Verwaltungsgericht Minden Urteil, 26. März 2015 - 4 K 3170/13
Gericht
Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger entsprechend seinem Amt als
Lehrer im gehobenen Dienst (A 12 Bundesbesoldungsordnung) amtsangemessen zu beschäftigen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am geborene Kläger stand bis zu seiner (erneuten) Zurruhesetzung zum 31. Januar 2014 als beamteter Lehrer im Dienst des beklagten Landes. Er verfügt über eine Lehrbefähigung für die Sekundarstufen I und II in den Fächern Mathematik und Physik und wurde mit Wirkung vom 7. Juli 1998 unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit zum Lehrer (Besoldungsgruppe A 12 Bundesbesoldungsordnung - BBesO -) ernannt. Zuletzt war er – bis März 2009 – an der F. -I. -L. -Schule, einer Realschule, in H. tätig.
3Nachdem es an dieser Schule vermehrt zu Beschwerden über das dienstliche Verhalten des Klägers gekommen war, veranlasste die Bezirksregierung Detmold im Jahr 2009 eine amtsärztliche Überprüfung der Dienst- und Einsatzfähigkeit des Klägers. Das daraufhin unter dem 23. März 2009 erstellte amtsärztliche Gutachten des Amtsarztes des Kreises H. gelangte zu dem Ergebnis, der Kläger sei nicht in der Lage, in seinem Aufgabenbereich uneingeschränkt Dienst zu verrichten; mit einer Wiederherstellung der uneingeschränkten Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate sei nicht zu rechnen. Der Beklagte versetzte den Kläger mit Verfügung vom 15. Mai 2009 mit Ablauf des 31. Mai 2009 in den Ruhestand.
4Mit Urteil vom 16. März 2011 hob das erkennende Gericht im Verfahren 4 K 1297/09 die Zurruhesetzungsverfügung mit der Begründung auf, das beklagte Land sei der aus § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG - folgenden Verpflichtung, nach einer anderweitigen Verwendung zu suchen, nicht nachgekommen. Eine auf Anregung des Gerichts in diesem Verfahren vom Beklagten eingeholte ergänzende Stellungnahme des Gesundheitsamtes H. vom 15. Juni 2010 war zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger zum Zeitpunkt der Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens vom März 2009 die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine anderweitige Verwendung im Landesdienst und ebenso für die Teilnahme an entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen vorgelegen hatten.
5Zur Klärung der Frage einer eventuellen anderweitigen Einsatzmöglichkeit des Klägers veranlasste die Bezirksregierung Detmold daraufhin eine erneute amtsärztliche Begutachtung. Das unter dem 15. November 2011 erstellte und durch Stellungnahme vom 7. Dezember 2011 ergänzte Gutachten des Amtsarztes des Kreises H. beruht auf den Feststellungen des psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachgutachtens der Dres. E. und N. vom 19. September 2011, das beim Kläger eine Persönlichkeitsstörung auf narzisstischem Strukturniveau mit schizoiden, paranoiden und emotional instabilen Strukturmerkmalen diagnostizierte. Das amtsärztliche Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger nach wie vor dienstunfähig, jedoch in der Lage sei, ältere Schüler jenseits des Pubertätsalters zu unterrichten. Eine Verwendung des Klägers an Gesamtschulen und Gymnasien sei möglich, wenn er für den Unterricht im Oberstufenbereich (Sekundarstufe II) eingesetzt werde. Auch ein Einsatz an Weiterbildungskollegs und Abendrealschulen sei denkbar und werde befürwortet. Ein Einsatz für Pausenaufsichten und Vertretungsunterricht von bis zu einer Woche sei auch in der Unterstufe möglich. Darüber hinaus sei auch ein außerschulischer Einsatz des Klägers möglich, sofern es sich um eine Tätigkeit handele, von der Kinder und Jugendliche im Pubertätsalter ausgenommen seien.
6In der Folgezeit prüfte der Beklagte eine anderweitige Verwendung des Klägers an den Abendrealschulen im Bereich der Bezirksregierung Detmold. Anschließend veranlasste er die Prüfung landesweiter Einsatzmöglichkeiten des Klägers außerhalb des bisherigen Aufgabenbereichs im Rahmen des Projekts „Vorfahrt für Weiterbeschäftigung“.
