Verwaltungsgericht Köln Urteil, 20. Jan. 2015 - 7 K 5718/13

ECLI:ECLI:DE:VGK:2015:0120.7K5718.13.00
bei uns veröffentlicht am20.01.2015

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Versorgungswerk vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG 2016 | § 1 Geltungsbereich


(1) Der Aufsicht nach diesem Gesetz unterliegen 1. Versicherungsunternehmen im Sinne des § 7 Nummer 33 und 34,2. Versicherungs-Holdinggesellschaften im Sinne des § 7 Nummer 31 sowie Unternehmen im Sinne des § 293 Absatz 4,3. Versicherungs-Zweckgesell

Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG 2016 | § 3 Ausnahmen von der Aufsichtspflicht, Verordnungsermächtigung


(1) Der Aufsicht nach diesem Gesetz unterliegen nicht 1. Personenvereinigungen, die ihren Mitgliedern, ohne dass diese einen Rechtsanspruch haben, Unterstützungen gewähren, insbesondere die Unterstützungseinrichtungen und Unterstützungsvereine der Be

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Bundessozialgericht Urteil, 10. Dez. 2013 - B 13 R 91/11 R

bei uns veröffentlicht am 10.12.2013

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 22. Juni 2012 - 8 BN 1/12

bei uns veröffentlicht am 22.06.2012

Gründe 1 Der 1961 geborene Antragsteller ist als angestellter Rechtsanwalt Mitglied des Antragsgegners. Er wendet sich gegen die in der Satzung des Antragsgegners mit Wi

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 30. Juni 2011 - 3 C 36/10

bei uns veröffentlicht am 30.06.2011

Tatbestand 1 Der Kläger begehrt Ausgleichsleistungen nach § 8 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG).

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Der Aufsicht nach diesem Gesetz unterliegen nicht

1.
Personenvereinigungen, die ihren Mitgliedern, ohne dass diese einen Rechtsanspruch haben, Unterstützungen gewähren, insbesondere die Unterstützungseinrichtungen und Unterstützungsvereine der Berufsverbände;
2.
die auf Grund der Handwerksordnung von Innungen errichteten Unterstützungskassen;
3.
rechtsfähige Zusammenschlüsse von Industrie- und Handelskammern mit Verbänden der Wirtschaft, wenn diese Zusammenschlüsse den Zweck verfolgen, die Versorgungslasten, die ihren Mitgliedern aus Versorgungszusagen erwachsen, im Wege der Umlegung auszugleichen und wenn diese Zusammenschlüsse ihre Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung erlangt haben;
4.
nicht rechtsfähige Zusammenschlüsse von Gemeinden und Gemeindeverbänden, soweit sie bezwecken, durch Umlegung Schäden folgender Art aus Risiken ihrer Mitglieder und solcher zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben betriebener Unternehmen auszugleichen, an denen ein Mitglied oder mehrere kommunale Mitglieder oder, in den Fällen des Buchstabens b, sonstige Gebietskörperschaften mit mindestens 50 Prozent beteiligt sind:
a)
Schäden, für welche die Mitglieder oder ihre Bediensteten auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen von Dritten verantwortlich gemacht werden können,
b)
Schäden aus der Haltung von Kraftfahrzeugen,
c)
Leistungen aus der kommunalen Unfallfürsorge;
5.
Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, bei denen Versicherungsverhältnisse unmittelbar kraft Gesetzes entstehen oder infolge eines gesetzlichen Zwangs eingegangen werden müssen;
6.
die öffentlich-rechtlichen Krankenversorgungseinrichtungen des Bundeseisenbahnvermögens und die Postbeamtenkrankenkasse;
7.
die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und die Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost;
8.
Unternehmen mit örtlich eng begrenztem Wirkungsbereich, die für den Fall eines ungewissen Ereignisses gegen Pauschalentgelt Leistungen übernehmen, sofern diese nicht in einer Geldleistung, einer Kostenübernahme oder einer Haftungsfreistellung gegenüber Dritten bestehen, sowie
9.
die in § 176 Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch genannten Solidargemeinschaften.

(2) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu bestimmen, dass der Betrieb aller Versicherungsgeschäfte oder einzelner Arten von Versicherungsgeschäften mit dem in Artikel I Absatz 1 Buchstabe a bis c des Abkommens vom 19. Juni 1951 zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen (BGBl. 1961 II S. 1183, 1190) bezeichneten Personenkreis ganz oder teilweise nicht den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegt, soweit hierdurch im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Belange anderer Versicherter und die dauernde Erfüllbarkeit der sonstigen Versicherungsverträge nicht gefährdet werden.

(1) Der Aufsicht nach diesem Gesetz unterliegen

1.
Versicherungsunternehmen im Sinne des § 7 Nummer 33 und 34,
2.
Versicherungs-Holdinggesellschaften im Sinne des § 7 Nummer 31 sowie Unternehmen im Sinne des § 293 Absatz 4,
3.
Versicherungs-Zweckgesellschaften im Sinne des § 168,
4.
Sicherungsfonds im Sinne des § 223 und
5.
Pensionsfonds im Sinne des § 236 Absatz 1.

(2) Die in der Anlage 1 Nummer 22 bis 24 genannten Geschäfte fallen nur dann in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes, wenn sie von Versicherungsunternehmen betrieben werden, denen die Erlaubnis für eine der in der Anlage 1 Nummer 19 bis 21 genannten Versicherungssparten erteilt wurde; in diesem Fall werden diese Geschäfte Lebensversicherungsgeschäften gleichgestellt. Als Kapitalisierungsgeschäfte (Anlage 1 Nummer 23) gelten Geschäfte, bei denen unter Anwendung eines mathematischen Verfahrens die im Voraus festgesetzten einmaligen oder wiederkehrenden Prämien und die übernommenen Verpflichtungen nach Dauer und Höhe festgelegt sind. Geschäfte nach der Anlage 1 Nummer 24 bestehen in der Verwaltung von Versorgungseinrichtungen, die Leistungen im Todes- oder Erlebensfall oder bei Arbeitseinstellung oder bei Minderung der Erwerbsfähigkeit vorsehen; dazu gehören auch die Anlage und Verwaltung der Vermögenswerte. Bei Geschäften nach Satz 3 dürfen die Versicherungsunternehmen im Zusammenhang mit der Verwaltung auch Garantiezusagen für die Erhaltung des verwalteten Kapitals und das Erreichen einer Mindestverzinsung abgeben.

(3) Für öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen des öffentlichen Dienstes oder der Kirchen, die ausschließlich die Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung zum Gegenstand haben, gelten nur § 12 Absatz 1, die §§ 13, 37 Absatz 1, § 38 Absatz 1, die §§ 39, 47 Nummer 12 sowie die §§ 294 bis 298, 300, 302, 305 bis 307, §§ 310 bis 312 und 314. Für die nach Landesrecht errichteten und der Landesaufsicht unterliegenden Versicherungsunternehmen kann das Landesrecht Abweichendes bestimmen.

(4) Für Einrichtungen der in § 140 Absatz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Art gelten § 12 Absatz 1, die §§ 13, 37 Absatz 1, § 38 Absatz 1, § 39 sowie die §§ 294 bis 298, 300, 302, 305 bis 307, 310, 312 und 314 entsprechend. Beschlüsse der Vertreterversammlung über diese Einrichtungen sowie über deren Satzungen und Geschäftspläne bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde; § 8 Absatz 1, § 9 Absatz 1 bis 4 und § 11 gelten hierfür entsprechend.

(1) Der Aufsicht nach diesem Gesetz unterliegen nicht

1.
Personenvereinigungen, die ihren Mitgliedern, ohne dass diese einen Rechtsanspruch haben, Unterstützungen gewähren, insbesondere die Unterstützungseinrichtungen und Unterstützungsvereine der Berufsverbände;
2.
die auf Grund der Handwerksordnung von Innungen errichteten Unterstützungskassen;
3.
rechtsfähige Zusammenschlüsse von Industrie- und Handelskammern mit Verbänden der Wirtschaft, wenn diese Zusammenschlüsse den Zweck verfolgen, die Versorgungslasten, die ihren Mitgliedern aus Versorgungszusagen erwachsen, im Wege der Umlegung auszugleichen und wenn diese Zusammenschlüsse ihre Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung erlangt haben;
4.
nicht rechtsfähige Zusammenschlüsse von Gemeinden und Gemeindeverbänden, soweit sie bezwecken, durch Umlegung Schäden folgender Art aus Risiken ihrer Mitglieder und solcher zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben betriebener Unternehmen auszugleichen, an denen ein Mitglied oder mehrere kommunale Mitglieder oder, in den Fällen des Buchstabens b, sonstige Gebietskörperschaften mit mindestens 50 Prozent beteiligt sind:
a)
Schäden, für welche die Mitglieder oder ihre Bediensteten auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen von Dritten verantwortlich gemacht werden können,
b)
Schäden aus der Haltung von Kraftfahrzeugen,
c)
Leistungen aus der kommunalen Unfallfürsorge;
5.
Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, bei denen Versicherungsverhältnisse unmittelbar kraft Gesetzes entstehen oder infolge eines gesetzlichen Zwangs eingegangen werden müssen;
6.
die öffentlich-rechtlichen Krankenversorgungseinrichtungen des Bundeseisenbahnvermögens und die Postbeamtenkrankenkasse;
7.
die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und die Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost;
8.
Unternehmen mit örtlich eng begrenztem Wirkungsbereich, die für den Fall eines ungewissen Ereignisses gegen Pauschalentgelt Leistungen übernehmen, sofern diese nicht in einer Geldleistung, einer Kostenübernahme oder einer Haftungsfreistellung gegenüber Dritten bestehen, sowie
9.
die in § 176 Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch genannten Solidargemeinschaften.

(2) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu bestimmen, dass der Betrieb aller Versicherungsgeschäfte oder einzelner Arten von Versicherungsgeschäften mit dem in Artikel I Absatz 1 Buchstabe a bis c des Abkommens vom 19. Juni 1951 zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen (BGBl. 1961 II S. 1183, 1190) bezeichneten Personenkreis ganz oder teilweise nicht den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegt, soweit hierdurch im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Belange anderer Versicherter und die dauernde Erfüllbarkeit der sonstigen Versicherungsverträge nicht gefährdet werden.

Gründe

1

Der 1961 geborene Antragsteller ist als angestellter Rechtsanwalt Mitglied des Antragsgegners. Er wendet sich gegen die in der Satzung des Antragsgegners mit Wirkung vom 1. Januar 2010 enthaltene stufenweise Erhöhung des Renteneintrittsalters. Danach wird die Altersgrenze, mit der der Anspruch auf ungekürzte lebenslange Altersrente entsteht, für die ab dem 1. Januar 1949 Geborenen pro Jahrgang in 1-Monatsschritten von 65 Jahren auf 67 Jahre angehoben. Das Oberverwaltungsgericht lehnte den Normenkontrollantrag, mit dem der Antragsteller die Unwirksamerklärung der geänderten Fassung des § 10 Abs. 1 der Satzung des Antragsgegners vom 10. Oktober 2011 begehrte, ab.

2

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

3

1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht oder nicht hinlänglich geklärt ist und die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf (stRspr; vgl. z.B. Beschlüsse vom 17. August 2009 - BVerwG 6 B 9.09 - NVwZ 2009, 1569 = Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 166 und vom 9. September 2011 - BVerwG 8 B 15.11 - ZOV 2011, 226). Daran fehlt es hier.

4

Die vom Antragsteller aufgeworfene Frage,

ob es mit dem sich aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden Gebot des zumutbaren und transparenten Zugangs zu den Rechtsquellen vereinbar ist anzunehmen, dass durch eine über längeren Zeitraum praktizierte Bekanntmachungspraxis eine ungeschriebene normative Anpassung der Bekanntmachungsregelung herbeigeführt werden kann,

bezeichnet keine die Auslegung revisiblen Verfassungsrechts betreffende Rechtsfrage, sondern will die konkrete Subsumtion des Oberverwaltungsgerichts am verfassungsrechtlichen Maßstab überprüfen lassen. Welche Anforderungen das bundesverfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip an die Verkündung von Rechtsnormen stellt, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach enthält das Rechtsstaatsprinzip keine in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote und Verbote. Es bedarf der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten; dabei müssen allerdings fundamentale Elemente des Rechtsstaates und die Rechtsstaatlichkeit im Ganzen gewahrt bleiben (BVerfG, Beschluss vom 22. November 1983 - 2 BvL 25/81 - BVerfGE 65, 283 <290> m.w.N.). Grundsätzlich ist es Sache des Gesetzgebers, dem Rechtsstaatsprinzip bei der Normsetzung Rechnung zu tragen. Erst wenn sich bei Berücksichtigung aller Umstände - und nicht zuletzt der im Rechtsstaatsprinzip selbst angelegten Gegenläufigkeit - unzweideutig ergibt, dass rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind, kann eine Regelung als rechtsstaatswidrig beanstandet werden (BVerfG, Beschluss vom 22. November 1983 a.a.O.).

5

Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass förmlich gesetzte Rechtsnormen verkündet werden. Verkündung bedeutet regelmäßig, die Rechtsnormen der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich zu machen, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen können. Diese Möglichkeit darf nicht in unzumutbarer Weise erschwert sein. Konkrete weitere Gebote für die Ausgestaltung des Verkündungsvorganges im Einzelnen ergeben sich aus dem Rechtsstaatsprinzip unmittelbar nicht. Es obliegt vielmehr dem zuständigen Normgeber, das Verkündungsverfahren so auszugestalten, dass es seine rechtsstaatliche Funktion erfüllt, der Öffentlichkeit die verlässliche Kenntnisnahme vom geltenden Recht zu ermöglichen (BVerfG, Beschluss vom 22. November 1983 a.a.O. S. 291; BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2006 - BVerwG 10 CN 2.05 - BVerwGE 126, 388 <392> Rn. 17 = Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 185). Die Aufgabe der Konkretisierung obliegt dem Landesgesetzgeber, soweit die Regelung eines Normsetzungsverfahrens - wie hier - in seine Zuständigkeit fällt. Insoweit bleibt es grundsätzlich dem Gericht des Landes vorbehalten, Streitigkeiten über den Inhalt der konkretisierenden landesrechtlichen Bestimmungen durch deren Auslegung verbindlich zu entscheiden (vgl. Beschluss vom 11. September 2003 - BVerwG 4 CN 3.03 - DVBl 2004, 379 f.; Urteil vom 11. Oktober 2006 - BVerwG 10 CN 2.05 - a.a.O. m.w.N.). Die Auslegung der Bekanntmachungsregelung des § 35 der Satzung des Antragsgegners durch das Oberverwaltungsgericht unterliegt somit nicht revisionsgerichtlicher Überprüfung.

6

Allerdings folgen aus dem Rechtsstaatsprinzip Mindestanforderungen, denen eine Bekanntmachung unabhängig von ihrer gesetzlichen Konkretisierung genügen muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 1983 a.a.O. S. 290; BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2006 a.a.O. m.w.N.). Dazu gehört als zwingendes Bekanntmachungserfordernis die Möglichkeit einer verlässlichen Kenntnisnahme vom geltenden Recht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 1983 a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 18 m.w.N.). Um der Verlautbarungsfunktion, die der Bekanntmachung als letztem Akt des Rechtsetzungsverfahrens zukommt, gerecht zu werden, muss die Bekanntmachung einerseits zum Ausdruck bringen, dass Gegenstand der Publikation eine Rechtsnorm ist, und andererseits muss sie im Gegensatz zu einer bloß nachrichtlichen Information als amtliche Verlautbarung im Sinne eines zum Rechtsetzungsverfahren gehörigen Formalakts erkennbar sein. Weitergehende Anforderungen lassen sich aus der Funktion der Rechtsnormverkündung, den Bürgern ohne Schwierigkeit die Kenntnisnahme vom Erlass der Rechtsnorm zu ermöglichen, nicht ableiten (Urteil vom 11. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 19 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist bei der Veröffentlichung der Satzungsänderung im Staatsanzeiger ersichtlich gegeben, da es die Aufgabe des Staatsanzeigers ist, amtliche Verlautbarungen bekannt zu machen.

7

Auch die Forderung des Rechtsstaatsprinzips, dass bestehende Vorschriften über Bekanntmachungsformen eingehalten werden müssen (vgl. Urteil vom 11. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 20), ist gewahrt, da nach der nichtrevisiblen Auslegung des Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht § 35 der Satzung des Antragsgegners sich nicht auf die Bekanntgabe von Satzungen und Satzungsänderungen, sondern lediglich auf sonstige Bekanntmachungen bezieht und es damit für die Bekanntmachung von Satzungsänderungen bei der Regelung des § 4 des Verkündungsgesetzes verbleibt, der eine Veröffentlichung im Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz vorschreibt.

8

Den vom Antragsteller in diesem Zusammenhang in Bezug genommenen Art. 6 und Art. 10 EMRK sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union lassen sich weitergehende Anforderungen nicht entnehmen.

9

2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

10

a) Die Rüge des Antragstellers, das Oberverwaltungsgericht habe die Garantie des gesetzlichen Richters verletzt, weil es kein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof durchgeführt habe, greift nicht durch. Zwar kann in einem Verstoß gegen die durch Art. 267 AEUV begründete Pflicht zur Vorlage einer Frage über die Auslegung der Verträge oder über die Gültigkeit und die Auslegung von Rechtsakten der Stellen der Europäischen Union eine Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) liegen (stRspr; vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 - 2 BvL 12/88 u.a. - BVerfGE 82, 159 <192 ff.>; Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2011 - 1 BvR 1103/11 - NVwZ 2012, 297). Eine Pflicht zur Vorlage bestand für das Oberverwaltungsgericht jedoch nicht. Eine solche hätte nur bestanden, wenn es die Gültigkeit eines Rechtsakts der Stellen der Europäischen Union in Zweifel gezogen hätte (EuGH, Urteil vom 22. Oktober 1987 - Rs. C-314/85, Foto Frost - Slg. 1987, 4199 = NJW 1988, 1451); das ist nicht ersichtlich und wird vom Antragsteller auch nicht behauptet. Bei Fragen zur Auslegung des sekundären Gemeinschaftsrechts sind hingegen nur einzelstaatliche Gerichte, deren Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet. Das Oberverwaltungsgericht hat jedoch nicht in diesem Sinne als letztinstanzliches Gericht entschieden.

11

Im Übrigen wäre das Oberverwaltungsgericht auch als letztinstanzliches Gericht nicht zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet gewesen. Es unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, dass die vom Antragsteller angegriffene Regelung keine nach der Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf vom 27. November 2000 (ABl EU Nr. L 303 S. 16) verbotene Altersdiskriminierung darstellt. Die Richtlinie ist für das Versorgungswerk des Antragsgegners nicht einschlägig, weil dieses ein staatliches System der sozialen Sicherheit ist, auf die die Richtlinie nach ihrem Art. 3 Abs. 3, präzisiert durch den Erwägungsgrund 13, nicht anwendbar ist. Danach findet die Richtlinie keine Anwendung auf Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung des Art. 141 des EG-Vertrags (jetzt Art. 157 AEUV) gegeben wurde. Die Beiträge des Versorgungswerks werden ausschließlich von den Mitgliedern erbracht; Arbeitgeberbeiträge sind nicht vorgesehen. Deshalb sind die Leistungen des Versorgungswerks kein nachgezogenes Entgelt für die Arbeit (vgl. zum ärztlichen Versorgungswerk Urteil vom 25. Juli 2007 - BVerwG 6 C 27.06 - BVerwGE 129, 129 Rn. 38, 42 = Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 48).

