Verwaltungsgericht Köln Urteil, 10. Nov. 2015 - 7 K 4475/13
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des BfArM vom 10.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2013 verpflichtet, den Zulassungsverlängerungsbescheid hinsichtlich der Bezeichnung „O. N. 250 mg Tablette“ in „E. für Frauen bei Menstruationsbeschwerden mit O. “ zu ändern.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Klägerin ist Inhaberin der mit Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erteilten Zulassung für das apothekenpflichtige Fertigarzneimittel mit der ursprünglichen Bezeichnung „O1. 250“ (Zulassungs-Nr. 00000.00.00) und dem zugelassenen Anwendungsgebiet „schmerzhafte Beschwerden während der Regelblutung (primäre Dysmenorrhoe)“.
3Mit Änderungsanzeige vom 18.07.2001 wurde die Bezeichnung in „O. 250 mg X. “ und durch Änderungsanzeige vom 19.09.2001 in „E. gegen Dysmenorrhoe Naproxentabletten“ geändert. Unter dem 22.02.2002 erfolgte eine weitere Änderungsanzeige für die Bezeichnung „E. für Frauen bei Menstruationsbeschwerden“. Mit Schreiben vom 22.05.2002 teilte das BfArM mit, dass Bedenken gegen diese Bezeichnung bestünden. Die Bezeichnung sei nicht geeignet, den Unterschied der arzneilich wirksamen Bestandteile des Arzneimittels zu verdeutlichen, da sämtliche E. -Arzneimittel den Wirkstoff Ibuprofen enthielten im Gegensatz zu dem vorliegenden Präparat mit dem Wirkstoff O. .
4Zwischen der Klägerin und der Beklagten konnte eine Einigung dahingehend erzielt werden, die Bezeichnung „E. für Frauen bei Menstruationsbeschwerden mit O. “ zu verwenden. Eine entsprechende Änderungsanzeige wurde unter dem 14.06.2002 gestellt. Mit Schreiben des BfArM vom 30.07.2002 wurde die geänderte Bezeichnung akzeptiert.
5Unter dem 15.03.2002 stellte die Klägerin einen Antrag auf Verlängerung der Zulassung.
6Das BfArM übersandte der Klägerin unter dem 14.10.2010 eine Stellungnahme zu der Arzneimittelbezeichnung und gab Gelegenheit zur Äußerung binnen vier Wochen. Das BfArM teilte mit, die derzeitige Arzneimittelbezeichnung verstoße gegen das Verbot der Irreführung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG. Denn die Verwendung der Arzneimittel-Marke „E. “ erwecke bei Verbrauchern die Erwartung, dass ein Arzneimittel mit diesem Namen den Wirkstoff Ibuprofen enthalte. Dem Zusatz „mit O. “ entnehme der Verbraucher, dass das Präparat zusätzlich O. enthalte. Dies entspreche jedoch nicht der tatsächlichen Zusammensetzung. Im Gegensatz zu der restlichen Bezeichnung sei der Zusatz „mit O. “ kleiner geschrieben und unauffällig durch die Grüntönung der Packung.
7Die Klägerin erwiderte hierauf mit Schreiben vom 18.05.2011 und vertrat die Auffassung, dass die Bezeichnung nicht irreführend sei und sich die Behörde in Widerspruch zu ihrer vorgehenden Entscheidung vom 30.07.2002 setze.
8Mit Bescheid vom 10.08.2012 erteilte das BfArM die Zulassungsverlängerung unter Versagung der beantragten Bezeichnung „E. für Frauen bei Menstruationsbeschwerden mit O. “ und Ersetzung der Bezeichnung in „O. N. 250 mg Tablette“. Die Behörde führte aus, die Bezeichnung „E. für Frauen bei Menstruationsbeschwerden mit O. “ sei irreführend nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG. Seit 1992 seien Arzneimittel unter der Bezeichnung „E. “ mit dem Wirkstoff Ibuprofen auf dem deutschen Markt erhältlich. Die Bandbreite der E. -Arzneimittel sei mittlerweile auf 14 Arzneimittel ausgeweitet. Die Verwendung der Arzneimittel-Marke „E. “ erwecke bei Verbrauchern die Erwartung, das Arzneimittel enthalte den Wirkstoff Ibuprofen. Der Zusatz „mit O. “ sei geeignet, die Vorstellung bei Verbrauchern zu erwecken, das Arzneimittel enthalte Ibuprofen und O. . Tatsächlich enthalte es jedoch nur 250 mg O. und kein Ibuprofen. Zudem werde durch die Hauptbezeichnung „E. “ ein Vertrauensvorschuss bei Verbrauchern durch positive Erfahrungen mit anderen E. -Arzneimitteln erzeugt.
9Die Klägerin erhob unter dem 10.09.2012 Widerspruch gegen den Verlängerungsbescheid, soweit dort die Bezeichnung in „O. N. 250 mg Tablette“ angeordnet wurde und bezog sich im Wesentlichen auf ihre Stellungnahme im Verlängerungsverfahren.
10Mit Bescheid vom 19.06.2013 wies das BfArM den Widerspruch als unbegründet zurück. Es verwies auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid und ergänzend auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 09.04.2013 - 7 K 2050/11 -.
11Die Klägerin hat am 22.07.2013 Klage erhoben. Sie trägt vor, sie habe einen gebundenen Anspruch aus § 31 Abs. 3 AMG auf Erlass der Zulassungsverlängerung unter der Bezeichnung „E. für Frauen bei Menstruationsbeschwerden mit O. “. Ein Versagungsgrund liege nicht vor. § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG sei kein zulässiger Versagungsgrund im Verlängerungsverfahren, da die Vorschrift als Versagungsgrund nicht in § 31 Abs. 3 AMG genannt sei. § 31 Abs. 3 AMG enthalte eine abschließende Aufzählung der Versagungsgründe. Ein Verstoß gegen das Verbot der Irreführung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. §§ 31 Abs. 3 Satz 1, 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AMG liege nicht vor. Die Behörde habe keine Daten vorgelegt, aus denen sich eine Verwechslungsgefahr bei Verbrauchern ergebe. Sowohl bei Ibuprofen als auch bei O. handele es sich um sogenannte nicht-steroidale Antirheumatika, die dem ATC-Code M01AE zugeordnet seien und die beide antiphlogistisch, antipyretisch und analgetisch wirkten. Beide Wirkstoffe seien zur symptomatischen Behandlung von leichten bis mäßig starken Schmerzen sowie Fieber indiziert. Auch die pharmakologischen Eigenschaften seien sehr ähnlich. Sofern ein Verbraucher daher mit der Marke „E. “ bestimmte Eigenschaften verbinde, liege keine Täuschung hierüber vor. Es sei nicht anzunehmen, dass Verbraucher eine genaue Vorstellung über den in E. enthaltenen Wirkstoff Ibuprofen haben. Vielmehr erwarte ein Verbraucher nur Arzneimittel, die zur Behandlung leichter bis mittelmäßig starker Schmerzen geeignet sind. Diese Eigenschaft treffe auf das Präparat zu. Das Präparat werde seit elf Jahren für eine bestimmte Patientengruppe (Frauen) und bestimmte Indikation (Menstruationsbeschwerden) vertrieben, so dass eine Verwechslungsgefahr nicht zu erwarten sei. Zudem würden bei Umbenennung die jahrelang aufgebauten Kundenbindungen, Werbematerialien und Informationen entwertet.
12Unabhängig von der Frage der Irreführung sei im Jahr 2002 bereits abschließend und rechtmäßig über die Bezeichnung entschieden worden. Eine Versagung alleine aufgrund einer geänderten Rechtsansicht ohne neue Tatsachengrundlage sei nicht möglich. Das Verlängerungsverfahren solle das Zulassungsverfahren nicht wiederholen. Die Verlängerung solle nur versagt werden, wenn die Behörde neue Erkenntnisse bezüglich des Arzneimittels gewonnen habe und die gesundheitliche Relevanz darlegen könne. Sie - die Klägerin - habe auch durch die Einigung mit der Beklagten und der Eintragung in die AMIS-Datenbank im Jahr 2002 auf das Fortbestehen der Bezeichnung vertrauen dürfen.
13Die Klägerin beantragt,
14den Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 10.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2013 insoweit aufzuheben, als dort die Bezeichnung „E. für Frauen bei Menstruationsbeschwerden mit O. “ versagt wird und die Beklagte zu verpflichten, die Arzneimittelbezeichnung im Verlängerungsbescheid vom 10.08.2012 von „O. N. 250 mg Tablette“ in „E. für Frauen bei Menstruationsbeschwerden mit O. “ zu ändern.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und bezieht sich auf die Begründung im Verwaltungsverfahren. Ergänzend führt sie aus: Die Bezeichnungszusätze träten hinter der Hauptbezeichnung „E. “ zurück und seien nicht geeignet, den Unterschied zu anderen E. -Arzneimitteln herauszustellen.
18Die Wirkstoffe Ibuprofen und O. seien sich pharmakologisch nicht ähnlich. Insbesondere sei die Dosierung unterschiedlich, wodurch bei Einnahme einer falschen Dosierung die Gefahr von Nebenwirkungen erhöht werde. Das Nebenwirkungsprofil unterscheide sich ebenfalls.
19Eine Selbstbindung der Verwaltung durch Genehmigung der Bezeichnung im Jahr 2002 sei nicht eingetreten.
20Bei „E. “ handele es sich um eine besonders bekannte Marke. Eine Irreführung könne nur vermieden werden, wenn die anderen E. -Arzneimittel in ihrer Bezeichnung auch mit dem Hinweis auf den Wirkstoff ausgestattet würden. Einen entsprechenden Vergleichsvorschlag habe sie der Klägerin unterbreitet, die diesen jedoch abgelehnt habe.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe
23Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 2. Variante VwGO statthaft und zulässig. Die Verlängerung einer Zulassung richtet sich nach § 31 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG). Die Bezeichnung eines Arzneimittels ist notwendiger und wesentlicher Bestandteil nicht lediglich der Zulassungsunterlagen, sondern auch der Zulassungsentscheidung selbst und teilt deren Rechtscharakter. Die Verlängerung der Zulassung erfolgt durch Verwaltungsakt. Das Begehren auf Änderung der Arzneimittelbezeichnung in der Zulassungsverlängerung ist folglich im Wege der Verpflichtungsklage zu verfolgen.
24Vgl. VG Köln, Urteil vom 12.04.2011 - 7 K 4284/09 -; OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009 - 13 A 2147/06 -.
25Die Klage ist auch begründet.
26Die Teilversagung und Ersetzung der Bezeichnung des Arzneimittels von „E. für Frauen bei Menstruationsbeschwerden mit O. “ in „O. N. 250 mg Tablette“ im Bescheid vom 10.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch auf Änderung der Arzneimittelbezeichnung in „E. für Frauen bei Menstruationsbeschwerden mit O. “ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
27Gesetzliche Vorschriften stehen der Bezeichnung „E. für Frauen bei Menstruationsbeschwerden mit O. “ nicht entgegen. Die begehrte Bezeichnung ist mit § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG und § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG vereinbar.Ein Verstoß gegen das Verbot gleicher Bezeichnung gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG liegt nicht vor. Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG ist die Zulassung für ein Arzneimittel zu versagen, das sich von einem zugelassenen oder bereits im Verkehr befindlichen Arzneimittel gleicher Bezeichnung in der Art oder der Menge der Wirkstoffe unterscheidet. Diese Anforderung an Arzneimittelbezeichnungen betrifft zwar nach seiner systematischen Stellung nach unmittelbar nur die Versagungsgründe im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren. Der Bestimmung ist jedoch eine allgemeine gesetzgeberische Wertung in Bezug auf die Gestaltung von Arzneimittelbezeichnungen zu entnehmen und auch im Verlängerungsverfahren anzuwenden. Solange ein Wirkstoff unter einer bestimmten Arzneimittelbezeichnung zugelassen oder im Verkehr ist, darf ein anderer Wirkstoff nicht unter gleicher Bezeichnung zugelassen werden. Hiermit ist erkennbar das gesetzgeberische Ziel verbunden, Verwechselungen vorzubeugen und damit die Arzneimittelsicherheit zu stärken. Dies gilt regelmäßig unabhängig davon, ob sich die Frage der Bezeichnung im Rahmen eines Erstzulassungsverfahrens, eines Nachzulassungsverfahrens oder eines Verfahrens auf Verlängerung einer bestehenden Zulassung stellt. In allen Fällen bezieht sich die von der zuständigen Behörde zu treffende Entscheidung über die Bezeichnung auf den Inhalt der Zulassung und gestaltet deren Inhalt.
28Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.05.2007 - 13 A 3657/04 -; Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 07.01.1975, BT-Drs. 7/3060.
29Die Bezeichnung „E. für Frauen bei Menstruationsbeschwerden mit O. “ wird nicht bereits für ein Arzneimittel mit einem anderen Wirkstoff verwendet. Die Arzneimittel der Firma „E. “, die den Wirkstoff Ibuprofen enthaltenen, heißen „E. extra“, „E. Schmerztabletten“, „E. Migräne“ und „E. für Kinder“. Eine gleiche Bezeichnung im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG liegt jedoch nur bei einer wortlautidentischen Benennung des Arzneimittels vor. Bei zusammengesetzten Bezeichnungen reicht eine Identität der Hauptbezeichnung nicht aus,
30vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.02.2014 - 13 A 1377/13 -; BVerwG, Beschluss vom 29.04.2015 - 3 B 29/14 -.
31Die Bezeichnung „E. für Frauen bei Menstruationsbeschwerden mit O. “ ist auch mit § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG vereinbar. Hiernach ist es verboten, Arzneimittel oder Wirkstoffe herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung versehen sind. Eine Bezeichnung ist irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise unrichtige Vorstellungen über die Art, die Qualität, die therapeutische Wirksamkeit oder über sonstige wesentliche Merkmale des Arzneimittels wie seine Zusammensetzung oder Anwendungsart auszulösen. Maßgeblich für die Bewertung ist das Verständnis eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Adressaten. Bei der Prüfung des Tatbestandmerkmals gelten mit Blick auf die Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und wegen der hohen Werbewirkung gesundheitsbezogener Aussagen besonders strenge Anforderungen an den Ausschluss einer Irreführung.
32Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009 - 13 A 2147/06 -.
33Verbraucher und Adressat einer Arzneimittelbezeichnung sind die angesprochenen Verkehrskreise. Soweit sich die Bezeichnung eines Arzneimittels auch an fachlich informierte Personengruppen wie Ärzte und Apotheker sowie an die mit der Arzneimittelzulassung und -überwachung betrauten Behörden richtet, ist eine Irreführung alleine durch die Bezeichnung des Präparats in der Regel nicht zu erwarten. Denn diese Berufsgruppen sind gehalten, sich über die Eigenschaften eines Arzneimittels anhand anderer Quellen, insbesondere über die Gebrauchs- und Fachinformation kundig zu machen.
34OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009, a.a.O.
