Verwaltungsgericht München Beschluss, 11. März 2016 - M 12 S7 16.50200

11.03.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Unter Abänderung der Ziffer 1 des Beschlusses vom 29. Januar 2016 (M 12 S 15.50764) wird die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 19. August 2015 angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 7 VwGO gegen die angeordnete Überstellung nach Italien im Rahmen des so genannten „Dublin-Verfahrens“.

Der am ... geborene Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger. Eigenen Angaben zufolge reiste er am 5. April 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 2. Juni 2015 einen Asylantrag.

Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am Tag der Antragstellung erklärte der Antragsteller, er habe sein Herkunftsland bereits am 14. Februar 2013 verlassen. Vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland habe er sich eine Woche in Niger, ca. sieben Monate in Libyen und ein Jahr und sieben Monate in Italien aufgehalten. Insgesamt habe seine Reise ca. zwei Jahre gedauert. Am 17. September 2013 habe er in Italien internationalen Schutz beantragt. An diesem Tag seien ihm auch Fingerabdrücke abgenommen worden. Ein Aufenthaltsdokument für die Bundesrepublik Deutschland oder einen anderen Mitgliedstaat besitze er nicht.

Bei einer Zweitbefragung am selben Tag gab der Antragsteller des Weiteren an, unter Augenproblemen zu leiden. Er befinde sich deswegen aber weder in ärztlicher Behandlung noch müsse er Medikamente einnehmen. Er wolle nicht nach Italien überstellt werden, da er dort keine Arbeit habe.

Ein Abgleich der Fingerabdrücke des Antragstellers ergab einen EURODAC-Treffer (Nr. IT2...) für Italien. Auf das Übernahmeersuchen vom 29. Juli 2015 hin erklärten sich die italienischen Behörden mit Schreiben vom 12. August 2015 mit der Wiederaufnahme des Antragstellers gemäß Art. 18 Abs. 1 d) Dublin III-VO einverstanden.

Mit Bescheid vom 19. August 2015, ausweislich Postzustellungsurkunde zugestellt am 27. August 2015, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheides) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 2 des Bescheides). Des Weiteren wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 0 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 3 des Bescheids).

Am ... September 2015 hat der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben (Verfahren M 12 K 15.50763) und gleichzeitig gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (Verfahren M 12 S 15.50764).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen geltend gemacht, abgelehnte Asylbewerber sowie auch solche, denen subsidiärer Schutz zugesprochen worden sei, seien in Italien oftmals noch schlechter gestellt als Asylbewerber innerhalb des Asylverfahrens. Sie erhielten weder finanzielle Mittel noch werde ihnen Wohnraum zugewiesen. Sie seien auf sich selbst gestellt und stünden vor der Situation, kurzfristig Wohnraum und eine Arbeitsstelle organisieren zu müssen ohne jeden Anspruch auf staatliche Unterstützung. Nur unter bestimmten Umständen dürften Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (oder aberkannt) worden sei, danach noch bis zu sechs Monaten in einer SPRAR-Einrichtung bleiben. Die Bedenken hinsichtlich der systemischen Mängel in Italien griffen in gleicher Weise durch.

Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 7. September 2015 die Behördenakte vor. Ein Antrag wurde nicht gestellt.

Mit Schreiben vom ... September 2015 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers eine persönliche Schilderung des Antragstellers über seine Flucht aus Nigeria vom 20. August 2015 sowie ein ärztliches Attest von Dr. ..., Facharzt für Nervenheilkunde - Psychotherapie - vom ... September 2015 vor, wonach folgende Erkrankungen diagnostiziert wurden: Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1), Angst- und Panikstörung (F41.1), Spannungskopfschmerz - episodisch (G44.2). Dem Attest zufolge befindet sich der Antragsteller seit ... September 2015 in ambulanter nervenärztlicher Behandlung. Er erhalte das Medikament Mirtazapin. Beim Erstkontakt habe der Antragsteller berichtet, dass sein Kopf nicht mehr richtig sei. Er könne nicht schlafen, nicht essen, sehe immer Blut und Menschen, die sterben. Er habe Suizidgedanken. Wenn er nach Italien abgeschoben werde, würde er sich selbst töten. Seine Fluchtgeschichte habe er aufgeschrieben. Darin berichte er über verschiedene traumatische Erlebnisse in Nigeria, Libyen und Italien. Insbesondere seien ihm nahestehende Menschen ermordet worden. Im psychischen Befund bestätigten sich die Schilderungen des Antragstellers. Von akuter Suizidalität könne er sich distanzieren. Der Antragsteller leide unter starken Angstzuständen und Alpträumen, auch Flashbacks, so dass von einer posttraumatischen Belastungsstörung auszugehen sei. Er benötige dringend eine weitere Behandlung. Eine Rückführung nach Italien sei nicht möglich, da er dann wieder an einen der Orte seiner Traumatisierung zurückkäme, was zu einer psychischen Dekompensation mit der Gefahr von Suizidalität führen würde. Somit bestehe Reiseunfähigkeit für Italien, aber auch für sein Herkunftsland Nigeria wie auch Libyen.

Das Gericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss vom 29. Januar 2016 abgelehnt.

Mit Telefax seines Bevollmächtigten vom ... März 2016 hat der Antragsteller einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO gestellt und beantragt,

den Beschluss vom 29. Januar 2016 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die psychische Verfassung des Antragstellers besorgniserregend sei. Dies sei bisher in der jetzt zu Tage getretenen Form noch nicht abschätzbar gewesen. Der Antragsteller habe darüber hinaus in der Fortsetzung der therapeutischen Behandlung und der damit gewonnen Vertrauensbasis weitere Informationen geben können, die für die Beurteilung der Schutzbedürftigkeit wesentliche Aspekte geboten hätten und die behandelten Therapeuten in die Lage versetzten, die Gefahr der Retraumatisierung sowie der Selbstgefährdung über das bisherige Maß hinaus beurteilend erläutern zu können.

Mit der Antragsbegründung wurden eine fachpsychotherapeutische Stellungnahme von Frau ..., Psychologische Psychotherapeutin, vom ... Februar 2016 sowie ein weiteres ärztliches Attest von Herrn ..., Facharzt für Nervenheilkunde - Psychotherapie - vom ... März 2016 vorgelegt. Laut der fachpsychotherapeutischen Stellungnahme vom ... Februar 2016 bestehe eine Reiseunfähigkeit des Antragstellers sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne. Es bestehe eine ernste Suizidabsicht mit Krankheitswert. Er wolle lieber sterben als ausgewiesen zu werden und habe bereits konkrete Pläne. Der Antragsteller habe im Gespräch angegeben, in Italien seines Lebens nicht sicher gewesen zu sein. Neben den Verfolgungen und Verletzungen im Überlebenskampf durch mafiöse Gruppen seien auch sexuelle Übergriffe angedeutet worden. Dem ärztlichen Attest vom ... März 2016 lässt sich entnehmen, dass der Antragsteller eine ausgeprägte Angst in Bezug auf Italien habe, so dass er mehrfach ernsthafte Suizidgedanken habe. Er benötige dringend weiterer Behandlung. Der Antragsteller habe angegeben, in Italien mehrfach bedroht und geschlagen worden zu sein. Eine Rückführung nach Italien sei nicht möglich, da der Antragsteller dann wieder an einen der Orte seiner Traumatisierung zurückkäme. Es sei von einer posttraumatischen Belastungsstörung in Bezug auf Nigeria und jetzt auch Italien auszugehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte des Bundesamts Bezug genommen.

Gründe

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO ist zulässig und begründet.

Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 und Satz 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben; je-der Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

Das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO darf nicht als Rechtsmittelverfahren zu einer vorhergehenden Entscheidung verstanden werden. Es dient allein der Möglichkeit, einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage Rechnung zu tragen. Prüfungsmaßstab für die Entscheidung ist daher allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage geboten ist (vgl. BVerwG, B. v. 25.8.2008 - 2 VR 1/08 - juris; VGH BW, B. v. 16.12. 2001 - 13 S 1824/01 - juris; OVG NRW, B. v. 7.2.2012 - 18 B 14/12 - juris). Dasselbe gilt bei einer Veränderung der Prozesslage, etwa aufgrund neuer Erkenntnisse. Darüber hinaus müssen die geänderten Umstände geeignet sein, eine andere Entscheidung herbeizuführen (vgl. VG Augsburg, B. v. 30.9.2013 - Au 5 S 13.30305 - juris, Rn. 10; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 80 Rn. 202 ff. m. w. N.).

Das Vorbringen des Antragstellers ist geeignet, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamtes, nämlich den Antragsteller im Rahmen des Dublin-Verfahrens nach Italien zu überstellen, in Zweifel zu ziehen und eine Änderung des Beschlusses vom 29. Januar 2016 zu rechtfertigen.

Das Gericht ist zwar nach wie vor der Auffassung, dass bei einer Abschiebung nach Italien kein Verstoß gegen Art. 4 EU-Grundrechte-Charta (EU-GRCh) wegen dort vorhandener systemischer Mängel des Asylverfahrens gemäß der Rechtsprechung des EuGH (vgl. U. v. 21.11.2011 - Rs. C-411/10 - NVwZ 2012, 417) droht. Auf den Beschluss vom 29. Januar 2016 wird insoweit Bezug genommen.

Es ist davon auszugehen, dass Erkrankungen der diagnostizierten Art auch in Italien behandelt werden können und der Antragsteller Zugang zum italienischen Gesundheitssystem hat. Die medizinische Versorgung und Betreuung psychisch Kranker ist in Italien grundsätzlich möglich. In Italien können sich alle Ausländer beim Servizio Sanitario Nazionale melden und registrieren lassen. Dafür benötigen sie ihren Aufenthaltstitel, ihre Steuernummer, die sie bei der Agenzia delle Entrate erhalten, sowie eine feste Adresse. Selbst wenn kein fester Wohnsitz besteht, kann über Sammeladressen bei der Caritas eine entsprechende Anmeldung erreicht werden. Mit der Registrierung haben alle Zugang zu einem Allgemeinarzt und kostenloser Behandlung. Überweisungen an Spezialisten bzw. Fachärzte werden kostenlos übernommen. Eine ärztliche Versorgung ist im Allgemeinen auch gewährleistet, soweit es um die Behandlung von psychischen bzw. traumatischen Erkrankungen geht. Eine kostenfreie medizinische Versorgung steht dabei auch Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Die Notambulanz ist für alle Personen in Italien kostenfrei (vgl. VG Regensburg, B. v. 30.4.2014 - RN 5 S 14.50067, m.V.a. AA an das OVG Sachsen-Anhalt vom 21.1.2013).