12

Selbst wenn die Richtlinie anwendbar wäre, führte das nicht zu einer Vorlagepflicht. Gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für den Bezug von Altersrente die Verwendung von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt. Letzteres ist hier ausgeschlossen, da die Verschiebung der Altersgrenze geschlechtsunabhängig erfolgt. Der Antragsteller wendet sich auch nicht gegen die Altersgrenze als solche, sondern nur gegen die Verschiebung und stufenweise Anpassung von 65 auf 67 Jahre. Dass dieser die Richtlinie 2000/78/EG nicht entgegensteht, unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, der die vom Antragsteller geforderte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gebieten könnte.

13

b) Dass das Oberverwaltungsgericht schon vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist über die (Nicht-)Abhilfe entschieden hat, begründet keinen Verfahrensfehler, der nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Zulassung der Revision führen könnte. Das angefochtene Urteil kann hierauf nicht beruhen (vgl. Beschluss vom 17. März 1994 - BVerwG 3 B 12.94 - Buchholz 316 § 26 VwVfG Nr. 1). Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht nicht gegen Verfahrensrecht verstoßen. Es hat zwar den Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist nicht abgewartet. Hierzu bestand aber kein Anlass, nachdem die Beschwerdebegründung bereits eingegangen war und nichts darauf hindeutete, dass diese nicht abschließend sein sollte, vielmehr eine Ergänzung beabsichtigt gewesen wäre.

14

3. Soweit sich der Antragsteller darüber hinaus mit seiner Beschwerde weitgehend in Form einer Berufungsbegründung gegen die Richtigkeit des Urteils des Oberverwaltungsgerichts wendet, kann dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen.

15

Von einer weiteren Darlegung der Gründe wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist vorrangig ein Anspruch der Klägerin auf Altersrente für langjährig Versicherte und dabei insbesondere, ob sie die Wartezeit von 35 Jahren aufgrund zusätzlich anzuerkennender Berücksichtigungszeiten wegen nicht erwerbsmäßiger Pflege erfüllt hat.

2

Die 1939 geborene Klägerin bezog für ihren 1972 geborenen, im Januar 2002 verstorbenen schwerbehinderten Sohn seit November 1979 Hilfe zur Pflege (Pflegegeld); die Sozialhilfeleistung wurde Ende der 1980er Jahre wegen Überschreitens der Einkommensgrenze eingestellt. Anlässlich der Übersendung eines Versicherungsverlaufs bat die Klägerin nach einem von ihr vorgelegten Schreiben vom 15.3.1989 die LVA Hannover (deren Rechtsnachfolge im Jahr 2005 die DRV Braunschweig-Hannover antrat - im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) um Auskunft, ob für ihren pflegebedürftigen Sohn weitere Beitragszeiten anerkannt werden könnten; eine Antwort hat sie nach ihren Angaben nicht erhalten. Nach Inkrafttreten des SGB XI übersandte ihr die beigeladene Pflegekasse am 6.3.1995 ein Antragsformular zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen samt Beratungsblatt. Die Klägerin reichte den Antrag vom 25.3.1995 an die Beigeladene zurück und gab dabei an, ihren Sohn seit 1979 im Umfang von derzeit 17,5 Stunden pro Woche zu pflegen. Ihren am 5.7.1996 gestellten Antrag auf rückwirkende Anerkennung ihrer Pflegetätigkeit ab 1.11.1979 als rentenversicherungspflichtige Beschäftigung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.2.1997 ab, weil die Klägerin weder den erforderlichen Antrag für eine - ohnehin erst ab 1.1.1992 in Frage kommende - Vormerkung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege gestellt noch in dieser Zeit freiwillige Beiträge, die in Pflichtbeiträge umgewandelt werden könnten, entrichtet habe. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

3

Im März 2002 beantragte die Klägerin Altersrente für langjährig Versicherte. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da lediglich 31 Jahre und 11 Monate an rentenrechtlichen Zeiten auf die hierfür erforderliche Wartezeit von 35 Jahren anzurechnen seien (Bescheid vom 28.3.2002, Widerspruchsbescheid vom 17.12.2002). Ab 1.7.2004 bewilligte sie Regelaltersrente auf der Grundlage von 14,8049 persönlichen Entgeltpunkten iHv monatlich - einschließlich Zuschuss zur privaten Krankenversicherung - 414,51 Euro (Rentenbescheid vom 23.6.2004).

4

Die ursprünglich gegen die ablehnenden Bescheide vom 28.3. bzw 17.12.2002 gerichtete Klage nahm die Klägerin - nach Sachverhaltsaufklärung auch zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen Beratungsmangels - in der mündlichen Verhandlung am 22.4.2004 zurück, widerrief diese Erklärung aber mit Schreiben vom selben Tag. Das SG wies mit Urteil vom 25.8.2005 die Klage als in der Sache unbegründet ab, wobei es offenließ, ob eine Anfechtung der Klagerücknahme überhaupt möglich sei. Ihre Berufung gegen diese Entscheidung nahm die Klägerin im März 2006 zurück.

5

Mit Schreiben vom 13.7.2006 beantragte die Klägerin eine Überprüfung der ablehnenden Rentenbescheide vom 28.3. bzw 17.12.2002 sowie des Bewilligungsbescheids über Regelaltersrente vom 23.6.2004, da das Erfordernis eines Antrags für die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege zu einer Ungleichbehandlung führe und daher verfassungswidrig sei. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 31.7.2006, Widerspruchsbescheid vom 6.10.2006).

6

Das SG hat die auf Gewährung einer Altersrente für langjährig Versicherte sowie einer höheren Regelaltersrente gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 16.12.2008). Es hat sich in seiner Entscheidung ausschließlich mit dem Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte auseinandergesetzt und ausgeführt, ein gewichtiges Indiz für die Verfassungsmäßigkeit der bis zum 31.3.1995 geltenden Regelung in § 57 Abs 2 SGB VI sei ihre quasi wortgleiche Wiederholung in § 249b SGB VI. In Bezug auf Art 14 GG sei fraglich, ob der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts überhaupt eröffnet sei; jedenfalls aber sei das Grundrecht aufgrund zulässiger Gemeinwohlerwägungen nicht verletzt. Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sei eine Fristsetzung zweckmäßig, da sowohl für den Versicherten als auch für den Versicherungsträger Gewissheit bestehen müsse, dass nach Ablauf eines bestimmten Datums keine Anträge und ggf Neuberechnungen hinsichtlich Rentenanträgen oder bestehender Renten mehr erfolgen könnten. Zudem lasse sich im Nachhinein in der Regel nur mit größten Schwierigkeiten oder gar nicht mehr aufklären, ob und in welchem Umfang Pflege geleistet worden sei. Ebenso wenig sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, da der Versicherte es selbst in der Hand habe, durch sein Verhalten die Berücksichtigungszeiten zu erlangen. Aus denselben Gründen stehe auch der Gleichheitsgrundsatz der Regelung nicht entgegen.

7

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 14.7.2010). Im Berufungsurteil, das sich lediglich mit dem Anspruch auf höhere Regelaltersrente befasst, ist im Wesentlichen ausgeführt, die zur Überprüfung gestellten Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig, da die Klägerin mit ihrem Antrag vom "5.6.1996" (gemäß Tatbestand zutreffend: 5.7.1996) die Antragsfrist nach § 249b S 1 SGB VI - bis 30.6.1995 - versäumt habe. Eine Wiedereinsetzung nach § 27 Abs 1 SGB X scheitere daran, dass die Jahresfrist gemäß Abs 3 der Vorschrift abgelaufen sei. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei nicht gegeben, weil der Beklagten gegenüber der Klägerin keine Pflicht zur Spontanberatung oblegen habe; seit Inkrafttreten der Vorschrift zu den Pflege-Berücksichtigungszeiten am 1.1.1992 habe diese weder Kontakt mit der Klägerin noch Kenntnis davon gehabt, dass sie Pflegetätigkeiten ausführe. Eine klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeit zugunsten der Klägerin habe sich der Beklagten auch angesichts der schon Jahre zurückliegenden Anfrage vom 15.3.1989 nicht aufdrängen müssen. Zudem fehle es daran, dass eine Pflichtverletzung zumindest gleichwertig einen dem Sozialleistungsträger zurechenbaren sozialrechtlichen Nachteil verursacht habe; insoweit hat das LSG auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

8

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin in erster Linie, das fristgebundene Antragserfordernis für die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege im Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 gemäß § 57 Abs 2 SGB VI aF bzw § 249b S 2 SGB VI sei mit Art 3 Abs 1 GG unvereinbar. Denn das Gesetz behandele die Gruppe der Pflegepersonen hinsichtlich der Anerkennung von Pflegezeiten als Berücksichtigungszeiten anders als die Gruppe der Kinder erziehenden Versicherten, die für die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gemäß § 57 Abs 1 SGB VI aF keine Ausschlussfristen beachten müssten, diese vielmehr auch noch im Rahmen späterer Kontenklärungsverfahren erstmals geltend machen könnten. Es bestünden keine hinreichend gewichtigen Sachgründe zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Das Interesse der Rentenversicherungsträger an einer möglichst zeitnahen Feststellung der maßgeblichen Umstände genüge hierfür nicht, weil nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast es ohnehin zu Lasten der Pflegeperson gehe, wenn später diese Umstände nicht mehr nachweisbar seien. Die Ausschlussfrist erschwere daher die Anerkennung einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege in unnötiger Weise. Auch der laut Gesetzesbegründung angestrebte Gleichklang mit den Voraussetzungen für eine freiwillige Beitragszahlung von Pflegepersonen (§ 177 SGB VI aF bzw § 279e SGB VI - letztgenannte Norm zum 31.12.2011 aufgehoben) könne die Antragsfrist nicht rechtfertigen: Was im Beitragsrecht zur Vermeidung der nachträglichen Veränderung einer bereits durchgeführten Versicherung sachgerecht sei, lasse sich auf die Anrechnung einer Berücksichtigungszeit nicht übertragen, da diese keine Beitragszahlung voraussetze.

9

Eine Ungleichbehandlung ergebe sich aber auch im Vergleich zu anderen beitragsfreien Zeiten (Ersatzzeiten, Anrechnungszeiten, Zurechnungszeiten), bei denen allesamt kein fristgebundenes Antragserfordernis normiert sei. Auch hierfür seien sachlich rechtfertigende Gründe nicht ersichtlich. Vielmehr indiziere die singuläre Behandlung der Pflege-Berücksichtigungszeiten einen Systembruch und damit eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Da wegen des klaren Wortlauts keine verfassungskonforme Auslegung möglich sei, bedürfe es einer Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung.

10

Ungeachtet dessen habe das LSG zu Unrecht einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verneint. Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, sie - die Klägerin - anlässlich ihres Auskunftsersuchens vom 15.3.1989 und weiterer Kontakte in den Jahren 1992, 1993 und 1994 über die Ausschlussfrist zu beraten. Wegen des "Meistbegünstigungsprinzips" hätte ihre Anfrage nach weiteren "Beitragszeiten" für den pflegebedürftigen Sohn umfassend - auch mit einem Hinweis auf die Möglichkeit der Beantragung beitragsloser Berücksichtigungszeiten - beantwortet werden müssen, zumal die zum 1.1.1992 erfolgte Einführung der Berücksichtigungszeiten wegen Pflege damals bereits in Kraft getreten gewesen sei. Es sei der Sozialverwaltung zumutbar, eine aktuell bearbeitete Akte auf noch unerledigte Anträge und Auskunftsersuchen zu überprüfen. Dass die Akte zwischenzeitlich "verlegt" gewesen sei, dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen. Aufgrund des unterbliebenen Hinweises auf einen möglichen Antrag nach § 57 Abs 2 SGB VI aF sei ihr ein sozialrechtlicher Nachteil entstanden. Denn bei Kenntnis dieses Erfordernisses hätte sie einen solchen Antrag in jedem Fall gestellt. Da nur dessen Fehlen zur Nichterfüllung der Wartezeit für eine Altersrente für langjährig Versicherte geführt habe, sei sie im Wege des Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob sie rechtzeitig die Anerkennung der Zeit vom 1.1.1992 bis 31.3.1995 als Berücksichtigungszeit wegen Pflege beantragt habe.

11

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14. Juli 2010, das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 16. Dezember 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Oktober 2006 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, den Ablehnungsbescheid vom 28. März 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2002 zurückzunehmen und ab 1. Juli 2002 Altersrente für langjährig Versicherte zu gewähren,

hilfsweise, die genannten Urteile und Bescheide aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, den Rentenbescheid vom 23. Juni 2004 zurückzunehmen und höhere Regelaltersrente unter Anrechnung des Zeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 31. März 1995 als Berücksichtigungszeit wegen Pflege zu gewähren.

12

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend weist sie darauf hin, ein möglicher Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung hinsichtlich des Antragserfordernisses von Zeiten der Pflege und Zeiten der Kindererziehung könne darin liegen, dass die Erziehung eines Kindes durch einen Elternteil im Regelfall unterstellt werden könne, während der Nachweis der Pflege eines Angehörigen für lange zurückliegende Zeiträume schwierig sei. Im Übrigen sei vorrangig das Bestehen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu prüfen. Sie - die Beklagte - habe jedoch keine Beratungspflichten verletzt. Sie könne auch nach Auswertung bereits mikroverfilmter Aktenbestandteile nicht feststellen, dass das von der Klägerin angeführte Schreiben vom 15.3.1989 überhaupt bei ihr eingegangen sei. Der Rechtsmeinung, dass der Rentenversicherungsträger bei jedem neuen "Geschäftsvorfall" den bisherigen Vorgang ohne konkreten Anlass vollständig darauf zu überprüfen habe, ob durch zwischenzeitlich eingetretene Rechtsänderungen alte Aktenbestandteile eine neue Relevanz erhalten hätten, sei aus zeitlichen und arbeitstechnischen Gründen nicht zu folgen.

14

Die Beigeladene verweist auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden vorinstanzlichen Entscheidungen, sieht aber von einer eigenen Antragstellung ab.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das LSG hat ihre Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen, denn der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 31.7.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.10.2006 ist rechtmäßig (§ 170 Abs 1 S 1 iVm § 54 Abs 2 S 1 SGG). Die Klägerin kann von der Beklagten weder die Rücknahme des eine Altersrente für langjährig Versicherte versagenden Bescheids vom 28.3.2002 und Gewährung entsprechender Leistungen ab 1.7.2002 beanspruchen noch (im Sinne des Hilfsantrags) die Zahlung höherer Regelaltersrente ab 1.7.2004 unter Änderung des Bescheids über die Regelaltersrente vom 23.6.2004. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es abgelehnt hat, den Zeitraum vom 1.1.1992 bis 31.3.1995, in dem die Klägerin ihren behinderten Sohn pflegte, oder Teile davon als Berücksichtigungszeit wegen Pflege iS des § 249b SGB VI anzuerkennen.

16

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der eine Rücknahme vorangegangener Entscheidungen ablehnende Bescheid der Beklagten vom 31.7.2006 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.10.2006), und zwar sowohl hinsichtlich einer Korrektur des Altersrente für langjährig Versicherte versagenden Bescheids vom 28.3.2002 als auch in Bezug auf eine Änderung des Regelaltersrente bewilligenden Bescheids vom 31.7.2006. Die Klägerin hat von Anfang an stets eine Überprüfung beider Bescheide verlangt. Bei sachgemäßer Auslegung (vgl § 123 SGG) war ihr Begehren von vornherein als - ihr Ziel weitestgehend verwirklichender - Hauptantrag auf Gewährung von Altersrente für langjährig Versicherte unter Einbeziehung des Zeitraums 1.1.1992 bis 31.3.1995 (39 Monate) als Berücksichtigungszeit wegen Pflege zu behandeln. Nur für den Fall von dessen Ablehnung sollte höhere Regelaltersrente unter Einbeziehung möglichst vieler Monate einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege eingefordert werden. Die Beklagte hat zumindest im Widerspruchsbescheid vom 6.10.2006 auch über dieses umfassende Begehren entschieden (vgl § 95 SGG). Wenn sich - wie hier - das SG nur mit dem Hauptantrag befasst und den Hilfsantrag übergangen hat, war das Berufungsgericht ohne vorheriges Urteilsergänzungsverfahren (vgl § 140 SGG) verpflichtet, auch über den Hilfsantrag zu entscheiden (§ 157 S 1 SGG - s hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 157 RdNr 2a). Auch wenn sich das LSG in seinem Urteil ausschließlich mit dem (Hilfs-)Antrag auf höhere Regelaltersrente auseinandergesetzt hat, muss bei sachgerechter Zusammenschau davon ausgegangen werden, dass es den im Tatbestand seines Urteils wiedergegebenen Hauptantrag nicht übergangen, sondern - zumindest konkludent - ebenfalls als nicht begründet beurteilt hat. Denn mit der Ablehnung jeglicher Berücksichtigungszeiten wegen Pflege mussten notwendigerweise sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag der Klägerin scheitern. Damit ist aber auch der Hauptantrag Gegenstand der Überprüfung im Revisionsverfahren (zur vereinzelt bejahten Möglichkeit des "Heraufholens" vom LSG versehentlich übergangener Verfahrensgegenstände in die Revisionsinstanz vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 27).

17

2. Als Rechtsgrundlage für eine Aufhebung des Altersrente für langjährig Versicherte versagenden Bescheids vom 28.3.2002 oder für eine Änderung des Bescheids über die Regelaltersrente vom 23.6.2004 kommt nur § 44 Abs 1 S 1 SGB X in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit ua zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

18

Ihrer Anwendung steht auch in Bezug auf den Bescheid vom 28.3.2002 nicht entgegen, dass dessen Rechtmäßigkeit bereits Gegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens war, das rechtskräftig mit einer Abweisung der Klage als unbegründet endete (Urteil des SG Lüneburg vom 25.8.2005 zum Az S 4 RJ 86/04 WA - zuvor S 4 RJ 8/03). Zwar ist dadurch der genannte Bescheid für die Beteiligten in der Sache bindend geworden (§ 77 SGG). Eine Bindung besteht jedoch nur, "soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist". In diesem Sinne ist § 44 SGB X eine gesetzliche Bestimmung, die eine Durchbrechung der Bindungswirkung zulässt(vgl BSG SozR 2200 § 1268 Nr 29 S 91, 94). Sie vermittelt einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts unabhängig davon, ob dieser durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 96, 227 = SozR 4-2600 § 315a Nr 3, RdNr 14; BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12 - jeweils mwN). Aus dem Urteil des 9. Senats vom 3.2.1988 (BSGE 63, 33, 35 = SozR 1300 § 44 Nr 33 S 89) ergibt sich nichts Gegenteiliges.

