liegt im Vogelschutzgebiet ... (SPA-Gebiet) und teilweise im FFH-Gebiet .... Dieses ist Teil des europaweiten Schutzgebietsnetzes „Natura 2000“. Rechtsgrundlage für Natura 2000 sind die Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 79/409/EWG, erlassen am 2. April 1979 vom Rat der Europäischen, seit 15. Februar 2010 nunmehr in kodifizierter Fassung als Richtlinie 2009/147/EG vom 30. November 2009 in Kraft) und die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen).

Aus Art. 4 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG) ergibt sich, dass für die in Anhang I aufgeführten Arten besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden sind, um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen. In diesem Anhang ist unter anderem das Auerhuhn (Tetrao urogallus) aufgeführt.

Die Umsetzung der „Natura 2000“ Vorgaben und damit auch der Vogelschutzrichtlinie erfolgt in Deutschland vornehmlich durch das Bundesnaturschutzgesetz (§§ 31 ff. BNatSchG) und die Landesnaturschutzgesetze (in Bayern Art. 20 ff. BayNatSchG). Für die in der Vogelschutzrichtlinie aufgeführten Arten erklären die Mitgliedstaaten geeignete Gebiete zu Schutzgebieten (sog. SPA - special protection areas).

Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz hat aufgrund der Ermächtigung im BayNatSchG eine Verordnung über die Festlegung von Europäischen Vogelschutzgebieten sowie deren Gebietsbegrenzungen und Erhaltungszielen (Vogelschutzverordnung - VoGEV vom 12. Juli 2006, in Kraft seit 1. September 2006) erlassen, in der die Europäischen Vogelschutzgebiete in Bayern einschließlich ihrer Gebietsbegrenzungen und Erhaltungsziele rechtsverbindlich festgelegt sind. Gemäß § 1 VoGEV werden die in Anlage 1 aufgeführten und näher beschriebenen Gebiete gemäß Art 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie als Europäische Vogelschutzgebiete festgesetzt. § 3 VoGEV beschreibt die Erhaltungsziele, nämlich Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der in Anlage 1 für das jeweilige Gebiet aufgeführten Vogelarten und ihrer Lebensräume. In der Anlage 1 der VoGEV ist unter der Gebietsnummer DE... das ... aufgeführt. Dessen Erhaltungsziele lauten u. a.: „Erhaltung oder Wiederherstellung der Bestände von Birkhuhn, Auerhuhn (…) und deren Lebensräume, insbesondere des charakteristischen subalpinen und alpinen Gebirgsstockes mit hohem Strukturreichtum wie Hangschuttwälder und Schluchten, Borstgras- und Magerrasen, Latschengebüsche, alpine Zwergstrauchheiden, Quellmoore und Felsen als Brut-, Nahrungs- und Durchzugsgebiet“. In der gebietsbezogenen Konkretisierung der Erhaltungsziele der Regierung von Oberbayern (Stand 24.4.2008) werden für das ... als Gebiets-Typ F (Europäisches Vogelschutzgebiet, das ein FFH-Gebiet enthält) die zu erhaltenden bzw. wiederherzustellenden Bestände an Pflanzen und Tieren genauer dargelegt.

Der Kläger hat bereits im Anhörungsverfahren auf die Erhaltungsziele des SPA-Gebiets ... und die Belange des dort beheimateten besonders geschützten Auerhuhns hingewiesen. Nach einer in den Behördenakten befindlichen Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 20. November 2014 könne eine Verminderung der Wildbestandsdichte zu erhöhtem Laubgehölz-Aufwuchs führen, der sich nachteilig auf die Schneeheide-Kiefernwälder und das Auerhuhn auswirke. Es bestünde ein Zielkonflikt innerhalb des Naturschutzes, da neben der Erhaltung von Raufußhühnern und lichten Waldbeständen auch gemischte Bergmischwälder als naturschutzrechtlich hohes Gut anzusehen seien. Diese Bergmischwälder seien Lebensraum für Vögel, die ebenfalls im SPA-Gebiet ... in einem guten Populationszustand zu erhalten seien. Der Erhaltung der Restvorkommen des besonders gefährdeten Auerhuhns komme ein gewisser Vorrang zu.

Im angefochtenen Bescheid wird zu den vom Kläger im Anhörungsverfahren vorgebrachten Einwänden ausgeführt, dass derzeit ein Managementplan durch die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft erarbeitet werde. Darin würden Maßnahmen formuliert, um den Erhaltungszustand der Arten zu sichern bzw. zu verbessern. Es bleibe abzuwarten, ob und in welcher Weise sich bei der Umsetzung der Maßnahmen Auswirkungen auf die Abschussplanungen zeigten. Weiter hat sich die Behörde im Klageverfahren unter Bezugnahme auf ein Vorbringen im Vorjahresverfahren dahingehend geäußert, dass eine Verlaubholzung nicht festzustellen sei. Zwar würden nach der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde die Befürchtungen des Klägers weitgehend bestätigt, wegen der besonderen Bedeutung der Wildschäden sei aber das Forstliche Gutachten für die Abschussplanung maßgeblich. Ein Managementplan sei noch nicht erstellt und enthalte voraussichtlich keine Aussage zu Jagdmanagement, Wildbeständen oder Abschusszahlen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Behörde ergänzend dargelegt, dass die Zielsetzung für SPA-Gebiete die Erhaltung und Wiederherstellung der Lebensraumkomplexe aus großflächigen, reich strukturierten Laub-, Misch-, und Nadelwäldern mit naturnaher Struktur und Baumzusammensetzung und Erhalt von naturnahen störungsarmen Bergmischwäldern und Erhaltung und Wiederherstellung der Buchenwälder und montanen und subalpinen Fichtenwälder sei. Diese Ziele würden mit der Abschussplanung 2015/2016 verfolgt. Im Hinblick auf die große Bedeutung der Schutzwälder und des hohen Schutzwaldanteils im Revier würden keine Widersprüche zu den Natura-2000-Zielen gesehen.

