Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 03. März 2010 - 8 B 21/09

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2010:0303.8B21.09.0A
bei uns veröffentlicht am03.03.2010

Gründe

I.

1

Mit der angegriffenen Verfügung vom 13.08.2009 enthob der Antragsgegner den Antragsteller als Obersekretär im Justizvollzugsdienst gemäß § 38 Abs. 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) vorläufig des Dienstes und behielt nach § 38 Abs. 2 DG LSA zugleich 30 v. H. seiner Dienstbezüge ein. Zur Begründung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus, dass der Antragsteller in vielfältiger Weise gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen und dadurch Dienstvergehen von erheblichem Gewicht begangen habe. Aus diesem Grunde sei mit Schriftsatz vom 01.04.2009 Disziplinarklage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht Magdeburg mit dem Ziel erhoben worden, den Antragsteller aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

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1.) Bezüglich der genauen und einzelnen Vorwürfe wurde auf die dem Bescheid beiliegende Kopie der Disziplinarklage vom 01.04.2009 (8 A 9/09 MD) verwiesen. Dort heißt es:

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Der Antragsteller habe ein Dienstvergehen dadurch begangen, dass er sich wiederholt geweigert habe, Gefangenenwäsche anzunehmen (a.). Weiter stelle seine eigenmächtige Beendigung des „Aufenthalts der Gefangenen im Freien“ ein Dienstvergehen dar (b.) und schließlich sei er der Aufforderung zur Überprüfung seiner Dienstfähigkeit durch den Amtsarzt nicht nachgekommen (c.). Ebenso seien Dienstpflichtverletzungen durch das jahrelange und permanente und massive Stören des Betriebsfriedens zu verzeichnen (d.). Schließlich wird aus zahlreichen Unterlagen zitiert (e.).

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a.) Der Antragsteller habe am 09.01.2006 durch E-Mail an den damaligen Sicherheitsdienstleiter der JVA A-Stadt mitgeteilt, dass der Antragsteller die von den Angehörigen mitgebrachte Wäsche der Gefangenen nicht mehr annehmen werde, es sei denn, die Wäsche werde in einem verschlossenen Paket abgegeben. Zur Begründung hatte der Antragsteller ausgeführt, dass Rauschgiftspürhunde, die regelmäßig zur Kontrolle von Weihnachtspaketen eingesetzt seien, in der Weihnachtszeit 2005 auch bei einem solchen Wäschepaket angeschlagen hätten. Demzufolge seien entweder die darin befindlichen Kleidungsstücke oder die bereitgestellten Kartons mit Rauschgift kontaminiert gewesen. Um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, selbst mit Rauschgift zu handeln oder dieses in ein Paket mit eingepackt zu haben, sehe er sich zu der von ihm neu vorgeschlagenen Vorgehensweise veranlasst. Auch nach weiterer Belehrung durch die Anstaltsleitung habe der Antragsteller an seinem Vorhaben festgehalten. Den Angehörigen habe er ein selbstgefertigtes Merkblatt für Wäschepakete ausgehändigt und sie aufgefordert, die Wäsche nur in einem verschlossenen Paket abzugeben. In der Folgezeit habe der Antragsteller einen Strafgefangenen angewiesen, die zum Umpacken der Wäsche bereitgestellten Pakete sowie die anstaltseigene Holzkiste, die zum Transport dieser Pakete gedient habe, aus der Kfz-Schleuse in den Sperrmüllcontainer zu verbringen. Auch aufgrund weiterer Gespräche zwischen der Anstaltsleitung und dem Antragsteller habe dieser an seiner Vorgehensweise festgehalten. Seitens der Anstaltsleitung wird darauf hingewiesen, dass bereits aus Sicherheitsgründen die von den Angehörigen eingebrachten Wäschestücke kontrolliert werden müssten.

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b.) Am 15.03.2006 habe der Antragsteller von dem Tourendienstleiter der JVA A-Stadt die Anweisung erhalten, ab 10.00 Uhr den „Aufenthalt im Freien“ der Gefangenen abzusichern. Der Antragsteller habe eigenmächtig seine Aufsichtstätigkeit beendet und sei in die Außenpforte zurückgekehrt. Die Gefangenen seien unbeaufsichtigt zurückgeblieben bis sie durch einen anderen diensthabenden Beamten zurückgebracht worden seien. Der Antragsteller habe sein Verhalten damit begründet, dass Gefangene grundsätzlich nur eine Stunde „Aufenthalt im Freien“ zustünden. Soweit der Aufenthalt länger als eine Stunde andauere, müsse nach Auffassung des Antragstellers ein anderer Bediensteter die Aufsicht weiterführen.

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c.) Unter dem 13.07.2006 sei der Antragsteller zur Überprüfung der Dienstfähigkeit beim Gesundheitsamt A-Stadt zur amtsärztlichen Untersuchung einbestellt worden. Weitere Einbestellungen seien Anfang August 2006 erfolgt. Am 06.10.2007 habe der Antragsteller der Leitenden Amtsärztin vom Gesundheitsamt A-Stadt mitgeteilt, dass er in dieser Angelegenheit keine weiteren Untersuchungen mitmachen werde. Dies habe sodann auch der inzwischen beauftragte Rechtsanwalt des Antragstellers unter dem 05.11.2007 bestätigt. Es sei nicht erkennbar, warum Zweifel über die Dienstfähigkeit des Antragstellers bestünden. Sodann sei das beamtenrechtliche Zurruhesetzungsverfahren eingeleitet worden. Die diesbezügliche Klage des Beamten wird bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg unter dem Aktenzeichen 5 A 430/09 MD geführt.

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d.) Schließlich seien durch jahrelange permanente und massive Störungen des Betriebsfriedens Dienstpflichtverletzungen festzustellen. Diese Dienstpflichtverletzungen werden dezidiert aufgrund mehrerer Vorkommnisse beginnend aus dem Jahr 1996 bis 2006 beschrieben.

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e.) Weiter wird aus einem Bericht des Anstaltspsychologen Dr. F. aus dem Jahre 1998 zitiert sowie das Gutachten des Gesundheits- und Veterinäramtes A-Stadt vom 01.07.2002 auszugsweise wiedergegeben. Das Gutachten führt aus, dass in den vom Antragsteller beigebrachten medizinischen Unterlagen aus den Jahren 1984 bis 2001 eine neurotische Fehlentwicklung beschrieben worden sei. Da der Antragsteller keine psychopathologischen Veränderungen aufgewiesen habe, sei von seiner vollständigen Dienstfähigkeit auszugehen. Die Gutachterin habe eine psychotherapeutische Behandlung empfohlen. Dieser Empfehlung sei der Antragsteller nachgekommen und habe sich ab dem 01.01.2002 in psychotherapeutischer Behandlung befunden. Aufgrund der vom Antragsteller der Gutachterin im Jahre 2002 übergebenden ärztlichen Befunde aus den früheren Jahren habe der Anstaltsleiter der JVA Halberstadt unter dem 25.09.2002 den Verdacht geschildert, dass der Beamte bei der amtsärztlichen Untersuchung für die Eignung für die Beamtenlaufbahn im JVD einen falschen Gesundheitszustand dargestellt habe und die früheren Behandlungen und Therapien nicht angegeben habe. Bei Kenntnis über die neurotische Fehlentwicklung wäre es nicht zu einer Einstellung in den Justizvollzugsdienst des Landes Sachsen-Anhalt gekommen. Die schon in der Probezeit aufgetretenen Auffälligkeiten des Beamten wären dann in einem anderen Licht zu sehen gewesen.

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In der daraufhin (nur nach Aktenlage) erstellten gutachterlichen Stellungnahme zur beantragten Nachbegutachtung vom 16.01.2003 (Bl. 263 Beiakte R) teilte die Gutachterin des Gesundheits- und Veterinäramtes A-Stadt mit,

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„… dass sich anhand der im Nachbegutachtungsantrag aufgeführten Fakten, wesentliche neue Aspekte gegenüber der Sachlage zum Zeitpunkt der Erstbegutachtung ergeben haben. Aufgrund der von zunehmend erweiterten Kenntnissen über die Persönlichkeit des Beamten und der erschwerten Differenzialdiagnostik bei komplizierten Persönlichkeitsstörungen wie sie bei dem Beamten vorliegen, wird eine fachärztliche psychiatrische Zusatzbegutachtung empfohlen, um überprüfen zu können, ob an der festgestellten Erstdiagnose weiterhin festgehalten werden kann.“

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Aufgrund dieser Empfehlung habe sich der Dienstherr sodann zu einer weiteren Begutachtung des Antragstellers entschlossen, welcher vom Antragsteller jedoch nicht Folge geleistet worden sei.

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2.) Insgesamt werde aus den dargestellten Vorfällen deutlich, dass der Antragsteller nicht willens und nicht in der Lage sei, sich in eine bestehende Hierarchie einzuordnen, sein Verhalten anzupassen und Weisungen entgegenzunehmen. Die Probleme bei der Dienstdurchführung und -auffassung bestünden bereits seit über 12 Jahren und hätten sich in den vergangenen Jahren stets verschärft. Die Dienstdurchführung des Antragstellers sei dadurch gekennzeichnet, dass er seiner Auffassung nach allein rechtmäßig zu handeln glaube. Dabei erweise er sich in der Rechtsanwendung als unflexibel, ignoriere Weisungen, weigere sich, Autoritäten anzuerkennen und sei teamunfähig.

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Durch diese Verhaltensweisen werde der geordnete Dienstbetrieb erheblich gefährdet und der Betriebsfrieden der Haftanstalt empfindlich gestört. Der Beamte verkenne, dass ihm in vielen Vorschriften ein Ermessensspielraum eingeräumt werde, welcher von ihm zwingend auszufüllen sei. Sein unbelehrbares Beharren auf seiner Position und seine hartnäckigen Weigerungen, Anordnungen von Vorgesetzten auszuführen, seien daher nicht nur als permanente Gehorsamspflichtverletzungen nach § 55 BG LSA (a. F.) und § 35 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) zu werten. Sie seien auch geeignet, den Betriebsfrieden in der JVA erheblich zu stören und den Antragsteller selbst sowie andere Bedienstete in Gefahr zu bringen.

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Von Justizvollzugsbeamten sei die Fähigkeit zu fordern, im Rahmen des Ermessensspielraumes sensible und abgewogene Einzelfallentscheidungen zu treffen. Der Umgang mit dem Strafgefangenen erfordere ein sogenanntes „Fingerspitzengefühl“. Bereits aufgrund der Persönlichkeitsstruktur vieler Strafgefangener könne es bei unabgewogenen Einzelfallentscheidungen der Justizvollzugsbeamten zu einer Eskalation und Gewalt kommen. Das uneinsichtige Verhalten des Antragsstellers könne somit unter Umständen für alle Beteiligten lebensgefährlich werden. In den vergangenen Jahren habe seine beharrende und uneinsichtige Vorgehensweise in vielen Situationen zu Eskalationen geführt. Dies habe zur Folge, dass sich die überwiegende Anzahl der Kollegen weigere, mit dem Antragsteller zusammenzuarbeiten. In der Vergangenheit sei der Antragsteller insgesamt achtmal dienstrechtlich umgesetzt bzw. versetzt worden, ohne dass sich sein Verhalten geändert habe.

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Aufgrund der dargelegten Pflichtenverstöße müsse davon ausgegangen werden, dass ein so schweres Dienstvergehen vorliege, dass das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in eine beanstandungsfreie Dienstdurchführung durch den Antragsteller endgültig verloren sei. Die Schwere des Dienstvergehens rechtfertige bereits die Prognose, dass aufgrund der Disziplinarklage die Entfernung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis ausgesprochen werde (§ 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA). In jedem Fall würde das Verbleiben des Antragstellers im Dienst den Dienstbetrieb wesentlich beeinträchtigen und die vorläufige Dienstenthebung stehe zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme auch nicht außer Verhältnis (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA).

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Demnach sei auch die Einbehaltung der Dienstbezüge des Antragstellers in Höhe von 30 v. H. nach § 38 Abs. 2 DG LSA gerechtfertigt. Da der Antragsteller im Rahmen der Vorermittlungen keine weiteren Mitteilungen über seine finanziellen Belastungen abgegeben habe, sei die Kürzung ermessensfehlerfrei.

