Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 06. Juni 2012 - 9 A 23/11

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2012:0606.9A23.11.0A
bei uns veröffentlicht am06.06.2012

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Genehmigung einer Änderung des Abwasserbeseitigungskonzepts des Klägers. Der Kläger ist in seinem Gebiet Träger der Abwasserbeseitigungspflicht, die Beigeladene dortiger Großeinleiterin industrieller Abwässer.

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Die Abwässer der Beigeladenen, die am Standort D-Stadt Getränke herstellt, werden seit Inbetriebnahme direkt in die errichtete Kläranlage der Entsorgungsgesellschaft „Neues Land“ (NL) eingeleitet. Anteilseigner der Entsorgungsgesellschaft sind zu 60 % der Kläger und zu 40 % die Beigeladene. Die im Jahre 1993 im Gewerbegebiet D-Stadt gemeinsam von der abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinde D-Stadt und der Firma N. GmbH – einer Rechtsvorgängerin der Beigeladenen – errichtete Kläranlage reinigt seitdem auch die kommunalen Abwässer des Klägers gemeinsam mit den betrieblichen Abwässern der Beigeladenen. Beide Abwasserarten sind insofern vergleichbar, als sie, wenn auch in unterschiedlich hoher Fracht im Wesentlichen mit organischen Schadstoffen belastet sind. Das Anteilsverhältnis der Einleitermenge in die Kläranlage D-Stadt liegt nach Angaben des Klägers bei ca. 60 % der Beigeladenen (ca. 194.000 m³/2010) und 40 % beim Kläger (ca. 120.000 m³/2010). Die Beigeladene beschäftigt ca. 300 Mitarbeiter und ist damit einer der größten Arbeitsgeber in der Region. Bis zum Ablauf des Jahres 2008 wurde die Entsorgung durch Rechnungslegung der Entsorgungsgesellschaft gegenüber der Beigeladenen abgerechnet, was der Beigeladenen den Vorsteuerabzug ermöglichte. Diese Abrechnungsmethode wurde in der Folgezeit geändert, so dass die Beigeladene seit 2009 einen Gebührenbescheid des Klägers erhält, auf den keine Umsatzsteuer ausgewiesen wird.

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Der Kläger beschloss in seiner Verbandsversammlung am 31.03.2009 die Änderung des Abwasserbeseitigungskonzepts (ABK) vom 04.04.2007. Geändert wurde das ABK dahingehend, dass das Grundstück der Beigeladenen von der Beseitigungspflicht ausgeschlossen ist.

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Mit Bescheid vom 04.12.2009 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Genehmigung des geänderten Abwasserbeseitigungskonzeptes ab. Die vorrangige Verpflichtung kommunaler Körperschaften zur Abwasserbeseitigung sei vom Gesetzgeber bewusst gewollt. Der sich daraus ergebenden Verantwortung der Gemeinden für das Wohl der Allgemeinheit würde es nicht entsprechen, die Beseitigungspflicht generell auf private Nutzungsberechtigte zu übertragen. Eine Überwälzung der Abwasserbeseitigungspflicht auf sie könne nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Denn diese böten nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht in gleichem Maße wie öffentlich-rechtliche Träger die Gewähr dafür, dass das anfallende Abwasser in vergleichbarer Weise gereinigt und entsorgt werde, wie von einem öffentlichen Träger. An das Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen die Beseitigungspflicht auf Dritte übertragen werden könne, seien daher angesichts des Ausnahmecharakters der Übertragung strenge Anforderungen zu stellen. Ein Ausschluss von der Abwasserbeseitigungspflicht komme daher nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen nach § 151 Abs. 5 Wassergesetz Sachsen-Anhalt (WG LSA [a. F.]) erfüllt seien; also wenn

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1. das Abwasser wegen seiner Art oder Menge nicht zusammen mit den in Haushaltungen anfallenden Abwasser beseitigt werden könne,
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2. eine Übernahme des Abwassers wegen technischer Schwierigkeiten, wegen des unverhältnismäßig hohen Aufwands oder aufgrund der Siedlungsstruktur nicht angezeigt oder
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3. dies aus anderen Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses geboten sei
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und eine gesonderte Beseitigung des Abwassers das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtige.