Der im Bescheid enthaltene Hinweis auf noch ausstehende Managementpläne (sog. Bewirtschaftungspläne, in denen u. a. Erhaltungs- und Entwicklungsziele festgelegt und dazugehörige Maßnahmen geplant werden) ist für eine ordnungsgemäße Abwägungsentscheidung nicht ausreichend. Der Behörde ist es auch nicht gelungen, das Abwägungsdefizit nachträglich zu heilen. Daraus ergibt sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Im Einzelnen:

Die Belange des Naturschutzes mit den besonders zu schützenden Vogelarten wurden inhaltlich nicht in ausreichendem Maße in die Entscheidung eingestellt und auch nicht mit den übrigen im Gesetz genannten Belangen abgewogen. Die Behörde hat sie vielmehr unter Verweis auf die ausstehenden Managementpläne als (noch) nicht abwägungsrelevant eingestuft. Dies ist jedoch fehlerhaft. Die Vorgaben der in nationales Recht umgesetzten europäischen Vogelschutzrichtlinie und FFH-Richtlinie sind bei der Aufstellung der Abschusspläne zu beachten und unabhängig von etwaigen Bewirtschaftungsplänen in die dabei vorzunehmende Abwägung miteinzubeziehen. Darüber hinaus enthält der zu erwartende Plan nach Angabe der unteren Naturschutzbehörde voraussichtlich ohnehin keine Aussagen zu Jagdmanagement, Wildbeständen oder Abschusszahlen. Dass naturschutzrechtliche Belange aufgrund der Lage des Jagdreviers im geschützten SPA-Gebiet relevant sind, hat die Jagdbehörde erkannt, indem sie im Laufe des Klageverfahrens betreffend den Vorjahresabschussplan eine naturschutzrechtliche Stellungnahme eingeholt hat. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem darin beschriebenen Zielkonflikt und eine Überprüfung der Abschussfestsetzung auf ihre SPA-Verträglichkeit haben bei der hier streitgegenständlichen Abschussfestsetzung dennoch nicht stattgefunden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob Abwägungsfehler im Rahmen der Abschussplanfestsetzung grundsätzlich durch Ergänzung der Abwägungsbelange geheilt werden können und ob im Bescheid ein hinreichend konkreter Anknüpfungspunkt für eine Ergänzung der Erwägungen vorhanden ist. Voraussetzung dafür ist eine materiell-rechtliche Heilungsmöglichkeit, die in prozessualer Hinsicht - etwa unter Heranziehung des allgemeinen Rechtsgedankens aus § 114 S. 2 VwGO (vgl. BeckOK VwGO/Decker VwGO § 114 Rn. 40 m.w.N; Sodan/Ziekow, VwGO 4. Auflage 2014, § 114 Rn. 203; BayVGH, B.v. 20.7.2009 - 7 CE 09.10091 u. a. - juris Rn. 14, 17) - noch nachträglich vorgenommen werden kann. Hier kommt es darauf nicht entscheidungserheblich an, da die vom Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragenen Gesichtspunkte jedenfalls nicht genügen, um die Abwägungsfehler zu heilen. Er hat darin allgemein auf die Zielsetzung für SPA-Gebiete abgestellt, die mit der Abschussplanung verfolgt werde und angefügt, dass im Hinblick auf die große Bedeutung der Schutzwälder keine Widersprüche zu den Natura-2000 Zielen bestünden. Ein Eingehen auf die sich im Zielkonflikt befindlichen Belange (Erhaltung von lichten Waldflächen als Lebensraum für geschützte Vogelarten einerseits; Laubmischwälder als naturschutzrechtlich hohes Gut und Lebensraum für andere geschützte Vogelarten andererseits) sowie eine Bewertung und Gewichtung der Umstände ist damit nicht erfolgt. Es fehlt mithin an einer auf Ausgleich der zum Teil gegenläufigen Interessen abzielenden Abwägungsentscheidung.

Die vom Kläger beantragte Vorlage an den EuGH ist abzulehnen. Nach Art. 267 AEUV kann ein Gericht dem EuGH eine Frage betreffend die Auslegung der Verträge oder die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union vorlegen, wenn es eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält. Die aufgeworfene Frage lässt sich, wie aufgezeigt, bereits durch das nationale Recht lösen. Mangels Vorlage an den EuGH war auch der diesbezüglich gestellte Aussetzungsantrag abzulehnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1, Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-)

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

Tenor

I.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. April 2015 in der Fassung der Ergänzung vom 4. Mai 2015 wird dahingehend abgeändert, dass die für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu erstattenden notwendigen Aufwendungen für Fahrtkosten des Bevollmächtigten der Antragstellerin nicht in Höhe der fiktiven Reisekosten von Bonn zum Gerichtssitz und zurück, sondern in Höhe der tatsächlichen Reisekosten von der Kanzlei der Bevollmächtigten der Antragstellerin in Hamburg zum Gerichtssitz in München und zurück zu erstatten sind. Die Neufassung des Kostenfestsetzungsbeschlusses nach Maßgabe dieses Beschlusses wird dem Urkundsbeamten übertragen.