35Die Bezeichnung eines Arzneimittels richtet sich auch und gerade an den Patienten. Ihre Funktion liegt aus der Sicht des pharmazeutischen Unternehmers darin, auf das Arzneimittel aufmerksam zu machen. Dies gilt umso mehr bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Die Bezeichnung hat gerade dort auch im Sinne einer Marke werbende Funktion. Hier erfolgt eine hinreichende Korrektur möglicher Fehlvorstellungen nicht generell durch den Apotheker. Ungeachtet neuer Vertriebswege wie dem Versand über Internet-Apotheken findet regelmäßig kein oder nur ein sehr eingeschränktes Informationsgespräch zwischen Käufer und Apotheker statt.
36OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009 a.a.O. unter Hinweis auf OLG Köln, Urteil vom 28.05.2008 - 6 U 27/08 -.
37Fehlvorstellungen über den Wirkstoff und seine Anwendung sind folglich nicht alleine deshalb mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, weil ein Arzneimittel apothekenpflichtig ist. Auch in der Arzneimittelwerbung wird in aller Regel der Name eines Präparats als maßgebliches Kriterium für die Wiedererkennung durch den Verbraucher in den Vordergrund gestellt.
38Die Nutzung einer Dachmarke, wie „E. “, für ein Arzneimittel mit abweichendem Wirkstoff kann irreführend sein,
39vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.06.2013 - 13 A 1113/11 -; Urteil vom 12.02.2014 - 13 A 1377/13 -.
40Maßgeblich sind jedoch die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Unterschiede der Arzneimittel und der Gefahren, die bei einer etwaigen Verwechslung bestehen,
41vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.02.2014 a.a.O.
42Unter Würdigung aller Umstände ist die Bezeichnung „E. für Frauen bei Menstruationsbeschwerden mit O. “ nicht irreführend im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG.
43Zwar steht die Hauptbezeichnung „E. “ aufgrund ihrer Stellung am Anfang des Arzneimittelnamens und der optischen Hervorhebung auf der Verpackung im Vordergrund, so dass der Verbraucher der Dachmarke besondere Bedeutung zumessen wird. Die gedankliche Verbindung des Arzneimittels mit der Dachmarke „E. “ führt im vorliegenden Fall jedoch nicht zu einer erheblichen Fehlvorstellung.
44Der Markenname wird nur mit dem Anwendungsgebiet der Behandlung von Schmerzen verbunden, nicht jedoch mit der Erwartung, das Präparat beinhalte den Wirkstoff Ibuprofen. Denn die Dachmarke „E. “ ist nicht durch einen bestimmten Wirkstoff geprägt.
45Dies ergibt sich zunächst aus der Wortbedeutung der verwendeten Dachmarke selbst. Bei der Dachmarke „E. “ handelt es sich um einen zusammengesetzten Phantasienamen, der nicht einen bestimmten Wirkstoff im Namen enthält. Das lateinische Wort dolor bedeutet Schmerz. Demnach wird von Verbrauchern die Dachmarke mit der Behandlung von Schmerzen in Verbindung gebracht.Die Verbindung der Dachmarke mit der Schmerzbehandlung wird auch durch den Internetauftritt von „E. “ verstärkt. Die Marke „E. “ wird dort als Schmerzexperte bezeichnet. Zudem enthält die Internetseite einen Schmerzratgeber.Ferner kann nicht außer Acht gelassen werden, dass zwar der überwiegende Teil der E. -Präparate Ibuprofen enthält, es jedoch neben dem hier streitgegenständlichen Arzneimittel ein weiteres Arzneimittel mit O. („E. GS mit O. “) sowie ein Präparat mit Almotriptan („Dolortriptan“) gibt. Auch ist zu berücksichtigen, dass das streitgegenständliche Präparat bereits seit elf Jahren unter dem Namen „E. für Frauen bei Menstruationsbeschwerden mit O. “ auf dem Markt ist.
46Bei Verknüpfung der Marke „E. “ mit der Schmerzbehandlung ist die Verbraucherwartung nicht auf den Wirkstoff Ibuprofen beschränkt. Denn es gibt zahlreiche Produkte im Bereich der Schmerzbehandlung mit unterschiedlichen Wirkstoffen (beispielsweise Ibuprofen, O. und Acetylsalicylsäure) von unterschiedlichen Dachmarken. „E. “ hat daher keine Alleinstellung bezüglich eines Wirkstoffes und wird aus Verbrauchersicht nicht exklusiv mit dem Wirkstoff Ibuprofen verbunden.
47Erzeugt eine Dachmarke lediglich eine Assoziation mit einem bestimmten Anwendungsgebiet, liegt keine Irreführung hinsichtlich des enthaltenen Wirkstoffes vor.
48Eine Umbenennung aller E. -Präparate in der Weise, dass der Wirkstoff jeweils im Namen enthalten ist, ist zur Vermeidung einer Irreführungsgefahr daher auch nicht erforderlich. Es ist auch nicht anzunehmen, dass ein verständiger und aufmerksamer Verbraucher Präparate der Firma „E. “ verwechselt, weil er annimmt, es handele sich um identische Arzneimittel. Durch die jeweils unterschiedlichen Zusätze wie „Schmerztabletten“, „Migräne“ oder „für Kinder“ wird deutlich, dass es sich um verschiedene Arzneimittel handelt.
49Auch die Annahme des BfArM, der Verbraucher nehme bei Angabe des Wirkstoffes in der Arzneimittelbezeichnung an, das Arzneimittel enthalte einen zusätzlichen Wirkstoff, kann nicht überzeugen. Eine Verbrauchererwartung, dass die Angabe eines Wirkstoffes in der Bezeichnung darauf hinweise, dass neben dem Wirkstoff der Dachmarke zusätzlich ein anderer Wirkstoff enthalten sei, existiert nicht,
50vgl. VG Köln, Urteil vom 16.09.2014 - 7 K 4821/12 -.
51Dies gilt insbesondere dann, wenn die Hauptbezeichnung nicht mit einem bestimmten Wirkstoff verknüpft wird.Eine Verwechslungsgefahr des streitgegenständlichen Arzneimittels mit anderen Arzneimitteln der Marke „E. “ besteht aufgrund der Umstände des Einzelfalles nicht. Selbst wenn jedoch eine Verwechslungsgefahr bejaht werden würde, dürften die zu erwartenden Gesundheitsgefahren geringfügig sein.
52Soweit ein Verbraucher bei E. -Produkten eine ähnliche Wirkung bei Schmerzen erwartet, ist diese Erwartung berechtigt. Denn das Anwendungsbiet der Wirkstoffe Ibuprofen und O. stimmt überein. Beide Wirkstoffe werden bei leichten bis mäßig schweren Schmerzen und Fieber eingesetzt. Insbesondere wird auch Ibuprofen gegen Menstruationsbeschwerden eingesetzt. Sie sind auch der gleichen Wirkstoffgruppe zuzuordnen. Beide sind nicht-steroidalen Antirheumatika und hemmen nichtselektiv die Cyclooxygenasen I und II, die im Organismus für die Bildung von Prostagladinen verantwortlich sind, so dass das Schmerzsignal nicht mehr im Gehirn ankommt. Sämtliche E. -Präparate wirken gegen (Menstruations-)Schmerzen, unabhängig davon, ob sie Ibuprofen oder O. enthalten.Das Nebenwirkungsprofil der beiden Wirkstoffe weist keine erheblichen Unterschiede auf. Lediglich die Verteilung der einzelnen Risiken in ihrer Häufigkeit unterscheidet sich. So besteht bei Ibuprofen eine höhere Gefahr der Nebenwirkungen auf Herz und Gefäße, während bei O. eine höhere Wahrscheinlichkeit von Magen-Darm-Risiken besteht,
53vgl. Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Nichtsteroidale Antirheumatika im Vergleich, Deutsches Ärzteblatt, Jg. 110, Heft 29-30, 22.07.2013.
54Alleine Unterschiede in der Häufigkeit bestimmter Nebenwirkungen lassen jedoch nicht auf ein anderes Nebenwirkungsprofil schließen,
55vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.02.2014 - 13 A 1377/13 -.
56Bei Verbrauchern mit entsprechenden Vorerkrankungen kann auch davon ausgegangen werden, dass sie sich gründlich über die Nebenwirkungsrisiken und enthaltenen Wirkstoffe informieren. Ein Vergleich der aktuell auf der Internetseite von „E. “ veröffentlichten Packungsbeilagen für das streitgegenständliche Präparat und dem Präparat „E. Schmerztabletten“ ergibt auch keine erheblichen Unterschiede der Nebenwirkungshinweise. Sollte bei Verbrauchern eine Allergie gegen einen bestimmten Wirkstoff bestehen, ist ebenfalls zu erwarten, dass sie sich wegen der ihnen bekannten Nebenwirkungen sehr genau über die Zusammensetzung des Arzneimittels informieren.
57Es bestehen zwar unterschiedliche Altersgrenzen und Dosierungsangaben zwischen dem streitgegenständlichen Arzneimittel und Arzneimitteln der Marke „E. “ mit Ibuprofen. Dies führt jedoch nicht zu der Annahme einer erheblichen Gesundheitsgefahr bei Verwechslung der Präparate,
58vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.02.2014 - 13 A 1377/13 -.
59Denn ein verständiger und aufmerksamer Verbraucher wird sich auch bei ihm bekannten Arzneimitteln über die Dosierung und die Anwendbarkeit bei Kindern informieren. Insbesondere wird er nicht davon ausgehen, dass alle Arzneimittel einer Marke hinsichtlich der Wirkstoffmenge und der Dosierung gleich sind. Vielmehr unterscheiden sich Arzneimittel einer Markenserie typischerweise durch die Stärke. So enthält beispielsweise „E. extra“ 400 mg Ibuprofen pro Tablette, während „E. Schmerztabletten“ nur 200 mg Ibuprofen pro Tablette enthalten. Eine Überdosierung und damit verbundene Erhöhung des Nebenwirkungsrisikos aufgrund einer unterlassenen Information über die richtige Dosierung stellt einen Arzneimittelmissbrauch dar, der jedoch nicht auf die Bezeichnung des Arzneimittels zurückzuführen wäre.
60Da die genannten Versagungsgründe nicht eingreifen, war die Beklagte zu der beantragten Änderung der Arzneimittelbezeichnung im Zulassungsverlängerungsbescheid zu verpflichten.
61Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 10. Nov. 2015 - 7 K 4475/13
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(1) Es ist verboten, Arzneimittel oder Wirkstoffe herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die
- 1.
durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert sind oder - 1a.
(weggefallen) - 2.
mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung versehen sind. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn - a)
Arzneimitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen oder Wirkstoffen eine Aktivität beigelegt werden, die sie nicht haben, - b)
fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann oder dass nach bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten, - c)
zur Täuschung über die Qualität geeignete Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen verwendet werden, die für die Bewertung des Arzneimittels oder Wirkstoffs mitbestimmend sind.
(2) Es ist verboten, gefälschte Arzneimittel oder gefälschte Wirkstoffe herzustellen, in den Verkehr zu bringen oder sonst mit ihnen Handel zu treiben.
(3) Es ist verboten, Arzneimittel, deren Verfalldatum abgelaufen ist, in den Verkehr zu bringen.
(1) Die Zulassung erlischt
- 1.
wenn das zugelassene Arzneimittel innerhalb von drei Jahren nach Erteilung der Zulassung nicht in den Verkehr gebracht wird oder wenn sich das zugelassene Arzneimittel, das nach der Zulassung in den Verkehr gebracht wurde, in drei aufeinander folgenden Jahren nicht mehr im Verkehr befindet, - 2.
durch schriftlichen Verzicht, - 3.
nach Ablauf von fünf Jahren seit ihrer Erteilung, es sei denn, dass spätestens neun Monate vor Ablauf der Frist bei der zuständigen Bundesoberbehörde ein Antrag auf Verlängerung der Zulassung gestellt wird, - 3a.
(weggefallen) - 4.
wenn die Verlängerung der Zulassung versagt wird.
(1a) Eine Zulassung, die verlängert wird, gilt ohne zeitliche Begrenzung, es sei denn, dass die zuständige Bundesoberbehörde bei der Verlängerung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 eine weitere Verlängerung um fünf Jahre nach Maßgabe der Vorschriften in Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Absatz 2 auch unter Berücksichtigung einer zu geringen Anzahl von Patienten, bei denen das betreffende Arzneimittel angewendet wurde, als erforderlich beurteilt und angeordnet hat, um das sichere Inverkehrbringen des Arzneimittels weiterhin zu gewährleisten.
(2) Der Antrag auf Verlängerung ist durch einen Bericht zu ergänzen, der Angaben darüber enthält, ob und in welchem Umfang sich die Beurteilungsmerkmale für das Arzneimittel innerhalb der letzten fünf Jahre geändert haben. Der Inhaber der Zulassung hat der zuständigen Bundesoberbehörde dazu eine überarbeitete Fassung der Unterlagen in Bezug auf die Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit vorzulegen, in der alle seit der Erteilung der Zulassung vorgenommenen Änderungen berücksichtigt sind.
(3) Die Zulassung ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 oder des Absatzes 1a auf Antrag nach Absatz 2 Satz 1 innerhalb von sechs Monaten vor ihrem Erlöschen um fünf Jahre zu verlängern, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, 5, 5a oder 6 vorliegt oder die Zulassung nicht nach § 30 Abs. 1 Satz 2 zurückzunehmen oder zu widerrufen ist oder wenn von der Möglichkeit der Rücknahme nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 oder des Widerrufs nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 kein Gebrauch gemacht werden soll. § 25 Abs. 5 Satz 5 und Abs. 5a gilt entsprechend. Bei der Entscheidung über die Verlängerung ist auch zu überprüfen, ob Erkenntnisse vorliegen, die Auswirkungen auf die Unterstellung unter die Verschreibungspflicht haben.
(4) Erlischt die Zulassung nach Absatz 1 Nr. 2 oder 3, so darf das Arzneimittel noch zwei Jahre, beginnend mit dem auf die Bekanntmachung des Erlöschens nach § 34 folgenden 1. Januar oder 1. Juli, in den Verkehr gebracht werden. Das gilt nicht, wenn die zuständige Bundesoberbehörde feststellt, dass eine Voraussetzung für die Rücknahme oder den Widerruf nach § 30 vorgelegen hat; § 30 Abs. 4 findet Anwendung.
(1) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt die Zulassung schriftlich unter Zuteilung einer Zulassungsnummer. Die Zulassung gilt nur für das im Zulassungsbescheid aufgeführte Arzneimittel und bei Arzneimitteln, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt sind, auch für die in einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 in der vor dem 17. August 1994 geltenden Fassung bekannt gemachten Ergebnis genannten und im Zulassungsbescheid aufgeführten Verdünnungsgrade.
(2) Die zuständige Bundesoberbehörde darf die Zulassung nur versagen, wenn
- 1.
die vorgelegten Unterlagen, einschließlich solcher Unterlagen, die auf Grund einer Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorzulegen sind, unvollständig sind, - 2.
das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht, - 3.
das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt wird oder nicht die angemessene Qualität aufweist, - 4.
dem Arzneimittel die vom Antragsteller angegebene therapeutische Wirksamkeit fehlt oder diese nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Antragsteller unzureichend begründet ist, - 5.
das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig ist, - 5a.
bei einem Arzneimittel, das mehr als einen Wirkstoff enthält, eine ausreichende Begründung fehlt, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet, wobei die Besonderheiten der jeweiligen Arzneimittel in einer risikogestuften Bewertung zu berücksichtigen sind, - 6.
das Inverkehrbringen des Arzneimittels gegen gesetzliche Vorschriften oder gegen eine Verordnung oder eine Richtlinie oder eine Entscheidung oder einen Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union verstoßen würde.
