Verwaltungsgericht Magdeburg Gerichtsbescheid, 17. Mai 2017 - 1 A 56/17
Gericht
Tatbestand
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Der Kläger begeht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
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Der am 14.02.1997 in Aleppo geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 14.01.2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 24.01.2017 bei der Beklagten einen Asylantrag.
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Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 24.01.2017 gab der Kläger zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an: Er habe in Aleppo studiert und dort in einem vom Regime beherrschten Stadtviertel gelebt. Wegen des Krieges sei die Situation in Aleppo sehr schlecht gewesen. Jeder, der sich in wehrpflichtigem Alter befinde, werde zum Wehrdienst eingezogen. Er wollte nicht in den Krieg eingezogen werden. Er habe Angst davor, im Krieg zu sterben. Er sei bereits gemustert worden und habe einen Wehrpass erhalten. Er sei am 22.02.2016 illegal in die Türkei ausgereist.
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Mit Bescheid vom 01.02.2017, dem Kläger zugestellt am 07.02.2017, erkannte die Beklagte dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu (Ziffer 1) und lehnte im Übrigen den Asylantrag ab.
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Am 15.02.2017 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Magdeburg erhoben. Zur Begründung seines Begehrens führt er aus: Das syrische Regime unterstelle ihm wegen der illegalen Ausreise, der Asylantragstellung und dem längerfristigen Aufenthalt im westlichen Ausland eine regimefeindliche Gesinnung. Bei einer Rückkehr nach Syrien drohe ihm auch die Heranziehung zum Wehrdienst. In Syrien sei der Wehrdienst mit der Begehung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und anderen Verbrechen verbunden.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2 ihres Bescheides vom 01.02.2017 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und
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hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2 ihres Bescheides vom 01.03.2017 und unter Beachtung der Sach- und Rechtsauffassung des Gerichts die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erneut zu entscheiden.
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Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ablehnenden Bescheides,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den bei der Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgang und die auf der Erkenntnismitteliste Syrien aufgeführten Quellen verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, weil die Voraussetzungen hierfür gem. § 84 Abs. 1 VwGO vorliegen.
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ziffer 2 des Bescheides der Beklagten vom 01.02.2017, der u. a. diesen Anspruch ablehnt, ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ist. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK -, BGBl. II, 1953, S. 560), wenn er sich 1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe 2. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann (a.) oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (b.). Weitere Einzelheiten zum Begriff der Verfolgung, den maßgeblichen Verfolgungsgründen sowie zu den in Betracht kommenden Verfolgungs- bzw. Schutzakteuren regeln die §§ 3 a - d AsylG. Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten (Nr. 3). Nach § 3e AsylG wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn eine interne Schutzmöglichkeit besteht.
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Unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob er diese Merkmale tatsächlich aufweist. Vielmehr reicht es aus, wenn ihm diese von seinem Verfolger zugeschrieben werden (vgl. § 3b Abs. 2 AsylG).
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Ob eine Verfolgung droht, das heißt der Ausländer sich im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG aus begründeter Furcht vor einer solchen Verfolgung außerhalb des Herkunftslandes befindet, ist anhand einer Verfolgungsprognose zu beurteilen, die auf der Grundlage einer zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat zum Gegenstand hat. Die Prognose in Bezug auf eine bei Rückkehr in den Heimatstaat drohende Verfolgung hat am Maßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ zu erfolgen. Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht aller Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen.
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Ausgangspunkt der Prognose ist das bisherige Schicksal des Ausländers. Ist der Ausländer aus seinem Herkunftsland vorverfolgt ausgereist, ist dies ein ernsthafter Hinweis auf die Begründetheit seiner Furcht vor Verfolgung und begründet eine (widerlegbare) Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird (vgl. auch Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011). Die begründete Furcht vor Verfolgung kann nach § 28 Abs. 1a AsylG aber auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist. Für subjektive Nachfluchttatbestände, die bereits während eines Erstverfahrens oder durch das Erstverfahren verwirklicht worden sind, greift damit keine Einschränkung. Für die Flüchtlingsanerkennung müssen diese - anders als bei der Asylanerkennung - nicht einmal auf einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung beruhen. Erst für nach dem erfolglosen Abschluss des Erstverfahrens selbst geschaffene Nachfluchtgründe wird ein Missbrauch der Inanspruchnahme des Flüchtlingsschutzes in der Regel vermutet (vgl. § 28 Abs. 2 AsylG).
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Ist der Ausländer unverfolgt ausgereist, liegt eine Verfolgungsgefahr und damit eine begründete Furcht vor Verfolgung vor, wenn ihm bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. Die Zumutbarkeit bildet das vorrangig qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist. Zu prüfen ist, ob aus Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in das Herkunftsland als unzumutbar erscheint. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die „reale Möglichkeit“ („real risk“) einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. So macht es etwa für die Erwägungen eines besonnenen Menschen einen erheblichen Unterschied, ob er bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat (lediglich) eine geringe Freiheitsstrafe oder eine Geldbuße zu erwarten hat, oder aber ob ihm Folter, Misshandlung oder gar die Todesstrafe drohen. An die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Verfolgung im Falle der Rückkehr sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer und einschneidender die zu erwartende Verfolgungshandlung ist (vgl. zum Ganzen: VG Lüneburg, U. v. 30.01.2017 – 4 A 23/16 -, juris, Rdnr. 14 – 18 m. w. N).
