Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 15. Nov. 2016 - 15 A 18/16

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2016:1115.15A18.16.0A
bei uns veröffentlicht am15.11.2016

Tatbestand

1

Der Kläger ist Obersekretäranwärter im Justizvollzugsdienst und war zur streitgegenständlichen Zeit bei der Beklagten beschäftigt. Er wendet sich gegen die ihm gegenüber von der Beklagten erlassene Disziplinarmaßnahme in Form einer Geldbuße in Höhe von 300,00 Euro. Seit dem 02.10.2015 ist der Kläger zur zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Sachsen-Anhalt in Halberstadt abgeordnet.

2

Die Beklagte leitete mit Verfügung vom 10.03.2014 gegenüber dem Kläger ein Disziplinarverfahren gemäß § 17 Abs. 1 Disziplinargesetz des Landes Sachsen-Anhalt (DG LSA) ein. Darin wurde dem Kläger u.a. vorgeworfen, dass er am 22. und 23.01.2014 Alkoholkontrollen der Gefangenen des offenen Vollzuges nicht unter Verwendung des Alcotests 7410 durchgeführt habe, wobei er die Kontrollen im Diensttagebuch jedoch als beanstandungsfrei gemeldet habe.

3

Im elektronischen Diensttagebuch ist jeweils am 22. und 23.01.2014 unter der Personenangabe "Hermann, M." vermerkt: "Kontrolle OV, Außenbereich, Bestandsüberprüfung + 2 x Alk. –test o.B." (vgl. Bl. 13, 20. d. B.A) Im handschriftlich geführten Diensttagebuch findet sich ebenfalls ein Eintrag mit dem Vermerk "Kontrolle … o.B. Alcotest: Ewald, J. 0,00 %"

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Mit Verfügung vom 28.04.2014 dehnte die Beklagte das behördliche Disziplinarverfahren wegen des Vorwurfs der verspäteten/unterlassenen Krankmeldung aus. Dem Kläger wurde u.a. vorgeworfen, dass er sich am 23.04.2014 zum Dienst zu spät krank gemeldet habe. So habe laut Tätigkeitsbuch am 23.04.2014 die Beklagte erst um 13:15 Uhr (Dienstbeginn: 13:00 Uhr) von der Krankschreibung des Klägers erfahren. Der Kläger habe sich nicht selbst bei der Dienststelle gemeldet, sondern ein Bediensteter der Beklagten habe den Kläger angerufen und um Mitteilung gebeten. Eine Korrektur der Dienstplanung habe für diesen Tag nicht mehr erfolgen können, sodass die Mindestdienststärke des Hafthauses 3 nur durch den 12-stündigen Einsatz des Hausleiters notdürftig gewährleistet werden konnte. Hierin läge ein Verstoß gegen die einschlägigen anstaltsinternen Regelungen zum Meldewesen bei Krankheit. So heißt es auszugsweise unter Ziffer 1 der Anstaltsverfügung Nr. 07/2010 vom 01.05.2010:

5

Die Beamtin und die Tarifbeschäftigten der hiesigen Justizvollzugsanstalt sind verpflichtet, ihr Fernbleiben vom Dienst durch Dienst- bzw. Arbeitsunfähigkeit unverzüglich bei Eintritt/Verlängerung einer Dienst- bzw. Arbeitsunfähigkeit bis spätestens zum Zeitpunkt des geplanten Dienstbeginns anzuzeigen.“

6

Zu den einzelnen Vorwürfen nahm der Klägervertreter mit Schreiben vom 25.08.2014 Stellung: Der Vorwurf zum Falscheintrag im Diensttagebuch sei nicht begründet. Es habe technische Probleme mit dem Alcotest 7410 gegeben und Kontrollen seien ohne Gerät durchgeführt worden, d.h. durch persönliche Inaugenscheinnahme unter kurzabständigen Ansprechens der jeweiligen Gefangenen zum Zwecke der Wahrnehmung von Alkoholgeruch und Sichtung beeinträchtigender Umstände. Zudem sehe der von der Beklagten angeführte Kontrollplan zum offenen Vollzug der JVA A-Stadt III vom 19.11.2007 zwingend weder vor, dass der Alcotest 7410 das alleinige Feststellungsmittel von etwaigen alkoholisierten Gefangenen sei, noch dass dieser bei Alkoholkontrollen ab 22:00 Uhr einzusetzen sei. Dem Kläger könne auch deswegen nicht angelastet werden, dass er eine Alkoholkontrolle mit nicht funktionsfähigem technischem Equipment getätigt habe, weil keine konkrete Handlungsanweisungen für den Fall getroffen worden sei, dass das zu verwendende Material defekt sei. Der Dienstherr habe dafür zu sorgen, dass tagtäglich ordnungsgemäßes Gerät zur Verfügung gestellt werde und gegen diese Verpflichtung habe der Dienstherr verstoßen. Der Alkoholtest 7410 stelle nach gängiger Rechtsprechung auch keine verwertbare, beweissichere Methode zur Feststellung des Alkoholkonsums dar.

7

In Bezug auf die verspätete Krankmeldung am 23.02.2014 führte der Kläger im Wesentlichen aus, dass er sich bis kurz nach 13:00 Uhr in ärztlicher Behandlung befunden habe. Er habe sein Mobiltelefon nicht mit zum Arzt genommen. Er sei nicht davon ausgegangen, dass der Arztbesuch und die eigentliche Arztbehandlung länger als bis 13:00 Uhr andauern würden. Nach dem Arztbesuch wieder zu Hause angekommen, habe der Kläger beabsichtigt sofort den TDL (Tourendienstleiter) der Beklagten anzurufen, um über die weitere Arbeitsunfähigkeit zu informieren. Beim Öffnen der Tür habe jedoch bereits das Telefon des Klägers geklingelt, sodass dieser selbst ans Telefon gegangen sei und seine Arbeitsunfähigkeit dem anrufenden TDL mitgeteilt habe.

8

Mit streitgegenständlicher Disziplinarverfügung vom 10.04.2015 verhängte die Beklagte eine Geldbuße in Höhe von 300,00 Euro. Die Beklagte sah es als erwiesen an, dass der Kläger hinsichtlich der in Rede stehenden Alkoholkontrolle im offenen Vollzug sowie der verspäteten/unterlassenen Krankmeldung eines Dienstvergehens schuldig sei. Der Vorwurf bzgl. der Alkoholkontrolle beziehe sich zuletzt nicht auf ein gänzliches Unterlassen der Kontrolle, sondern auf die unzureichende Gründlichkeit sowie auf die bewusst vorgenommenen inkorrekten Einträge im Diensttagebuch. Der Eintrag „0,00 ‰“ stelle keinesfalls das Ergebnis einer auch noch so gründlichen Schätzung im Wege einer „persönlichen Inaugenscheinnahme unter kurz abständigem Ansprechen“ dar. Im Übrigen lasse sich eine etwaige Funktionsstörung des Gerätes zum gesagten Zeitpunkt dem Eintrag des Klägers im Diensttagebuch nicht entnehmen. Die letztlich mangelhafte Alkoholkontrolle am 22.01.2014 und 23.01.2014 habe zu einer unvollständigen, vom Kontrollauftrag abweichenden Beaufsichtigung der Gefangenen des offenen Vollzuges geführt. Dadurch seien Sicherheit und Ordnung nicht gewährleistet gewesen. Es habe zumindest die Gefahr unentdeckten Alkoholkonsums, schlimmstenfalls die Entgleisung alkoholisierter, enthemmter, ggf. gewaltbereiter Gefangener bestanden. Durch diese gelebte Kontrollpraxis (Einsatz des Gerätes nach eigenem Gutdünken) hätten die Gefangenen ferner den Eindruck gewinnen können, gerade der Kläger führe nur sehr sporadische Kontrollen mit Alkoholtestgeräten durch, was wiederum eine gesteigerte Risikobereitschaft nach sich ziehen könne. Im Ergebnis lägen Verstöße gegen die Pflicht zum Befolgen von Anordnungen und Regeln (§ 35 Satz 2 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG) und gegen die Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz im Hauptberuf (§ 34 BeamtStG) vor.

9

In Bezug auf die Krankmeldung am 23.04.2014 wird ausgeführt, dass unstreitig eine Information über die Dienstunfähigkeit erst nach Schichtbeginn vorgelegen habe und überdies sich der Bedienstete der Beklagten diese Information selbst beschafft hätte. Es sei für den Kläger möglich und tunlich gewesen, eine Benachrichtigung der Dienststelle bei behauptetem Vergessen des Mobiltelefons wenigstens vom Hausarzt aus über dessen Festnetz zu tätigen. Zudem habe es für den Kläger angesichts seiner behaupteten Schmerzen absehbar sein müssen, dass er an diesem Tag nicht zur geplanten Schicht ab 13:00 Uhr erscheinen könne. Hinsichtlich der Krankmeldung habe der Kläger gegen die Pflicht zum Befolgen von Weisungen gemäß § 35 Satz 2 BeamtStG verstoßen.

10

Das beschriebene Verhalten begründe im Ergebnis die Annahme eines Dienstvergehens im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG. Die Pflichtverstöße beträfen ausnahmslos Kernpflichten, die es als Justizvollzugsbeamter zu beachten und umzusetzen gelte. Auch handele es sich um einen wiederholten Pflichtenverstoß, da der Kläger bereits mehrfach disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten sei. Diesbezüglich dürften und müssten für die zu fällende Bemessungsentscheidung die Disziplinarvorgänge aus 2008 (unerlaubtes Eindringen zweier selbstgebrannter Tonträger in die Justizvollzugsanstalt u. a.) und 2011 (Beleidigung und Handgreiflichkeiten gegenüber einer Polizeibeamtin) Berücksichtigung finden.

11

Gegen die Disziplinarverfügung vom 10.04.2015 legte der Kläger mit Schreiben vom 27.04.2015 Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2016 zurückgewiesen. Gegen den am 25.02.2016 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 29.03.2016 (Dienstag nach Ostermontag) Klage vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg erhoben.

12

Zur Begründung verweist der Kläger vollumfänglich auf seine Stellungnahme vom 25.08.2014 zum Abschlussbericht und zu seiner Widerspruchsbegründung vom 30.09.2015. Ergänzend führt er insbesondere aus, dass die persönliche Inaugenscheinnahme der Gefangenen verbunden mit der kurzen Distanz und dem Anhauchenlassen von Ausatemluft ein gängiges Mittel darstelle, einen Anfangsverdacht bezüglich nicht unerheblichen Alkoholkonsums festzustellen. Diese insoweit übliche Vorgehensweise finde sich im Übrigen gleichfalls bei Polizeibeamten im Straßenverkehr, welche Fahrzeugführer auf Alkoholkonsum kontrollierten.

13

Der Kläger beantragt,

14

1. die Disziplinarverfügung der Beklagten vom 10.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2016 zum Az.: …2014 aufzuheben,

15

2. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten in dem Widerspruchsverfahren notwendig war.

16

Die Beklagte beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Die Beklagte verweist im Rahmen der Klageerwiderung auf die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2016.

19

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Denn der angefochtene Disziplinarbescheid in Form der Geldbuße in Höhe von 300,00 EUR ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 3 DG LSA, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme in Form der Geldbuße ist unverhältnismäßig, weil unangemessen und bedarf insoweit der Abänderung. Unter Berücksichtigung dessen erweist sich die ausgesprochene Disziplinarverfügung zur Überzeugung des Gerichts auch als unzweckmäßig, welches ebenso zur Aufhebung bzw. Abänderung durch das Disziplinargericht führt (§ 59 Abs. 3 DG LSA).