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3.) Der Antragsteller widerspricht den behaupteten Dienstpflichtverletzungen und bezieht sich dazu ebenso auf seine Klageerwiderung vom 08.06.2009 zur Disziplinarklage. Demnach sei festzustellen, dass der Antragsgegner sich auf eine Vielzahl von Vorkommnissen beziehe, welche verwirkt oder verjährt seien. Es sei zu keiner „Abmahnung“ gekommen und der Antragsteller habe nicht damit rechnen müssen, dass ihm sein Verhalten vorgehalten werde. Es tritt sodann in seinen weiteren Ausführungen der Bewertung der Vorkommnisse aus den Jahren 1996 und folgend entgegen.

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a.) Hinsichtlich der Vorkommnisse um die Annahme der Gefangenenwäsche führt er aus, dass er die Anstaltsleitung diesbezüglich ausdrücklich beraten habe, um die aus seiner Sicht zweckmäßige und rechtmäßige Maßnahme zu erläutern. Denn es sei nicht auszuschließen, dass in der Gefangenenwäsche gefährliche Substanzen und Gegenstände eingenäht seien, die geeignet seien, erhebliche Gefährdungen und Schäden in der Anstalt zu verursachen. Der Antragsteller habe sich demnach in einer Pflichtenkollision befunden. Denn es sei nicht auszuschließen, dass irgendwann gegen ihn ein derartiger Verdacht eines Betäubungsmittelvergehens oder der Beihilfe ausgesprochen werde. Jedenfalls habe der Beamte nicht schuldhaft gehandelt.

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b.) Zu dem vorgehaltenen Dienstvergehen der eigenmächtigen Beendigung des Aufenthalts der Gefangenen im Freien führt er aus, dass er an diesem Tag bereits mehrere Stunden Gefangene im Freien beaufsichtigt habe und dringend die Toilette aufsuchen musste. Darüber habe er den Vorgesetzten informiert. Der Antragsteller habe nicht durch ein Zurücklassen der Gefangenen auf dem Freistundenhof die Sicherheit der Anstalt gefährdet. Der Antragsteller sei davon ausgegangen, dass ein anderer Bediensteter die Bewachung übernehme. Auch hier habe er sich in einer Pflichtenkollision befunden.

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c.) Nachdem der Antragsteller bereits im Jahre 2002 fachpsychiatrisch durch Dr. S., untersucht worden sei und sich in der Folgezeit einer Psychotherapie unterzogen habe, sei kein Grund erkennbar, seine Dienstfähigkeit in Zweifel zu ziehen. In diesem Zusammenhang sei das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Antragstellers zu bewerten.

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Dem Antragsteller werde Ordnungsliebe, Ausdauer, ein gutes Gedächtnis und starke Genauigkeit bei der Anwendung von Vorschriften bescheinigt. Er wirke allgemein bedacht und überlegt mit einem Streben zur Perfektion und Genauigkeit. Bei dem Antragsteller seien keine psychologischen Veränderungen gegeben. In dem psychologischen Befund der Gemeinschaftspraxis der Diplompsychologin F. und S. vom 05.02.2003 sei ausgeführt, dass der Antragsteller therapiert worden sei.

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Die disziplinarrechtlichen und strafrechtlichen Vorbelastungen des Antragstellers seien nicht mehr heranzuziehen. Schließlich könne die Maßnahme auch nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung keinen Bestand haben.

II.

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Der Antragsteller ist disziplinarrechtlich vorbelastet. Mit Disziplinarverfügung vom 22.08.2002 wurde eine Geldbuße in Höhe von 200,00 Euro verhängt, da er ohne Genehmigung bzw. Einhaltung des Dienstweges wiederholt in den Jahren 2001/2002 umfangreiche Schreiben, die ausschließlich interne Angelegenheiten der JVA H., dienstliche Verhaltensweisen von Bediensteten, Angelegenheiten von Gefangenen und sonstige dienstliche Vorgänge zum Inhalt hatten, an Behörden und Institutionen weiterleitete. Mit Disziplinarverfügung vom 17.04.2003 wurde wegen eines erneuten Pflichtenverstoßes mit dem annähernd gleichen Inhalt wie zuvor eine Geldbuße in Höhe von 250,00 Euro ausgesprochen. Aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Halberstadt vom 23.02.2005 ist der Antragsteller rechtskräftig wegen einer versuchten gefährlichen Körperverletzung ist Tateinheit mit versuchter Körperverletzung im Amt gegenüber einem Gefangenen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen á 40,00 Euro verurteilt worden.

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Die dienstlichen Beurteilungen und Befähigungsberichte des Antragstellers lauten bis einschließlich seiner Laufbahnprüfung im Jahre 1995 auf „befriedigend“; danach erreicht er in seinen dienstlichen Beurteilungen die Benotung „ausreichend“, „befriedigend“, „mangelhaft“ und wiederholt „ausreichend“.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfügung sowie die Disziplinarklage vom 01.04.2009, die dortige Klageerwiderung des Antragstellers vom 08.06.2009 und die umfassenden Verwaltungsvorgänge und Beiakten verwiesen. Diese Unteralgen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

III.

26

Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Diensthebung nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA). Der Antragsgegner stützt sich in der Verfügung auf beide Bestimmungen.

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Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass – im Ergebnis - keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung bestehen. Soweit der Antragsgegner die vorläufige Dienstenthebung auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA stützt und meint, der Antragsteller werde aufgrund der Disziplinarklage voraussichtlich aus dem Dienst entfernt, vermag das Gericht diese Prognose allerdings nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu teilen (1.). Jedoch und jedenfalls ist die vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG gerechtfertigt (2.). Die teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge ist hingegen aufzuheben (3.).

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Die auf § 38 Abs. 1 DG LSA gestützte Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde entsprechen. Für die konkrete Entscheidung im Einzelfall sind das dienstliche Bedürfnis an der einstweiligen Fernhaltung des Beschuldigten vom Dienst und dessen Recht auf amtsentsprechende dienstliche Beschäftigung abzuwägen (vgl. dazu. Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., § 91 Rdzf. 10). Ein dienstliches Bedürfnis für die (weitere) Fernhaltung eines Beamten vom Dienst ist etwa dann gegeben, wenn ihm ein schwerwiegendes (dienstliches oder außerdienstliches) Fehlverhalten vorgeworfen wird, welches geeignet ist, die Integrität der öffentlichen Verwaltung zu beeinträchtigen (vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschl. v. 10.02.2007, 8 B 22/06).

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Den Beamten auch nur vorläufig vom Dienst zu entheben setzt voraus, dass ein Verbleiben des Beamten im Dienst schlechthin untragbar wäre. Dabei handelt es sich um die denkbar schwerste Sanktion für dienstliche Verfehlungen, welche nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besondere Umstände voraussetzt, wie etwa ein sehr schwerwiegendes kriminelles Verhalten des Beamten.

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Ernstliche Zweifel im Sinne der gerichtlichen Prüfung nach § 61 Abs. 2 DG LSA sind etwa dann anzunehmen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die Voraussetzungen der Anordnung nicht erfüllt sind, mindestens so groß ist wie die Wahrscheinlichkeit, dass die Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. VG Münster, Beschl. v. 07.10.2009, 13 L 376/09.O mit Verweis auf OVG NRW, Beschl. v. 01.07.2005, 21 dA 896/05 und Gamsen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, September 2007, § 63 Rdzf. 9; juris).

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Dies beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und die darin orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Insofern ist im Aussetzungsverfahren zu prüfen, ob nach der hier gebotenen und möglichen summarischen Beurteilung die Verhängung der Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; juris). Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Besch. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; beide juris).

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1.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA nach der Schwere des Dienstvergehens und der angemessenen Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Demnach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte (vgl. zu § 13 BDG, BVerwG, Urt. v. 20.04.2005, 2 C 12.04; Urt. v. 03.05.2007, 2 C 9.06; beide juris).

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a.) Aufgrund der gegen den Antragsteller erhobenen Vielzahl und immer wiederkehrenden Vorwürfe drängt sich der Eindruck auf, dass er für die Aufgaben und das Amt eines Justizobersekretärs im Justizvollzugsdienst als nicht geeignet erscheint. Die einzelnen Vorkommnisse, die aus der Sicht des Antragsgegners die Pflichtenverstöße begründen, werden von dem Antragsteller im Einzelnen und in der Gesamtheit nicht substantiiert bestritten. Vielmehr zieht der Antragsteller daraus lediglich nicht die rechtlichen Schlüsse, wie sie vom Antragsgegner gezogen werden.

34

Wegen der hier insoweit vorliegenden Besonderheit stellt sich die Bedeutung und Tragweite des Verhaltens des Antragstellers und die diesbezügliche disziplinarrechtliche Ahndung als äußerst schwierig dar. Denn zum einen handelt es sich bei dem Antragsteller aufgrund der von ihm ganz offensichtlich an den Tag gelegten Verhaltensweisen und die diesbezügliche aus den dem Gericht vorliegenden in den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen um eine Persönlichkeit, die aufgrund ihrer charakterlichen Eigenschaften nicht für die Tätigkeit in einer Justizvollzugsanstalt geeignet erscheint. Zum anderen kann und darf das Disziplinarverfahren nicht dazu genutzt werden, einen unliebsamen oder sonst wie im Umgang mit anderen Personen auffällig werdenden Beamten aus dem Dienst zu entfernen oder „kaltzustellen“. Insoweit reicht eine bloße Ungeeignetheit für die dienstlich wahrgenommene Position aufgrund der Verleihung des Beamtenstatus auf Lebenszeit nicht aus. Dass in der Vergangenheit ca. achtmal versucht wurde, eine anderweitige Verwendung des Beamten zu finden, ist dem Gericht bekannt. Soweit Verhaltensweisen gesundheitliche Ursachen haben, die die weitere Verwendung des Beamten im Beamtenverhältnis generell – also unabhängig vom Justizvollzugsdienst – nicht erlauben, ist er nach beamtenrechtlichen Vorschriften aus gesundheitlichen Gründen in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen. Das diesbezügliche gerichtliche Verfahren ist bei Gericht anhängig (5 A 430/09 MD). Von ganz erheblicher Bedeutung ist jedoch auch das Bestreben des Antragsgegners und der Haftanstalt aus den zweifellos verständlichen Sicherheitsaspekten heraus den Antragsteller nicht weiter in der oder einer Justizvollzugsanstalt zu beschäftigen.

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b.) Zweifellos mögen die dem Antragsteller in der Disziplinarklage vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen hinsichtlich des Gehorsamsverstoßes den reibungslosen Betriebsablauf in der Haftanstalt stören und stellen eine Dienstpflichtverletzung hinsichtlich des Gehorsamsverstoßes nach § 55 BG LSA (a. F.), § 35 BeamtStG dar. Gerade in einer Justizvollzugsanstalt ist die Befolgung von Weisungen und Anordnungen als Grundlage für eine effektive Erfüllung der ihr zugewiesenen Aufgaben unerlässlich. Wäre die Befolgung dienstlicher Anordnungen in das Belieben des einzelnen Beamten gestellt, wäre die Aufgabenerfüllung ernsthaft gefährdet. Die Gehorsamspflicht gehört mithin zu den Kernpflichten eines Beamten. Ein Beamter, der ungerechtfertigt die ihm obliegenden Tätigkeiten nicht ausführt, begeht eine Pflichtwidrigkeit von erheblichem Gewicht (vgl. nur: BVerwG, Urteil v. 13.12.2000, 1 D 34.98; juris).

