Verwaltungsgericht Minden Urteil, 15. Juni 2015 - 10 K 2140/14.A


Gericht
Tenor
Soweit die Kläger ihre Klage zurückgenommen haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird Ziffer 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25. August 2014 aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die nicht durch amtliche Dokumente ihres Heimatlands ausgewiesenen Kläger geben an, am 25. Mai 1990 bzw. am 19. Januar 1994 geboren zu sein und aus Somalia zu stammen. Die Kläger sind Eltern ihres am 3. Juni 2014 geborenen Sohnes (Geburtsurkunde des Standesamts Bünde, G 151/2014).
3Die Kläger stellten am 22. April 2014 einen Asylantrag. Eine Anfrage des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) an die Eurodac-Datenbank ergab, dass die Kläger bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hatten. Auf das Übernahmeersuchen des Bundesamts teilten die italienischen Behörden mit Schreiben vom 7. Juli 2014 mit, die Kläger seien in Italien bereits als Flüchtlinge anerkannt worden. Mit Bescheid vom 25. August 2014, den Klägern zugestellt am 27. August 2014, stellte das Bundesamt fest, dass den Klägern in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht (Ziffer 1), und ordnete ihre Abschiebung nach Italien an (Ziffer 2). Dieses Land und nicht die Bundesrepublik Deutschland sei für die Entscheidung über den Asylantrag der Kläger zuständig.
4Gegen diesen Bescheid haben die Kläger am 3. September 2014 Klage erhoben. Nachdem sie ihre Klage mit Schriftsatz vom 8. Juni 2015 bezüglich der Ziffer 1 dieses Bescheids zurückgenommen haben, beantragen sie nunmehr sinngemäß noch,
5Ziffer 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25. August 2014 aufzuheben.
6Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
7die Klage abzuweisen.
8Mit Beschluss vom 7. Januar 2015 (10 L 694/14.A) hat das Gericht auf Antrag der Kläger die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts vom 25. August 2014 enthaltene Abschiebungsandrohung angeordnet. Mit Beschluss vom 23. Januar 2015 hat die Kammer den Klägern unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie mit ihrer Klage die Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 25. August 2014 verfolgen, und den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Übrigen abgelehnt. Mit weiterem Beschluss vom 3. Juni 2015 hat die Kammer das Verfahren dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
9Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts-akten (10 K 2140/14 und 10 L 694/14.A) und den Verwaltungsvorgang des Bundesamts (1 Hefter) Bezug genommen.
10E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
11Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). Der Kläger hat sein Einverständnis mit einer solchen Entscheidung durch Schriftsatz vom 8. Juni 2015 erklärt. Die Beklagte hat am 26. Januar 2015 - Az.: M21-9221-2015 - gegenüber dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts Minden eine allgemeine Prozesserklärung abgegeben, in der sie für asylrechtliche Verfahren (u.a.) auf mündliche Verhandlung verzichtet. Eine hiervon abweichende Erklärung hat die Beklagte für das vorliegende Verfahren nicht beigebracht.
12I. Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die Rücknahmeerklärung mit Schriftsatz vom 8. Juni 2015 war im Lichte des gerichtlichen Hinweises vom 15. Mai 2015 dahingehend zu verstehen, dass sie auch das mit der Klageschrift geltend gemachte (Teil-) Begehren der Kläger, die Beklagte zur Durchführung eines Asylverfahrens zu verpflichten, umfasst.
13II. Die so verstandene Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) statthaft
14- vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, DVBl. 2014, 790 (juris Rn. 28 ff.); OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 - 3 L 643/12 -, juris Rn. 21 ff.; Bayerischer VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 - 13a B 13.30295 -, BayVBl. 2014, 628 (juris Rn. 22); VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, InfAuslR 2014, 293 (juris Rn. 18) und vom 18. November 2014 - A 3 S 265/14 -, Abdruck S. 5; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 2. Februar 2015- 1 Bf 208/14.AZ -, juris Rn. 12 ff. -
15und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie fristgerecht erhoben. Dabei kann offen bleiben, ob die gesetzliche Klagefrist zwei Wochen (§ 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylVfG)
16- so z.B. VG Stuttgart, Urteil vom 26. Mai 2014 - A 12 K 12/14 -, Abdruck S. 3 -
17oder in Anknüpfung an die gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG einwöchige Frist für die Stellung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO eine Woche (§ 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylVfG) ab Zustellung des Bescheids vom 25. August 2014 beträgt.
18So z.B. VG Ansbach, Urteil vom 8. April 2014 - AN 11 K 14.30189 -, juris Rn. 15.
19Im vorliegenden Fall wäre auch die Wochenfrist eingehalten. Der angefochtene Bescheid wurde den Klägern ausweislich der im Verwaltungsvorgang befindlichen Zustellungsurkunde am 27. August 2014 zugestellt; ihre Klage ist am 3. September 2014 beim Verwaltungsgericht eingegangen
20III. Die Klage ist auch begründet. Die mit Ziffer 2 des Bescheids des Bundesamts angeordnete Abschiebung der Kläger nach Italien ist in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt, in dem die vorliegende Entscheidung gefällt wird, rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bestimmt, dass das Bundesamt dann, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat anordnet, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor; es steht nicht i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung der Kläger nach Italien erfolgen kann. Dabei hat das Bundesamt nicht nur zielstaatsbezogene, sondern auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse (§ 60a Abs. 2 AufenthG) einschließlich sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebender Ansprüche auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu prüfen.
22Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014- 2 B 215/14 -, juris Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAuslR 2011, 310 (juris Rn. 3).
231. Einer Abschiebung der Kläger nach Italien steht entgegen, dass im für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Zeitpunkt keine individuelle Zusicherung der italienischen Behörden vorliegt, dass dort eine gesicherte Unterkunft zur Verfügung steht, die die gemeinsame Unterbringung der Kläger und ihres ein Jahr alten Sohnes erlaubt. Eine solche Zusicherung ist sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
24- vgl. Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 732/14 -, AuAS 2014, 244 ( juris Rn. 16) -
25als auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
26- vgl. Urteil vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel/ Schweiz) -, HUDOC Rn. 120 und 122 -
27Voraussetzung für die Abschiebung von Familien mit kleinen Kindern nach Italien. Darüber hinausgehend verlangt das Bundesamt eine entsprechende Zusicherung auch für Abschiebungen von Familien mit Kindern unter 16 Jahren.
28Vgl. Einzelentscheiderbrief 11/2014, S. 5 f.
29Eine solche Zusicherung hat das Bundesamt trotz gerichtlichen Hinweises bisher nicht vorgelegt. Im Übrigen ist aufgrund der Mitteilung der Liaisonbeamtin des Bundesamts, dass die italienischen Behörden keine individuellen Zusicherungen zur Unterbringung von Dublin-Rückkehrern mehr abgeben
30- vgl. E-Mail der Liaisonbeamtin an das Bundesamt zum Aktenzeichen 5846119-284 vom 13. April 2014 -,
31auch nicht damit zu rechnen, dass eine solche Zusicherung zeitnah beigebracht werden wird.
322. Darüber hinaus ist aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich, dass die Beklagte bereits über den Asylantrag des am 3. Juni 2014 geborenen Sohnes der Kläger entschieden hat. Die Beklagte hat hierzu trotz des gerichtlichen Hinweises vom 15. Mai 2015 nicht weiter vorgetragen. Fehlt es demnach an einer Grundlage für die Abschiebung des Sohnes der Kläger, steht dies einer "isolierten" Abschiebung der Kläger entgegen.
33Vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 17. Dezember 2014 - A 12 K 4350/14 -; Bergmann, ZAR 2015, 81, 89.
343. Schließlich ist nicht geklärt, ob die italienischen Behörden bereit sind, die Kläger zurückzunehmen. Ist die Übernahmebereitschaft des Staates, in den eine Person überstellt werden soll, nicht abschließend geklärt ist, steht nicht i.S.d. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
35Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2015 - 14 B 162/15.A -, Abdruck S. 4; VG Düsseldorf, Beschluss vom 27. April 2015 - 8 L 452/15.A -, nrwe Rn. 17.
36Dies setzt allerdings nicht ausnahmslos voraus, dass der Zielstaat einer Überstellung ausdrücklich zugestimmt hat. Besteht eine gesicherte Verwaltungsübung mit dem Zielstaat, dass unter bestimmten Voraussetzungen und bei Vorliegen bestimmter Beweismittel hinsichtlich eines Voraufenthalts im Zielstaat die betreffende Person ohne Weiteres unverzüglich übernommen wird, so reicht dies aus.
37Vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Band 2, Stand: Juni 2014, § 27a Rn. 20.
38Aus dem vom Bundesamt vorgelegten Verwaltungsvorgang ist nicht ersichtlich, dass Italien der Überstellung ausdrücklich zugestimmt hat. Vielmehr hat das Dublin-Referat des italienischen Innenministeriums sich in seinen Schreiben vom 7. Juli 2014 darauf berufen, im vorliegenden Fall nicht zuständig zu sein, und hat das Bundesamt an eine andere, näher bezeichnete Stelle verwiesen. Dass sich das Bundesamt an diese Stelle gewandt und diese der Überstellung des Antragstellers zugestimmt hat, geht aus dem vorgelegten Verwaltungsvorgang nicht hervor. Erkenntnisse dazu, ob zwischen Italien und der Bundesrepublik Deutschland eine gesicherte Verwaltungsübung besteht, dass Italien Ausländer unter den Voraussetzungen, wie sie im vorliegenden Fall gegeben sind, ohne Weiteres unverzüglich übernimmt, liegen dem Gericht nicht vor. Die Beklagte hat hierzu trotz des gerichtlichen Hinweises vom 15. Mai 2015 nicht weiter vorgetragen. Ein Indiz gegen eine solche Verwaltungspraxis ist der Umstand, dass das Dublin-Referat des italienischen Innenministeriums das Bundesamt an eine andere Stelle verwiesen hat.
39Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG.
40Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.