21

Nach § 59 Abs. 3 DG LSA prüft das Gericht bei der Klage des Beamten gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Disziplinargericht danach nicht nur gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben oder abzuändern. Vielmehr übt das Disziplinargericht in Anwendung der in § 13 Abs. 1 DG LSA niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmenobergrenze selbst die Disziplinarbefugnis aus (vgl. Gesetzesbegründung zum gleichlautenden § 60 Abs. 3 BDG, Bundestagsdrucksache 14/4659, S. 48; BVerwG, Urt. v. 27.06.2013 - 2 A 2.12; Beschl. v. 21.5.2013 - 2 B 67.12; Urt. v. 15.12.2005 - 2 A 4.04; OVG NRW, Beschl. v. 19.9.2007 - 21 d A 3600/06.O; Bayr. VGH, Beschl. v. 27.1.2010 - 16 a DZ 07.3110, Bayr. VGH, Beschl. v. 2.7.2012 - 16 a DZ 10.1644; vgl. zu den Zweckmäßigkeitserwägungen auch: VG Magdeburg, Urt. v. 18.7.2012 - 8 A 1/12; Urt. v. 1.12.2011 - 8 A 18/10; Urt. v. 18.7.2012 - 8 A 13/11; Urt. v. 6.11.2007 - 8 A 10/07; alle juris).

22

1. Zur Überzeugung des Disziplinargerichts hat der Kläger als Obersekretär im JVD gegen § 35 Satz 2 BeamtStG i.V.m. Nr. 12 Abs. 2 Ziff. 7 der Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug ("DSVollz") und damit ein innerdienstliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen.

23

Gemäß § 35 Satz 2 BeamtStG ist der Beamte verpflichtet, dienstliche Anordnungen seines Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Nach Nr. 12 Abs. 2 Ziff. 7 DSVollz gehört zu den Aufgaben eines Beamten u.a. die manuelle oder elektronische Führung von Büchern, Listen und Nachweisungen. Der Beamte hat die Bücher, Listen und Nachweisungen gewissenhaft zu führen (Nr. 1 Abs. 2 DSVollz), d.h. insbesondere korrekt und wahrheitsgemäß. Hierzu gehört auch die korrekte und wahrheitsgemäße Führung eines Diensttagebuchs. Gegen diese Pflicht hat der Kläger verstoßen, indem er im elektronischen Diensttagebuch am 23.01.2014 und am 22.02.2014 vermerkte: "+ 2 x Alk. -test o.B" bzw. auch "Kontrolle … o.B. Alcotest: J. 0,00 Promille", obwohl er lediglich eine Alkoholkontrolle durch Inaugenscheinnahme der Gefangenen verbunden mit der kurzen Distanz und dem Anhauchenlassen von Ausatemluft durchgeführt hat. Die Beklagte hat zu Recht geltend gemacht, dass der Eintrag "o.B." (ohne Befund) bzw. "0,00 Promille" keinesfalls das Ergebnis einer noch so gründlichen Schätzung im Wege einer persönlichen Inaugenscheinnahme und einem kurzabstandigen Anhauchenlassens sein kann. Dies gilt selbst dann, wenn der Kläger – wie hier von ihm behauptet – aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen ein besonderes Gespür dafür entwickelt haben sollte, ob jemand alkoholisiert sei. Der Eintrag "o.B." (ohne Befund) bzw. "0,00 Promille" enthält die Aussage, dass die jeweils kontrollierten Personen tatsächlich keinen Promillewert aufwiesen und dies verlässlich festgestellt worden ist. Hierbei hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass es keine Toleranzgrenze bei Alkoholgenuss durch die Gefangenen des offenen Vollzugs gäbe; insbesondere würden Gefangene des offenen Strafvollzugs bereits dann in den geschlossenen Vollzug zurückverlegt werden, wenn auch nur geringste Promillewerte festgestellt würden. Ein Befund liegt daher bereits dann vor, wenn der Alkoholtest ein Ergebnis von mehr als 0,00 Promille ergibt, sei der Wert auch noch so gering. Ein solch genaues Messergebnis konnte der Kläger ohne technische Hilfsmittel aber nicht verlässlich feststellen.

24

2. Weiterhin hat der Kläger zur Überzeugung des Disziplinargerichts gegen § 35 Satz 2 BeamtStG i.V.m. der Anstaltsverfügung Nr. 07/2010 verstoßen. Danach ist der Beamte verpflichtet, sein Fernbleiben vom Dienst durch Dienst- bzw. Arbeitsunfähigkeit unverzüglich bei Eintritt/Verlängerung einer Dienst-bzw. Arbeitsunfähigkeit bis spätestens zum Zeitpunkt des geplanten Dienstbeginns anzuzeigen. Hiergegen hat der Kläger verstoßen, indem er sich am 23.02.2014 nicht bis zu seinem Dienstbeginn um 13:00 Uhr krank gemeldet hat, sondern seinem Dienstherrn seine Arbeitsunfähigkeit erst dann anzeigte, als er um ca. 13:15 Uhr von einem Bediensteten der Beklagten zuhause angerufen und nach seinem Verbleib gefragt wurde.

25

Zur Überzeugung der Kammer hat der Kläger die verspätete Dienstunfähigkeitsanzeige auch zu verschulden, da es ihm zumutbar und möglich war, die Dienstunfähigkeit rechtzeitig vor Dienstbeginn anzuzeigen. Soweit der Kläger vorträgt, dass es für ihn aufgrund seiner krankheitsbedingten Vorgeschichte nicht absehbar gewesen sei, dass er vom Arzt krankgeschrieben werde, so hat das Gericht insoweit keinen Anlass für Zweifel. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Entscheidend ist, dass es zur Überzeugung der Kammer für den Kläger vor Dienstbeginn absehbar gewesen sein muss, dass er es – selbst wenn der Arzt ihn nicht krankgeschrieben hätte – nicht pünktlich zum Dienst hätte schaffen können bzw. er sich zumindest zum Dienstbeginn verspäte. Dies hat der Kläger auch billigend in Kauf genommen. Der Kläger hat vorgetragen, dass er bis kurz nach 13:00 Uhr in ärztlicher Behandlung gewesen sei. Selbst unter der Annahme des Klägers, dass er nicht vom Arzt dienstunfähig geschrieben werden würde, hätte ihm insbesondere auch unter Berücksichtigung der notwendigen Wegzeit vom Arzt zur Dienststelle vor Aufruf ins Sprechzimmer bewusst sein müssen, dass er den Dienstantritt bis 13:00 Uhr nicht schaffen würde und daher zumindest eine Verspätungsanzeige beim Dienstherrn erforderlich wäre. Diese hat er jedoch unterlassen. Soweit der Kläger vorträgt, dass er die Anzeige nicht abgeben habe können, weil er sein Telefon zuhause vergessen habe, so entschuldigt dies zur Überzeugung der Kammer eine verspätete Anzeige nicht. Dem Kläger wäre es vielmehr zumutbar und möglich gewesen, seinen Dienstherrn vom Telefonanschluss des Arztes aus zu kontaktieren. Der Vertrag des Klägers, dass nicht unterstellt werden könne, dass der behandelnde Arzt dem Kläger nicht erlaubt hätte, sein ärztliches Telefonnetz zu benutzen, ist lebensfremd. Jedenfalls kann vom Kläger erwartet werden, dass er zumindest beim Arzt bzw. der Sprechstundenhilfe anfragt, ob er das Telefon benutzen dürfe. Dies hat er jedoch trotz Zumutbarkeit und Möglichkeit nicht getan.

26

3. Die für das festgestellte Dienstvergehen zu verhängende Disziplinarmaßnahme hat das Gericht aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte im pflichtgemäßen Ermessen zu bestimmen. Welche Maßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung (BVerwG, Urt. v. 03.05.2007 - 2 C 9/06 -, NVwZ-RR 2007, 695). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, Urt. v. 20.10.2005 - 2 C 12.04 - E 124, 252, 258, vgl. VG Wiesbaden, Urt. v. 19. Oktober 2016 – 28 K 1133/14.WI.D –, Rn. 48, beide zitiert in juris).

27

Bei der nunmehr vom Disziplinargericht aufgrund der Gesamtabwägung und des Persönlichkeitsbildes des Beamten nach § 13 DG LSA auszusprechenden Disziplinarmaßnahme lässt sich das Gericht insbesondere von der individuellen Pflichtenmahnung (Spezialprävention) dem Beamten gegenüber leiten. Dabei ist die im Disziplinargesetz angelegte Staffelung der Disziplinarmaßnahmen zu beachten. Die von der Beklagten verhängte Geldbuße nach § 7 DG LSA steht nach der Maßnahme des Verweises (§ 6 DG LSA) und vor der Maßnahme der Gehaltskürzung (§ 8 DG LSA) als Disziplinarmaßnahme zur Verfügung.

28

Entgegen der Auffassung der Beklagten sieht das Disziplinargericht im vorliegenden Fall bereits den Ausspruch eines Verweises als unterste Stufe der Disziplinarmaßnahmen als ausreichend und zweckmäßig an. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass im Rahmen der Bewertung des Persönlichkeitsbildes des Klägers (§ 13 Abs. 1 S. 3 DG LSA) auch frühere Disziplinarvorgänge berücksichtigt werden können. Vorliegend dürfte der Disziplinarvorgang aus 2008 (unerlaubtes Einbringen zweier selbstgebrannter Tonträger in die JVA u.a.) aber bereits wegen Zeitablaufs dem Verwertungsverbot nach § 16 Abs. 1 DG LSA unterliegen. Hierauf kommt es im Ergebnis jedoch nach Auffassung des Disziplinargerichts nicht mehr an. Denn selbst unter Berücksichtigung dessen ersieht das Disziplinargericht aufgrund der Gesamtwürdigung aller belastenden und entlastenden Umstände nur den Ausspruch eines Verweises als erste Stufe der Disziplinarmaßnahme als angemessen, aber auch notwendig an, um den Beamten an die Einhaltung seiner Pflichten zu erinnern.

29

Dies ergibt sich aus folgenden entlastenden Erwägungen:

30

Im Hinblick auf das durch den unrichtigen Eintrag im Diensttagebuch verwirklichte Dienstvergehen ist zu Gunsten des Klägers festzuhalten, dass er sich hierdurch keinerlei persönlichen Vorteil oder Arbeitserleichterung verschafft hat, noch eine Schädigungsabsicht vom Gericht festgestellt werden konnte. Der Kläger hat – und dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig – jeweils Alkoholkontrollen durch persönliche Inaugenscheinnahme der Gefangenen verbunden mit dem Anhauchenlassen von Ausatemluft durchgeführt und einen Eintrag ins Diensttagebuch vorgenommen. Der aufgrund dessen vorgenommene Eintrag im Diensttagebuch über "o.B." bzw. "0,00 Promille" bzw. ist insoweit zwar "nur" ungenau, entbehrt aber aufgrund der durchgeführten Kontrollen nicht jeder Grundlage. An der Notwendigkeit einer Disziplinarmaßnahme zweifelt das Gericht indes nicht. Der Dienstherr muss auf die verlässliche Richtigkeit getätigter Einträge im Diensttagebuch vertrauen dürfen, so dass der Falscheintrag keine Bagatelle darstellt und für das Gericht auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht erkennbar war, dass der Kläger aufrichtige Reue und einsichtige Selbstreflexion gezeigt hat.

31

Im Hinblick auf die verspätete Krankmeldung erkennt das Gericht zu Gunsten des Klägers an, dass die Krankmeldung lediglich ca. 15 Minuten verspätet erfolgte. Die Beklagte hat zwar - zu Recht - vorgetragen, dass der Kläger sich nicht von sich aus bei ihr gemeldet habe und die Dienstunfähigkeitsanzeige abgegeben habe. Hierzu hat der Kläger jedoch glaubhaft vorgetragen, dass er beabsichtigt habe, sich nach dem Arztbesuch wieder zu Hause angekommen beim Tourendienstleister zu melden und die Arbeitsunfähigkeitsanzeige abzugeben. Entgegenstehende Anhaltspunkte liegen nicht vor und sind von der Beklagten auch nicht vorgetragen worden, so dass dem Kläger zur Überzeugung des Gerichts nicht angelastet werden kann, dass der Telefonanruf nicht von ihm ausging.