II.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Im Normenkontrollverfahren mit dem Az. 4 N 12.2074 erreichte die Antragstellerin die Aufhebung einiger Satzungsbestimmungen der Entwässerungssatzung (EWS) der Antragsgegnerin durch Urteil vom 3. November 2014. Im Urteil ist bestimmt, dass die Antragstellerin neun Zehntel der Kosten des Verfahrens und die Antragsgegnerin ein Zehntel der Kosten des Verfahrens bei einem Streitwert von 20.000 Euro zu tragen hat.

Am 5. November 2014 stellten die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin Kostenfestsetzungsantrag. Am 20. November 2014 veranlasste der Kostenbeamte des Verwaltungsgerichtshofs die Rücküberweisung von überzahlten Gerichtskosten an die Antragstellerin auf ein von dieser angegebenes Konto (ein Zehntel der vorab eingezahlten Gerichtskosten). Zugleich forderte er die Bevollmächtigten der Antragstellerin auf, ihrerseits gemäß § 106 Abs. 1 ZPO Kostenfestsetzungsantrag zu stellen. Dieser erfolgte unter dem 27. November 2014. Unter den vom Bevollmächtigten der Antragstellerin geltend gemachten Kosten finden sich auch die Flugkosten für einen Flug von Hamburg nach München und zurück zum Zweck der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung in München. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin begründete die Notwendigkeit dieser Kosten damit, dass er in langjähriger Tätigkeit als Hausanwalt für die Antragstellerin arbeite und deshalb ein besonderes Vertrauensverhältnis bestünde. Seine Kanzlei sei mit den Anforderungen und Gegebenheiten der Antragstellerin bestens vertraut.

In dem daraufhin erfolgenden mehrfachen Austausch von Schriftsätzen der Bevollmächtigten der Streitparteien vertrat der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin die Auffassung, dass die Antragstellerin Reisekosten für ihren Rechtsanwalt nur in fiktiver Höhe (unterstellte Beauftragung eines Rechtsanwalts aus Bonn, dem Sitz der Antragstellerin) geltend machen könne. Der Vertreter der Antragstellerin verwies darauf, dass er die Antragstellerin seit Jahren in vielen Rechtsstreitigkeiten vertrete und sich deshalb ein besonderes Vertrauensverhältnis gebildet habe. Hilfsweise mache er darauf aufmerksam, dass fiktiv Fahrtkosten von Bonn aus in Höhe von 471,10 Euro geltend gemacht werden müssten.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. April 2015, um Zinsansprüche ergänzt mit ergänzendem Beschluss vom 4. Mai 2015, setzte der Kostenbeamte des Verwaltungsgerichtshofs fest, dass ein Betrag von 1.930,62 Euro von der Antragstellerin an die Antragsgegnerin zu erstatten sei. Bei den Reisekosten für den Bevollmächtigten der Antragstellerin seien dabei nur fiktive Kosten für eine Fahrt von Bonn nach München und zurück in Höhe von 471,10 Euro (statt 731,75 Euro Flugkosten von Hamburg nach München und zurück) berücksichtigt worden. Eine Berücksichtigung der von der Antragstellerin geltend gemachten Reisekosten in voller Höhe sei nicht in Betracht gekommen, weil keine mit der Streitsache in Zusammenhang stehenden Umstände vorlägen, die ein besonderes Vertrauensverhältnis annehmen lassen könnten.

Am 18. Mai 2015 stellte die Antragstellerin Antrag auf Entscheidung des Gerichts. Es hätten die tatsächlich angefallenen Reisekosten aus Hamburg angerechnet werden müssen. Zudem habe der Kostenbeamte von der Antragstellerin vorab verauslagte Gerichtskosten nicht berücksichtigt. Eine Vorschrift wie § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO fehle in der Verwaltungsgerichtsordnung. Deshalb habe u. a. auch das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es auf ein besonders Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt gar nicht ankomme. Selbst wenn man ein solches für erforderlich halten wolle, liege ein solches vor. Die Antragstellerin arbeite mit ihrem Bevollmächtigten seit mehreren Jahren in vertrauensvoller Zusammenarbeit in zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren zusammen. Jedenfalls würden die ausgelösten Reisekosten im vorliegenden Fall auch nicht außer Verhältnis stehen, es gehe nur um ca. 250 Euro, die angesichts der Bedeutung des Rechtsstreits nicht ins Gewicht fielen.

Mit Schreiben vom 19. Mai 2015 legte der Kostenbeamte die Angelegenheit dem Senat zur Entscheidung vor. Es fehlten besondere Umstände, die mit der Streitsache im Zusammenhang stünden und die eine Anrechnung der tatsächlich geltend gemachten Reisekosten rechtfertigen würden. Der Ausgleich der verauslagten Gerichtskosten sei bereits vorab im Dezember 2014 durch die Gerichtskasse erfolgt, der insoweit zu erstattende Betrag von 115,20 Euro sei direkt an die Antragstellerin zurückerstattet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. April 2015 in der Fassung vom 4. Mai 2015 ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 165 i. V. m. § 151 VwGO).

Hinsichtlich der Gerichtskosten ist den Akten zu entnehmen, dass ein Zehntel der von der Antragstellerin verauslagten Kosten bereits vor den Kostenfestsetzungsanträgen bezüglich der außergerichtlichen Kosten zur Rücküberweisung auf ein von der Antragstellerin mitgeteiltes Konto angewiesen worden ist. Dieser Punkt ist damit bereits erledigt, war aber dem Bevollmächtigten der Antragstellerin wohl nicht mitgeteilt worden.