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Die Voraussetzungen nach § 151 Abs. 5 Nr. 1 WG LSA seien nicht erfüllt. Diesbezüglich enthalte der Antrag bereits keine substantiierten Angaben. Die vom Kläger angeführten Mehrkosten bei der Reinigung der stark belasteten Gewerbeabwässer stellten keinen Hinderungsgrund im Sinne des Gesetzes zur gemeinsamen Abwasserbeseitigung dar. Auch für die von der Beigeladenen angeführte Zweckmäßigkeit der Abwasserbeseitigung durch sie selbst stelle keinen gesetzlichen Grund dar. Nach der vorgesehenen anaeroben Vorbehandlung der Gewerbeabwässer werde schon ein Teilstrom häuslicher Abwasser dem Prozess zugeführt und in den weiteren Reinigungsstufen erfolge die komplette gemeinsame Weiterbehandlung bis zur Ableitung in die Vorfluter. Auch zukünftig werde durch die auf der Kläranlage geplante Maßnahme keine gesonderte Behandlung der Abwässer der Beigeladenen erfolgen. Bereits aus den historischen Sachverhalten sei ersichtlich, dass die gemeinsame Behandlung der kommunalen und gewerblichen Abwässer eindeutig beabsichtigt und möglich sei.

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Die Ausschlussmöglichkeit nach § 151 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 WG LSA (a. F.) sei ebenso nicht gegeben. Ein Ausschluss aus anderen Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses sei nicht ersichtlich. Mit der Formulierung „andere Gründe“ lasse der Gesetzgeber Spielräume. Dies könnten wirtschaftliche, umweltpolitische und ähnliche Gründe sein. Primär sei aber das wasserrechtliche Umweltschutzziel zu beachten, so dass die durch die Beigeladene geltend gemachten „finanziellen Gründe“ nur dann tragfähig seien, wenn sie besonders schwerwiegender Art seien, z. B. die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens ernsthaft beeinträchtigten und damit den Fortbestand des Unternehmens gefährdeten. Dies sei hier allein wegen des Erreichens der Vorsteuerabzugsberechtigung ersichtlich nicht der Fall.

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Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2010 unter der vertieften Begründung des Ausgangsbescheides zurückgewiesen.

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Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 151 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 3 WG LSA (a. F.) gegeben seien. Die in den Haushaltungen und bei der Beigeladenen anfallenden Abwässer könnten nicht zusammen beseitigt werden. Denn die Schmutzfracht der Abwässer der Beigeladenen sei deutlich über den üblichen Abwässern aus Haushaltungen. Die Historie der Klägeranlage habe gezeigt, dass die einst beschlossene gemeinsame Behandlung für alle Beteiligten den Nachteil sei und unnötig hohe Abwasserreinigungskosten zur Folge habe. Die Norm spreche nicht nur Fälle der absoluten Unmöglichkeit der gemeinsamen Beseitigung an, sondern auch solche, in denen eine getrennte Beseitigung zweckmäßiger sei.

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Darüber hinaus seien die Voraussetzungen des § 151 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 WG LSA (a. F.) gegeben. Bei dem geforderten öffentlichen Interesse seien auch die wirtschaftlichen Überlegungen der Beigeladenen zu berücksichtigen. Die Formulierung „andere Gründe“ im Gesetz mache deutlich, dass nicht nur abwasserrechtliche Gründe von Bedeutung seien, sondern auch andere öffentliche Interessen wie die Standortentscheidung der Beigeladenen. Bei einer anderweitigen Standortentscheidung der Beigeladenen mit dem damit zusammenhängenden Wegfall der Einleitermengen folge, dass der Kläger sodann für bestimmte Mengen unabhängige Kostenarten wie z. B. Kapitaldienst(Zinsen/Tilgung), Abschreibungen, Versicherungen und Grundstückssteuer allein aufkommen müsse. Dies hätte eine deutliche Gebührenerhöhung zur Folge. Darüber hinaus sei die Beigeladene einer der größten Arbeitsgeber in der Region. Der Ausschluss der Abwässer der Beigeladenen aus der Beseitigungspflicht sei daher erforderlich, geeignet und geboten.