7Unter dem 7. Mai 2013 beantragte der Kläger, umgehend amtsangemessen beschäftigt zu werden. Mit Schreiben vom 27. Juni 2013 wies der Beklagte auf die noch andauernden Vermittlungsbemühungen im Rahmen des Projekts „Vorfahrt für Weiterbeschäftigung“ hin und kündigte an, er werde sich nach deren Abschluss voraussichtlich im Juli 2013 mit dem Kläger wegen des weiteren Verfahrens in Verbindung setzen. Daraufhin beantragte der Kläger am 4. Juli 2013, dass ihm eine unter der Kennziffer 7-WB-1011 ausgeschriebene Stelle für Lehramt der Sekundarstufe II am X. -L1. in C. übertragen werde. Mit Schreiben vom 18. Juli 2013 lehnte der Beklagte die Übertragung der vom Kläger benannten Stelle im Wege einer Versetzung mit der Begründung ab, die Stelle sei ausschließlich für Neubewerber, nicht jedoch für Seiteneinsteiger oder Versetzungsbewerber geöffnet, sodass sich der Kläger nicht zulässig auf diese Stelle bewerben könne.
8Nachdem die Suche nach einer anderweitigen Verwendung des Klägers im Rahmen des Projekts „Vorfahrt für Weiterbeschäftigung“ im Juli 2013 erfolglos abgeschlossen worden war, leitete der Beklagte erneut ein Zurruhesetzungsverfahren ein und veranlasste abermals eine amtsärztliche Überprüfung der Dienst- und Einsatzfähigkeit des Klägers. Das unter dem 20. September 2013 erstellte Gutachten des amtsärztlichen Dienstes des Kreises H. kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger nach wie vor nicht in der Lage sei, in seinem bisherigen Aufgabenbereich uneingeschränkt Dienst zu verrichten und dass mit der Wiederherstellung der uneingeschränkten Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate nicht zu rechnen sei. Er sei jedoch für Unterrichtstätigkeiten im Erwachsenenbereich und für Bürotätigkeiten einsetzbar.
9Am 27. September 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, sein Antrag vom 7. Mai 2013 sei trotz Erinnerung bislang nicht beschieden worden. Der Beklagte habe nicht in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise dargetan, dass er seiner Pflicht, nach einer anderweitigen Verwendung des Klägers zu suchen, genügt habe, sodass ihm der geltend gemachte Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung zustehe.
10Der Kläger beantragt,
11den Beklagten zu verpflichten, den Kläger entsprechend seinem Amt als Lehrer im gehobenen Dienst (A 12 Bundesbesoldungsordnung) amtsangemessen zu beschäftigen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er trägt vor, die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Er sei im Hinblick auf den Antrag des Klägers keineswegs untätig gewesen, sondern habe durchgehend nach anderweitigen Einsatzmöglichkeiten für den Kläger gesucht. Der Kläger habe jedoch wegen fehlenden Bedarfs an den im Hinblick auf die gesundheitliche Einschränkung des Klägers noch in Frage kommenden Schulformen nicht beschäftigt werden können. Auch die landesweite Suche nach einer anderweitigen Verwendung außerhalb des Schuldienstes im Rahmen des Projekts „Vorfahrt für Weiterbeschäftigung“ sei ergebnislos verlaufen. Daher bestehe kein Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung und Zuweisung eines entsprechenden Dienstpostens.
15Mit Schreiben vom 26. Oktober 2013 wurde dem Kläger Gelegenheit gegeben, gegen seine beabsichtigte Zurruhesetzung Einwendungen zu erheben. Nach Zustimmung des Personalrates und Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten versetzte der Beklagte den Kläger mit Verfügung vom 23. Januar 2014 mit Ablauf des 31. Januar 2014 erneut in den Ruhestand. Hiergegen hat der Kläger am 30. Januar 2014 die beim erkennenden Gericht unter dem Az. 4 K 237/14 geführte Klage erhoben, der das Gericht mit Urteil vom heutigen Tage stattgegeben hat.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrensakte 4 K 237/14 und der vom Beklagten beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Klage hat Erfolg.
19Sie ist als Verpflichtungsklage in der Form der Untätigkeitsklage gem. § 75 VwGO zulässig, weil der Beklagte über den Antrag des Klägers vom 7. Mai 2013 ohne zureichenden Grund innerhalb angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.