Hinsichtlich der Reisekosten der Antragstellerseite geht es noch um eine Differenz von 260,65 Euro, von der die Antragstellerin ohnehin neun Zehntel selber tragen muss. Ihre Beschwer liegt damit bei einem Betrag von 26 Euro. Die Erinnerung ist diesbezüglich begründet, weil die geltend gemachten Reisekosten des auswärtigen Rechtsanwalts der Antragstellerin zur Wahrnehmung des Verhandlungstermins vor dem Verwaltungsgerichtshof in München nach § 162 Abs. 1 VwGO als notwendig anzuerkennen sind.

Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig. Eine Einschränkung des Inhalts, dass Reisekosten eines nicht am Sitz des Gerichts tätigen oder wohnenden Rechtsanwalts nur erstattungsfähig seien, wenn seine Zuziehung notwendig war, kennt die VwGO nicht. Die für den Zivilprozess insoweit in § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffene Regelung findet über § 173 VwGO keine Anwendung. Der Gesetzgeber wollte die Parteien im Verwaltungsprozess bei der Wahl eines Bevollmächtigten freier stellen (BVerwG, B. v. 11.9.2007 - 9 KSt 5/07 - NJW 2007, 3656).

Allerdings wird in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines Anwalts zur Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins unter dem Vorbehalt des § 162 Abs. 1 VwGO steht, wonach es sich um zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Aufwendungen handeln muss (BVerwG a. a. O.). Der daraus herzuleitende Grundsatz der Kostenminimierung ist bei der Anwaltswahl mit der Folge zu beachten, dass ohne nähere Prüfung Reisekosten eines Rechtsanwalts nur dann voll zu erstatten sind, wenn er seine Kanzlei am Sitz oder im Bezirk des angerufenen Gerichts oder am Wohnsitz seines Mandanten oder in dessen Nähe hat. Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der beauftragte Rechtsanwalt seine Kanzlei weder am Wohnsitz des Mandanten noch am Gerichtssitz hat, sind grundsätzlich nur bei Vorliegen besonderer Gründe erstattungsfähig. Dies kann der Fall sein, wenn der beauftragte Anwalt etwa über Spezialkenntnisse verfügt und der Streitfall Fachfragen aus diesem Fachgebiet von solcher Schwierigkeit aufwirft, dass ein verständiger Beteiligter die Zuziehung eines solchen Anwalts für ratsam erachten wird. Ein anderer Grund, der die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts rechtfertigen kann, ist ein bestehendes besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Mandanten und dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt (vgl. BayVGH, B. v. 10.10.2011 - 20 C 11.1783 - juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 14.8.2014 - 15 C 13.1504 - juris Rn. 10: „Hausanwalt“; OVG Berlin-Bbg, B. v. 8.4.2013 - OVG 1 K 6.12 - juris Rn. 4; VGHBW, B. v. 19.6.2000 - 6 S 931/99 - juris Rn. 2; SächsOVG, B. v. 13.2.2009 - 2 E 101/08 - juris Rn. 4: Vertrauensverhältnis aus der „Vertretung in vielen anderen Verfahren“; Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 162 Rn. 69; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 162 Rn. 9).

Nach Auffassung des Senats liegt hier jedenfalls ein derartiges besonderes Vertrauensverhältnis und damit ein guter Grund für die Beauftragung des Bevollmächtigten der Antragstellerin vor. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat im Verfahren darauf hingewiesen, dass er in langjähriger Tätigkeit gleichsam als „Hausanwalt“ für die Antragstellerin tätig sei und deshalb ein besonderes Vertrauensverhältnis vorliege. Er sei in besonderer Weise mit den Anforderungen und Gegebenheiten der Antragstellerin vertraut. Er vertrete die Antragstellerin in zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren seit mehreren Jahren. Damit sind besondere Umstände dargelegt, die entgegen der Auffassung des Kostenbeamten auch mit der jetzt abzurechnenden Streitsache (Normenkontrollverfahren gegen die Entwässerungssatzung der Antragsgegnerin) in direktem Zusammenhang stehen. Es ist dem Senat aus anderen anhängigen Verfahren der Antragstellerin (etwa Az. 4 ZB 14.2822) bekannt, dass die Antragstellerin bereits seit langem Rechtsstreitigkeiten um die Anschlussmodalitäten der von ihr betriebenen Autobahnraststätte an die Entwässerungseinrichtung der Antragsgegnerin führt. Bereits geraume Zeit vor dem Beginn des Normenkontrollverfahrens fanden Verhandlungen zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin unter Beteiligung des jetzt auch im Normenkontrollverfahren tätigen Hamburger Rechtsanwalts statt (aktenkundig mindestens schon seit 2011; vgl. BayVGH, B. v. 24.2.2010 - 11 C 10.81 - juris Rn. 18: Vertrauensverhältnis wegen der Vertretung in einem früheren Verfahrensstadium). Vor dem Hintergrund, dass die hier zwischen den Parteien streitige Reisekostendifferenz in Höhe von 260,65 Euro im Verhältnis zu den Gesamtkosten des Verfahrens ohnehin nicht erheblich ist und damit kein unkalkulierbares Kostenrisiko erzeugen kann (zu diesem Aspekt vgl. BayVGH, B. v. 14.8.2014 a. a. O.), liegt nach Auffassung des Senats aufgrund der Vorbefassung des Bevollmächtigten der Antragstellerin mit den Umständen und dem Satzungsrecht der Antragsgegnerin ein nachvollziehbares besonderes Vertrauensverhältnis vor, das einen objektiven Grund dafür abgeben kann, dem bereits gewählten Anwalt des Vertrauens auch die weitere Vertretung im Zusammenhang mit Streitigkeiten um den Anschluss der Autobahnraststätte an die Entwässerungseinrichtung der Antragsgegnerin zu übertragen und nicht wegen der vergleichsweise kleinen Kostendifferenz einen in diese Fragen nicht eingearbeiteten Rechtsanwalt zu beauftragen.