Eine ausreichende medizinische Versorgung des Antragstellers ist daher jedenfalls dann gewährleistet, wenn die deutschen Behörden schon im Vorfeld der Überstellung Kontakt mit den italienischen Behörden aufnehmen und diese über die individuellen Bedürfnisse des Antragstellers informieren. Soweit dieser Informationsaustausch erfolgt, genügt der überstellende Staat grundsätzlich den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention, so dass selbst bei Überstellung von besonders schutzbedürftigen Personen - wie etwa psychisch Kranken - nach Italien keine grundlegenden Einwände bestehen. (vgl. VG Augsburg, B. v. 27. Mai 2014 - Au 7 S 14.50094 - juris Rn. 61 zu Spanien).

Es ist derzeit aber nicht mit hinreichender Sicherheit zu klären, ob im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

Der Abschiebung stehen möglicherweise inlandsbezogene Abschiebungshindernisse gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG entgegen (zur Prüfungspflicht des Bundesamtes vgl. BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427).

Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist unter anderem gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche außerhalb des Transportvorgangs eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt und diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne; vgl. BayVGH, U. v. 18.10.2013 - 10 CE 13.1890 - juris). Ebenso kann eine konkrete, ernstliche Suizidgefährdung mit Krankheitswert zu einem Abschiebungshindernis führen (vgl. BayVGH, B. v. 8.2.2013 - 10 CE 12.2396 - juris Rn. 11).

Bei einer psychischen Erkrankung kann außer in Fällen einer eigentlichen Flugreise- bzw. Transportuntauglichkeit nur dann von einer Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne ausgegangen werden, wenn entweder im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Ausländers droht, der auch nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden kann, oder wenn dem Ausländer unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon sonst konkret eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, die allerdings - in Abgrenzung zu zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen - nicht wesentlich (erst) durch die Konfrontation des Betreffenden mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt werden darf. Ferner kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis aufgrund einer (auch psychischen) Erkrankung vorliegen, wenn dem Ausländer bei seiner Ankunft im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des oben aufgezeigten Maßstabs droht, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft einsetzenden Versorgung und Betreuung fehlt.

Legt der Ausländer ärztliche Atteste bzw. Fachberichte über seine Reiseunfähigkeit vor, sind diese zu deren Beweis nur geeignet, wenn sie nachvollziehbar die zugrundeliegenden Befundtatsachen angeben, ggf. die Methode der Tatsachenerhebung benennen und nachvollziehbar die fachlich-medizinische Beurteilung bzw. Diagnose des Krankheitsbilds sowie die konkreten Folgen darlegen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich in Zukunft ergeben (prognostische Diagnose), wobei sich Umfang und Genauigkeit der erforderlichen Darlegung jeweils nach den Umständen des Einzelfalls richten (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U. v. 11.9.2007 - 10 C 17/07 - juris Rn. 15; BayVGH, B. v. 29.7.2014 - 10 CE 14.1523 - juris Rn. 21; B. v. 8.2.2013 - 10 CE 12.2396 - juris Rn. 13; B. v. 9.1.2012 - 10 CE 11.2044 - juris Rn. 9; OVG NRW, B. v.29.11.2010 - 18 B 910/10 - juris; VG Bayreuth, B. v. 4.11.2014 - B 3 E 14.734 - juris Rn. 33).

Hiervon ausgehend enthalten die nunmehr vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen vom ... Februar 2016 und vom ... März 2016 zumindest - aufklärungsbedürftige - Anhaltspunkte dafür, dass beim Antragsteller derzeit ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aufgrund krankheitsbedingter Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne vorliegen könnte. Beiden Attesten ist zu entnehmen, dass sich der Gesundheitszustand des Antragstellers zwischenzeitlich wesentlich verschlechtert hat. Den behandelnden Ärzten gegenüber hat der Antragsteller konkrete Suizidabsichten geäußert, die aus ärztlicher Sicht als ernsthaft einzuschätzen sind. Laut der fachpsychotherapeutischen Stellungnahme vom ... Februar 2016 sei beim Antragsteller eine Suizidabsicht mit Krankheitswert festzustellen. Ferner ergibt sich aus den vorgelegten Attesten, dass der Antragsteller angegeben habe, in Italien Opfer von Gewalt geworden zu sein. Eine Rückführung nach Italien sei deshalb dem Attest vom ... März 2016 zufolge derzeit nicht möglich, da der Antragsteller dann wieder an den Ort seiner Traumatisierung zurückkäme, was zu einer psychischen Dekompensation führen würde.

Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist somit jedenfalls offen, ob durch eine Abschiebung nach Italien eine wesentliche Verschlechterung der beim Antragsteller nach den vorliegenden ärztlichen Attesten offenbar vorhandenen psychischen Erkrankung eintreten und sich dadurch die auf dieser Krankheit beruhende Selbstmordgefahr in einer Weise erhöhen wird, dass eine Abschiebung nicht verantwortet werden kann.

Im Rahmen der bei offenen Erfolgsaussichten vorzunehmenden allgemeinen Interessensabwägung überwiegt das Suspensivinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Denn im Falle einer Abschiebung ist eine Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit des Antragstellers nicht ausgeschlossen. Dahinter hat das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin bis zur Entscheidung in der Hauptsache zurückzutreten.

Es wird im Hauptsacheverfahren insbesondere abschließend zu klären sein, ob und ggf. inwieweit im Fall des Antragstellers tatsächlich ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aufgrund krankheitsbedingter Reiseunfähigkeit bzw. Suizidalität gegeben ist. Hierzu dürfte eine amtsärztliche Untersuchung sowie ggf. die Einholung einer ergänzenden (fach-)ärztlichen Stellungnahme oder eines (fach-)ärztlichen Gutachtens angezeigt sein. Der Antragsteller ist insoweit gemäß § 82 Abs. 4 AufenthG zur Mitwirkung verpflichtet, insbesondere zur Duldung einer ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit (vgl. OVG LSA, B. v. 1.12.2014 - 2 M 119/14 - juris Rn. 8 f.).

Dem Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die mit diesem Beschluss neu getroffene Kostenentscheidung bezieht sich lediglich auf das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO. Die Kostenentscheidung des Beschlusses vom 29. Januar 2016 bleibt von der Aufhebung unberührt, da die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit diesem Beschluss aufgrund veränderter Umstände ex nunc erfolgt. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

...

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 80 Ausschluss der Beschwerde


Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34a Abschiebungsanordnung


(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 82 Mitwirkung des Ausländers


(1) Der Ausländer ist verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlich

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Antragsgegnerin vorläufig untersagt werden soll, Abschiebungsmaßnahmen aus dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Januar 2014 sowie aus der Zurückschiebungsverfügung der Bundespolizeiinspektion R. vom 2. Dezember 2013 bzw. Abschiebungsmaßnahmen gegen die Antragstellerin bis zur Entscheidung über diesen Antrag durchzuführen.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die zur Begründung der Beschwerde dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO seine Prüfung zu beschränken hat, rechtfertigen nicht die Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, weil sich aus ihrem Vorbringen nicht ergibt, dass der Antragstellerin der geltend gemachte Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung oder Zurückschiebung zusteht.

Der Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin die Vollziehung der Abschiebung aus der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG im Bescheid des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 zu untersagen, bleibt ohne Erfolg. Insoweit ist

die Antragsgegnerin auch passivlegitimiert. Entgegen der vom Verwaltungsgericht im Beschluss vom 10. Februar 2014 (Az. M 12 S7 14.30227) vertretenen Auffassung hat das Bundesamt im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG die (rechtliche und tatsächliche) Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (st. Rspr. des Senats; vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 28.10.2013 - 10 CE 13.2257 - juris Rn. 4; B.v. 20.11.2012 - 10 CE 12.2428 - juris Rn. 4; NdsOVG, U.v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 - juris Rn. 41; OVG Berlin-Bbg, B.v. 1.2.2012 - 2 S 6/12 - juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 - juris Rn. 4). Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe. Bei nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretenden Abschiebungshindernissen hat das Bundesamt gegebenenfalls die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von der Vollziehung der Abschiebungsanordnung abzusehen (OVG NRW, B.v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 - juris Rn. 4).

Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf vorläufige Aussetzung der mit Bescheid vom 20. Januar 2014 angeordneten Abschiebung ist allerdings unzulässig. Für den vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG verweist § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG ausdrücklich auf das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO. Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist somit gemäß § 123 Abs. 5 VwGO nicht statthaft. Die Antragstellerin kann insoweit im noch beim Verwaltungsgericht anhängigen Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO (Az. M 12 S7 14.30364) effektiven Rechtsschutz erlangen. In diesem Verfahren macht die Antragstellerin ebenfalls geltend, dass in ihrer Person sowohl inlandsbezogene als auch zielstaats-bezogene Abschiebungshindernisse vorliegen. Käme das Verwaltungsgericht in diesem Verfahren bei summarischer Prüfung zum Ergebnis, dass die geltend gemachten Abschiebungshindernisse vorlägen, so hätte es die aufschiebende Wirkung der Klage (M 12 K 14.30132) gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 anzuordnen, so dass die Abschiebungsanordnung bis zu einer anderweitigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht vollziehbar wäre. Damit hätte die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, Vollzugsmaßnahmen aus der Abschiebungsanordnung vom 20. Januar 2014 zu unterlassen, vollständig erreicht.

Im Übrigen handelt es sich bei einer Rechtsstreitigkeit über die Entscheidung des Bundesamtes nach § 34a Abs. 1 AsylVfG um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit i. S. d. § 80 AsylVfG, die nicht mit der Beschwerde angefochten werden kann.

Der Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, Abschiebungsmaßnahmen aus der Zurückschiebungsverfügung vom 2. Dezember 2013 durchzuführen, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Für eine diesbezügliche einstweilige Anordnung fehlt (wohl schon) das Rechtsschutzbedürfnis, weil sich die Zurückschiebungsverfügung durch die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 auf andere Weise erledigt hat (s. § 43 Abs. 2 VwVfG).