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a. a.) Es erschließt sich dem Gericht bereits aus allgemeinen Erwägungen heraus, dass es nicht angehen kann, dass ein Justizvollzugsbeamter bezüglich von der Anstaltsleitung genau vorgegebenen Handlungsweisen im Umgang mit den Gefangenen abweicht und diesbezüglich andere, von dem Beamten selbst als wirkungsvollere Maßnahmen angesehene, Vorgehensweisen ergreift. Somit stellt der Umgang des Antragstellers mit der von den Angehörigen der Gefangenen übergebenen Wäsche zweifellos ein Dienstvergehen dar. Bezeichnend für das gesamte Persönlichkeitsbild des Beamten ist in diesen Zusammenhang, die Genauigkeit und Intensität sowie die Beharrlichkeit der Handlungsweise, womit er versucht seine eigenen „Dienstvorschriften“ durchzusetzen. So hat er sich mehrmals strikt geweigert, das vorgegebene Verfahren einzuhalten und hat die Angehörigen sogar mittels Übergabe eines von ihm gefertigten Merkblattes dazu angehalten, Pack- und Klebematerial aus einer nahegelegenen Postfiliale zu besorgen. Zudem hat der Beamte sein Verhalten gegenüber der Anstaltsleitung und anderen Kollegen trotz Belehrung durch diese verteidigt und nachhaltig untermauert. Er zeigt sich insoweit beratungs- und weisungsresistent. Es versteht sich ebenso von selbst, dass das Verhalten des Beamten nicht so weit gehen kann, dass er sogar diesbezüglich vorgesehene Einrichtungs- und Transportgegenstände in den Müll verbringen lässt.

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b. b.) Hinsichtlich des weiteren in der Disziplinarklage aufgeführten Verhaltens des Beamten, nämlich die unbeaufsichtigte Zurücklassung der Gefangenen auf dem Hof, kann eine Bewertung des Sachverhalts nicht abschließend vorgenommen werden. Zwar mag es sein, dass der Antragteller dringend auf die Toilette musste. Jedoch ist von einem verantwortungsvollen Justizvollzugsbeamten in Ausübung seiner Pflicht selbstverständlich zu erwarten, dass er frühzeitig sich um eine entsprechend Ablösung kümmert. Die diesbezüglich näheren Umstände sind jedoch aus Sicht des Gerichts noch nicht hinreichend aufgeklärt. So trägt der Antragsteller vor, dass er von der Ablösung ausgegangen sei. Andererseits ist der Aussage des Beamten auch zu entnehmen, dass er grundsätzlich von einem Freigang der Gefangenen nur von genau einer Stunde ausgeht. Demnach gilt zu vermuten, dass der Beamte es zumindest billigend in Kauf genommen hat, den Toilettengang genau nach Ablauf einer Stunde vorzunehmen, wobei er sich dann wiederum im Recht bei der von ihm interpretierten Auslegung der Dienstvorschriften sieht.

38

c. c.) Schließlich stellt sich auch die Bewertung des in der Disziplinarklage aufgeführten Pflichtenverstoßes hinsichtlich der Nichtmitwirkung bei der erneuten amtsärztlichen Untersuchung, als schwierig dar. Bestehen Zweifel über die Dienst(un)fähigkeit des Beamten, so ist dieser gemäß § 42 Abs. 1 Satz 3 BG LSA (a. F.); § 45 LBG LSA, § 26 BeamtStG verpflichtet, sich nach Weisung der Behörde amtsärztlich untersuchen zu lassen. Diese Untersuchungspflicht besteht selbst dann, wenn der Beamte sich selbst für dienstfähig hält und seinen Dienst regelmäßig verrichtet (BVerwG, Urt. v. 23.10.1980, 2 A 4.78; OVG LSA, Beschl. v. 26.06.2007, 1 M 103/07, Beschl. v. 28.01.2009, 1 M 164/08 und Beschl. v. 09.06.2009, 10 L 1/09; VG Magdeburg, Urt. v. 03.02.2009, 8 A 9/08; alle juris). Demnach ist der Beamte zur Mitwirkung bei der Überprüfung seiner Dienst(un)fähigkeit verpflichtet. Der Beamte muss seinen Teil dazu beitragen, seinem Dienstvorgesetzten die Überprüfung zu vermitteln, dass er voll dienstfähig ist (ausdrücklich: BVerwG, Urt. v. 23.10.1980, 2 A 4.78; juris). Die Mitwirkungspflicht umfasst auch die Offenlegung der gesamten Krankengeschichte mit den dazugehörigen Unterlagen. Die Weisung des Dienstherrn an den Beamten, sich wegen bestehender Zweifel an seiner Dienstfähigkeit untersuchen zu lassen, ist gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und nicht diskriminierend. Krankheit und Zweifel an der Dienstfähigkeit begründen objektiv keinen Makel, und zwar auch dann nicht, wenn es sich um eine psychische Erkrankung handelt (vgl. hierzu: BVerwG, Besch. v. 26.09.1988, 2 B 132.88; juris). Dabei ist eine Weisung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, dann gerechtfertigt, wenn sich die Zweifel des Dienstherrn an der Dienstfähigkeit des Beamten auf konkrete Umstände stützen und „nicht aus der Luft gegriffen“ sind (BVerwG, a. a. O.). Die eine Untersuchungsanordnung tragenden Zweifel des Dienstherrn können sich hierbei auch aus einer Summe von Umständen ergeben, die – je für sich gesehen – noch keinen hinreichenden Anlass zu Zweifeln im Sinne von § 42 Abs. 1 Satz 3 BG LSA (a. F.) bieten (vgl. BVerwG, Besch. v. 28.05.1984, 2 B 205.82; juris). Art und Umfang einer amtsärztlichen Untersuchung sind dabei grundsätzlich der ärztlichen Entscheidung überlassen; das Ausmaß der ärztlichen Untersuchung muss indes durch den Anlass gerechtfertigt sein (VG Gelsenkirchen, Urt. v. 25.06.2008, 1 K 3679/07; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 07.08.2008, 4 S 1068/08; beide juris). Nur wenn dies nicht auf der Hand liegt und auch für einen Arzt nicht ohne weiteres erkennbar ist, bedarf es zudem eines entsprechenden Hinweises auf den Anlass für die dienstärztliche Untersuchung an den untersuchenden Amtsarzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.1990, a. a. O.; OVG LSA, Beschl. v. 26.06.2007 und v. 28.01.2009, a. a. O.; juris).

39

Demnach stellt es für den Beamten eine Dienstpflicht dar, bei erheblichen Zweifeln an seiner Dienstfähigkeit der Weisung der amtsärztlichen Untersuchung nachzukommen.

40

c.) Bei der (Gesamt-)Bewertung dieser Vorkommnisse in disziplinarrechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass es sich um ein einheitliches Dienstvergehen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handelt. Denn stets werden dem Beamten Weisungsverstöße vorgeworfen, welche Ausdruck seiner Persönlichkeit sind. Dementsprechend ist in dieser charakterlichen Grundeinstellung die („böse“) Wurzel des Dienstvergehens zu sehen (vgl. zur Einheitlichkeit des Dienstvergehens nur: BVerwG, U. v. 10.12.1991, 1 D 26.91 mit weiteren Nachweisen, U. v. 06.05.1992, 1 D 7.91 mit weiteren Nachweisen, U. v. 28.04.1981, 1 D 7.80, U. v. 14.11.2007, 1 D 6.06 , B. v. 29.07.2009, 2 B 15.09 und VG Ansbach, U. v. 20.07.2009, AN 6 b D 08.01820; ausführlich: VG Magdeburg, Urteil v. 04.11.2009, 8 A 19/08; alle juris).

41

a. a.) Derzeit ist aber zumindest offen, ob diese in der Disziplinarklage aufgeführten Vorkommnisse auch unter der Annahme dienstrechtlicher Pflichtenverstöße mit der hier anzuwendenden hohen Wahrscheinlichkeit zur Entfernung aus dem Dienst führen werden. Auch unter den eingangs beschriebenen Sicherheitsaspekten einer Haftanstalt erscheint es dem Gericht bislang unentschieden, ob die Schwelle der Erheblichkeit hinsichtlich der Aussprache der Höchstmaßnahme erreicht ist. Insoweit vermag es das Gericht nicht auszuschließen, dass die beschriebenen disziplinarrechtlichen Verfehlungen des Beamten disziplinarrechtlich (noch) mit anderen Maßnahmen unterhalb der Entfernung aus dem Dienst zu ahnden wären.

42

Dem kann nicht damit begegnet werden, dass der Antragsgegner in der Disziplinarklage weiter eine Pflichtverletzung durch „jahrelange permanente und massive Störung des Betriebsfriedens“ sieht und nachfolgend auszugsweise Vermerke und Berichte von diversen Vorgesetzten und Bediensteten beginnend aus dem Jahr 1996 aufführt. Ob durch die bloße Aufzählung der vielen – in der Tat erschreckenden – Vorkommnisse tatsächlich der Nachweis einer Dienstpflichtverletzung geführt werden kann, ist zweifelhaft. Denn es fehlt an der notwendigen Subsumtion unter den Pflichtentatbestand und der Auseinandersetzung mit den einzelnen Vorkommnissen und es ist mehr als zweifelhaft, ob diese lang zurückliegenden Vorkommnisse im Rahmen der nunmehr anhängigen Disziplinarklage noch herangezogen werden können. Denn insoweit könnten Verfahrensfehler und Milderungsgründe vorliegen (vgl. zu einem solchen Fall: OVG Lüneburg, Urteil vom 10.11.2009, 6 LD 1/09 m. w. Nachw.; juris).

43

Ausweislich der Unterlagen wurde unter dem 23.01.2006 ein Vorermittlungsverfahren nach § 26 DO LSA wegen der Vorkommnisse um die Wäscheannahme eingeleitet (Bl. 8 Beiakte A zu 8 A 9/09). Mit Ermittlungsbericht vom 10.04.2006 stellte die Ermittlungsführerin ein Dienstvergehen fest (Bl. 71 Beiakte A). Von der Ausdehnung der Ermittlungen auf den Vorfall vom 15.03.2006 wurde abgesehen. Soweit die Disziplinarklage auf Seite 3 zum Gang des Disziplinarverfahrens ausführt, dass der Antragsgegner sich entschieden habe, das Disziplinarverfahren auszusetzen, kann eine derartige aktenkundige Aussetzung nicht festgestellt werden. Nach § 16 Abs. 2 DO LSA konnte das Disziplinarverfahren ausgesetzt werden, wenn in einem anderen geordneten Verfahren über eine Frage zu entscheiden ist, deren Beurteilung für die Entscheidung in Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung ist. Ob diese Voraussetzungen aufgrund der vordringlich angedachten Überprüfung der beamtenrechtlichen Dienstfähigkeit gegeben sind (vgl. Blatt 10 Beiakte N), mag dahinstehen. Jedenfalls ist den Akten nicht die Entscheidung über die Aussetzung und die diesbezügliche Mitteilung gegenüber dem Beamten zu entnehmen. Dies wäre schon deswegen erforderlich gewesen, weil nach § 16 Abs. 4 DO LSA der Beamten gegen eine Aussetzung den Antrag auf gerichtliche Entscheidung darüber stellen konnte. Somit ist auch die Mitteilung des Antragsgegners vom 16.12.2008 (Bl. 95 Beiakte O) an den damaligen Bevollmächtigten des Antragstellers nicht zutreffend, dass das unterbrochene Disziplinarverfahren wieder aufgenommen und als förmliches Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg weitergeführt wird. Das im Januar 2006 unter der DO LSA eingeleitete Disziplinarverfahren war nicht (förmlich) unterbrochen und wurde nach § 81 Abs. 3 und 4 DG LSA ab dem 01.07.2006 nach dem DG LSA fortgeführt. Welche Konsequenzen daraus aufgrund des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebotes (§ 4 DG LSA) und des Maßnahmeverbotes nach § 15 DG LSA i. V. der Verjährung nach § 4 DO LSA zu ziehen sind, mag noch offen bleiben.

44

Ausweislich der Verfügung vom 16.12.2008 (Bl. 92 Beiakte O) und des Schreibens an den damaligen Bevollmächtigten des Beamten vom gleiche Tage sowie vom 13.02.2009 (Bl. 40 Beiakte M) kann wohl die Erweiterung (§ 19 DG LSA) und Unterrichtung (§ 20 DG LSA) bezüglich der Vorkommnisse zum „Freigang“, wegen der „Nichtbefolgung zur Vorstellung beim Arzt“ und auch wegen der „Störung des Betreibfriedens“ angenommen werden.