(3) Die Zulassung ist für ein Arzneimittel zu versagen, das sich von einem zugelassenen oder bereits im Verkehr befindlichen Arzneimittel gleicher Bezeichnung in der Art oder der Menge der Wirkstoffe unterscheidet. Abweichend von Satz 1 ist ein Unterschied in der Menge der Wirkstoffe unschädlich, wenn sich die Arzneimittel in der Darreichungsform unterscheiden.
(4) Ist die zuständige Bundesoberbehörde der Auffassung, dass eine Zulassung auf Grund der vorgelegten Unterlagen nicht erteilt werden kann, teilt sie dies dem Antragsteller unter Angabe von Gründen mit. Dem Antragsteller ist dabei Gelegenheit zu geben, Mängeln innerhalb einer angemessenen Frist, jedoch höchstens innerhalb von sechs Monaten abzuhelfen. Wird den Mängeln nicht innerhalb dieser Frist abgeholfen, so ist die Zulassung zu versagen. Nach einer Entscheidung über die Versagung der Zulassung ist das Einreichen von Unterlagen zur Mängelbeseitigung ausgeschlossen.
(5) Die Zulassung ist auf Grund der Prüfung der eingereichten Unterlagen und auf der Grundlage der Sachverständigengutachten zu erteilen. Zur Beurteilung der Unterlagen kann die zuständige Bundesoberbehörde eigene wissenschaftliche Ergebnisse verwerten, Sachverständige beiziehen oder Gutachten anfordern. Die zuständige Bundesoberbehörde kann in Betrieben und Einrichtungen, die Arzneimittel entwickeln, herstellen, prüfen oder klinisch prüfen, zulassungsbezogene Angaben und Unterlagen, auch im Zusammenhang mit einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Abs. 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 überprüfen. Zu diesem Zweck können Beauftragte der zuständigen Bundesoberbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde Betriebs- und Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten betreten, Unterlagen einsehen sowie Auskünfte verlangen. Die zuständige Bundesoberbehörde kann ferner die Beurteilung der Unterlagen durch unabhängige Gegensachverständige durchführen lassen und legt deren Beurteilung der Zulassungsentscheidung und, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegen, dem der Zulassungskommission nach Absatz 6 Satz 1 vorzulegenden Entwurf der Zulassungsentscheidung zugrunde. Als Gegensachverständiger nach Satz 5 kann von der zuständigen Bundesoberbehörde beauftragt werden, wer die erforderliche Sachkenntnis und die zur Ausübung der Tätigkeit als Gegensachverständiger erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Dem Antragsteller ist auf Antrag Einsicht in die Gutachten zu gewähren. Verlangt der Antragsteller, von ihm gestellte Sachverständige beizuziehen, so sind auch diese zu hören. Für die Berufung als Sachverständiger, Gegensachverständiger und Gutachter gilt Absatz 6 Satz 5 und 6 entsprechend.
(5a) Die zuständige Bundesoberbehörde erstellt ferner einen Beurteilungsbericht über die eingereichten Unterlagen zur Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit und gibt darin eine Stellungnahme hinsichtlich der Ergebnisse von pharmazeutischen und vorklinischen Versuchen, von klinischen Prüfungen sowie zum Risikomanagement- und zum Pharmakovigilanz-System ab. Der Beurteilungsbericht ist zu aktualisieren, wenn hierzu neue Informationen verfügbar werden.
(5b) Absatz 5a findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt werden, sofern diese Arzneimittel dem Artikel 16 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG unterliegen.
(6) Vor der Entscheidung über die Zulassung eines Arzneimittels, das den Therapierichtungen Phytotherapie, Homöopathie oder Anthroposophie zuzurechnen ist und das der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegt, ist eine Zulassungskommission zu hören. Die Anhörung erstreckt sich auf den Inhalt der eingereichten Unterlagen, der Sachverständigengutachten, der angeforderten Gutachten, die Stellungnahmen der beigezogenen Sachverständigen, das Prüfungsergebnis und die Gründe, die für die Entscheidung über die Zulassung wesentlich sind, oder die Beurteilung durch die Gegensachverständigen. Weicht die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung über den Antrag von dem Ergebnis der Anhörung ab, so hat sie die Gründe für die abweichende Entscheidung darzulegen. Das Bundesministerium beruft die Mitglieder der Zulassungskommission unter Berücksichtigung von Vorschlägen der Kammern der Heilberufe, der Fachgesellschaften der Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Heilpraktiker sowie der für die Wahrnehmung ihrer Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenverbände der pharmazeutischen Unternehmer, Patienten und Verbraucher. Bei der Berufung sind die jeweiligen Besonderheiten der Arzneimittel zu berücksichtigen. In die Zulassungskommissionen werden Sachverständige berufen, die auf den jeweiligen Anwendungsgebieten und in der jeweiligen Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie) über wissenschaftliche Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen gesammelt haben.
(7) Für Arzneimittel, die nicht der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegen, werden bei der zuständigen Bundesoberbehörde Kommissionen für bestimmte Anwendungsgebiete oder Therapierichtungen gebildet. Absatz 6 Satz 4 bis 6 findet entsprechende Anwendung. Die zuständige Bundesoberbehörde kann zur Vorbereitung der Entscheidung über die Verlängerung von Zulassungen nach § 105 Abs. 3 Satz 1 die zuständige Kommission beteiligen. Betrifft die Entscheidung nach Satz 3 Arzneimittel einer bestimmten Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie), ist die zuständige Kommission zu beteiligen, sofern eine vollständige Versagung der Verlängerung nach § 105 Abs. 3 Satz 1 beabsichtigt oder die Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung ist; sie hat innerhalb von zwei Monaten Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung nach Satz 4 die Stellungnahme der Kommission nicht berücksichtigt, legt sie die Gründe dar.
(7a) Zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit für Kinder und Jugendliche wird beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Kommission für Arzneimittel für Kinder und Jugendliche gebildet. Absatz 6 Satz 4 bis 6 findet entsprechende Anwendung. Zur Vorbereitung der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels, das auch zur Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen bestimmt ist, beteiligt die zuständige Bundesoberbehörde die Kommission. Die zuständige Bundesoberbehörde kann ferner zur Vorbereitung der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung eines anderen als in Satz 3 genannten Arzneimittels, bei dem eine Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen in Betracht kommt, die Kommission beteiligen. Die Kommission hat Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung die Stellungnahme der Kommission nicht berücksichtigt, legt sie die Gründe dar. Die Kommission kann ferner zu Arzneimitteln, die nicht für die Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen zugelassen sind, den anerkannten Stand der Wissenschaft dafür feststellen, unter welchen Voraussetzungen diese Arzneimittel bei Kindern oder Jugendlichen angewendet werden können. Für die Arzneimittel der Phytotherapie, Homöopathie und anthroposophischen Medizin werden die Aufgaben und Befugnisse nach den Sätzen 3 bis 7 von den Kommissionen nach Absatz 7 Satz 4 wahrgenommen.
(8) Bei Sera, Impfstoffen, Blutzubereitungen, Gewebezubereitungen, Allergenen, xenogenen Arzneimitteln, die keine Arzneimittel nach § 4 Absatz 9 sind, erteilt die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung entweder auf Grund der Prüfung der eingereichten Unterlagen oder auf Grund eigener Untersuchungen oder auf Grund der Beobachtung der Prüfungen des Herstellers. Dabei können Beauftragte der zuständigen Bundesoberbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde Betriebs- und Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten betreten und in diesen sowie in den dem Betrieb dienenden Beförderungsmitteln Besichtigungen vornehmen. Auf Verlangen der zuständigen Bundesoberbehörde hat der Antragsteller das Herstellungsverfahren mitzuteilen. Bei diesen Arzneimitteln finden die Absätze 6, 7 und 7a keine Anwendung.
(8a) (weggefallen)
(9) Werden verschiedene Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege oder Ausbietungen eines Arzneimittels beantragt, so können diese auf Antrag des Antragstellers Gegenstand einer einheitlichen umfassenden Zulassung sein; dies gilt auch für nachträgliche Änderungen und Erweiterungen. Dabei ist eine einheitliche Zulassungsnummer zu verwenden, der weitere Kennzeichen zur Unterscheidung der Darreichungsformen oder Konzentrationen hinzugefügt werden müssen. Für Zulassungen nach § 24b Abs. 1 gelten Einzelzulassungen eines Referenzarzneimittels als einheitliche umfassende Zulassung.
(10) Die Zulassung lässt die zivil- und strafrechtliche Verantwortlichkeit des pharmazeutischen Unternehmers unberührt.
(1) Die Zulassung erlischt
- 1.
wenn das zugelassene Arzneimittel innerhalb von drei Jahren nach Erteilung der Zulassung nicht in den Verkehr gebracht wird oder wenn sich das zugelassene Arzneimittel, das nach der Zulassung in den Verkehr gebracht wurde, in drei aufeinander folgenden Jahren nicht mehr im Verkehr befindet, - 2.
durch schriftlichen Verzicht, - 3.
nach Ablauf von fünf Jahren seit ihrer Erteilung, es sei denn, dass spätestens neun Monate vor Ablauf der Frist bei der zuständigen Bundesoberbehörde ein Antrag auf Verlängerung der Zulassung gestellt wird, - 3a.
(weggefallen) - 4.
wenn die Verlängerung der Zulassung versagt wird.
(1a) Eine Zulassung, die verlängert wird, gilt ohne zeitliche Begrenzung, es sei denn, dass die zuständige Bundesoberbehörde bei der Verlängerung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 eine weitere Verlängerung um fünf Jahre nach Maßgabe der Vorschriften in Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Absatz 2 auch unter Berücksichtigung einer zu geringen Anzahl von Patienten, bei denen das betreffende Arzneimittel angewendet wurde, als erforderlich beurteilt und angeordnet hat, um das sichere Inverkehrbringen des Arzneimittels weiterhin zu gewährleisten.
(2) Der Antrag auf Verlängerung ist durch einen Bericht zu ergänzen, der Angaben darüber enthält, ob und in welchem Umfang sich die Beurteilungsmerkmale für das Arzneimittel innerhalb der letzten fünf Jahre geändert haben. Der Inhaber der Zulassung hat der zuständigen Bundesoberbehörde dazu eine überarbeitete Fassung der Unterlagen in Bezug auf die Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit vorzulegen, in der alle seit der Erteilung der Zulassung vorgenommenen Änderungen berücksichtigt sind.
(3) Die Zulassung ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 oder des Absatzes 1a auf Antrag nach Absatz 2 Satz 1 innerhalb von sechs Monaten vor ihrem Erlöschen um fünf Jahre zu verlängern, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, 5, 5a oder 6 vorliegt oder die Zulassung nicht nach § 30 Abs. 1 Satz 2 zurückzunehmen oder zu widerrufen ist oder wenn von der Möglichkeit der Rücknahme nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 oder des Widerrufs nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 kein Gebrauch gemacht werden soll. § 25 Abs. 5 Satz 5 und Abs. 5a gilt entsprechend. Bei der Entscheidung über die Verlängerung ist auch zu überprüfen, ob Erkenntnisse vorliegen, die Auswirkungen auf die Unterstellung unter die Verschreibungspflicht haben.
(4) Erlischt die Zulassung nach Absatz 1 Nr. 2 oder 3, so darf das Arzneimittel noch zwei Jahre, beginnend mit dem auf die Bekanntmachung des Erlöschens nach § 34 folgenden 1. Januar oder 1. Juli, in den Verkehr gebracht werden. Das gilt nicht, wenn die zuständige Bundesoberbehörde feststellt, dass eine Voraussetzung für die Rücknahme oder den Widerruf nach § 30 vorgelegen hat; § 30 Abs. 4 findet Anwendung.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt die Zulassung schriftlich unter Zuteilung einer Zulassungsnummer. Die Zulassung gilt nur für das im Zulassungsbescheid aufgeführte Arzneimittel und bei Arzneimitteln, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt sind, auch für die in einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 in der vor dem 17. August 1994 geltenden Fassung bekannt gemachten Ergebnis genannten und im Zulassungsbescheid aufgeführten Verdünnungsgrade.
(2) Die zuständige Bundesoberbehörde darf die Zulassung nur versagen, wenn
- 1.
die vorgelegten Unterlagen, einschließlich solcher Unterlagen, die auf Grund einer Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorzulegen sind, unvollständig sind, - 2.
das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht, - 3.
das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt wird oder nicht die angemessene Qualität aufweist, - 4.
dem Arzneimittel die vom Antragsteller angegebene therapeutische Wirksamkeit fehlt oder diese nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Antragsteller unzureichend begründet ist, - 5.
das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig ist, - 5a.
bei einem Arzneimittel, das mehr als einen Wirkstoff enthält, eine ausreichende Begründung fehlt, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet, wobei die Besonderheiten der jeweiligen Arzneimittel in einer risikogestuften Bewertung zu berücksichtigen sind, - 6.
das Inverkehrbringen des Arzneimittels gegen gesetzliche Vorschriften oder gegen eine Verordnung oder eine Richtlinie oder eine Entscheidung oder einen Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union verstoßen würde.
(3) Die Zulassung ist für ein Arzneimittel zu versagen, das sich von einem zugelassenen oder bereits im Verkehr befindlichen Arzneimittel gleicher Bezeichnung in der Art oder der Menge der Wirkstoffe unterscheidet. Abweichend von Satz 1 ist ein Unterschied in der Menge der Wirkstoffe unschädlich, wenn sich die Arzneimittel in der Darreichungsform unterscheiden.
(4) Ist die zuständige Bundesoberbehörde der Auffassung, dass eine Zulassung auf Grund der vorgelegten Unterlagen nicht erteilt werden kann, teilt sie dies dem Antragsteller unter Angabe von Gründen mit. Dem Antragsteller ist dabei Gelegenheit zu geben, Mängeln innerhalb einer angemessenen Frist, jedoch höchstens innerhalb von sechs Monaten abzuhelfen. Wird den Mängeln nicht innerhalb dieser Frist abgeholfen, so ist die Zulassung zu versagen. Nach einer Entscheidung über die Versagung der Zulassung ist das Einreichen von Unterlagen zur Mängelbeseitigung ausgeschlossen.
(5) Die Zulassung ist auf Grund der Prüfung der eingereichten Unterlagen und auf der Grundlage der Sachverständigengutachten zu erteilen. Zur Beurteilung der Unterlagen kann die zuständige Bundesoberbehörde eigene wissenschaftliche Ergebnisse verwerten, Sachverständige beiziehen oder Gutachten anfordern. Die zuständige Bundesoberbehörde kann in Betrieben und Einrichtungen, die Arzneimittel entwickeln, herstellen, prüfen oder klinisch prüfen, zulassungsbezogene Angaben und Unterlagen, auch im Zusammenhang mit einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Abs. 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 überprüfen. Zu diesem Zweck können Beauftragte der zuständigen Bundesoberbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde Betriebs- und Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten betreten, Unterlagen einsehen sowie Auskünfte verlangen. Die zuständige Bundesoberbehörde kann ferner die Beurteilung der Unterlagen durch unabhängige Gegensachverständige durchführen lassen und legt deren Beurteilung der Zulassungsentscheidung und, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegen, dem der Zulassungskommission nach Absatz 6 Satz 1 vorzulegenden Entwurf der Zulassungsentscheidung zugrunde. Als Gegensachverständiger nach Satz 5 kann von der zuständigen Bundesoberbehörde beauftragt werden, wer die erforderliche Sachkenntnis und die zur Ausübung der Tätigkeit als Gegensachverständiger erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Dem Antragsteller ist auf Antrag Einsicht in die Gutachten zu gewähren. Verlangt der Antragsteller, von ihm gestellte Sachverständige beizuziehen, so sind auch diese zu hören. Für die Berufung als Sachverständiger, Gegensachverständiger und Gutachter gilt Absatz 6 Satz 5 und 6 entsprechend.