Nach alledem war der Erinnerung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Der Senat macht von § 173 VwGO i. V. m. § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch und überträgt die erforderliche Anordnung dem Urkundsbeamten (vgl. Happ/Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 165 Rn. 9).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Dieses Gesetz regelt

1.
die Vergütung der Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Übersetzerinnen und Übersetzer, die von dem Gericht, der Staatsanwaltschaft, der Finanzbehörde in den Fällen, in denen diese das Ermittlungsverfahren selbstständig durchführt, der Verwaltungsbehörde im Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten oder dem Gerichtsvollzieher herangezogen werden;
2.
die Entschädigung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter bei den ordentlichen Gerichten und den Gerichten für Arbeitssachen sowie bei den Gerichten der Verwaltungs-, der Finanz- und der Sozialgerichtsbarkeit mit Ausnahme der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in Handelssachen, in berufsgerichtlichen Verfahren oder bei Dienstgerichten sowie
3.
die Entschädigung der Zeuginnen, Zeugen und Dritten (§ 23), die von den in Nummer 1 genannten Stellen herangezogen werden.
Eine Vergütung oder Entschädigung wird nur nach diesem Gesetz gewährt. Der Anspruch auf Vergütung nach Satz 1 Nr. 1 steht demjenigen zu, der beauftragt worden ist; dies gilt auch, wenn der Mitarbeiter einer Unternehmung die Leistung erbringt, der Auftrag jedoch der Unternehmung erteilt worden ist.

(2) Dieses Gesetz gilt auch, wenn Behörden oder sonstige öffentliche Stellen von den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 genannten Stellen zu Sachverständigenleistungen herangezogen werden. Für Angehörige einer Behörde oder einer sonstigen öffentlichen Stelle, die weder Ehrenbeamte noch ehrenamtlich tätig sind, gilt dieses Gesetz nicht, wenn sie ein Gutachten in Erfüllung ihrer Dienstaufgaben erstatten, vertreten oder erläutern.

(3) Einer Heranziehung durch die Staatsanwaltschaft oder durch die Finanzbehörde in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 steht eine Heranziehung durch die Polizei oder eine andere Strafverfolgungsbehörde im Auftrag oder mit vorheriger Billigung der Staatsanwaltschaft oder der Finanzbehörde gleich. Satz 1 gilt im Verfahren der Verwaltungsbehörde nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten entsprechend.

(4) Die Vertrauenspersonen in den Ausschüssen zur Wahl der Schöffen und die Vertrauensleute in den Ausschüssen zur Wahl der ehrenamtlichen Richter bei den Gerichten der Verwaltungs- und der Finanzgerichtsbarkeit werden wie ehrenamtliche Richter entschädigt.

(5) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die gerichtliche Festsetzung und die Beschwerde gehen den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor.

(1) Bei Benutzung von öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln werden die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks ersetzt.

(2) Bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs werden

1.
dem Zeugen oder dem Dritten (§ 23) zur Abgeltung der Betriebskosten sowie zur Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,35 Euro,
2.
den in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Anspruchsberechtigten zur Abgeltung der Anschaffungs-, Unterhaltungs- und Betriebskosten sowie zur Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,42 Euro
für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung des Kraftfahrzeugs aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden baren Auslagen, insbesondere der Parkentgelte. Bei der Benutzung durch mehrere Personen kann die Pauschale nur einmal geltend gemacht werden. Bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs, das nicht zu den Fahrzeugen nach Absatz 1 oder Satz 1 zählt, werden die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der in Satz 1 genannten Fahrtkosten ersetzt; zusätzlich werden die durch die Benutzung des Kraftfahrzeugs aus Anlass der Reise angefallenen regelmäßigen baren Auslagen, insbesondere die Parkentgelte, ersetzt, soweit sie der Berechtigte zu tragen hat.

(3) Höhere als die in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichneten Fahrtkosten werden ersetzt, soweit dadurch Mehrbeträge an Vergütung oder Entschädigung erspart werden oder höhere Fahrtkosten wegen besonderer Umstände notwendig sind.

(4) Für Reisen während der Terminsdauer werden die Fahrtkosten nur insoweit ersetzt, als dadurch Mehrbeträge an Vergütung oder Entschädigung erspart werden, die beim Verbleiben an der Terminsstelle gewährt werden müssten.

(5) Wird die Reise zum Ort des Termins von einem anderen als dem in der Ladung oder Terminsmitteilung bezeichneten oder der zuständigen Stelle unverzüglich angezeigten Ort angetreten oder wird zu einem anderen als zu diesem Ort zurückgefahren, werden Mehrkosten nach billigem Ermessen nur dann ersetzt, wenn der Berechtigte zu diesen Fahrten durch besondere Umstände genötigt war.