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Die Voraussetzungen des § 151 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 WG LSA (a. F.) seien ebenfalls gegeben. Denn eine gesonderte Beseitigung des Abwassers der Beigeladenen beeinträchtige das Wohl der Allgemeinheit nicht.

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Schließlich sei die Klage nach der Neuregelung des WG LSA vom 16.11.2011 begründet. Denn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 78 Abs. 6 Satz 2 WG LSA seien erfüllt.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid vom 04.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die am 07.10.2009 beantragte Änderung des Abwasserbeseitigungskonzeptes des Klägers zu genehmigen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und verteidigt die Bescheide und die darin geäußerte Rechtsauffassung. Insbesondere macht er weitere Ausführungen zur Schadstofffracht der gemeinsamen Abwässer und dazu, dass die finanziellen Interessen der Beigeladenen (Vorsteuerabzug) in wasserrechtlicher Hinsicht nicht tragfähig seien. Die Aufgabe des Standortes D-Stadt durch die Beigeladene sei keine im Rahmen der wasserrechtlichen Genehmigung zu prüfende Rechtsfrage.

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§ 78 Abs. 6 Satz 2 WG LSA sei vorliegend nicht anwendbar. Bei dieser Norm handele es sich um eine Nachfolgeregelung des § 151 Abs. 8 WG LSA (a. F.). Dieser sogenannte „Leuna-Paragraph“ sei geschaffen worden, um die Fälle der aus Zeiten der früheren DDR stammenden Großkombinate zu regeln. Diese vor allem im Bereich der Chemieproduktion tätigen Betriebe umfassten oftmals Flächen einer Kleinstadt, sodass sie über autarke Abwasserbeseitigungsanlagen verfügten. Den Nachfolgeunternehmen auf diesen Arealen sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, ihr Abwasser selbst zu beseitigen. Denn wegen der anfallenden Abwassermengen und im Vergleich zu dem häuslichen Abwasser oft völlig anderen Zusammensetzung der industriellen Abwässer, seien die kommunalen Abwasserbeseitigungspflichten regelmäßig überfordert. Das Tatbestandsmerkmal „in einem Gebiet“ weise auf ein Industrie- und Gewerbe-“Gebiet“ bzw. einen Industrie- oder Gewerbe-Park, also eine Vergleichbarkeit mit den Großflächen der früheren Kombinate hin. Bei der Beigeladenen handele es sich hingegen um ein Einzelunternehmen und nicht um eine Gesamtheit von Unternehmen „in einem Gebiet“.

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Die Beigeladene schließt sich dem Antrag und der rechtlichen Argumentation des Klägers an und weist auf die finanziellen Mehrbelastungen aufgrund des fehlenden Vorsteuerabzuges hin. Das „öffentliche Interesse“ im Sinne des § 151 Abs. 5 WG LSA (a. F.) sei aufgrund der von der Beigeladenen zu überdenkenden Standortfrage beachtlich.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitbefangene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Genehmigung der unter dem 31.08.2009 beschlossenen Änderung seines Abwasserbeseitigungskonzeptes mit dem Ziel der Entlassung des auf dem Grundstück der Beigeladenen anfallenden Abwassers aus der kommunalen Abwasserbeseitigungspflicht.

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1.) Anwendbar ist vorliegend das Wassergesetz Sachsen-Anhalt (WG LSA) vom 16.03.2011. Denn jedenfalls im Rahmen einer Verpflichtungsklage (§ 42 VwGO), die auf Erlass eines nicht im Ermessen stehenden Verwaltungsaktes gerichtet ist, ist auf den Sach- und Streitstand und die rechtlichen Grundlagen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts abzustellen.