(5a) Die zuständige Bundesoberbehörde erstellt ferner einen Beurteilungsbericht über die eingereichten Unterlagen zur Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit und gibt darin eine Stellungnahme hinsichtlich der Ergebnisse von pharmazeutischen und vorklinischen Versuchen, von klinischen Prüfungen sowie zum Risikomanagement- und zum Pharmakovigilanz-System ab. Der Beurteilungsbericht ist zu aktualisieren, wenn hierzu neue Informationen verfügbar werden.
(5b) Absatz 5a findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt werden, sofern diese Arzneimittel dem Artikel 16 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG unterliegen.
(6) Vor der Entscheidung über die Zulassung eines Arzneimittels, das den Therapierichtungen Phytotherapie, Homöopathie oder Anthroposophie zuzurechnen ist und das der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegt, ist eine Zulassungskommission zu hören. Die Anhörung erstreckt sich auf den Inhalt der eingereichten Unterlagen, der Sachverständigengutachten, der angeforderten Gutachten, die Stellungnahmen der beigezogenen Sachverständigen, das Prüfungsergebnis und die Gründe, die für die Entscheidung über die Zulassung wesentlich sind, oder die Beurteilung durch die Gegensachverständigen. Weicht die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung über den Antrag von dem Ergebnis der Anhörung ab, so hat sie die Gründe für die abweichende Entscheidung darzulegen. Das Bundesministerium beruft die Mitglieder der Zulassungskommission unter Berücksichtigung von Vorschlägen der Kammern der Heilberufe, der Fachgesellschaften der Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Heilpraktiker sowie der für die Wahrnehmung ihrer Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenverbände der pharmazeutischen Unternehmer, Patienten und Verbraucher. Bei der Berufung sind die jeweiligen Besonderheiten der Arzneimittel zu berücksichtigen. In die Zulassungskommissionen werden Sachverständige berufen, die auf den jeweiligen Anwendungsgebieten und in der jeweiligen Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie) über wissenschaftliche Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen gesammelt haben.
(7) Für Arzneimittel, die nicht der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegen, werden bei der zuständigen Bundesoberbehörde Kommissionen für bestimmte Anwendungsgebiete oder Therapierichtungen gebildet. Absatz 6 Satz 4 bis 6 findet entsprechende Anwendung. Die zuständige Bundesoberbehörde kann zur Vorbereitung der Entscheidung über die Verlängerung von Zulassungen nach § 105 Abs. 3 Satz 1 die zuständige Kommission beteiligen. Betrifft die Entscheidung nach Satz 3 Arzneimittel einer bestimmten Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie), ist die zuständige Kommission zu beteiligen, sofern eine vollständige Versagung der Verlängerung nach § 105 Abs. 3 Satz 1 beabsichtigt oder die Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung ist; sie hat innerhalb von zwei Monaten Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung nach Satz 4 die Stellungnahme der Kommission nicht berücksichtigt, legt sie die Gründe dar.
(7a) Zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit für Kinder und Jugendliche wird beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Kommission für Arzneimittel für Kinder und Jugendliche gebildet. Absatz 6 Satz 4 bis 6 findet entsprechende Anwendung. Zur Vorbereitung der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels, das auch zur Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen bestimmt ist, beteiligt die zuständige Bundesoberbehörde die Kommission. Die zuständige Bundesoberbehörde kann ferner zur Vorbereitung der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung eines anderen als in Satz 3 genannten Arzneimittels, bei dem eine Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen in Betracht kommt, die Kommission beteiligen. Die Kommission hat Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung die Stellungnahme der Kommission nicht berücksichtigt, legt sie die Gründe dar. Die Kommission kann ferner zu Arzneimitteln, die nicht für die Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen zugelassen sind, den anerkannten Stand der Wissenschaft dafür feststellen, unter welchen Voraussetzungen diese Arzneimittel bei Kindern oder Jugendlichen angewendet werden können. Für die Arzneimittel der Phytotherapie, Homöopathie und anthroposophischen Medizin werden die Aufgaben und Befugnisse nach den Sätzen 3 bis 7 von den Kommissionen nach Absatz 7 Satz 4 wahrgenommen.
(8) Bei Sera, Impfstoffen, Blutzubereitungen, Gewebezubereitungen, Allergenen, xenogenen Arzneimitteln, die keine Arzneimittel nach § 4 Absatz 9 sind, erteilt die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung entweder auf Grund der Prüfung der eingereichten Unterlagen oder auf Grund eigener Untersuchungen oder auf Grund der Beobachtung der Prüfungen des Herstellers. Dabei können Beauftragte der zuständigen Bundesoberbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde Betriebs- und Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten betreten und in diesen sowie in den dem Betrieb dienenden Beförderungsmitteln Besichtigungen vornehmen. Auf Verlangen der zuständigen Bundesoberbehörde hat der Antragsteller das Herstellungsverfahren mitzuteilen. Bei diesen Arzneimitteln finden die Absätze 6, 7 und 7a keine Anwendung.
(8a) (weggefallen)
(9) Werden verschiedene Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege oder Ausbietungen eines Arzneimittels beantragt, so können diese auf Antrag des Antragstellers Gegenstand einer einheitlichen umfassenden Zulassung sein; dies gilt auch für nachträgliche Änderungen und Erweiterungen. Dabei ist eine einheitliche Zulassungsnummer zu verwenden, der weitere Kennzeichen zur Unterscheidung der Darreichungsformen oder Konzentrationen hinzugefügt werden müssen. Für Zulassungen nach § 24b Abs. 1 gelten Einzelzulassungen eines Referenzarzneimittels als einheitliche umfassende Zulassung.
(10) Die Zulassung lässt die zivil- und strafrechtliche Verantwortlichkeit des pharmazeutischen Unternehmers unberührt.
(1) Es ist verboten, Arzneimittel oder Wirkstoffe herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die
- 1.
durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert sind oder - 1a.
(weggefallen) - 2.
mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung versehen sind. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn - a)
Arzneimitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen oder Wirkstoffen eine Aktivität beigelegt werden, die sie nicht haben, - b)
fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann oder dass nach bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten, - c)
zur Täuschung über die Qualität geeignete Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen verwendet werden, die für die Bewertung des Arzneimittels oder Wirkstoffs mitbestimmend sind.
(2) Es ist verboten, gefälschte Arzneimittel oder gefälschte Wirkstoffe herzustellen, in den Verkehr zu bringen oder sonst mit ihnen Handel zu treiben.
(3) Es ist verboten, Arzneimittel, deren Verfalldatum abgelaufen ist, in den Verkehr zu bringen.
(1) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt die Zulassung schriftlich unter Zuteilung einer Zulassungsnummer. Die Zulassung gilt nur für das im Zulassungsbescheid aufgeführte Arzneimittel und bei Arzneimitteln, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt sind, auch für die in einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 in der vor dem 17. August 1994 geltenden Fassung bekannt gemachten Ergebnis genannten und im Zulassungsbescheid aufgeführten Verdünnungsgrade.
(2) Die zuständige Bundesoberbehörde darf die Zulassung nur versagen, wenn
- 1.
die vorgelegten Unterlagen, einschließlich solcher Unterlagen, die auf Grund einer Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorzulegen sind, unvollständig sind, - 2.
das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht, - 3.
das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt wird oder nicht die angemessene Qualität aufweist, - 4.
dem Arzneimittel die vom Antragsteller angegebene therapeutische Wirksamkeit fehlt oder diese nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Antragsteller unzureichend begründet ist, - 5.
das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig ist, - 5a.
bei einem Arzneimittel, das mehr als einen Wirkstoff enthält, eine ausreichende Begründung fehlt, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet, wobei die Besonderheiten der jeweiligen Arzneimittel in einer risikogestuften Bewertung zu berücksichtigen sind, - 6.
das Inverkehrbringen des Arzneimittels gegen gesetzliche Vorschriften oder gegen eine Verordnung oder eine Richtlinie oder eine Entscheidung oder einen Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union verstoßen würde.
(3) Die Zulassung ist für ein Arzneimittel zu versagen, das sich von einem zugelassenen oder bereits im Verkehr befindlichen Arzneimittel gleicher Bezeichnung in der Art oder der Menge der Wirkstoffe unterscheidet. Abweichend von Satz 1 ist ein Unterschied in der Menge der Wirkstoffe unschädlich, wenn sich die Arzneimittel in der Darreichungsform unterscheiden.
(4) Ist die zuständige Bundesoberbehörde der Auffassung, dass eine Zulassung auf Grund der vorgelegten Unterlagen nicht erteilt werden kann, teilt sie dies dem Antragsteller unter Angabe von Gründen mit. Dem Antragsteller ist dabei Gelegenheit zu geben, Mängeln innerhalb einer angemessenen Frist, jedoch höchstens innerhalb von sechs Monaten abzuhelfen. Wird den Mängeln nicht innerhalb dieser Frist abgeholfen, so ist die Zulassung zu versagen. Nach einer Entscheidung über die Versagung der Zulassung ist das Einreichen von Unterlagen zur Mängelbeseitigung ausgeschlossen.
(5) Die Zulassung ist auf Grund der Prüfung der eingereichten Unterlagen und auf der Grundlage der Sachverständigengutachten zu erteilen. Zur Beurteilung der Unterlagen kann die zuständige Bundesoberbehörde eigene wissenschaftliche Ergebnisse verwerten, Sachverständige beiziehen oder Gutachten anfordern. Die zuständige Bundesoberbehörde kann in Betrieben und Einrichtungen, die Arzneimittel entwickeln, herstellen, prüfen oder klinisch prüfen, zulassungsbezogene Angaben und Unterlagen, auch im Zusammenhang mit einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Abs. 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 überprüfen. Zu diesem Zweck können Beauftragte der zuständigen Bundesoberbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde Betriebs- und Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten betreten, Unterlagen einsehen sowie Auskünfte verlangen. Die zuständige Bundesoberbehörde kann ferner die Beurteilung der Unterlagen durch unabhängige Gegensachverständige durchführen lassen und legt deren Beurteilung der Zulassungsentscheidung und, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegen, dem der Zulassungskommission nach Absatz 6 Satz 1 vorzulegenden Entwurf der Zulassungsentscheidung zugrunde. Als Gegensachverständiger nach Satz 5 kann von der zuständigen Bundesoberbehörde beauftragt werden, wer die erforderliche Sachkenntnis und die zur Ausübung der Tätigkeit als Gegensachverständiger erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Dem Antragsteller ist auf Antrag Einsicht in die Gutachten zu gewähren. Verlangt der Antragsteller, von ihm gestellte Sachverständige beizuziehen, so sind auch diese zu hören. Für die Berufung als Sachverständiger, Gegensachverständiger und Gutachter gilt Absatz 6 Satz 5 und 6 entsprechend.
(5a) Die zuständige Bundesoberbehörde erstellt ferner einen Beurteilungsbericht über die eingereichten Unterlagen zur Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit und gibt darin eine Stellungnahme hinsichtlich der Ergebnisse von pharmazeutischen und vorklinischen Versuchen, von klinischen Prüfungen sowie zum Risikomanagement- und zum Pharmakovigilanz-System ab. Der Beurteilungsbericht ist zu aktualisieren, wenn hierzu neue Informationen verfügbar werden.
(5b) Absatz 5a findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt werden, sofern diese Arzneimittel dem Artikel 16 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG unterliegen.
(6) Vor der Entscheidung über die Zulassung eines Arzneimittels, das den Therapierichtungen Phytotherapie, Homöopathie oder Anthroposophie zuzurechnen ist und das der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegt, ist eine Zulassungskommission zu hören. Die Anhörung erstreckt sich auf den Inhalt der eingereichten Unterlagen, der Sachverständigengutachten, der angeforderten Gutachten, die Stellungnahmen der beigezogenen Sachverständigen, das Prüfungsergebnis und die Gründe, die für die Entscheidung über die Zulassung wesentlich sind, oder die Beurteilung durch die Gegensachverständigen. Weicht die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung über den Antrag von dem Ergebnis der Anhörung ab, so hat sie die Gründe für die abweichende Entscheidung darzulegen. Das Bundesministerium beruft die Mitglieder der Zulassungskommission unter Berücksichtigung von Vorschlägen der Kammern der Heilberufe, der Fachgesellschaften der Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Heilpraktiker sowie der für die Wahrnehmung ihrer Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenverbände der pharmazeutischen Unternehmer, Patienten und Verbraucher. Bei der Berufung sind die jeweiligen Besonderheiten der Arzneimittel zu berücksichtigen. In die Zulassungskommissionen werden Sachverständige berufen, die auf den jeweiligen Anwendungsgebieten und in der jeweiligen Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie) über wissenschaftliche Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen gesammelt haben.
(7) Für Arzneimittel, die nicht der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegen, werden bei der zuständigen Bundesoberbehörde Kommissionen für bestimmte Anwendungsgebiete oder Therapierichtungen gebildet. Absatz 6 Satz 4 bis 6 findet entsprechende Anwendung. Die zuständige Bundesoberbehörde kann zur Vorbereitung der Entscheidung über die Verlängerung von Zulassungen nach § 105 Abs. 3 Satz 1 die zuständige Kommission beteiligen. Betrifft die Entscheidung nach Satz 3 Arzneimittel einer bestimmten Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie), ist die zuständige Kommission zu beteiligen, sofern eine vollständige Versagung der Verlängerung nach § 105 Abs. 3 Satz 1 beabsichtigt oder die Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung ist; sie hat innerhalb von zwei Monaten Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung nach Satz 4 die Stellungnahme der Kommission nicht berücksichtigt, legt sie die Gründe dar.
(7a) Zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit für Kinder und Jugendliche wird beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Kommission für Arzneimittel für Kinder und Jugendliche gebildet. Absatz 6 Satz 4 bis 6 findet entsprechende Anwendung. Zur Vorbereitung der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels, das auch zur Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen bestimmt ist, beteiligt die zuständige Bundesoberbehörde die Kommission. Die zuständige Bundesoberbehörde kann ferner zur Vorbereitung der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung eines anderen als in Satz 3 genannten Arzneimittels, bei dem eine Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen in Betracht kommt, die Kommission beteiligen. Die Kommission hat Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung die Stellungnahme der Kommission nicht berücksichtigt, legt sie die Gründe dar. Die Kommission kann ferner zu Arzneimitteln, die nicht für die Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen zugelassen sind, den anerkannten Stand der Wissenschaft dafür feststellen, unter welchen Voraussetzungen diese Arzneimittel bei Kindern oder Jugendlichen angewendet werden können. Für die Arzneimittel der Phytotherapie, Homöopathie und anthroposophischen Medizin werden die Aufgaben und Befugnisse nach den Sätzen 3 bis 7 von den Kommissionen nach Absatz 7 Satz 4 wahrgenommen.