Eine Zurückschiebungsanordnung auf der Grundlage von § 57 Abs. 2 Hs. 2 AufenthG stellt einen belastenden anfechtbaren Verwaltungsakt dar (Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum AufenthaltsG, Stand August 2013, § 57 Rn. 17), der durch die Stellung des Antrags auf internationalen Schutz am 13. Januar 2014 und die Entscheidung des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 obsolet geworden ist und sich deshalb dadurch erledigt hat. Rechtsgrundlage für eine mögliche Abschiebung der Antragstellerin nach Ungarn ist damit ausschließlich die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG.

Selbst wenn man davon ausginge, dass die Zurückschiebungsanordnung noch Rechtswirkungen entfaltet, hätte es die Antragstellerin versäumt, gegen die Zurückschiebungsverfügung als belastenden Verwaltungsakt entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung Rechtsmittel einzulegen, so dass die Zurückschiebungsverfügung bestandskräftig geworden wäre. Vorläufigen Rechtsschutz hätte die Antragstellerin im Übrigen auch nur im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Zurückschiebungsverfügung erlangen können. Daher stünde auch § 123 Abs. 5 VwGO einem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO entgegen.

Soweit das Verwaltungsgericht im Beschluss vom 20. Februar 2014 davon ausgegangen sein sollte, dass der Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Abschiebung unabhängig von der asylverfahrensrechtlichen Streitigkeit aus § 34a AsylVfG als (zusätzliche) ausländerrechtliche Streitigkeit auf Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG zu behandeln sei, hilft auch dies der Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass der auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG gerichtete Eilantrag in einem solchen Fall gegen den Rechtsträger der zuständigen Ausländerbehörde und nicht gegen die Antragsgegnerin zu richten gewesen wäre. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich daher jedenfalls im Ergebnis als zutreffend.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG:

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, seine Abschiebung für einen Zeitraum von sechs Monaten auszusetzen, weiter.

Der Antragsteller reiste ursprünglich als Asylbewerber in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er wurde zunächst als Asylberechtigter anerkannt. Mit Bescheid vom 17. Juni 2003 widerrief das Bundesamt jedoch seine Asylberechtigung und die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 51 Abs. 1 AuslG und stellte zugleich fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorlägen. Mit Bescheid vom 25. Juni 2004 wurde der Antragsteller aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Der Antragsteller ist mehrfach straffällig geworden und verbrachte längere Zeiträume in Haft. Er ist drogen- und alkoholabhängig.

Nachdem der Antragsteller im April 2014 aus der Haft entlassen worden war, kündigte die Antragsgegnerin an, dass sie beabsichtige, ihn am 9. Juli 2014 nach P. abzuschieben. Sie erwirkte beim Amtsgericht München die Anordnung der Sicherungshaft für zwei Wochen (Beschluss vom 4. Juli 2014).

Am 7. Juli 2014 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers beim Verwaltungsgericht München, der Antragsgegnerin aufzugeben, die Abschiebung des Antragstellers für einen Zeitraum von sechs Monaten auszusetzen. Zur Begründung berief er sich auf ein fachärztliches Attest vom 10. Juni 2014, das dem Antragsteller eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome und den Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung bescheinigte. Der Antragsteller sei aus fachärztlicher Sicht nicht reisefähig.

Die Antragsgegnerin teilte dem Verwaltungsgericht am 8. Juli 2014 mit, dass der Antragsteller nicht habe festgenommen werden können, weil er unter der angegebenen Adresse nicht aufzufinden gewesen sei. Weder den Eltern noch dem Bruder sei bekannt, wo der Antragsteller sich derzeit aufhalte.

Mit Beschluss vom 9. Juli 2014 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Antrag ab. Der Antrag sei unzulässig, da dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Er sei offensichtlich untergetaucht, um sich der Festnahme zu entziehen. Das Gericht habe auch an der behaupteten Reiseunfähigkeit des Antragstellers trotz des vorliegenden Attests erhebliche Zweifel.

Mit seiner Beschwerde beantragt der Antragsteller,

den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Juli 2014 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Abschiebung des Antragstellers für einen Zeitraum von sechs Monaten auszusetzen.

Der Antragsteller sei nicht untergetaucht. Er habe nach seiner Haftentlassung im April 2014 erneut seine Anschrift unter der angegebenen Adresse bestätigt. Er sei auch tatsächlich unter dieser Adresse erreichbar. Zustellungen an ihn könnten unter dieser Adresse bewirkt werden. Eine Verpflichtung, sich durchgehend nur an einem Ort aufzuhalten, sei dagegen nicht ersichtlich. Der Antragsteller stehe in regelmäßigem Kontakt mit seinem Bevollmächtigten, auch nehme er die Termine bei seinem Bewährungshelfer wahr. Es könne nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass er kein Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung habe, wenn er an seiner Wohnanschrift nicht festgenommen werden könne. Die Feststellung, ob eine psychiatrische Behandlung im Kosovo praktisch und finanziell hinreichend gewährleistet sei, bleibe der Beurteilung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vorbehalten. Der Antragsteller habe einen entsprechenden Wiederaufnahmeantrag gestellt. Der Antragsteller habe sich auch nicht einer weiteren Untersuchung entzogen, vielmehr habe die Antragsgegnerin eine amtsärztliche Untersuchung abgelehnt.

Mit Bescheid vom 9. Juli 2014 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Wiederaufnahmeantrag des Antragstellers zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab. Ungeachtet der Nichtdarlegung einer nachvollziehbaren Rückkehrgefahrenprognose im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sowie der nicht nachvollziehbar dargelegten Diagnose einer Depression bleibe festzuhalten, dass sowohl in der Republik Serbien als auch in der Republik Kosovo psychische Erkrankungen hinreichend behandelt werden könnten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller sei untergetaucht. Mehrere Versuche, ihn an der Meldeadresse anzutreffen, seien erfolglos geblieben. Zu seinem Bewährungshelfer habe er seit Januar 2013 keinen persönlichen Kontakt. Sein Arbeitsverhältnis sei vom Arbeitgeber fristlos gekündigt worden. Es bestehe kein Anordnungsgrund mehr. Ein Anordnungsanspruch liege ebenfalls nicht vor.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erteilung einer vorläufigen Duldung für die Dauer von sechs Monaten im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Der Sachvortrag im Beschwerdeverfahren, auf den sich die Prüfung des Senats zu beschränken hat, rechtfertigt weder eine Abänderung noch eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Es kann vorliegend offen bleiben, ob der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO durch sein „Untertauchen“ bereits wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig ist oder es an der Dringlichkeit für eine gerichtliche Entscheidung und damit an einem Anordnungsgrund im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO fehlt, weil jedenfalls ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht glaubhaft gemacht ist.

Das Erstgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass in Einklang mit Art. 19 Abs. 4 GG jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt. Nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, hat einen Anspruch auf gerichtliche Sachentscheidung. Fehlt es daran, so ist das prozessuale Begehren als unzulässig abzuweisen (BVerfG, B. v. 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - juris Rn. 16 m. w. N.). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Verhalten eines rechtsschutzsuchenden Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an der Sachentscheidung des Gerichts nicht mehr gelegen ist (BayVGH, B. v. 20.12.1999 - 10 ZB 99.1418 - juris Rn. 3). Zwar ist der Antragsteller an seiner Meldeadresse derzeit nicht greifbar. Der Antragsteller macht jedoch geltend, dass er Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung habe, weil vor seiner Abschiebung zunächst geklärt werden müsse, ob wegen der ihm attestierten Erkrankung ein Abschiebungsverbot besteht. Auch wenn sich der Antragsteller derzeit seiner Festnahme entziehen will, lässt sich wohl alleine aus der Tatsache, dass er unter seiner Meldeadresse nicht aufgreifbar ist, nicht ohne weiteres auf sein fehlendes Rechtsschutzinteresse schließen. Mit seinem Bevollmächtigten und auch seinen Eltern steht er zumindest in telefonischem Kontakt.

Nicht abschließend geklärt ist derzeit auch, ob die Abschiebung des Antragstellers tatsächlich konkret bevorsteht und deshalb die für den Anordnungsgrund erforderliche besondere Dringlichkeit für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung besteht. Denn wenn der Antragsteller tatsächlich auf unabsehbare Zeit untergetaucht und für die Abschiebung zuständige Behörde nicht erreichbar sein sollte, fehlte es regelmäßig am Anordnungsgrund (BVerfG, B. v. 31.8.1999 - 2 BvR 1523/99 - juris Leitsatz). Gerichtlicher Eilrechtsschutz gegen die Abschiebung kann in diesen Fällen in Anspruch genommen werden, sobald der Antragsteller wieder auftaucht und der zuständigen Behörde den tatsächlichen Aufenthalts- und Wohnort mitteilt. Vorliegend geht die Antragsgegnerin aber wohl davon aus, dass es ihr noch gelingt, den Antragsteller tatsächlich abzuschieben. Denn sie hat dem Senat mitgeteilt, dass die Abschiebung für den 30. Juli 2014 geplant ist, obwohl sich der Antragsteller derzeit nicht an seiner Meldeadresse aufhält. Unter diesen Umständen muss es dem Antragsteller möglich sein, vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.

Die Beschwerde bleibt jedoch ohne Erfolg, weil der Antragsteller die Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat.

Das Vorbringen im Beschwerdeverfahren, wonach dem Antragsteller in seinem Heimatstaat nicht die benötigten Medikamente und die notwendige medizinische Betreuung zur Verfügung stünden, vermag kein beachtliches (zielstaatsbezogenes) Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu begründen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat den Antrag auf Abänderung des nach altem Recht ergangenen Bescheids vom 17. Juni 2003 bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG abgelehnt. Damit steht fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht vorliegen. Die Ausländerbehörde ist insoweit an die Feststellungen des Bundesamts gebunden (§ 42 Satz 1 AsylVfG). Im Übrigen sind Gründe dafür, dass die vom Bundesamt getroffenen Feststellungen nicht zutreffen, im Beschwerdeverfahren nicht dargelegt worden.

Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG besteht aber auch nicht wegen der vom Antragsteller geltend gemachten Reiseunfähigkeit. Von einer Reiseunfähigkeit im engeren Sinne spricht man, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne liegt dann vor, wenn die Abschiebung als solche außerhalb des Transportvorgangs eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (BayVGH, B. v. 18.10.2013 - 10 CE 13.1890 - juris Rn. 20; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 18.10.2013 - OVG 7 S 11.13 - juris Rn. 12). Zur Reiseunfähigkeit des Antragstellers führt das im Antragsverfahren vorgelegte fachärztliche Attest vom 10. Juni 2014 aus: „Es muss nach gegenwärtiger Einschätzung davon ausgegangen werden, dass bei einer Trennung des Patienten von seinen Bezugspersonen eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eintreten wird. Es ist damit zu rechnen, dass der Patient in einem Affektzustand eine akute Suizidalität entwickeln kann bzw. die Notwendigkeit einer stationären psychiatrischen Behandlung entsteht. Der Patient ist deshalb aus meiner fachärztlichen Sicht nicht reisefähig.“ Durch diese fachärztlichen Angaben ist jedoch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass beim Antragsteller während des eigentlichen Vorgangs der Abschiebung eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht oder das ernsthafte Risiko besteht, dass sich unmittelbar durch die Abschiebung als solche der Gesundheitszustand des Antragstellers wesentlich verschlechtert. Dem fachärztlichen Attest lässt sich entnehmen, dass offensichtlich bei Erstellung der ärztlichen Bescheinigung eine Suizidgefahr nicht bestand, sondern der Antragsteller sehr motiviert und sogar in der Lage war, einer Berufstätigkeit nachzugehen (die vom Arbeitgeber erst nach Bekanntwerden des Haftbefehls für die Sicherungshaft gekündigt worden ist). Attestiert wird ihm lediglich eine deutliche Depressivität. Eine Reiseunfähigkeit im engeren Sinn ist damit nicht festzustellen. Die behauptete wesentliche oder lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustands des Antragstellers (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne) wird durch das fachärztliche Attest ebenfalls nicht hinreichend belegt. Der Facharzt spricht zwar davon, dass der Antragsteller im Affektzustand eine akute Suizidalität entwickeln könne. Für diese prognostische Diagnose, die er ohnehin nur als Möglichkeit in Erwägung zieht, führt er jedoch keinerlei Befundtatsachen aus dem bisherigen Behandlungsverlauf oder der Krankheitsgeschichte des Antragstellers an, die als Beleg für eine Suizidgefahr dienen könnten. Ein Attest, dem nicht zu entnehmen ist, wie es zur prognostischen Diagnose kommt und welche Tatsachen dieser zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen Reiseunfähigkeit zu begründen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 8.2.2012 - 2 M 29/12 - juris Rn. 11 ff.). Hinzu kommt, dass selbst bei einer unterstellten ernsthaften Suizidgefahr nicht zwangsläufig ein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis vorliegt, sondern dass die Abschiebung von der zuständigen Ausländerbehörde dann so zu gestalten wäre, dass der Suizidgefahr wirksam begegnet werden kann (BayVGH, B. v. 9.4.2003 - 10 CE 03.4844 - juris Rn. 9, BVerfG, B. v. 16.4.2002 - 2 BvR 553/02 - juris; B. v. 26.2.1998 - 2 BvR 1985/98 - juris Rn. 4). Die Antragsgegnerin müsste in diesem Fall klären, ob tatsächlich die konkrete Gefahr einer Selbsttötung besteht, und dieser Gefahr gegebenenfalls zusätzlich zur bereits beabsichtigten Sicherheitsbegleitung durch eine entsprechende ärztliche Versorgung begegnen.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

4. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Bofinger, Augsburg, wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der am …1994 in Bagdad geborene Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben mit seinem Vater von Istanbul kommend auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 03.03.2014 seine Anerkennung als asylberechtigt. Sein am …1960 geborener Vater stellte seinen Asylantrag am 26.02.2014. Die VIS - Antragsauskunft ergab, dass der Antragsteller in Bagdad ein spanisches Visum für die Schengen-Staaten, gültig vom 01.02.2014 bis 25.02.2014, erhalten hatte (Beiakt I B 3 K 14.50036 Seite 30; wie auch sein Vater, Beiakt II B 3 K 14.50036 Seite 34).

Mit Schreiben vom 17.07.2014 erklärten die spanischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages des Antragstellers gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO. Eine solche Erklärung ging für seinen Vater bereits am 08.07.2014 zu (Beiakt II B 3 K 14.50036 Seite 74).

Mit Bescheid vom 24.07.2014 wurde der Antrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt und seine Abschiebung nach Spanien angeordnet. Zur Begründung wird angeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Spanien aufgrund des erteilten Visums gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO für seine Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.

Die Klage gegen diesen Bescheid ist bei Gericht unter dem Az.: B 3 K.14.50036 anhängig; über sie wurde noch nicht entschieden. Der Eilantrag des Antragstellers gem. § 80 Abs. 5 VwGO (B 3 S 14.50035) wurde durch gerichtlichen Beschluss vom 07.08.2014 abgelehnt. An der Zuständigkeit Spaniens für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers ergaben sich für das Gericht keine Zweifel.

Im Gerichtsverfahren B 3 K 14.50036 wurde seitens der früheren Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom 21.08.2014 eine ärztliche Bescheinigung des Klinikums der …, Klinik und Fallklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, vorgelegt, auf die verwiesen wird (Gerichtsakte B 3 K 14.50036, Seiten 20 - 23). Für den Vater des Antragstellers wurde mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21.08.2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine ebensolche Bescheinigung vom 19.08.2014 vorgelegt (Gerichtsakte B 3 K 14.50036, Seiten 27 – 29); auf diese Stellungnahme wird ebenfalls verwiesen.

Seit dem 07.10.2014 war der Antragsteller unbekannt verzogen (B 3 K 14.50036, Gerichtsakte Seite 42).

Mit Schriftsatz vom 10.10.2014 nahm der jetzige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter bzw. als Flüchtling, sowie auf Feststellung von europarechtlichen Abschiebungshindernissen nach §§ 4 ff. AsylVfG bzw. § 60 Abs. 2 – 4 AufenthG zurück. Er stellte für den Antragsteller den Antrag, bezüglich seines Herkunftsstaates Irak das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen (B 3 K 14.50036, Gerichtsakte Seite 63).

Mit Schriftsatz vom 10.10.2014 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers weiterhin beim Landratsamt Bamberg die Erteilung einer Duldung für zunächst sechs Monate, hilfsweise für drei Monate beantragt. Dieser Antrag wurde auf § 60a Abs. 2 AufenthG gestützt. Es komme in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der Ausländer freiwillig ausreisen könne. Sodann wird offenbar ein Auszug aus der bekannten ärztlichen Stellungnahme des Klinikums der … vom 19.08.2014 zitiert. Schließlich wurde geltend gemacht, dass die Überstellungshaft im Dublin-Verfahren in Deutschland weitgehend rechtswidrig sei.

Ebenfalls mit Schriftsatz vom 10.10.2014 nahm der jetzige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers vorsorglich die Klage zurück, soweit nach dem Klageschriftsatz der bisherigen Prozessbevollmächtigten die Bundesrepublik Deutschland zu der Feststellung verpflichtet hätte werden sollen, den Antragsteller als Asylberechtigten und Flüchtling anzuerkennen und bei ihm das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 – 4 AufenthG festzustellen. Die Klage wurde nunmehr dahingehend formuliert, dass die Bundesrepublik Deutschland unter Aufhebung des Bescheids vom 24.07.2014 verpflichtet werden soll, beim Antragsteller bezüglich seines Herkunftsstaates Irak das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen (B 3 K 14.50036, Gerichtsakte Seite 57).

Mit Schriftsatz vom 24.10.2014 stellte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers für diesen den Eilantrag, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu untersagen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Ausländerbehörde des Landratsamts Bamberg über den Antrag auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Antragsteller fortzusetzen (Az. B 3 E 14.50090).

Zur Begründung wurde u. a. vorgetragen, der Antragsteller habe mit seinem Vater beim Landratsamt Bamberg vorgesprochen und sei sofort in Haft genommen worden. Es liege ein wirksamer Schutzantrag vor, der einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung einräume. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dürfe sich über das rechtswirksam gestellte Schutzbegehren nicht hinwegsetzen und müsse deshalb aufenthaltsbeendende Maßnahmen sofort einstellen. Mit Beschluss vom 28.10.2014 wurde dieser Eilantrag abgelehnt, weil das Gericht die Bundesrepublik Deutschland insofern nicht als passivlegitimiert ansah.

Mit Schriftsatz vom 29.10.2014 wandte sich der Antragsteller, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, erneut an das Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragte,

bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Ausländerbehörde des Landratsamts Bamberg über den Antrag auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG es dem Beklagten zu untersagen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Antragsteller fortzusetzen.

Zudem wurde Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung beantragt.

Zur Begründung wird insbesondere vorgetragen, der Antragsteller erstrebe nunmehr ausschließlich die Gewährung subsidiären Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Gegenüber dem Landratsamt Bamberg sei wie auch gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Schriftsätzen vom 10.10.2014 das Schutzbegehren auf die Gewährung dieses subsidiären nationalen Abschiebungsschutzes beschränkt worden. Damit sei auch nach Inkrafttreten von Dublin III die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich zuständig. Der Antragsteller sei nunmehr nicht mehr untergetaucht, vielmehr habe er seinen Aufenthalt in der JVA … Der Antragsgegner dürfe das rechtswirksam gestellte, auf Gewährung subsidiären nationalen Abschiebungsschutzes gerichtete Schutzbegehren nicht ignorieren und müsse deshalb aufenthaltsbeendende Maßnahmen sofort einstellen. Der Antragsteller habe als Christ im Irak seit langem unter der Bedrohung durch islamistische Fanatiker gelitten. Nach dem nach wie vor aktuellen Grundsatzurteil des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 08.02.2007 sei zutreffend von einer Gruppenverfolgung der Christen im Irak auszugehen.