32

Gleichwohl handelt es sich bei der verspäteten Krankmeldung des Klägers auch um keinen Pflichtenverstoß im "Bagatellbereich", wie der Kläger vorträgt. Die Beklagte ist gerade im hoch sicherheitsrelevanten Bereich des Justizvollzuges in besonderer Weise auf ein unbedingtes Vertrauen in das Pflichtbewusstsein und die Zuverlässigkeit der Beamten angewiesen. Die Pflichtvergessenheit einzelner Beamter im Justizvollzugsdienst kann gravierende Folgen für die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt und für die Allgemeinheit haben. Die Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung erfordert u.a. das Vorhandensein ausreichenden Personals. Sinn und Zweck der Anstaltsverfügung Nr. 07/2010 und der Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Dienstunfähigkeit ist daher u.a. der Beklagten ausreichend Zeit für die Änderung des Dienstplans / Gewährleistung des Tagesablaufplans mit ausreichend Personal einzuräumen. In der hier konkret vorliegenden Situation ist jedoch zugunsten des Klägers anzuführen, dass er im Rahmen der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt hat, dass er als ehemaliger Leistungssportler (Boxer) häufig und über einen längeren Zeitraum unter Rückenschmerzen leide und ihm die am Morgen des 23.02.2014 auftretenden krankheitsbedingten Symptome bekannt gewesen seien. Er sei daher davon ausgegangen, dass der Arzt ihm – wie auch schon vorher zu anderen Gelegenheiten – ihm kurzfristig Besserung verschaffen könne. Nach seinem glaubhaften Vortrag ging der Kläger somit nicht davon aus, dass er dienstunfähig geschrieben werde und überhaupt nicht zum Dienst erscheinen würde. Gleichwohl hätte der Kläger erkennen müssen, dass er sich – unter Berücksichtigung der Entfernung von seinem Arzt zur Dienststelle – verspäten werde. Insoweit liegt zwar ein verspäteter, nicht rechtzeitig gemeldeter Dienstantritt vor, der ein Dienstvergehen darstellt. Die Schwere des Dienstvergehens liegt hier jedoch – aufgrund der individuellen krankheitsbedingten Vorgeschichte des Klägers, aufgrund derer er von einer schnellen Besserung seines Zustandes ausgehen konnte - noch im unteren Bereich.


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(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Gericht entscheidet über die Klage, wenn das Disziplinarverfahren nicht auf andere Weise abgeschlossen wird, auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil. § 106 der Verwaltungsgerichtsordnung wird nicht angewandt.

(2) Bei einer Disziplinarklage dürfen nur die Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder der Nachtragsdisziplinarklage als Dienstvergehen zur Last gelegt werden. Das Gericht kann in dem Urteil

1.
auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme (§ 5) erkennen oder
2.
die Disziplinarklage abweisen.

(3) Bei der Klage gegen eine Disziplinarverfügung prüft das Gericht neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Zollbeamter bei dem Beklagten im Rang eines Zollobersekretärs und wird dort im Rahmen der mobilen Kontrollgruppe beschäftigt. Er wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung in Gestalt einer Geldbuße von 100,00 Euro.

2

In der streitbefangenen Disziplinarverfügung vom 07.10.2011 wird dem Kläger vorgeworfen, im Zeitraum von Mai 2010 bis Januar 2011 in nachgewiesenen 45 Fällen das ihm dienstlich zur Verfügung gestellte Handy zu privaten Telefonaten verwendet und dadurch Verwaltungsauslagen in Höhe von 11,38 Euro verursacht zu haben. Bei den Telefonaten habe es sich überwiegend um solche zur dienstlichen Rufnummer seiner ebenfalls bei dem Beklagten tätigen Ehefrau gehandelt. Ihm sei bekannt gewesen, dass die private Nutzung der dienstlichen Telekommunikationsanlagen des Beklagten gemäß Verfügung vom 24.04.2007 (H 4706 B-A 4) in Verbindung mit den Benutzerhinweisen für Mobilfunktelefone beim Hauptzollamt B-Stadt und der Richtlinie über die Einrichtung und Benutzung dienstlicher Telekommunikationseinrichtungen und die dienstliche Benutzung privater Telekommunikationseinrichtungen in der Bundesverwaltung (Richtlinie Telekom-munikation Bund-RLTk Bund -) nur unter Verwendung von so genannten „Calling-Cards“ gestattet sei. Von dieser Regelung habe er am 15.04.2008 gegen Unterschriftsleistung Kenntnis genommen.

3

Der Beamte habe einen objektiv feststellbaren Pflichtenverstoß und damit ein Dienstvergehen begangen. Er habe vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft seine Pflichten zur uneigennützigen Amtsführung (§ 61 Abs. 1 Satz 2 BBG) sowie die Folgepflicht (§ 62 Abs. 1 Satz 2 BBG) verletzt. Aufgrund der Anzahl der Verfehlungen und des entstandenen finanziellen Schadens könne das Fehlverhalten nicht mehr als Bagatelle eingestuft werden, sodass er ein nicht leichtzunehmendes, nämlich zumindest mittelschweres Dienstvergehen begangen habe. Bei der Bemessung der demnach erforderlichen Disziplinarmaßnahme sei mildernd zu berücksichtigen, dass er sein Fehlverhalten eingeräumt habe und der Dienstbetrieb nicht beeinträchtigt worden sei. Nach Abwägung der Gesamtumstände, der Schwere der Verfehlung, des Persönlichkeitsbildes und des Ausmaßes der Vertrauensbeeinträchtigung der Vorgesetzten und der Allgemeinheit sei bei Anlegung eines großzügigen Maßstabes die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 100,00 Euro ausreichend und angemessen um den Beamten künftig zur Einhaltung seiner Pflichten anzuhalten.

4

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2011 unter vertiefter Begründung der Ausführungen der Disziplinarverfügung als unbegründet zurück. Dem Einwand des Klägers, dass es sich bei den Telefonaten mit seiner Ehefrau um dienstlich veranlasste Nachfragen zur Kosten-Leistungs-Rechnung gehandelt habe, könne nicht gefolgt werden. Dem Kläger werde monatlich ein diesbezügliches Nachfragegespräch eingeräumt und eine höhere Anzahl von Anrufen sei nicht erforderlich oder plausibel, zumal es eine zentrale Rufnummer bei der Stabsstelle Controlling gebe. Die Ausführungen des Klägers seien allesamt bereits bei der verhältnismäßigen Bestimmung der Disziplinarmaßnahme berücksichtigt worden.

5

Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Disziplinarverfügung und ist im Wesentlichen der Auffassung, dass das ordnungsgemäße Ermessen hinsichtlich der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme nicht hinreichend ausgeübt worden sei. Der Beklagte habe nicht im ausreichenden Maße berücksichtigt, dass die Dienstverstöße fahrlässig begangen worden seien und der entstandene Schaden die Bagatellgrenze nicht überschreite. Der Beamte sei geständig und zeige Reue und habe nach Bekanntwerden der Ermittlungen sein Telefonverhalten umgehend korrigiert. Demnach wäre eine frühzeitige erneute Belehrung bezüglich des absoluten Verbotes der Führung von Privattelefonaten vom Diensthandy zur Pflichtenmahnung ausreichend gewesen.

6

Der Kläger beantragt,

7

die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 07.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2011 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen

10

und verteidigt die Disziplinarverfügung und die darin vorgenommene Disziplinarmaßnahme. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sei bereits hinreichend gewürdigt worden, dass bei einem zeitnahen Hinweis der Dienststelle auf das Fehlverhalten des Beamten der Umfang der Pflichtenverstöße geringer ausgefallen wäre. Zu beachten sei, dass die private Nutzung der Diensttelefone grundsätzlich untersagt sei und dementsprechend die in der Rechtsprechung zu findenden Entscheidungen bezüglich der Eingabe von vorgeschalteten Nummern zur Kennzeichnung eines Privat- oder Dienstgespräches andere Sachverhalte beträfen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Klage ist begründet. Denn die angefochtene Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig – zumindest – nicht zweckmäßig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten (§§ 3, 60 Abs. 3 BDG; § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

13

1.) Nach § 60 Abs. 3 BDG prüft das Gericht bei der Klage des Beamten gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Diese zusätzliche in Abweichung von § 114 VwGO dem Gericht zustehende eigene Prüfungskompetenz und Ermessensentscheidung (Gesetzesbegründung zu § 60 Abs. 3 BDG, BTDrs. 14/4659, S. 48; BVerwG, Urt. v. 15.12.2005, 2 A 4.04; OVG NRW, Beschl. v. 19.09.2007, 21d A 3600/06.O; Bayr. VGH, Beschl. v. 27.01.2010, 16a DZ 07.3110, Bayr. VGH, Beschl. v. 02.07.2012, 16a DZ 10.1644; alle juris) führt bereits zur Aufhebung der Disziplinarmaßnahme. Dabei geht das Disziplinargericht davon aus, dass dem Kläger kein – jedenfalls gravierender – Pflichtenverstoß vorzuwerfen ist, sodass eine Disziplinarmaßnahme zur Pflichtenermahnung nicht angezeigt erscheint. Das Gericht sieht auch eine unter der Geldbuße liegende Disziplinarmaßnahme, etwa den Ausspruch eines Verweises, nicht als zweckmäßig an. Entscheidend für das Disziplinargericht ist nach dem Studium der Akten und dem Eindruck des Klägers, welchen er in der mündlichen Verhandlung auf das Gericht hinterlassen hat, dass das Verhalten des Beamten bei dem hier zugrunde gelegten Sachverhalt nicht als derart schwerwiegend anzusehen ist, welches die Ahndung mittels einer Disziplinarmaßnahme rechtfertigt. Zudem ist der Kläger einsichtig (vgl. zur Zweckmäßigkeit auch; VG Magdeburg, Urt. v. 06.11.2007, 8 A 10/07 MD; juris).

14

2.) Dem Kläger wird eine schuldhafte und vorsätzliche Verletzung seiner Dienstpflichten zur uneigennützigen Amtsführung (§ 61 Abs. 1 Satz 2 BBG) sowie der Folgepflicht (§ 62 Abs. 1 Satz 2 BBG) vorgeworfen.

15

a.) Zunächst stellt das Disziplinargericht klar, dass die private Nutzung eines dienstlich zur Verfügung gestellten Telefons selbstverständlich einen Pflichtenverstoß darstellen kann, der zu einer – auch erheblichen – Disziplinarmaßnahme führen kann. Dies jedenfalls dann, wenn die im jeweiligen Einzelfall festzustellenden Begleitumstände der Tatbegehung bedeutsam sind, etwa von einem planvollen und gezielten betrügerischen Vorgehen zu Lasten des Dienstherrn und/oder einer erheblichen Schadenssumme und/oder einem langfristigen Vorgehen getragen sind. Demnach steht grundsätzlich die gesamte Bandbreite der Disziplinarmaßnahmen zur Verhängung bereit (BVerwG, Urteil v. 19.05.2004, 1 D 17.03; juris).

16

b.) Entgegen der Auffassung des Beklagten sieht das Disziplinargericht im vorliegenden Fall Besonderheiten, die dazu führen – jedenfalls im Rahmen der Zweckmäßigkeit – von einer den Beamten belastenden Disziplinarverfügung Abstand zu nehmen.

17

Auffällig ist bereits, dass das Diensthandy ohne Übergabeprotokoll oder sonstigen Hinweisen bezüglich seiner – nur – dienstlichen Benutzung vom vorherigen Benutzer an den Kläger weitergegeben wurde. Auch wann dies geschehen ist, ist nicht feststellbar (vgl. Ermittlungsbericht der Ermittlungsführerin vom 05.05.2011). Jedenfalls hat der Kläger mit seiner Unterschriftsleistung vom 15.04.2008 bestätigt, dass er von der „Regelung über die Nutzung dienstlicher Telefone im HZA“ Kenntnis erlangt hat (Bl. 15 BA D). Diese Regelung vom 11.04.2008 beinhaltet:

18

„Aus gegebenem Anlass weise ich nochmals darauf hin, dass die private Nutzung der Telekommunikationsanlage ausschließlich nur mit Callinq-Cards (vgl, dazu o. g. Verfügung) gestattet ist.
Ich gebe hiermit allen Bediensteten die Gelegenheit, die eventuell geführten Privatgespräche aus der letzten Abrechnungsperiode per E-Mail Stelle A 4.3 - Frau Riemer) bis 30.04.2008 anzuzeigen.