(8) Bei Sera, Impfstoffen, Blutzubereitungen, Gewebezubereitungen, Allergenen, xenogenen Arzneimitteln, die keine Arzneimittel nach § 4 Absatz 9 sind, erteilt die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung entweder auf Grund der Prüfung der eingereichten Unterlagen oder auf Grund eigener Untersuchungen oder auf Grund der Beobachtung der Prüfungen des Herstellers. Dabei können Beauftragte der zuständigen Bundesoberbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde Betriebs- und Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten betreten und in diesen sowie in den dem Betrieb dienenden Beförderungsmitteln Besichtigungen vornehmen. Auf Verlangen der zuständigen Bundesoberbehörde hat der Antragsteller das Herstellungsverfahren mitzuteilen. Bei diesen Arzneimitteln finden die Absätze 6, 7 und 7a keine Anwendung.
(8a) (weggefallen)
(9) Werden verschiedene Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege oder Ausbietungen eines Arzneimittels beantragt, so können diese auf Antrag des Antragstellers Gegenstand einer einheitlichen umfassenden Zulassung sein; dies gilt auch für nachträgliche Änderungen und Erweiterungen. Dabei ist eine einheitliche Zulassungsnummer zu verwenden, der weitere Kennzeichen zur Unterscheidung der Darreichungsformen oder Konzentrationen hinzugefügt werden müssen. Für Zulassungen nach § 24b Abs. 1 gelten Einzelzulassungen eines Referenzarzneimittels als einheitliche umfassende Zulassung.
(10) Die Zulassung lässt die zivil- und strafrechtliche Verantwortlichkeit des pharmazeutischen Unternehmers unberührt.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. April 2013 geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 8. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2011 verpflichtet, die Arzneimittelbezeichnung im Zulassungsbescheid vom 16. Juni 1998 (Zulassungs-Nr. 38459.00.00) von „B1. " in „B. Naproxen" zu ändern.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist Inhaberin der mit Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 16. Juni 1998 erteilten Zulassung für das apothekenpflichtige Fertigarzneimittel „B1. " (Zulassungs-Nr. …). Das schmerzstillende, fiebersenkende und entzündungshemmende Antiphlogistikum/Analgetikum ist für die Anwendungsgebiete „leichte bis mäßig starke Schmerzen“ und „Fieber" zugelassen. Wirkstoff ist „Naproxen-Natrium", 220 mg je Filmtablette.
3Mit am 14. Juni 2010 eingegangener Änderungsanzeige vom 11. Juni 2010 zeigte die Klägerin die Änderung der Arzneimittelbezeichnung von „B1. " in „B. Naproxen" an. Monoarzneimittel mit dem Bezeichnungsbestandteil „B. " sind nach ihren Angaben seit 1989 auf dem Markt, derzeit in Deutschland, Österreich und Polen. Sie enthalten jeweils den Wirkstoff Ibuprofen und sind zur symptomatischen Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen wie Kopf-, Zahn- oder Regelschmerzen sowie bei Fieber zugelassen („B. ", „B. forte", „B. mobil"; „B. spezial" auch zur Behandlung akuter Kopfschmerzen bei Migräne mit und ohne Aura). Eine Umsetzung der Bezeichnungsänderung ist durch die Klägerin bislang nicht erfolgt.
4Mit Schreiben vom 26. Juli 2010 teilte das BfArM der Klägerin mit, es halte die Änderung für unzulässig, und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Bezeichnung verstoße gegen das Irreführungsverbot des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG, da sie geeignet sei, bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise Fehlvorstellungen über wesentliche Eigenschaften des Präparats zu wecken. Mit Blick auf die Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und die hohe Werbewirkung gesundheitsbezogener Aussagen seien an den Ausschluss einer Irreführung hohe Maßstäbe anzulegen. Die Bezeichnung „B. " betreffe eine für mehrere Monoarzneimittel verwendete Marke, die der Verbraucher mit dem Wirkstoff „Ibuprofen" in Verbindung bringe. Dieser Verbrauchererwartung werde nicht entsprochen, wenn „B1. " zukünftig als „B. Naproxen" erhältlich sei. Für einen Teil der Verbraucher sei anzunehmen, dass sie den Zusatz „Naproxen" ignorierten oder nicht als Hinweis auf einen Wirkstoff wahrnähmen und „B. Naproxen" in der Erwartung kauften, das Präparat enthalte weiterhin Ibuprofen. Zudem sei die Vorstellung möglich, dass „B. Naproxen" neben Naproxen auch Ibuprofen enthalte. Mit dem Versuch, das in Bezug auf die Marke „B. " bestehende Verbrauchervertrauen auf das Arzneimittel zu übertragen, betreibe die Klägerin eine „positive Rufausbeutung", die mit dem Irreführungsverbot nicht vereinbar sei. Die Bezeichnungsänderung verstoße auch gegen den in § 25 Abs. 3 AMG enthaltenen Rechtsgedanken, der als Konkretisierung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG zu sehen sei. Denn es werde gegen die gängige Verbrauchererwartung verstoßen, dass unter einer bestimmten Arzneimittelbezeichnung nur ein Wirkstoff oder eine fixe Wirkstoffkombination vermarktet werde. Mit Schreiben vom 17. August 2010 vertrat die Klägerin die Auffassung, dass sich die Bezeichnung „B. Naproxen" deutlich genug von anderen unterscheide. Zudem verwies sie auf die Wirkstoffangaben auf der Faltschachtel und im Beipackzettel.
5Durch Bescheid vom 8. September 2010 stellte das BfArM fest, dass das Arzneimittel nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG irreführend bezeichnet sei, und wiederholte die Begründung des Anhörungsschreibens. Eine Änderung des Zulassungsbescheids nach § 29 Abs. 2 AMG bzw. der Zulassungsunterlagen gemäß § 22 AMG werde nicht vorgenommen. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies das BfArM durch Widerspruchsbescheid vom 16. März 2011 zurück.
6Die Klägerin hat am 8. April 2011 beim Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Die getroffene Feststellung sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Grundrechten auf Meinungs- und Berufsfreiheit sowie in ihrem Eigentumsrecht. Im Bereich nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR) gebe es bereits zahlreiche Dachmarken vergleichbarer
7Art, bei denen unter einer Hauptbezeichnung verschiedene Wirkstoffe vermarktet würden (z. B. „E. ®" oder „O. ®"). Auf dem deutschen Markt existiere eine sehr große Anzahl Ibuprofen-haltiger Arzneimittel, die entweder Phantasie-Bezeichnungen oder die Wirkstoffbezeichnung trügen. Ein Verstoß gegen § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG sei schon deshalb nicht gegeben, weil kein anderes Arzneimittel mit der vollständig identischen Bezeichnung „B. Naproxen" auf dem Markt sei und deshalb keine Verwechselungsgefahr bestehe. „B. " sei jedenfalls keine überragende Hauptbezeichnung und erzeuge keine Assoziation zu einem bestimmten Wirkstoff. Vielmehr handele es sich um eine Phantasiebezeichnung, der die Fachsprache keinen bestimmten Wortsinn zuordne und die auch umgangssprachlich weder mit dem Bedeutungsgehalt „ibuprofenhaltiges Präparat" aufgeladen noch mit einem bestimmten Wirkkonzept verknüpft sei. Dessen ungeachtet sei das Wirkkonzept ibuprofenhaltiger und naproxenhaltiger Arzneimittel (Blockade der Cyclooxygenase, dadurch Hemmung der Prostaglandinsynthese) nahezu identisch. Überdies sei die nichtssagende Phantasiebezeichnung „B. " mit der konkreten und ungekürzten Bezeichnung des Wirkstoffs „Naproxen" verbunden, dem starke Assoziationskraft zukomme. Auch finde keine „positive Rufausbeutung" statt, weil die Bezeichnung „B. Naproxen" nicht Ibuprofen suggeriere und auch das Wirkkonzept vergleichbar sei. Zudem weiche § 25 Abs. 3 AMG unzulässigerweise in einem vollharmonisierten Bereich von der Richtlinie 2001/83/EG ab, die kein pauschales Verbot gleicher Arzneimittelbezeichnungen kenne. Eine lrreführung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG finde nicht statt. Der Bezeichnungsbestandteil „B. " sei schon von vornherein nicht geeignet, Fehlvorstellungen des Verbrauchers in Bezug auf die Wirkstoffzusammensetzung zu wecken. Der Zusatz „Naproxen" sei gerade zutreffend und schließe eine sprachliche Verwechslung mit anderen B. -Produkten aus.
8Die Klägerin hat beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 8. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2011 zu verpflichten, die Arzneimittelbezeichnung im Zulassungsbescheid vom 16. Juni 1998 (Zulassungs-Nr. 38459.00.00) von „B1. " in „B. ® Naproxen" zu ändern.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung hat sie ausgeführt: Der Bezeichnungsänderung stehe § 25 Abs. 3 AMG entgegen. Die amtliche Begründung zu § 25 Abs. 3 AMG stelle klar, dass die Norm zur Übersichtlichkeit der im Verkehr befindlichen Arzneimittel beitragen solle, indem sie verhindere, dass Arzneimittel in den Verkehr gebracht würden, die bei gleicher Bezeichnung unterschiedliche Zusammensetzungen aufwiesen. Hieraus sei der Grundsatz ableitbar, dass Arzneimittel unter gleicher Bezeichnung nur zuzulassen seien, wenn ihre Wirkstoffzusammensetzung identisch sei. Dies gelte auch für Bezeichnungen, die aus einer Hauptbezeichnung und einem Zusatz bestünden. Andernfalls liefe die Vorschrift praktisch leer, da schon jeder noch so geringfügige Zusatz zu einer Hauptbezeichnung zur Folge habe, dass keine gleiche Bezeichnung vorläge. § 25 Abs. 3 AMG sei auch europarechtskonform, da sich die Norm auf Art. 1 Abs. 20 und das allgemeine Irreführungsverbot des Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG zurückführen lasse.
13Die gewählte Bezeichnung sei auch irreführend im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG. Der durchschnittliche Verbraucher vertraue darauf, dass Arzneimittel einer Serie, die unter der gleichen Hauptbezeichnung mit unterschiedlichen Bezeichnungszusätzen in den Verkehr gebracht würden, den gleichen Wirkstoff enthielten. Er verbinde mit der Hauptbezeichnung „B. " zumindest ein Schmerzmittel derselben Qualität und Güte wie die bekannten Arzneimittel der Marke „B. ". Ibuprofen und Naproxen-Natrium seien aber durchaus verschieden. Naproxen zeige zum Bespiel deutlich weniger thrombozytenagglutinierende Eigenschaften als Ibuprofen, was für Patienten mit koronaren Vorerkrankungen oder Risikofaktoren von Bedeutung sei. Naproxen habe demgegenüber einen ausgeprägteren schädigenden Effekt auf den Magen-Darm-Trakt. Unzutreffend sei, dass der Verbraucher mit einer Phantasiebezeichnung wie „B. " gar keine Vorstellung verbinde. Wie bei jedem anderen Arzneimittel gehe er zumindest davon aus, dass auch das Basispräparat „B. " einen bestimmten Wirkstoff enthalte. Mit der Bezeichnungsänderung werde der für „B. " aufgebaute gute Ruf für einen gänzlich anderen Wirkstoff ausgebeutet und eine Kontinuität und Verbindung zu den übrigen B. -Präparaten vorgespiegelt. Die Fehlvorstellung werde auch nicht durch den Zusatz „Naproxen" beseitigt; im Gegenteil werde die falsche Erwartungshaltung hervorgerufen, das Arzneimittel enthalte neben Ibuprofen zusätzlich noch Naproxen. Auch komme es nicht darauf an, ob die Hauptbezeichnung eine überragende Marktpräsenz oder eine bestimmte Berühmtheit besitze. Maßgeblich sei, ob sie die anderen Bezeichnungsbestandteile überrage. Unbeachtlich sei der Umstand, dass sich die Verwaltungspraxis des BfArM in der Vergangenheit möglicherweise anders dargestellt habe. Das BfArM prüfe diese Fälle und werde gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen einleiten.
14Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 9. April 2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf seine Entscheidung vom 12. April 2011 - 7 K 4284/09 („Fenistil“) - Bezug genommen und weiter ausgeführt: Die von der Klägerin gewählte Bezeichnung „B. Naproxen" sei mit § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG unvereinbar. Die Hauptbezeichnung „B. " sei eine seit Jahren markteingeführte Arzneimittelbezeichnung, die durchgehend Präparate mit dem Wirkstoff lbuprofen umfasse. Der wirkstoffbezogene Zusatz „Naproxen" trete hinter der Hauptbezeichnung deutlich zurück und präge die Arzneimittelbezeichnung nicht. Auf eine etwaige abweichende Verwaltungspraxis des BfArM in der Vergangenheit, insbesondere bei der Nachzulassung fiktiv zugelassener Alt-Arzneimittel, könne sich die Klägerin nicht berufen, weil sich die hier relevanten Fragen auf der Ebene der Tatbestandsauslegung zwingender Rechtsvorschriften, nicht aber im Bereich der Ermessensausübung stellten. § 25 Abs. 3 AMG sei europarechtskonform, weil es bei Arzneimitteln an einer unionsweiten Harmonisierung des Bezeichnungsrechts im Sinne einer weitgehenden Liberalisierung fehle.
15Die Bezeichnung „B. Naproxen" sei auch mit § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG unvereinbar, weil sie den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher irreführe. Mit der neuen Bezeichnung solle das für die Marke „B. " begründete Markenimage auf ein anderes Produkt übertragen werden. Im Gegensatz zum imagebegründenden „B. " enthalte das „neue" Produkt jedoch einen anderen Wirkstoff. Es könne nicht unterstellt werden, dass sich dem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher der Unterschied zwischen Ibuprofen und Naproxen ohne weiteres erschließe. Dies gelte auch mit Blick darauf, dass die übrigen B. -Produkte keinen wirkstoffbezogen Zusatz trügen und Naproxen als Kurzbezeichnung des zugelassenen Wirkstoffs Naproxen-Natrium im Gegensatz zu Ibuprofen nur wenigen Patienten geläufig sein dürfte. Damit könne der Zusatz der Funktion, Verwechselungen vorzubeugen, nicht gerecht werden. Ferner werde mit der Nennung eines Wirkstoffs neben einer Hauptbezeichnung regelmäßig die Vorstellung verbunden, in dem Arzneimittel sei ein zusätzlicher Wirkstoff enthalten. Dass die Präparate nah verwandte Anwendungsgebiete aufwiesen, rechtfertige keine andere Betrachtung. Anders als in früheren Jahrzehnten sei vielen Patienten, auch durch die zur Kostendämpfung geförderten generischen Arzneimittel, ein Denken in Wirkstoffkategorien durchaus nicht fremd. Zwar werde kaum ein Verbraucher wissen, was genau sich hinter Ibuprofen oder Naproxen verberge. Es könne aber unterstellt werden, dass der durchschnittlich informierte Verbraucher, der „B. " einmal angewendet habe, diese Bezeichnung mit dem bekannten Wirkstoff Ibuprofen in Verbindung bringe. Eine klare Trennung beider Wirkstoffe auch auf der Bezeichnungsebene sei umso mehr geboten, als sie hinsichtlich ihres Risikoprofils nicht deckungsgleich seien, wie die Beklagte nachvollziehbar ausgeführt habe.