45

b. b.) Zudem – und dies ist ganz entscheidend – sind dem Antragsgegner die allein in der Persönlichkeit des Beamten begründeten Schwierigkeiten seit jeher bekannt. So kam es aufgrund des problematischen Umgangs mit dem Antragsteller bereits zu einer Verlängerung seiner Probezeit und schließlich führte das im Jahr 2002 erstellte amtsärztliche Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Beamte dienstfähig ist. Der Antragsgegner stellte am 22.08.2002 (Bl. 248 Beiakte R) fest, dass „die Befähigung für die Laufbahn des allgemeinen mittleren Justizvollzugsdienstes in gesundheitlicher Hinsicht vorliegt“. Aus Sicht der psychiatrischen Begutachtung gebe es keine Einwände bezügliche einer Weiterbeschäftigung bei der Justizvollzugsanstalt in H. Der Bedienstete zeige keine psychopathologischen Veränderungen, die auf eine Dienstunfähigkeit hinweisen. Es wurde weiter verfügt, das anhängige – hier nicht einschlägige - Disziplinarverfahren vom 30.11.2001 fortzusetzen und zum Abschluss zu bringen. So ergibt sich aus einer Verfügung des Antragsgegners vom 26.03.2003 (Bl. 291 Beiakte R), dass bereits zur Hälfte der Probezeit erste Mängel in der Dienstdurchführung des Bediensteten bekannt geworden seien. So werde dem Bediensteten eine ungenügend ausgebildete Kompromissbereitschaft und insbesondere eine fehlende Teamfähigkeit bescheinigt. Ebenso habe der Beamte das erforderliche Fingerspitzengefühl im Umgang mit Gefangenen vermissen lassen. Aus Fürsorgegründen sei der Beamte in der Vergangenheit immer wieder an andere Justizvollzugsanstalten abgeordnet worden. Auch die Disziplinarklage enthält diesbezügliche Ausführungen.

46

Demnach ist festzustellen, dass dem Dienstherrn die wesentlichen charakterlichen und persönlichkeitsbedingten Wesensmerkmale des Beamten bereits während der Probezeit bekannt waren und sogar zu einer Verlängerung der Probezeit geführt haben. Dabei fällt die identische damalige Wortwahl mit derjenigen der Disziplinarverfügung auf. Dementsprechend ist dem Antragsgegner vorzuhalten, dass er sich nicht frühzeitig aufgrund der zu Tage tretenden Probleme im Umgang mit dem Beamten von diesem getrennt hat. Denn genau dazu dient die beamtenrechtliche Probezeit. Gänzlich neue oder andersartige Erkenntnisse über die persönlichkeitsbedingten Verhaltensweisen des Antragstellers nach seiner Ernennung als Beamter auf Lebenszeit sind den Akten nicht als hinreichende Erkenntnisgrundlage zu entnehmen. Stattdessen hat der Beamte seine Verhaltensweisen (nur) weiter „ausgelebt“.

47

Soweit der Anstaltsleiter der JVA H. mit Schreiben vom 25.09.2002 darauf hinweist, dass aufgrund der Übergabe von Unterlagen durch den Antragsteller an die Gutachterin bei dem Gesundheits- und Veterinäramt der Landeshauptstadt A-Stadt davon auszugehen sei, dass er bereits in den 80er Jahren psychologische Behandlungen und Therapien durchgeführt habe, welche er jedoch bei seiner Einstellung in den Justizvollzugsdienst nicht angegeben habe, sodass bei Kenntnis dieser Unterlagen eine Einstellung nicht vorgenommen worden wäre, vermag auch dies keinen hinreichenden Grund für eine disziplinarrechtliche Entfernung aus dem Dienst liefern. Zudem steht dem Anstaltsleiter mangels hinreichender fachlicher Kenntnisse eine derartige Einschätzung nicht zu. Soweit der Dienstherr von Falschangaben bei der Einstellung ausgeht, müsste ein entsprechendes Verfahren zur Rücknahme der beamtenrechtlichen Ernennung geprüft und eingeleitet werden.

48

Jedenfalls – und darauf legt das Gericht wert – ist vorliegend äußerst zweifelhaft, ob sich die charakterlichen und persönlichkeitsbedingten Verhaltensweisen des Antragstellers eben tatsächlich erst nach der Probezeit und damit der Prognose für die Bewährung als Beamter auf Lebenszeit , gezeigt haben. Die Aktenlage spricht vielmehr dafür, dass diese Probleme mit dem Beamten bereits frühzeitig und während der Probezeit eingetreten sind. Ob eine Veränderung, d. h. Verschlimmerung dieser persönlichkeitsbedingten Verhaltensweisen im Sinne einer Dienstunfähigkeit bei dem Beamten vorliegen, obliegt der Prüfung in dem beamtenrechtlichen Verfahren 5 A 430/09 MD.

49

2.) Aufgrund der vorstehenden detaillierten Ausführungen ist die Disziplinarkammer jedoch der Auffassung, dass die vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG gerechtfertigt ist. Denn durch das Verbleiben des Antragstellers im Dienst ist der Dienstbetrieb in der Haftanstalt wesentlich beeinträchtigt und die vorläufige Dienstenthebung steht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis. Dies hat der Antragsgegner ohne Rechtfehler erkannt und ausgeführt.

50

Der gesetzliche Zweck der Ermessensbefugnis in § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA ergibt sich daraus, dass die vorläufige Dienstenthebung eines Beamten im Zusammenhang mit einem gegen ihn eingeleiteten Disziplinarverfahren dazu dient, einen Zustand, der endgültig erst aufgrund eines einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, vorübergehend zu ordnen, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das gemeine Wohl - abzuwehren und zu verhindern, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, bevor die Entscheidung im gerichtlichen Disziplinarverfahren rechtskräftig getroffen und damit - im Falle einer Verurteilung - die Unschuldsvermutung (vgl. Art. 6 Abs. 2 EMRK und hierzu BVerwG, Urteil vom 12. Februar 2003, 2 WD 8.02; Beschluss vom 15. November 2006, 2 WDB 5.06; juris) widerlegt ist (BVerwG, Beschluss vom 07.12.2006, 2 WDB 3.06; Beschluss vom 16.07.2009, 2 AV 4.09; beide juris). Eine solche vorläufige Maßnahme, die in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Beamten eingreift, bedarf aus verfassungsrechtlichen Gründen eines besonderen sie rechtfertigenden Grundes. Sie muss im Rahmen des gemeinen Wohls geboten sein und zudem - im Hinblick auf die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung - dem Verfassungsgebot der Verhältnismäßigkeit genügen (BVerwG, Beschluss vom 07. Dezember 2006, a. a. O.). Ein rechtfertigender besonderer Grund im dargelegten Sinne ist nur dann gegeben, wenn ohne die angegriffene Anordnung der Dienstbetrieb durch den von dem gerichtlichen Disziplinarverfahren Betroffenen empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde (BVerwG, Beschluss vom 07. Dezember 2006, a. a. O.). Bei der Beurteilung dessen, ob ohne die angegriffene Anordnung der Dienstbetrieb empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde, steht dem Antragsgegner innerhalb des dargelegten rechtlichen Rahmens ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. zum Ganzen nur: Nieders. OVG, Beschluss vom 12.02.2008, 19 ZD 11/07 m. w. Nachw.; juris).

51

Hiervon ausgehend ist mehr als erkennbar, dass bei einem Verbleib des Antragstellers in seiner gegenwärtigen und auch in jeder anderen Verwendung innerhalb seiner Laufbahn im Justizvollzugdienst mit einer empfindlichen Störung oder in besonderem Maße mit einer Gefährdung des Dienstbetriebs zu rechnen ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass auf Grund eines offenbar gegenseitig belasteten Verhältnisses zwischen dem Antragsteller sowie den Bediensteten in der Haftanstalt ein gedeihliches Miteinander nicht mehr möglich ist. Das Gericht ist der Überzeugung und schließt sich der Beurteilung des Antragsgegners an, dass eine erneute Aufnahme der Diensttätigkeit durch den Antragsteller zu untragbaren Zuständen in der Justizvollzugsanstalt führen würde. Denn die Art des Dienstvergehens gibt begründeten Anlass zu der Annahme, die tägliche Dienstverrichtung werde vom Antragsteller dazu benutzt, um die Unbegründetheit der Anschuldigungen zu belegen und seine Sicht der Dinge darzustellen. Demnach ist die vorläufige Dienstenthebung notwendig um das „Streitpotential“ aus dem Dienstbetrieb der Justizvollzugsanstalt fernzuhalten. Daher steht die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme – wie immer die ausfallen wird – auch nicht außer Verhältnis.

52

3.) Wegen der vom Disziplinargericht nicht geteilten Prognoseentscheidung hinsichtlich der voraussichtlichen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Einbehaltung der Dienstbezüge nach § 38 Abs. 2 DG LSA ebenso nicht gegeben. Diese ist aufzuheben.

53

4.) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 155 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtsgebührenfreiheit folgt aus § 73 Abs. 1 DG LSA.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


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Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 13 Bemessung der Disziplinarmaßnahme


(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll b

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Landbeschaffungsgesetz - LBG | § 45


(1) In der Niederschrift über die Verhandlung ist festzustellen, 1. welche Geldentschädigung der Entschädigungsberechtigte fordert,2. ob und in welcher Höhe der Entschädigungsberechtigte eine zusätzliche Geldentschädigung fordert,3. ob und in welcher

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Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 17. Juni 2009 - 6 B 289/09

bei uns veröffentlicht am 17.06.2009

Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6. März 2009 - 7 L 23/09 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin. Grü

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 07. Aug. 2008 - 4 S 1068/08

bei uns veröffentlicht am 07.08.2008

Tenor Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. März 2008 - 1 K 158/08 - wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 19. März 2018 - 15 B 21/17

bei uns veröffentlicht am 19.03.2018

Gründe 1 Die Antragstellerin ist im Range einer Regierungsamtfrau (BesGr. A 11) bei dem Antragsgegner beschäftigt und wendet sich gegen ihre vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) vom 05.09.201

Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 12. Apr. 2017 - 15 B 7/17

bei uns veröffentlicht am 12.04.2017

Tatbestand 1 Der Antragsteller wendet sich als Justizhauptsekretär gegen seine vom Antragsgegner unter dem 15.02.2017 verfügte vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) und Einbehaltung von 25 % s

Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 02. Nov. 2016 - 15 B 29/16

bei uns veröffentlicht am 02.11.2016

Gründe 1 I.) Der Antragsteller ist Polizeivollzugsbeamter im Rang eines Polizeihauptmeisters bei der Antragsgegnerin. Aufgrund mehrerer Einzelsachverhalte aus dem Bereich der "Reichsbürgerbewegung" wird gegen ihn wegen Zweifel an seiner Verfassung

Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 27. Apr. 2016 - 15 B 9/16

bei uns veröffentlicht am 27.04.2016

Gründe 1 Der am ...1984 geborene Beamte wendet sich gegen die unter dem 26.11.2015 bzw. 21.12.2015 verfügte vorläufige Dienstenthebung und teilweise Einbehaltung seiner Dienstbezüge. 2 Seit dem 01.01.2009 war der Antragsteller zunächst als Teaml

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Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6. März 2009 - 7 L 23/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

Die gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 3 SDG i.V.m. § 146, 147 VwGO statthafte Beschwerde, die fristgerecht erhoben und begründet wurde (§ 67 Abs. 3 SDG i.V.m. § 147 Abs. 1, 146 Abs. 4 VwGO) bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SDG zulässigen Antrag auf Aussetzung der mit Bescheid des Antragsgegners vom 17.12.2008 angeordneten vorläufigen Dienstenthebung der Antragstellerin mangels ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides (§ 63 Abs. 2 SDG) zurückgewiesen.

Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass im konkreten Disziplinarverfahren und nach dem derzeitigen, im vorliegenden Verfahren zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand eine überwiegende Wahrscheinlichkeit die Prognose rechtfertigt, dass gegenüber der Antragstellerin die Verhängung der Höchstmaßnahme zu erwarten ist.

Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Einwendungen führen nicht zu einer abweichenden Einschätzung. Bei dem aktuell erkennbaren Sach- und Streitstand

zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der gerichtlichen Entscheidung vgl. BayVGH, Beschluss vom 13.11.2008 - 16b DS 08.704 - zitiert nach Juris

ist davon auszugehen, dass der hinreichende Verdacht besteht, dass die Antragstellerin ein - innerdienstliches - Dienstvergehen begangen hat, das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Verhängung der Höchstmaßnahme erfordern wird (§ 38 Abs. 1 SDG). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung (§ 63 Abs. 2 SDG) bestehen nach wie vor nicht.

Zunächst ist dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, dass nach Aktenlage derzeit alles dafür spricht, dass die Antragstellerin ein schweres Dienstvergehen begangen hat, indem sie ab März 2008 zu einem Strafgefangenen eine persönliche Beziehung unterhielt und indem sie die insoweit bestehenden Melde- und Offenbarungspflichten gegenüber der Anstaltsleitung nicht erfüllte.

Die Antragstellerin bestreitet das Vorliegen einer persönlichen Beziehung nicht, hält der Argumentation des Verwaltungsgerichts aber entgegen, es stelle schon einen Fehler dar, bei dieser Beurteilung die objektiv in der Vergangenheit vorhanden gewesene Beziehung zu dem Strafgefangenen in zwei Abschnitte zu unterteilen, ohne Aussagen zu den vorgetragenen subjektiven Tatbestandsmerkmalen zu machen.

Der Einwand ist nicht gerechtfertigt. Weder ist die vorgenommene Strukturierung des Sachverhalts zu beanstanden, noch liegt eine nicht ausreichende Berücksichtigung der vorgetragenen subjektiven Umstände vor.

Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene zeitliche Abschnittsbildung knüpft im Gegenteil gerade an die von der Antragstellerin geltend gemachten subjektiven Umstände an. Entsprechend den von der Antragstellerin vorgetragenen unterschiedlichen subjektiven Merkmalen der unstreitig von Februar/März 2008 bis Ende Oktober 2008 existent gewesenen Beziehung zwischen ihr und dem Strafgefangenen unterscheidet das Verwaltungsgericht einen ersten Abschnitt der Beziehung von Februar/März 2008 bis etwa Juni/Juli 2008, bei dem es sich um ein einvernehmliches (freiwilliges) Verhältnis mit Merkmalen von Verliebtheit gehandelt habe, und einen zweiten Abschnitt von etwa Juni/Juli 2008 bis Ende Oktober 2008, bei dem es sich um ein unfreiwilliges Verhältnis gehandelt habe, welches die Antragstellerin nur fortgeführt habe, weil sie von dem Strafgefangenen unter Druck gesetzt worden sei.

Zugunsten der Antragstellerin wird damit - ebenso wie in dem Bescheid des Antragsgegners vom 17.12.2008 - bei einem hinsichtlich der subjektiven Merkmale der Beziehung im zweiten Abschnitt noch nicht abschließend geklärten Sachverhalt nur deren eigene Sachverhaltsdarstellung als entscheidungsrelevant zugrunde gelegt.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auf dieser Sachverhaltsgrundlage - differenziert nach den Zeitabschnitten - sowohl einen vorsätzlichen Verstoß gegen die sogenannte Wohlverhaltenspflicht gemäß § 68 Satz 3 des Saarländischen Beamtengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Dezember 1996 (Amtsbl. 1997 S. 301), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 19. November 2008 (Amtsbl. S. 1930) - gültig bis zum 31.3.2009 - (SBG a.F.), als auch vorsätzliche Verstöße gegen die Pflicht zur Zurückhaltung gegenüber einem Strafgefangenen und gegen die Meldepflicht gemäß § 69 Satz 2 SBG a.F. i.V.m. Nr.1, Nr. 2 Abs. 1 und Nr. 9 der Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug (DSVollz) angenommen und das Vorliegen von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen - auch hier differenziert nach den beiden Zeitabschnitten - verneint.

Insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung der von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren thematisierten subjektiven Umstände ist dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, dass auch eine tatsächliche Verliebtheit in dem ersten, nach ihrer eigenen Darstellung von Freiwilligkeit und Zuwendung seitens der Antragstellerin geprägten ersten Abschnitt der Beziehung keine Rechtfertigung oder Entschuldigung der Verletzung der Dienstpflichten zur Wahrung der Distanz und zur Meldung und Offenbarung gegenüber der Anstaltsleitung zur Folge haben konnte. Gerade für den ersten Abschnitt der Beziehung in der Zeit von Februar/März 2008 bis Juni/Juli 2008 ist derzeit kein Grund ersichtlich, welcher es der Antragstellerin unmöglich gemacht oder unzumutbar erschwert haben könnte, die dienstpflichtgemäße Handlungsalternative der Wahrung des Distanzgebotes gegenüber dem Gefangenen zu wählen. Ebenso war es weder unmöglich noch unzumutbar, die dienstpflichtgemäße Handlungsalternative der Meldung und Offenbarung der Vorgänge gegenüber ihren Vorgesetzten zu wählen.

Zwar hat die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung ausgeführt, sie habe „zu Beginn der Beziehung unter einem hohen psychischen Druck“ gestanden. Auch hat sie in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eine psychologisch-psychotherapeutische Stellungnahme des behandelnden Psychotherapeuten vom 12.1.2009 vorgelegt. Es ist aber weder nach dem Vortrag der Antragstellerin noch nach der Aktenlage im Übrigen noch nach der psychologisch-psychotherapeutischen Stellungnahme vom 12.1.2009 auch nur ansatzweise nachvollziehbar, inwieweit die Antragstellerin bereits „zu Beginn der Beziehung“, d.h. im Februar/März 2008 unter einem hohen, erst recht unter einem ihre Wahl- und Willensfreiheit ausschließenden psychischen Druck gestanden haben könnte. Nach der eigenen Darstellung der Antragstellerin gestaltete sich vielmehr gerade der erste Abschnitt ihrer Beziehung zu dem Strafgefangenen über einen Zeitraum von immerhin drei bis vier Monaten positiv im Sinne von Zuwendung und Verliebtheit („mit dem Austausch von Zärtlichkeiten und Briefen“).

Die vorgelegte psychologisch-psychotherapeutische Stellungnahme vom 12.1.2009 hat aus der Sicht des Senats zunächst für die Beurteilung des psychischen Zustandes der Antragstellerin „zu Beginn der Beziehung“ keinen hinreichenden Erkenntniswert. Zum einen lassen die inhaltlichen Ausführungen zu dem psychischen Zustand der Antragstellerin eine zeitliche Zuordnung desselben nicht zu. Und zum anderen bestehen durchgreifende Zweifel daran, dass der Stellungnahme eine annähernd realistische Sachverhaltsschilderung im Therapiekontext zugrunde lag.

Im Rahmen seiner Ausführungen thematisiert der Psychologe zunächst die Vorbehandlung der Antragstellerin, die wegen außerdienstlicher Ereignisse im Jahre 2005 zu einem nicht genannten Zeitpunkt aufgenommen wurde. Hierzu sind - ebenfalls ohne zeitlichen Bezug - verschiedene Diagnosen genannt. Von einer Psychotherapie wird berichtet, die aber „im Frühjahr 2008“ unterbrochen wurde. Zur Einschätzung der hier relevanten Geschehnisse ist ohne Hinweis darauf, wann die Behandlung wieder aufgenommen wurde, und damit, aus welcher zeitlichen Perspektive der hier relevante Zeitraum vom Februar/März bis Oktober 2008 therapeutisch bearbeitet wurde, ausgeführt, im „letzten Frühjahr“ sei die Antragstellerin „von einem Gefangenen missbräuchlich in eine nähere Beziehung manipuliert worden“. Wegen der vorhandenen psychischen Defizite sei die Antragstellerin „den Manipulationen und Erpressungen, die das Ziel der psychischen und dann auch körperlichen Vergewaltigung gehabt hätten, hilflos ausgeliefert gewesen“. Es sei „von Anfang an zu Retraumatisierungen“ gekommen, weshalb die Antragstellerin für ihr Verhalten nicht verantwortlich zu machen sei.

Diese Darstellung lässt jede Differenzierung nach den von der Antragstellerin selbst gegenüber der Anstaltsleiterin Ende Oktober 2008 dargestellten unterschiedlichen Zeitabschnitten der Beziehung zu dem Strafgefangenen vermissen und legt die Einschätzung nahe, dass - im therapeutischen Kontext verständlich und nachvollziehbar - Grundlage der Stellungnahme eine aus der Ex-post-Perspektive der Antragstellerin Ende 2008/Anfang 2009 erfolgte Sachverhaltsdarstellung war, in der nur noch die Umstände gegen Ende des zweiten Abschnitts der Beziehung, als diese - nach den Angaben der Antragstellerin - durch Druck und Zwang geprägt war, thematisiert wurden.

Danach spricht weiterhin gerade die Betrachtung des ersten Abschnitts der Beziehung dafür, dass die Antragstellerin ohne Einschränkung ihrer Wahl- und Willensfreiheit eine bewusste Entscheidung gegen die Erfüllung der oben genannten Dienstpflichten durch Eingehung, Aufrechterhaltung und Verheimlichung der Beziehung zu dem Strafgefangenen getroffen hat.

Im zweiten Abschnitt der Beziehung der Antragstellerin zu dem Strafgefangenen dürfte sich - ausgehend von der Sachverhaltsdarstellung der Antragstellerin - der psychische Druck auf sie zwar kontinuierlich erhöht haben. Nachvollziehbar wurde es für sie immer schwieriger, das Distanzgebot in Ansehung des von dem Strafgefangenen aufgebauten Druckes einzuhalten und die ursprünglichen wie die laufenden Dienstpflichtverletzungen und deren Folgen ihren Vorgesetzten zu offenbaren. Gleichwohl bestehen - jedenfalls nach den nur eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens - keine ernstlichen Zweifel daran, dass ein die Wahl- und Willensfreiheit ausschließender Zustand nicht gegeben war. Letztlich hat sich gezeigt, dass die Steuerungsfähigkeit der Antragstellerin selbst im Endstadium des Abschnitts 2 der Beziehung nach der (erzwungenen) Ausführung des Geschlechtsverkehrs noch so weit erhalten war, dass eine letzte Grenzziehung und schließlich auch die Offenbarung gegenüber der Anstaltsleitung möglich war.

Auch für diesen zweiten Zeitabschnitt führt die vorgelegte psychologisch-psychotherapeutische Stellungnahme vom 12.1.2009 derzeit nicht zu durchgreifenden Zweifeln an der Steuerungsfähigkeit der Antragstellerin.

Zwar hat es den Anschein, als ob die darin getroffenen Aussagen dem zweiten Abschnitt, insbesondere der Endphase des zweiten Abschnitts der Beziehung der Antragstellerin zu dem Strafgefangenen zugeordnet werden könnten. Die mangelnde Differenziertheit, die fragliche zeitliche Einordnung der Aussagen und Diagnosen, insbesondere aber die bereits dargelegte Ungewissheit im Hinblick auf den im therapeutischen Kontext geschilderten und demgemäß zugrunde gelegten Sachverhalt führen jedoch dazu, dass ernstliche Zweifel mit Blick auf das Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes aufgrund mangelnder Steuerungsfähigkeit der Antragstellerin allein damit nicht begründet werden.

Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der im vorliegenden Verfahren beigezogenen amtsärztlichen Stellungnahme vom 6.3.2009, welche aufgrund des Antrages der Antragstellerin nach § 53 SBG a.F. vom 20.11.2008 angefordert worden war.