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Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse hat der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG, § 3 Abs. 4 AsylG. Bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände droht dem Kläger im Falle der hypothetischen Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch den syrischen Staat wegen einer ihm unterstellten politischen Überzeugung, so dass ihm nicht zuzumuten ist, in den Heimatstaat zurückzukehren (VG Lüneburg, U. v. 30.01.2017 – a. a. O, Rdnr. 19).
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Durch die Ausreise aus Syrien hat sich der Kläger der Heranziehung zum Militärdienst entzogen, weshalb für ihn ein erhöhtes Risiko besteht, bei einer Rückkehr nach Syrien im Rahmen der Rückkehrerbefragung bzw. in deren Anschluss wegen unterstellten illoyalen Verhaltens und regimefeindlicher Gesinnung menschenrechtswidriger Behandlung bis hin zu Folter ausgesetzt zu sein.
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Die Schwelle, ab deren Überschreiten einem Rückkehrer seitens der syrischen Regierung eine vermeintlich oppositionelle Haltung zugeschrieben wird, ist zur Überzeugung des Gerichts grundsätzlich niedrig anzusetzen. Es genügt insoweit ein geringer Verdachtsgrad (vgl. Immigration and Refugee Board of Canada, Bericht vom 19.01.2016, S. 4, Ziff. 3: Treatment of Failed Refugee Claimants: „However, the conflict has probably raised the suspicion levels of officials.”; UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. akt. Fassung, November 2015, S. 12).
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Bei Personen, die sich dem Wehrdienst entzogen haben, sieht das Gericht die Verdachtsschwelle jedenfalls als überschritten an (so auch Bay. VGH, U. v. 12.12.2016 - 21 ZB 16.30372 -, juris, Rdnr. 72 ff,). Für diese Einschätzung spricht die Auskunft der Deutschen Botschaft Beirut an das Bundesamt vom 03. Februar 2016. Danach stehen die dort bekannten Fälle, bei denen Rückkehrer nach Syrien befragt, zeitweilig inhaftiert oder dauerhaft verschwunden sind, überwiegend in Zusammenhang mit oppositionsnahen Aktivitäten (beispielsweise Journalisten oder Menschenrechtsverteidiger) oder in Zusammenhang mit einem nicht abgeleisteten Militärdienst. Dies entspreche auch den Erkenntnissen von Menschenrechtsorganisationen, mit denen das Auswärtige Amt bzw. die Botschaft Beirut zusammenarbeite. In seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht Trier vom 12. Oktober 2016 führt das Auswärtige Amt zudem aus, dass an syrischen Flughäfen umfangreiche Personen- und Grenzkontrollen durch Geheimdienste stattfänden, wobei den Sicherheitskräften Listen gesuchter Personen zur Verfügung gestellt würden, in denen unter anderem Wehrdienstverweigerer aufgeführt seien. Nach dem Bericht des Immigration and Refugee Board of Canada vom 19. Januar 2016 (S. 4, Ziff. 5) deuten außerdem Quellen darauf hin, dass die Sicherheitskontrollen am Flughafen Damaskus auch die Überprüfung beinhalten, ob Rückkehrer den Militärdienst abgeschlossen haben. Männer im militärfähigen Alter seien besonders anfällig für Misshandlungen durch Sicherheitsbehörden am Flughafen und an anderen Punkten. Ein emeritierter Professor habe sie als die „am meisten gefährdete“ Gruppe in Bezug auf menschenrechtswidrige Behandlung durch syrische Sicherheitskräfte bezeichnet, insbesondere, wenn sie nie im Militär gedient hätten. Dementsprechend würden junge Männer zwischen 16 und 40 Jahren von den Grenzbehörden besonders verfolgt und unterlägen zudem Zwangsrekrutierungen von allen Seiten, auch wenn sie bereits ihren Militärdienst abgeschlossen hätten.
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In Syrien besteht für männliche Staatsangehörige eine allgemeine Wehrpflicht. Die Registrierung für den Wehrdienst erfolgt im Alter von 18 Jahren. Die Wehrpflicht besteht bis zum Alter von 42 Jahren (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014, S. 1). Andere Quellen gehen davon aus, dass die Wehrpflicht in der Praxis bis zum 50. Lebensjahr ausgeweitet wird (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 02.01.2017, GZ: 508-9-516.80/48808; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014, S. 1). Auch seien zahlreiche Berichte bekannt, nach denen Reservisten zum Militärdienst eingezogen werden (vgl. Auswärtiges Amt, a. a. O.). Nach Angaben des Fact-Finding Mission Report des Finnish Immigration Service vom 23. August 2016 (S. 5) beläuft sich die Altersgrenze für die Reservepflicht nach dem Gesetz auf 52 bzw. 54 Jahre, wenn ein Mann einen Bachelor-Abschluss hat. Darüber hinaus lägen Anhaltspunkte für eine Anhebung der Altersgrenze für Reservisten in bestimmten Fällen und Gebieten auf bis zu 60 Jahre vor (Finnish Immigration Service, a. a. O, S. 11). Je nach Eignung beläuft sich die Dauer des Wehrdienstes auf ein bis drei Jahre (Dt. Orient-Stiftung, Auskunft an das OVG Schleswig-Holstein vom 08.11.2016).