19

Vorsorglich weise ich darauf hin, dass die letzte Abrechnungsperiode umfassend von der Haushaltsstelle geprüft wird.

20

Bei künftigen Verstößen gegen den Erlass vom 06. Januar 2006 ZA 3 - H 4706 - 54/05, bekannt gegeben mit o. g. Verfügung, ist die Haushaltsstelle gezwungen, diese der Personalstelle mit der Bitte um Prüfung weiterer disziplinarrechtliche Maßnahmen anzuzeigen.
Ich bitte alle Bediensteten - gegen Unterschrift - entsprechend zu unterrichten und die Nachweise im Anschluss Stelle A 4.3 zuzuleiten.“

21

Dabei ist bereits nicht klar ersichtlich, ob sich die bekannt gegebene Regelung über die Benutzung dienstlicher Telekommunikationseinrichtungen auch auf die Verwendung der zur Verfügung gestellten Mobiltelefone (Handys) bezieht. Vorstellbar ist zumindest, dass aufgrund der Verwendung der Begrifflichkeit „Telekommunikationsanlage“ sich bei den Bediensteten des Beklagten die Fehlvorstellung bilden konnte, dass damit nur die im Regelfall kabelgebundenen ortsfesten Telefone in den Büros des Beklagten als Teil einer Telefonanlage gemeint waren. Ob bereits der genante Bezugserlass vom 06.01.2006 zum Wegfall der Bagatellgrenze von 7,67 Euro für Privattelefonate mit Verfügung vom 27.02.2006 auch dem Kläger bekannt gegeben wurde, ist unbekannt. Eine kontinuierliche Wiederholung des Bezugserlasses und somit die Erinnerung an die Bediensteten an das strikte Verbot der Führung von Privatgesprächen über das zur Verfügung gestellte Dienst-Handy, ist nicht feststellbar. Demnach drängt sich dem Disziplinargericht der Verdacht auf, dass es bei dem Beklagten hinsichtlich der privaten Nutzung der Telefone nicht ganz klare und eindeutige Regelungen gab bzw. diese erst verspätet umgesetzt und kontrolliert wurden und sich somit zwangsläufig bei den Bediensteten ein gewisses Eigenleben hinsichtlich der Benutzung der Telefone eingeschlichen haben wird. Denn aus den Akten ist bekannt, dass im Jahre 2010 auffällig geworden sei, dass insbesondere im Sachgebiet G (Vollstreckung) die Kosten der Telefonrechnungen im Vergleich zu den Vorjahren erheblich angestiegen seien (vgl. Vermerk vom 27.01.2011, Bl. 19 BA D). Im September 2010 habe man daraufhin begonnen, die Einzelverbindungsnachweise des letzten halben Jahres der dienstlich zur Verfügung gestellten Handys zu überprüfen (vgl. Ermittlungsbericht vom 05.05.2011, Bl. 57 GA).

22

Eine vorherige Kontrolle der dienstnotwendigen Telefonate bzw. eine in geringen zeitlichen Abständen – im Regelfall im Jahresrhythmus – vorgenommene Wiederholung und Erinnerung der im Bezugserlass genannten dienstlichen Anweisung ist nachweislich nach dem 11.04.2008 nicht geschehen. Vielmehr hat man als im Jahre 2010 erhöhte Telefonkosten aufgefallen sind direkt entsprechende umfassende interne Ermittlungen mit dem Ziel der disziplinarrechtlichen Verfolgung eingeleitet. Zu diesem Zeitpunkt wäre es erfolgversprechender gewesen, wenn der Beklagte die entsprechende Dienstanweisung erneut den Bediensteten kundgetan hätte und eindeutig auf die zwischenzeitlich festgestellten erhöhten Telefonkosten hingewiesen hätte. Dies hätte aller Wahrscheinlichkeit nach bereits ausgereicht, um den größten Teil der Bediensteten des Beklagten auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen, mit dem Ziel, diese Pflichtenverstöße abzustellen. So wäre dies auch im Fall des Klägers vielversprechend gewesen. Denn nach Eröffnung der disziplinarrechtlichen Vorwürfe ihm gegenüber, hat er sein Telefonverhalten umgehend diesbezüglich um- und eingestellt. Dies erwähnt die Ermittlungsführerin in ihrem Ermittlungsbericht vom 05.05.2011 ausdrücklich zu Gunsten des Beamten.

23

Aufgrund der gesamten festzustellenden Umstände hinsichtlich der Benutzung dienstlich zur Verfügung gestellter Mobiltelefone bei dem Beklagten, muss bemerkt werden, dass sich dieser Sachverhalt grundlegend von den übrigen in der Rechtsprechung zu findenden Disziplinarentscheidungen bezüglich der Verwendung dienstlicher Telefone unterscheidet. In den überwiegenden Fällen ist es nämlich so, dass den Bediensteten die Benutzung des dienstlichen Telefons unter Vorschaltung einer entsprechenden Nummer zwecks sodann zu erfolgender Abrechnung gestattet wird. In diesen Fällen liegt der besondere Pflichtenverstoß darin, dass der Bedienstete den Dienstherrn dadurch täuscht, dass er eine falsche Vorwahlnummer oder gar keine zur Kennzeichnung seines Privatgespräches vornimmt bzw. diese bei einer Abrechnungsvorlage nicht kennzeichnet. Dementsprechend sind diese Fälle von einer bewussten Täuschungshandlung des Bediensteten geprägt und zeugen je nach Ausmaß und Dauer der vorgenommenen Telefonate sowie des Zeitraums der Täuschung von einem vorsätzlichen und planvollen Vorgehen zum Nachteil des Dienstherrn (vgl. zu diesen Fällen etwa: BVerwG, Urt. v. 19.05.2004, 1 D 17/03; BDIG Frankfurt, Urt. v. 12.03.2003, I VL 27/02; VG Münster, Urt. v. 23.02.2007, 20 K 1538/06.O; VG München, GB v. 17.05.2006, M 13 D 05.5524; VG München, Urt. v. 16.04.2007, M 19 D 06.1881; LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 18.11.2009, 15 Sa 1588/09; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.09.2005, 3 A 10933/05; alle juris). Gerade in diesem betrügerischen Verhalten liegt das disziplinarrechtlich zu ahnende Unrecht. Denn der Dienstherr ist bei der zur Verfügungstellung derartiger dienstlicher Einrichtungen für den Privatbereich auf die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit der Bediensteten angewiesen. Eine lückenhafte Kontrolle ist diesbezüglich nicht möglich (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.05.2004, 1 D 17/03; juris).

24

Vorliegend unterscheidet sich der Sachverhalt jedoch von diesen Fällen. Denn der Kläger hat keinerlei Falschangabe bei der Benutzung des dienstlichen Handys oder sonstige Falschkennzeichnungen privater Gespräche als dienstliche vorgenommen, sondern gegen das generelle Verbot der Führung von Privatgesprächen verstoßen. Ist dies zwar einerseits eine klare und eindeutige Regelung, so muss andererseits bei Zugrundelegung eines verständigen Dienstbetriebes unter Beachtung menschlicher Verhaltensweisen davon ausgegangen werden, dass ein derartiges striktes Telefonverbot nicht durchführbar und auch nicht zeitgemäß erscheint. Der Beklagte musste daher mit den menschlichen Schwächen seiner Bediensteten zur fehlenden Akzeptanz dieses Verbotes rechnen. Wegen der damit verbundenen Bequemlichkeit gilt dies insbesondere bei der zur Verfügung Stellung eines Mobiltelefons.

25

Auch der Verweis auf die alleinige Verwendung sogenannter Calling-Cards hilft nicht weiter. Calling-Cards finden vor allem Anwendung, um von fremden Telefonanschlüssen (Büro) aus Gespräche zu führen, die nicht über den Telefonanschluss abgerechnet werden sollen. Dies wird durch die Verwendung gebührenfreier 0800-Einwalnummern des Kartenvertreibers gewährleistet. Die Gespräche werden über das per PIN authentifizierte und zuvor durch Kauf oder Aufladung bestehende Calling-Card-Konto des Kartenerwerbers abgerechnet (vgl. Wikipedia). Demnach bedarf es bei der Verwendung dieser Karten gar nicht des Einverständnisses des Dienstherrn. Denn er stellt allenfalls das Telefon zur Verfügung. Die Abrechnung erfolgt autonom von Telefonkonto des Dienstherrn. Dienstrechtlich zu ahndende Pflichtenverstöße könnten nur dann entstehen, wenn der Bedienstete das dienstlich zur Verfügung gestellte Telefon unabhängig vom Gebührenaufkommen übermäßig und damit missbräuchlich verwendet und der Dienstbetrieb darunter leidet.

26

c.) Bei der Bewertung des klägerischen Telefonverhaltens spielt sein Umgang mit dem dienstlichen Mobiltelefon eine entscheidende Rolle. Es ist nicht festzustellen, dass er das Dienst-Handy etwa ausgiebig und zeitintensiv für private Gespräche zweckwidrig missbrauchte und damit quasi wie sein eigenes Mobiltelefon genutzt hätte. Die festgestellten Telefonate beziehen sich ausnahmslos auf kurze Zeitintervalle zwischen ein bis zwei Minuten und diese ganz überwiegend mit seiner ebenfalls bei dem Beklagten beschäftigten Ehefrau. Insoweit mag es nachvollziehbar erscheinen, dass der Kläger in der Tat diese Gespräche nur zur kurzen Absprache über irgendwelche privat zu regelnden Angelegenheiten, wie Kinderbetreuung, Einkäufe, Verabredung usw. im Sinne einer kurzen Nachfrage geführt hat oder von der Sehnsucht getrieben war, die Stimme seiner Ehefrau zu vernehmen. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen unbekannt, ob auch die Ehegattin das Diensthandy angerufen hat. Wegen seiner Tätigkeit im mobilen Einsatz und der mit dem Handy verbundenen Bequemlichkeit drängte sich für ihn die Benutzung des Mobiltelefons für diese Gespräche quasi auf. Dies auch deswegen, weil er eben nicht über einen kabelgebundenen Arbeitsplatz (Büro) verfügte; bei der Verwendung interner Kurzwahlnummern von Büro zu Büro hätte sich die gesamte Problematik nicht ergeben. Auf Befragung durch das Gericht gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung zudem an, dass er über kein eigenes Mobiltelefon verfüge. Erscheint dies auch wenig zeitgemäß, so ist dies aufgrund der vorhandenen Dienst-Handys wieder nachvollziehbar. Zumal der Transport und Besitz zweier Mobiltelefone im täglichen Dienstgeschäft des Klägers in der Tat gewisse Probleme bereiten könnte.

27

Hat der Beamte daher die privaten Telefonate bewusst kurz gehalten und der sich daraus resultierende finanzielle Nachteil für den Dienstherrn auch nur auf 11,38 Euro beschränkt, ist davon auszugehen, dass dies keinen disziplinarrechtlich zu ahnenden Pflichtenverstoß darstellt. Jedenfalls wäre der Disziplinargehalt auch bei Unterstellung eines Dienstvergehens wegen der dargestellten Besonderheiten derart gering, dass eine Disziplinarmaßnahme - und schon gar nicht die gewählte Disziplinarmaßnahme der Geldbuße - als angezeigt gilt. Insoweit wäre hier die so genannte missbilligende Äußerung des Dienstherrn als bloßer Hinweis auf den Pflichtenverstoß ausreichend gewesen (§ 6 Satz 2 BDG). Das Disziplinargericht muss in seinen Entscheidungen stets darauf hinweisen, dass das Disziplinarrecht kein Strafrecht darstellt und die Disziplinarmaßnahmen in einem Stufenverhältnis (vgl. §§ 5, 13 BDG) stehen und je nach Schwere und Eigenart des Dienstvergehens sorgfältig und ausgewogen geprüft werden müssen (vgl. nur: VG Magdeburg, Urteil v. 29.03.2012, 8 A 9/09; m. w. Nachw.; VG Magdeburg, Urteil v. 14.02.2012, 8 A 6/11; VG Magdeburg, Urteil v. 01.12.2011, 8 A 18/10; zur Zweckmäßigkeit weiter: VG Magdeburg, Urteil v. 06.11.2007, 8 A 10/07; alle juris). Nicht jeder Verstoß gegen Dienstpflichten stellt zugleich auch in Dienstvergehen im Sinne des Disziplinarrechts dar (VG Münster, Urt. v. 23.02.2007, 20 K 1538/06.O; juris). Denn dem menschlichen Verhalten sind Fehler und Schwächen immanent. Disziplinarrechtliche Relevanz erhält ein Fehlverhalten eines Beamten erst dann, wenn eine gewisse Schwelle überschritten ist. Diese disziplinarrechtlich relevante Schwelle ist aufgrund des Fehlverhaltens des Klägers (noch) nicht erreicht. Das Disziplinargericht weist darauf hin, dass es sich hier um die Entscheidung im Einzelfall des Klägers handelt. Soweit bei dem Beklagten wegen des Telefonverhaltens der Bediensteten weitere Disziplinarverfahren schwebten oder noch nicht abgeschlossen sind, hat die Entscheidung nur wegen der grundsätzlichen Ausführungen zum Vorgehen in behördlichen Disziplinarverfahren unmittelbare Bedeutung; jeder Einzelfall mag anders sein.