19

3. Die Beklagte hat mit der Ablehnung eines Anspruchs auf Altersrente für langjährig Versicherte im Bescheid vom 28.3.2002 iS des § 44 Abs 1 S 1 SGB X das Recht nicht unrichtig - was hier allein in Betracht kommt -, sondern zutreffend angewandt.

20

a) Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Klägerin auf Altersrente für langjährig Versicherte ist § 236 Abs 1 SGB VI(gemäß § 300 Abs 2 SGB VI hier noch anzuwenden in der ab 1.1.2000 geltenden Fassung des RRG 1999 vom 16.12.1997, BGBl I 2998; ab 1.1.2002 s auch Neubekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754). Vor dem 1.1.1948 geborene Versicherte haben nach S 1 der Vorschrift frühestens Anspruch auf eine solche Rente, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Nach S 2 bis 4 (aaO) wird diese Altersgrenze für nach dem 31.12.1936 geborene Versicherte nach Maßgabe der Anlage 21 zum SGB VI angehoben, wobei eine vorzeitige Inanspruchnahme möglich ist (mit entsprechenden Abschlägen gemäß § 77 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a SGB VI). Anlage 21 zum SGB VI enthält für Versicherte, die zwischen Januar 1939 und Dezember 1947 geboren sind, nach dem Gesamtzusammenhang der Regelung - ebenso wie für im Dezember 1938 und im Januar 1948 Geborene - eine Anhebung der Altersgrenze auf 65 Jahre sowie die Möglichkeit zur vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente ab dem 63. Lebensjahr.

21

Die 1939 geborene Klägerin hatte am 1.7.2002 ihr 63. Lebensjahr vollendet und erfüllte somit die altersmäßige Voraussetzung für eine (vorzeitige) Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte. Sie hatte jedoch, wie das SG festgestellt und worauf das LSG Bezug genommen hat, zu diesem Zeitpunkt ohne Berücksichtigung der streitbefangenen Berücksichtigungszeiten wegen Pflege ihres Sohnes im Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 lediglich 31 Jahre und 11 Monate an rentenrechtlichen Zeiten (§ 51 Abs 3 SGB VI)aufzuweisen, die auf die Wartezeit von 35 Jahren angerechnet werden können. Ein Anspruch der Klägerin auf eine Altersrente für langjährig Versicherte ab 1.7.2002 besteht somit nur, wenn bis dahin wenigstens weitere 37 Monate an rentenrechtlichen Zeiten, zu denen gemäß § 54 Abs 1 Nr 3 SGB VI auch Berücksichtigungszeiten gehören, anzurechnen wären. Das ist jedoch nicht der Fall.

22

b) Eine Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege im Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 (= 39 Monate) kommt nicht in Betracht.

23

Nach § 249b S 1 SGB VI(in der ab 1.4.1995 und bis heute unverändert geltenden Fassung des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014; zuvor weitgehend inhaltsgleich mWv 1.1.1992 § 57 Abs 2 SGB VI idF des RRG 1992 vom 18.12.1989, BGBl I 2261) sind Berücksichtigungszeiten "auf Antrag" auch Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege eines Pflegebedürftigen in der Zeit vom 1.1.1992 bis zum 31.3.1995, solange die Pflegeperson (1.) wegen der Pflege berechtigt war, Beiträge zu zahlen oder die Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge zu beantragen, und (2.) nicht zu den in § 56 Abs 4 SGB VI genannten Personen gehört, die von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen sind. Gemäß S 2 der Vorschrift wird die Zeit der Pflegetätigkeit von der Aufnahme der Pflegetätigkeit an als Berücksichtigungszeit angerechnet, wenn der Antrag bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach Aufnahme der Pflegetätigkeit gestellt wird.

24

aa) Hiernach ist - ungeachtet weiterer Voraussetzungen insbesondere hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Pflegetätigkeit - die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege von einem Antrag der Pflegeperson (nicht: der zu pflegenden Person) abhängig (zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung RdNr 41 ff), zu deren Gunsten die Zeit rentenrechtlich wirksam werden soll (Dankelmann in juris-PK SGB VI, 2. Aufl 2013, § 249b RdNr 44). Die zeitliche Wirkung des Antrags ergibt sich aus § 249b S 2 SGB VI. Um bei einem Beginn der Pflegetätigkeit vor 1992 - wie im vorliegenden Fall - den vollen denkbaren Zeitraum (1.1.1992 bis 31.3.1995) als Berücksichtigungszeit gutgeschrieben zu erhalten, hätte die Klägerin einen entsprechenden Antrag spätestens am 31.3.1992 stellen müssen, da bei einer bereits länger als drei Monate - hier: seit November 1979 - aufgenommenen Pflegetätigkeit die Berücksichtigungszeit erst ab dem Tag des Antragseingangs angerechnet werden kann (Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 249b RdNr 3, 18, Stand Juni 2012). Eine Antragstellung nach diesem Zeitpunkt hätte nur zu einer entsprechend kürzeren Berücksichtigungszeit führen können; letztmöglicher Antragszeitpunkt (zur Anerkennung einer Berücksichtigungszeit für den Monat März 1995) war demnach der 31.3.1995 (vgl Löschau in ders, SGB VI, Stand August 2013, § 249b RdNr 17; Bergner ua, KomGRV, § 249b SGB VI Anm 3, Stand Oktober 2003; Försterling in Ruland/Försterling, Gemeinschaftskomm zum SGB VI, § 249b RdNr 13, Stand Mai 2005). Das von den Vorinstanzen für maßgeblich gehaltene Datum 30.6.1995 ist hier nicht einschlägig. Vielmehr markiert es lediglich den letzten denkbaren Antragszeitpunkt für den Fall, dass eine Pflegetätigkeit erst im März 1995 begann.

25

Sämtliche möglichen Antragszeitpunkte hat die Klägerin jedoch versäumt. Denn sie hat einen Antrag auf Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege erst am 5.7.1996 bei der Beklagten gestellt.

26

bb) Auch die Regelungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB X) kommen der Klägerin nicht zugute. Dies gilt schon deshalb, weil bei Einreichung des Antrags auf Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege im Juli 1996 die Jahresfrist gemäß § 27 Abs 3 SGB X längst abgelaufen war.

27

cc) Ebenso wenig kann sie auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beanspruchen, so behandelt zu werden, als ob sie den Antrag auf Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege bereits am 31.3.1992 - dem spätesten Zeitpunkt, um die erforderlichen 37 Monate solcher Zeiten angerechnet zu erhalten - gestellt hätte.

28

In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass das richterrechtliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auch neben der gesetzlichen Wiedereinsetzungsregelung in § 27 SGB X (soweit einschlägig) anwendbar ist. Der Herstellungsanspruch erfordert eine Pflichtverletzung eines Sozialleistungsträgers und einen hierdurch beim Betroffenen hervorgerufenen rechtlichen Nachteil auf dem Gebiet des Sozialrechts; als Rechtsfolge ist der Zustand wiederherzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, wobei dies nur durch eine an sich zulässige Amtshandlung geschehen darf (BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 13 RdNr 26 mwN; BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 12 AL 2/12 R - Juris RdNr 19, zur Veröffentlichung in SozR 4-4300 § 28a Nr 5 vorgesehen).

29

Die genannten Voraussetzungen liegen auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG, die von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen wurden und daher für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), nicht vor. Als Pflichtverletzung, die gegebenenfalls einen Herstellungsanspruch auslösen kann, kommt vorliegend nur eine unzureichende Beratung der Klägerin durch die Beklagte über ihre Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Erlangung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege in Betracht (vgl § 14 SGB I).

30

(1) Die Klägerin macht insoweit geltend, sie habe die Beklagte mit Schreiben vom 15.3.1989 ua um Auskunft gebeten, ob für ihren Sohn "weitere Beitragszeiten anerkannt werden könnten, da er seit 1979 schwerbehindert und pflegebedürftig ist", hierauf aber keine Antwort erhalten. Bei ordnungsgemäßer Behandlung ihres Auskunftsersuchens wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, auch zu sonstigen anerkennungsfähigen Zeiten im Zusammenhang mit dem geschilderten Sachverhalt umfassend Auskunft zu geben und dabei auf die Möglichkeiten der Beantragung beitragsloser Berücksichtigungszeiten wegen Pflege hinzuweisen. Das LSG-Urteil enthält jedoch keine Feststellungen dazu, dass diese Anfrage die Beklagte überhaupt erreicht hat. Im Tatbestand (S 2 aaO) ist lediglich der oben erwähnte Vortrag der Klägerin wiedergegeben; die Entscheidungsgründe (S 7 aaO) enthalten keine weitergehenden Feststellungen zum Inhalt der Anfrage oder dazu, ob sie bei der Beklagten - was diese ausdrücklich in Frage stellt - eingegangen ist. Dennoch bedarf es keiner Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung.

31

Denn selbst wenn die Tatsachenbehauptungen der Klägerin zu ihren Gunsten als wahr unterstellt werden, ergibt sich aus ihnen kein Herstellungsanspruch. Zwar stünde dann ein Beratungsmangel iS von § 14 SGB I - in Gestalt der Nichterteilung einer erbetenen Beratung - fest. Dies hätte jedoch zum damaligen Zeitpunkt im Frühjahr 1989 nicht kausal zu einem sozialrechtlichen Nachteil bei der Klägerin führen können. Bei Durchführung der Beratung hätte die Beklagte der Klägerin damals lediglich mitteilen können, dass nach geltender Rechtslage keine weiteren Beitragszeiten oder sonstige rentenrechtlichen Zeiten wegen der Pflegebedürftigkeit ihres Sohnes anzuerkennen seien. Hieraus hätte sich für die Klägerin kein Erfordernis einer späteren Antragstellung zur Erlangung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege erschlossen, was zur Folge hat, dass ohne die (behauptete) Pflichtverletzung kein für die Klägerin günstigerer Rechtszustand eingetreten wäre, der mit Hilfe des Herstellungsanspruchs nunmehr verwirklicht werden könnte.

32

Die Beklagte war im März 1989 auch nicht dazu verpflichtet, auf eine möglicherweise künftig günstigere, mit dem Erfordernis einer rechtzeitigen Antragstellung verbundene Rechtslage hinzuweisen, falls der am 7.3.1989 erstmals in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachte Entwurf des RRG 1992 (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vom 7.3.1989, BT-Drucks 11/4124) in Gestalt der dort in § 57 Abs 2 SGB VI neu aufgenommenen Regelung geltendes Recht würde. Denn der Anspruch auf Beratung nach § 14 SGB I umfasst nur die Beratung über die bestehenden "Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch", nicht aber auch über den Inhalt von bloßen Gesetzentwürfen, die weder vom Parlament verabschiedet noch verkündet sind(s BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 5 RdNr 9 - zum Fall einer neu eingeführten antragsabhängigen Leistung nach dem LBliGG Sachsen - sowie BSG SozR 3-3200 § 86a Nr 2 S 6 - zum Fall der 1987 neu eingeführten antragsabhängigen Arbeitslosenbeihilfe nach § 86a Abs 1 S 2 SVG iVm § 100 Abs 1 AFG für Soldaten auf Zeit).

33

Nichts anderes ergibt sich, wenn der Zeitraum nach Verkündung des RRG 1992 am 28.12.1989 (vgl BGBl I 1989 Nr 60 S 2261) in den Blick genommen wird. Dann wäre zwar die (unterstellte) Anfrage der Klägerin immer noch unbeantwortet gewesen. Außerdem hätte die Beklagte auf eine zu diesem Zeitpunkt gestellte Anfrage der Klägerin mitteilen müssen, dass nach der gesetzlichen Regelung ab 1992 Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege im Umfang von regelmäßig mindestens 10 Stunden pro Woche auf einen entsprechenden - fristgebundenen - Antrag hin entweder als Pflichtbeitragszeiten oder als Berücksichtigungszeiten (§ 57 Abs 2 iVm § 177 SGB VI aF)angerechnet werden können (vgl BSG SozR 4-3800 § 1 Nr 9 RdNr 35; s hierzu auch Bergner ua, KomGRV, § 14 SGB I RdNr 5 S 8, Stand März 2007). Gleichwohl vermag - jedenfalls in einer Konstellation wie der hier vorliegenden - eine fehlende Antwort der Beklagten auf das Schreiben der Klägerin vom 15.3.1989 einen Herstellungsanspruch nicht zu begründen.

34

Denn wenn ein Betroffener, der auf ein Auskunftsersuchen keine Antwort erhält, nach einer angemessenen Wartefrist die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Aufklärung, ob seine Anfrage bei dem zur Beratung verpflichteten Leistungsträger überhaupt angekommen ist oder welche Gründe für das Ausbleiben einer Antwort bestehen, nicht wahrnimmt, so kann er aus dem Unterbleiben der Beratung keinen Herstellungsanspruch mehr herleiten. Ein Betroffener in solcher Lage hat Kenntnis von seinem Informationsdefizit; ihm kann deshalb zugemutet werden, seine Anfrage in angemessener Frist zu wiederholen, zumal er sein Beratungsbegehren gegenüber der Behörde nötigenfalls prozessual durchsetzen kann (BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1 RdNr 24; s auch Schmidt-De Caluwe, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, 1992, S 514, der einen Herstellungsanspruch nur bejaht, wenn die versäumte Frist "zwischenzeitlich" - also innerhalb der angemessenen Wartefrist - abgelaufen ist). Eine Nachfrage wegen der bislang unterbliebenen Antwort liegt auch deshalb nahe, weil es hierfür die unterschiedlichsten Gründe geben kann: Neben dem (pflichtwidrigen) Unterlassen einer rechtzeitigen Auskunft kann auch das Auskunftsersuchen oder die Auskunft auf dem Postweg oder behördenintern verloren gegangen sein; denkbar ist ferner, dass die Anfrage von der Klägerin versehentlich nicht abgeschickt oder die Antwort von ihr übersehen oder versehentlich vernichtet wurde.

35

Nicht vertieft zu werden braucht in diesem Zusammenhang, ob die Beschränkung des Herstellungsanspruchs aus dem generellen Vorrang des Primärrechtsschutzes im Verhältnis zwischen Bürger und Staat herzuleiten ist, der es dem Bürger versagt, eine rechtswidrige staatliche Beeinträchtigung freiwillig hinzunehmen und stattdessen hierfür Schadensersatz zu verlangen (vgl BSGE 105, 100 = SozR 4-1100 Art 104a Nr 1, RdNr 17 mwN), ob die Begrenzung des Herstellungsanspruchs aus Nebenpflichten und Obliegenheiten folgt, die sich auch für den Leistungsberechtigten aus dem Sozialrechtsverhältnis ergeben (so BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 75/12 R - RdNr 24 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 16 Nr 13 vorgesehen), oder ob es in diesen Fällen bereits an der Kausalität der behördlichen Pflichtverletzung iS einer wesentlichen - zumindest gleichwertigen - Bedingung für die Beeinträchtigung eines sozialen Rechts fehlt (so BSGE 91, 1 = SozR 4-2600 § 115 Nr 1 - Leitsatz 2 und RdNr 62). Im Ergebnis besteht jedenfalls Übereinstimmung, dass unter den genannten Voraussetzungen kein Herstellungsanspruch wegen unterlassener Beratung besteht.

36

Eine solche Konstellation liegt hier vor, sofern das tatsächliche Vorbringen der Klägerin als wahr unterstellt wird. Diese hat mit ihrer Revision selbst nicht vorgetragen, dass sie ihre (behauptete) Anfrage vom 15.3.1989, die von der Beklagten unbeantwortet geblieben sei, zu irgendeinem späteren Zeitpunkt erneuert oder Informationen zu den Gründen der unterbliebenen Antwort eingeholt habe; auch das LSG hat solches nicht festgestellt. Damit scheidet ein Herstellungsanspruch als Folge einer unterlassenen Beantwortung des Schreibens der Klägerin vom 15.3.1989 durch die Beklagte aus. Wie zu entscheiden wäre, wenn die Antragsfrist gerade in dem Zeitraum abgelaufen wäre, während dessen die Klägerin mit einer Antwort durch die Beklagte auch ohne Nachfrage hat rechnen dürfen, kann dahinstehen; zum hier maßgeblichen Zeitpunkt Ende März 1992 war dies jedenfalls nicht mehr der Fall.

37

(2) Weiterhin leitet die Klägerin eine Pflicht der Beklagten zur Beratung über das Antragserfordernis hinsichtlich der Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege ab 1.1.1992 daraus ab, dass nach Verkündung des RRG 1992 erneut Kontakte in rentenrechtlichen Angelegenheiten stattgefunden hätten, nämlich im Zusammenhang mit einem Antrag vom 2.11.1992 auf Beitragsnachzahlung bei Heiratserstattung und weiteren Vorgängen in den Jahren 1993 und 1994; jedenfalls zu diesen Zeitpunkten hätte die Beklagte sie über die bereits konkret eingetretene Änderung der Rechtslage beraten müssen.

38

Eine Würdigung dieses Sachverhalts durch das Revisionsgericht ist jedoch ausgeschlossen. Denn es handelt sich insoweit um völlig neues tatsächliches Vorbringen, das in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden kann (vgl BSGE 9, 266, 271; Lüdtke in ders, SGG, 4. Aufl 2012, § 163 RdNr 3). Im angefochtenen Urteil des LSG finden sich keinerlei Feststellungen zu solchen Kontakten. Dort ist - anders als hinsichtlich der Geltendmachung eines Herstellungsanspruchs aufgrund des Schreibens vom 15.3.1989 - nicht einmal ein entsprechendes Vorbringen der Klägerin in erster oder zweiter Instanz zur Untermauerung ihres Anspruchs erwähnt (vgl § 136 Abs 2 S 2 SGG). Wiederaufnahmegründe in Bezug auf diese tatsächlichen Umstände sind ebenfalls nicht ersichtlich.

39

Im Übrigen könnte ein Herstellungsanspruch aufgrund eines Beratungsfehlers der Beklagten anlässlich des ersten vorgetragenen Kontakts im November 1992 allenfalls dazu führen, dass die Klägerin so zu stellen wäre, als ob sie einen Antrag auf Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege im November 1992 gestellt hätte. Das würde jedoch nicht genügen, um die bei ihr für eine Altersrente für langjährig Versicherte zusätzlich erforderlichen rentenrechtlichen Zeiten im Umfang von mindestens 37 Monaten zu erlangen (s oben 3. a).