Auf der Basis einer am 13.1.2009 durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vorgenommenen Untersuchung wurde die am 3.12.2008 von der Leiterin der JVA angeforderte amtsärztliche Stellungnahme zur Frage der Dienstfähigkeit der Antragstellerin durch die Amtsärztin Dr. L. am 6.3.2009 erstellt. Die darin getroffenen Aussagen beziehen sich - antragsgemäß - allerdings nur auf die Frage der Dienstfähigkeit der Antragstellerin. Die Amtsärztin hat diese in einer größeren zeitlichen Perspektive („längerfristig“) bejaht, während zum „gegenwärtigen Zeitpunkt“ demgegenüber „aufgrund des unabgeschlossenen Disziplinarverfahrens und der dadurch bedingten erhöhten psychovegetativen Anspannung“ die Attestierung der Dienstunfähigkeit gerechtfertigt sei. Aussagen über die Schuld- und Steuerungsfähigkeit der Antragstellerin im Zeitraum der Begehung der streitgegenständlichen Dienstpflichtverletzungen sind in der Stellungnahme vom 6.3.2009 nicht enthalten und lassen sich daraus auch nicht ableiten.

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass weder der Antragsgegner vor Erlass seiner Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung der Antragstellerin vom 17.12.2008 noch das Verwaltungsgericht vor seiner Entscheidung im Verfahren nach § 63 SDG gehalten waren, die Vorlage der am 6.3.2009 erstellten amtsärztlichen Stellungnahme abzuwarten. Sowohl der Antragsgegner als auch das Verwaltungsgericht durften die gemäß § 38 Abs. 1 SDG zu treffende Prognose auf den bis dahin ermittelten Sach- und Streitstand stützen.

Des weiteren erweisen sich auch die Einwendungen der Antragstellerin gegen die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 6.3.2009 zu der Frage, ob - bei Bestätigung des danach bestehenden Verdachts eines schweren Dienstvergehens - im Hauptsacheverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden würde, als nicht durchgreifend.

Die Antragstellerin hat insoweit geltend gemacht, die nach § 13 SDG erforderliche „Interessenabwägung“ halte einer Überprüfung nicht stand. Zum einen sei die Schwere des Dienstvergehens nicht nur nach objektiven, sondern auch nach subjektiven Kriterien zu beurteilen. Hier fehle es an einer Berücksichtigung des „mit Schriftsatz vom 20.1.2009 zur Kenntnis gebrachten ärztlichen Befundberichtes zur psychischen Lage der Antragstellerin“ (womit nur die psychologisch-psychotherapeutische Stellungnahme des behandelnden Psychotherapeuten vom 12.1.2009 gemeint sein kann). Zum anderen habe das Verwaltungsgericht bei der Bewertung des Persönlichkeitsbildes der Antragstellerin die entlastenden Momente der freiwilligen Selbstanzeige der Antragstellerin und der organisatorischen Verfehlungen auf Seiten „des Beschwerdegegners“ (gemeint ist die Leitung der JVA) nicht ordnungsgemäß berücksichtigt.

Dies trifft nicht zu.

Eine gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 SDG verfügte vorläufige Dienstenthebung setzt voraus, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Dienst erkannt werden wird. Im konkreten Disziplinarverfahren muss eine überwiegende Wahrscheinlichkeit die Prognose rechtfertigen, dass auf die Höchstmaßnahme erkannt werden wird

vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.10.2002 - 1 DB 10/02 - zitiert nach Juris; BayVGH, Beschluss vom 15.3.2007 - 16 DS 06.3292 - zitiert nach Juris und OVG des Saarlandes, Beschluss vom 6.9.2007 - 7 B 346/07 -.

Eine „Interessenabwägung“ findet insoweit nicht statt.

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 SDG die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte

vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG: BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124 252ff., BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - 2 C 9/06 -, zitiert nach Juris.

Nach den genannten Kriterien und nach dem derzeitigen, im vorliegenden - als Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgestalteten - Verfahren nur möglichen Erkenntnisstand stellen die von der Antragstellerin begangenen Verstöße gegen die ihr als Strafvollzugsbeamtin obliegenden Dienstpflichten ein äußerst schweres Dienstvergehen dar, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat.

Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten im Kontext des Strafvollzuges. Die Eingehung und Verheimlichung der Beziehung zu einem Strafgefangenen (Abschnitt 1 der Beziehung von Februar/März 2008 bis Juni/Juli 2008) sowie die Aufrechterhaltung und weitere Verheimlichung der Beziehung auf Druck des Strafgefangenen (Abschnitt 2 von Juni/Juli 2008 bis Ende Oktober 2008) stellen einen dauerhaft schweren Verstoß gegen die Kernpflichten von Bediensteten im Strafvollzug dar. Betroffen waren die Grundpflichten nach Nr. 1 DSVollz, das Distanzgebot nach Nr. 2 Abs.1 DSVollz und die Meldepflicht nach Nr. 9 DSVollz. Hierbei handelte es sich um den Kernbereich der ihr obliegenden Dienstpflichten

vgl. dazu allgemein BVerwG, Urteil vom 22.10.2005, a.a.O.,

die im Mittelpunkt ihres konkreten Amtes im Strafvollzug standen und die zur Gewährleistung von Funktionsfähigkeit und Sicherheit in dem hochsensiblen Bereich des Strafvollzuges unabdingbar sind.

Auch die weiteren objektiven Handlungsmerkmale von Dauer und Häufigkeit der Dienstpflichtverstöße und die Umstände der Tatbegehung bestärken die Annahme eines schweren Dienstvergehens. Die Pflichtverletzungen in Gestalt von Dauerverstößen erstreckten sich bei stetig zunehmender Intensität und Gefährdung der Sicherheit und der Aufgabenerfüllung des Strafvollzuges über einen Zeitraum von insgesamt sieben bis acht Monaten und erfolgten zudem unter gezielter Ausnutzung der besonderen Vollzugsumstände des betreffenden Strafgefangenen (Wohngruppenvollzug, Einsatz als Hausmaler, Mitglied der Redaktion PRO REO).

Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung vermögen auch subjektive Handlungsmerkmale nach dem im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Erkenntnisstand und vorbehaltlich im Zuge weiterer Ermittlungen möglicherweise noch zutage tretender Erkenntnisse die Schwere des Dienstvergehens nicht maßgeblich zu mindern.

Wie bereits ausgeführt, hat die Antragstellerin sich - zumindest in Abschnitt 1 der Beziehung - bewusst, wissentlich und willentlich gegen die dienstpflichtgemäße Handlungsalternative der Einhaltung des Distanzgebotes und der Meldepflichten entschieden, weil nur dies ihr die Eingehung und Aufrechterhaltung einer -- vermeintlichen - Liebesbeziehung zu dem Strafgefangenen ermöglichte. Die geltend gemachte Schuld- und Steuerungsunfähigkeit ist demgegenüber weder durch Hinweis auf die psychologisch-psychotherapeutische Stellungnahme vom 12.1.2009, noch auf die amtsärztliche Stellungnahme vom 6.3.2009 noch auf andere Weise nachvollziehbar dargelegt worden.

Für den Abschnitt 2 der Beziehung mag der Antragstellerin zwar zuzugestehen sein, dass es aufgrund des - nach ihrem Vortrag - von Seiten des Strafgefangenen aufgebauten Drucks für sie subjektiv zunehmend schwieriger wurde, die dienstpflichtgemäße Handlungsalternative zu wählen. Dies führt - nach den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden, als Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes konzipierten Verfahrens - indes nicht zur Annahme einer aufgehobenen Steuerungs- und Schuldfähigkeit. Auch insoweit erweisen sich die Stellungnahmen vom 12.1.2009 und vom 6.3.2009 nicht als valide Basis für die Begründung ernst zu nehmender Zweifel.

Schließlich erlaubt auch der Blick auf die unmittelbaren Folgen der Dienstpflichtverstöße der Antragstellerin für den dienstlichen Bereich keine mildere Einschätzung bezüglich der Schwere des Dienstvergehens. Hier ist neben den konkret negativen Auswirkungen des Fehlverhaltens der Antragstellerin auf die Funktionsfähigkeit und Sicherheit in dem hochsensiblen Bereich des Strafvollzuges insbesondere auch auf die generell negativen Folgen des maßgeblichen Geschehens für den Einsatz weiblicher Vollzugsbediensteter im Strafvollzug mit männlichen Gefangenen hinzuweisen.

Von der Begehung eines schweren Dienstvergehens durch die Antragstellerin ist und war danach unter Berücksichtigung aller dafür maßgeblichen Kriterien auszugehen. Die Schwere des Dienstvergehens indiziert grundsätzlich die Angemessenheit der Höchstmaßnahme.

Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung für die Angemessenheit der Höchstmaßnahme entfällt allerdings, wenn zugunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, der Beamte habe das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren

vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.2005, a.a.O., BVerwG, Urteil vom 10.1.2007 - 1 D 15.05 -, ZBR 2009, 160 f., BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 a.a.O..

Solche Gründe stellen auch, aber nicht nur die sogenannten anerkannten Milderungsgründe dar. Diese tragen zum einen existenziellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen oder psychischen Ausnahmesituationen Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch freiwillige Wiedergutmachung eines Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens vor der Entdeckung der Tat

vgl. BVerwG, Urteil vom 3.5.2007, a.a.O..

Entlastungsgründe, die einem endgültigen Vertrauensverlust entgegen stehen, können sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. Sie müssen in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen

BVerwG, Urteil vom 10.1.2007, a.a.O. und BVerwG, Urteil vom 3.5.2007, a.a.O..

Zu solchen möglichen, im Gesamtkontext zu würdigenden Umständen gehört auch eine unzureichende Dienstaufsicht zur Tatzeit

BVerwG, Urteil vom 10.1.2007, a.a.O..

Vorliegend ist zunächst von einer Offenbarung des dienstlichen Fehlverhaltens durch die Antragstellerin vor der Entdeckung ihrer Tat auszugehen. Bis zu ihrer Offenbarung gegenüber ihren Kollegen am 29.10.2008 und der unmittelbar nachfolgenden Offenbarung der Antragstellerin gegenüber der Anstaltsleiterin am 29. und 30.10.2008 waren die Dienstpflichtverstöße der Antragstellerin verborgen geblieben. Bekannt wurden sie erst durch die Offenbarung der Antragstellerin.

Die entlastende Wirkung dieser Selbstoffenbarung ist allerdings eingeschränkt durch den Zeitpunkt und die Begleitumstände derselben. Denn unmittelbar vor der Offenbarung war für die Antragstellerin klar geworden, dass sie nicht mehr damit rechnen konnte, dass die Vorgänge der zurückliegenden 7 bis 8 Monate unentdeckt bleiben könnten. Der Strafgefangene hatte sich - nach der Darstellung der Antragstellerin - von einer entsprechenden Zusage trotz des als „Gegenleistung“ hierfür gewährten Geschlechtsverkehrs distanziert und die Antragstellerin am 29.10.2008 gezielt weiter unter Druck gesetzt. Ihre Selbstoffenbarung rechtfertigt deshalb im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht die Annahme, die Antragstellerin habe das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren.

Eine Entlastung zugunsten der Antragstellerin folgt auch nicht aus den im Rahmen der Beschwerdebegründung geltend gemachten „organisatorischen Verfehlungen auf Seiten des Beschwerdegegners“.

Zwar kann eine Vernachlässigung der Aufsichtspflicht durch Vorgesetzte unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Fürsorgepflicht oder des „Mitverschuldens“ als Mitursache einer dienstlichen Verfehlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für besondere Umstände vorliegen, die ausreichende Kontrollmaßnahmen unerlässlich gemacht hätten, diese aber pflichtwidrig unterblieben sind

BVerwG, Urteil vom 10.1.2007, a.a.O..

Eine solche Situation war hier - nach den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens - indes nicht gegeben. Hierzu ist im Rahmen der Beschwerdebegründung vorgetragen, das Verhalten der Antragstellerin sei bereits zu einem sehr früheren Zeitpunkt auffällig gewesen und vom direkten Vorgesetzten bemerkt und thematisiert worden. Gleichwohl habe „die Leitung der JVA im wahrsten Sinne des Wortes weggeschaut und die Situation bis zum Eklat treiben lassen“.

In der Tat waren die häufigen Kontakte der Antragstellerin mit dem Strafgefangenen auch nach der Darstellung des Antragsgegners bereits im Sommer 2008 aufgefallen und von der zuständigen Vollzugsabteilung mit ihr erörtert worden. Diese Gelegenheit hat die Antragstellerin allerdings nicht im Sinne der dienstpflichtgemäßen Offenbarung genutzt, sondern im Gegenteil ihr dienstpflichtwidriges Verhalten und dessen Hintergründe nicht nur nicht offenbart, sondern aktiv verschleiert, indem sie nachvollziehbare behandlerische Gründe für ihre verstärkte Aufmerksamkeit gegenüber dem Strafgefangenen darlegte und es ihr so gelang, die Bedenken ihrer Dienstvorgesetzten gezielt zu zerstreuen.