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a.) Nach § 78 Abs. 1 WG LSA; § 151 Abs. 1 WG LSA (a. F.) sind die Gemeinden für das gesamte, auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser beseitigungspflichtig, soweit nach dem Gesetz nicht andere dazu verpflichtet sind. Dazu stellen die Gemeinden ein Abwasserbeseitigungskonzept auf (78 Abs. 4 WG LSA; § 151 Abs. 4 WG LSA [a. F.]). Das Abwasserbeseitigungskonzept bedarf der Genehmigung durch die Wasserbehörde (§ 78 Abs. 5 Satz 1 WG LSA; § 151 Abs. 4 Satz 3 WG LSA [a. F.]), welche u. a. nur versagt werden darf, wenn das Abwasserbeseitigungskonzept gegen Rechtsvorschriften verstößt (§ 78 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 WG LSA; § 151 Abs. 4 Satz 4 WG LSA [a. F.]). Demnach ist im Umkehrschluss die beantragte Genehmigung der Änderung des vorhandenen und genehmigten Abwasserbeseitigungskonzeptes, welches die Abwasserbeseitigung der Abwässer der Beigeladenen gerade einschließt, rechtlich nur zulässig, wenn die (Neu-)Genehmigung des veränderten Abwasserbeseitigungskonzeptes mit dem Ausschuss der Abwässer der Beigeladenen, zulässig ist. Dies ist deshalb im Rahmen der Genehmigung eines Abwasserbeseitigungskonzeptes zu prüfen, weil dasselbe nach § 78 Abs. 4 Satz 2 Ziffer 5 WG LSA Tatsachen zu enthalten hat, die das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach Absatz 6 belegen, sofern die Übernahme des Abwassers deshalb ausgeschlossen werden soll. Ein Abwasserbeseitigungskonzept, welches Abwasser entgegen § 78 Abs. 6 WG LSA von der Übernahme ausschließt, verstößt gegen Rechtsvorschriften, was seiner Genehmigung entgegensteht (§ 78 Abs. 5 Satz 2 Ziffer 1 WG LSA).

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b.) Diese Genehmigungsvoraussetzungen nach § 78 Abs. 5 WG LSA; § 151 Abs. 4 WG LSA (a. F.) liegen nicht vor. Das geänderte Abwasserbeseitigungskonzept des Klägers verstößt gegen Rechtsvorschriften (§ 78 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 WG LSA; § 151 Abs. 4 Satz 4 WG LSA [a. F.]). Denn der Ausschluss aus der gemeindlichen Abwasserbeseitigungspflicht ist nur zulässig, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen nach 78 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 bis 3 WG LSA; § 151 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 3 WG (a. F.) vorliegen. Dies ist nicht der Fall.

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a. a.) § 78 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 WG LSA; § 151 Abs. 5 Satz 1 Satz 1 Nr. 1 WG LSA [a. F.] (unterschiedliche Art oder Mängel der Abwässer) greift bereits deshalb nicht, weil seit 17 Jahren die gemeinsame Abwasserbeseitigung stattfindet. Die Ausführungen des Klägers, dass sich dies in der Vergangenheit nicht bewährt und zu unverhältnismäßig hohen Kosten geführt habe, sind nicht nachvollziehbar. Das Gericht schließt sich dazu den zutreffenden Ausführungen in den streitbefangenen Bescheiden an und darf darauf verweisen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Die dortigen Angaben zur Schmutzwasserfracht sind zugrunde zu legen.