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Nach Angaben des Auswärtigen Amtes in seiner Auskunft an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 02. Januar 2017 (GZ: 508-9-516.80/48808) besteht die allgemeine Wehrpflicht auch weiterhin und wird durchgesetzt. Wehrpflichtige Männer werden per Einberufungsbescheid zum Ableisten des Wehrdienstes aufgefordert. Wehrpflichtige Männer, die auf diesen Einberufungsbescheid nicht reagieren, werden von Mitarbeitern der Geheimdienste für den Militärdienst zwangsrekrutiert. Es sei damit kaum möglich, sich der Wehrpflicht zu entziehen. Es gäbe auch Berichte, dass junge Männer an Checkpoints verschleppt und zwangsrekrutiert würden. Männern im wehrpflichtigen Alter werde die Ausreise aus dem Land verboten und der Reisepass vorenthalten. Im März 2012 hat die syrische Regierung beschlossen, allen männlichen Staatsangehörigen im Alter von 18 bis 42 Jahren die Ausreise zu untersagen bzw. nur nach einer zuvor erteilten Genehmigung zu gestatten. Dies gilt auch für Personen, die bereits ihren Wehrdienst abgeleistet haben (vgl. Dt. Orient-Stiftung, Auskunft an den VGH Bad.-Württ. vom 22.02.2017; Auskunft an den Hess. VGH vom 01.02.2017; Auskunft an das OVG Schl.-Holst. vom 08.11.2016; Schweizer Flüchtlingshilfe, Syrien: Rekrutierung durch die syrische Armee, 30.07.2014, S. 7).
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Freigestellt vom Wehrdienst sind nach syrischem Recht grundsätzlich Einzelkinder bzw. einzige Söhne sowie Studenten während ihres Studiums (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 02.01.2017, GZ: 508-9-516.80/48808). Syrische Männer, die im Ausland leben, können sich für 4.000 bis 5.000 USD vom Wehrdienst freikaufen. Gemäß Gesetz Nr. 33 vom 06. August 2014 müssen Wehrpflichtige bei einem Auslandsaufenthalt von über vier Jahren sogar 8.000 USD zahlen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 02.01.2017, GZ: 508-9-516.80/ 48808). Sofern ein Mann Ernährer der Familie ist und er jüngere Brüder hat, kann er seinen Militärdienst verschieben, bis der jüngere Bruder sechzehn Jahre alt ist (Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, National Defense Forces, Armed Groups supporting syrian Regime and armed opposition, 23.08.2016, S. 9). Nach Angaben der Schweizer Flüchtlingshilfe sind auch Männer mit medizinischen Einschränkungen von der Wehrpflicht ausgenommen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014, S. 2). Hinsichtlich der rechtlich vorgesehenen Ausnahmen von der Wehrpflicht sowie der Zurückstellungsmöglichkeiten mehren sich allerdings Hinweise darauf, dass es in der Praxis zunehmend schwieriger ist, eine Frei- oder Zurückstellung vom Militärdienst zu erhalten und sogar bereits gewährte Frei- bzw. Zurückstellungen willkürlich ohne Berücksichtigung bleiben (vgl. Bericht des Danish Immigration Service, September 2015, „Syria, Update on Military Service, Mandatory Self-Defence Duty and Recruitment to the YPG“, S. 12; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, National Defense Forces, Armed Groups supporting syrian Regime and armed opposition, 23.08.2016, S. 10). Dafür sprechen auch die an Universitäten durchgeführten Rekrutierungsaktionen (vgl. etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015, S. 5). Nach Angaben des Auswärtigen Amtes ist jedenfalls im Hinblick auf die syrische Armee unterstützende Milizen nicht auszuschließen, dass Zwangsrekrutierungen auch außerhalb des für die Armee üblichen Personenkreises erfolgen und etwa Einzelkinder erfassen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 02.01.2017, GZ: 508-9-516.80/ 48808). Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass Asylsuchende mangels hinreichender Verlässlichkeit rechtlich bestehender Freistellungs- bzw. Rückstellungsmöglichkeiten grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden können, sich bei einer hypothetischen Rückkehr nach Syrien auf ihre Zugehörigkeit zu einem freistellungs- bzw. zurückstellungsberechtigten Personenkreis zu beziehen, sondern dass auch dieser Personenkreis mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft, wegen einer angenommenen illoyalen Haltung gegenüber dem syrischen Regime menschenrechtswidriger Behandlung bis hin zu Folter ausgesetzt zu sein.