40

4. Die Beklagte hat auch im Bescheid über die Regelaltersrente vom 23.6.2004 iS des § 44 Abs 1 S 1 SGB X das Recht nicht unrichtig, sondern zutreffend angewandt, indem sie bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte(§§ 70 ff SGB VI) für den Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 keine Berücksichtigungszeiten wegen Pflege (§ 249b SGB VI)einbezog. Auch insoweit fehlt für eine Anrechnung solcher Berücksichtigungszeiten der erforderliche rechtzeitige Antrag; auf die obigen Ausführungen (unter 3. b) wird Bezug genommen.

41

5. Das Antragserfordernis in § 57 Abs 2 SGB VI(in der ab 1.1.1992 bis 31.3.1995 geltenden Fassung des RRG 1992) bzw nunmehr in § 249b SGB VI(in der ab 1.4.1995 geltenden Fassung des PflegeVG) verletzt kein Verfassungsrecht; es ist insbesondere mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar.

42

a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Er verlangt vom Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu regeln. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (stRspr, vgl BVerfGE 132, 372 RdNr 45 mwN).

43

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen über einen stufenlosen, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstab bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (BVerfGE 132, 179 RdNr 30; BVerfGE 132, 372 RdNr 45 mwN). Differenzierungen bedürfen dabei stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Mithin muss eine Differenzierung nicht nur an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpfen, sondern es ist auch ein innerer Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung erforderlich, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist (BVerfGE 132, 372 RdNr 45 mwN).

44

Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich dabei nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (BVerfGE 131, 239, 256 mwN). Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit, um den es hier geht, kommt dem Gesetzgeber bei der Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 130, 240, 254 mwN). Ihm sind jedoch umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann (BVerfGE 122, 39, 52; 130, 131, 142). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist auch anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft (BVerfGE 129, 49, 69); sie ist darüber hinaus umso strenger, je mehr sich die zur Unterscheidung führenden personenbezogenen Merkmale den in Art 3 Abs 3 GG genannten Merkmalen annähern und je größer die Gefahr ist, dass die Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt (BVerfGE 131, 239, 256). Bei verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung insbesondere auch davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (BVerfGE 127, 263, 280 = SozR 4-1300 § 116 Nr 2 RdNr 45 mwN). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers geht besonders weit, wenn er Lebenssachverhalte verschieden behandelt und die Betroffenen sich durch eigenes Verhalten auf die unterschiedliche Regelung einstellen können; die Grenze bildet dann allein das Willkürverbot (BVerfGE 97, 271, 291 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1 S 11).

45

b) Nach diesen Grundsätzen ist Prüfungsmaßstab hier allein das Willkürverbot. Das Unterscheidungsmerkmal "Antragserfordernis", das die Klägerin beanstandet, ist nicht personenbezogen, sondern knüpft an den Lebenssachverhalt der Verrichtung nicht erwerbsmäßiger Pflege in einem bestimmten zeitlichen Umfang durch jede beliebige Person an; es weist auch keinerlei Nähe zu einem der in Art 3 Abs 3 GG genannten Merkmale - Alter, Geschlecht, Abstammung usw - auf. Die unterschiedliche Behandlung - Erlangung rentenrechtlicher Zeiten ohne eigenen Beitrag, aber einmal mit und sonst ohne vorherigen Antrag - wirkt sich auch nicht in irgendeiner Weise auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten aus. Es handelt sich vielmehr um eine Regelung, die lediglich verschiedene Lebenssachverhalte (Pflege in Abgrenzung zu Kindererziehung oder sonstigen Tatbeständen, die eine beitragslose rentenrechtliche Zeit begründen) in Bezug auf die verfahrensrechtliche Verwirklichung ihrer Berücksichtigung beim Erwerb von Rentenrechten in unterschiedlicher Weise ausgestaltet (zum Willkürverbot als Beurteilungsmaßstab für verfahrensrechtliche Ausgestaltungen s BVerfGE 42, 64, 73 f; zur Anlegung eines "zurückgenommenen Prüfungsmaßstabs" bei der Beurteilung des Selbsttitulierungsrechts einiger öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten vgl BVerfGE 132, 372 RdNr 46). Die davon Betroffenen konnten sich zudem durch eigenes Verhalten, nämlich durch eine formlose Antragstellung (§ 9 SGB X - vgl Löschau in ders, SGB VI, Stand August 2013, § 249b SGB VI RdNr 18; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 249b RdNr 15, Stand Juni 2012) und damit ohne besonderen Aufwand auf die unterschiedliche Regelung einstellen.

46

c) Die Gewährung beitragsfreier Berücksichtigungszeiten wegen Pflege als zur Begründung oder Erhöhung von Rentenleistungen beitragendes Element für den Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 nur nach vorheriger fristgebundener Antragstellung (und damit unter verfahrensrechtlich strengeren Voraussetzungen als bei zahlreichen anderen rentenrechtlich bedeutsamen Zeiten) ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt.

47

Das RRG 1992 hat erstmals geregelt, dass nicht erwerbsmäßige häusliche Pflegetätigkeit als rentenrechtlich bedeutsame Zeit berücksichtigt werden kann. Die Begründung des Gesetzentwurfs führt dazu aus, die neue Leistung stehe im Zusammenhang mit dem Ziel, die Versicherungsbedingungen für ehrenamtliche Pflegepersonen zu verbessern; deshalb sollte die Vergünstigung an die gleichen Voraussetzungen gebunden werden, die auch für die in § 177 SGB VI(bis 31.3.1995; anschließend § 279e SGB VI, der bis 31.12.2011 galt) neu geschaffene Möglichkeit einer Umwandlung freiwilliger Beiträge von Pflegepersonen in Pflichtbeiträge vorgesehen waren (BT-Drucks 11/4124 S 142 unter 2. sowie S 167 - zu § 57 Abs 2). Diese beitragsrechtliche Regelung sollte jedoch nur "auf Antrag und bei entsprechendem Nachweis" eröffnet werden (BT-Drucks 11/4124 S 143 unter 3.), denn den Rentenversicherungsträgern sei eine Überprüfung des Vorliegens der Pflegebedürftigkeit und der tatsächlichen Pflegeleistung - gemäß § 177 Abs 1 Nr 2 SGB VI aF regelmäßig wöchentlich mindestens 10 Stunden - selbst nicht möglich(BT-Drucks 11/4124 S 186 - zu § 172, der als § 177 SGB VI Gesetz wurde). Deshalb wurde in § 177 Abs 4 S 2 SGB VI aF ergänzend bestimmt, dass die Versicherten den Umfang der Pflegebedürftigkeit durch eine Bescheinigung des Medizinischen Dienstes(§ 275 SGB V) und den Umfang der Pflegetätigkeit durch die Bescheinigung einer von den Landesregierungen zu bestimmenden Stelle selbst nachzuweisen hatten.

48

Das gesetzgeberische Ziel einer Verknüpfung der neuen beitragsfreien Vergünstigung der Berücksichtigungszeiten wegen Pflege (mit zumeist rentenrechtlich nur geringen Auswirkungen) mit der gleichzeitig neu geschaffenen Möglichkeit einer verbesserten Beitragszahlung durch die Pflegepersonen auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht ist nicht zu beanstanden und keinesfalls willkürlich. Die insoweit unterschiedliche Behandlung der Berücksichtigungszeiten wegen Pflege gegenüber den - ebenfalls durch das RRG 1992 eingeführten - Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 Abs 1 SGB VI aF, nunmehr § 57 SGB VI) erklärt sich dadurch, dass hinsichtlich des letztgenannten Sachverhalts eine gesonderte Beitrags(umwandlungs)regelung nicht besteht. In Bezug auf Pflegepersonen im Bereich nicht erwerbsmäßiger häuslicher Pflege, die bereits vor Einführung der Pflegeversicherung unter bestimmten Umständen für ihren Einsatz aus der Geldleistung nach § 57 SGB V aF honoriert werden konnten(s die Übersicht in BT-Drucks 12/5262 S 68 ff, insbesondere die Hinweise auf § 55 und § 57 SGB V in der vom 1.1.1989 bis 31.3.1995 geltenden Fassung), lag es nahe, ihnen auch eine eigene Beitragsleistung zur rentenrechtlichen Absicherung zu eröffnen und diese Form der eigenverantwortlichen Vorsorge durch parallele verfahrensrechtliche Regelungen zu befördern. Die Antragsgebundenheit der beitragslosen Berücksichtigungszeit wegen Pflege ermöglichte es den Rentenversicherungsträgern, die Pflegepersonen zeitnah über deren (begrenzte) rentenrechtlichen Wirkungen sowie über die zusätzlich bestehenden beitragsrechtlichen Möglichkeiten für eine verbesserte soziale Absicherung aufzuklären. Im Hinblick darauf trifft der Einwand der Klägerin nicht zu, dass der vom Gesetzgeber hergestellte Sachzusammenhang zwischen den Berücksichtigungszeiten wegen Pflege (§ 57 Abs 2 SGB VI aF)und den Beitragsregelungen wegen Pflege (§ 177 SGB VI aF) einen Regelungsgleichklang in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht rechtfertigen könne, weil die ergänzende Beitragszahlung keine notwendige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Berücksichtigungszeit sei (in diesem Sinne auch Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 249b RdNr 16, Stand Juni 2012).

49

Die oben wiedergegebene Begründung zum RRG 1992 zeigt zudem auf, dass der Gesetzgeber die besonderen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen (Antrag, Vorlage bestimmter Nachweise) für die Gewährung von Vergünstigungen für nicht erwerbsmäßige häusliche Pflege geschaffen hat, weil er eine Überprüfung der materiellen Voraussetzungen - insbesondere des Umfangs der tatsächlich erbrachten Pflegetätigkeit - durch den Rentenversicherungsträger selbst für nicht durchführbar hielt. Auch das ist frei von Willkür. Dass dabei die von Anfang an vollumfängliche (rückwirkende) Anrechnung einer Pflegezeit von der Beachtung einer - mit drei Monaten relativ kurz bemessenen - Antragsfrist abhängig gemacht wurde, beruht auf dem Sachgrund, dass die Feststellung des Umfangs einer nicht erwerbsmäßig im häuslichen Bereich ausgeübten Pflegetätigkeit in länger zurückliegenden Zeiträumen nicht zuletzt wegen jederzeit möglicher gesundheitlich bedingter Änderungen des Pflegebedarfs besonders schwierig ist (vgl Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II - Bd 3, § 249b SGB VI RdNr 10, Stand Februar 1996). Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, eine solche Regelung sei nicht erforderlich, weil die Folgen einer eventuellen Beweislosigkeit nach den Regeln der objektiven Beweislast ohnehin von der Pflegeperson zu tragen seien. Der Gesetzgeber handelt nicht sachwidrig, wenn er die Inanspruchnahme materieller Vergünstigungen an die Beachtung zumutbarer verfahrensrechtlicher Vorkehrungen knüpft und damit das Ziel verfolgt, den Umfang künftiger Streitigkeiten von vornherein zu begrenzen. Die Grundsätze der Beweislast kämen dagegen erst zur Anwendung, wenn alle bestehenden Möglichkeiten der Sachaufklärung von Amts wegen in gegebenenfalls für die Solidargemeinschaft der Rentenversicherten kostenaufwändigen, für die Pflegeperson aber kostenfreien Verfahren (vgl § 64 Abs 1 SGB X, §§ 183, 184, 193 Abs 4 SGG)ausgeschöpft wären.

50

Der weitere Einwand, es handele sich bei dem fristgebundenen Antragserfordernis für die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege um eine systemwidrige singuläre Ausnahmeregelung, da alle anderen beitragsfreien Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung ohne diese Einschränkung berücksichtigt werden könnten, trifft nicht zu. Auch die Inanspruchnahme von Kindererziehungszeiten ist in bestimmten Konstellationen gleichfalls von einem fristgebundenen Antrag abhängig. Im Falle gemeinsamer Erziehung können sie einem Elternteil durch übereinstimmende Erklärung rückwirkend nur für bis zu zwei Kalendermonate vor deren Abgabe zugeordnet werden (§ 56 Abs 2 S 5 und 6 SGB VI),wobei die Abgabe der Erklärung nach den Regeln über die Antragstellung erfolgt (§ 56 Abs 2 S 7 SGB VI). Zudem sind auch bestimmte Pflichtbeitragszeiten an einen rechtzeitigen Antrag geknüpft (Antragspflichtversicherung nicht nur vorübergehend selbstständig Tätiger gemäß § 4 Abs 2 iVm Abs 4 S 1 Nr 1 SGB VI: frühestens ab Antragstellung; Antragspflichtversicherung nicht oder ohne Krankengeldanspruch in der GKV Versicherter gemäß § 4 Abs 3 S 1 Nr 2 iVm Abs 4 S 1 Nr 2 SGB VI: Rückwirkung auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit nur bei Antragstellung innerhalb von drei Monaten). Im Übrigen stellt eine Systemwidrigkeit für sich allein keinen Gleichheitsverstoß dar, da der Gesetzgeber bei Vorliegen plausibler Gründe ohne Verletzung des Art 3 Abs 1 GG von sonst verfolgten Regelungsprinzipien abweichen kann (BVerfGE 81, 156, 207 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1 S 19; s hierzu auch Heun in Dreier, GG, Bd 1, 3. Aufl 2013, Art 3 RdNr 37; Axer, SGb 2013, 669, 675).

51

Die zwar bei den meisten rentenrechtlichen Zeiten nicht übliche, als solche aber auch nicht singuläre Verknüpfung der zum 1.1.1992 neu eingeführten Berücksichtigungszeiten wegen Pflege mit einem fristgebundenen Antragserfordernis entbehrt schließlich auch nicht deshalb einer sachlichen Rechtfertigung, weil - wie die Klägerin vorträgt - die Versicherten mit einer solchen Regelung nicht rechnen konnten. Der damit angesprochene, im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) verankerte Verfassungsgrundsatz des Vertrauensschutzes (s hierzu BVerfG vom 5.3.2013 - 1 BvR 2457/08 - Juris RdNr 32, 41) ist nicht verletzt, wenn der Gesetzgeber - wie hier - einen Lebensbereich erstmalig einer Regelung zuführt. Dann kann sich schutzwürdiges Vertrauen auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen noch nicht gebildet haben. Vielmehr ist es dem Bürger zuzumuten, sich über die konkreten Bedingungen, unter denen das Gesetz einen neuartigen Vorteil gewährt, kundig zu machen und dabei die Informationsangebote der zur Aufklärung der Bevölkerung über ihre sozialen Rechte verpflichteten Leistungsträger (vgl § 13 SGB I) zu nutzen.

52

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG. Der Beigeladenen sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten, zumal sie keinen Sachantrag gestellt hat (vgl Senatsurteil vom 14.11.2002 - B 13 RJ 19/01 R - Juris RdNr 44 ; s auch BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Ausgleichsleistungen nach § 8 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG).

2

Seine Rehabilitierung nach diesem Gesetz beantragte er am 29. Dezember 1997 beim seinerzeit zuständigen Landesamt für Rehabilitierung und Wiedergutmachung des Freistaates Thüringen. Am 27. August 1999 beantragte er dort zusätzlich eine vorläufige Rehabilitierungsbescheinigung, weil er - wie es in dem Antragsformular heißt - wegen seiner besonders beeinträchtigten wirtschaftlichen Lage Ausgleichsleistungen in Anspruch nehmen wolle. Dieser Antrag wurde nicht beschieden. Einen Antrag auf Ausgleichsleistungen beim örtlichen Sozialamt stellte der Kläger damals nicht.

3

Mit Rehabilitierungsbescheid vom 24. Februar 2006 erkannte das zuständig gewordene Landesamt für Soziales und Familie des Freistaates Thüringen den Kläger als Verfolgten im Sinne des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes an und setzte die Zeit vom 22. Juli 1974 bis zum 2. Oktober 1990 als Verfolgungszeit fest.

4

Nach mündlicher Beantragung von Ausgleichsleistungen nach § 8 BerRehaG durch die Ehefrau des Klägers am 28. Februar 2006 ging am 8. März 2006 ein schriftlicher Antrag des Klägers beim Beklagten, dem zuständigen Sozialleistungsträger, ein. Auf dem Antragsvordruck war handschriftlich vermerkt, der Antrag werde rückwirkend ab Inkrafttreten der gesetzlichen Grundlagen gestellt. Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 30. März 2006 monatliche Ausgleichsleistungen ab dem 1. März 2006; Leistungen für frühere Zeiträume lehnte er ab.

5

Der Widerspruch des Klägers hiergegen blieb erfolglos, ebenso sein Widerspruch gegen die Einstellung der Zahlungen von Juli 2006 bis Ende Januar 2007, die der Beklagte wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten verfügt hatte. Im Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2008 führte das Thüringer Landesverwaltungsamt aus, Ausgleichsleistungen würden beginnend mit dem auf die Antragstellung folgenden Monat gezahlt. Der erforderliche schriftliche Antrag sei beim zuständigen Sozialamt erst am 8. März 2006 eingegangen. Dem Kläger seien daher Ausgleichsleistungen ab dem frühest möglichen Zeitpunkt bewilligt worden. Eine rückwirkende Gewährung der Leistungen sei nicht möglich.

6

Der Klage mit dem Antrag, den Beklagten zur Gewährung von Ausgleichsleistungen für die Zeiträume 29. Dezember 1997 (Stellung des Rehabilitierungsantrags) bis 28. Februar 2006 und 1. Juli 2006 bis 31. Januar 2007 zu verpflichten, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 8. Oktober 2009 für die letztgenannte Zeit stattgegeben; für die Zeit vor dem 1. März 2006 hat es die Klage abgewiesen und ausgeführt, es fehle insoweit der in § 8 BerRehaG vorausgesetzte förmliche Antrag. Es handele sich um eine Ausschlussfrist, deren Nichteinhaltung zum Verlust des Anspruchs für zurückliegende Monate führe. Den Beklagten treffe kein eigenes Verschulden, insbesondere habe er selbst keine Aufklärungspflichten verletzt, und er müsse sich auch das Verschulden einer fremden Behörde, die in die Leistungsgewährung eingeschaltet sei, nicht zurechnen lassen. Wiedereinsetzung könne dem Kläger nicht gewährt werden, weil es sich nicht um eine gesetzliche Frist handele. Davon abgesehen sei der Kläger nicht ohne Verschulden gehindert gewesen, den Antrag bei der zuständigen Behörde früher zu stellen. In dem von ihm ausgefüllten Antragsformular sei er ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen worden, den Antrag unter Vorlage einer vorläufigen Rehabilitierungsbescheinigung bei der zuständigen Behörde zu stellen. Da dem Landesamt kein Beratungs- oder Informationsfehler unterlaufen sei, bestehe kein Anlass, auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs einen früheren Leistungsbeginn festzusetzen.