16Mit der dagegen rechtzeitig eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend: Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass § 25 Abs. 3 AMG auch identische Teilbezeichnungen unabhängig von einer konkreten Verwechslungs- oder Irreführungsgefahr verbiete. Ein solches Verständnis überdehne die Vorschrift und sei gemeinschaftsrechtswidrig, die Sache sei daher dem EuGH vorzulegen. Eine Bezeichnung sei nur dann gleich im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie vollständig übereinstimme. Es fehle auch an einer Irreführung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG, die anhand der konkreten Einzelfallumstände zu ermitteln sei. Der Bezeichnungsbestandteil „B. “ führe weder zu Fehlvorstellungen hinsichtlich des Wirkstoffs noch zu Fehlvorstellungen hinsichtlich der Indikation, der therapeutischen Wirkung oder der Nebenwirkungen des Arzneimittels. Der Verbraucher assoziiere mit „B. “ keinen Wirkstoff, sondern den Anwendungsbereich „Schmerzbehandlung“. Anwendungsgebiete und therapeutische Wirksamkeit von Ibuprofen und Naproxen seien gleich oder wenigstens hinreichend ähnlich. Beide seien Propionsäure-Derivate und erzielten ihre therapeutische Wirkung über die Hemmung der Prostaglandinsynthese. Auch das Risikoprofil sei ausweislich der fast wortgleichen, vom BfArM zugelassenen Gebrauchsinformationen bzw. des 2013 herausgebrachten Mustertextes für Naproxen nahezu identisch; insbesondere fänden sich dort keine Hinweise auf signifikante Unterschiede im Bereich der Gerinnung/Thrombozytenagglutination oder auf einen ausgeprägteren schädigenden Effekt von Naproxen auf den Magen-Darm-Trakt. Ein unterschiedliches Risiko für thrombotische und kardiovaskuläre Ereignisse sowie für gastrointestinale Nebenwirkungen sei nach Stellungnahmen der EMA nicht nachweisbar. Dachmarkenkonzepte seien im Bereich der zur Schmerzbehandlung eingesetzten NSAR-Arzneimittel beim Verbraucher zudem allgemein bekannt. Der Verbraucher sei es insoweit auch gewohnt, dass unter einer Dachmarke verschiedene Wirkstoffe zusammengefasst würden. Der Bezeichnungsbestandteil „Naproxen“ habe ausreichende Unterscheidungskraft, um Verwechslungen mit ibuprofenhaltigen Arzneimitteln zu vermeiden. Solche Wirkstoffbezeichnungen als Bestandteil eines Arzneimittelnamens seien dem Verbraucher von den Generika bekannt. Schließlich verkenne das Verwaltungsgericht die Möglichkeit einer Auflage als milderes Mittel gegenüber der Versagung der Bezeichnungsänderung. Der Klägerin hätte – wie ohnehin beabsichtigt – durch Auflage aufgegeben werden können, die Bezeichnungen „B. “, „B. Forte“, „B. Spezial“ und „B. Mobil“ jeweils durch den Zusatz „Ibuprofen“ unmittelbar nach „B. “ zu ergänzen.
17Die Klägerin beantragt,
18das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. April 2013 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Zur Begründung trägt sie vor, mit § 25 Abs. 3 AMG sollten Risiken ausgeschlossen werden, die aus der Verwechslung eines Arzneimittels mit einem namensgleichen, aber unterschiedlich zusammengesetzten Arzneimittel entstehen könnten. § 25 Abs. 3 AMG sei deshalb dahingehend auszulegen, dass er eine identische Hauptbezeichnung bei unterschiedlichen Wirkstoffen verbiete. Eine Verwechslungsgefahr bestehe nicht nur bei vollständig identischer Bezeichnung. Die Bezeichnung sei auch im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG irreführend. Ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher gehe aufgrund der Hauptbezeichnung „B. “ davon aus, dass das Arzneimittel den Wirkstoff Ibuprofen enthalte und hinsichtlich seiner Wirkungen gleich oder zumindest ähnlich zu den übrigen B. -Präparaten sei. Eine vollständige Gleichheit von Ibuprofen und Naproxen sei aber nicht gegeben, weil sie hinsichtlich des Risikopotentials nicht deckungsgleich seien. Für die Nebenwirkung Herzinfarkt bestehe nach dem „Assessment report for Non-Steroidal Anti-Inflammatory Drugs and cardiovascular risk“ vom 18. Dezember 2012 der EMA ein deutlicher Unterschied zwischen Naproxen (0,82) und Ibuprofen (1,61), wobei Werte über 1 die Blutgerinnung förderten. Darüber hinaus seien die unterschiedlichen Dosierungen zu beachten. Wegen der unterschiedlichen Risiko-Profile berge eine Verwechslung der Wirkstoffe aus medizinischer Sicht Risiken. Ein zusätzliches Irreführungspotential liege darin, dass ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher der Arzneimittelbezeichnung „B. Naproxen“ entnehme, dass zusätzlich zum markteingeführten „B. “ ein weiterer Wirkstoff enthalten sei. Kenne der Verbraucher das Produkt „B. “ oder habe er es verwendet, erwarte er, dass es den Wirkstoff Ibuprofen enthalte. Andernfalls bestehe die konkrete Gefahr, dass der Verbraucher davon ausgehe, dass dem in „B. “ üblicherweise enthaltenen Wirkstoff, den er namentlich nicht kenne, der zusätzliche Wirkstoff Naproxen hinzugefügt sei. Eine Auflagenerteilung komme als milderes Mittel nicht in Betracht. Das BfArM sei zu einer Auflage, andere Arzneimittel – ohne vorherige Änderungsanzeige – umzubenennen, nicht ermächtigt.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
23Entscheidungsgründe
24Die Berufung, über die im Einverständnis der Beteiligten die Berichterstatterin entscheidet (§§ 125 Abs. 1, 87a Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet.
25Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Verpflichtungsklage zu Unrecht abgewiesen. Die Ablehnung der Änderung der Arzneimittelbezeichnung in dem Bescheid des BfArM vom 8. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass die Bezeichnung des Arzneimittels in dem Zulassungsbescheid vom 16. Juni 1998 von „B1. “ in „B. Naproxen“ geändert wird.
261. Nach § 29 Abs. 2 Satz 1 AMG ist bei einer Änderung der Bezeichnung des Arzneimittels der Zulassungsbescheid entsprechend zu ändern. Ein Anspruch des Inhabers der Zulassung auf diese Änderung besteht aber nur, wenn gesetzliche Vorschriften dem nicht entgegenstehen. Denn auch im Verfahren der Änderungsanzeige findet eine Überprüfung durch das BfArM statt. Die Arzneimittelbezeichnung ist wesentlicher Bestandteil der Zulassungsentscheidung. Der geänderte Zulassungsbescheid kann nur dann eine legale Zulassung aussprechen, wenn die Änderung mit den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes übereinstimmt. Dies setzt insbesondere voraus, dass keine Versagungsgründe nach § 25 Abs. 2 und 3 AMG vorliegen. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AMG schließt die Zulassung aus, wenn das Inverkehrbringen des Arzneimittels gegen gesetzliche Vorschriften verstößt.
27Vgl. OVG NRW, Urteile vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 42, und vom 23. Mai 2007 ‑ 13 A 3657/04 –, juris, Rn. 31; Kösling, in: Fuhrmann/Klein/ Fleischfresser (Hrsg.), Arzneimittelrecht, § 10 Rn. 70; s. auch BVerwG, Beschluss vom 27. März 2008 - 3 B 91/07 -, juris, Rn. 5;
28Hier stehen gesetzliche Vorschriften der Änderung nicht entgegen. Die begehrte Bezeichnung „B. Naproxen“ ist mit § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG (2.) und mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG (3.) vereinbar.
292. Ein Verstoß gegen das Verbot gleicher Bezeichnung liegt nicht vor. Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG ist die Zulassung für ein Arzneimittel zu versagen, das sich von einem zugelassenen oder bereits im Verkehr befindlichen Arzneimittel gleicher Bezeichnung in der Art oder der Menge der Wirkstoffe unterscheidet. Diese Anforderungen an Arzneimittelbezeichnungen gelten nach den vorstehenden Erwägungen auch im Rahmen des § 29 Abs. 2 Satz 1 AMG. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift liegen aber hier nicht vor.
30Die Bezeichnung „B. Naproxen“ wird nicht bereits für ein Arzneimittel mit anderen Wirkstoffen verwandt. Dass unter der gleichen Hauptbezeichnung „B. “, einer sogenannten Dachmarke, Arzneimittel zugelassen sind, rechtfertigt nicht die Annahme der unzulässigen Bezeichnungsgleichheit. Die – den Wirkstoff Ibuprofen enthaltenden – Arzneimittel heißen „B. ", „B. forte", „B. mobil" und „B. spezial".
31Eine gleiche Bezeichnung im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG ist die vollständig wortlautidentische Benennung des Arzneimittels, die als solche wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil der Zulassung ist. Bei zusammengesetzten Bezeichnungen liegt eine gleiche Bezeichnung damit nicht schon dann vor, wenn ‑ wie bei einer Dachmarke eine Identität der Hauptbezeichnung gegeben ist.
32So auch Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25 Rn. 88; Menges/ Winnands, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser (Hrsg.), Arzneimittelrecht, § 10 Rn. 288 ff.; vgl. in diese Richtung bereits OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, juris.
33Dachmarken sind nach der Definition des Markenverbands,
34vgl. B. 1. des Leitfadens für Dachmarken-Konzepte für Arzneimittel, Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetika, Medizinprodukte vom 8. Oktober 2002,
35Kennzeichen, die – ergänzt mit unterschiedlichen Bezeichnungszusätzen – gleichzeitig für unterschiedliche Produkte verwendet werden, die sich entweder in ihrer Zweckbestimmung oder in ihrer Zusammensetzung nach Art der Bestandteile voneinander unterscheiden.
36a. Dass die Bezeichnung im Sinne des § 25 Abs. 3 AMG die vollständige Bezeichnung eines Arzneimittels ist, folgt schon aus dem Wortlaut des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG, der nicht zwischen Hauptbezeichnung und ergänzenden Bezeichnungsbestandteilen differenziert. Der Gesetzgeber verwendet zudem einen Begriff, den er zwar in keiner zentralen Norm definiert, aber an zahlreichen Stellen des Arzneimittelgesetzes gebraucht. Die „Bezeichnung“ des Arzneimittels auf den Behältnissen und äußeren Umhüllungen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG), in der Packungsbeilage (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) AMG) und im Zulassungsantrag (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 AMG) meint selbstverständlich die vollständige Bezeichnung, die Gegenstand der Zulassung ist. Dieses Begriffsverständnis gilt – auch nach Auffassung der Beklagten – ebenso für die Frage, ob im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG eine irreführende Bezeichnung vorliegt. Nach der Bekanntmachung des Bundesgesundheitsamtes und des Paul-Ehrlich-Institutes über Hinweise und Empfehlungen zur Vermeidung von irreführenden Arzneimittelbezeichnungen vom 9./22. August 1991 (BAnz., S. 6971) ist die Arzneimittelbezeichnung die vollständige Bezeichnung eines Arzneimittels, die die Hauptbezeichnung sowie ggf. einen Bezeichnungszusatz enthält (Definition 2.1).Weiter heißt es dort, dass die Hauptbezeichnung bei verschiedenen Arzneimitteln einer Arzneimittelserie stets gleich sei (2.2) und mit dem Bezeichnungszusatz ein Unterschied zu anderen Arzneimitteln mit gleicher Hauptbezeichnung deutlich gemacht werden könne (2.3). Dieses Verständnis liegt auch der Leitlinie des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Bezeichnung von Arzneimitteln vom 20. März 2013 zugrunde. Danach ist die Bezeichnung der Name des Arzneimittels, der als Phantasiebezeichnung aus einem oder mehreren Wörtern (z.B. Bezeichnungszusätzen) bestehen kann (Ziffern I., II.2 und II.2.2). Dieses zwar nicht bindende, aber überzeugende Verständnis der Bezeichnung als vollständiger Bezeichnung steht auch im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben. Die „Bezeichnung“ im nationalen Recht entspricht dem „Namen“ des Arzneimittels im Sinne der Richtlinie 2001/83/EG (in der durch die Richtlinie 2004/27/EG geänderten Fassung).
37So auch Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 25 Rn. 87; Leitlinie des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Bezeichnung von Arzneimitteln, 20. März 2013, Ziffer I.
38Nach der Definition in Art. 1 Nr. 20 der Richtlinie 2001/83/EG ist Name des Arzneimittels der Name, der entweder ein nicht zu Verwechslungen mit dem gebräuchlichen Namen führender Phantasiename oder ein gebräuchlicher oder wissenschaftlicher Name in Verbindung mit einem Warenzeichen oder dem Namen des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen sein kann. Dieser Name ist – entsprechend dem nationalen Recht – im Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen zu nennen (Art. 8 Abs. 3 lit. b) und auf der äußeren Umhüllung bzw. Primärverpackung (Art. 54) sowie in der Packungsbeilage (Art. 59) anzugeben. Der Name ist danach auch im Unionsrecht der vollständige Name eines Arzneimittels.
39Dass im Rahmen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG der Begriff abweichend von den vorstehenden Ausführungen, insbesondere anders als im Rahmen des allgemeinen Irreführungsverbots des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG zu verstehen wäre, ist nicht ersichtlich. Es lässt sich auch nicht mit dem entstehungsgeschichtlich belegten Sinn und Zweck der Vorschrift begründen. § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG soll sicherstellen, dass der Verbraucher namensgleiche, aber unterschiedlich zusammengesetzte Arzneimittel nicht verwechselt, und damit die Arzneimittelsicherheit gewährleisten.
40Vgl. Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 25 Rn. 86; Menges/Winnands, in: Fuhrmann/ Klein/ Fleischfresser (Hrsg.), a. a. O. § 10 Rn. 284; Rehmann, Arzneimittelgesetz, 2. Auflage 2003, § 25 Rn. 14; Sander, Arzneimittelrecht, Erl. § 25 AMG, Anm. 12.
41Nach der Gesetzesbegründung soll § 25 Abs. 3 AMG zur Übersichtlichkeit über die im Verkehr befindlichen Arzneimittel beitragen, indem er verhindert, dass ein pharmazeutischer Unternehmer Arzneimittel in den Verkehr bringt, die die gleiche Bezeichnung haben, die jedoch eine unterschiedliche Zusammensetzung aufweisen (BT-Drs. 7/3060, S. 50). Ärzte, Apotheker und Verbraucher erwarteten unter einheitlicher Bezeichnung Arzneimittel, die aus den gleichen Wirkstoffen zusammengesetzt seien. Dem sei im Interesse der Arzneimittelsicherheit Rechnung zu tragen (BR-Drs. 596/85, S. 56 = BT-Drs. 10/5112, S. 18).