20Der Antrag des Klägers vom 7. Mai 2013 war auf den Erlass einer Versetzungsverfügung und damit auf die Vornahme eines Verwaltungsaktes gerichtet. Versetzung ist die nicht nur vorübergehende Übertragung eines anderen Amtes im abstrakt-funktionellen Sinne bei einer anderen Behörde desselben Dienstherrn oder bei einem anderen Dienstherrn.
21Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Juni 1984 - 2 C 84.81 -, Rdn. 39 und vom 2. September 1999 - 2 C 36.98 -, Rdn. 14, beide juris.
22Im Bereich des Schuldienstes ist jede Schule als Behörde in diesem Sinne anzusehen.
23Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Juli 2009, - 6 A 3712/06 -, juris, Rdn. 53.
24Da vorliegend ein Einsatz des Klägers in seinem bisherigen abstrakt-funktionellen Amt als Lehrer der Sekundarstufe I an der F. -I. -L. -Schule in H. im Hinblick auf seine Dienstunfähigkeit nicht mehr in Betracht kam,
25– vgl. zur Dienstunfähigkeit des Klägers die mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 4 K 237/14 getroffenen Feststellungen –
26setzte seine weitere statusamtsangemessene Beschäftigung zwingend die Versetzung an eine andere Schule oder eine andere Behörde voraus.
27Der Beklagte hat über den Antrag des Klägers auch nicht innerhalb angemessener Frist entschieden, ohne dass hierfür ein zureichender Grund ersichtlich wäre. Angesichts des Umstands, dass der Beklagte bereits seit der Aufhebung der ersten Zurruhesetzungsverfügung mit Urteil vom 16. März 2011 Gelegenheit hatte, eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger zu suchen, ist die Zeitspanne von mehr als vier Monaten zwischen Antragstellung und Klageerhebung ohne weiteres als angemessene Frist zur Bescheidung des Antrags auf Zuweisung eines amtsangemessenen Dienstpostens anzusehen.
28Im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung (27. September 2013) lag eine sachliche Entscheidung über den Antrag des Klägers nicht vor. Insbesondere handelt es sich bei dem Schreiben des Beklagten vom 18. Juli 2013 nicht um eine Sachentscheidung über den Antrag des Klägers vom 7. Mai 2013, da sich dieses nur über den Antrag des Klägers vom 4. Juli 2013 betreffend die Zuweisung eines bestimmten Dienstpostens am X. -L1. in C. verhielt.
29Es kann dahinstehen, ob die Zurruhesetzungsverfügung des Beklagten vom 23. Januar 2014 zugleich eine konkludente negative Sachentscheidung über den Antrag des Klägers auf amtsangemessene Beschäftigung darstellt. In der Zurruhesetzung kommt hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass der Beklagte eine weitere amtsangemessene Beschäftigung des Klägers ablehnt. Ein entsprechendes Verständnis der Zurruhesetzungsverfügung würde aber die Zulässigkeit der Klage nicht berühren, da es hinsichtlich der fehlenden Sachentscheidung allein auf den Zeitpunkt der Klageerhebung ankommt.
30Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 75 Rdn. 2, 6, 19 ff.
31Da die bei dieser Betrachtungsweise ergangene Entscheidung für den Kläger negativ war, kann der Kläger seine Klage unter Einbeziehung des ergangenen Verwaltungsakts als Verpflichtungsklage aufrechterhalten und fortführen.
32Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 75 Rdn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2004 - 14 E 1259/03 -, juris, Rdn. 3.
33Entgegen der Ansicht des Beklagten liegt auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis vor. Zwar mag es zutreffen, dass der Beklagte seit Antragstellung am 7. Mai 2013 und auch zuvor nach Verwendungsmöglichkeiten für den Kläger gesucht hat und in diesem Sinne nicht untätig war. Einem Beamten kann aber die Erhebung einer Untätigkeitsklage nicht allein deshalb verwehrt sein, weil sein Dienstherr noch nach anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten sucht. Denn dann läge es in der Hand des Dienstherrn, den verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung dadurch zu unterlaufen, dass die Suche (unnötig) in die Länge gezogen wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Suche – wie vorliegend – bereits mehr als zweieinhalb Jahre andauert und durch den Beamten aktiv durch eigene Recherchen unterstützt wird. Vorliegend blieb dem Kläger insoweit nur die Erhebung einer Untätigkeitsklage, um seinen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung durchzusetzen.