7

Mit seiner Revision begehrt der Kläger Ausgleichsleistungen für die Zeit vom 1. September 1999 bis zum 28. Februar 2006 nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit der Klage. Zur Begründung macht er geltend: Sein Begehren sei nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs berechtigt. Er sei von der Rehabilitierungsbehörde nicht über die Erforderlichkeit eines weiteren Antrags beim Sozialamt informiert worden, wie nach den auch im Verfahren vor der Rehabilitierungsbehörde anzuwendenden §§ 14 und 15 SGB I geboten gewesen sei. In der unterlassenen Beratung liege eine Pflichtverletzung, die zu seinem finanziellen Nachteil geführt habe. Die Beratungspflichtverletzung der Rehabilitierungsbehörde sei dem Beklagten zuzurechnen, weil die Zuständigkeitsbereiche zweier Stellen arbeitsteilig eng miteinander verknüpft seien, die Rehabilitierungsbehörde im maßgeblichen Zeitpunkt aktueller Ansprechpartner gewesen sei und anhand der ihr bekannten Umstände habe erkennen können, dass dringender Beratungsbedarf in einer wichtigen Frage bestehe. Dass das Verfahren auf zwei Behörden aufgeteilt sei, ändere nichts; denn entscheidend sei die Sicht des Antragstellers. Es könne auch nicht darauf ankommen, bei welcher Behörde zuerst ein Antrag gestellt werde. Zu einer konkreten Beratung habe hinreichender Anlass bestanden, weil er sich ersichtlich in einer angespannten wirtschaftlichen Lage befunden und deshalb Ausgleichsleistungen nach § 8 BerRehaG erstrebt habe. Das Formular der Rehabilitierungsbehörde habe jedoch den Eindruck erweckt, als sei mit dem Antrag auf Erteilung der Rehabilitierungsbescheinigung alles Erforderliche für den Erhalt von Ausgleichsleistungen getan. Abgesehen davon sei auch dieser Antrag nicht bearbeitet und das reguläre langwierige Rehabilitierungsverfahren durchgeführt worden. Er sei daher so zu stellen, als hätte er mit dem Antrag auf Erteilung der (vorläufigen) Rehabilitierungsbescheinigung gleichzeitig Ausgleichszahlungen gemäß § 8 BerRehaG beantragt. Die Gewährung nachträglicher Ausgleichsleistungen laufe auch nicht dem Gesetzeszweck zuwider, denn bei einem Hinweis der Rehabilitierungsbehörde hätte er einen rechtzeitigen Antrag gestellt und die Leistungen erhalten.

8

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision hat nur zum Teil Erfolg.

10

Der Kläger wendet sich mit der zulässigen Revision (§ 27 Abs. 1 BerRehaG) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, soweit dort Ansprüche für die Zeit vom 1. September 1999 bis zum 28. Februar 2006 verneint worden sind. Die im Klageverfahren geltend gemachten Ansprüche für davor liegende Zeiträume verfolgt er nicht weiter; in diesem Umfang ist das Urteil rechtskräftig geworden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 705 ZPO).

11

Mit der Ablehnung von Ansprüchen für die noch streitige Zeit verletzt das Urteil zwar Bundesrecht. Für die Zeit bis einschließlich 31. Dezember 2001 stellt es sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar, sodass die Revision in diesem Umfang zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 4 VwGO). Hingegen kann für die Zeit ab 1. Januar 2002 ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob die Klage Erfolg hat. In diesem Umfang ist die Sache daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

12

1. Ausgleichsleistungen kann der Kläger nicht unmittelbar nach Maßgabe von § 8 Abs. 1 Satz 1 BerRehaG beanspruchen. Danach erhalten Verfolgte im Sinne des § 1 Abs. 1 BerRehaG unter näher bestimmten Voraussetzungen Ausgleichsleistungen in gesetzlich bestimmter Höhe. Die Leistung ist aber im Sinne von § 16 Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I), das gemäß § 25 Abs. 4 BerRehaG für das Verfahren nach dem Dritten Abschnitt dieses Gesetzes (d.h. §§ 8 und 9 BerRehaG) gilt, von einem Antrag abhängig, mit dem der Verfolgte seine Bedürftigkeit verdeutlicht (vgl. auch Urteil vom 9. Februar 1984 - BVerwG 5 C 22.83 - BVerwGE 69, 5 <9> = Buchholz 436.0 § 97 BSHG Nr. 3). Dieser Antrag ist konstitutive Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs, weshalb § 8 Abs. 5 BerRehaG bestimmt, dass Ausgleichsleistungen beginnend mit dem auf die Antragstellung folgenden Monat gezahlt werden.

13

a) Einen förmlichen Antrag in diesem Sinne hat der Kläger erst am 8. März 2006 gestellt. Zwar spricht viel dafür, dass die gegenüber dem Landesamt im August 1999 verlangte Erteilung einer vorläufigen Rehabilitierungsbescheinigung einen solchen Antrag bereits mit umfasste. Denn Ausgleichsleistungen, die - wie unten zu zeigen - eine besondere Sozialleistung im Sinne der §§ 11 ff. SGB I sind, gelten als beantragt, wenn der Antragsteller zum Ausdruck bringt, sie in Anspruch nehmen zu wollen. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 26. August 2008 - B 8/9b SO 18/07 R - juris Rn. 22; Hauck/Noftz, SGB I, § 16 Rn. 5; Rixen, in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 16 SGB I Rn. 3). Nach der Formulierung im Antragsvordruck musste es sich der Rehabilitierungsbehörde aber aufdrängen, dass der Kläger Ausgleichsleistungen begehrte, und zwar so bald wie möglich. Denn genau darauf zielte sein Antrag auf Erteilung einer vorläufigen Rehabilitierungsbescheinigung, die gemäß § 18 Abs. 1 BerRehaG ausdrücklich Grundlage für Leistungen nach dem Dritten Abschnitt in solchen Fällen ist, in denen die Erteilung einer (endgültigen) Rehabilitierungsbescheinigung voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen wird. Wie dieser Antrag im Fall des Klägers zu verstehen war, mag aber auf sich beruhen; denn jedenfalls hat auch ein solcher Antrag nicht die für die Gewährung zuständige Stelle erreicht, was aber Voraussetzung dafür ist, um den Anspruch zu begründen (für die Sozialhilfe vgl. Urteil vom 9. Februar 1984, a.a.O. BVerwGE 69, 5 <7>). Ausgleichsleistungen nach dem Dritten Abschnitt werden gemäß § 24 Abs. 2 BerRehaG von den örtlichen Trägern der Sozialhilfe gewährt (§ 3 Abs. 2, §§ 98 und 99 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XII). Ein im Antrag auf Erteilung der vorläufigen Rehabilitierungsbescheinigung enthaltener Antrag auf Ausgleichsleistungen wäre jedoch im Bereich der Rehabilitierungsbehörde verblieben, sodass auch § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I nicht hilft. Denn die dort für den Fall der Weiterleitung vorgesehene Fiktion der Antragstellung im Zeitpunkt des Eingangs beim unzuständigen Leistungsträger setzt voraus, dass der Antrag den zuständigen Leistungsträger, hier den Beklagten, tatsächlich erreicht. Dies ist mangels Weiterleitung aber nicht geschehen.

14

b) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt mit Blick auf einen solchen konkludenten Antrag auf Gewährung von Ausgleichsleistungen nicht in Betracht. § 27 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), das gemäß § 25 Abs. 4 BerRehaG maßgebend ist, setzt voraus, dass der Kläger verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. § 8 Abs. 5 BerRehaG normiert indes keine gesetzliche Frist, sondern regelt lediglich das Verhältnis zwischen Leistungsbeginn und Antragstellung. Die Antragstellung ist eine Anspruchsvoraussetzung und selbst (abgesehen von § 23 BerRehaG) nicht an eine Frist gebunden; der Ausschluss der Leistungsgewährung vor dem Monat der Antragstellung stellt keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dar (vgl. auch BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 99/10 R - juris Rn. 23 zum Antragserfordernis nach § 37 SGB II; a.A. zum Antragserfordernis nach § 27 Abs. 2 Satz 1 WoGG: BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - BVerwG 8 C 38.95 - NJW 1997, 2966 = Buchholz 454.71 § 27 WoGG Nr. 2 = NJW 1997, 2966).

15

2. Einen früheren Leistungsbeginn für die Gewährung der Ausgleichsleistungen kann der Kläger dem Grunde nach aber im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verlangen. Dieser ist darauf gerichtet, in Fällen von Pflichtverletzungen eines Sozialleistungsträgers denjenigen Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zuständige Sozialleistungsträger die ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsenden Pflichten ordnungsgemäß erfüllt hätte (vgl. BSG, Urteil vom 12. Oktober 1979 - 12 RK 47/77 - BSGE 49, 76 <79>; umfassend zu Entstehung und Entwicklung dieses Anspruchs Schmidt-De Caluwe, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, Berlin 1992, S. 85 ff.).

16

a) Diese Grundsätze, die für das Sozialrecht entwickelt worden sind, sind hier anwendbar. Zwar können sie nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht unbesehen auf die Gebiete des allgemeinen Verwaltungsrechts übertragen werden (vgl. etwa Urteil vom 24. März 1988 - BVerwG 3 C 48.86 - BVerwGE 79, 192 <194>. Prinzipiellen Einwänden ist ihre Anwendung auf im Verwaltungsrecht geregelte besondere Sozialleistungsansprüche aber nicht ausgesetzt. Sie sind deshalb schon in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dort zumindest in Betracht gezogen worden, wo Pflichtverletzungen in einem sozialrechtlich geprägten Verwaltungsverfahren durch Naturrestitution auszugleichen sind und keine Spezialregelungen bestehen (vgl. - einen Herstellungsanspruch jeweils nur wegen des Fehlens einzelner Voraussetzungen verneinend - Beschluss vom 21. September 1998 - BVerwG 2 B 46.98 - Buchholz 239.1 § 15 BeamtVG Nr. 1 sowie Urteil vom 18. April 1997 a.a.O.; offen gelassen für das Recht der Ausbildungsförderung hingegen im Urteil vom 23. Februar 2010 - BVerwG 5 C 13.09 - Buchholz 436.36 § 36 BAföG Nr. 17).

17

Auf Leistungen nach dem Dritten Abschnitt des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes ist der Herstellungsanspruch danach anzuwenden. Sie sind ihrer Natur nach steuerfinanzierte Sozialleistungen im Sinne des § 11 Satz 1 SGB I; die Ausgleichsleistung nach § 8 BerRehaG ordnet der Gesetzgeber als "Zuschlag" zu anderen Sozialleistungen ein (vgl. Begründung des Entwurfs eines Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes vom 19. Mai 1993, BTDrucks 12/4994 S. 46 f. zu §§ 7 und 8). Die Nähe zum Sozialrecht zeigt sich etwa darin, dass die Ausgleichsleistungen beim Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gekürzt werden (§ 8 Abs. 1 Satz 2 BerRehaG). Der Leistungsbezug wurzelt mithin in einem sozialrechtlichen Verhältnis, das allein wegen seines Bezugs zur beruflichen Rehabilitierung im besonderen Verwaltungs- und nicht im Sozialrecht geregelt ist. Folgerichtig hat der Gesetzgeber in § 25 Abs. 4 BerRehaG für das Verfahren nach dem Dritten Abschnitt (§§ 8 f. BerRehaG) die Geltung des Ersten und Zehnten Buches Sozialgesetzbuch bestimmt (vgl. Begründung zum Entwurf des 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes, a.a.O. S. 52).

18

b) Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch greift ein, wenn ein Leistungsberechtigter in einem bestehenden oder angebahnten Sozialrechtsverhältnis, das auf einem Anspruch auf Sozialleistung beruht, durch die Verletzung sozialbehördlicher Pflichten einen Nachteil erlitten hat. Dabei kann es sich um Nebenpflichten handeln wie diejenigen zur Auskunft, Betreuung und Beratung (§§ 14, 15 SGB I) oder zur verständnisvollen Förderung (BSG, Urteile vom 18. Dezember 1975 - 12 RJ 88/75 - BSGE 41, 126 <127 f.>, vom 26. Juni 1991 - 8 RKn 15/90 - SozR 3-5795 § 4 VAHRG Nr. 3, vom 16. Dezember 1993 - 13 RJ 19/92 - SozR 3-1200 § 14 SGB I Nr. 12 und vom 22. Oktober 1996 - 13 RJ 69/95 - SozR 3-1200 § 14 SGB I Nr. 22). Die Wertung gilt erst recht, wenn eine Hauptpflicht verletzt wird wie diejenige, über den an die Behörde herangetragenen Leistungsantrag eine rechtmäßige Entscheidung zu treffen (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 6/06 R - SozR 4-2500 § 44 Nr. 11 = juris Rn. 16). Das rechtswidrige Handeln oder Unterlassen kann dabei auch von einer anderen Behörde ausgegangen sein, sofern es dem zuständigen Sozialleistungsträger zugerechnet werden kann (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1980 - 12 RK 34/80 - BSGE 51, 89).

19

Es liegt nahe, wie der Kläger betont, dass der Herstellungsanspruch hier bereits dadurch begründet wird, dass die Rehabilitierungsbehörde seinen Antrag auf Erteilung einer vorläufigen Rehabilitierungsbescheinigung nicht beschieden hat, was sie in angemessener Zeit hätte tun müssen. Die vorläufige Rehabilitierungsbescheinigung dient dazu, eine zügige Leistungsgewährung sicherzustellen, wenn die bei den Rehabilitierungsbehörden konzentrierten Verfahren nach § 1 Abs. 1 BerRehaG - wie im Fall des Klägers - längere Zeit in Anspruch nehmen; denn nur bei zügiger Gewährung können die Leistungen nach dem Zweiten oder Dritten Abschnitt ihren Zweck erfüllen (vgl. Begründung des Entwurfs eines Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes, a.a.O. S. 51 zu § 18), ähnlich wie die Sozialhilfe einen gegenwärtigen Bedarf zeitnah zu befriedigen (vgl. Urteil vom 13. November 2003 - BVerwG 5 C 26.02 - Buchholz 435.12 § 44 SGB X Nr. 10). Die Nichtbescheidung eines Antrags, der auf die Herstellung einer Anspruchsvoraussetzung für die Ausgleichsleistungen - den Nachweis der Verfolgteneigenschaft - zielt, ist jedenfalls eine hinreichende behördliche Pflichtverletzung.

20

Dies mag aber dahinstehen; denn jedenfalls hat die Rehabilitierungsbehörde die Pflicht verletzt, den Kläger über die Notwendigkeit zu beraten, zusätzlich zum Antrag auf vorläufige Rehabilitierungsbescheinigung beim Sozialamt einen Antrag auf Ausgleichsleistungen nach § 8 Abs. 1 BerRehaG zu stellen, um sie bei Erteilung der Bescheinigung gemäß § 8 Abs. 5 BerRehaG rückwirkend ab dem auf die Antragstellung folgenden Monat zu erhalten. Zu einer solchen Beratung war die Behörde durch § 14 Satz 1 SGB I verpflichtet, wonach jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch hat. Die Beratungspflicht greift bereits im Vorfeld eines durch Antragstellung begründeten Sozialrechtsverhältnisses, und sie verpflichtet den Leistungsträger bei Vorliegen eines konkreten Anlasses, auf klar zutage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen (BSG, Urteile vom 29. September 1987 - 7 RAr 23/86 - BSGE 62, 179 und vom 10. Dezember 2003 - B 9 VJ 2/02 R - BSGE 92, 34 m.w.N.). Ein solcher Anlass war im Fall des Klägers, wie dargetan, gerade dann klar erkennbar, wenn in seinem Antrag auf vorläufige Rehabilitierungsbescheinigung nicht zugleich ein Antrag auf Ausgleichsleistungen zu sehen wäre, der die Weiterleitungspflicht nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I ausgelöst hätte. Für die Rehabilitierungsbehörde war ohne Weiteres ersichtlich, dass der rechtsunkundige Kläger unverzüglich in den Genuss der Ausgleichsleistungen kommen wollte und zu Unrecht davon ausging, alles Nötige dafür getan zu haben. In dieser Lage bestand zudem eine Pflicht nach § 16 Abs. 3 SGB I, darauf hinzuwirken, dass der Kläger unverzüglich den sachdienlichen Antrag stellte.

21

Diese sozialrechtlichen Nebenpflichten trafen auch die Rehabilitierungsbehörde, obwohl sie nicht selbst der Leistungsträger war, dem gegenüber nach § 14 Satz 2 SGB I die Rechte aus § 8 Abs. 1 BerRehaG geltend zu machen waren. In Fällen, in denen eine Behörde - wie unter c) zu zeigen - arbeitsteilig in den Vorgang einer Leistungsgewährung einer anderen Behörde eingeschaltet ist, deren Verfahren sich nach dem SGB I richtet, wie es § 25 Abs. 4 BerRehaG vorsieht, entfalten die den Leistungsträger nach jenem Gesetz treffenden Pflichten Vorwirkung im Rehabilitierungsverfahren. Gerade der vorliegende Fall, in dem der Sozialleistungsträger nach der gesetzlichen Konstruktion aus Gründen, die ihrerseits Beratungspflichten auslösen würden, keine Kenntnis von den Vorgängen haben kann, zeigt, dass der Zweck der sozialrechtlichen Nebenpflichten nicht erfüllt werden könnte, wenn die Verwaltungsbehörde in ihrem Verfahren frei von ihnen wäre. Auch kann die Beratungspflicht in einem gestuften Verfahren nicht von der Zufälligkeit abhängig sein, bei welcher Behörde einer der nötigen Anträge zuerst gestellt wird.

22

c) Dem Beklagten ist das Verhalten der Rehabilitierungsbehörde als eigene Verletzung von Nebenpflichten zuzurechnen. Eine solche Zurechnung ist nur dann möglich, wenn eine Funktionseinheit in der Weise besteht, dass ein anderer Leistungsträger oder eine andere Behörde in den Verwaltungsablauf derjenigen Behörde arbeitsteilig eingeschaltet ist, gegen die der Herstellungsanspruch gerichtet wird, diese Behörde sich also für die Erfüllung der ihr obliegenden sozialrechtlichen Aufgabe kraft Gesetzes oder Vertrages einer anderen Behörde oder Stelle bedient (stRspr, vgl. BSG, Urteile vom 30. September 2009 - B 9 VG 3/08 R - BSGE 104, 245 <255>, vom 22. Oktober 1996 - 13 RJ 17/96 - BSGE 79, 177<180>, vom 22. Oktober 1996 - 13 RJ 69/95 - SozR 3-1200 § 14 SGB I Nr. 22, vom 29. Oktober 1992 - 10 RKg 24/91 - BSGE 71, 217 <218> und vom 13. Dezember 1984 - 11 RA 68/83 - BSGE 57, 288 <290>; ebenso BVerwG, Beschluss vom 21. September 1998, a.a.O.).