42Dieser Zweck des § 25 Abs. 3 AMG erfordert aber nicht die von der Beklagten befürwortete extensive Auslegung der Vorschrift. Verwechslungsgefahren, die sich aus der Teilidentität oder auch aus großer Ähnlichkeit von Bezeichnungen ergeben, sind bei der hier vertretenen Auslegung nicht hinzunehmen, sondern im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG aufgrund der konkreten Einzelfallumstände zu prüfen und ggf. zu verhindern.
43b. Schließlich folgt aus der Verwendung des Begriffs „gleiche“ statt „dieselbe“ Bezeichnung nichts anderes. Gemeint ist eine – vollständige – Identität der Bezeichnungen.
44Vgl. Kügel, Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 25 Rn. 88; Rehmann, a. a. O., § 25 Rn. 14.
45Der Gesetzgeber verwendet auch an anderer Stelle im Arzneimittelgesetz den Begriff „gleich“ und meint eine vollständige Übereinstimmung. So ist unstreitig, dass die Zulassung eines Generikums nach § 24b AMG die gänzlich identische Zusammensetzung der Wirkstoffe nach Art und Menge und dieselbe Darreichungsform voraussetzt, auch wenn der Gesetzgeber in § 24 b Abs. 2 Satz 1 AMG das Wort „gleiche“ benutzt. Ob ähnliche, d.h. sich gleichende oder teilidentische Bezeichnungen zulässig sind oder eine Verwechslungsgefahr bedeuten, beurteilt sich nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG aufgrund einer Prüfung im Einzelfall. § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG ist – in der Art eines abstrakten Gefährdungstatbestands – eine Konkretisierung dieses Irreführungsgebots,
46vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Mai 2007 - 13 A 3657/04 -, juris, Rn. 33.
47was im Übrigen ein weiteres Argument für ein gleichlaufendes Verständnis des Begriffs Bezeichnung in beiden Vorschriften und für die Verlagerung der Prüfung der konkreten Irreführungsgefahr in § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG ist.
48c. Liegen danach mangels vollständiger Bezeichnungsidentität die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG nicht vor, kann offenbleiben, ob Unionsrecht der Anwendung dieser Vorschrift entgegensteht, weil dort kein entsprechender Versagungstatbestand existiert. Allerdings lässt sich der Richtlinie 2001/83/EG, insbesondere Art. 1 Nr. 20, Art. 59 Abs. 1 Satz 1 a) i), Art. 62 Halbsatz 2 sowie Art. 87 Abs. 3, das Verbot von irreführenden Bezeichnungen entnehmen.
49Vgl. dazu OVG NRW, Urteile vom 23. Mai 2007 ‑ 13 A 3657/04 –, juris, Rn. 35, und vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 81; zur weiteren Anwendbarkeit nationaler Rechtsvorschriften auf bestimmte rein nationale Zulassungen siehe auch Art. 24a der Verordnung (EG) Nr. 1234/2008 (in der Fassung der Änderung vom 3. August 2012) i.V.m. Art. 23b Abs. 4 der Richtlinie 2001/83/EG.
503. Die Bezeichnung „B. Naproxen“ ist auch mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG vereinbar. Diese Vorschrift verbietet es, Arzneimittel herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die mit einer irreführenden Bezeichnung versehen sind. Daran fehlt es hier.
51a. Eine irreführende Bezeichnung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Bezeichnung bei einem nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise unzutreffende Erwartungen, insbesondere über die Art, Qualität, therapeutische Wirksamkeit, Unbedenklichkeit oder sonstige wesentliche Merkmale des Arzneimittels, weckt. Angesichts der Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und der mit falschen Erwartungen an Arzneimittel verbundenen Gesundheitsrisiken sind an die Wahrheit, Eindeutigkeit und Klarheit der Bezeichnung von Arzneimitteln erhöhte Anforderungen zu stellen (sog. Strengeprinzip).
52Vgl. OVG NRW, Urteile vom 23. Mai 2007 – 13 A 3657/04 -, juris, Rn. 36, vom 12. August 2009 ‑ 13 A 2147/06 –, juris, Rn. 42 ff., und vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, A & R 2013, 202 = juris, Rn. 46; BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 – I ZR 62/11 –, juris, Rn. 15.
53Die Bezeichnung eines Arzneimittels ist nicht nur für fachlich informierte Per-sonengruppen wie Ärzte, Apotheker sowie Behörden von Bedeutung. Sie ist in besonderem Maße für die Information der Verbraucher der Arzneimittel wichtig, die typischerweise nicht über qualifizierte medizinische Kenntnisse verfügen. Bei – wie hier – rezeptfrei in Apotheken zur Selbstmedikation angebotenen Arzneimitteln sind weder Apotheker noch Käufer verpflichtet, ein Gespräch über die Eigenschaften und Wirkungen des Arzneimittels zu führen. Eine entsprechende Beratungsmöglichkeit wird häufig nicht in Anspruch genommen, so dass mögliche bezeichnungsbedingte Fehlvorstellungen der Verbraucher durch die Beratungsmöglichkeit nicht sicher bzw. nicht hinreichend wahrscheinlich ausgeschlossen werden können.
54Vgl. OVG NRW, Urteile vom 17. Juni 2013 - 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 49 f., und vom 12. August 2009 – 13 A 2147/06 -, juris, Rn. 47 ff.
55Bei der Ermittlung der durch die Bezeichnung des Arzneimittels ausgelösten Vorstellungen des Verbrauchers ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen. Dieser geht zu Recht davon aus, dass das Gesundheitswesen einschließlich der Arzneimittelwirtschaft staatlicherseits reguliert und überwacht wird. Er vertraut typischerweise darauf, dass die zugelassene Bezeichnung so eindeutig ist, dass sie keine Fehlvorstellungen bzw. Missverständnisse über das Arzneimittel auslöst.
56Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12. August 2009 ‑ 13 A 2147/06 -, juris, Rn. 55 ff., und vom 17. Juni 2013 - 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 52.
57Zur Ermittlung der Verbrauchervorstellungen ist keine Marktforschung erforderlich. Der Senat kann aufgrund eigener Sachkunde feststellen, wie die Bezeichnung durch einen nicht ganz unerheblichen Teil des Verkehrskreises verstanden wird, da seine Mitglieder selbst zu den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchern zählen.
58Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12. August 2009 ‑ 13 A 2147/06 –, juris, Rn. 57, und vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 62, 68; BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 – I ZR 150/01 –, GRUR 2004, 244 = juris, Rn. 18 bis 20.
59b. Gemessen an diesen Maßstäben ist bei einer Gesamtbetrachtung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls die Bezeichnung „B. Naproxen“ nicht im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG irreführend.
60aa. Dabei ist zunächst die Hauptbezeichnung „B. “ in den Blick zu nehmen. Der Verbraucher misst bei Namen von Waren, die sich aus mehreren Bestandteilen zusammensetzen, dem – typischerweise vorangestellten – Hauptbestandteil regelmäßig besondere Bedeutung für die Art bzw. Qualität der jeweiligen Ware zu. Im Rahmen einer zusammengesetzten Bezeichnung sind die sprachliche Bedeutung und die entsprechende Wahrnehmbarkeit des Hauptbestandteils regelmäßig so herausgehoben, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher mit diesem Bestandteil nicht allein eine produktunabhängige Werbeaussage, sondern eine produktbezogene Inhaltsangabe verbindet. Dies wird durch die gezielte Verwendung der Dachmarken als Marketing-Instrument belegt und gilt auch für die Bezeichnung von Arzneimitteln, die neben anderen Produkten Gegenstand des Leitfadens für Dachmarken-Konzepte des Markenverbands sind. Bei einer Dachmarke, die seit mehreren Jahren für bestimmte Arzneimittel genutzt wird, besteht deshalb grundsätzlich die Gefahr, dass Verbraucher, die ein Präparat dieser Marke kennen, ein dieselbe Hauptbezeichnung führendes (neues) Arzneimittel hinsichtlich seines Anwendungsgebiets und seiner therapeutischen Wirksamkeit als gleich oder zumindest als ähnlich wahrnehmen. Diese Assoziation bereits bekannter (Wirk‑)Qualitäten ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht auch einer der zentralen Gründe, Dachmarken zu verwenden.
61Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2013 - 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 55 ff.
62Dies gilt grundsätzlich auch hier. Der Verbraucher wird dem Bezeichnungsbestandteil „B. “ besondere Bedeutung zumessen. Der wirkstoffbezogene Zusatz „Naproxen" tritt dahinter zurück. Das entspricht der (Marketing-)Strategie der Klägerin, die Dachmarke „B. " in den Vordergrund zu stellen und auf deren Wahrnehmung durch den Verbraucher zu setzen.
63Vgl. auch den Internetauftritt www.B. .de.
64Wie bekannt diese Dachmarke ist, ist hierfür ebenso unerheblich wie der Umstand, dass „B. “ ein Phantasiename ist, während der Zusatz „Naproxen“ einen Wirkstoff bezeichnet.
65Gleichwohl führt die Verwendung der Dachmarke „B. “ nicht zu erheblichen Fehlvorstellungen. Die Nutzung einer eingeführten Dachmarke für ein wirkstoffverschiedenes Arzneimittel ist zwar im Regelfall irreführend.
66Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, a. a. O. ; Kloesel/Cyran, § 8 Anm. 22; Kösling, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, § 10 Rn. 78; Leitlinie des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Bezeichnung von Arzneimitteln, 2013, Ziff. II 2.2.1 („zu vermeiden“); a. A. Schraitle, in: Fuhrmann/ Klein/ Fleischfresser, § 6 Rn. 76; European Medicines Agency (EMA), QRD recommendations on pack design and labelling for centrally authorised non-prescription human medicinal products, Draft, März 2011, Ziff. 4.1.2.
67Insbesondere lässt sich aus § 105 Abs. 3a Satz 3 AMG, wonach in bestimmten Fällen ein (Alt-)Arzneimittel auch nach Änderung der Zusammensetzung mit gleicher Bezeichnung in den Verkehr gebracht werden darf, nichts Gegenteiliges schließen.
68Hier ist die Verwendung der Dachmarke aufgrund der besonderen Einzelfallumstände weder unter dem Gesichtspunkt der Verwechslung noch unter dem Aspekt der Herstellung einer gedanklichen Verbindung irreführend. Sie weckt auch unter Berücksichtigung strenger Anforderungen an Wahrheit, Eindeutigkeit und Klarheit der Bezeichnung keine unzutreffenden Verbrauchererwartungen.
69Ob die Verwendung einer Dachmarke bei unterschiedlich zusammengesetzten Arzneimitteln zulässig ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Unterschiede der Arzneimittel und der Gefahren, die bei einer etwaigen Verwechslung bestehen.
70Vgl. auch Leitlinie des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Bezeichnung von Arzneimitteln, 20. März 2013, S. 6 f. (Ziff. 2.2.1); EMA, Committe for human medicinal products (CHMP), Guideline on the acceptability of names for human medicinal products processed through the centralised procedure, 11. Dezember 2007, Ziff. 1. und 2.1.1.
71Sollte ein nicht ganz unerheblicher Teil der Verbraucher annehmen, das streitgegenständliche Arzneimittel diene wie die übrigen „B. “-Präparate der Behandlung von Schmerzen und Fieber und entfalte die gleichen therapeutischen Wirkungen, trifft dies – anders als etwa im Fall „Fenistil“ (Senatsurteil vom 17. Juni 2013 - 13 A 1113/11 -) – zu. Das streitgegenständliche Arzneimittel enthält zwar den Wirkstoff Naproxen, während die markteingeführten „B. “-Produkte Ibuprofen enthalten. Die Anwendungsgebiete stimmen aber überein. Beide sind zugelassen zur Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen und Fieber. Zudem sind die Wirkstoffe Ibuprofen und Naproxen der gleichen Wirkstoffgruppe zuzuordnen und der Wirkmechanismus ist identisch. Beide sind nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)/ nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAP bzw. NSAID), die schmerzlindernd, fiebersenkend und entzündungshemmend wirken. Naproxen gehört wie Ibuprofen der Wirkstoffklasse der nichtselektiven NSAR an (sogenannte COX-1/2-Hemmer). Ibuprofen und das später entdeckte und zugelassene Naproxen sind Arylpropionsäurederivate und wirken in gleicher Weise, indem sie das Enzym Cyclooxygenase (COX) blockieren und dadurch die Synthese der Prostaglandine, der für die Vermittlung von Schmerzempfindung verantwortlichen Botenstoffe, hemmen.
72Vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage 2007, „Antiphlogistika, nichtsteroidale“; www.wikipedia.de zu „nichtsteroidales Antirheumatikum“, „Ibuprofen“ und zu „Naproxen“.
73Schließlich weist auch das Nebenwirkungsprofil keine erheblichen Unterschiede auf. Die Nebenwirkungshinweise und Gegenanzeigen in den Gebrauchsinformationen, auch die zuletzt vorgelegten aktuellen Fassungen (Gebrauchsinformation „B. “ aus März /August 2011) bzw. diesbezüglichen Mustertexte (zu Naproxen vom 20. November 2013), unterscheiden sich nur geringfügig, was sich mit der Zugehörigkeit der Wirkstoffe zur gleichen Wirkstoffklasse und der identischen Wirkweise erklären lässt. Aus vereinzelten Unterschieden in den Häufigkeiten bestimmter Nebenwirkungen lässt sich ebenfalls nicht auf ein unterschiedliches Nebenwirkungsprofil schließen, da hier statistische Fragen eine Rolle spielen und mal das eine, mal das andere Arzneimittel eine abweichende Häufigkeit verzeichnet. Soweit das BfArM höhere gastrointestinale Risiken von Naproxen betont, hat dies in den Nebenwirkungshinweisen keinen Niederschlag gefunden. Bestehen aber keine derartigen Unterschiede, dass es unterschiedlicher Hinweise bedürfte, sind die Unterschiede nicht als relevant einzuordnen.
74Darüber hinaus hat die – für die Irreführungsgefahr darlegungs- und beweispflichtige – Beklagte auch nicht aufgrund anderer Erkenntnisse nachvollziehbar dargelegt, dass gleichwohl ein unterschiedliches Risikoprofil besteht. Zwar stützen bestimmte Studien und Datensammlungen ihre Auffassung, dass Naproxen geringere kardiovaskuläre und Thrombose-Risiken birgt und deshalb für Patienten mit koronaren Vorerkrankungen oder Risikofaktoren vorteilhafter ist.
75Vgl. Trelle et al., Cardiovascular safety of non-steroidal anti-inflammatory drugs: network meta-analysis, BMJ 2011, 342:7086, S. 6, 10; EMA, Public CHMP assessment report for medicinal products containing non-selective non steroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs), 7. November 2006, S. 18, 20; EMA, Assessment report for Non Steroidal Anti-Inflammatory Drugs (NSAIDs) and cardio-vascular risk, 18. Oktober 2012, S. 10, 24, 26.