Unabhängig von dem zweifelsfrei begründeten Schutzbegehren des Antragstellers gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtfertige sich der gestellte Eilantrag bereits aus dem Gesichtspunkt der nachgewiesenen Reiseunfähigkeit des Antragstellers gemäß der ärztlichen Bescheinigung des Klinikums der …, Klinik und Fallklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 19.08.2014.

Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 31.10.2014, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung trug er insbesondere vor, die Ausländerbehörde habe zu keiner Zeit eine Rückführung in den Irak geplant. Würde man der Rechtsauffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers folgen, könnte nach einer BAMF-Entscheidung und Anordnung der Abschiebung in einen Anwenderstaat der Dublin-III-VO durch Rücknahme des Asylantrags die Überstellung immer verhindert werden. Die Dublin-III-VO würde dann ins Leere laufen. Eine Reiseunfähigkeit des Antragstellers habe zu keiner Zeit mit qualifiziertem ärztlichen Attest nachgewiesen werden können. Halbherzig werde im letzten Absatz pauschal „eine Hauptbelastung für den Patienten ist zweifelsfrei die drohende Abschiebung nach Spanien“ erwähnt. Das vorgelegte Attest decke sich in weiten Teilen mit dem Attest des Vaters (B 3 E 14.735). Durch die bisher an den Tag gelegte Reisefreudigkeit des Antragstellers (Untertauchen im Raum München, Anwaltsbesuche in München und Augsburg, Arztbesuche in München) bestehe keine Reiseunfähigkeit bezüglich der Reisestrapazen, die eine Überstellung nach Spanien mit sich bringe. Der Antragsteller sei am 22.10.2014 von Bamberg in die Abschiebungshafteinrichtung nach Mühldorf ohne besondere Vorkommnisse transportiert worden (Fahrtdauer ohne Pause ca. 3,5 – 4 Stunden). Eine Überstellung nach Spanien dauere insgesamt nicht länger und stelle durch die Nähe des jetzigen Aufenthaltsortes … zum Flughafen keine größere Belastung für den Antragsteller dar. In Spanien werde der Antragsteller ein reguläres Asylverfahren erhalten und sei dort von einer Rückführung in den Irak umfassend geschützt. Die Aussetzung der Abschiebung nach Spanien habe daher nicht zu erfolgen. Eine Abschiebung in den Irak sei zu keinem Zeitpunkt geplant gewesen.

Der Asylantrag des Vaters des Antragstellers wurde mit Bescheid des Bundeamtes vom 18.07.2014 als unzulässig abgelehnt und ebenfalls die Abschiebung nach Spanien angeordnet. Die dagegen am 10.10.2014 beim Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth erhobene Klage (B 3 K 14.50080) wurde mit anwaltlichem Schreiben vom 14.10.2014 wieder zurückgenommen. Für den Vater des Antragstellers wurde vom gemeinsamen Prozessbevollmächtigten ebenfalls mit Schriftsatz vom 29.10.2014 ein Eilantrag gestellt, der unter dem Az.: B 4 E 14.735 angelegt wurde. Mit Präsidiumsbeschluss vom 31.10.2014 wurde auch dieses Eilverfahren der 3. Kammer wegen einheitlicher Veranlassung zugeteilt und unter dem Az.: B 3 E 14.735 fortgeführt.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten, die Gerichtsakten in den Verfahren B 3 K 14.50036, B 3 S 14.50035, B 3 E 14.50090, sowie auf die Gerichtsakten in den Verfahren B 3 K 14.50080 und B 3 E 14.735 Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Ein Anspruch des Antragstellers auf vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer Duldung für zunächst sechs, hilfsweise drei Monate bzw. auf Einstellung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen ihn bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht ersichtlich nicht.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Der vollziehbar ausreisepflichtige Antragsteller, dessen Ausreisefrist abgelaufen ist, hat keinen Anspruch auf eine Duldung glaubhaft gemacht. Deshalb liegt wegen der ggf. drohenden Abschiebung zwar ein Anordnungsgrund, aber kein Anordnungsanspruch vor.

Gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.

Die Abschiebung des Antragstellers nach Spanien – und nur darum geht es hier – ist zweifellos nicht aus tatsächlichen Gründen unmöglich.

Die Abschiebung ist aber auch nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich.

Rechtlich unmöglich kann eine Abschiebung auch dann sein, wenn es durch die Abschiebung unmöglich gemacht oder jedenfalls in unzumutbarer Weise erschwert wird, eine ausländerrechtliche Rechtsposition im Bundesgebiet zu verfolgen (BayVGH, Beschluss vom 25.1.2010, Az. 10 CE 09.2762, juris Rdnr. 10). Ein Anordnungsanspruch könnte deshalb dann bestehen, wenn der Antragsteller glaubhaft gemacht hätte, dass er einen offenbaren Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (§ 25 Abs. 3 i.V.m. § 60 Abs. 5, 7 AufenthG) hat, den geltend zu machen die Abschiebung zumindest erschwert (vgl. VG München, Beschluss vom 24.8.2010, Az. M 10 S 10.3263 und 3264, juris Rdnr. 35).

Ein solch offenbarer Anspruch ist für den Antragsteller vorliegend jedoch weder glaubhaft gemacht, noch ansonsten ersichtlich.

Soweit der Eilantrag auf die Bedrohung des Antragstellers als Christ im Irak gestützt wird, erschließt sich dem Gericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG betreffend den Irak nicht. Gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Bei der Prüfung dieses Abschiebungsverbotes ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer angeschlossen hat, auch eine etwaige Gefahrenminderung durch zumutbares eigenes Verhalten des Ausländers in den Blick zu nehmen (siehe BVerwG U. v. 03.11.1992 Az.: 9 C 21/92 Rd.-Nr. 12, U. v. 15.04.1997, Az.: 9 C 38/96 Rd.-Nr. 27 und aus jüngster Zeit VGH Baden-Württemberg U. v. 26.02.2014 Az. A 11 S 2519/12, unveröffentlichter Entscheidungsabdruck Seite 40, wonach der, der durch eigenes zumutbares Verhalten – insbesondere durch freiwillige Rückkehr – drohende Verfolgung oder sonstige im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes hat). Es ist vorliegend in keiner Weise ersichtlich, dass es dem Antragsteller nicht zuzumuten wäre, entsprechend den europäischen Regelungen in der Dublin-III-Verordnung seinen Asylantrag in Spanien zu stellen und dort sein Schutzbegehren bezüglich des Ziellandes Irak geltend zu machen. Dass der Antragsteller dies offenbar wegen der Ansässigkeit seiner Großfamilie im Münchner Raum nicht will und von Anfang an nicht wollte, ändert nichts daran, dass ihm die Einhaltung der europäischen Zuständigkeitsregeln für die Beantragung internationalen Schutzes in Europa zuzumuten ist. Der Antragsteller betreibt typisches „forumshopping“, d. h., es geht ihm inhaltlich zwar um klassischen Flüchtlingsschutz, äußerlich jedoch verpackt in ein bloßes nationales Abschiebungsverbot um die Zuständigkeitsregeln der Dublin-III-Verordnung zu unterlaufen. Dies ist dem Antragsteller unbenommen, er muss sich allerdings bei der Prüfung des Abschiebungsverbotes des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darauf verweisen lassen, dass es ihm frei steht, sich vor den ihm im Irak als Christen drohenden Gefahren durch eine Asylantragstellung in Spanien zu schützen. Insofern stünde einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gem. § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Übrigen wohl auch entgegen, dass dem Antragsteller die Ausreise nach Spanien möglich und zumutbar ist.

Soweit der Eilantrag auf die „nachgewiesene Reiseunfähigkeit des Antragstellers“ laut ärztlicher Bescheinigung vom 19.08.2014 gestützt wird, erschließt sich dem Gericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, das zur Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG führen könnte, ebenfalls nicht. Von einer Reiseunfähigkeit im engeren Sinne spricht man, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne liegt dann vor, wenn die Abschiebung als solche außerhalb des Transportvorgangs eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (BayVGH, B. v. 29.07.2014, 10 CE 14.1523 juris Rn. 21; B. v. 18.10.2013 – 10 CE 13.1890 – juris Rn. 20; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 18.10.2013 – OVG 7 S 11.13 – juris R.12).

Legt der Ausländer ärztliche Fachberichte vor, sind diese zum Beweis für eine Reiseunfähigkeit nur geeignet, wenn sie nachvollziehbar die Befundtatsachen angeben, gegebenenfalls die Methode der Tatsachenerhebung benennen und nachvollziehbar die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes sowie die Folgen darlegen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich in Zukunft ergeben (prognostische Diagnose), wobei sich Umfang und Genauigkeit der erforderlichen Darlegung jeweils nach den Umständen des Einzelfalls richten. Insbesondere ist es dem Arzt, der ein Attest ausstellt, untersagt, etwaige rechtliche Folgen seiner fachlich begründeten Feststellungen und Folgerungen darzulegen oder sich mit rechtlichen Fragen auseinanderzusetzen (BayVGH vom 18.10.2013, a.a.O., Rd.-Nr. 21 m.w.N.). Ein Attest, dem nicht zu entnehmen ist, wie es zur prognostischen Diagnose kommt und welche Tatsachen dieser zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes wegen Reiseunfähigkeit zu begründen (siehe BayVGH B. v. 29.07.2014, 10 CE 14.1523, Rd.-Nr. 21).

Nach diesen Maßstäben hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass bei ihm eine Reiseunfähigkeit vorliegt, die zur Aussetzung seiner Abschiebung führen müsste.

Eine Transportunfähigkeit (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne) liegt offenkundig nicht vor. Aber auch eine Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne ist nach der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 19.08.2014 (B 3 K 14.50036, Seiten 20 ff.) nicht glaubhaft gemacht. Zunächst ist festzuhalten, dass dem Antragsteller nach einmaligem Patientenkontakt am 19.08.2014 die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode (ICD-10:F33.2), gestellt wurde. Eine differenzierte Diagnostik – außer den Schilderungen des Antragstellers, die offenbar 1:1 als Tatsachen übernommen wurden – ist der Bescheinigung nicht zu entnehmen, was schon die Frage aufwirft, inwieweit die gestellte Diagnose fachlich hinreichend begründet ist. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch sein Vater nach einmaligem Arztkontakt ein weitgehend gleichlautendes Attest erhielt. Abgesehen davon führt das vorgelegte fachärztliche Attest vom 19.08.2014 zur Reiseunfähigkeit des Antragstellers aus:

„Trotz eindringlicher Aufklärung von unserer Seite lehnte der Patient die stationäre Aufnahme aus Angst ‚eingesperrt zu werden‘ ab.