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Die Möglichkeit eines Ersatzdienstes besteht nicht. Wehrdienstverweigerung wird gemäß dem Military Penal Code von 1950, der 1973 angepasst wurde, bestraft. In Artikel 68 ist festgehalten, dass mit einer Haftstrafe von einem bis sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten bestraft wird, wer sich seiner Einberufung entzieht. Wer das Land ohne eine Adresse zu hinterlassen verlässt und sich so der Einberufung entzieht, wird mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Haft und einer Geldbuße bestraft. Gemäß Artikel 101 wird Desertion mit fünf Jahren Haft oder mit fünf bis zehn Jahren Haft bestraft, wenn der Deserteur das Land verlässt. In Artikel 102 ist festgehalten, dass ein Deserteur, der im Angesicht des Feindes desertiert, mit lebenslanger Haft bestraft wird. Exekution ist bei Überlaufen zum Feind und bei geplanter Desertion im Angesicht des Feindes vorgesehen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014, S. 3; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 02.01.2017, GZ: 508-9-516.80/48808). Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 02.01.2017 (GZ: 508-9-516.80/48808) wurden bereits 2011 Dutzende syrische Deserteure erschossen, da sie sich den Aufständischen anschließen wollten. Dem Auswärtigen Amt vorliegenden Berichten zufolge kann auch ein Wehrdienstentzug durch „illegale“ Ausreise von nicht gemusterten bzw. nicht einberufenen Wehrpflichtigen durch Geldbuße oder Gefängnis bestraft werden. Regimegegnerschaft kann dabei zu härteren Reaktionen führen (Auswärtiges Amt, a. a. O.).
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Das syrische Regime hat bereits seit Beginn des Bürgerkrieges die Mobilisierungsmaßnahmen für Rekruten und Reservisten intensiviert. Seit Herbst 2014 ist angesichts einer erheblichen Dezimierung der syrischen Armee durch Desertion und Verluste eine deutlich verstärkte Mobilisierung von Reservisten zu beobachten und es kommt zur Verhaftung von Deserteuren und Männern, die sich bislang dem Wehrdienst entzogen haben (Schweizer Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015, S. 1ff.; Danish Immigration Service, Bericht „Syria - Military Service, Mandatory Self-Defence Duty and Recruitment to the YPG“ vom 26.02.2015, S. 9). Deserteure und Personen, die sich dem Militärdienst entzogen haben, werden inhaftiert und verurteilt. In der Haft kommt es zu Folter. Menschenrechtsorganisationen berichten über Exekutionen von Deserteuren. Einige der Verhafteten werden vom Militärgericht zu Haftstrafen verurteilt, bevor sie eingezogen werden, andere werden verwarnt und direkt in den Militärdienst geschickt (Schweizer Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015, S. 4).
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Rückkehrer, die sich dem Wehrdienst entzogen haben, laufen vor diesem Hintergrund nach Ansicht des Gerichts mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr, bei einer (hypothetischen) Rückkehr nach Syrien im Rahmen der zu erwartenden Rückkehrerbefragung bzw. einer etwaigen anschließenden Verbringung in ein Haft- oder Verhörzentrum einer menschenrechtswidrigen Behandlung ausgesetzt zu sein, weil die Entziehung von der Wehrpflicht seitens des syrischen Regimes als illoyal wahrgenommen wird und der Wehrdienstpflichtige in den Verdacht gerät, eine abweichende, oppositionelle politische Einstellung zu vertreten (so auch Bay. VGH, Urt. v. 12.12.2016 - 21 ZB 16.30372 -, juris). Für eine solche Haltung der syrischen Regierung spricht auch eine Äußerung des syrischen Präsidenten Assad, der in einer Rede im Juli 2015 erklärt hat, „Syrien sei für die, die es verteidigen“ (Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, National Defense Forces, Armed Groups supporting syrian Regime and armed opposition, 23.08.2016, S. 7: „…the country is for those who protect it.“).
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Da bei der Behandlung von erstmalig Wehrdienstpflichtigen und Reservisten, die sich der Wehrpflicht entziehen, seitens des syrischen Regimes keine Unterschiede ausgemacht werden können, ist aus Sicht des Gerichts auch hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft keine unterschiedliche Handhabung geboten.
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Weil (Zwangs-) Rekrutierungen nach der Erkenntnislage auch jenseits eines formalen Einberufungsverfahrens vorgenommen werden, beispielsweise an Checkpoints oder bei Razzien in Wohnquartieren und Universitäten (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Düsseldorf v. 02.01.2017, GZ: 508-9-516.80/48808; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, National Defense Forces, Armed Groups supporting syrian Regime and armed opposition, 23.08.2016, S. 6; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015, S. 3), kommt es für das Gericht auch nicht darauf an, ob bereits ein Einberufungsbescheid vorliegt oder nicht. Dies gilt umso mehr, als Einziehungen zum Wehrdienst auch an der Grenze erfolgen (Finnish Immigration Service, a. a. O., S. 7; vgl. zum Ganzen: VG Braunschweig, U. v. 27.03.2017 – 9 A 479/16 -, juris, Rdnr. 21 - 31).
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Zwar rekrutiert die syrische Armee prinzipiell alle Männer unabhängig von ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund und wendet auch die strafrechtlichen Regelungen bezüglich Wehrdienstentziehung und Desertion offenbar mehr oder weniger unterschiedslos auf alle syrischen Wehrpflichtigen an, so dass nicht bereits im Hinblick auf eine insoweit durchgängig diskriminierende Praxis ein Verfolgungsgrund im Sinne von § 3b AsylG vorliegt (darauf verweisend OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 16.12.2015 - 1 A 10922/16 -, juris, Rdnr. 139 ff.). Dies schließt die Annahme politischer Verfolgung jedoch ebenso wenig aus wie der Umstand, dass allen Personen, die sich der Wehrpflicht entziehen, in Syrien von Rechts wegen Verfolgung deshalb droht, weil sie mit der Dienstverweigerung eine Straftat begangen haben.