28

Das Disziplinarrecht dient vordringlich der Pflichtenmahnung des Beamten für die Zukunft. Das Disziplinargericht lässt sich auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vom Kläger auf das Gericht hinterlassene Eindrucks davon leiten, dass die Durchführung des gesamten Disziplinarverfahrens, die behördlichen Ermittlungen und Vernehmungen sowie letztendlich die mündliche Verhandlung vor dem Disziplinargericht bei dem Beamten eine nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben.

29

3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 4 BDG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 BDG, § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Tenor

Der ablehnende Bauvorbescheid der Beklagten vom 18.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2009 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, auch Ziffer 1 und 2 der Bauvoranfrage vom 23.02.2009 positiv zu bescheiden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides zur planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Umbaus und einer geringfügigen Erweiterung ihres Einfamilienhauses in der ... 20 in ....

2

Sie sind Eigentümer des genannten Grundstückes im unbeplanten Innenbereich von Travemünde. Das Grundstück stellt das Eckgrundstück zur Straße ... dar. Nördlich der Straße ... schließt sich ein Golfplatzgelände mit Parkplatz an, südlich der Straße ... ist reine Wohnbebauung, ganz überwiegend in Form von freistehenden Einfamilienhäusern, vorhanden. Die meisten Gebäude in der ... (wie auch in der ... und im ...) sind offen in fünfziger/sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts mehr oder weniger nach Maßgabe eines nicht übergeleiteten Durchführungsplanes (Nr. 56) genehmigt und errichtet worden. Dieser Plan sah eine bestimmte Gebäudestellung mit festgesetzter Dachneigung und Dachform vor. So sind die Gebäude ... 12-20 traufständig mit Satteldächern errichtet worden, die Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite (Nrn. 11-19) giebelständig mit Satteldächern. Im weiteren Verlauf der ... sind Walmdächer (gerade Hausnummern) bzw. einhüftige Dächer mit erhöhter Traufhöhe im rückwärtigen Bereich (ungerade Hausnummern) vorhanden. Im Bereich .../ ... ist eine einheitliche Dachform nicht mehr zu erkennen. Im insbesondere interessierenden Bereich beidseitig der ... (Nrn. 11-20) ist zumindest straßenseitig die ursprüngliche Gebäudeausrichtung und Dachform noch vorhanden.

3

Das Gebäude der Kläger selbst ist – abweichend vom Standort des Durchführungsplanes – etwa quadratisch mit kleineren Anbauten (etwas vorgezogenes Kinderzimmer im Erdgeschoss an der Süd-West-Ecke, Speisekammer im Erdgeschoss an der Nord-Ost-Ecke) errichtet worden. Es ist eingeschossig und mit einem zur ... hin traufständigen Satteldach versehen.

4

Mit Schreiben vom 23.02.2009 beantragten die Kläger über ihren Architekten die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides in Bezug auf die planungsrechtliche Zulässigkeit zu folgenden Fragen:

5

1. Wird eine Erweiterung im EG (Windfang) sowie im DG (Baderweiterung mit Galerie) mit Giebelständigkeit zur Süd-West-Seite genehmigt?

6

2. Wird eine Erweiterung im DG (Ankleidekammer) mit geringer Giebelständigkeit zur Nord-Ost-Seite genehmigt?

7

3. Wird der Einbau einer Dachgaube im DG (Schlafzimmer zur Nord-Ost-Seite) genehmigt?

8

Nachdem das gemeindliche Einvernehmen zu den Fragen 1. und 2. versagt worden war, erging unter dem 18.05.2009 ein Bauvorbescheid des Inhalts, dass in Bezug auf die Frage 3. keine planungsrechtlichen Bedenken bestünden, die in den Ziffern 1. und 2. angesprochenen Umbauten jedoch aus planungsrechtlichen Gründen nicht genehmigungsfähig seien. Zur Ablehnung in Bezug auf die Frage 1. führte die Beklagte zur Begründung aus, die angefragte Dachgeschoss-Erweiterung zur Süd-West-Seite (Straßenseite) füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, da die Dachgeschosswohnfläche durch die Errichtung des straßenseitigen Giebels über die „glatte“ Satteldachfläche hinaus in Anspruch genommen werden solle, wofür es in dem geplanten Umfang und in der vorgesehenen Größe bei den Gebäuden der näheren Umgebung im Verlauf der ... keine Vorbilder gebe. Das Orts- und Straßenbild in der ... sei auf der Ostseite durch traufständig zur Straße stehende Ein- bzw. Zweifamilienwohnhäuser geprägt. In diese Traufständigkeit reihe sich ohne die beantragten baulichen Veränderungen auch das Wohnhaus der Kläger harmonisch ein. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite seien die Wohngebäude zur Straße giebelständig angeordnet. Auf diese Weise entstehe durch die jeweils in die gleiche Firstrichtung ausgerichteten Gebäude für den Betrachter ein harmonisches, ausgewogenes und auch beruhigend wirkendes Orts- und Straßenbild. Bei den Gebäuden in der näheren Umgebung im Verlauf der ... seien lediglich Dachgauben allein oder mit vorgelagerten Dachterrassen vorhanden. Durch die geplante straßenseitige Giebelerrichtung werde das harmonisch, durch traufständige Gebäude geprägte Straßenbild mehr als nur geringfügig beeinträchtigt, da der geplante Giebel mit einer Breite von ca. 7 m ca. 70 % der Gebäudelänge in Anspruch nehme und somit aus einem zur Straße traufständigen Gebäude ein giebelständiges Gebäude mache. Außerdem werde die vorhandene Traufhöhe des Hauptgebäudes erheblich, nämlich um ca. 1,60 m überschritten, was ebenfalls als rahmenüberschreitend einzustufen sei. Darüber hinaus werde auch das vorhandene Ortsbild beeinträchtigt. Das Ortsbild sei in diesem Grundstücksbereich durch eine eingeschossige Einzelhausbebauung mit zur Straße traufständiger Baukörperausrichtung geprägt, die eine straßenbegleitende Grundstruktur mit Ortsbild prägendem Charakter erkennen lasse. Die Errichtung eines straßenseitigen Giebels einschließlich einer Überhöhung der Traufe um ca. 1,60 m liege außerhalb dieser Struktur und störe geradezu den Ortsbild prägenden Charakter dieser Siedlung.

9

Auch eine Zulassung des geplanten Vorhabens nach § 34 Abs. 3 a BauGB komme nicht in Betracht, da eine städtebauliche Vertretbarkeit nicht gegeben sei.

10

Im Hinblick auf eine genehmigungsfähige Planung werde empfohlen, auf die straßenseitige Dachgeschosserweiterung mit Giebelerrichtung zu verzichten und den gewünschten Erweiterungsbedarf mittels Errichtung einer entsprechend auf die Proportion des Gebäudes abgestimmten Dachgaube zu realisieren. Hinsichtlich Ziffer 2. führte die Beklagte aus, der angefragte rückwärtig geplante Giebel ordne sich zwar hinsichtlich seiner Breite unter, er füge sich jedoch hinsichtlich seiner Traufhöhe, die mit ca. 2,60 m mehr als erheblich über die Traufhöhe des Hauptgebäudes hinausrage, nicht in die eigene Art der Umgebung ein.

11

Insoweit wurde empfohlen, die Traufhöhe des Hauptgebäudes nicht zu überschreiten.

12

Gegen den ablehnenden Bauvorbescheid legten die Kläger am 02.06.2009 Widerspruch ein und führten zur Begründung aus, die nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB sei unzutreffend bemessen worden. Insbesondere sei auch die, von der Straße ... her gesehen schon mit dem übernächsten Grundstück beginnende Bebauung im Bereich .../ ... in die Betrachtung mit einzubeziehen. Gerade in diesem Bereich sei eine homogene Giebel- bzw. Traufständigkeit nicht zu erkennen. Auch entlang der ... könne nicht von einer homogenen Dachgestaltung ausgegangen werden. So sei das Gebäude Nr. 6 nicht traufständig und die Gebäude mit den Nummern 5, 7 und 9 nicht giebelständig. Insgesamt füge sich das geplante Vorhaben in die eigene Art der näheren Umgebung ein. Bodenrechtliche Spannungen würden nicht erzeugt, ein Planungsbedürfnis entstehe nicht. Von einer Ortsbildbeeinträchtigung könne schon deswegen keine Rede sein, weil die nähere Umgebung insoweit keine besondere Wertigkeit aufweise. Hilfsweise sei zumindest eine Zulässigkeit des geplanten Vorhabens nach § 34 Abs. 3 a BauGB gegeben.

13

In einem internen Vermerk wies die Stadtplanungsabteilung der Beklagten am 06.08.2009 daraufhin, dass in der Widerspruchsbegründung als Haus „ ... 7“ angesprochene Gebäude habe seine tatsächliche Belegenheit und Adresse am .... Das Grundstück habe, wie dieser Irrtum belege, eine atypische Lage zwischen ... und der Straße ... und stelle insoweit einen Ausreißer dar. Die ... habe keine trennende Wirkung, so dass auch die dem klägerischen Grundstück gegenüberliegende Straßenseite mit einzubeziehen sei. Das Gebäude ... 6 sei ein Walmdachhaus, das mit der Längsseite traufständig an der Straße stehe. Erst jenseits der Einmündung der ..., also weiter entfernt vom Grundstück der Kläger, seien auch die Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite traufständig.

14

Den eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2009 zurück und führte zur Begründung aus, als nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB seien die Gebäude... 12-20 sowie auf der gegenüberliegenden Seite die Gebäudenummern 19-11 (Einmündung ...) her-anzuziehen. Durch die jeweils in gleicher Firstrichtung ausgerichteten Gebäude ergebe sich für den Betrachter ein harmonisches, ausgewogenes und beruhigend wirkendes Straßenbild. Die geplante Dachgeschosserweiterung zur Süd-West-Seite füge sich aufgrund der geplanten straßenseitigen Giebelerrichtung sowie durch die von der weitestgehend einheitlichen Traufhöhe abweichende Traufhöhe nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Straßenseitig sei der giebelständige Vorbau mit über 7 m deutlich breiter als die Hälfte des Hauptgebäudes mit einer Länge von ca. 10,70 m. Überdies werde auch das Ortsbild beeinträchtigt. Der Begriff des Ortsbildes im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB stelle auf einen größeren Maßstab ab als die für das Einfügensgebot maßgebliche nähere Umgebung. Unter Ortsbild sei die bauliche Ansicht eines Ortes oder Ortsteiles bei einer Betrachtung sowohl von innen als auch von außen her zu verstehen. Dieser städtebaulich zu verstehende Begriff schließe, ähnlich dem der Erhaltungssatzung, solche Gestaltungselemente mit ein, die die Gestaltung des jeweiligen Gebäudes beträfen, wie z. B. die Dachform und die Stellung der baulichen Anlagen auf dem Grundstück, soweit dies städtebaulich von Bedeutung sei. Zum Bezugsrahmen komme insoweit die ... in Verlängerung über die Einmündung ... hinaus bis zur Einmündung ... in Betracht. Sämtliche Bebauung lasse eine einheitliche, Ortsbild prägende Grundstruktur erkennen. Die Errichtung eines straßenseitigen Giebels einschließlich einer Überhöhung der Traufe um ca. 1,60 m liege außerhalb dieser Struktur und störe dadurch den Ortsbild prägenden Charakter der Siedlung.