Es besteht bei Herrn … eine klare Indikation für eine kontinuierliche ärztliche Behandlung.

Daher ist die engmaschige medikamentöse und psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung des Patienten angesichts des aktuellen psychopathologischen Zustandsbildes im Rahmen der vorliegenden chronischen Erkrankung dringend notwendig.

Aus ärztlicher Sicht ist Herr … zum gegenwärtigen Zeitpunkt und bis auf weiteres reiseunfähig. Er ist aktuell aufgrund der Schwere seiner psychiatrischen Erkrankung in seiner Belastbarkeit deutlich eingeschränkt und somit einer Exazerbation seiner Erkrankung mit akuter Eigengefährdung ausgesetzt. Kumulierende externe Belastungsfaktoren führten und führen bei unserem Patienten immer wieder zu krisenhaften Einbrüchen mit akuter Suizidalität. Diese sind Ausdruck der ausgeprägten intrapsychischen Konflikte des Patienten auf dem Boden frühkindlicher, kindlicher und jugendlicher Erfahrungen in Form von erheblichen Entbehrungen, Belastungen und traumatischen Erlebnissen. Eine Hauptbelastung für den Patienten ist zweifelsfrei die drohende Abschiebung nach Spanien. Die psychischen Auswirkungen einer solchen Maßnahme führen mit Sicherheit zu einer Dekompensation und somit zu einer akuten Eigengefährdung unseres Patienten. Zudem ist aufgrund der gegenwärtigen Bedingungen für Asylbewerber in Irak eine engmaschige psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung nicht zu erwarten. Ein Behandlungsabbruch ist aus medizinischer Sicht nicht vertretbar. Die notwendigen psychiatrischen und psychotherapeutischen Interventionen erfolgen in regelmäßigen Abständen in unserer Migrationsambulanz in der Muttersprache des Patienten.

Herr … benötigt dringend weiterhin ein gesichertes, unterstützendes Umfeld einhergehend mit einer stabilen Aufenthaltsperspektive.“

Durch diese fachärztlichen Angaben ist jedoch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass beim Antragsteller während des eigentlichen Vorgangs der Abschiebung eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht oder das ernsthafte Risiko besteht, dass sich unmittelbar durch die Abschiebung als solche der Gesundheitszustand des Antragstellers wesentlich verschlechtert. Eine Reiseunfähigkeit des Antragstellers im Sinne von Transportunfähigkeit „bis auf weiteres“ ist ohnehin durch seine Reisetätigkeit des Antragstellers nach der Erstellung des Attestes (u.a. Untertauchen, Reise nach München und von dort zurück nach Bamberg, Transport nach …*) widerlegt. Die behauptete wesentliche oder lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Antragstellers (Reiseunfähigkeit in weiterem Sinne) wird durch das fachärztliche Attest ebenfalls nicht hinreichend belegt. Dem Antragsteller wird zwar die dringende Behandlungsbedürftigkeit seiner „chronischen“ Erkrankung bescheinigt und er wird „aktuell“ einer „Exazerbation seiner Erkrankung mit akuter Eigengefährdung ausgesetzt“ gesehen. Eine Behandlung des Antragstellers im Anschluss an die Bescheinigung erfolgte aber offenbar nicht. Die stationäre Behandlung konnte der damals nach der Bescheinigung akut suizidgefährdete Antragsteller erstaunlicherweise ablehnen. Sonstige Therapiemaßnahmen seit August 2014 wurden nicht einmal ansatzweise vorgetragen. Welcher „Behandlungsabbruch“ aus medizinischer Sicht unvertretbar sein soll, ist schon von daher nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon unterliegt es keinem vernünftigen Zweifel, dass depressive Erkrankungen in Spanien hinreichend behandelbar sind und der Antragsteller erforderlichenfalls auch eine solche Behandlung erhalten würde.

Da die ärztliche Bestätigung auf die Behandlungsmöglichkeiten im Irak abstellt, kann allerdings auch nicht davon ausgegangen werden, dass die attestierenden Ärzte vollständig informiert waren bzw. die ihnen vorliegenden Informationen zutreffend eingeordnet haben.

Soweit die ärztliche Bestätigung als Hauptbelastung des Antragstellers „die drohende Abschiebung nach Spanien“ nennt (interessanterweise ist das beim Vater die drohende Abschiebung in den Irak), wird dies nicht weiter begründet und ist auch ansonsten nicht nachvollziehbar. Die Abschiebung des Antragstellers würde zusammen mit seinem Vater erfolgen und es ist auch abwegig, dass dem Antragsteller in Spanien als Christ die Verfolgung durch islamistische Fanatiker drohte, der er nach seinen Angaben im Irak ausgesetzt war.

Sofern die ärztliche Bestätigung vom 19.08.2014 schlussendlich zum Ausdruck bringen will, dass einer Suizidgefahr beim Antragsteller ausschließlich durch einen Verbleib (bei der Großfamilie) in Deutschland wirksam begegnet werden kann, mag schon die Fachlichkeit dieser (implizierten) Schlussfolgerung bezweifelt werden. Abgesehen davon liegt ein solches Junktim außerhalb der Reichweite des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nur vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 29.07.2014 (a.a.O., juris Rn. 21) ausdrücklich festhält, dass selbst bei einer unterstellten ernsthaften Suizidgefahr nicht zwangsläufig ein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis vorliegt, sondern dass die Abschiebung von der zuständigen Ausländerbehörde dann so zu gestalten wäre, dass der Suizidgefahr wirksam begegnet werden kann.

Da ein offenbarer Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nicht glaubhaft gemacht wurde, kann auch das darauf gestützte Duldungsbegehren keinen Erfolg haben.

2. Als unterliegender Teil trägt der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 8.1 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 f.).

3. Der gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Aus den dargelegten Gründen hat der Antragsteller jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, so dass keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestehen.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Der Ausländer ist verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen. Die Ausländerbehörde kann ihm dafür eine angemessene Frist setzen. Sie setzt ihm eine solche Frist, wenn sie die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen fehlender oder unvollständiger Angaben aussetzt, und benennt dabei die nachzuholenden Angaben. Nach Ablauf der Frist geltend gemachte Umstände und beigebrachte Nachweise können unberücksichtigt bleiben. Der Ausländer, der eine ICT-Karte nach § 19b beantragt hat, ist verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde jede Änderung mitzuteilen, die während des Antragsverfahrens eintritt und die Auswirkungen auf die Voraussetzungen der Erteilung der ICT-Karte hat.

(2) Absatz 1 findet im Widerspruchsverfahren entsprechende Anwendung.

(3) Der Ausländer soll auf seine Pflichten nach Absatz 1 sowie seine wesentlichen Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz, insbesondere die Verpflichtungen aus den §§ 44a, 48, 49 und 81 hingewiesen werden. Im Falle der Fristsetzung ist er auf die Folgen der Fristversäumung hinzuweisen.

(4) Soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist, kann angeordnet werden, dass ein Ausländer bei der zuständigen Behörde sowie den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheint sowie eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit durchgeführt wird. Kommt der Ausländer einer Anordnung nach Satz 1 nicht nach, kann sie zwangsweise durchgesetzt werden. § 40 Abs. 1 und 2, die §§ 41, 42 Abs. 1 Satz 1 und 3 des Bundespolizeigesetzes finden entsprechende Anwendung.

(5) Der Ausländer, für den nach diesem Gesetz, dem Asylgesetz oder den zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Bestimmungen ein Dokument ausgestellt werden soll, hat auf Verlangen

1.
ein aktuelles Lichtbild nach Maßgabe einer nach § 99 Abs. 1 Nr. 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung vorzulegen oder bei der Aufnahme eines solchen Lichtbildes mitzuwirken und
2.
bei der Abnahme seiner Fingerabdrücke nach Maßgabe einer nach § 99 Absatz 1 Nummer 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung mitzuwirken.
Das Lichtbild und die Fingerabdrücke dürfen in Dokumente nach Satz 1 eingebracht und von den zuständigen Behörden zur Sicherung und einer späteren Feststellung der Identität verarbeitet werden.

(6) Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 3 oder 4 sind, sind verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis mitzuteilen, dass die Ausbildung oder die Erwerbstätigkeit, für die der Aufenthaltstitel erteilt wurde, vorzeitig beendet wurde. Der Ausländer ist bei Erteilung des Aufenthaltstitels über seine Verpflichtung nach Satz 1 zu unterrichten.