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Dessen ungeachtet und selbständig tragend kann auch dann, wenn die politischen Tendenzen einer generellen Maßnahme oder Regelung wie der Verpflichtung zum Waffendienst nicht immer offen zutage liegen, in der Heranziehung zum Wehrdienst ihrer allgemeinen - asylrechtlich nicht einschlägigen - Intention auch eine Verfolgungstendenz innewohnen. Eine Verfolgungstendenz kann etwa darin liegen, dass zugleich eine politische Disziplinierung und Einschüchterung von politischen Gegnern in den eigenen Reihen, eine Umerziehung von Andersdenkenden oder eine Zwangsassimilation von Minderheiten bezweckt wird. Anhaltspunkte für derartige Intentionen können sich aus der besonderen Ausformung der die Wehrpflicht begründenden Regelungen, aus ihrer praktischen Handhabung, aber auch aus ihrer Funktion im allgemeinen politischen System der Organisation ergeben. Der totalitäre Charakter einer Staatsform, die Radikalität ihrer Ziele sowie das Maß an geforderter und durchgesetzter Unterwerfung sind wichtige Gradmesser für Verfolgungstendenzen. Deutlich werden kann der politische Charakter von Wehrdienstregelungen etwa daran, dass Verweigerer oder Deserteure als Verräter an der gemeinsamen Sache angesehen und deswegen übermäßig hart bestraft, zu besonders gefährlichen Einsätzen kommandiert oder allgemein geächtet werden.
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So liegt es hier im Fall von Syrien. Die drohende Bestrafung wegen Wehrdienstentzugs oder Desertion dient dem syrischen Staat nicht lediglich der Sicherstellung der Wehrpflicht und der Ahndung des mit der Dienstverweigerung verbundenen kriminellen Unrechts, sondern (auch) dazu, eine aufgrund des Wehrdienstentzugs vermutete staatsfeindliche Gesinnung zu treffen und diese zu eliminieren und ist somit politisch motiviert. Diese Annahme liegt bereits aufgrund der besonderen Konstellation in Syrien nahe. Denn es handelt sich bei Syrien um ein diktatorisches System, das mit allen Mitteln um seine Existenz kämpft; auch soll die Mobilisierung der syrischen Armee nicht der Teilnahme an einem Konflikt in einem dritten Staat, sondern der Bekämpfung der oppositionellen Rebellengruppen im eigenen Land dienen. Wer sich an diesem existentiellen Kampf der Staatsmacht gegen Teile der eigenen Bevölkerung nicht beteiligt, sondern sich trotz des bekannt großen Personalbedarfs in der syrischen Armee seiner Wehrpflicht - zumal durch eine illegale Flucht ins Ausland - entzieht, manifestiert damit nach außen sichtbar seine Illoyalität gegenüber dem syrischen Staat in besonderer Weise. Entsprechend hart geht der syrische Staat mit Deserteuren und Männern, die sich dem Wehrdienst entziehen, um: So drohen denjenigen, die sich Einberufung oder Mobilisierung entziehen, bei einer Ergreifung Untersuchungen und Festnahmen teilweise mit längerer Haft und Folter (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015; Deutsche Orient-Stiftung, Auskunft an OVG Schl.-Holstein vom 08.11.2016). Einige Quellen sprechen im Zusammenhang mit Desertion von lebenslanger Haft und Exekutionen (AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015). Ferner gibt es Berichte von Personen, die als Rückkehrer im Zusammenhang mit einem nicht abgeleisteten Militärdienst befragt und dauerhaft verschwunden sind (Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; darauf verweisend auch etwa Bayer. VGH, Urteile vom 12.12.2016 - 21 ZB 16.30338 u.a. - [ausweislich Presseerklärung vom 13.12.2016]). Es gibt Quellen, wonach Rekruten, denen das Regime nicht traut, mitunter in den Kampfeinsatz an die Front geschickt werden, um ihre Motivation zu kämpfen zu erhöhen (Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Ferner gibt es Hinweise darauf, dass alle, die sich dem Regime entziehen - wie es Wehrdienstpflichtige tun, zumal wenn sie illegal ins Ausland reisen -, als Oppositionelle und je nach bisheriger Funktion als „Landesverräter“ betrachtet werden (SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 12.03.2015 zu Syrien: Arbeitsverweigerung).
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Andere Quellen halten zudem Männer im wehrpflichtigen Alter für besonders gefährdet, bei der Einreise über den Flughafen oder auf dem Landweg Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu erfahren, insbesondere wenn sie ihren Militärdienst noch nicht abgeleistet haben; so spricht eine Quelle davon, „military-aged men [are] the most vulnerable group in terms of treatment by Syrian authorities at points of entry“ (Immigration and Refugee Board of Canada, Syria: Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, 19.01.2016). Auch diejenigen, bei denen lediglich die Absicht der Desertion vermutet wird, werden als Gegner des Regimes betrachtet und haben gewaltsames Verschwinden, Haft und Folter zu gewärtigen (Amnesty International, Between prison and the grave, 11/2015).
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Schließlich ergibt sich aus zahlreichen Quellen, dass für Desertion und Wehrdienstentzug mitunter auch Familienangehörige nach der Art der Sippenhaft in die Verfolgung einbezogen werden (Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Der syrische Staat verhaftet Brüder und Schwestern, auch Mütter und Väter von Deserteuren und von Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen. Wenn die Familienangehörigen sich nicht mehr in Syrien aufhalten, werden sie auf Suchlisten gesetzt. Die Verhaftungen der Familienangehörigen sind auch mit der Plünderung ihrer Häuser verbunden (Auskunft der SFH-Länderanalyse, Syrien: Zwangsrekrutierung, Wehrdienstentziehung, Desertation vom 23.03.2017).