15

Eine Zulassung nach § 34 Abs. 3 a BauGB komme nicht in Betracht, da das geplante Vorhaben städtebaulich nicht vertretbar sei.

16

Gegen den ablehnenden Bauvorbescheid idF des Widerspruchsbescheides haben die Kläger am 30.11.2009 Verpflichtungsklage erhoben. In der Klagebegründung wiederholen und vertiefen sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und verweisen insbesondere erneut auf das Gebäude ... (richtig: ...) 7. Im Übrigen seien in der näheren Umgebung Gebäude mit wesentlich höheren Traufhöhen vorhanden. Das geplante Vorhaben verursache keinerlei bodenrechtliche Spannungen. Insbesondere bleibe auch die von der Beklagten angesprochen Traufständigkeit des klägerischen Gebäudes, da durch den geplanten Anbau im Südwesten die Hauptfirstrichtung nicht verändert werde.

17

Die Kläger beantragen,

18

die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des ablehnenden Bauvorbescheides vom 18.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2009 ihre Bauvoranfrage positiv zu bescheiden.

19

Die Beklagte beantragt,

20

die Klage abzuweisen.

21

Sie verweist zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide.

22

Im Rahmen der vor Ort durchgeführten mündlichen Verhandlung am 21.04.2010 hat das Gericht die Örtlichkeiten der Umgebung des klägerischen Grundstücks in Augenschein genommen. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll und die gefertigten Fotografien Bezug genommen.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

24

Die Klage ist zulässig und begründet.

25

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Sie haben einen Anspruch darauf, dass ihre Bauvoranfrage auch bezüglich der Ziffern 1. und 2. positiv beschieden wird. Das geplante Vorhaben fügt sich im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Eine Ortsbildbeeinträchtigung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB liegt nicht vor.

26

Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Vorliegend ist allein streitig, ob sich das geplante Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung insoweit einfügt. Dies ist zur Überzeugung des erkennenden Gerichts der Fall.

27

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 23.03.1994 – 4 C 18/92 -; Juris) kommt es bei Dachgeschossaus- und –umbauten für das Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht auf die Feinheiten der Berechnungsregeln der Baunutzungsverordnung an. Entscheidend ist allein, ob sich das Gebäude als solches in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 34 BauGB insgesamt eine planersetzende Vorschrift ist. Er regelt die Bebaubarkeit der innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegenden Grundstücke, wenn ein Bebauungsplan für das Grundstück nicht vorhanden ist. Existiert ein Bebauungsplan, so bestimmt er, was planungsrechtlich zulässig ist. Ein Planersatz kann aber nicht mehr regeln als der Plan selbst. Im Gegenteil ist für das Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anerkannt, dass der sich aus der vorhandenen Bebauung ergebende Maßstab notwendig grob und ungenau ist und regelmäßig hinter planerischen Festsetzungen zurückbleibt. Erst recht ist es mit dem Vorrang des Bebauungsplanes vor der Regelung des § 34 BauGB unvereinbar, wenn die Gemeinde durch Untätigkeit weitergehende Einschränkungen der Bauvorhaben bewirken könnte als durch die Aufstellung eines Bebauungsplans (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 – 4 C 14/98 -; Juris).

28

Was nun die von der Beklagten allein bemängelte Änderung der Dachform angeht, unterfällt dies nicht der bundesrechtlich städtebaulichen Regelungsbefugnis und unterliegt damit auch nicht dem bundesrechtlichen Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 BauGB.

29

Was bundesrechtlich aus städtebaulichen Gründen in einem Bebauungsplan regelbar ist, ergibt sich aus § 9 Abs. 1 BauGB, vorliegend interessierend aus den dortigen Ziffern 1 (Art und Maß der baulichen Nutzung) und 2 (die Bauweise, die überbaubaren und nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen ). Soweit in Ziffer 2 die Stellung der baulichen Anlage angesprochen wird, ist dies eine Bestimmung über die Ausrichtung der Längsachse eines Gebäudes (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 9, Rd. 41).

30

Ist wie vorliegend bei einem nahezu quadratischen Grundriss eine Bestimmung der Längsachse aus dem Verhältnis der Seiten zueinander nicht möglich und zudem ein Satteldach vorhanden, ist die Längsachse mit der Firstrichtung identisch. An dieser Grundausrichtung des Gebäudes der Kläger ändert sich jedoch nichts dadurch, dass im Dachbereich giebelständige Um- und Anbauten erfolgen sollen, da die neuen Quergiebel sowohl einzeln (mit ca. 5,20 m und ca. 3,80 m) als auch zusammen hinter der Hauptfirstlänge (von ca. 10,70 m) zurückbleiben und sich auch sonst, da sie die Höhe des Hauptfirstes nicht erreichen, dem Hauptfirst unterordnen.

31

Eine weitergehende Befugnis zur Festsetzung von Dachformen und anderen Einzelheiten der Dachgestaltung (z. B. Traufhöhe) ist aus § 1 Abs. 9 BauGB nicht abzuleiten (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 9, Rd. 258). Derartige Regelungen sind vielmehr landesrechtlich gestalterischer Natur (vgl. § 84 LBO). Dass derartige Vorschriften über § 9 Abs. 4 BauGB, § 84 Abs. 3 LBO als Festsetzung in einen Bebauungsplan aufgenommen werden können, ändert nichts daran, dass sie keine bundesrechtlich städtebaulichen Gründe für einen Bebauungsplan sind und deshalb (erst recht) auch nicht dem bundesrechtlichen Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 BauGB unterfallen.

32

Soweit die Beklagte somit darauf abstellt, dass in der näheren Umgebung eine Dachform bzw. eine Dachgestaltung, wie sie die Kläger planen, nicht vorhanden sei, ist dies kein Argument, dass bei einer Prüfung der Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB zu berücksichtigen wäre. Insoweit bedarf es deshalb auch keiner genauen Festlegung der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB, insbesondere kann insoweit offenbleiben, ob das Gebäude... 7 (postalisch korrekt wohl: ... 7) mit in die Betrachtung einzubeziehen ist.

33

Was das eigentliche Maß der baulichen Nutzung im Sinne eines Einfügens nach § 34 Abs. 1 BauGB angeht, ergeben sich – offenbar auch nach Auffassung der Beklagten – keine Bedenken. Sowohl den „Empfehlungen“ in den angefochtenen Bescheiden als auch den Äußerungen der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist zu entnehmen, dass gegen die Umbauten als solche und die damit verbundene Vergrößerung der Wohnfläche keinerlei Bedenken im Sinne eines Einfügens bestehen, sondern sich diese allein auf die Form der Dachgestaltung beziehen.

34

Auch eine Ortsbildbeeinträchtigung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB liegt nicht vor. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Auswirkungen des klägerischen Vorhabens schon den Grad einer „Beeinträchtigung“ nicht erreichen. Beim Beeinträchtigen des Ortsbildes kommt es nicht – wie beim Einfügensgebot – auf (fehlende) Übereinstimmung in den einzelnen Merkmalen der Bebauung an, sondern darauf, ob ein Gesamtbild, dass durch unterschiedliche Elemente geprägt sein kann, gestört wird. Dies ist nach dem ästhetischen Empfinden eines für Fragen der Ortsbildgestaltung aufgeschlossenen Betrachters zu beurteilen, das nicht verletzt sein darf. Zu beachten ist, dass nicht jedes Ortsbild schützenswert ist, nur weil es durch eine gewisse Einheitlichkeit oder Gleichartigkeit der Bebauung oder einzelner Elemente der Bebauung geprägt ist. Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums muss für Einschränkungen seines Gebrauchs (hier: der Baufreiheit) hinreichend gewichtige Gemeinwohlbelange auf ihrer Seite haben. Sie darf nicht darauf hinauslaufen, dass im ungeplanten Innenbereich das Vorhandene in jeder Beziehung das Maß des Zulässigen bestimmt, nur weil es schon vorhanden ist. Das Ortsbild muss, um schützenswert zu sein und die Bau(gestaltungs)freiheit des Eigentümers einschränken zu können, eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit haben. Dies ist nicht das Ortsbild, wie es überall anzutreffen sein könnte. Es muss einen besonderen Charakter, eine gewisse Eigenheit haben, die dem Ort oder dem Ortsteil eine aus dem Üblichen herausragende Prägung verleiht (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 – 4 C 14/98 -; Juris).

35

Ein derartiges schützenswertes Ortsbild ist vorliegend – wiederum gleichgültig inwieweit der Rahmen der zu berücksichtigenden Umgebung zu ziehen ist – nicht ansatzweise vorhanden ist. Selbst die Vertreter der Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass sich die Umgebung des klägerischen Grundstückes als typische Wohnsiedlung wie viele andere auch darstellt. Irgendwelche Besonderheiten sind insoweit nicht benannt worden und waren auch nicht erkennbar. Es handelt sich vielmehr um eine typische Wohnsiedlung, deren Gebäude aufgrund ihres Alters von ca. 50 Jahren offenbar in den letzten Jahren bzw. in der näheren Zukunft ständigen Umbauten, Renovierungen und Änderungen unterlegen haben bzw. unterliegen werden, ohne dass dadurch ein besonderer Charakter verloren ginge.

36

Hinzu kommt, dass ein – schützenswertes – Ortsbild im Rahmen von § 34 BauGB wiederum nur in dem Umfang vor Beeinträchtigungen geschützt wird, wie dies im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes durch Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB und den ergänzenden Vorschriften der Baunutzungsverordnung möglich wäre. Bundesrechtlich nicht festsetzbare Dachformen (siehe oben) sind damit keine das Ortsbild im Sinne von § 34 BauGB prägenden Elemente. Nach § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB ist zwar bei der Aufstellung der Bauleitpläne auch die Gestaltung des Ortsbildes zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass grundsätzlich auch die Gestaltung des Ortsbildes bauplanerische Relevanz besitzt. § 1 Abs. 6 BauGB enthält jedoch keine Zulässigkeitsvoraussetzungen für Vorhaben im unbeplanten Innenbereich. Aus ihm ergibt sich nur, dass im Falle der Planung auch die Gestaltung des Ortsbildes beachtet werden muss. In welcher Weise dies rechtlich möglich ist, wird dagegen in § 9 Abs. 1 BauGB geregelt. Soweit sich – wie oben ausgeführt – gemäß § 9 Abs. 1 BauGB Dachformen in einem Bebauungsplan nicht festsetzen lassen, sind diese Dachformen damit auch kein Belang im Sinne eines Ortsbildes, dessen Sicherung das Bauplanungsrecht mit § 1 Abs. 6 Nr. 5 normativ vorgibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 – 4 C 14/98 -; Juris).

37

Nach alledem erweist sich das geplante Vorhaben der Kläger auch bezüglich der Ziffern 1. und 2. ihrer Bauvoranfrage als im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB zulässig, so dass der vorliegenden Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben war.

38

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Tatbestand

1

Die bei dem Beklagten beschäftigte Klägerin wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung in Form eines Verweises. Zum Zeitpunkt der ihr vorgeworfenen dienstrechtlichen Verfehlung war sie im Rang einer Zollobersekretärin beschäftigt.