29

b. b.) Ebenso liegen die von dem Kläger und der Beigeladenen geltend gemachten Gründe nach § 78 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 WG LSA; § 151 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 WG LSA [a. F] (aus anderen Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geboten) nicht vor. Kläger und Beigeladene drohen diesbezüglich mit dem Verlust der regionalen Arbeitsplätze bei der Beigeladenen durch eine Standortschließung. Dies kann bereits kein wasserrechtliches „öffentliches Interesse“ darstellen. Allein dieses ist jedoch maßgeblich, was sich sowohl aus der Normierung dieser Anforderungen im Wasserrecht als auch aus seiner Einbindung im Rahmen spezieller wasserrechtlicher Gründe (Ziffern 1 und 2) quasi als Auffangvorschrift im Sinne eines „anderen wasserrechtlichen“ Grundes ergibt. Auch soweit man sich überhaupt darauf einlassen würde, beinhaltet der Vortrag keine hinreichende Substantiierung. Denn zum einen handelt es sich um bloße Absichtserklärungen - ja Drohungen - und zum anderen müsste die Beigeladene auch an einem anderen Standort die gesetzliche Umsatzsteuer entrichten. Denn das Interesse der Beigeladenen am Ausschluss von der kommunalen Abwasserbeseitigungspflicht liegt allein im finanziellen Vorteil durch den Vorsteuerabzug. Dass dadurch die Wirtschaftlichkeit der Beigeladenen derart infrage gestellt ist, dass es zu einer Standortschließung kommt, ist vollkommen ungewiss und mag letztendlich einer unternehmerischen Entscheidung vorbehalten bleiben. Jedenfalls – und das ist rechtlich entscheidend – handelt es sich nicht um ein unter dem Regime des Wasserrechts zu berücksichtigendes „Interesse“ und schon gar nicht um ein „öffentliches“, welches dazu noch „überwiegend“ sein muss, sodass der Ausschluss der Abwasserbeseitigungspflicht „geboten“ ist. Bereits die Verwendung dieser Fülle von unbestimmten Rechtsbegriffen verdeutlicht, dass der Gesetzgeber nur in ganz eng begrenzten Ausnahmefällen den Ausschluss der gesetzlich vorgeschriebenen gemeindlichen Abwasserentsorgung zulassen wollte. Allein das Tatbestandsmerkmals „geboten“ in der Regelung, intendiert nahezu eine Aufdrängung in dem Sinne, dass jede andere Entscheidung unvertretbar wäre, zumal dann als genereller Grund noch zu verlangen wäre, dass die „gesonderte Beseitigung des Abwassers, das Wohl der Allgemeinheit nicht beinträchtigen“ darf (§ 78 Abs. 6 Satz 1 letzter HS WG LSA; § 151 Abs. 5 Satz 1 letzter HS WG LSA [a. F.]). Das Gericht folgt daher auch hier den zutreffenden Ausführungen des Beklagten in den streitbefangenen Bescheiden und darf darauf verweisen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Zu Recht beschränkt der Beklagte die Entlassung aus der gemeindlichen Abwasserbeseitigungspflicht auf eng begrenzte Ausnahmefälle, die hier nicht vorliegen (vgl. dazu: OVG Schleswig-Holstein, Urteil v. 24.02.1999, 2 L 68/97; juris).

30

Soweit sich der Beigeladene mit dem Kläger darauf beruft, es gelte, den in der Vergangenheit geschaffenen tatsächlichen Umständen nunmehr auch rechtlich Rechnung zu tragen, zumal bis 2008 gerade deshalb eine Rechnungslegung und eine damit verbundene Möglichkeit des Vorsteuerabzugs aufgrund der Direkteinleitung und des seinerzeitigen Engagements der Beigeladenen im Zusammenhang mit der Errichtung der Kläranlage D-Stadt Beachtung gefunden hat, so führt dies nicht weiter. Denn dieser Zustand war rechtswidrig, da die Abwässer der Beigeladenen nicht aus der Abwasserbeseitigungspflicht des Klägers entlassen waren, was ihre Gebührenfähigkeit begründet. Zwar mag es sich bei der durch die (private) Entsorgungsgesellschaft für den Kläger zu erbringende Abwasserbehandlung um eine umsatzsteuerpflichtige Leistung handeln, die dem Einleiterentgelt zugrunde gelegt werden darf. Die von dem Kläger auch gegenüber der Beigeladenen zu erbringende Leistung ist jedoch lediglich eine solche im gebührenrechtlichen und nicht im umsatzsteuerrechtlichen Sinne; Umsatzsteuer darf darauf nicht erhoben werden (vgl. BFH, Urt. v. 08.01.1998, V R 32/97, juris).