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Für den Kläger besteht auch ein reales Verfolgungsrisiko, bei einer Rückkehr nach Syrien tatsächlich wegen der illegalen Ausreise und der damit verbundenen Wehrdienstentziehung aufgegriffen und verurteilt zu werden.
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Zunächst besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien wegen Wehrdienstentziehung aufgegriffen würde. Denn es gibt kaum eine Möglichkeit, sich innerhalb Syriens dem Militär- bzw. Reservistendienst zu entziehen. Personen, die das wehrpflichtige Alter erreicht haben oder während ihres Auslandsaufenthaltes zum Wehrdienst einberufen wurden, werden in Fahndungslisten aufgenommen, die an die Grenzübergänge verteilt werden, so dass schon bei der Einreise eine Identifizierung und Verhaftung bzw. Zwangsrekrutierung wahrscheinlich ist (SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014; Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015; Immigration and Refugee Board of Canda, Syria: Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, 19.01.2016). Ferner gibt es zahlreiche mobile „Checkpoints“, die ebenfalls im Besitz der Listen sind und bei einem Datenbankabgleich feststellen können, ob der Betreffende seinen Wehrdienst abgeleistet hat bzw. als Reservist rekrutiert werden soll; auch hier kommt es zu Verhaftungen, Verschleppungen bzw. unmittelbarer Zwangsrekrutierung (Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, 05.01.2017; Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016). Das syrische Militär hat gegenwärtig aufgrund von Todesfällen, Abtrünnigkeit und Desertion einen enormen Bedarf an Personal, da es von circa 325.000 Soldaten bei Ausbruch des Krieges auf wohl etwa 150.000 Soldaten dezimiert worden ist (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; Danish Refugee Council, Syria, 09/2015); um Wehrdienstverweigerer und Reservisten zu rekrutieren und so den Personalbedarf zu decken, finden immer wieder Durchsuchungen, Razzien und Massenverhaftungen statt (Dt. Botschaft Beirut, Auskunft vom 02.03.2016; UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, 30.11.2016; SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 12.03.2015 zu Syrien: Arbeitsverweigerung; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015). Auch ist für viele bürokratische Akte, etwa für Heiratszertifikate, eine Bewilligung des Militärs erforderlich (SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, 30.07.2014). Daher ist es für Wehrdienstverweigerer fast unmöglich, nach Syrien einzureisen oder gar in den von der Regierung kontrollierten Gebieten zu leben und sich dort zu bewegen, ohne aufgegriffen zu werden (AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017).
- 39
Ferner besteht die reale Möglichkeit, dass der Kläger, wenn er - wie mit großer Sicherheit zu erwarten - bereits bei seiner Einreise oder zu einem späteren Zeitpunkt als wehrdienstpflichtig erkannt und als solcher den syrischen Behörden bzw. dem syrischen Militär, in erster Linie dem militärischen Sicherheitsdienst, übergeben wurde, wegen Wehrdienstentzugs bestraft wird. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris, Rdnr. 156 ff.) hält eine beachtliche Wahrscheinlichkeit nicht für gegeben mit dem Argument, dass es dem syrischen Staat vor allem darum gehe, den Betroffenen schnellstmöglich seiner notleidenden Armee zuzuführen. Dem folgt das erkennende Gericht nicht. Zwar ist der Hinweis auf den hohen Personalbedarf der syrischen Armee nicht von der Hand zu weisen, und tatsächlich wird es auch einen gewissen Prozentsatz an Männern geben, die, obgleich sie den Tatbestand des Wehrdienstentzugs erfüllt haben, unmittelbar zum Militär rekrutiert werden. Jedoch lässt dies nach den vorliegenden Erkenntnismitteln und den dort wiedergegebenen zahlreichen Quellen nicht den Schluss darauf zu, eine Bestrafung wegen Wehrdienstentzugs drohe nicht ebenso mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
- 40
Zwar lässt sich weder die Zahl derer, die aufgrund Wehrdienstentziehung aufgegriffen werden, noch der Prozentsatz derjenigen, die wegen dieses Vorwurfs strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden, auch nur annähernd zuverlässig ermitteln. Allerdings ergibt sich aus den vorliegenden Erkenntnismitteln, dass Verhaftungen wegen Entzugs vom Militärdienst in großem Umfang stattfinden; so sprechen einige Quellen von regelrechten „Verhaftungswellen“ (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; ähnlich auch Finnish Immigration Service, Syria: Military Service, national defense forces, armed groups supporting Syrian regime and armed opposition, 23.08.2016), ausweislich anderer Erkenntnisse wurden allein in den ersten sieben Monaten des Jahres 2014 über 5.400 wehrdienstpflichtige junge Männer verhaftet, und in Hama bzw. Homs wurden im Rahmen örtlicher Generalmobilmachungen jeweils binnen weniger Tage im Herbst 2014 1.400 bzw. 1.200 Reservisten an Checkpoints verhaftet (SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015). Diese Verhaftungen werden meistens vom militärischen Sicherheitsdienst oder dem Luftwaffen-Sicherheitsdienst durchgeführt, bei denen Fälle von Folter dokumentiert