2

In der streitbefangenen Disziplinarverfügung des Beklagten vom 16.03.2011 wird ausgeführt, dass die Klägerin gegen ihre Pflicht gemäß § 99 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) verstoßen habe, wonach die von ihr ausgeübte Nebentätigkeit angezeigt bzw. genehmigt werden müsste. Weiter habe sie ihre gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 BBG obliegende Unterstützungs- und Informationspflicht und die aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG resultierende Folgepflicht verletzt. Sie habe seit März 2010 ohne vorherige Genehmigung einer Nebentätigkeit als Mitglied des Zuchtvereins Deutscher Retriever Club mit ihrer Hündin die Zucht begonnen, erfolgreich durch die Geburt von sechs Welpen durchgeführt und durch deren Verkauf ein Einkommen von 6.300,00 Euro erzielt. Aufgrund des erzielten Gesamterlöses liege eine genehmigungspflichtige Nebentätigkeit im Sinne des § 99 BBG vor. Eine Ausnahme nach § 100 Abs. 1 BBG sei nicht gegeben. Bei einer wirtschaftlichen Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht sei es egal, ob auch tatsächlich nach Abzug aller Kosten ein Gewinn erzielt werde. Diese Nebentätigkeit habe sie fahrlässig nicht dem Dienstherrn angezeigt. Denn sie hätte erkennen können bzw. von ihr hätte erwartet werden müssen, dass die Hundezucht eine beamtenrechtliche Nebentätigkeit darstelle. Bei Unsicherheiten hinsichtlich der Rechtslage hätte sie vor Aufnahme der Zucht Erkundigungen bei der zuständigen Personalstelle einholen müssen. Damit habe sie die Sorgfalt außer Acht gelassen, zu der sie nach den Umständen des hier vorliegenden Falles und nach ihren persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande gewesen wäre. Dabei handele es sich um ein leichtes Dienstvergehen. Mildernd werde berücksichtigt, dass die Hundezucht in ihrem Arbeitsbereich Verbrauchssteuern bekannt gewesen sei, sodass sie diese nicht verschwiegen habe. Nach Abwägung der Gesamtumstände sei der Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme in Form eines Verweises ausreichend und angemessen, um die Beamtin künftig zur Einhaltung ihrer Pflichten anzuhalten.

3

Den dagegen eingelegten Widerspruch, den die Beamtin maßgeblich damit begründete, dass die Hundezucht keine Nebentätigkeit darstelle, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2011 unter vertiefter Begründung des Ausgangsbescheides als begründet zurück.

4

Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage begehrt die Klägerin weiter die Aufhebung der Disziplinarmaßnahme. Die Klägerin habe keine Pflichtverletzung und damit kein Dienstvergehen begangen. Mit Verweis auf Rechtsprechung und Literatur handele es sich bei der von der Klägerin vorgenommenen Hundezucht nicht um eine beamtenrechtliche Nebentätigkeit, sondern um eine Freizeitbeschäftigung. Die anzeige- und genehmigungsbedürftige beamtenrechtliche Nebentätigkeit müsse eine gewisse Parallelität zum Beamtendienst aufweisen. Dies sei etwa dann gegeben, wenn ein auf Dauer angelegtes Erwerbsstreben im gewerblichen Sinne mit Gewinnerzielungsabsicht vorliege, sodass allmählich ein Zweitberuf aufgebaut werde. Das Freizeitverhalten der Klägerin sei mit dem Sachverhalt, welcher der in der Disziplinarverfügung genannten Entscheidung des VG Trier vom 10.11.2009 zugrunde liege, nicht vergleichbar. Die Klägerin habe nur einen Hund gehalten und diesen zur einmaligen Zucht verwandt. Daran ändere auch ihre Mitgliedschaft in dem Verein DRC (Deutscher Retriever Club) nichts. Denn die Mitwirkung in Vereinen und Verbänden gehöre typischerweise zu den Freizeitaktivitäten. Aufgrund der im behördlichen Disziplinarverfahren durchgeführten Vernehmungen der Vorgesetzten der Beamtin sei ersichtlich, dass sich die Betreuung der Welpen nicht nachteilig auf die Diensttätigkeit der Klägerin ausgewirkt habe. Denn die Vorgesetzten bescheinigten der Klägerin eine sehr geigenständige, fleißige und engagierte Dienstleistung. Unabhängig von dem Nichtvorliegen einer anzeige- und genehmigungsbedürftigen Nebentätigkeit fehle es am subjektiven Tatbestand der Dienstpflichtverletzung. Der Beamtin könne gerade nicht vorgeworfen werden, dass sie „in Kenntnis der Vorschriften“ hätte erkennen können, dass die Hundezucht eine Nebentätigkeit darstelle. Denn auch die als Zeugen im behördlichen Disziplinarverfahren vernommenen unmittelbaren Vorgesetzten der Beamtin seien nicht von einer anzeige- und genehmigungsbedürftigen Nebentätigkeit ausgegangen. Auch der hohe Aufwand zur Begründung der Nebentätigkeit in der Disziplinarverfügung spreche gegen ein fahrlässiges Verhalten der Klägerin.

5

Die Klägerin beantragt,

6

die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 16.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2011 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,

8

die Klage abzuweisen

9

und verteidigt die Disziplinarverfügung mit der darin vorgenommenen Annahme und Bewertung des Pflichtenverstoßes.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Klage ist begründet. Denn die angefochtene Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig (1.) und - jedenfalls - ebenso nicht zweckmäßig (2.) und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§§ 3, 60 Abs. 3 BDG; 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

12

Der Klägerin wird eine schuldhafte und fahrlässige Verletzung ihrer nach § 99 Abs. 1 (BBG) bestehenden Dienstpflicht „zur Anzeige beziehungsweise Genehmigung“ von Nebentätigkeiten vorgeworfen, wodurch sie gleichzeitig gegen ihre nach § 62 Abs. 1 Satz 1 BBG obliegende Unterstützung und Informationspflicht und die aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG resultierende Folgepflicht verstoßen habe. Denn sie habe seit März 2010 ohne vorherige Genehmigung als Mitglied des Zuchtvereins Deutscher Retriever Club mit ihrer Hündin erfolgreich die Zucht begonnen.

13

1.) Nach § 99 Abs. 1 BBG bedürfen Beamten zur Ausübung jeder entgeltlichen Nebentätigkeit, mit Ausnahme der in § 100 Abs. 1 BBG abschließend aufgeführten, der vorherigen Genehmigung, soweit sie nicht nach § 98 BBG zu ihrer Ausübung verpflichtet sind. Nach § 99 Abs. 1 Satz 2 BBG gilt dies auch u. a. (Nr. 2) für gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeiten oder die Mitarbeit in einer dieser Tätigkeiten. Nach Abs. 5 der Norm erteilt die oberste Dienstbehörde die Genehmigung. § 97 Abs. 1 BBG definiert die Nebentätigkeit als die Wahrnehmung eines Nebenamtes oder die Ausübung einer Nebenbeschäftigung. Nebenbeschäftigung ist jede sonstige, nicht zu einem Hauptamt gehörende Tätigkeit innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes (§ 97 Abs. 3 BBG).

14

a.) Zur Überzeugung des Disziplinargerichts hat die Klägerin in dem in der Disziplinarverfügung zugrunde gelegten Zeitraum keine beamtenrechtlich relevante Nebentätigkeit ausgeübt, sodass sie diese Tätigkeit auch dem Dienstherrn nicht anzeigen oder genehmigen lassen musste. Eine Nebentätigkeit im Sinne der Vorschriften liegt vor bei einer auf Dauer angelegten Tätigkeit, die typischerweise auf die Erzielung von Gelderwerb ausgerichtet ist. In einer solchen zweitberuflichen Tätigkeit kann die Beeinträchtigung der grundsätzlich im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses dem Dienstherrn zustehenden Arbeitskraft eines Beamten liegen, weshalb dem Dienstherrn die Prüfung vorbehalten bleibt, ob die konkrete Tätigkeit Auswirkungen auf die Dienstleistung haben kann sowie zudem, ob eine Ansehensschädigung des Beamtentums insgesamt zu befürchten ist (vgl. grundlegend: BDiG Frankfurt, GB v. 29.03.1999, XIV VL 1/99; VG Münster, Urteil v. 20.10.2011, 13 K 2137(09.O; juris). Der Sinn der Genehmigungspflicht der Nebentätigkeit liegt darin, dass außerdienstliche Aktivitäten immer geeignet sein können, die dienstliche Leistungsfähigkeit zu beeinflussen (vgl. zusammenfassend: Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Aufl. 2009, S. 218 Rz. 7; S. 243 Rz. 2). Auch wenn eine Nebentätigkeit nur für einen kurzen Zeitraum ausgeübt wird, entfällt der diesbezügliche Tatbestand nicht (BVerwG, Urt. v. 17.03.1998, 1 D 73.96; juris).

15

a. a.) Dabei ist die Abgrenzung zwischen einer dem Bereich des Freizeitverhaltens zuzuordnenden Hobbytätigkeit und einer beamtenrechtlichen Nebentätigkeit im Einzelfall schwierig. Denn diese bewegt sich im Spannungsfeld der von Art. 2 GG geschützten Freizeitgestaltung des Beamten und dem dienstlichen Interesse des Dienstherrn auf volle Dienstleistung seiner Beschäftigten nach Art. 33 Abs. 5 GG (VG Trier, Urt. v. 10.11.2009, 3 K 361/09.TR; juris). Dementsprechend ist zur Abgrenzung auf Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Vorschriften zur Nebentätigkeit abzustellen. Wegen des Regelungszusammenhangs muss eine Nebentätigkeit im beamtenrechtlichen Sinn eine gewisse Parallelität zum Beamtendienst aufweisen, die typischerweise in Erwerbsstreben zu sehen ist. Im Gegensatz dazu stellt die Freizeitgestaltung typischerweise das Gegenteil des Erwerbsstrebens dar. Eine Nebentätigkeit liegt demnach bei einer wirtschaftlichen Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht vor, wobei egal ist, ob auch tatsächlich nach Abzug der Kosten ein Gewinn erzielt wird (BVerwG, Urt. v. 01.01.2007, 1 D 16.05; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 26.02.2002, 3 A 11578/01.OVG; beide juris). Anders gewendet, liegt eine Nebentätigkeit vor, wenn die (Neben-)Tätigkeit auf Erwerb gerichtet oder wirtschaftlich bedeutsam ist oder wenn sie den Beamten erheblich in Anspruch nimmt (Hess. VGH, Urt. v. 24.09.2003, 1 UE 783/02 m. w. N.; juris). Für eine Einordnung als – gewerbliche – Nebentätigkeit spricht insbesondere, wenn die Betätigung auf Dauer angelegt, mit einer gewissen auf Erwerb ausgerichteten Struktur erfolgt und wenn dies durch ein entsprechendes Auftreten nach außen dokumentiert wird. Es kommt auf Dauer, Häufigkeit und Umfang der Tätigkeit an, ob die Betätigung auch materiell rechtswidrig ist und ob sich das Verhalten des Beamten nachteilig auf die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben ausgewirkt hat (Bayr. VGH, Urteil v. 23.03.2011, 16b D 09.2798; juris). Hiervon auszugehen ist stets dann, wenn erkennbar allmählich ein Zweitberuf aufgebaut werden soll (VG Koblenz, Urt. v. 20.11.2001, 6 K 1546/01.KO; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19.03.2002, 2 A 10067/02; OVG LSA, Urteil v. 05.06.2012, 10 L 2/12; zusammenfassend: VG Trier, Urt. v. 10.11.2009, 3 K 361/09.TR; VG Magdeburg, Urteil v. 01.12.2011, 8 A 19/10; alle juris).

16

b. b.) Unter Beachtung dieser in der Rechsprechung und Literatur zu findenden Definition der Abgrenzung zwischen Freizeitgestaltung und beamtenrechtlicher Nebentätigkeit und den zugrundeliegenden Sachverhalten hat die Klägerin keine Nebentätigkeit ausgeübt.

17

Dabei sieht das Gericht bereits erhebliche Unterschiede zu dem vom Beklagen herangezogenen Sachverhalt des Urteils des VG Trier vom 10.11.2009 (3 K 361-09.TR; juris). Wie die Klägerin zu Recht ausführt, ging es dort um eine Pferdezucht mit jeweils zehn bis sechzehn Zuchttieren gleichzeitig. Dort hatte der Beamte weitere mit der Zucht zusammenhängende Leistungen vorgenommen, wie etwa Vorhaltung größerer Futtermengen und Weideflächen und somit im weitesten Sinne eine landwirtschaftliche Betätigung ausgeübt. Schließlich war der Wille zum wirtschaftlichen Zweitberuf dadurch erkennbar, dass er umfangreiche bauliche Aktivitäten entfaltete und beispielsweise eine Reithalle baute und fremde Arbeitsleistungen in Anspruch nahm. Insgesamt gab der Beamte durch diese professionalisierten breiten Aktivitäten das Bild eines hauptberuflich tätigen Leiters eines Gestüts ab.