Gründe

1

I. Die gemäß § 146 Abs. 4 VwGO zulässige Beschwerde der Antragsteller hat Erfolg.

2

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Antragsteller hätten nicht glaubhaft gemacht, dass ihre Ausreise aufgrund inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse infolge einer Erkrankung des Antragstellers zu 1 unmöglich sei. Es sei nicht davon auszugehen, dass bei diesem eine Reiseunfähigkeit vorliege. Die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen seien unzureichend. Die Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie D. enthalte weder eine Anamnese noch eine nachvollziehbare Diagnose. Die Bescheinigungen der Psychologinnen S. und K. seien zwar ausführlicher, beruhten aber nur auf den Angaben des Antragstellers zu 1, so dass die Schlussfolgerung, eine vorgetäuschte Diagnose könne ausgeschlossen werden, nicht überzeuge. Auch werde nicht darauf eingegangen, ob die vom Antragsteller zu 1 geschilderten Symptome in Zusammenhang mit der Einnahme von Medikamenten oder Halluzinogenen stünden. Auffällig sei, dass die vom Antragsteller zu 1 geäußerten Kriegserlebnisse im Rahmen der Anhörungen vor dem Bundesamt nicht geschildert worden seien. Zudem falle auf, dass sich der Antragsteller zu 1 erst nach Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen in psychiatrische Behandlung begeben habe, obwohl er sich bereits seit 2010 in Deutschland aufhalte. Die Bescheinigungen zögen auch keinerlei Alternativursachen in Betracht, obwohl dies angesichts der geschilderten Ängste des Antragstellers zu 1 naheliegend sei. Als Alternativursache komme ein schweres Entwurzelungssyndrom in Betracht. Dies werde weder erwähnt noch im Rahmen einer Differentialdiagnose diskutiert. Die psychologischen Stellungnahmen seien ersichtlich darauf angelegt, dem Antragsteller zu 1 zum beantragten Abschiebungsschutz zu verhelfen. Die äußerst kurzen Stellungnahmen der Amtsärztinnen S. und M. enthielten keinerlei medizinische Substanz. Es werde nicht einmal erläutert, um was für eine psychische Erkrankung es sich handeln soll, die beim Antragsteller zu 1 bestehe. Es sei auch nicht ersichtlich, dass dieser aufgrund einer akuten und schwerwiegenden Erkrankung an posttraumatischer Belastungsstörung dringend auf ärztliche Behandlung gerade in Deutschland angewiesen sei. Ziehe man in Betracht, dass bei einer Rückkehr des Antragstellers zu 1 in seine Heimat sowohl die Sprachbarriere, die einer aussichtsreichen Heilung psychischer Probleme in Deutschland entgegenstehe, als auch die soziale Isolation entfielen, sei von zusätzlichen Erschwernissen durch die Verneinung von Abschiebungshindernissen nicht auszugehen. Aufgrund der aufgezeigten Mängel sei auch nicht davon auszugehen, dass eine akute Suizidalität mit Eigen- und Fremdgefährdung bei einer Abschiebung des Antragstellers zu 1 bestehe. Möglichen Gefährdungen sei durch geeignete Vorkehrungen und Modalitäten bei der Abschiebung zu begegnen. Der Antragsgegner habe für sichere Abschiebemodalitäten und eine Begleitung durch Fachpersonal (Arzt/Sanitäter) Sorge zu tragen. Ebenso sei nach Eintreffen des Rücktransports in der Heimat des Antragstellers zu 1 durch vorherige Kontaktaufnahme mit den Heimatbehörden dessen nahtlose ärztliche und psychologische Begleitung und Versorgung sicherzustellen und eine Zurverfügungstellung von Medikamenten zu veranlassen. Dadurch werde der dem Antragsteller zu 1 bescheinigten Suizidgefahr im Rahmen der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen mit angemessenen Mitteln begegnet. Hinzu komme, dass eine Rückführung in die Heimat gerade zu einer Besserung der Gesamtsymptomatik führen könne: Die auch für seelisch Gesunde – zumal nach langjährigen Auslandsaufenthalt – bestehende starke Belastung einer drohenden Abschiebung entfalle nach dem Vollzug, was dafür spreche, dieses schwierige Phase nicht hinauszuzögern, sondern abzukürzen.

3

Dieser Würdigung durch das Verwaltungsgericht tritt die Beschwerde mit Erfolg entgegen.

4

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sogenannte Sicherungsanordnung). Anordnungsanspruch und -grund sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Für den Anordnungsanspruch einer Sicherungsanordnung genügt dabei die Glaubhaftmachung von Tatsachen, aus denen sich zumindest ergibt, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen ist; ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, wenn eine vorläufige Sicherung des in der Hauptsache verfolgten materiellen Anspruchs zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes dringlich ist (Beschl. d. Senats v. 20.06.2011 – 2 M 38/11 –, Juris RdNr. 8 m.w.N.).

5

Diese Voraussetzungen für den Erlass der von den Antragstellern begehrten einstweiligen Anordnung sind erfüllt. Es besteht die Gefahr, dass die vom Antragsgegner in Aussicht genommene Abschiebung der Antragsteller ohne eine vorherige gutachtliche Klärung der im Tenor bezeichneten Fragen die Verwirklichung eines ihnen in der Hauptsache möglicherweise zustehenden Anspruchs auf weitere Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vereitelt.

6

1. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist offen, ob durch die Abschiebung eine wesentliche Verschlechterung der beim Antragsteller zu 1 nach den vorliegenden ärztlichen bzw. psychologischen Stellungnahmen vorhandenen psychischen Erkrankung eintreten und sich dadurch die auf dieser Krankheit beruhende (latente) Selbstmordgefahr in einer Weise erhöhen wird, dass eine Abschiebung nicht verantwortet werden kann.

7

Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 20.06.2011 – 2 M 38/11 – a.a.O. RdNr. 5) kann auch eine bestehende psychische Erkrankung eines ausreisepflichtigen Ausländers ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG in zwei Fallgruppen begründen: Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange der Ausländer wegen Erkrankung transportunfähig ist, d. h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens" wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie – außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs – eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne). Es geht also nicht nur darum, während des eigentlichen Abschiebevorgangs selbstschädigende Handlungen eines aufgrund einer psychischen Erkrankung suizidgefährdeten Ausländers zu verhindern; eine Abschiebung hat vielmehr auch dann zu unterbleiben, wenn sich durch den Abschiebevorgang die psychische Erkrankung (wieder) verschlimmert, eine latent bestehende Suizidalität akut wird und deshalb die Gefahr besteht, dass der Ausländer unmittelbar vor oder nach der Abschiebung sich selbst tötet. Von einem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis ist auch dann auszugehen, wenn sich die Erkrankung des Ausländers gerade aufgrund der zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland wesentlich verschlechtert, und nicht nur, wenn ein Suizid während der Abschiebung droht (BayVGH, Beschl. v. 23.10.2007 – 24 CE 07.484 –, Juris RdNr. 21). Die Frage, ob Maßnahmen bei der Gestaltung der Abschiebung – wie ärztliche Hilfe und Flugbegleitung – ausreichen, um der auf einer psychischen Erkrankung beruhenden ernsthaften Suizidgefahr wirksam zu begegnen, lässt sich erst aufgrund einer möglichst fundierten und genauen Erfassung des Krankheitsbildes und der sich daraus ergebenden Gefahren beantworten; eine abstrakte oder pauschale Zusicherung von Vorkehrungen wird dem gebotenen Schutz aus Art. 2 Abs. 2 GG nicht gerecht (OVG NW, Beschl. v. 09.05.2007 – 19 B 352/07 –, Juris RdNr. 7).

8

Macht ein Ausländer eine solche Reiseunfähigkeit geltend oder ergeben sich sonst konkrete Hinweise darauf, ist die für die Aussetzung der Abschiebung zuständige Ausländerbehörde verpflichtet, den aufgeworfenen Tatsachenfragen, zu deren Beantwortung im Regelfall medizinische Sachkunde erforderlich ist, im Rahmen ihrer Amtsaufklärungspflicht nach § 24 VwVfG i.V.m. § 1 VwVfG LSA nachzugehen, wobei der Ausländer zur Mitwirkung verpflichtet ist (§ 82 AufenthG). Kann die Reiseunfähigkeit trotz Vorliegens ärztlicher oder psychologischer Fachberichte nicht als erwiesen angesehen werden, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass für die Ausländerbehörde kein weiterer Aufklärungsbedarf besteht. Sie bleibt nach § 24 VwVfG i.V.m. § 1 VwVfG LSA verpflichtet, den Sachverhalt selbst weiter aufzuklären, wenn und soweit sich aus den ärztlichen oder psychologischen Äußerungen, dem Vortrag des Ausländers oder aus sonstigen Erkenntnisquellen ausreichende Indizien für eine Reiseunfähigkeit ergeben. Ist das der Fall, wird regelmäßig eine amtsärztliche Untersuchung oder die Einholung einer ergänzenden (fach-)ärztlichen Stellungnahme oder eines (fach-)ärztlichen Gutachtens angezeigt sein, da der Ausländerbehörde und auch den Verwaltungsgerichten die erforderliche medizinische Sachkunde zur Beurteilung einer mit der Abschiebung einhergehenden Gesundheitsgefahr und auch der Frage fehlen dürfte, mit welchen Vorkehrungen diese Gefahr ausgeschlossen oder gemindert werden könnte (vgl. VGH BW, Beschl. v. 06.02.2008 – 11 S 2439/07 –, Juris RdNr. 9).

9

Im Fall des Antragstellers zu 1 ist ein solcher weiterer Aufklärungsbedarf gegeben. Die vorliegenden ärztlichen und psychologischen Stellungnahmen gehen zwar davon aus, dass der Antragsteller zu 1 an einer psychischen Erkrankung in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSB) leidet und im Falle einer Abschiebung eine erhöhte Suizidgefahr besteht. Ob dies zutrifft, ist jedoch auch im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht erhobenen Einwände zweifelhaft. Die Problematik muss daher erst in einem ergänzenden fachärztlichen Gutachten abschließend geklärt werden.

10

Die Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie D. von der (…)-Praxis GmbH vom 12.03.2014 (GA Bl. 30) diagnostiziert bei dem Antragsteller zu 1 zwar eine posttraumatische Belastungsstörung, lässt aber nicht erkennen, auf Grund welcher Befundtatsachen die angesprochene Diagnose gestellt wurde, und legt auch nicht dar, welche Folgen sich aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Damit erfüllt sie die Anforderungen nicht, die nach der Rechtsprechung des Senats an die Glaubhaftmachung einer Krankheit als rechtliches Abschiebungshindernis zu stellen sind (vgl. Beschl. v. 08.02.2012 – 2 M 29/12 –, Juris RdNr. 11).