34Die Klage ist auch begründet.
35Das Gericht hat mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 4 K 237/14 die Zurruhesetzungsverfügung vom 23. Januar 2014 aufgehoben. Der Kläger kann daher vom Beklagten verlangen, dass ihm ein Dienstposten übertragen wird, der seinem Statusamt (Lehrer im gehobenen Dienst, Besoldungsgruppe A 12 BBesO) entspricht.
36Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG haben Beamte, die Inhaber eines Amtes im statusrechtlichen Sinne sind, ein subjektives Recht auf amtsangemessene Beschäftigung. Dieser Anspruch ist als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums i.S.v. Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich gewährleistet.
37Vgl. u.a. Urteile vom 18. September 2008 - 2 C 126.07 -, Rdn. 8, und vom 22. Juni 2006 - 2 C 26.05 -, Rdn. 9, beide juris.
38Beamte, die Inhaber eines statusrechtlichen Amtes sind, können von ihrem Dienstherrn verlangen, dass ihnen Funktionsämter, nämlich ein abstrakt-funktionelles und ein konkret-funktionelles Amt übertragen werden, deren Wertigkeit ihrem Amt im statusrechtlichen Sinne entspricht.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.September 2008 - 2 C 126.07 -, juris, Rdn. 8.
40Daraus folgt, dass der Dienstherr verpflichtet ist, den Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung zu erfüllen, sobald ihn der Beamte geltend macht. Insoweit trifft ihn eine Bringschuld. Ohne seine Zustimmung darf der Beamte weder auf unbestimmte Zeit unterwertig beschäftigt werden, noch darf ihm gar eine Beschäftigung gänzlich vorenthalten werden.
41Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. September 2008 - 2 C 126.07 -, Rdn. 13, 15, und vom 22. Juni 2006 - 2 C 26.05 -, Rdn. 12, beide juris.
42Diese Grundsätze gelten prinzipiell auch für dienstunfähige Beamte. Denn bei der Dienstunfähigkeit i.S.v. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG handelt es sich um einen normativen Begriff, der sich stets auf das zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinne bezieht. Dieses umfasst alle bei der Beschäftigungsbehörde dauerhaft eingerichteten Dienstposten, auf denen der Beamte amtsangemessen beschäftigt werden kann. Dienstunfähigkeit liegt daher bereits dann vor, wenn bei der bisherigen Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist.
43Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Juli 2009 - 6 A 3712/06 -, juris, Rdn. 46.
44Es ist daher möglich, dass ein Beamter zwar dienstunfähig i.S.v. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ist, er jedoch in einem anderen abstrakt-funktionellen Amt bei einer anderen Beschäftigungsbehörde weiter Dienst leisten kann und insoweit weiterhin dienstfähig ist. Daher entfällt der verfassungsrechtlich gewährleistete Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung, der dem Lebenszeitprinzip des Berufsbeamtentums Rechnung trägt, nicht automatisch, wenn der Beamte dienstunfähig i.S.v. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ist. Er besteht weiterhin, jedoch nur in den Grenzen der konkret bestehenden Leistungsfähigkeit des Beamten.
45Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2010 - 1 A 2211/07 -, juris, Rdn. 51, 83.
46Der Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung eines dienstunfähigen Beamten unterliegt jedoch im Vergleich zu dem Anspruch eines uneingeschränkt dienstfähigen Beamten gewissen Einschränkungen. So ist etwa ein dienstunfähiger Beamter gem. § 26 Abs. 3 BeamtStG verpflichtet, auch die dauerhafte Zuweisung eines unterwertigen Dienstpostens hinzunehmen, wenn eine anderweitige gleichwertige Verwendung nicht möglich und die unterwertige Tätigkeit zumutbar ist.
47Vgl. Lenders, Beamtenstatusgesetz, 1. Aufl. 2012, § 26 Rdn. 547.