18

Der jüngsten zu findenden Entscheidung des VG Trier (Urteil v. 10.01.2012, 3 K 1337/11.TR; juris) lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Beamte über eine Dauer von mehreren Jahren als gewerblicher Festveranstalter sowohl in formeller als auch materieller Hinsicht gegen das Nebentätigkeitsrecht verstoßen hat und dies auch noch nach Einleitung eines Disziplinarverfahrens und nach ausdrücklicher Warnung seines Dienstvorgesetzten.

19

Das VG Regensburg (Urteil v. 26.07.2010, RD 10B DK 10.230; juris) hat einen Beamten aus dem Dienst entfernt, weil er einen umfangreichen Internethandel mit unterschiedlichsten Produkten betrieb, wozu auch der Verkauf von Welpen gehörte.

20

Derartige Tätigkeiten sind bei der Klägerin nicht ansatzweise feststellbar. Die Klägerin hält eine Hündin, welche in einem Wurf sechs Welpen zur Welt brachte, woraus die Beamtin einen einmaligen Erlös von 6.300,- € erzielte. Eine derartige Tätigkeit stellt sich als Ausfluss einer moderaten persönlichen Freizeitgestaltung der Beamtin dar und ist dem Einflussbereich des Dienstherrn entzogen. Denn nach Art und Umfang der Zucht stellt sich diese - jedenfalls zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - als eine aus der Tierliebe und damit dem Freizeitvergnügen der Beamtin resultierende Liebhaberei dar. Dass es sich dabei um Rassehunde handelt, macht keinen Unterschied. Denn dies ist notwendige Voraussetzung einer artgerechten Rassehundezucht und stellt sich nicht anders dar als etwa eine (Rasse-)Kaninchen- oder sonstige (Klein-)Tierzucht, wie sie oft im ländlichen Gebiet vorkommt. Diese Aktivitäten werden vom Menschen grundsätzlich aufgrund der Liebe zu den Tieren und der Freude an der Zucht, dem Aufwuchs, der Pflege der Tiere und dem Umgang mit ihnen sowie ihrer Beobachtung vorgenommen. Eine artgerechte, am Tierschutzgesetz orientierte und von der Verantwortung gegenüber den Tieren getragene Zucht, macht diese nicht zu einer beamtenrechtlich relevanten Nebentätigkeit. Eine außerhalb des Berufes liegende Freizeitgestaltung des Menschen zeichnet sich typischerweise dadurch aus, das eine an individueller und persönlicher Freude, Neigungen und Bedürfnissen orientierte Tätigkeit gesucht wird, die sich auch aufgrund des individuellen Lebensstils (Wohnumfeld, Garten; Kinder etc.) realisieren lässt.

21

Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt auch die Mitgliedschaft der Klägerin im Verein … sowie die Nutzung des Vereins und der Homepage für den Verkauf der Welpen kein Indiz für die gewerbliche (Neben-)Tätigkeit dar. Dabei stellt eine bloße Vereinsmitgliedschaft bereits generell eine Freizeitgestaltung dar. Vielmehr kann dies als Beleg für das wahre Interesse der Klägerin an dem artgerechten Umgang mit den Hunden und der Abgabe in „gute Hände“ interpretiert werden. Insoweit bedingt bereits die am Tierschutz orientierte erfolgversprechende artgerechte Abgabe der Tiere eine entsprechende professionelle Vermarktung der Hunde. Dabei resultiert auch der durch den Verkauf der Hunde erzielte marktgerechte Erlös allein aus der Tatsache, dass es sich um Rassehunde handelt. Ein Indiz für die Gewinnerzielungsabsicht und Ausübung eines Zweitberufs stellt dies unter den genannten Umständen nicht dar.

22

Dazu kommt entscheidend, dass die Beamtin nicht widerlegt angegeben hat, dass ebenso ihr Ehemann und ihre Mutter für die Pflege und Aufzucht der Welpen zur Verfügung standen und die Geburt und damit der größte Aufwand während des Urlaubs der Klägerin geschah. Zudem ist sie – wohl teilweise – in Telearbeit beschäftigt. Schließlich hat auch der Beklagte festgestellt, dass die Dienstleistung der Beamtin nicht unter ihrem Freizeitverhalten leidet. Die im behördlichen Disziplinarverfahren als Zeugen vernommenen Dienstvorgesetzten bescheinigten der Klägerin eine eigenständige, fleißige und engagierte Dienstleistung. Weder ihre Telearbeit noch ihr Verweilen in der Dienststelle waren von Arbeitsmängeln oder auch nur Beanstandungen geprägt.

23

b.) Auch soweit der objektive Tatbestand einer beamtenrechtlich relevanten Nebentätigkeit durch die Hundezucht der Klägerin realisiert sein sollte, könnte ihr gleichwohl kein disziplinarrechtlich relevanter Plifichtenverstoß vorgehalten werden. Denn insoweit fehlt es am subjektiven Tatbestand, nämlich der vom Beklagten angenommenen Fahrlässigkeit ihres Handelns. Die Klägerin führt zu Recht aus, dass sie gerade nicht „in Kenntnis der Vorschriften“ hätte erkennen können, dass die Hundezucht eine Nebentätigkeit im Sinne des § 99 BBG darstelle. Vielmehr ist es so, dass sich die Beamtin sogar ausführlich mit dieser Problematik auseinandergesetzt hat und zu dem – zumindest – tragfähigen Ergebnis gelangte, dass sie keinen Zweitberuf ausübt. Dies ist ihr nicht vorzuwerfen. Je nach individueller Kenntnis und Beschäftigung mit dem Thema kamen im Übrigen auch ihre Dienstvorgesetzten zu dem gleichen Ergebnis. Erst im Zusammenhang mit der späteren Prüfung der Innenrevision sollte die Frage einer Klärung durch das Sachgebiet A zugeführt werden. Die Klägerin hatte daher gerade keine Veranlassung dazu bei der Personalstelle vorstellig zu werden und Auskünfte einzuholen.

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c.) Schließlich spricht gegen die schuldhafte Verletzung der Dienstpflichten, dass auch der Beklagte erheblichen Begründungsaufwand für die Beurteilung der Hundezucht als Zweitberuf benötigt. Zudem beachten und unterscheiden die streitbefangene Disziplinarverfügung und der Widerspruchsbescheid nicht klar und eindeutig, ob der dienstrechtliche Pflichtenverstoß in der bloßen Nichtanzeige der Nebentätigkeit oder der fehlenden Genehmigung der Nebentätigkeit liegt. Die Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides stellt beide Alternativen durch die Verwendung „beziehungsweise“ nebeneinander. Insoweit könnte man vermuten, dass der Beklagte von einer grundsätzlichen (bloßen) Anzeigepflicht jedweder (Neben-)Tätigkeit ausgeht. Die bloße Anzeigepflicht einer Nebentätigkeit ist im Bundesbeamtengesetz, entgegen dem Beamtenstatusgesetz (§ 40 Satz 1) und den Landesbeamtengesetzten (vgl. § 75 LBG LSA), aber nicht vorgesehen. Der in diesem Zusammenhang in der Disziplinarverfügung genannte § 99 BBG beschreibt nur die Genehmigungspflicht der Nebentätigkeit und § 100 BBG die Genehmigungsfreiheit, nicht hingegen die bloße Anzeigepflicht. Auf die Anzeige nach § 100 Abs. 2 BBG für die dort genannten Tätigkeiten stellt der Beklagte ersichtlich nicht ab. Die Begründung der Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides lässt vermuten, dass der dienstrechtliche Pflichtenverstoß in der bloßen Nichtanzeige der Hundezucht als Nebentätigkeit gesehen und (sogar) von einer (offensichtlichen) Genehmigungsfähigkeit ausgegangen wurde. Dafür spricht auch – wie das Disziplinargericht in der mündlichen Verhandlung erfuhr – die zwischenzeitliche Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung für die Hundezucht. Unter Berücksichtigung dessen steht allein die disziplinarrechtliche Bewertung der Nichtanzeige der von ihr vorgenommenen Hundezucht im Sinne des beamtenrechtlichen Nebentätigkeitsrechts, als Folge einer formellen Illegalität zur Bewertung. Aufgrund der (späteren) Genehmigung und damit der materiellen Genehmigungsfähigkeit ihrer Tätigkeit minimiert sich der daraus resultierende vorzuwerfende Pflichtenverstoß erneut.

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2.) Das Disziplinargericht kommt zu dem Ergebnis, dass auch und sogar bei Unterstellung einer beamtenrechtlich relevanten Nebentätigkeit, die Disziplinarverfügung aus Gründen der Zweckmäßigkeit aufzuheben ist.

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Nach § 60 Abs. 3 BDG prüft das Gericht bei der Klage des Beamten gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Diese zusätzliche in Abweichung von § 114 VwGO dem Gericht zustehende eigene Prüfungskompetenz und Ermessensentscheidung (Gesetzesbegründung zu § 60 Abs. 3 BDG, BT-Drs. 14/4659, S. 48; BVerwG, Urt. v. 15.12.2005, 2 A 4.04; OVG NRW, Beschl. v. 19.09.2007, 21d A 3600/06.O; Bayr. VGH, Beschl. v. 27.01.2010, 16a DZ 07.3110, Bayr. VGH, Beschl. v. 02.07.2012, 16a DZ 10.1644; alle juris) führt bereits zur Aufhebung der Disziplinarmaßnahme. Dabei geht das Disziplinargericht aufgrund der obigen Ausführungen zu dem Besonderheiten des Falls davon aus, dass der Klägerin kein – jedenfalls gravierender – Pflichtenverstoß vorzuwerfen ist, sodass eine Disziplinarmaßnahme zur Pflichtenermahnung nicht angezeigt erscheint (vgl. zur Zweckmäßigkeit auch; VG Magdeburg, Urt. v. 06.11.2007, 8 A 10/07 MD; VG Magdeburg, Urteil v. 18.07.2012, 8 A 1/12; juris). Das Disziplinarrecht dient vordringlich der Pflichtenmahnung des Beamten für die Zukunft. Insoweit wäre hier die so genannte missbilligende Äußerung des Dienstherrn als bloßer Hinweis auf den Pflichtenverstoß ausreichend gewesen (§ 6 Satz 2 BDG). Das Disziplinargericht muss in seinen Entscheidungen stets darauf hinweisen, dass das Disziplinarrecht kein Strafrecht darstellt und die Disziplinarmaßnahmen in einem Stufenverhältnis (vgl. §§ 5, 13 BDG) stehen und je nach Schwere und Eigenart des Dienstvergehens sorgfältig und ausgewogen geprüft werden müssen (vgl. nur: VG Magdeburg, Urteil v. 29.03.2012, 8 A 9/09; m. w. Nachw.; VG Magdeburg, Urteil v. 14.02.2012, 8 A 6/11; VG Magdeburg, Urteil v. 01.12.2011, 8 A 18/10; zur Zweckmäßigkeit weiter: VG Magdeburg, Urteil v. 06.11.2007, 8 A 10/07; alle juris). Nicht jeder Verstoß gegen Dienstpflichten stellt zugleich auch ein Dienstvergehen im Sinne des Disziplinarrechts dar (VG Münster, Urt. v. 23.02.2007, 20 K 1538/06.O; juris). Denn dem menschlichen Verhalten sind Fehler und Schwächen immanent. Disziplinarrechtliche Relevanz erhält ein Fehlverhalten eines Beamten erst dann, wenn eine gewisse Schwelle überschritten ist. Diese Schwelle wäre hier – auch bei Zugrundelegung eines Pflichtenverstoßes – durch das Verhalten der Klägerin (noch) nicht überschritten.

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3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 4 BDG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 BDG, § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.