sind (SFH Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015). Die Frage, wie die zahlreichen Sicherheitsdienste mit den Betroffenen weiter verfahren, ob der einzelne als möglicher Terrorist behandelt, einem Strafverfahren zugeführt, zunächst ggf. unter Anwendung von Folter befragt und anschließend zum Militär abgeordnet oder unmittelbar rekrutiert und ausgebildet bzw. direkt an die Front abgeordnet wird, hängt von vielen Umständen ab wie etwa vom aktuellen Personalbedarf der Armee, dem Herkunftsort des Betreffenden, seinen Kontakten oder Erkenntnissen der syrischen Behörden (Danish Refugee Council, Syria, 09/2015) sowie nicht zuletzt von willkürlichem Verhalten der - unkontrollierten - Sicherheitsbehörden überhaupt. Den vorliegenden Erkenntnismitteln lässt sich aber jedenfalls nicht entnehmen, dass es regelhaft mit einer Verhaftung und anschließender Einziehung sein Bewenden hätte; vielmehr ist in den vorliegenden Auskünften etwa davon die Rede, „einige“ würden vor das Militärgericht in Damaskus gestellt und zu Haftstrafen verurteilt, „andere“ würden verwarnt und direkt zum Militärdienst geschickt (SFH Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015), oder die möglichen Konsequenzen eines solchen Aufgreifens - sofortige Einziehung, Verbringung zur Frontlinie, Untersuchungen, Folter, Verurteilung - werden ohne zahlenmäßige Gewichtung nebeneinander gestellt (Danish Refugee Council, Syria, 09/2015). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass das in den Erkenntnismitteln dokumentierte Verhalten der syrischen Staatsmacht gegenüber Wehrpflichtigen und Reservisten sich gegenwärtig im Wesentlichen auf wehrdienstpflichtige Männer bezieht, die sich lediglich innerhalb des Landes der Wehrdienst- oder Rekrutierungspflicht zu entziehen versucht haben, nicht aber auf diejenigen, die durch ihre mit der Flucht ins westliche Ausland dokumentierte Illoyalität gegenüber dem syrischen Staat mutmaßlich besonderen Anlass für die syrischen Behörden liefern, eine regimekritische Gesinnung zu vermuten. Aufgrund des, wie dargelegt, politisch motivierten Vorgehens syrischer Sicherheitskräfte im totalitären Staatsgefüge bei Wehrdienstentziehung erscheint es auch naheliegend, dass durch - möglicherweise auch willkürliche - Haft, Folterungen oder übermäßig harte Bestrafungen Zeichen gesetzt, politische Gegner in den eigenen Reihen eingeschüchtert und weitere Wehrpflichtige zu einem regimekonformen Verhalten angehalten werden sollen (vgl. zum Ganzen: (VG Freiburg, U. v. 01.02.2017 – A 4 K 2903/16 -, juris, Rdnr. 35 - 43).
- 41
Der mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgung wegen Wehrdienstentziehung steht dabei nicht entgegen, dass das syrische Regime angesichts der Vielzahl von ausgereisten Personen nicht in der Lage wäre, die erforderlichen Mittel und Kräfte aufzubringen, um eine tatsächliche Verfolgung zu gewährleisten. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass Wiedereinreisen bei Rückführungen kanalisiert über den zentralen internationalen Flughafen Damaskus stattfinden und so nur verhältnismäßig wenige Ressourcen beanspruchen würden (vgl. VG Braunschweig, U. v. 27.03.2017 – a. a. O., Rdnr. 32 m. w. N.).
- 42
Der Annahme einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgung steht auch nicht die vom Bundesamt wiederholt angeführte Passerteilungspraxis des syrischen Regimes entgegen, die im Jahr 2015 zur Ausstellung von mehr als 800.000 Pässen geführt haben soll (vgl. Schriftsatz des BAMF an das VG Saarland vom 16.09.2016 unter Bezugnahme auf Presseberichte des Tagesspiegels vom 05.11.2015 und 26.10.2015 sowie die Auskunft der Botschaft Beirut vom 03.02.2016). Denn sowohl nach der vom Bundesamt in Bezug genommenen Presseberichterstattung als auch nach der Auskunft der Botschaft Beirut vom 03. Februar 2016 erscheint es naheliegend, dass die umfängliche Ausstellung von Pässen wesentlich auf finanziellen Erwägungen beruht und geopolitische Absichten verfolgen könnte. Nach Angaben von Pro Asyl (Stellungnahme vom 23.05.2016, „BAMF-Entscheidungspraxis geändert: Für immer mehr SyrerInnen wird der Familiennachzug ausgesetzt“) verdiente der syrische Staat mit der Passausstellung rund 470 Millionen Euro. Hingewiesen wird zudem auf ein Interview mit dem türkischen Migrationsforscher Murat Erdogan, wonach die Pass-erteilungspraxis möglicherweise auch auf der Erwartung des Regimes beruht, der Flüchtlingsansturm werde die europäischen Staaten zu einer Lösung des Syrien-Konflikts unter Beibehaltung der derzeitigen Assad-Regierung bewegen (vgl. auch Tagesspiegel vom 05.11.2015, wiedergegeben im Schriftsatz des BAMF an das VG Saarland vom 16.09.2015). Unabhängig davon, kann aus dem Umstand, dass die syrische Regierung durch die Passerteilung die Ausreise erleichtert, ohnehin nicht verlässlich auf eine Minderung der Rückkehrgefahren für wehrpflichtige Männer geschlossen werden, denn jedenfalls bei einer hypothetischen Rückkehr bestünde für das syrische Regime Veranlassung, die Regimetreue zu hinterfragen, um insbesondere auszuschließen, dass sich diese Männer im Konfliktfall vor die Wahl gestellt ggf. der Gegenseite anschließen (vgl. VG Braunschweig, U. v. 27.03.2017 – a. a. O., Rdnr. 33 m. w. N.).