48Macht ein dienstunfähiger Beamter gegenüber seinem Dienstherrn seinen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung geltend, ist dieser nicht zwingend – wie bei dienstfähigen Beamten – in letzter Konsequenz verpflichtet, den Anspruch durch Zuweisung eines anderen gleichwertigen abstrakt- und konkret-funktionellen Amtes zu erfüllen. Er kann zunächst ein Zurruhesetzungsverfahren nach § 26 BeamtStG einleiten, sofern dies noch nicht geschehen ist. Besteht ein hinreichendes Restleistungsvermögen des Beamten, ist der Dienstherr verpflichtet, nach einer anderweitigen Verwendung für den Beamten zu suchen. Diese Suche muss mindestens den Anforderungen des § 26 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 BeamtStG genügen, sich also auf den gesamten Bereich des Dienstherrn erstrecken, auch diejenigen Dienstposten berücksichtigen, die erst in absehbarer Zeit voraussichtlich neu zu besetzen sein werden, sowie einen möglichen Laufbahnwechsel in Betracht ziehen.
49Vgl. zu den Anforderungen an die Suchpflicht des Dienstherrn BVerwG, Beschluss vom 6. März 2012 - 2 A 5.10 -, Rdn. 4, Urteil vom 26. März 2009 - 2 C 73.08 -, Rdn. 25-27, Urteil vom 26. März 2009 - 2 C 46.08 -, Rdn. 28-29; OVG NRW, Urteile vom 22. Januar 2010 - 1 A 2211/07-, Rdn. 78-80, und vom 2. Juli 2009 - 6 A 3712/06 -, Rdn. 64, alle juris.
50Nur dann, wenn der dienstunfähige Beamte nicht auf einem gleichwertigen Dienstposten anderweitig verwendet werden kann, ist gem. § 26 Abs. 3 BeamtStG eine unterwertige Beschäftigung in Betracht zu ziehen und entfällt sein Anspruch auf amtsangemessene, also seinem ursprünglichen Amt entsprechende Beschäftigung. Er hat dann einen Anspruch auf Beschäftigung in einem geringerwertigen Amt. Die Suche nach anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten muss sich demnach in diesem Falle auch auf geringerwertige Tätigkeiten erstrecken.
51Es ist Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den dienstunfähigen Beamten die Vorgaben des § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG beachtet hat. Denn bei dieser Suche handelt es sich um einen Vorgang aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn, der dem Einblick des betroffenen Beamten in der Regel entzogen ist. Daher geht es zulasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob die Suche den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat.
52Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 - 2 C 73.08 -, Rdn. 30, und vom 26. März 2009 - 2 C 46.08 -, Rdn. 32; OVG NRW, Urteile vom 22. Januar 2010 - 1 A 2211/07-, Rdn. 81, und vom 2. Juli 2009 - 6 A 3712/06 -, Rdn. 66, alle juris.
53Zur Darlegungsobliegenheit des Dienstherrn gehört die substantiierte Angabe der einzelnen Prüfungsschritte, namentlich eine Benennung der für eine mögliche Verwendung des Beamten in Betracht gezogenen anderen Beschäftigungsbehörden (Organisationseinheiten) und auch der konkreten Gründe, warum dort jeweils eine dem Amt entsprechende bzw. vergleichbare Beschäftigung des Beamten im Ergebnis nicht in Betracht kommen soll.
54Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2010 - 1 A 2211/07 -, juris, Rdn. 87.
55Vorliegend hat die Kammer mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 4 K 237/14 festgestellt, dass der Beklagte seiner aus § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG folgenden Suchpflicht nicht genügt hat, und insoweit die Zurruhesetzungsverfügung vom 23. Januar 2014 aufgehoben. Der Beklagte hat weder hinreichend dargelegt, dass eine anderweitige gleichwertige Verwendung des Klägers nicht möglich ist, noch dass seine anderweitige geringerwertige Verwendung ausscheidet. Dem Kläger steht daher jedenfalls zurzeit (noch) der tenorierte Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung in den Grenzen seiner aktuellen Leistungsfähigkeit zu.
56Der Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
57Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
(1) Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit sind in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist. Für Gruppen von Beamtinnen und Beamten können besondere Voraussetzungen für die Dienstunfähigkeit durch Landesrecht geregelt werden.
(2) Eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. In den Fällen des Satzes 1 ist die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Grundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und wenn zu erwarten ist, dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden. Beamtinnen und Beamte, die nicht die Befähigung für die andere Laufbahn besitzen, haben an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen.
(3) Zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand kann der Beamtin oder dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.