23

Diese Voraussetzungen treffen auf die in Rede stehenden Verwaltungsverfahren zu. Sie sind verfahrensrechtlich aufeinander bezogen und materiell-rechtlich miteinander verzahnt. Eine entsprechende Verfahrensstufung hat der Senat für das Verhältnis der Rehabilitierung zu den darauf aufbauenden Ansprüchen auf Ausgleich von Folgeschäden des rehabilitierten Eingriffs (§ 1 Abs. 1 BerRehaG) bereits angenommen (Urteil vom 9. Oktober 2003 - BVerwG 3 C 1.03 -BVerwGE 119, 102 <104 f.>). Hier gilt nichts anderes. Die Feststellung der Verfolgteneigenschaft in einer Rehabilitierungsbescheinigung ist aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens bei den auf Länderebene zentral eingerichteten Rehabilitierungsbehörden konzentriert; anderen Behörden ist eine eigenständige Prüfung insoweit verwehrt (vgl. § 22 Abs. 3 BerRehaG, § 12 Abs. 1 Satz 3 des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes - VwRehaG). Demgemäß sind die Zuständigkeiten der Rehabilitierungsbehörde und des Sozialleistungsträgers so zu bestimmen, dass Doppelprüfungen mit der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen möglichst vermieden werden (Beschluss vom 29. April 2004 - BVerwG 3 B 118.03 - juris Rn. 11). Dabei entfaltet die vorläufige Rehabilitierungsbescheinigung, anders als die endgültige Bescheinigung nach § 17 BerRehaG, jedoch nicht lediglich Tatbestandswirkung, die in verschiedenen Verwaltungsverfahren zum Tragen kommen kann; sie ist vielmehr ausschließlich "als Grundlage für Leistungen nach dem Zweiten oder Dritten Abschnitt" des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes vorgesehen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 BerRehaG). Aus der hier maßgeblichen Sicht des Leistungsberechtigten dienen damit beide Verwaltungsstellen der Erreichung desselben Zieles und treten ihm als Einheit gegenüber.

24

d) Der Herstellungsanspruch verpflichtet den Beklagten als zuständigen Sozialleistungsträger dazu, jenen Zustand herzustellen, der ohne die ihm zuzurechnende Pflichtverletzung der Rehabilitierungsbehörde bestehen würde (vgl. BSG, Urteil vom 6. März 2003 - B 4 RA 38/02 R - BSGE 91, 1 <16 Rn. 64>). Hat die Pflichtverletzung die Versäumung von Anträgen oder Antragsfristen zur Folge gehabt, darf sich der Sozialleistungsträger nicht auf die eingetretenen Rechtsfolgen berufen, sondern muss den Berechtigten so behandeln, als sei sein Antrag rechtzeitig und ordnungsgemäß gestellt worden (vgl. etwa BSG, Urteil vom 29. September 1987 - 7 RAr 23/86 - BSGE 62, 179 <182 ff.> m.w.N.). So verhält es sich hier, denn hätte die Rehabilitationsbehörde den Kläger bei seiner Antragstellung am 27. August 1999 über die Notwendigkeit eines weiteren Antrages bei dem zuständigen Träger der Sozialhilfe (§ 24 Abs. 2 BerRehaG) belehrt, kann ohne Weiteres angenommen werden, dass der Kläger den Antrag zeitnah auf den Weg gebracht hätte.

25

Allerdings kann der Kläger Ausgleichsleistungen dem Grunde nach nicht bereits ab dem 1. September 1999 (dem auf die vermutliche Antragstellung folgenden Monat), sondern erst ab dem 1. Januar 2002 (bis zum 28. Februar 2006) verlangen. Das Bundessozialgericht schränkt den Umfang einer rückwirkenden Leistungserbringung im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nach dem Rechtsgedanken des § 44 Abs. 4 SGB X auf einen Zeitraum von längstens vier Kalenderjahren vor dem Begehren auf rückwirkende Gewährung einer Leistung ein (vgl. BSG, Urteil vom 27. März 2007 - B 13 R 58/06 R - NZS 2008, 274 <275 f.>). Dabei ist der Vier-Jahres-Zeitraum vom Beginn des Jahres an zu rechnen, in dem das Begehren erhoben worden ist. Der Senat macht sich diese Rechtsprechung, die zwischen den Senaten des Bundessozialgerichts für (hier nicht betroffene) Rentenansprüche umstritten ist (vgl. BSG, Urteil vom 6. März 2003 - B 4 RA 38/02 R - BSGE 91, 1 <17 f. Rn. 68 ff.>), für den Bereich der Ausgleichsleistungen nach dem Rehabilitierungsrecht zu eigen. Dementsprechend kann der Kläger, der am 8. März 2006 den formgerechten Antrag auf rückwirkende Zahlung gestellt hat, nach § 44 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 25 Abs. 4 BerRehaG die Ausgleichsleistungen rückwirkend bis vier Kalenderjahre vor dem 1. Januar 2006 verlangen. Für die Zeit vom 1. September 1999 bis zum 31. Dezember 2001 ist die Klage daher in jedem Falle unbegründet, im Ergebnis vom Verwaltungsgericht also zu Recht abgewiesen worden. In diesem Umfang ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.

26

e) Soweit dem Kläger unter dem Gesichtspunkt der hypothetischen Kausalität oder eines Mitverschuldens anzulasten ist, dass er trotz der von ihm gesehenen Notwendigkeit, alsbald Ausgleichsleistungen zu erhalten, über Jahre untätig geblieben ist, wird dieser Erwägung durch die Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X generalisierend Rechnung getragen.

27

3. Ob die Voraussetzungen der Leistungsgewährung in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 28. Februar 2006 vollständig vorliegen, bedarf weiterer Sachaufklärung. Zwar ist der Kläger Verfolgter nach § 1 Abs. 1 BerRehaG mit Wohnsitz im Geltungsbereich des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes. Seine Verfolgteneigenschaft und das Fehlen von Ausschließungsgründen nach § 4 BerRehaG (vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 2 BerRehaG) sind mit Bescheid der Rehabilitierungsbehörde vom 24. Februar 2006 unanfechtbar und bindend (§ 22 Abs. 3 BerRehaG, §12 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG) festgestellt worden. Hingegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilt werden, ob der Kläger im gesamten Leistungszeitraum in seiner wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt war, wie es § 8 Abs. 1 Satz 1 BerRehaG weiter voraussetzt. Das Verwaltungsgericht hat hierzu, von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent, keine Feststellungen getroffen; dem Senat ist es verwehrt, dies selbst zu tun. Die Sache ist daher zur Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers in der maßgeblichen Zeit (1. Januar 2002 bis 28. Februar 2006) zurückzuverweisen. Soweit sich dabei Ansprüche ergeben, sind Ausgleichsleistungen in der Höhe zuzusprechen, die für den jeweiligen Zeitraum gesetzlich festgelegt gewesen sind.

28

4. Zum Zinsbegehren, das im Falle eines Klageerfolgs Bedeutung erlangt, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass weder Prozess- noch Verzugszinsen verlangt werden können, weil sie für Ausgleichsleistungen nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz nicht ausdrücklich vorgesehen sind (vgl. auch BSG, Urteil vom 23. Juli 1992 - 7 RAr 98/90 - NZA 1993, 719). Stattdessen kommt § 44 Abs. 1 SGB I entsprechend zur Anwendung, wonach Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen sind.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist vorrangig ein Anspruch der Klägerin auf Altersrente für langjährig Versicherte und dabei insbesondere, ob sie die Wartezeit von 35 Jahren aufgrund zusätzlich anzuerkennender Berücksichtigungszeiten wegen nicht erwerbsmäßiger Pflege erfüllt hat.

2

Die 1939 geborene Klägerin bezog für ihren 1972 geborenen, im Januar 2002 verstorbenen schwerbehinderten Sohn seit November 1979 Hilfe zur Pflege (Pflegegeld); die Sozialhilfeleistung wurde Ende der 1980er Jahre wegen Überschreitens der Einkommensgrenze eingestellt. Anlässlich der Übersendung eines Versicherungsverlaufs bat die Klägerin nach einem von ihr vorgelegten Schreiben vom 15.3.1989 die LVA Hannover (deren Rechtsnachfolge im Jahr 2005 die DRV Braunschweig-Hannover antrat - im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) um Auskunft, ob für ihren pflegebedürftigen Sohn weitere Beitragszeiten anerkannt werden könnten; eine Antwort hat sie nach ihren Angaben nicht erhalten. Nach Inkrafttreten des SGB XI übersandte ihr die beigeladene Pflegekasse am 6.3.1995 ein Antragsformular zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen samt Beratungsblatt. Die Klägerin reichte den Antrag vom 25.3.1995 an die Beigeladene zurück und gab dabei an, ihren Sohn seit 1979 im Umfang von derzeit 17,5 Stunden pro Woche zu pflegen. Ihren am 5.7.1996 gestellten Antrag auf rückwirkende Anerkennung ihrer Pflegetätigkeit ab 1.11.1979 als rentenversicherungspflichtige Beschäftigung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.2.1997 ab, weil die Klägerin weder den erforderlichen Antrag für eine - ohnehin erst ab 1.1.1992 in Frage kommende - Vormerkung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege gestellt noch in dieser Zeit freiwillige Beiträge, die in Pflichtbeiträge umgewandelt werden könnten, entrichtet habe. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

3

Im März 2002 beantragte die Klägerin Altersrente für langjährig Versicherte. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da lediglich 31 Jahre und 11 Monate an rentenrechtlichen Zeiten auf die hierfür erforderliche Wartezeit von 35 Jahren anzurechnen seien (Bescheid vom 28.3.2002, Widerspruchsbescheid vom 17.12.2002). Ab 1.7.2004 bewilligte sie Regelaltersrente auf der Grundlage von 14,8049 persönlichen Entgeltpunkten iHv monatlich - einschließlich Zuschuss zur privaten Krankenversicherung - 414,51 Euro (Rentenbescheid vom 23.6.2004).

4

Die ursprünglich gegen die ablehnenden Bescheide vom 28.3. bzw 17.12.2002 gerichtete Klage nahm die Klägerin - nach Sachverhaltsaufklärung auch zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen Beratungsmangels - in der mündlichen Verhandlung am 22.4.2004 zurück, widerrief diese Erklärung aber mit Schreiben vom selben Tag. Das SG wies mit Urteil vom 25.8.2005 die Klage als in der Sache unbegründet ab, wobei es offenließ, ob eine Anfechtung der Klagerücknahme überhaupt möglich sei. Ihre Berufung gegen diese Entscheidung nahm die Klägerin im März 2006 zurück.

5

Mit Schreiben vom 13.7.2006 beantragte die Klägerin eine Überprüfung der ablehnenden Rentenbescheide vom 28.3. bzw 17.12.2002 sowie des Bewilligungsbescheids über Regelaltersrente vom 23.6.2004, da das Erfordernis eines Antrags für die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege zu einer Ungleichbehandlung führe und daher verfassungswidrig sei. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 31.7.2006, Widerspruchsbescheid vom 6.10.2006).

6

Das SG hat die auf Gewährung einer Altersrente für langjährig Versicherte sowie einer höheren Regelaltersrente gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 16.12.2008). Es hat sich in seiner Entscheidung ausschließlich mit dem Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte auseinandergesetzt und ausgeführt, ein gewichtiges Indiz für die Verfassungsmäßigkeit der bis zum 31.3.1995 geltenden Regelung in § 57 Abs 2 SGB VI sei ihre quasi wortgleiche Wiederholung in § 249b SGB VI. In Bezug auf Art 14 GG sei fraglich, ob der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts überhaupt eröffnet sei; jedenfalls aber sei das Grundrecht aufgrund zulässiger Gemeinwohlerwägungen nicht verletzt. Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sei eine Fristsetzung zweckmäßig, da sowohl für den Versicherten als auch für den Versicherungsträger Gewissheit bestehen müsse, dass nach Ablauf eines bestimmten Datums keine Anträge und ggf Neuberechnungen hinsichtlich Rentenanträgen oder bestehender Renten mehr erfolgen könnten. Zudem lasse sich im Nachhinein in der Regel nur mit größten Schwierigkeiten oder gar nicht mehr aufklären, ob und in welchem Umfang Pflege geleistet worden sei. Ebenso wenig sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, da der Versicherte es selbst in der Hand habe, durch sein Verhalten die Berücksichtigungszeiten zu erlangen. Aus denselben Gründen stehe auch der Gleichheitsgrundsatz der Regelung nicht entgegen.

7

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 14.7.2010). Im Berufungsurteil, das sich lediglich mit dem Anspruch auf höhere Regelaltersrente befasst, ist im Wesentlichen ausgeführt, die zur Überprüfung gestellten Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig, da die Klägerin mit ihrem Antrag vom "5.6.1996" (gemäß Tatbestand zutreffend: 5.7.1996) die Antragsfrist nach § 249b S 1 SGB VI - bis 30.6.1995 - versäumt habe. Eine Wiedereinsetzung nach § 27 Abs 1 SGB X scheitere daran, dass die Jahresfrist gemäß Abs 3 der Vorschrift abgelaufen sei. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei nicht gegeben, weil der Beklagten gegenüber der Klägerin keine Pflicht zur Spontanberatung oblegen habe; seit Inkrafttreten der Vorschrift zu den Pflege-Berücksichtigungszeiten am 1.1.1992 habe diese weder Kontakt mit der Klägerin noch Kenntnis davon gehabt, dass sie Pflegetätigkeiten ausführe. Eine klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeit zugunsten der Klägerin habe sich der Beklagten auch angesichts der schon Jahre zurückliegenden Anfrage vom 15.3.1989 nicht aufdrängen müssen. Zudem fehle es daran, dass eine Pflichtverletzung zumindest gleichwertig einen dem Sozialleistungsträger zurechenbaren sozialrechtlichen Nachteil verursacht habe; insoweit hat das LSG auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

8

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin in erster Linie, das fristgebundene Antragserfordernis für die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege im Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 gemäß § 57 Abs 2 SGB VI aF bzw § 249b S 2 SGB VI sei mit Art 3 Abs 1 GG unvereinbar. Denn das Gesetz behandele die Gruppe der Pflegepersonen hinsichtlich der Anerkennung von Pflegezeiten als Berücksichtigungszeiten anders als die Gruppe der Kinder erziehenden Versicherten, die für die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gemäß § 57 Abs 1 SGB VI aF keine Ausschlussfristen beachten müssten, diese vielmehr auch noch im Rahmen späterer Kontenklärungsverfahren erstmals geltend machen könnten. Es bestünden keine hinreichend gewichtigen Sachgründe zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Das Interesse der Rentenversicherungsträger an einer möglichst zeitnahen Feststellung der maßgeblichen Umstände genüge hierfür nicht, weil nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast es ohnehin zu Lasten der Pflegeperson gehe, wenn später diese Umstände nicht mehr nachweisbar seien. Die Ausschlussfrist erschwere daher die Anerkennung einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege in unnötiger Weise. Auch der laut Gesetzesbegründung angestrebte Gleichklang mit den Voraussetzungen für eine freiwillige Beitragszahlung von Pflegepersonen (§ 177 SGB VI aF bzw § 279e SGB VI - letztgenannte Norm zum 31.12.2011 aufgehoben) könne die Antragsfrist nicht rechtfertigen: Was im Beitragsrecht zur Vermeidung der nachträglichen Veränderung einer bereits durchgeführten Versicherung sachgerecht sei, lasse sich auf die Anrechnung einer Berücksichtigungszeit nicht übertragen, da diese keine Beitragszahlung voraussetze.

9

Eine Ungleichbehandlung ergebe sich aber auch im Vergleich zu anderen beitragsfreien Zeiten (Ersatzzeiten, Anrechnungszeiten, Zurechnungszeiten), bei denen allesamt kein fristgebundenes Antragserfordernis normiert sei. Auch hierfür seien sachlich rechtfertigende Gründe nicht ersichtlich. Vielmehr indiziere die singuläre Behandlung der Pflege-Berücksichtigungszeiten einen Systembruch und damit eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Da wegen des klaren Wortlauts keine verfassungskonforme Auslegung möglich sei, bedürfe es einer Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung.

10

Ungeachtet dessen habe das LSG zu Unrecht einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verneint. Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, sie - die Klägerin - anlässlich ihres Auskunftsersuchens vom 15.3.1989 und weiterer Kontakte in den Jahren 1992, 1993 und 1994 über die Ausschlussfrist zu beraten. Wegen des "Meistbegünstigungsprinzips" hätte ihre Anfrage nach weiteren "Beitragszeiten" für den pflegebedürftigen Sohn umfassend - auch mit einem Hinweis auf die Möglichkeit der Beantragung beitragsloser Berücksichtigungszeiten - beantwortet werden müssen, zumal die zum 1.1.1992 erfolgte Einführung der Berücksichtigungszeiten wegen Pflege damals bereits in Kraft getreten gewesen sei. Es sei der Sozialverwaltung zumutbar, eine aktuell bearbeitete Akte auf noch unerledigte Anträge und Auskunftsersuchen zu überprüfen. Dass die Akte zwischenzeitlich "verlegt" gewesen sei, dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen. Aufgrund des unterbliebenen Hinweises auf einen möglichen Antrag nach § 57 Abs 2 SGB VI aF sei ihr ein sozialrechtlicher Nachteil entstanden. Denn bei Kenntnis dieses Erfordernisses hätte sie einen solchen Antrag in jedem Fall gestellt. Da nur dessen Fehlen zur Nichterfüllung der Wartezeit für eine Altersrente für langjährig Versicherte geführt habe, sei sie im Wege des Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob sie rechtzeitig die Anerkennung der Zeit vom 1.1.1992 bis 31.3.1995 als Berücksichtigungszeit wegen Pflege beantragt habe.

11

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14. Juli 2010, das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 16. Dezember 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Oktober 2006 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, den Ablehnungsbescheid vom 28. März 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2002 zurückzunehmen und ab 1. Juli 2002 Altersrente für langjährig Versicherte zu gewähren,

hilfsweise, die genannten Urteile und Bescheide aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, den Rentenbescheid vom 23. Juni 2004 zurückzunehmen und höhere Regelaltersrente unter Anrechnung des Zeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 31. März 1995 als Berücksichtigungszeit wegen Pflege zu gewähren.

12

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend weist sie darauf hin, ein möglicher Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung hinsichtlich des Antragserfordernisses von Zeiten der Pflege und Zeiten der Kindererziehung könne darin liegen, dass die Erziehung eines Kindes durch einen Elternteil im Regelfall unterstellt werden könne, während der Nachweis der Pflege eines Angehörigen für lange zurückliegende Zeiträume schwierig sei. Im Übrigen sei vorrangig das Bestehen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu prüfen. Sie - die Beklagte - habe jedoch keine Beratungspflichten verletzt. Sie könne auch nach Auswertung bereits mikroverfilmter Aktenbestandteile nicht feststellen, dass das von der Klägerin angeführte Schreiben vom 15.3.1989 überhaupt bei ihr eingegangen sei. Der Rechtsmeinung, dass der Rentenversicherungsträger bei jedem neuen "Geschäftsvorfall" den bisherigen Vorgang ohne konkreten Anlass vollständig darauf zu überprüfen habe, ob durch zwischenzeitlich eingetretene Rechtsänderungen alte Aktenbestandteile eine neue Relevanz erhalten hätten, sei aus zeitlichen und arbeitstechnischen Gründen nicht zu folgen.