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c.) Der Klage verhilft auch die Neuregelung in § 78 Abs. 6 Satz 2 WG LSA nicht zum Erfolg. Danach kann die Gemeinde auf der Grundlage ihres genehmigten Abwasserbeseitigungskonzeptes durch Satzung auch Abwasser aus ihrer Beseitigungspflicht ganz oder teilweise ausschließen, wenn das Abwasser überwiegend gewerbliche oder industrielle Anteile aufweist, es in einem Gebiet über eine technisch selbständige Abwasserbeseitigungseinrichtung beseitigt wird und die Übernahme des Abwassers in gemeindliche Abwasseranlagen nicht erforderlich ist.

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Der Anwendungsbereich der Norm ist vorliegend nicht eröffnet. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen, dass das Abwasser „in einem Gebiet über eine technisch selbständige Abwasserbeseitigungseinrichtung beseitigt wird“, liegen nicht vor. Der Gesetzesbegründung ist hierzu zwar nichts zu entnehmen (vgl. LT-Drs. 5/2875). Mit dem Beklagten geht das Gericht aufgrund des Wortlautes der Vorschrift jedoch davon aus, das diese Voraussetzung auf ein Industrie- und/oder Gewerbe “Gebiet“ bzw. eine Industrie-/Gewerbe-Park verweist, welche mit den Großflächen der frühren vorwiegend im Bereich der Chemieproduktion tätigen Kombinate vergleichbar sind (sog. Leuna-Paragraph). Diese Regelung war erforderlich, weil nach der Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht auf Dritte auf der Grundlage der Vorgängervorschriften des WG LSA dieser Rechtszustand zwar fortdauerte, für dessen Berücksichtigung im Rahmen der Abwasserbeseitigungskonzepte jedoch keine normative Regelung vorhanden war. Wegen der dort anfallenden industriellen Abwassermengen, die sich auch hinsichtlich der Zusammensetzung von dem häuslichen Abwasser maßgeblich unterscheiden, ist der kommunale Aufgabenträger regelmäßig überfordert. Hinzu kommen muss die autarke „technisch selbständige Abwasserbeseitigungseinrichtung“ in diesem Gebiet. Dies ist in Bezug auf die Abwässer der Beigeladenen nicht der Fall. Mag die Kläranlage D-Stadt auch auf dem Grundstück der Beigeladenen errichtet sein, so stellt die Beigeladene dort den einzigen Gewerbebetrieb und die Anlage ist in diesem Sinne nicht autark. Sie stellt keine „technisch selbständige Abwasserbeseitigungseinrichtung“ im Sinne einer von der Norm ebenfalls verlangten Gebietsbezogenheit dar. Denn neben der ca. 60%igen Einleitermenge der industriellen Abwässer der Beigeladenen, fließen 40 % der häuslichen Abwässer des Entsorgungsgebietes des Klägers in die Kläranlage D-Stadt. Bei einem derartigen Größenverhältnis der Einleitermengen kann man weder von einer „technisch selbständigen Abwasserbeseitigungseinrichtung“ noch davon sprechen, dass das Abwasser überwiegend gewerbliche oder industrielle Anteile aufweist. Vielmehr ist die Abwasserbeseitigungseinrichtung in das Abwasserbeseitigungsgebiet des Klägers eingebunden und dient damit maßgeblich auch der Abwasserbeseitigung der häuslichen Abwässer.

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2.) Da die Auslegung der Neuregelung des § 78 Abs. 6 Satz 2 WG LSA im Sinne einer Rechtseinheit einer Klärung bedarf, hat die Kammer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache angenommen und die Berufung zugelassen (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs.1 Nr. 1 VwGO).

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3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene war nach § 154 Abs. 3 VwGO mit in die Kostenpflicht zu nehmen. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt nach § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. d. Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und nach Anhörung der Beteiligten in Höhe der vorläufigen Festsetzung.


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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.