Eine Vernachlässigung der Aufsichtspflicht seitens der Dienstvorgesetzten kann daraus nicht hergeleitet werden. Diese durften nach dem Ergebnis des Personalgesprächs mit der Antragstellerin davon ausgehen, dass es sich bei den häufigen Kontakten mit dem Strafgefangenen um ein rein berufliches Engagement im Einklang mit den zu beachtenden Dienstpflichten handelte. Seit ihrer Ausbildungszeit (2001 – 2003) hatte die Antragstellerin bis dahin unbeanstandet in der JVA Dienst getan und nach allgemeiner Einschätzung - auch seitens des in der JVA tätigen Dipl.-Psychologen - durch Engagement und Gespräche immer wieder positiv im Sinne des Strafvollzuges auf Gefangene einwirken können. Es konnte daher keine Rede davon sein, dass aus der Sicht der Anstaltsleitung konkrete Anhaltspunkte für besondere Umstände vorgelegen hätten, die weitere Kontroll- und Aufsichtsmaßnahmen unerlässlich gemacht hätten. Ohne solche Umstände darf der Dienstherr grundsätzlich auf die Erfüllung der Dienstpflichten vertrauen. Denn eine ständige und lückenlose Kontrolle eines jeden Mitarbeiters ist unmöglich

vgl. nur BVerwG, Urteil vom 10.1.2007, a.a.O..

Davon durfte hier auch der Antragsgegner ausgehen.

Gegen die Annahme der in der Beschwerdeschrift geltend gemachte Verletzung der Fürsorgepflicht sprechen auch weitere Anhaltspunkte. Gerade im Hinblick auf die Thematik möglicher Verstöße gegen das Distanzgebot zwischen weiblichen Bediensteten und männlichen Gefangenen ist davon auszugehen, dass eine erhöhte Sensibilisierung seitens der Dienstvorgesetzten vorlag und dies den Bediensteten auch deutlich gemacht wurde. Dies ergibt sich z. B. daraus, dass noch im Januar 2008, d.h. kurz vor Aufnahme der Beziehung der Antragstellerin zu dem Strafgefangenen, die jährliche Frauenversammlung innerhalb der JVA gezielt unter das Thema „Frauen im Männervollzug“ gestellt und auf die daraus sich ergebenden Gefahren, insbesondere bei der Missachtung des gebotenen Nähe/Distanzverhaltens für die Betroffenen und andere, unbeteiligte Bedienstete, hingewiesen wurde. An dieser Veranstaltung hat die Antragstellerin selbst teilgenommen.

Nach alledem rechtfertigt der bislang festgestellte Sachverhalt - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Beschwerdeverfahren - die Prognose, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung der Antragstellerin aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung (§ 63 Abs. 2 SDG) bestehen deshalb nicht.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 6.3.2009 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 77 Abs. 4 SDG, 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.

(2) Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) In der Niederschrift über die Verhandlung ist festzustellen,

1.
welche Geldentschädigung der Entschädigungsberechtigte fordert,
2.
ob und in welcher Höhe der Entschädigungsberechtigte eine zusätzliche Geldentschädigung fordert,
3.
ob und in welcher Höhe der Bund eine Ausgleichszahlung fordert,
4.
ob der Entschädigungsberechtigte eine Naturalwertrente fordert.

(2) In der Niederschrift ist ferner festzustellen, welche Geldentschädigung, welche Naturalwertrente oder welche zusätzliche Geldentschädigung der Bund und welche Ausgleichszahlung der Entschädigungsberechtigte zu leisten bereit ist. Die Niederschrift ist von demjenigen zu unterschreiben, der eine solche Erklärung abgibt.

(1) Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit sind in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist. Für Gruppen von Beamtinnen und Beamten können besondere Voraussetzungen für die Dienstunfähigkeit durch Landesrecht geregelt werden.

(2) Eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. In den Fällen des Satzes 1 ist die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Grundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und wenn zu erwarten ist, dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden. Beamtinnen und Beamte, die nicht die Befähigung für die andere Laufbahn besitzen, haben an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen.