11

Die psychologischen Stellungnahmen der Psychologin S. vom 20.03.2013 (GA Bl. 35 – 36) sowie der Psychologin K. und des Systemischen Therapeuten D. vom Psychosozialen Zentrum für Migrantinnen und Migranten in Sachsen-Anhalt vom 21.05.2014 (GA Bl. 89 – 93) diagnostizieren bei dem Antragsteller zu 1 eine posttraumatische Belastungsstörung in Komorbidität mit einer mittelschweren Depression. Eine vorgetäuschte Diagnose schließen sie aus. Eine Abschiebungsankündigung bzw. eine Rückkehr in den Kosovo werde mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbar psychische Dekompensation(en) und suizidale Verhaltensweisen zur Folge haben. Auch ein erweiterter Suizid erscheine möglich. Aus psychologisch-therapeutischer Sicht wäre eine Abschiebungsandrohung bzw. eine Rückkehr mit einer erheblichen Gesundheitsgefährdung bis hin zur Stimulation einer Selbstgefährdung des Antragstellers zu 1 verbunden. In der Stellungnahme vom 21.05.2014 wird darüber hinaus ausführlich dargestellt, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt wurde. Mit dem Antragsteller zu 1 seien seit dem 01.02.2013 insgesamt zehn Gespräche zur Diagnostik, Stabilisierung und unmittelbaren Krisenintervention geführt worden. Befund und Spontanangaben werden ausführlich wiedergegeben. Auf dieser Grundlage wird sowohl die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung in Komorbidität mit einer mittelschweren Depression gestellt als auch die Behandlungsbedürftigkeit beurteilt. Diese Stellungnahmen enthalten zwar ernst zu nehmende Hinweise auf eine mögliche Suizidgefahr bei einer Abschiebung des Antragstellers zu 1 in den Kosovo. Sie sind jedoch auch gewichtigen Einwänden ausgesetzt. Zunächst enthält insbesondere die zuletzt vorgelegte psychologische Stellungnahme vom 21.05.2014 keinen überzeugenden Nachweis eines Traumas. Voraussetzung für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung ist jedoch der Nachweis eines traumatischen Ereignisses (vgl. Ebert/Kindt, Die posttraumatische Belastungsstörung im Rahmen von Asylverfahren, VBlBW 2004, 41 <42>; Gierlichs u.a., Grenzen und Möglichkeiten klinischer Gutachten im Ausländerrecht, ZAR 2005, 158 <161>). Da die einschlägigen fachärztlichen bzw. psychologischen Gutachten wesentlich auf den Angaben des Betroffenen beruhen, bedarf es insoweit der Prüfung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Betroffenen (VGH BW, Beschl. v. 02.05.2000 – 11 S 1963/99 –, Juris RdNr. 7; SächsOVG, Beschl. v. 21.01.2014 – 3 B 476/13 –, Juris RdNr. 5; Middeke, Posttraumatisierte Flüchtlinge im Asyl- und Abschiebungsprozess, DVBl. 2005, 150 <151>). Von Bedeutung für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit ist dabei der Umstand, dass bestimmte Ereignisse, die im Rahmen der klinischen Begutachtung als traumatisierend dargestellt werden, bei der vorherigen Anhörung vor dem Bundesamt nicht angegeben wurden. Wird das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt, die schon längere Zeit zurückliegen, ist eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (SächsOVG, Beschl. v. 21.01.2014 – 3 B 476/13 – a.a.O. RdNr. 5 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 11.09.2007 – BVerwG 10 C 8.07 –, Juris RdNr. 15). Nach diesen Grundsätzen ist die Stellungnahme vom 21.05.2014 dem fachlichen Einwand ausgesetzt, dass nicht klar wird, worin das die posttraumatische Belastungsstörung auslösende Trauma liegen soll. Im Rahmen der Biographischen Anamnese werden Ereignisse aus dem Jahr 1999 nach Ausbruch des Kosovokrieges geschildert, aber auch zeitlich nachfolgende Bedrohungen und Misshandlungen in Serbien, Übergriffe von albanisch sprechenden Männern nach der Rückkehr der Antragsteller in das Kosovo sowie eine Bedrohung des Sohnes des Antragstellers zu 1 mit einer Pistole durch Nachbarn. Soweit die Ereignisse während des Kosovokrieges im Jahr 1999 als maßgeblich für das Trauma anzusehen sein sollten, wäre zu begründen, warum diese Umstände nicht schon während der Anhörung des Antragstellers zu 1 am 29.03.2010 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgetragen wurden. Begründungsbedürftig ist ferner der Umstand, dass der Antragsteller zu 1 das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung erst im Jahr 2013 geltend gemacht hat, obwohl er bereits seit dem Jahr 2010 aus seiner Heimat ausgereist ist. Ein weiterer Mangel der Stellungnahme vom 21.05.2014 liegt darin, dass nicht explizit angegeben wird, nach welchen Kriterien eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde (vgl. dazu Ebert/Kindt, a.a.O. S. 42). Schließlich stellt sich noch die Frage, ob die beim Antragsteller zu 1 festgestellten Symptome nicht auch andere Ursachen als eine posttraumatische Belastungsstörung haben können, etwa die unkontrollierte Einnahme von Medikamenten und Halluzinogenen oder ein schweres Entwurzelungssyndrom.

12

Die Stellungnahmen der Amtsärztin S. vom 08.07.2013 und 10.03.2014 sowie der Amtsärztin M. vom 29.04.2014 und 20.05.2014 lassen ebenfalls keine abschließende Beurteilung der hier relevanten Fragestellung zu. In dem amtsärztlichen Gutachten zur Beurteilung der Flug- und Reisefähigkeit des Antragstellers zu 1 vom 08.07.2013 (GA Bl. 50) heißt es, dieser leide an einer psychischen Erkrankung, die akut exazerbiert sei. Zum jetzigen Zeitpunkt bestehe die akute Gefahr eines Suizids bzw. erweiterten Suizids. In der Stellungnahme vom 10.03.2014 (GA Bl. 49) heißt es, die Reisefähigkeit im weiteren Sinne sei aufgrund der psychischen Erkrankung des Antragstellers zu 1 nicht gegeben. In der Stellungnahme vom 29.04.2014 (GA Bl. 62) wird ausgeführt, es könnten keine wesentlichen Veränderungen der gesundheitlichen Situation des Antragstellers zu 1 festgestellt werden. Er habe weiterhin eine unbändige Angst vor der Abschiebung in sein Heimatland. Er reagiere damit, im Abschiebungsfall sich und seine Familie umzubringen. Die Flug- und Reisetauglichkeit sei nach wie vor unsicher, da in keiner Weise abzuschätzen sei, ob der Antragsteller zu 1 seine Drohungen wahr mache. In der Stellungnahme vom 20.05.2014 (GA Bl. 61) wird ergänzend ausgeführt, bei der Vorstellung im Gesundheitsamt habe der Antragsteller zu 1 überzeugend den Eindruck gemacht, dass er im Falle einer Abschiebung sich und seiner Familie etwas antun werde. Es bestehe eine bedingte Flug- und Reisefähigkeit. Bedingung sei die Minderung der Eigen- und Fremdgefährdung. Die sei durch Verzicht auf eine vorherige Ankündigung des Abschiebetages und eine fachärztliche Begleitung während des Fluges zu gewährleisten. In diesen Stellungnahmen wird weder angegeben, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände die fachliche Beurteilung erfolgt ist, noch enthalten sie eine nachvollziehbare medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes oder eine nachvollziehbare Darlegung der Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Die in der Stellungnahme vom 20.05.2014 vertretene Annahme, eine hinreichende Minderung der Eigen- und Fremdgefährdung könne durch Verzicht auf eine vorherige Ankündigung des Abschiebetages und Gewährleistung einer fachärztlichen Begleitung während des Fluges sichergestellt werden, wird nicht näher begründet und stellt sich als reine Spekulation dar. Zur Klärung der im Tenor bezeichneten Fragen sind diese amtsärztlichen Stellungnahmen ungeeignet.

13

Vor diesem Hintergrund liegen zwar Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller zu 1 unter einer posttraumatische Belastungsstörung leidet und eine Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung führt. Es verbleiben jedoch Zweifel. Bei dieser Sachlage kann über das Vorliegen des geltend gemachten Duldungsgrundes ohne fachärztliches Gutachten zur Klärung der im Tenor bezeichneten Fragen nicht entschieden werden. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist damit offen, so dass ein Anordnungsanspruch gegeben ist.

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2. Auch die Antragstellerin zu 2 und die Antragsteller zu 3 – 6 haben einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Eine rechtliche Unmöglichkeit einer Abschiebung im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG kann sich aus inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen ergeben, zu denen auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa mit Blick auf Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind. Der Schutz des Art. 6 GG umfasst die Freiheit der Eheschließung und Familiengründung sowie das Recht auf ein eheliches und familiäres Zusammenleben. Sich hieraus ergebende schutzwürdige Belange können einer (zwangsweisen) Beendigung des Aufenthalts des Ausländers dann entgegen stehen, wenn es ihm nicht zuzumuten ist, seine tatsächlichen Bindungen zu berechtigterweise im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen durch Ausreise auch nur kurzfristig zu unterbrechen (Beschl. d. Senats v. 14.08.2014 – 2 L 115/13 – m.w.N.). Derartige schutzwürdige Belange liegen im Fall der Antragstellerin zu 2 und der Antragsteller zu 3 – 6 vor. Aufgrund der oben dargestellten Umstände besteht bei dem Antragsteller zu 1 möglicherweise ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis. Die übrigen Familienmitglieder können daher einstweilen eine gewünschte familiäre Lebensgemeinschaft im gemeinsamen Heimatland nicht führen. Eine alleinige auch nur kurzfristige Rückkehr ohne Begleitung durch den Antragsteller zu 1 in das Kosovo ist ihnen ebenfalls nicht zuzumuten.

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3. Es besteht auch ein Anordnungsgrund. Der Antragsgegner beabsichtigt, die Antragsteller ohne vorherige Einholung eines fachärztlichen Gutachtens zur Suizidgefahr abzuschieben. Die vorläufige Sicherung des in der Hauptsache verfolgten Duldungsanspruchs ist daher zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes dringlich. Denn der Duldungsanspruch erlischt ebenso wie die Aussetzung selbst (vgl. § 60a Abs. 5 Satz 1 AufenthG) mit der Ausreise (vgl. VGH BW, Beschl. v. 06.02.2008 – 11 S 2439/07 – a.a.O. RdNr. 14). Er würde durch die Abschiebung daher vereitelt. Zudem ist eine Abschiebung ohne vorherige fachärztliche Begutachtung der damit nach den vorliegenden Erkenntnissen möglicherweise einhergehenden gesundheitlichen Risiken mit der staatlichen Schutzpflicht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht zu vereinbaren.

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II. Den Antragstellern ist auch die beantragte Prozesskostenhilfe zu gewähren, weil sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage sind, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint und aus den vorstehend ausgeführten Gründen hinreichende Erfolgsaussichten zu bejahen sind (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).

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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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VI. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des beschließenden Senats, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes den halben Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG je Antragsteller festzusetzen, soweit Streitgegenstand – wie hier – die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung ist.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.