14

Die Beigeladene verweist auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden vorinstanzlichen Entscheidungen, sieht aber von einer eigenen Antragstellung ab.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das LSG hat ihre Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen, denn der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 31.7.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.10.2006 ist rechtmäßig (§ 170 Abs 1 S 1 iVm § 54 Abs 2 S 1 SGG). Die Klägerin kann von der Beklagten weder die Rücknahme des eine Altersrente für langjährig Versicherte versagenden Bescheids vom 28.3.2002 und Gewährung entsprechender Leistungen ab 1.7.2002 beanspruchen noch (im Sinne des Hilfsantrags) die Zahlung höherer Regelaltersrente ab 1.7.2004 unter Änderung des Bescheids über die Regelaltersrente vom 23.6.2004. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es abgelehnt hat, den Zeitraum vom 1.1.1992 bis 31.3.1995, in dem die Klägerin ihren behinderten Sohn pflegte, oder Teile davon als Berücksichtigungszeit wegen Pflege iS des § 249b SGB VI anzuerkennen.

16

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der eine Rücknahme vorangegangener Entscheidungen ablehnende Bescheid der Beklagten vom 31.7.2006 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.10.2006), und zwar sowohl hinsichtlich einer Korrektur des Altersrente für langjährig Versicherte versagenden Bescheids vom 28.3.2002 als auch in Bezug auf eine Änderung des Regelaltersrente bewilligenden Bescheids vom 31.7.2006. Die Klägerin hat von Anfang an stets eine Überprüfung beider Bescheide verlangt. Bei sachgemäßer Auslegung (vgl § 123 SGG) war ihr Begehren von vornherein als - ihr Ziel weitestgehend verwirklichender - Hauptantrag auf Gewährung von Altersrente für langjährig Versicherte unter Einbeziehung des Zeitraums 1.1.1992 bis 31.3.1995 (39 Monate) als Berücksichtigungszeit wegen Pflege zu behandeln. Nur für den Fall von dessen Ablehnung sollte höhere Regelaltersrente unter Einbeziehung möglichst vieler Monate einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege eingefordert werden. Die Beklagte hat zumindest im Widerspruchsbescheid vom 6.10.2006 auch über dieses umfassende Begehren entschieden (vgl § 95 SGG). Wenn sich - wie hier - das SG nur mit dem Hauptantrag befasst und den Hilfsantrag übergangen hat, war das Berufungsgericht ohne vorheriges Urteilsergänzungsverfahren (vgl § 140 SGG) verpflichtet, auch über den Hilfsantrag zu entscheiden (§ 157 S 1 SGG - s hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 157 RdNr 2a). Auch wenn sich das LSG in seinem Urteil ausschließlich mit dem (Hilfs-)Antrag auf höhere Regelaltersrente auseinandergesetzt hat, muss bei sachgerechter Zusammenschau davon ausgegangen werden, dass es den im Tatbestand seines Urteils wiedergegebenen Hauptantrag nicht übergangen, sondern - zumindest konkludent - ebenfalls als nicht begründet beurteilt hat. Denn mit der Ablehnung jeglicher Berücksichtigungszeiten wegen Pflege mussten notwendigerweise sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag der Klägerin scheitern. Damit ist aber auch der Hauptantrag Gegenstand der Überprüfung im Revisionsverfahren (zur vereinzelt bejahten Möglichkeit des "Heraufholens" vom LSG versehentlich übergangener Verfahrensgegenstände in die Revisionsinstanz vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 27).

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2. Als Rechtsgrundlage für eine Aufhebung des Altersrente für langjährig Versicherte versagenden Bescheids vom 28.3.2002 oder für eine Änderung des Bescheids über die Regelaltersrente vom 23.6.2004 kommt nur § 44 Abs 1 S 1 SGB X in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit ua zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

18

Ihrer Anwendung steht auch in Bezug auf den Bescheid vom 28.3.2002 nicht entgegen, dass dessen Rechtmäßigkeit bereits Gegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens war, das rechtskräftig mit einer Abweisung der Klage als unbegründet endete (Urteil des SG Lüneburg vom 25.8.2005 zum Az S 4 RJ 86/04 WA - zuvor S 4 RJ 8/03). Zwar ist dadurch der genannte Bescheid für die Beteiligten in der Sache bindend geworden (§ 77 SGG). Eine Bindung besteht jedoch nur, "soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist". In diesem Sinne ist § 44 SGB X eine gesetzliche Bestimmung, die eine Durchbrechung der Bindungswirkung zulässt(vgl BSG SozR 2200 § 1268 Nr 29 S 91, 94). Sie vermittelt einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts unabhängig davon, ob dieser durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 96, 227 = SozR 4-2600 § 315a Nr 3, RdNr 14; BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12 - jeweils mwN). Aus dem Urteil des 9. Senats vom 3.2.1988 (BSGE 63, 33, 35 = SozR 1300 § 44 Nr 33 S 89) ergibt sich nichts Gegenteiliges.

19

3. Die Beklagte hat mit der Ablehnung eines Anspruchs auf Altersrente für langjährig Versicherte im Bescheid vom 28.3.2002 iS des § 44 Abs 1 S 1 SGB X das Recht nicht unrichtig - was hier allein in Betracht kommt -, sondern zutreffend angewandt.

20

a) Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Klägerin auf Altersrente für langjährig Versicherte ist § 236 Abs 1 SGB VI(gemäß § 300 Abs 2 SGB VI hier noch anzuwenden in der ab 1.1.2000 geltenden Fassung des RRG 1999 vom 16.12.1997, BGBl I 2998; ab 1.1.2002 s auch Neubekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754). Vor dem 1.1.1948 geborene Versicherte haben nach S 1 der Vorschrift frühestens Anspruch auf eine solche Rente, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Nach S 2 bis 4 (aaO) wird diese Altersgrenze für nach dem 31.12.1936 geborene Versicherte nach Maßgabe der Anlage 21 zum SGB VI angehoben, wobei eine vorzeitige Inanspruchnahme möglich ist (mit entsprechenden Abschlägen gemäß § 77 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a SGB VI). Anlage 21 zum SGB VI enthält für Versicherte, die zwischen Januar 1939 und Dezember 1947 geboren sind, nach dem Gesamtzusammenhang der Regelung - ebenso wie für im Dezember 1938 und im Januar 1948 Geborene - eine Anhebung der Altersgrenze auf 65 Jahre sowie die Möglichkeit zur vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente ab dem 63. Lebensjahr.

21

Die 1939 geborene Klägerin hatte am 1.7.2002 ihr 63. Lebensjahr vollendet und erfüllte somit die altersmäßige Voraussetzung für eine (vorzeitige) Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte. Sie hatte jedoch, wie das SG festgestellt und worauf das LSG Bezug genommen hat, zu diesem Zeitpunkt ohne Berücksichtigung der streitbefangenen Berücksichtigungszeiten wegen Pflege ihres Sohnes im Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 lediglich 31 Jahre und 11 Monate an rentenrechtlichen Zeiten (§ 51 Abs 3 SGB VI)aufzuweisen, die auf die Wartezeit von 35 Jahren angerechnet werden können. Ein Anspruch der Klägerin auf eine Altersrente für langjährig Versicherte ab 1.7.2002 besteht somit nur, wenn bis dahin wenigstens weitere 37 Monate an rentenrechtlichen Zeiten, zu denen gemäß § 54 Abs 1 Nr 3 SGB VI auch Berücksichtigungszeiten gehören, anzurechnen wären. Das ist jedoch nicht der Fall.

22

b) Eine Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege im Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 (= 39 Monate) kommt nicht in Betracht.

23

Nach § 249b S 1 SGB VI(in der ab 1.4.1995 und bis heute unverändert geltenden Fassung des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014; zuvor weitgehend inhaltsgleich mWv 1.1.1992 § 57 Abs 2 SGB VI idF des RRG 1992 vom 18.12.1989, BGBl I 2261) sind Berücksichtigungszeiten "auf Antrag" auch Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege eines Pflegebedürftigen in der Zeit vom 1.1.1992 bis zum 31.3.1995, solange die Pflegeperson (1.) wegen der Pflege berechtigt war, Beiträge zu zahlen oder die Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge zu beantragen, und (2.) nicht zu den in § 56 Abs 4 SGB VI genannten Personen gehört, die von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen sind. Gemäß S 2 der Vorschrift wird die Zeit der Pflegetätigkeit von der Aufnahme der Pflegetätigkeit an als Berücksichtigungszeit angerechnet, wenn der Antrag bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach Aufnahme der Pflegetätigkeit gestellt wird.

24

aa) Hiernach ist - ungeachtet weiterer Voraussetzungen insbesondere hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Pflegetätigkeit - die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege von einem Antrag der Pflegeperson (nicht: der zu pflegenden Person) abhängig (zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung RdNr 41 ff), zu deren Gunsten die Zeit rentenrechtlich wirksam werden soll (Dankelmann in juris-PK SGB VI, 2. Aufl 2013, § 249b RdNr 44). Die zeitliche Wirkung des Antrags ergibt sich aus § 249b S 2 SGB VI. Um bei einem Beginn der Pflegetätigkeit vor 1992 - wie im vorliegenden Fall - den vollen denkbaren Zeitraum (1.1.1992 bis 31.3.1995) als Berücksichtigungszeit gutgeschrieben zu erhalten, hätte die Klägerin einen entsprechenden Antrag spätestens am 31.3.1992 stellen müssen, da bei einer bereits länger als drei Monate - hier: seit November 1979 - aufgenommenen Pflegetätigkeit die Berücksichtigungszeit erst ab dem Tag des Antragseingangs angerechnet werden kann (Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 249b RdNr 3, 18, Stand Juni 2012). Eine Antragstellung nach diesem Zeitpunkt hätte nur zu einer entsprechend kürzeren Berücksichtigungszeit führen können; letztmöglicher Antragszeitpunkt (zur Anerkennung einer Berücksichtigungszeit für den Monat März 1995) war demnach der 31.3.1995 (vgl Löschau in ders, SGB VI, Stand August 2013, § 249b RdNr 17; Bergner ua, KomGRV, § 249b SGB VI Anm 3, Stand Oktober 2003; Försterling in Ruland/Försterling, Gemeinschaftskomm zum SGB VI, § 249b RdNr 13, Stand Mai 2005). Das von den Vorinstanzen für maßgeblich gehaltene Datum 30.6.1995 ist hier nicht einschlägig. Vielmehr markiert es lediglich den letzten denkbaren Antragszeitpunkt für den Fall, dass eine Pflegetätigkeit erst im März 1995 begann.

25

Sämtliche möglichen Antragszeitpunkte hat die Klägerin jedoch versäumt. Denn sie hat einen Antrag auf Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege erst am 5.7.1996 bei der Beklagten gestellt.

26

bb) Auch die Regelungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB X) kommen der Klägerin nicht zugute. Dies gilt schon deshalb, weil bei Einreichung des Antrags auf Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege im Juli 1996 die Jahresfrist gemäß § 27 Abs 3 SGB X längst abgelaufen war.

27

cc) Ebenso wenig kann sie auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beanspruchen, so behandelt zu werden, als ob sie den Antrag auf Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege bereits am 31.3.1992 - dem spätesten Zeitpunkt, um die erforderlichen 37 Monate solcher Zeiten angerechnet zu erhalten - gestellt hätte.

28

In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass das richterrechtliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auch neben der gesetzlichen Wiedereinsetzungsregelung in § 27 SGB X (soweit einschlägig) anwendbar ist. Der Herstellungsanspruch erfordert eine Pflichtverletzung eines Sozialleistungsträgers und einen hierdurch beim Betroffenen hervorgerufenen rechtlichen Nachteil auf dem Gebiet des Sozialrechts; als Rechtsfolge ist der Zustand wiederherzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, wobei dies nur durch eine an sich zulässige Amtshandlung geschehen darf (BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 13 RdNr 26 mwN; BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 12 AL 2/12 R - Juris RdNr 19, zur Veröffentlichung in SozR 4-4300 § 28a Nr 5 vorgesehen).

29

Die genannten Voraussetzungen liegen auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG, die von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen wurden und daher für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), nicht vor. Als Pflichtverletzung, die gegebenenfalls einen Herstellungsanspruch auslösen kann, kommt vorliegend nur eine unzureichende Beratung der Klägerin durch die Beklagte über ihre Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Erlangung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege in Betracht (vgl § 14 SGB I).

30

(1) Die Klägerin macht insoweit geltend, sie habe die Beklagte mit Schreiben vom 15.3.1989 ua um Auskunft gebeten, ob für ihren Sohn "weitere Beitragszeiten anerkannt werden könnten, da er seit 1979 schwerbehindert und pflegebedürftig ist", hierauf aber keine Antwort erhalten. Bei ordnungsgemäßer Behandlung ihres Auskunftsersuchens wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, auch zu sonstigen anerkennungsfähigen Zeiten im Zusammenhang mit dem geschilderten Sachverhalt umfassend Auskunft zu geben und dabei auf die Möglichkeiten der Beantragung beitragsloser Berücksichtigungszeiten wegen Pflege hinzuweisen. Das LSG-Urteil enthält jedoch keine Feststellungen dazu, dass diese Anfrage die Beklagte überhaupt erreicht hat. Im Tatbestand (S 2 aaO) ist lediglich der oben erwähnte Vortrag der Klägerin wiedergegeben; die Entscheidungsgründe (S 7 aaO) enthalten keine weitergehenden Feststellungen zum Inhalt der Anfrage oder dazu, ob sie bei der Beklagten - was diese ausdrücklich in Frage stellt - eingegangen ist. Dennoch bedarf es keiner Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung.

31

Denn selbst wenn die Tatsachenbehauptungen der Klägerin zu ihren Gunsten als wahr unterstellt werden, ergibt sich aus ihnen kein Herstellungsanspruch. Zwar stünde dann ein Beratungsmangel iS von § 14 SGB I - in Gestalt der Nichterteilung einer erbetenen Beratung - fest. Dies hätte jedoch zum damaligen Zeitpunkt im Frühjahr 1989 nicht kausal zu einem sozialrechtlichen Nachteil bei der Klägerin führen können. Bei Durchführung der Beratung hätte die Beklagte der Klägerin damals lediglich mitteilen können, dass nach geltender Rechtslage keine weiteren Beitragszeiten oder sonstige rentenrechtlichen Zeiten wegen der Pflegebedürftigkeit ihres Sohnes anzuerkennen seien. Hieraus hätte sich für die Klägerin kein Erfordernis einer späteren Antragstellung zur Erlangung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege erschlossen, was zur Folge hat, dass ohne die (behauptete) Pflichtverletzung kein für die Klägerin günstigerer Rechtszustand eingetreten wäre, der mit Hilfe des Herstellungsanspruchs nunmehr verwirklicht werden könnte.

32

Die Beklagte war im März 1989 auch nicht dazu verpflichtet, auf eine möglicherweise künftig günstigere, mit dem Erfordernis einer rechtzeitigen Antragstellung verbundene Rechtslage hinzuweisen, falls der am 7.3.1989 erstmals in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachte Entwurf des RRG 1992 (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vom 7.3.1989, BT-Drucks 11/4124) in Gestalt der dort in § 57 Abs 2 SGB VI neu aufgenommenen Regelung geltendes Recht würde. Denn der Anspruch auf Beratung nach § 14 SGB I umfasst nur die Beratung über die bestehenden "Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch", nicht aber auch über den Inhalt von bloßen Gesetzentwürfen, die weder vom Parlament verabschiedet noch verkündet sind(s BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 5 RdNr 9 - zum Fall einer neu eingeführten antragsabhängigen Leistung nach dem LBliGG Sachsen - sowie BSG SozR 3-3200 § 86a Nr 2 S 6 - zum Fall der 1987 neu eingeführten antragsabhängigen Arbeitslosenbeihilfe nach § 86a Abs 1 S 2 SVG iVm § 100 Abs 1 AFG für Soldaten auf Zeit).

33

Nichts anderes ergibt sich, wenn der Zeitraum nach Verkündung des RRG 1992 am 28.12.1989 (vgl BGBl I 1989 Nr 60 S 2261) in den Blick genommen wird. Dann wäre zwar die (unterstellte) Anfrage der Klägerin immer noch unbeantwortet gewesen. Außerdem hätte die Beklagte auf eine zu diesem Zeitpunkt gestellte Anfrage der Klägerin mitteilen müssen, dass nach der gesetzlichen Regelung ab 1992 Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege im Umfang von regelmäßig mindestens 10 Stunden pro Woche auf einen entsprechenden - fristgebundenen - Antrag hin entweder als Pflichtbeitragszeiten oder als Berücksichtigungszeiten (§ 57 Abs 2 iVm § 177 SGB VI aF)angerechnet werden können (vgl BSG SozR 4-3800 § 1 Nr 9 RdNr 35; s hierzu auch Bergner ua, KomGRV, § 14 SGB I RdNr 5 S 8, Stand März 2007). Gleichwohl vermag - jedenfalls in einer Konstellation wie der hier vorliegenden - eine fehlende Antwort der Beklagten auf das Schreiben der Klägerin vom 15.3.1989 einen Herstellungsanspruch nicht zu begründen.

34

Denn wenn ein Betroffener, der auf ein Auskunftsersuchen keine Antwort erhält, nach einer angemessenen Wartefrist die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Aufklärung, ob seine Anfrage bei dem zur Beratung verpflichteten Leistungsträger überhaupt angekommen ist oder welche Gründe für das Ausbleiben einer Antwort bestehen, nicht wahrnimmt, so kann er aus dem Unterbleiben der Beratung keinen Herstellungsanspruch mehr herleiten. Ein Betroffener in solcher Lage hat Kenntnis von seinem Informationsdefizit; ihm kann deshalb zugemutet werden, seine Anfrage in angemessener Frist zu wiederholen, zumal er sein Beratungsbegehren gegenüber der Behörde nötigenfalls prozessual durchsetzen kann (BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1 RdNr 24; s auch Schmidt-De Caluwe, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, 1992, S 514, der einen Herstellungsanspruch nur bejaht, wenn die versäumte Frist "zwischenzeitlich" - also innerhalb der angemessenen Wartefrist - abgelaufen ist). Eine Nachfrage wegen der bislang unterbliebenen Antwort liegt auch deshalb nahe, weil es hierfür die unterschiedlichsten Gründe geben kann: Neben dem (pflichtwidrigen) Unterlassen einer rechtzeitigen Auskunft kann auch das Auskunftsersuchen oder die Auskunft auf dem Postweg oder behördenintern verloren gegangen sein; denkbar ist ferner, dass die Anfrage von der Klägerin versehentlich nicht abgeschickt oder die Antwort von ihr übersehen oder versehentlich vernichtet wurde.

