Verwaltungsgericht Minden Urteil, 26. März 2014 - 11 K 3353/13
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin wird mindestens seit August 2007 beim Beklagten als Rundfunkteilnehmerin geführt. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2008 stellte die Stadt C. fest, dass der Grad der Behinderung (GdB) bei der Klägerin 80 betrage und sie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen „RF“ erfülle. Daraufhin befreite der Beklagte sie mit Bescheid vom 7. Januar 2009 auf ihren Antrag vom 19. November 2008 für die Zeit ab Dezember 2008 unbefristet von der Rundfunkgebührenpflicht.
3Mit Schreiben vom 29. August 2012 informierte der Beklagte die Klägerin über die gesetzlichen Änderungen mit Inkrafttreten des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV) zum 1. Januar 2013. Mit Schreiben vom 23. Februar 2013 wandte sich die Klägerin gegen die Aufforderung des Beklagten zur Zahlung des reduzierten Rundfunkbeitrages in Höhe von 17,97 € für den Zeitraum von Januar bis März 2013. Sie verwies hierbei auf die Zuerkennung des Merkzeichens „RF“ - zuletzt mit Bescheid der Stadt C. vom 4. September 2012 -. Mit Schreiben vom 5. April 2013 forderte der Beklagte die Klägerin abermals zur Zahlung der rückständigen Rundfunkbeiträge in Höhe von 17,97 € auf. Hierauf entgegnete die Klägerin mit Schreiben vom 21. April 2013, dass mit Blick auf die im Bescheid vom 7. Januar 2009 erteilte Gebührenbefreiung die Geltendmachung von Rundfunkbeiträgen nicht gerechtfertigt sei. Unter dem 7. Mai 2013 wies der Beklagte darauf hin, dass Personen, die bislang wegen der Zuerkennung des RF-Merkzeichens befreit gewesen seien, ab dem 1. Januar 2013 einen ermäßigten Beitrag von einem Drittel zu zahlen hätten. Dementsprechend sei die der Klägerin zunächst gewährte Befreiung auf eine Ermäßigung umgestellt worden. Hierauf erwiderte die Klägerin mit Schreiben vom 17. Mai 2013, dass die automatische Umstellung von einer Gebührenbefreiung zu einer Ermäßigung des Rundfunkbeitrages einen Verstoß gegen den Vertrauensgrundsatz im Sinne des Artikel 20 Abs. 3 GG darstelle, da diese Umstellung ohne eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage erfolgt sei.
4Mit Gebührenbescheid vom 2. August 2013 setzte der Beklagte rückständige Rundfunkbeiträge für die Zeit von Januar bis März 2013 nebst einem Säumniszuschlag in Höhe von insgesamt 25,97 € fest. Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 19. August 2013 Widerspruch, zu dessen Begründung sie ihre bisherigen Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren vertiefte.
5Am 3. Oktober 2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Ihren zugleich gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes – 11 L 689/13 – hat die Kammer mit Beschluss vom 15. November 2013 abgelehnt.
6Zur Begründung ihrer Klage vertieft sie früheres Vorbringen und macht ergänzend geltend, ihr sei mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2008 eine unbefristete Befreiung von der damals noch geltenden Rundfunkgebührenpflicht gewährt worden. Die Voraussetzungen für einen Widerruf dieses rechtmäßig begünstigenden Verwaltungsaktes lägen nicht vor. § 14 Abs. 7 RBStV regele zwar, dass bestimmte bestandskräftige Rundfunkgebührenbefreiungsbescheide bis zum Ablauf ihrer Gültigkeit als Rundfunkbeitragsbefreiungen gelten sollten, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages (RGebStV), der die Befreiung für Blinde geregelt habe, werde in § 14 Abs. 7 RBStV indes nicht genannt. Aus der Nichtnennung könne allerdings nicht geschlossen werden, dass unbefristet gültige bestandskräftige Befreiungsbescheide nunmehr widerrufen seien. Es hätte vielmehr einer Widerrufsregelung für diese Personengruppe bedurft. Des Weiteren regele § 4 Abs. 2 Satz 1 RBStV, dass der Rundfunkbeitrag auf Antrag unter anderem für blinde Menschen auf ein Drittel ermäßigt werde. Der Widerruf eines unbefristet gültigen bestandskräftigen Verwaltungsaktes sei hier jedoch ebenfalls nicht vorgesehen. Aus dieser Regelungslücke ergebe sich, dass § 4 Abs. 2 Satz 1 RBStV nur für Neuanträge und nicht für bestandskräftige Verwaltungsakte gelte. Es verbleibe daher dabei, dass die ihr mit Bescheid vom 7. Januar 2009 eingeräumte Befreiung weiterhin Wirksamkeit entfalte.
7Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
8den Bescheid des Beklagten vom 2. August 2013 aufzuheben.
9Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
10die Klage abzuweisen.
11Er macht geltend, die Klage sei mit Blick auf das fehlende durchgeführte Widerspruchsverfahren bereits unzulässig. Darüber hinaus sei sie auch unbegründet, da der Klägerin kein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht zustehe. Der Befreiungsbescheid vom 7. Januar 2009 sei mit Inkrafttreten des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages ab dem 1. Januar 2013 gegenstandslos geworden. Einer ausdrücklichen Aufhebung des Bescheides habe es nicht bedurft. Befreiungen u.a. nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 RGebStV seien von der Fortgeltung nach 14 Abs. 7 RBStV ausdrücklich ausgenommen worden. Einer besonderen Ermächtigungsgrundlage hierzu habe es nicht bedurft. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vermutung des § 14 Abs. 4 Satz 2 RBStV sei für die Klägerin im Hinblick auf die zuvor nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 RGebStV gewährte Befreiung eine Ermäßigung der Rundfunkbeitragspflicht auf ein Drittel nach § 4 Abs. 2 RBStV vermerkt worden. Die Voraussetzungen für eine vollumfängliche Befreiung lägen im Fall der Klägerin nicht vor. Die bei ihr nachgewiesene Behinderung unterfalle nicht der abschließenden Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV. Die bei ihr vorliegenden Einschränkungen des Seh- und Hörvermögens seien nicht mit einer Taubblindheit gleichzustellen. Für eine Rundfunkbefreiung aufgrund einer analogen Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 10 1. Alternative RBStV fehle es an einer erforderlichen vergleichbaren Interessenlage und planwidrigen Regelungslücke. Sonstige Befreiungsgründe seien nicht dargetan worden.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verfahrensakte 11 L 689/13 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Hefter) Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Das Gericht konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit wirksam einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
15Das Gericht geht gemäß § 88 VwGO davon aus, dass es der Klägerin im vorliegenden Fall nicht nur um die Aufhebung des Gebührenbescheides des Beklagten vom 2. August 2013 geht, sondern sie darüber hinaus die vollständige und unbefristete Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ab dem 1. Januar 2013 begehrt.
16Der Antrag ist daher sinngemäß dahingehend auszulegen, dass sie beantragt,
17- 18
1. der Beklagte wird verpflichtet, sie ab dem 1. Januar 2013 vollständig und unbefristet von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien und
2. der Gebührenbescheid des Beklagten vom 2. August 2013 wird aufge- hoben.
20Die so verstandene Klage hat keinen Erfolg.
21Die Kammer lässt offen, ob die Klage zulässig ist. Zwar hat der Beklagte auf den unter dem 19. August 2013 eingelegten Widerspruch der Klägerin gegen den Gebührenbescheid vom 2. August 2013 noch keinen Widerspruchsbescheid erlassen, gleichwohl könnte die Klage aufgrund des Zeitablaufs mittlerweile nach § 75 Satz 1 VwGO zulässig geworden sein.
22Die Klage ist jedenfalls unbegründet.
231. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte verpflichtet wird, sie ab dem 1. Januar 2013 vollständig und unbefristet von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.
24Zwar ist die Klägerin mit Bescheid vom 7. Januar 2009 seitens des Beklagten unbefristet von der Rundfunkgebührenpflicht befreit worden, diese Befreiung gilt jedoch nicht über den 1. Januar 2013 hinaus als unbefristete vollständige Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht fort.