(1) Ehrenamtliche Richter erhalten als Entschädigung

1.
Fahrtkostenersatz (§ 5),
2.
Entschädigung für Aufwand (§ 6),
3.
Ersatz für sonstige Aufwendungen (§ 7),
4.
Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 16),
5.
Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 17) sowie
6.
Entschädigung für Verdienstausfall (§ 18).

(2) Sofern die Entschädigung nach Stunden bemessen ist, wird sie für die gesamte Dauer der Heranziehung gewährt. Dazu zählen auch notwendige Reise- und Wartezeiten sowie die Zeit, während der der ehrenamtliche Richter infolge der Heranziehung seiner beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen konnte. Eine Entschädigung wird für nicht mehr als zehn Stunden je Tag gewährt. Die letzte begonnene Stunde wird voll gerechnet.

(3) Die Entschädigung wird auch gewährt,

1.
wenn ehrenamtliche Richter von der zuständigen staatlichen Stelle zu Einführungs- und Fortbildungstagungen herangezogen werden,
2.
wenn ehrenamtliche Richter bei den Gerichten der Arbeits- und der Sozialgerichtsbarkeit in dieser Eigenschaft an der Wahl von gesetzlich für sie vorgesehenen Ausschüssen oder an den Sitzungen solcher Ausschüsse teilnehmen (§§ 29, 38 des Arbeitsgerichtsgesetzes, §§ 23, 35 Abs. 1, § 47 des Sozialgerichtsgesetzes).

Die Entschädigung für Zeitversäumnis beträgt 7 Euro je Stunde.

(1) Dieses Gesetz regelt

1.
die Vergütung der Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Übersetzerinnen und Übersetzer, die von dem Gericht, der Staatsanwaltschaft, der Finanzbehörde in den Fällen, in denen diese das Ermittlungsverfahren selbstständig durchführt, der Verwaltungsbehörde im Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten oder dem Gerichtsvollzieher herangezogen werden;
2.
die Entschädigung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter bei den ordentlichen Gerichten und den Gerichten für Arbeitssachen sowie bei den Gerichten der Verwaltungs-, der Finanz- und der Sozialgerichtsbarkeit mit Ausnahme der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in Handelssachen, in berufsgerichtlichen Verfahren oder bei Dienstgerichten sowie
3.
die Entschädigung der Zeuginnen, Zeugen und Dritten (§ 23), die von den in Nummer 1 genannten Stellen herangezogen werden.
Eine Vergütung oder Entschädigung wird nur nach diesem Gesetz gewährt. Der Anspruch auf Vergütung nach Satz 1 Nr. 1 steht demjenigen zu, der beauftragt worden ist; dies gilt auch, wenn der Mitarbeiter einer Unternehmung die Leistung erbringt, der Auftrag jedoch der Unternehmung erteilt worden ist.

(2) Dieses Gesetz gilt auch, wenn Behörden oder sonstige öffentliche Stellen von den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 genannten Stellen zu Sachverständigenleistungen herangezogen werden. Für Angehörige einer Behörde oder einer sonstigen öffentlichen Stelle, die weder Ehrenbeamte noch ehrenamtlich tätig sind, gilt dieses Gesetz nicht, wenn sie ein Gutachten in Erfüllung ihrer Dienstaufgaben erstatten, vertreten oder erläutern.

(3) Einer Heranziehung durch die Staatsanwaltschaft oder durch die Finanzbehörde in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 steht eine Heranziehung durch die Polizei oder eine andere Strafverfolgungsbehörde im Auftrag oder mit vorheriger Billigung der Staatsanwaltschaft oder der Finanzbehörde gleich. Satz 1 gilt im Verfahren der Verwaltungsbehörde nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten entsprechend.

(4) Die Vertrauenspersonen in den Ausschüssen zur Wahl der Schöffen und die Vertrauensleute in den Ausschüssen zur Wahl der ehrenamtlichen Richter bei den Gerichten der Verwaltungs- und der Finanzgerichtsbarkeit werden wie ehrenamtliche Richter entschädigt.

(5) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die gerichtliche Festsetzung und die Beschwerde gehen den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

Tenor

I.

Auf die Erinnerung des Klägers wird der Betrag der zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 115,67 € festgesetzt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die vorliegende Erinnerung im Kostenfestsetzungsverfahren 13 M 13.2399 (zu 13 A 13.1319) betrifft ebenso wie die Erinnerung im Parallelverfahren (13 M 13.2398 zu 13 A 12.2474) die Ablehnung der Kostenfestsetzung für eine Erledigungsgebühr nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof - Flurbereinigungsgericht - hat am 15. Juli 2013 beschlossen, die Ausgangsverfahren 13 A 12.2474 und 13 A 13.1319 zur gemeinsamen Beweisaufnahme und Verhandlung zu verbinden. Während der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2013 hat der Vorstand der beklagten Teilnehmergemeinschaft beschlossen, den Flurbereinigungsplan bezüglich der Landabfindung des Klägers zu ändern. Im Anschluss hieran wies der Vorsitzende darauf hin, dass der Senat nach der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage nunmehr davon ausgehe, dass eine wertgleiche Abfindung gegeben sei. Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung enthält außerdem folgende Feststellungen: „Die mündliche Verhandlung wird unterbrochen, um den Klägern Gelegenheit zu geben, mit ihrem bevollmächtigten Rechtsanwalt telefonisch Kontakt aufzunehmen. Anschließend erklären die Kläger, sie würden sich zwar ungerecht behandelt fühlen. Nachdem das Gericht jedoch die Abfindung als wertgleich ansehe, würden sie eine Erledigungserklärung abgeben: Wir erklären den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. (v. u. g.) Der Vertreter der Beklagten stimmt der Hauptsacheerledigungserklärung zu.“

Daraufhin erging folgender Beschluss:

I.