35

Nicht vertieft zu werden braucht in diesem Zusammenhang, ob die Beschränkung des Herstellungsanspruchs aus dem generellen Vorrang des Primärrechtsschutzes im Verhältnis zwischen Bürger und Staat herzuleiten ist, der es dem Bürger versagt, eine rechtswidrige staatliche Beeinträchtigung freiwillig hinzunehmen und stattdessen hierfür Schadensersatz zu verlangen (vgl BSGE 105, 100 = SozR 4-1100 Art 104a Nr 1, RdNr 17 mwN), ob die Begrenzung des Herstellungsanspruchs aus Nebenpflichten und Obliegenheiten folgt, die sich auch für den Leistungsberechtigten aus dem Sozialrechtsverhältnis ergeben (so BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 75/12 R - RdNr 24 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 16 Nr 13 vorgesehen), oder ob es in diesen Fällen bereits an der Kausalität der behördlichen Pflichtverletzung iS einer wesentlichen - zumindest gleichwertigen - Bedingung für die Beeinträchtigung eines sozialen Rechts fehlt (so BSGE 91, 1 = SozR 4-2600 § 115 Nr 1 - Leitsatz 2 und RdNr 62). Im Ergebnis besteht jedenfalls Übereinstimmung, dass unter den genannten Voraussetzungen kein Herstellungsanspruch wegen unterlassener Beratung besteht.

36

Eine solche Konstellation liegt hier vor, sofern das tatsächliche Vorbringen der Klägerin als wahr unterstellt wird. Diese hat mit ihrer Revision selbst nicht vorgetragen, dass sie ihre (behauptete) Anfrage vom 15.3.1989, die von der Beklagten unbeantwortet geblieben sei, zu irgendeinem späteren Zeitpunkt erneuert oder Informationen zu den Gründen der unterbliebenen Antwort eingeholt habe; auch das LSG hat solches nicht festgestellt. Damit scheidet ein Herstellungsanspruch als Folge einer unterlassenen Beantwortung des Schreibens der Klägerin vom 15.3.1989 durch die Beklagte aus. Wie zu entscheiden wäre, wenn die Antragsfrist gerade in dem Zeitraum abgelaufen wäre, während dessen die Klägerin mit einer Antwort durch die Beklagte auch ohne Nachfrage hat rechnen dürfen, kann dahinstehen; zum hier maßgeblichen Zeitpunkt Ende März 1992 war dies jedenfalls nicht mehr der Fall.

37

(2) Weiterhin leitet die Klägerin eine Pflicht der Beklagten zur Beratung über das Antragserfordernis hinsichtlich der Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege ab 1.1.1992 daraus ab, dass nach Verkündung des RRG 1992 erneut Kontakte in rentenrechtlichen Angelegenheiten stattgefunden hätten, nämlich im Zusammenhang mit einem Antrag vom 2.11.1992 auf Beitragsnachzahlung bei Heiratserstattung und weiteren Vorgängen in den Jahren 1993 und 1994; jedenfalls zu diesen Zeitpunkten hätte die Beklagte sie über die bereits konkret eingetretene Änderung der Rechtslage beraten müssen.

38

Eine Würdigung dieses Sachverhalts durch das Revisionsgericht ist jedoch ausgeschlossen. Denn es handelt sich insoweit um völlig neues tatsächliches Vorbringen, das in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden kann (vgl BSGE 9, 266, 271; Lüdtke in ders, SGG, 4. Aufl 2012, § 163 RdNr 3). Im angefochtenen Urteil des LSG finden sich keinerlei Feststellungen zu solchen Kontakten. Dort ist - anders als hinsichtlich der Geltendmachung eines Herstellungsanspruchs aufgrund des Schreibens vom 15.3.1989 - nicht einmal ein entsprechendes Vorbringen der Klägerin in erster oder zweiter Instanz zur Untermauerung ihres Anspruchs erwähnt (vgl § 136 Abs 2 S 2 SGG). Wiederaufnahmegründe in Bezug auf diese tatsächlichen Umstände sind ebenfalls nicht ersichtlich.

39

Im Übrigen könnte ein Herstellungsanspruch aufgrund eines Beratungsfehlers der Beklagten anlässlich des ersten vorgetragenen Kontakts im November 1992 allenfalls dazu führen, dass die Klägerin so zu stellen wäre, als ob sie einen Antrag auf Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege im November 1992 gestellt hätte. Das würde jedoch nicht genügen, um die bei ihr für eine Altersrente für langjährig Versicherte zusätzlich erforderlichen rentenrechtlichen Zeiten im Umfang von mindestens 37 Monaten zu erlangen (s oben 3. a).

40

4. Die Beklagte hat auch im Bescheid über die Regelaltersrente vom 23.6.2004 iS des § 44 Abs 1 S 1 SGB X das Recht nicht unrichtig, sondern zutreffend angewandt, indem sie bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte(§§ 70 ff SGB VI) für den Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 keine Berücksichtigungszeiten wegen Pflege (§ 249b SGB VI)einbezog. Auch insoweit fehlt für eine Anrechnung solcher Berücksichtigungszeiten der erforderliche rechtzeitige Antrag; auf die obigen Ausführungen (unter 3. b) wird Bezug genommen.

41

5. Das Antragserfordernis in § 57 Abs 2 SGB VI(in der ab 1.1.1992 bis 31.3.1995 geltenden Fassung des RRG 1992) bzw nunmehr in § 249b SGB VI(in der ab 1.4.1995 geltenden Fassung des PflegeVG) verletzt kein Verfassungsrecht; es ist insbesondere mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar.

42

a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Er verlangt vom Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu regeln. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (stRspr, vgl BVerfGE 132, 372 RdNr 45 mwN).

43

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen über einen stufenlosen, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstab bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (BVerfGE 132, 179 RdNr 30; BVerfGE 132, 372 RdNr 45 mwN). Differenzierungen bedürfen dabei stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Mithin muss eine Differenzierung nicht nur an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpfen, sondern es ist auch ein innerer Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung erforderlich, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist (BVerfGE 132, 372 RdNr 45 mwN).

44

Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich dabei nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (BVerfGE 131, 239, 256 mwN). Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit, um den es hier geht, kommt dem Gesetzgeber bei der Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 130, 240, 254 mwN). Ihm sind jedoch umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann (BVerfGE 122, 39, 52; 130, 131, 142). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist auch anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft (BVerfGE 129, 49, 69); sie ist darüber hinaus umso strenger, je mehr sich die zur Unterscheidung führenden personenbezogenen Merkmale den in Art 3 Abs 3 GG genannten Merkmalen annähern und je größer die Gefahr ist, dass die Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt (BVerfGE 131, 239, 256). Bei verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung insbesondere auch davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (BVerfGE 127, 263, 280 = SozR 4-1300 § 116 Nr 2 RdNr 45 mwN). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers geht besonders weit, wenn er Lebenssachverhalte verschieden behandelt und die Betroffenen sich durch eigenes Verhalten auf die unterschiedliche Regelung einstellen können; die Grenze bildet dann allein das Willkürverbot (BVerfGE 97, 271, 291 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1 S 11).

45

b) Nach diesen Grundsätzen ist Prüfungsmaßstab hier allein das Willkürverbot. Das Unterscheidungsmerkmal "Antragserfordernis", das die Klägerin beanstandet, ist nicht personenbezogen, sondern knüpft an den Lebenssachverhalt der Verrichtung nicht erwerbsmäßiger Pflege in einem bestimmten zeitlichen Umfang durch jede beliebige Person an; es weist auch keinerlei Nähe zu einem der in Art 3 Abs 3 GG genannten Merkmale - Alter, Geschlecht, Abstammung usw - auf. Die unterschiedliche Behandlung - Erlangung rentenrechtlicher Zeiten ohne eigenen Beitrag, aber einmal mit und sonst ohne vorherigen Antrag - wirkt sich auch nicht in irgendeiner Weise auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten aus. Es handelt sich vielmehr um eine Regelung, die lediglich verschiedene Lebenssachverhalte (Pflege in Abgrenzung zu Kindererziehung oder sonstigen Tatbeständen, die eine beitragslose rentenrechtliche Zeit begründen) in Bezug auf die verfahrensrechtliche Verwirklichung ihrer Berücksichtigung beim Erwerb von Rentenrechten in unterschiedlicher Weise ausgestaltet (zum Willkürverbot als Beurteilungsmaßstab für verfahrensrechtliche Ausgestaltungen s BVerfGE 42, 64, 73 f; zur Anlegung eines "zurückgenommenen Prüfungsmaßstabs" bei der Beurteilung des Selbsttitulierungsrechts einiger öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten vgl BVerfGE 132, 372 RdNr 46). Die davon Betroffenen konnten sich zudem durch eigenes Verhalten, nämlich durch eine formlose Antragstellung (§ 9 SGB X - vgl Löschau in ders, SGB VI, Stand August 2013, § 249b SGB VI RdNr 18; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 249b RdNr 15, Stand Juni 2012) und damit ohne besonderen Aufwand auf die unterschiedliche Regelung einstellen.

46

c) Die Gewährung beitragsfreier Berücksichtigungszeiten wegen Pflege als zur Begründung oder Erhöhung von Rentenleistungen beitragendes Element für den Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 nur nach vorheriger fristgebundener Antragstellung (und damit unter verfahrensrechtlich strengeren Voraussetzungen als bei zahlreichen anderen rentenrechtlich bedeutsamen Zeiten) ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt.

47

Das RRG 1992 hat erstmals geregelt, dass nicht erwerbsmäßige häusliche Pflegetätigkeit als rentenrechtlich bedeutsame Zeit berücksichtigt werden kann. Die Begründung des Gesetzentwurfs führt dazu aus, die neue Leistung stehe im Zusammenhang mit dem Ziel, die Versicherungsbedingungen für ehrenamtliche Pflegepersonen zu verbessern; deshalb sollte die Vergünstigung an die gleichen Voraussetzungen gebunden werden, die auch für die in § 177 SGB VI(bis 31.3.1995; anschließend § 279e SGB VI, der bis 31.12.2011 galt) neu geschaffene Möglichkeit einer Umwandlung freiwilliger Beiträge von Pflegepersonen in Pflichtbeiträge vorgesehen waren (BT-Drucks 11/4124 S 142 unter 2. sowie S 167 - zu § 57 Abs 2). Diese beitragsrechtliche Regelung sollte jedoch nur "auf Antrag und bei entsprechendem Nachweis" eröffnet werden (BT-Drucks 11/4124 S 143 unter 3.), denn den Rentenversicherungsträgern sei eine Überprüfung des Vorliegens der Pflegebedürftigkeit und der tatsächlichen Pflegeleistung - gemäß § 177 Abs 1 Nr 2 SGB VI aF regelmäßig wöchentlich mindestens 10 Stunden - selbst nicht möglich(BT-Drucks 11/4124 S 186 - zu § 172, der als § 177 SGB VI Gesetz wurde). Deshalb wurde in § 177 Abs 4 S 2 SGB VI aF ergänzend bestimmt, dass die Versicherten den Umfang der Pflegebedürftigkeit durch eine Bescheinigung des Medizinischen Dienstes(§ 275 SGB V) und den Umfang der Pflegetätigkeit durch die Bescheinigung einer von den Landesregierungen zu bestimmenden Stelle selbst nachzuweisen hatten.

48

Das gesetzgeberische Ziel einer Verknüpfung der neuen beitragsfreien Vergünstigung der Berücksichtigungszeiten wegen Pflege (mit zumeist rentenrechtlich nur geringen Auswirkungen) mit der gleichzeitig neu geschaffenen Möglichkeit einer verbesserten Beitragszahlung durch die Pflegepersonen auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht ist nicht zu beanstanden und keinesfalls willkürlich. Die insoweit unterschiedliche Behandlung der Berücksichtigungszeiten wegen Pflege gegenüber den - ebenfalls durch das RRG 1992 eingeführten - Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 Abs 1 SGB VI aF, nunmehr § 57 SGB VI) erklärt sich dadurch, dass hinsichtlich des letztgenannten Sachverhalts eine gesonderte Beitrags(umwandlungs)regelung nicht besteht. In Bezug auf Pflegepersonen im Bereich nicht erwerbsmäßiger häuslicher Pflege, die bereits vor Einführung der Pflegeversicherung unter bestimmten Umständen für ihren Einsatz aus der Geldleistung nach § 57 SGB V aF honoriert werden konnten(s die Übersicht in BT-Drucks 12/5262 S 68 ff, insbesondere die Hinweise auf § 55 und § 57 SGB V in der vom 1.1.1989 bis 31.3.1995 geltenden Fassung), lag es nahe, ihnen auch eine eigene Beitragsleistung zur rentenrechtlichen Absicherung zu eröffnen und diese Form der eigenverantwortlichen Vorsorge durch parallele verfahrensrechtliche Regelungen zu befördern. Die Antragsgebundenheit der beitragslosen Berücksichtigungszeit wegen Pflege ermöglichte es den Rentenversicherungsträgern, die Pflegepersonen zeitnah über deren (begrenzte) rentenrechtlichen Wirkungen sowie über die zusätzlich bestehenden beitragsrechtlichen Möglichkeiten für eine verbesserte soziale Absicherung aufzuklären. Im Hinblick darauf trifft der Einwand der Klägerin nicht zu, dass der vom Gesetzgeber hergestellte Sachzusammenhang zwischen den Berücksichtigungszeiten wegen Pflege (§ 57 Abs 2 SGB VI aF)und den Beitragsregelungen wegen Pflege (§ 177 SGB VI aF) einen Regelungsgleichklang in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht rechtfertigen könne, weil die ergänzende Beitragszahlung keine notwendige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Berücksichtigungszeit sei (in diesem Sinne auch Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 249b RdNr 16, Stand Juni 2012).

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Die oben wiedergegebene Begründung zum RRG 1992 zeigt zudem auf, dass der Gesetzgeber die besonderen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen (Antrag, Vorlage bestimmter Nachweise) für die Gewährung von Vergünstigungen für nicht erwerbsmäßige häusliche Pflege geschaffen hat, weil er eine Überprüfung der materiellen Voraussetzungen - insbesondere des Umfangs der tatsächlich erbrachten Pflegetätigkeit - durch den Rentenversicherungsträger selbst für nicht durchführbar hielt. Auch das ist frei von Willkür. Dass dabei die von Anfang an vollumfängliche (rückwirkende) Anrechnung einer Pflegezeit von der Beachtung einer - mit drei Monaten relativ kurz bemessenen - Antragsfrist abhängig gemacht wurde, beruht auf dem Sachgrund, dass die Feststellung des Umfangs einer nicht erwerbsmäßig im häuslichen Bereich ausgeübten Pflegetätigkeit in länger zurückliegenden Zeiträumen nicht zuletzt wegen jederzeit möglicher gesundheitlich bedingter Änderungen des Pflegebedarfs besonders schwierig ist (vgl Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II - Bd 3, § 249b SGB VI RdNr 10, Stand Februar 1996). Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, eine solche Regelung sei nicht erforderlich, weil die Folgen einer eventuellen Beweislosigkeit nach den Regeln der objektiven Beweislast ohnehin von der Pflegeperson zu tragen seien. Der Gesetzgeber handelt nicht sachwidrig, wenn er die Inanspruchnahme materieller Vergünstigungen an die Beachtung zumutbarer verfahrensrechtlicher Vorkehrungen knüpft und damit das Ziel verfolgt, den Umfang künftiger Streitigkeiten von vornherein zu begrenzen. Die Grundsätze der Beweislast kämen dagegen erst zur Anwendung, wenn alle bestehenden Möglichkeiten der Sachaufklärung von Amts wegen in gegebenenfalls für die Solidargemeinschaft der Rentenversicherten kostenaufwändigen, für die Pflegeperson aber kostenfreien Verfahren (vgl § 64 Abs 1 SGB X, §§ 183, 184, 193 Abs 4 SGG)ausgeschöpft wären.

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Der weitere Einwand, es handele sich bei dem fristgebundenen Antragserfordernis für die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege um eine systemwidrige singuläre Ausnahmeregelung, da alle anderen beitragsfreien Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung ohne diese Einschränkung berücksichtigt werden könnten, trifft nicht zu. Auch die Inanspruchnahme von Kindererziehungszeiten ist in bestimmten Konstellationen gleichfalls von einem fristgebundenen Antrag abhängig. Im Falle gemeinsamer Erziehung können sie einem Elternteil durch übereinstimmende Erklärung rückwirkend nur für bis zu zwei Kalendermonate vor deren Abgabe zugeordnet werden (§ 56 Abs 2 S 5 und 6 SGB VI),wobei die Abgabe der Erklärung nach den Regeln über die Antragstellung erfolgt (§ 56 Abs 2 S 7 SGB VI). Zudem sind auch bestimmte Pflichtbeitragszeiten an einen rechtzeitigen Antrag geknüpft (Antragspflichtversicherung nicht nur vorübergehend selbstständig Tätiger gemäß § 4 Abs 2 iVm Abs 4 S 1 Nr 1 SGB VI: frühestens ab Antragstellung; Antragspflichtversicherung nicht oder ohne Krankengeldanspruch in der GKV Versicherter gemäß § 4 Abs 3 S 1 Nr 2 iVm Abs 4 S 1 Nr 2 SGB VI: Rückwirkung auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit nur bei Antragstellung innerhalb von drei Monaten). Im Übrigen stellt eine Systemwidrigkeit für sich allein keinen Gleichheitsverstoß dar, da der Gesetzgeber bei Vorliegen plausibler Gründe ohne Verletzung des Art 3 Abs 1 GG von sonst verfolgten Regelungsprinzipien abweichen kann (BVerfGE 81, 156, 207 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1 S 19; s hierzu auch Heun in Dreier, GG, Bd 1, 3. Aufl 2013, Art 3 RdNr 37; Axer, SGb 2013, 669, 675).

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Die zwar bei den meisten rentenrechtlichen Zeiten nicht übliche, als solche aber auch nicht singuläre Verknüpfung der zum 1.1.1992 neu eingeführten Berücksichtigungszeiten wegen Pflege mit einem fristgebundenen Antragserfordernis entbehrt schließlich auch nicht deshalb einer sachlichen Rechtfertigung, weil - wie die Klägerin vorträgt - die Versicherten mit einer solchen Regelung nicht rechnen konnten. Der damit angesprochene, im Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) verankerte Verfassungsgrundsatz des Vertrauensschutzes (s hierzu BVerfG vom 5.3.2013 - 1 BvR 2457/08 - Juris RdNr 32, 41) ist nicht verletzt, wenn der Gesetzgeber - wie hier - einen Lebensbereich erstmalig einer Regelung zuführt. Dann kann sich schutzwürdiges Vertrauen auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen noch nicht gebildet haben. Vielmehr ist es dem Bürger zuzumuten, sich über die konkreten Bedingungen, unter denen das Gesetz einen neuartigen Vorteil gewährt, kundig zu machen und dabei die Informationsangebote der zur Aufklärung der Bevölkerung über ihre sozialen Rechte verpflichteten Leistungsträger (vgl § 13 SGB I) zu nutzen.

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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG. Der Beigeladenen sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten, zumal sie keinen Sachantrag gestellt hat (vgl Senatsurteil vom 14.11.2002 - B 13 RJ 19/01 R - Juris RdNr 44 ; s auch BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.