(3) Zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand kann der Beamtin oder dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. März 2008 - 1 K 158/08 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird unter Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Rechtszüge auf jeweils 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, da sie rechtzeitig innerhalb der Frist des § 147 Abs. 1 VwGO beim Verwaltungsgericht eingelegt, innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO begründet worden ist und sich innerhalb der letztgenannten Frist unter Darlegung der Beschwerdegründe entsprechend den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO mit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Prüfung der vom Antragsteller dargelegten Gründe, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern sein soll und auf deren Prüfung das Beschwerdegericht sich grundsätzlich zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt nichts dafür, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Aufforderung des Antragsgegners vom 08.11.2007, die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden und der psychologischen Leistungsdiagnostik sowie den organischen Untersuchungen zuzustimmen, zu Unrecht abgelehnt hätte.
Offen bleiben kann, ob der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist oder ob die Prüfung der angefochtenen Maßnahmen kraft Sachzusammenhangs mit der in § 78 Nr. 3d DRiG bzw. § 63 Nr. 3d LRiG der Dienstgerichtsbarkeit übertragenen Entscheidungsbefugnis über die Versetzung eines Richters auf Lebenszeit in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit in deren Zuständigkeit fällt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 14.10.1980 - RiZ (R) 5/80 -, BGHZ 78, 245; siehe auch Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 16.10.1997 - 5 O 4010/97 -, NVwZ-RR 1998, 695). Denn das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist (§ 17a Abs. 5 GVG). Etwas anderes gilt nur dann, wenn einer der Beteiligten die Unzulässigkeit des Rechtswegs bereits im Verfahren vor dem Gericht der ersten Instanz gerügt und dieses Gericht hierüber entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht vorab durch Beschluss entschieden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 23.09.1992 - I ZB 3/92 -, NJW 1993, 470; Thüringer OVG, Beschluss vom 30.11.2004 - 2 EO 709/03 -, ThürVBl 2005, 110). Eine solche Rüge haben die Beteiligten vor dem Verwaltungsgericht jedoch nicht erhoben.
Die als Anordnung einer (weiteren) amtsärztlichen Untersuchung zu verstehende Aufforderung, der psychologischen Leistungsdiagnostik sowie den organischen Untersuchungen zuzustimmen, ist nach der Rechtsprechung des Senats wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Beamten und wegen der im Falle der Weigerung möglichen Disziplinarmaßnahmen als Verwaltungsakt anzusehen (vgl. Urteil des Senats vom 15.05.1975 - IV 394/73 -, ZBR 1975, 322, und Beschluss vom 03.02.2005 - 4 S 2398/04 -, NVwZ-RR 2006, 200; ebenso OVG Berlin, Beschluss vom 21.12.2001, NVwZ-RR 2002, 762; anders BVerwG, Beschluss vom 19.06.2000 - 1 DB 13.00 -, BVerwGE 111, 246, hinsichtlich der Besonderheiten bei einem Ruhestandsbeamten, sowie Sächsisches OVG, Beschluss vom 17.11.2005 - 3 BS 164/05 -, NVwZ 2006, 715). Entsprechendes gilt für die mit dieser Anordnung in engem Zusammenhang stehende und ihr in ihren Wirkungen gleichkommende Aufforderung, die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden (a. A. Sächsisches OVG, Beschluss vom 17.11.2005, a.a.O.). Ob dem Antragsteller gegen diese im Widerspruchsbescheid vom 19.12.2007 gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärten Verfügungen vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist, hat das Verwaltungsgericht daher zutreffend nach § 80 Abs. 5 VwGO beurteilt. Der Senat vermag - wie schon das Verwaltungsgericht - ein überwiegendes privates Interesse des Antragstellers, vom sofortigen Vollzug der Untersuchungsanordnung und der Aufforderung zur Schweigepflichtentbindung einstweilen verschont zu bleiben, nicht festzustellen, weil sich die Verfügungen bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen.
Formelle Bedenken hinsichtlich der Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung bestehen nicht. Insbesondere ist der Antragsteller zur Frage einer amtsärztlichen Untersuchung in einem Gespräch mit dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten des Landgerichts U. am 20.06.2007 ausführlich angehört worden. Nach dem hierüber angefertigten Aktenvermerk hat er sich dabei weitgehend geweigert, Erklärungen abzugeben. Weshalb diese sinnlos gewesen wären, wie er nun vorträgt, legt er nicht näher dar. Auch seine Behauptung, er sei „einer Mobbingsituation ausgesetzt“, bleibt unsubstantiiert. Abgesehen davon wäre ein eventueller Anhörungsmangel mittlerweile geheilt, da der Antragsteller im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ausreichend Gelegenheit hatte, seine Einwände vorzubringen. Soweit er in formeller Hinsicht außerdem bemängelt, der Richterrat sei nicht beteiligt worden, fehlen jegliche Ausführungen dazu, woraus sich ein Beteiligungsrecht des Richterrats ergeben könnte. Ein solches ist auch nicht ersichtlich.
In materieller Hinsicht ist die angegriffene Anordnung ebenfalls nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung ist § 53 Abs. 1 Sätze 1 und 3 LBG i.V.m. § 8 LRiG. Danach ist der Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Bestehen Zweifel über die Dienstunfähigkeit des Beamten, so ist er verpflichtet, sich nach Weisung der Behörde ärztlich untersuchen und, falls ein Amtsarzt dies für erforderlich hält, auch beobachten zu lassen. Dem Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechend gilt dies auch dann, wenn die Behörde Zweifel an der Dienstfähigkeit eines Beamten hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.1980 - 2 A 4.78 -, DVBl 1981, 502, und vom 28.05.1984 - 2 B 205.82 -, Buchholz 237.5 § 51 LBG HE Nr. 1; Senatsbeschluss vom 03.02.2005, a.a.O.).
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids vom 19.12.2007 hinreichend deutliche Anhaltspunkte für eine dem psychiatrischen Fachbereich zuzuordnende Dienstunfähigkeit des Antragstellers erkennbar waren. Dies stellt auch der Antragsteller nicht substantiiert in Abrede. Er verweist lediglich darauf, dass es nicht geklärt sei, inwieweit ihm der Inhalt des Schreibens des S.-Verlages vom 22.05.2007 zuzurechnen sei. Mit diesem Schreiben hatte der Verlag mitgeteilt, der Antragsteller sei überzeugt, dass ein furchtbares Ereignis unmittelbar bevorstehe, welches sich aus im Einzelnen genannten Bibeltextstellen herleiten lasse. Ebenso sei er der Überzeugung, dass der Heilige Vater nach Überprüfung der oben genannten Textstellen den Kontakt zu ihm suchen und ihn ab sofort bis zum 15.06.2007 an den Vatikan abordnen werde. Der Einwand des Antragstellers greift jedoch nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die Zweifel an der Dienstfähigkeit des Antragstellers nämlich nicht allein am Inhalt dieses Schreibens festgemacht, sondern hierfür vor allem auf sein weiteres Verhalten abgestellt. Darüber hinaus genügt es seitens des Antragstellers nicht, lediglich in Frage zu stellen, ob die Behauptungen des Verlags ihm zuzurechnen seien. Denn in dieser Hinsicht ist in erster Linie von ihm eine Klärung zu erwarten. In dem Gespräch mit dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten des Landgerichts U. am 20.06.2007 hat er sich jedoch geweigert, Angaben zu dem Schreiben des Verlages zu machen. Auch mit seiner Beschwerde hat er nicht erklärt, dass die Behauptungen des Verlages unrichtig seien. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass das Schreiben des Verlages die Überzeugungen des Antragstellers wiedergibt, ist daher nicht zu beanstanden. Hierfür spricht insbesondere auch die in einem Vermerk der Geschäftsstelle der 2. Zivilkammer des Landgerichts U. festgehaltene Nachricht des Antragstellers an den Präsidenten des Landgerichts, wonach sich der Verlag „an den Vatikan (…) und zugleich an das Justizministerium“ gewandt habe, „da beantragt werde, (ihn) bis zum 15.06.2007 an den Vatikan abzuordnen. Es gehe um den Jagdfriesen am Dom zu Königslutter als kosmisches Rätsel“. Soweit der Antragsteller darüber hinaus rügt, seine Krankschreibung habe im maßgeblichen Zeitpunkt erst knapp ein halbes und nicht ein Dreivierteljahr angedauert, wie das Verwaltungsgericht ausgeführt habe, legt er nicht dar, inwieweit dies entscheidungserheblich wäre. Tatsächlich war er in der Zeit nach Erlass des Widerspruchbescheids - und ist auch derzeit noch - weiterhin krankgeschrieben.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller, der sich zu einer amtsärztlichen Untersuchung grundsätzlich bereit erklärt, im Wesentlichen dagegen, dass von ihm vor einer weiteren ärztlichen Untersuchung verlangt wird, die Ärzte, bei denen er sich in Behandlung befindet, konkret seine Hausärztin und die ihn behandelnde Nervenärztin, von der Schweigepflicht zu entbinden. Rechtsgrundlage für diese Weisung ist § 8 LRiG in Verbindung mit der allgemeinen, dem Richterdienstverhältnis innewohnenden Treuepflicht, die auch in § 53 Abs. 1 Satz 3 LBG zum Ausdruck kommt, wonach der Richter gehalten ist, sich nach Weisung des Dienstvorgesetzten ärztlich untersuchen und, falls ein Amtsarzt dies für erforderlich hält, beobachten zu lassen, wenn Zweifel über seine Dienstunfähigkeit bestehen. Die vom Verwaltungsgericht angeschnittene, aber nicht entschiedene Frage, ob die Befugnis, vom Beamten die Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu verlangen, unmittelbar § 53 Abs. 1 Satz 3 LBG zu entnehmen ist, weil es sich hierbei gegenüber der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, um ein „minus“ handelt, kann auch der Senat offen lassen. Denn die dienstrechtliche Treuepflicht ist in der genannten Vorschrift jedenfalls nicht abschließend geregelt. Sie umfasst vielmehr die grundsätzliche Verpflichtung des Richters, an der für die Durchführung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs erforderlichen Klärung des eigenen Gesundheitszustands mitzuwirken und dazu beizutragen, seinen Dienstvorgesetzten die Überzeugung zu vermitteln, dass er dienstfähig ist (vgl. zu §§ 42 Abs. 1 Satz 3, 55 Satz 2 und 73 Abs. 1 Satz 3 BBG: BVerwG, Urt. v. 23.10.1980 - 2 A 4/78 -, DVBl. 1981, 502; Sächsisches OVG, Beschluss vom 17.11.2005, a.a.O.). Die gebotene Mitwirkung kann insoweit auch die Verpflichtung einschließen, einen behandelnden Privatarzt gegenüber dem Amtsarzt von seiner Schweigepflicht zu entbinden.
Die durch Art. 97 GG gewährleistete richterliche Unabhängigkeit erfordert für Richter keine weitergehende gesetzliche Regelung, da die verlangte Mitwirkung die richterliche Unabhängigkeit nicht berührt. Anders liegt es bei der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, die gemäß Art. 97 Abs. 2 Satz 1 GG nur aufgrund einer richterlichen Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, zulässig ist. Neben den in Art. 97 Abs. 2 Satz 1 GG ausdrücklich genannten Handlungen ist der Richter auch gegenüber anderen Maßnahmen geschützt, die materiell einer Entlassung, einer dauernden oder zeitweisen Amtsenthebung oder einer Versetzung in den Ruhestand gleichkommen, durch welche also faktisch dasselbe wie durch eine der in Art. 97 Abs. 2 Satz 1 GG genannten förmlichen Maßnahmen erreicht wird (BVerfG, Beschluss vom 25.02.1964 - 2 BvR 411/61 -, BVerfGE 17, 252). Um eine solche die persönliche Unabhängigkeit tangierende Maßnahme handelt es sich bei der geforderten Entbindung von der Schweigepflicht nicht. Sie dient nur der Klärung einer Vorfrage, nämlich der Frage, ob der Richter noch fähig ist, seine richterlichen Dienstpflichten zu erfüllen. Sollte die amtsärztliche Untersuchung zu dem Ergebnis führen, dass Dienstunfähigkeit vorliegt, schließt sich das in § 63 Nr. 3d LRiG i.V.m. § 34DRiG speziell geregelte, eine rechtskräftige richterliche Entscheidung voraussetzende Verfahren der Versetzung in den Ruhestand an. Für die Ermittlungen im Vorfeld ist ein besonderes Verfahren weder in Art. 97 Abs. 2 GG noch einfachgesetzlich vorgeschrieben. Insoweit genügt die allgemeine Gehorsams- und Treuepflicht als Rechtsgrundlage für die Mitwirkungspflicht eines Richters.
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Auch aus Art. 97 Abs. 1 GG, wonach Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind, folgt nichts anderes. Die in dieser Verfassungsnorm angesprochene sachliche Unabhängigkeit ist gewährleistet, wenn der Richter seine Entscheidung frei von Weisungen fällen kann (BVerfG, Beschluss vom 29.02.1996 - 2 BvR 136/96 -, NJW 1996, 2149). Eine Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit meint der Antragsteller darin zu erkennen, dass aufgrund der geforderten Schweigepflichtentbindung, innere Einstellungen, Neigungen oder Vorlieben öffentlich werden könnten, was wiederum dazu führen könnte, dass ein Richter versucht sein könnte, sein Verhalten in eine bestimmte, seiner Ansicht nach der Öffentlichkeit genehmere Richtung auszurichten. Das Verwaltungsgericht hat diese Befürchtungen mit Blick auf § 57a LBG zu Recht für unbegründet erklärt. Zum einen darf nach Absatz 1 dieser Vorschrift der die ärztliche Untersuchung veranlassenden Stelle grundsätzlich nur das Ergebnis der Untersuchung übermittelt werden (Satz 1). Die Anamnese und einzelne Untersuchungsergebnisse dürfen abweichend davon nur dann übermittelt werden, wenn deren Kenntnis für die Entscheidung über die konkrete Maßnahme, zu deren Zweck die Untersuchung durchgeführt worden ist, erforderlich ist (Satz 2). Das bedeutet, dass der Bericht des Amtsarztes an den Dienstherrn nur die von den behandelnden Ärzten mitgeteilten Tatsachen enthalten darf, die für die Beurteilung der Dienstfähigkeit des Richters von Belang sind. Durch diese Regelung, die in erster Linie dem Persönlichkeitsschutz des Richters Rechnung trägt, ist gewährleistet, dass der Dienstherr nicht mehr Informationen erhält, als er für die Klärung des Gesundheitszustands benötigt. Auch in einem sich an eine amtsärztliche Untersuchung anschließenden Rechtsstreit könnten entgegen den Befürchtungen des Antragstellers keine Unterlagen oder Informationen beigezogen werden, die für die Beurteilung der Dienstfähigkeit nicht erforderlich sind. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass die aufgrund der amtsärztlichen Untersuchung bekannt gewordenen Informationen, die für die Beurteilung der Dienstfähigkeit erforderlich waren, den Dienstherrn - oder in einem nachfolgenden Rechtsstreit das Gericht - zu dem Schluss veranlassen, dass der Richter nach wie vor dienstfähig ist. Der Senat vermag jedoch nicht zu erkennen, dass die richterliche Unabhängigkeit verletzt wäre, wenn dieser Richter trotz der bei seinem Dienstherrn nach der ärztlichen Untersuchung vorhandenen Kenntnisse weiterhin seinen Dienst zu verrichten hat. Denn es ist nicht ersichtlich, inwieweit das Wissen des Dienstherrn Einfluss auf den Inhalt der vom Richter zu treffenden Entscheidungen haben könnte.
11 
Auch birgt die gegenüber dem Amtsarzt erfolgende Schweigepflichtentbindung nicht die Gefahr, dass die erlangten Informationen öffentlich werden. Die Regelungen in § 57a Abs. 2 LBG enthalten hinreichende Sicherungen gegen eine zweckwidrige Verwendung der bei der amtsärztlichen Untersuchung bekannt gewordenen Informationen. So dürfen die übermittelten Daten für eine andere als die nach §§ 53 bis 57 zu treffende Entscheidung nicht verarbeitet werden (Satz 2). Außerdem müssen sie in einem gesonderten, verschlossenen und versiegelten Umschlag übersendet werden, der verschlossen zu der Personalakte des Beamten zu nehmen ist (Satz1). Die Annahme des Antragstellers, er könne durch Informationen seitens der von ihrer Schweigepflicht entbundenen Ärzte, die aufgrund der amtsärztlichen Untersuchung an die Öffentlichkeit geraten, in seiner späteren Entscheidungsfindung beeinflussbar werden, erscheint daher fernliegend.
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Zu Recht geht der Antragsteller allerdings davon aus, dass eine Schweigepflichtentbindung nur dann gefordert werden darf, wenn der mit der Untersuchung beauftragte Amtsarzt ohne Kenntnis der vorangegangenen Krankheitsgeschichte die Dienstfähigkeit des Richters nicht oder nur unvollständig beurteilen kann. Ist die Offenlegung der Krankheitsgeschichte für die amtsärztliche Begutachtung von entscheidender Bedeutung, so ginge die Verpflichtung zur amtsärztlichen Untersuchung ins Leere, wenn der Richter die Entbindung von der Schweigepflicht verweigern könnte (Sächsisches OVG, Beschluss vom 17.11.2005, a.a.O.; vgl. auch Summer in: Fürst, GKÖD Bd. 1, § 42 RdNr. 22). Dies hat auch das Verwaltungsgericht erkannt und eine Auskunft der Amtsärztin eingeholt, die bestätigt hat, dass ein psychiatrisches Gutachten ohne Kenntnis der geforderten Informationen nicht möglich sei. Der Antragsteller wendet hiergegen ein, es müsse ein gestuftes Verfahren Anwendung finden, bei dem zunächst in einer ärztlichen Untersuchung nach Erhebung einer Anamnese und weiterer Befunde entschieden werden müsse, in welchem Umfang seine Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden seien. Dabei übersieht er jedoch, dass in seinem Fall bereits mehrere ärztliche Untersuchungstermine stattgefunden haben, bei denen er sich geweigert hat, nähere Angaben zu machen. Auch war er vor einer Entscheidung über die Schweigepflichtentbindung nicht bereit, an weiteren Untersuchungen mitzuwirken. Dies ergibt sich aus den Berichten der Amtsärztin vom 24.10.2007 und 04.12.2007 an den Präsidenten des Landgerichts. Bei dieser Sachlage liegt es auf der Hand, dass die Amtsärztin ohne entsprechende Mitwirkung des Antragstellers erst und nur nach Erhalt der Informationen seitens der den Antragsteller behandelnden Ärzte in der Lage ist, den geeigneten Ansatz für eine eigene Begutachtung festzulegen oder im Falle einer weiteren Verweigerung der Mitwirkung seitens des Antragstellers das geforderte amtsärztliche Gutachten auf der Basis der erhaltenen Informationen zu erstellen. Der Umfang der einzuholenden Informationen wird dabei, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, durch den Zweck der amtsärztlichen Untersuchung, nämlich die Klärung der Dienstfähigkeit des Antragstellers, bestimmt. Einen Widerspruch zu den Angaben der Amtsärztin, dass sich die amtsärztliche Untersuchung und die Schweigepflichtentbindung „schlecht trennen“ und nicht „aufdröseln“ ließen, vermag der Senat darin nicht zu erkennen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren und die Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruhen auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 und 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Es entspricht ständiger Praxis des Senats, den Streitwert lediglich mit der Hälfte des für ein entsprechendes Hauptsacheverfahren anzunehmenden Werts von 5.000.-- EUR anzusetzen (vgl. auch Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs vom 07./08.07.2004, DVBl 2004, 1525).
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 bs. 1 VwGO).

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.