Die Verfahren 13 A 12.2474 und 13 A 13.1319 werden eingestellt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten der Verfahren zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig. Ein Pauschsatz für die baren Auslagen des Gerichts wird nicht erhoben.

III.

Der Gegenstandswert wird festgesetzt für das Verfahren 13 A 12.2474 auf 8.000 € und für das Verfahren 13 A 13.1319 auf 2.000.- € und nach der Verbindung auf insgesamt 10.000 €.

Auf Antrag des Klägers setzte der Urkundsbeamte bei der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichtshofs mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17. Oktober 2013 die zu erstattenden notwendigen Aufwendungen (Rechtsanwaltskosten) auf 538,18 € fest. In diesem Betrag war eine 1,0-Erledigungsgebühr in Höhe von 133 € (plus 19% Umsatzsteuer) aus einem Gegenstandswert von 2.000 € enthalten. Der von der Beklagten am 24. Oktober 2013 eingelegten Erinnerung hat der Urkundsbeamte mit Beschluss vom 12. November 2013 durch Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 17. Oktober 2013 abgeholfen. In der Begründung ist ausgeführt, dass in Höhe von 379,91 € das Rechtsschutzbedürfnis für die Festsetzung gefehlt habe, weil die Beklagte diesen Betrag bereits an den Bevollmächtigten des Klägers überwiesen gehabt habe. Die für das Entstehen einer Erledigungsgebühr notwendige Mitwirkung des Rechtsanwalts sei nicht gegeben gewesen, weil der Bevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2013 nicht anwesend gewesen sei.

Am 15. November 2013 hat der Bevollmächtigte namens und im Auftrag des Klägers gegen den Beschluss vom 12. November 2013 Erinnerung eingelegt mit dem Ziel, dass der Betrag der geltend gemachten Erledigungsgebühr als zu erstattende Kosten festgesetzt werde. Zur Begründung macht der Bevollmächtigte geltend, dass sich die Rechtssache (erst) durch seine anwaltliche Mitwirkung erledigt habe. Der Kläger sei durch den Vorschlag des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nicht klaglos gestellt worden, da von ihm die Abfindung mit einem ortsnahen Wiesengrundstück begehrt worden sei, der Vorschlag sich aber auf einen ortsfernen Acker bezogen habe. Ein erheblicher Teil des Klagebegehrens sei also auch nach der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Änderung des Flurbereinigungsplans übrig geblieben. Die von dem Kläger dann abgegebene Erledigungserklärung sei auf den ausdrücklichen anwaltlichen Rat zurückzuführen.

Der Urkundsbeamte teilte den Beteiligten durch Schreiben vom 19. November 2013 mit, dass er der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt habe. Mit Schreiben vom 21. November 2013 gab die Klägerin im Parallelverfahren 13 M 13.2398 gegenüber dem Urkundsbeamten folgende Erklärung ab: „Ich teile Ihnen mit, mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss habe ich nichts zu tun! Ich habe Herrn B., S. keinerlei Auftrag gegeben, in Sachen Kostenfestsetzung was zu unternehmen! Warum er das von sich aus macht? Für mich ist der Kostenfestsetzungsbeschluss erledigt, u. für meinen Sohn auch. Mit freundlichen Grüßen“.

Hierzu teilte der Bevollmächtigte dem Gericht mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2013 mit, dass der Kläger seiner Mutter keine Vollmacht erteilt habe, in seinem Namen Erklärungen abzugeben.

Die Beklagte hat im Erinnerungsverfahren geltend gemacht, dass gemäß der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (B. v. 18.12.2008 - 12 E 1120/08 - juris) in der hier gegebenen Fallkonstellation eine Erledigungsgebühr nicht entstanden sei. Der bevollmächtigte Rechtsanwalt habe an der Erledigung nicht mitgewirkt. Beim Fortsetzen der mündlichen Verhandlung nach Ende der Unterbrechung sei kein Zusammenhang zwischen dem geschlossenen Vergleich und der gegebenenfalls erfolgten Beratung durch den Bevollmächtigten erkennbar gewesen.

II.

Die fristgerecht eingelegte Erinnerung gegen den Kostenbeschluss vom 12. November 2013 ist nach § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 165, § 151 VwGO zulässig.

Der Bevollmächtigte hat die Erinnerung gegen den Beschluss des Urkundsbeamten vom 12. November 2013 kraft der im Rahmen des anwaltlichen Mandatsverhältnis erteilten Vollmacht wirksam eingelegt (§ 67 VwGO, § 81 ZPO, § 675 Abs. 1 BGB). Ausweislich des vom Kläger unterzeichneten Vollmacht-Formulars erstreckt sich die Vollmacht auch auf gerichtliche Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 81 Rn. 1).

Der vom Bevollmächtigten namens und im Auftrag des Klägers gestellte Antrag auf Entscheidung des Gerichts ist durch die Erklärung der Klägerin (im Parallelverfahren 13 M 13.2398) vom 21. November 2013 schon deshalb nicht hinfällig geworden, weil jene mangels Vollmacht keine Wirkung gegenüber dem Kläger hat (§ 164 Abs. 1, § 167 Abs. 1 BGB).

Die Erinnerung ist wegen des Ansatzes der Erledigungsgebühr auch begründet.

Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts sind für den obsiegenden Kläger nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO stets erstattungsfähig und nach § 164 VwGO festzusetzen. Nach Nr. 1002 Satz 1 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Hierfür muss der Bevollmächtigte durch sein Verhalten etwas dazu beigetragen haben, dass sich der Rechtsstreit ohne Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache erledigt. Allein schon aus dem Begriff der „Mitwirkung“ ergibt sich, dass der Rechtsanwalt die Erledigung nicht überwiegend oder allein herbeiführen muss. Entscheidend ist, dass er hieran mitwirkt, also einen nicht ganz unerheblichen oder untauglichen Beitrag hierzu leistet. Es genügt dabei ein Tätigwerden in Richtung auf den später erzielten Erfolg. Worin dieses Tätigwerden besteht, ist gleichgültig. Es kann beispielsweise in einem Einwirken auf die übergeordnete Verwaltungsbehörde bestehen oder in einem Einwirken auf den Auftraggeber. Die Mitwirkung kann auch mittels Telefon erfolgen (BayVGH, B. v. 19.1.2007 - 24 C 06.2426 - NVwZ-RR 2007, 497 = BayVBl. 2008, 417). Sie kann auch darin bestehen, dass der Bevollmächtigte auf einen Vorschlag des Gerichts hin auf seine Mandantschaft einwirkt, um einen bei dieser bestehenden Widerstand gegen eine gütliche Streitbeilegung in deren eigenem, wohlverstandenen Interesse zu überwinden (OVG RhPf, B. v. 18.4.2007 - 8 E 10310/07 - NVwZ-RR 2007, 564; OVG NRW, B. v. 11.1.1999 - 3 E 808/98 - NVwZ-RR 1999, 348). Ein Mitwirken kann außerdem vorliegen, wenn ein Rechtsanwalt dem Mandanten dazu rät, einen Teil seines Klagebegehrens fallen zu lassen (SächsOVG, B. v. 13.2.2013 - 3 E 118/12 - juris; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl. 2013, VV 1002 Rn. 52). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall eine Erledigungsgebühr entstanden.

Ein Flurbereinigungsplan ist ein Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung nach Art. 35 Satz 2 BayVwVfG (BVerwG, U. v. 20.5.1998 - 11 C 7.97 - Buchholz 424.01 FlurbG Nr. 78; Mayr in Wingerter/Mayr, FlurbG, 9. Aufl. 2013, § 58 Rn. 1). Die von der Teilnehmergemeinschaft während der mündlichen Verhandlung verfügte Planänderung bezüglich der Abfindung des Klägers ist demnach als Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts zu erachten. Diese Änderung hatte die Erledigung der Rechtssache jedoch noch nicht bewirkt, weil sie dem eigentlichen Klageziel, eine Abfindung mit einem ortsnahen Flurstück zu erreichen, nicht entsprach. Die Erledigung in der Hauptsache ist erst durch die anschließend abgegebene prozessuale Erklärung des Klägers eingetreten, der gemäß er von seiner ursprünglichen (weitergehenden) Forderung Abstand genommen hat. Hieran hat der Rechtsanwalt mitgewirkt. Wie sich aus dem Protokoll ergibt, sah der Kläger die Landabfindung trotz der zustande gekommenen Änderung des Flurbereinigungsplans zwar nach wie vor als ungerecht an, gab aber im Hinblick auf die Rechtsauffassung des Gerichts eine Erledigungserklärung ab. Dies zeigt, dass er erst infolge des telefonisch eingeholten Ratschlags seines Bevollmächtigten zur Vermeidung erheblicher Gerichtskosten im Fall eines möglichen Unterliegens von einem Klageantrag abgesehen hat. Im Übrigen steht die hier vertretene Auffassung auch im Einklang mit der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (s. OVG NRW, B. v. 18.12.2008 -12 E 1120/08 - juris Rn. 7).

Die Vergütung ist gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG nach der zum Zeitpunkt der Auftragserteilung geltenden Gesetzesfassung zu berechnen (hier: Februar 2013). Die Höhe der hier antragsgemäß anzusetzenden 1,0-Erledigungsgebühr bestimmt sich aus dem Gegenstandswert von 10.000 € (nach Verbindungsbeschluss). Diese beträgt 486 € nach der Tabelle in Anlage 2 zu § 13 RVG. Hiervon entfällt auf den Kläger gemäß dem Verhältnis der Streitwerte vor Verbindung ein Fünftel (97,20 € plus 19% Umsatzsteuerauslage nach Nr. 7008 VV RVG = 115,67 €).

Die übrigen angefallenen Rechtsanwaltskosten bedürfen wegen der seitens der Beklagten bereits bewirkten Leistung nicht der Festsetzung. Zwar sind materiell-rechtliche Einwendungen gegen den prozessualen Kostenerstattungsanspruch im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (BayVGH, B. v. 14.7.2003 - 15 C 03.947 - BayVBl. 2004, 284), etwas anderes gilt aber bei Leistungen, die - wie im vorliegenden Fall - vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses vorbehaltlos und unstrittig zur Erfüllung des gegnerischen Aufwendungsersatzanspruchs erbracht wurden (vgl. § 362 Abs. 1 BGB); diese sind nach h. M. im Rahmen der Kostenfestsetzung anzurechnen (BGH, B. v. 7.12.2010 - VI ZB 45/10 - NJW 2011, 861; BayVGH, B. v. 28.6.2005 - 13 A 01.1909 - NVwZ-RR 2006, 221 = BayVBl. 2006, 55; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 104 Rn. 13).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtskostenfrei (Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 151 Rn. 6).