- 43
Aus diesen Gründen hat der im Zeitpunkt der Ausreise aus Syrien im wehrpflichtigen Alter stehende Kläger, der Syrien entgegen dem auch für Reservisten geltenden Ausreiseverbot für Männer im Alter von 18 bis 42 Jahre ohne zuvor erteilte Genehmigung verlassen und sich dadurch der Heranziehung zum Wehrdienst entzogen hat, ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und es kann dahinstehen, ob dem Kläger gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG auch deshalb durch das syrische Regime politische Verfolgung droht, da er wegen der Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt mit Strafverfolgung oder Bestrafung rechnen muss, weil der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (vgl. Bay. VGH, U. v. 12.12.2016 – a. a. O., Rdnr. 83). Ebenso kann dahinstehen, ob dem Kläger wegen der Asylantragstellung und den damit verbundenen Aufenthalt im westlichen Ausland politische Verfolgung durch den syrischen Staat droht.
- 44
Dem Kläger steht schließlich auch keine inländische Fluchtalternative im Sinne des § 3e AsylG zur Verfügung. Die Deutsche Botschaft Beirut (Auskunft vom 03.02.2016) geht davon aus, dass grundsätzlich alle Regionen in Syrien vom Bürgerkrieg betroffen sind, wenn nicht durch direkte Kampfhandlungen, dann indirekt (Kriegswirtschaft, Einzug ins Militär, marodierende Banden, beispielsweise in einigen Vororten von Damaskus etc.) (vgl. auch AA, Auskunft an VG Düsseldorf vom 02.01.2017).
- 45
Selbst wenn man annähme, dass es dennoch Gebiete innerhalb Syriens gibt, die als zumutbare Fluchtalternative dienen könnten, lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass der Kläger ein solches Gebiet in zumutbarer Weise und sicher erreichen könnte. Denn das Regime hat ein dichtes System von Kontrollpunkten eingerichtet. Diesen Stellen liegen in der Regel auch die Namenslisten zu denjenigen vor, die sich der Einberufung bzw. Mobilmachung entzogen haben (vgl. SFH, Rekrutierung durch die syrische Armee, 30.07.2014; SFH, Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015; UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformation Syrien: Militärdienst, 30.11.2016) und sie sind derart verbreitet, dass mehr dafür als dagegen spricht, dass der Kläger, wenn er nicht schon beim Versuch der Einreise nach Syrien erfasst und ergriffen wird, an einem solchen Checkpoint aufgegriffen wird.
- 46
Unabhängig davon steht dem Kläger eine innerstaatliche Fluchtalternative auch deshalb nicht zur Verfügung, weil Reisen innerhalb Syriens in einen anderen - möglicherweise - verfolgungsfreien Landesteil generell mit einem extrem hohen allgemeinen Sicherheitsrisiko verbunden sind, das dem Asylsuchenden nicht zumutbar ist (vgl. § 3e Abs. 1 AsylG). Dabei besteht nicht nur das erhebliche Risiko, gewissermaßen versehentlich in kriegerische Handlungen hineingezogen zu werden. Sowohl das syrische Regime und regierungsnahe Kräfte als auch bewaffnete oppositionelle Gruppen, darunter der sog. Islamische Staat (IS) und die Al-Nusra-Front, verüben in den jeweils von ihnen beherrschten Gebieten in breitem Umfang Massaker an der Zivilbevölkerung und Angriffe auf Zivilpersonen, u.a. in Form von Mord, Geiselnahme, Folter, Zwangsverschleppung, sexueller Gewalt und Rekrutierung von Kindern (vgl. UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung November 2015, S. 12 f.; vgl. zum Vorstehenden: VG Freiburg, U. v. 01.02.2017 – a. a. O., Rdnr. 45 - 47 m. w. N.).
- 47
Weil der Kläger bereits mit seinem Hauptantrag Erfolg hat, ist über seinen Hilfsantrag, dessen Erfolgsaussichten von vornherein zweifelhaft sind, weil der Gesetzgeber dem Bundesamt bei der Entscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG kein Ermessen eingeräumt hat, nicht zu befinden.
- 48
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.
(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,
- 1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a), - 2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt, - 3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist, - 4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt, - 5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.
(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.
(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden
- 1.
vom Staat oder - 2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.
(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Satz 1 findet insbesondere keine Anwendung, wenn der Ausländer sich auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung bilden konnte.
(1a) Die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 zu erleiden, kann auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist.
(2) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag und stützt diesen auf Umstände, die er nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrags selbst geschaffen hat, kann in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.