25Der Rundfunkgebührenstaatsvertrag wurde mit Inkrafttreten des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages zum 1. Januar 2013 aufgehoben. Da ab diesem Zeitpunkt keine Rundfunkgebührenpflicht mehr bestand, gehen die zuvor erteilten Befreiungsbescheide ins Leere, ohne dass es einer ausdrücklichen Aufhebung dieser Bescheide bedurft hätte. Grundsätzlich würde daher eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht oder eine Ermäßigung derselben einen erneuten Antrag des früheren Gebühren- und nunmehrigen Beitragsschuldners voraussetzen. Insoweit hat allerdings der Gesetzgeber in § 14 Abs. 7 RBStV bestimmt, dass bestandskräftige Gebührenbefreiungsbescheide nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 6 und 9 bis 11 RGebStV bis zum Ablauf ihrer Gültigkeit als Rundfunkbeitragsbefreiungen nach § 4 Abs. 1 RBStV gelten. Hiervon ausdrücklich ausgenommen sind jedoch Befreiungsbescheide für behinderte Menschen gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 und 8 RGebStV, deren Beitragspflicht nach neuem Recht nur noch ermäßigt werden kann. Insoweit wird gemäß § 14 Abs. 4 S. 2 RBStV zur Verfahrenserleichterung unter Verzicht auf das Antragserfordernis vermutet, dass bisher aufgrund dieser Regelung befreite Beitragsschuldner mit Inkrafttreten des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags gemäß § 4 Abs. 2 RBStV ein Drittel des Rundfunkbeitrages zu zahlen haben.
26Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 3. Dezember 2013 – 7 ZB 13.1817 –, juris; VG Hannover, Urteil vom 15. Januar 2014 – 7 A 6087/13 –, juris, Rn. 15.
27Ausgehend hiervon hat die Klägerin aufgrund ihrer Schwerbehinderung und der zuvor bewilligten Rundfunkgebührenbefreiung nach altem Recht nunmehr nach neuem Recht einen lediglich ermäßigten Rundfunkbeitrag zu entrichten, ohne dass es hierfür eines erneuten Antrags bedurft hätte.
28Die Klägerin kann sich auch nicht mit Blick auf den Befreiungsbescheid vom 7. Januar 2009 mit Erfolg auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen. Mit einer unbefristeten Befreiung in den Rundfunkgebührenbescheiden hat der Beklagte nicht geregelt, dass nunmehr für alle Zukunft und unabhängig von jeder Rechtsänderung eine Befreiung erteilt werden sollte. Vielmehr bezieht sich diese Formulierung inhaltlich auf die nach altem Recht in § 6 Abs. 6 RGebStV geregelte Befristung der Gebührenbefreiung. Danach konnte, wenn der der Befreiung zugrundeliegende Bescheid der Sozialbehörde unbefristet war, die Befreiung auf drei Jahre befristet werden, wenn eine Änderung der Umstände möglich war, die dem Tatbestand zugrunde lagen (Satz 2). Die unbefristete Gebührenbefreiung folgt dem Umstand, dass die Zuerkennung der Schwerbehinderung und die Vergabe des Merkzeichens „RF“ ohne Befristung erfolgt sind. Aus der nichtbefristeten Entscheidung des Versorgungsamtes über den Grad der Schwerbehinderung und der vergebenen Merkzeichen folgt nunmehr nach der neuen Rechtslage eine ebenfalls unbefristete Beitragsermäßigung.
29Vgl. VG Hannover, Urteil vom 15. Januar 2014 – 7 A 6087/13 –, juris, Rn. 18.
30Die Klägerin kann einen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht auch nicht aus den Befreiungstatbeständen des § 4 Abs. 1 RBStV herleiten. Nach dieser Vorschrift werden von der Beitragspflicht auf Antrag natürliche Personen befreit, welche die in Nrn. 1 bis 9 dieser Vorschrift aufgeführten Sozialleistungen empfangen sowie nach der Nr. 10 taubblinde Menschen und Empfänger von Blindenhilfe nach § 72 SGB XII. Die Klägerin zählt vorliegend nicht zu diesem Personenkreis. Entsprechendes hat sie auch nicht dargetan.
31Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihr ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aus § 4 Abs. 6 RBStV zusteht. Danach hat die Landesrundfunkanstalt unbeschadet der Beitragsbefreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien (Satz 1). Ein Härtefall liegt insbesondere dann vor, wenn eine Sozialleistung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 RBStV in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten (Satz 2). § 4 Abs. 4 RBStV – darin sind Beginn, Befristung und Ende der Befreiung oder Ermäßigung normiert – gilt entsprechend. Härtfallregelungen wie § 4 Abs. 6 RBStV sollen gewährleisten, dass Fallgestaltungen, die wegen ihrer Atypik von dem Gesetzgeber nicht vorherzusehen sind und daher nicht einer gesetzlichen Regelung zugeführt werden, wegen ihrer weitgehenden Ähnlichkeit zu den ausdrücklich normierten Fallgestaltungen der gleichen Rechtsfolge unterliegen. Eine solche von dem gesetzlich geregelten Normallfall abweichende Sondersituation liegt bei Beitragsschuldnern, die über das Merkzeichen „RF“ verfügen, gerade nicht vor. Der Normgeber des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages hat eine derartige Fallkonstellation der Schwerbehinderung gerade nicht ungeregelt gelassen, vielmehr sieht er in § 4 Abs. 2 S. 1 RBStV hierfür eine Beitragsermäßigung vor. Der Gesetzgeber hat die mit der Schwerbehinderung verbundenen Schwierigkeiten, am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen, dahingehend gewürdigt, dass derartige Rundfunkbeitragsschuldner lediglich einen um zwei Drittel ermäßigten Beitragssatz zu entrichten haben.
32Vgl. VG Hannover, Urteil vom 15. Januar 2014 – 7 A 6087/13 –, juris, Rn. 22 und 23.
332. Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 2. August 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Da die Klägerin nach den obigen Ausführungen einen um zwei Drittel ermäßigten Rundfunkbeitrag nach § 4 Abs. 2 RBStV zu zahlen hat, durfte der Beklagte diesen, da die Klägerin die fälligen Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von 4 Wochen geleistet hat, im vorgenannten Gebührenbescheid für den Zeitraum von Januar 2013 bis März 2013 zuzüglich eines Säumniszuschlages in Höhe von 8 € festsetzen.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 S. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Blinden Menschen wird zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen Blindenhilfe gewährt, soweit sie keine gleichartigen Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. Auf die Blindenhilfe sind Leistungen bei häuslicher Pflege nach dem Elften Buch, auch soweit es sich um Sachleistungen handelt, bei Pflegebedürftigen des Pflegegrades 2 mit 50 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades 2 und bei Pflegebedürftigen der Pflegegrade 3, 4 oder 5 mit 40 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades 3, höchstens jedoch mit 50 Prozent des Betrages nach Absatz 2, anzurechnen. Satz 2 gilt sinngemäß für Leistungen nach dem Elften Buch aus einer privaten Pflegeversicherung und nach beamtenrechtlichen Vorschriften. § 39a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Blindenhilfe beträgt bis 30. Juni 2004 für blinde Menschen nach Vollendung des 18. Lebensjahres 585 Euro monatlich, für blinde Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, beträgt sie 293 Euro monatlich. Sie verändert sich jeweils zu dem Zeitpunkt und in dem Umfang, wie sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert.
(3) Lebt der blinde Mensch in einer stationären Einrichtung und werden die Kosten des Aufenthalts ganz oder teilweise aus Mitteln öffentlich-rechtlicher Leistungsträger getragen, so verringert sich die Blindenhilfe nach Absatz 2 um die aus diesen Mitteln getragenen Kosten, höchstens jedoch um 50 vom Hundert der Beträge nach Absatz 2. Satz 1 gilt vom ersten Tage des zweiten Monats an, der auf den Eintritt in die Einrichtung folgt, für jeden vollen Kalendermonat des Aufenthalts in der Einrichtung. Für jeden vollen Tag vorübergehender Abwesenheit von der Einrichtung wird die Blindenhilfe in Höhe von je einem Dreißigstel des Betrages nach Absatz 2 gewährt, wenn die vorübergehende Abwesenheit länger als sechs volle zusammenhängende Tage dauert; der Betrag nach Satz 1 wird im gleichen Verhältnis gekürzt.
(4) Neben der Blindenhilfe wird Hilfe zur Pflege wegen Blindheit nach dem Siebten Kapitel außerhalb von stationären Einrichtungen sowie ein Barbetrag (§ 27b Absatz 2) nicht gewährt. Neben Absatz 1 ist § 30 Abs. 1 Nr. 2 nur anzuwenden, wenn der blinde Mensch nicht allein wegen Blindheit voll erwerbsgemindert ist. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für blinde Menschen, die nicht Blindenhilfe, sondern gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten.
(5) Blinden Menschen stehen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen.
(6) Die Blindenhilfe wird neben Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches erbracht.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.