76Abgesehen davon, dass ein geringeres Risiko wohl nur bei deutlich höherer Dosierung und längerer Anwendungsdauer als hier im OTC-Bereich besteht, kann dieser Umstand der Klägerin nicht entgegengehalten werden. Eine Verwechslung erwiese sich insoweit als vorteilhaft, so dass ein Schutzbedürfnis der Verbraucher nicht besteht. Die Behauptung der Beklagten, Naproxen habe gegenüber Ibuprofen einen ausgeprägteren schädigenden Effekt auf den Magen-Darm-Trakt, ist demgegenüber nicht wissenschaftlich belegt. Das BfArM führt hierfür nur die Ergebnisse einer Studie aus 1994 zu den Risiken von blutenden Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren an (Langman M et al., Lancet 1994, 343:1075). Die Studie selbst liegt nicht vor. Demgegenüber besteht nach der neueren Studie von Lewis et a. („Risk of serious upper gastrointestinal toxicity with over-the-counter nonaspirin nonsteroidal anti-inflammatory drugs“, Gastroenterology 2005, 129:1865) kein signifikanter Unterschied für das Risiko „gastrointestinale Toxizität“ zwischen Naproxen und Ibuprofen. Diese Schlussfolgerung teilte auch der Sachverständigenausschuss des BfArM zur Verschreibungspflicht (69. Sitzung am 26. Juni 2012). Nach einer Studie von Singh G (Am J Ther 2000, 7: 115) liegt das relevante Risiko von Ibuprofen bei 3,5, das von Naproxen bei 3,42 bei einem Wert von 3,92 für alle NSAIDs. Die EMA geht nach dem „Public CHMP assessment report for medicinal products containing non-selective non steroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs)” vom 7. November 2006 (Seite 5) davon aus, die verfügbaren Daten erlaubten keine präzise Quantifizierung der Risiken ernster gastrointestinaler Nebenwirkungen bei verschiedenen NSAIDs; es bestünden Anhaltspunkte für eine Dosisabhängigkeit. Es sei nicht möglich, sichere Schlussfolgerungen zu den relativen Risiken für gastrointestinale Nebenwirkungen der einzelnen Produkte zu ziehen. Zwar gebe es Hinweise für ein geringfügig höheres Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen bei Naproxen, die Erkenntnisse für entsprechende Schlussfolgerungen seien aber nur schwach. Bei Ibuprofen könnten die günstigeren Annahmen auf der Verwendung niedriger Dosen und kurzzeitigen Anwendungen beruhen. Ein unterschiedliches Risikoprofil lässt sich damit nicht belegen.
77Hier maßgebliche Unterschiede kann die Beklagte auch nicht daraus herleiten, dass für die Arzneimittel unterschiedliche Altersgrenzen (Kinder ab 6 Jahren bei „B. “ und „B. Forte“, ab 12 Jahren beim streitgegenständlichen Arzneimittel) und abweichende Dosierungsangaben gelten. Der aufgeklärte, durchschnittlich informierte Verbraucher geht nicht bei Arzneimitteln mit gleicher Hauptbezeichnung davon aus, dass sie auch in Wirkstoffmenge, Dosierung und Gegenanzeigen für die Anwendung bei Kindern identisch sind. Dass auch das BfArM dies bisher so gesehen hat, zeigt unter anderem die Zulassung der bisherigen B. -Produkte unter gleicher Hauptbezeichnung, die in Bezug auf diese Gesichtspunkte ebenfalls Unterschiede aufweisen. So ist „B. Spezial“ im Unterschied zu den beiden anderen „B. “-Produkten ebenfalls erst für Kinder ab 12 Jahren zugelassen. Wie die Klägerin im Klageverfahren näher dargelegt hat, ergibt sich hier die Anwendungsbeschränkung aus der Wirkstoffmenge und lässt daher insbesondere keinen Schluss auf ein anderes Risikoprofil des Wirkstoffs zu. Hinzu kommt, dass das hier streitgegenständliche Produkt vielfach bei akuten Zuständen, d.h. nicht nur von chronisch Kranken genutzt wird. Der Verbraucher wird sich auch vor der Einnahme eines schon bekannten Arzneimittels über die Dosierung und die Anwendbarkeit bei Kindern informieren, zumal sich hier aufgrund neuerer Erkenntnisse auch Änderungen ergeben können.
78Eine Irreführung könnte danach lediglich über das Vorhandensein des Wirkstoffs Ibuprofen bzw. dahingehend bestehen, dass es sich um das (wirkstoff-)gleiche Präparat handele. Der Wirkstoff ist ein wesentliches Merkmal eines Arzneimittels. Eine diesbezügliche Fehlvorstellung setzte aber voraus, dass der Durchschnittsverbraucher bzw. ein nicht unerheblicher Teil der aufgeklärten Verbraucher mit dem Phantasienamen „B. “ einen bestimmten Wirkstoff verbindet bzw. den „Wirkstoff hinter B. “ nunmehr bei jedem Produkt der Serie erwartet. Davon ist hier nicht auszugehen. Es ist schon zweifelhaft, ob der Verbraucher regelmäßig mit einem Arzneimittelnamen einen bestimmten Wirkstoff verbindet. Typischerweise wird der aufgeklärte, durchschnittlich informierte Verbraucher mit der Bezeichnung nur das Anwendungsgebiet und gegebenenfalls noch einen bestimmten Wirkmechanismus verbinden. Hier kommt hinzu, dass zahlreiche Produkte mit dem Wirkstoff Ibuprofen im Verkehr sind, diesen teilweise auch im Namen tragen, und „B. “ deshalb nicht aufgrund seiner Alleinstellung mit Ibuprofen assoziiert wird.
79Ferner ist für die Ermittlung der (Fehl‑)Vorstellung eines nicht unerheblichen Teils der aufgeklärten Verbraucher von Bedeutung, dass nicht von einer besonderen Bekanntheit der Dachmarke auszugehen ist. Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass eine Irreführung nicht nur bei berühmten Namen in Betracht kommt. Unter anderem vom Bekanntheitsgrad hängt aber ab, ob bei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher eine Verwechslungsgefahr besteht.
80Vgl. dazu EuGH, Urteil vom 11. November 1997 ‑ Rs. C-251/95 (Puma) -, Rn. 22.
81Je weniger bekannt ein Produkt bzw. eine Marke ist, desto geringer ist die Irreführungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Verwechslung. Die von der Klägerin hier mitgeteilten Verkaufszahlen und Marktanteile lassen auf einen geringen Bekanntheitsgrad schließen. „B. “ hatte im Jahr 2013 bei 429.500 verkauften Packungen einen Marktanteil bei den ibuprofenhaltigen Analgetika von 0,9 Prozent (2009: 1,9 % ,2010: 1,6 %, 2011: 1,3 %, 2012: 1,1 %). Demgegenüber hatte etwa E. einen Marktanteil von zuletzt 15 % (2009: 24,8 %), J. -ratiopharm einen Marktanteil von 11,7 % (2009: 15,2 %). Nimmt man die apothekenpflichtigen Analgetika insgesamt in den Blick, betrug der Marktanteil 2013 lediglich 0,3 Prozent (2009: und 2010: jeweils 0,4 %, 2011 und 2012: jeweils 0,3 %). Angesichts dessen ist die Gruppe derjenigen, die „B. “ kennen, nicht als hinreichend bedeutender Teil der angesprochenen Verkehrskreise einzuordnen. Abgesehen davon ist nicht davon auszugehen, dass diese Gruppe „B. “ mit dem Wirkstoff Ibuprofen in Verbindung mit.
82Auf die Verbrauchervorstellung wirkt sich weiterhin aus, dass gerade im Bereich der Schmerzbehandlung mit nichtsteroidalen Antiphlogistika seit vielen Jahren zahlreiche Dachmarken mit verschiedenen Wirkstoffen auf dem Markt sind, insbesondere seit den 1990er Jahren „E. “ (Ibuprofen, Ketoprofen, Naproxen), das einen um ein Vielfaches höheren Marktanteil hat als „B. “, ferner O. , U. und U1. . Dies verschafft der Klägerin zwar, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung einen Anspruch auf Gleichbehandlung. Das Argument der Beklagten, die Irreführungsgefahr könne nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass irreführende Produkte auf dem Markt seien, greift aber nicht durch. Die hier maßgeblichen Vorstellungen und Erwartungen des Verbrauchers in Bezug auf die streitgegenständliche Bezeichnung werden auch durch die tatsächlichen Verhältnisse in dem Marktsegment geprägt. Da das BfArM in der Vergangenheit Dachmarken für verschiedene Wirkstoffe im Bereich der Schmerzmedikation zugelassen hat, und dies auch bei bekannten Marken mit hohem Marktanteil, erwartet der Verbraucher jedenfalls in diesem Bereich unter einer Dachmarke nicht stets Arzneimittel mit einer identischen Zusammensetzung.
83Vgl. auch Sander, PharmR 2013, 359 (360).
84Die Annahme des Verwaltungsgerichts, Verbraucher nutzten zunehmend Generika und ihnen sei ein Denken in Wirkstoffkategorien nicht fremd, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Daraus lässt sich nur auf eine Vertrautheit mit (wirkstoffgleichen) preiswerteren Alternativprodukten, nicht aber darauf schließen, dass Verbraucher umgekehrt bei Arzneimitteln einer Serie bzw. Dachmarke denselben Wirkstoff erwarten. Es erscheint schon zweifelhaft, ob der Verbraucher sich Kenntnis vom Wirkstoff verschafft. Nahe liegender dürfte sein, dass ihn nur interessiert, ob er mit dem Generikum „das Gleiche“ erhält wie vom Arzt verschrieben oder bisher von ihm verwendet. Geht man aber davon aus, der aufgeklärte Verbraucher informiere sich über den Wirkstoff von Arzneimitteln, muss dies gerade auch für das streitgegenständliche Arzneimittel gelten, zumal diesem eine Wirkstoffbezeichnung hinzugefügt ist.
85bb. Durch den Zusatz „Naproxen“ zur Hauptbezeichnung „B. “ ist eine hinreichende Unterscheidung zu den anderen Arzneimittelbezeichnungen der Dachmarke gewährleistet. Zwar hat der Senat im „Fenistil“-Urteil angenommen, ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher gehe bei einer bekannten Dachmarke davon aus, dem in den markteingeführten Produkten enthaltenen Wirkstoff sei ein weiterer Wirkstoff hinzugefügt.
86Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 65 f.
87Hier liegt der Fall aber anders. Aus den vorstehenden Gründen wird kein hinreichender Teil der angesprochenen Verkehrskreise „B. “ mit dem Wirkstoff Ibuprofen und „B. Naproxen“ mit den markteingeführten „B. “-Produkten verbinden. Er wird deshalb auch nicht annehmen, „B. Naproxen“ sei „B. “ (= Ibuprofen) plus Naproxen. Eine Verbrauchererwartung, dass Arzneimittel, deren mehrteiliger Name eine Wirkstoffbezeichnung beinhaltet, stets zwei Wirkstoffe (den „hinter B. “ sowie „Naproxen“) enthalten, besteht nicht. Abgesehen davon wird der aufgeklärte Verbraucher, der die markteingeführten „B. “-Produkte kennt, angesichts der Existenz von zahlreichen (bekannteren) Dachmarken im Bereich der Schmerzmedikamente mit unterschiedlichen Wirkstoffen besondere Sorgfalt an den Tag legen, sollte es ihm auf „B. “ mit einem bestimmten Wirkstoff ankommen.
88Im Übrigen strebt die Klägerin die Umbenennung ihrer markteingeführten B. -Produkte dahingehend an, dass dort – analog zum Zusatz „Naproxen“ beim streitgegenständlichen Arzneimitteln – jeweils der Zusatz „Ibuprofen“ ergänzt wird. Sie hat in der Berufungsverhandlung erklärt, mit Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Produkts unter der neuen Bezeichnung die alten Produkte nur noch mit einer geänderten, um „Ibuprofen“ ergänzten Bezeichnung in den Verkehr bringen zu wollen. Enthalten aber alle Produkte der Dachmarke „B. “ den entsprechenden Wirkstoffzusatz in der Bezeichnung, wird – den hier allein bestehenden – Irreführungs- und Verwechslungsgefahren in Bezug auf den Wirkstoff hinreichend vorgebeugt.
89So auch Schraitle, in: Fuhrmann/ Klein/ Fleischfresser (Hrsg.), a. a. O., § 6 Rn. 76.
90Der Verbraucher wird dann bei gleicher Hauptbezeichnung keine Wirkstoffidentität erwarten. Dies hat auch das BfArM in der Berufungsverhandlung eingeräumt. Dass dann für eine Übergangszeit noch Arzneimittel mit der bisherigen Bezeichnung im Verkehr sind, ist angesichts der übrigen hier angeführten Umstände hinnehmbar. Anders als in den von § 105 Abs. 3a Satz 3 AMG und Ziffer 2.2.2 der Leitlinie des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts vom 20. März 2013 erfassten Fällen der Übertragung bzw. Weiterverwendung einer Bezeichnung für ein anderes Arzneimittel mit einem anderen Wirkstoff, für die eine Wartezeit von fünf Jahren vorgesehen ist, unterscheiden sich die markteingeführten „B. “-Produkte und „B. Naproxen“ durch den Wirkstoffzusatz.
91cc. Selbst wenn man aber annähme, ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher assoziiere mit „B. “ die markteingeführten Produkte, gehe also aufgrund der Hauptbezeichnung davon aus, „B. Naproxen“ enthalte den gleichen Wirkstoff, ergänzt um Naproxen, rechtfertigte diese Fehlvorstellung bei verfassungskonformer Auslegung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG nicht die Ablehnung der Bezeichnungsänderung.
92§ 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG dient der Arzneimittelsicherheit, dem in § 1 AMG verankerten zentralen Ziel des Arzneimittelgesetzes, und, das zeigen die Regelbeispiele in 3 8 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) bis c) AMG, dem Schutz des Verbrauchers vor Täuschungen über die Wirksamkeit und Qualität von Arzneimitteln. Die Bestimmung beschränkt die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit des pharmazeutischen Unternehmers, die auch eine Wahlfreiheit bei Bezeichnungen und Marketingstrategien einschließt. Die Beschränkung ist in ihrer abstrakt-generellen Form zum Schutz vor gesundheitlichen Gefahren gerechtfertigt.
93Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12. August 2009 ‑ 13 A 2147/06 -, juris, Rn. 71 ff., und vom 17. Juni 2013 - 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 29; Kösling, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, § 10 Rn. 76; Nickel, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O. § 8 Rn. 18.
94Aus der hohen Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit resultiert ein besonderes Schutzbedürfnis des Verbrauchers. Werbemaßnahmen für die Gesundheit gelten als besonders wirksam. Mit irreführenden Angaben können Gefahren für die Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung insgesamt verbunden sein. Einschränkungen der grundrechtlich geschützten Individualinteressen des pharmazeutischen Unternehmers an der freien Wahl der Arzneimittelbezeichnung sind aber im Einzelfall nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt, wenn eine Bezeichnungsänderung nicht die Gefahr irrtümlicher Arzneimittelanwendungen birgt. So liegt der Fall hier. Nach den obigen Ausführungen ist nicht davon auszugehen, dass die Verwechslung der Arzneimittel – unterstellt, es käme überhaupt dazu – Gesundheitsgefahren begründet, da sie bei gleicher Indikation in gleicher Weise wirken und das Nebenwirkungsprofil sich nicht unterscheidet.
95Hiervon ausgehend steht § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG nicht per se dem unternehmerischen Bemühen entgegen, das positive Image einer Marke auf weitere Arzneimittel zu transferieren bzw. eine solche Dachmarke auf- und auszubauen. Eine Beschränkung der Bezeichnungsfreiheit ist hier auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Eigenschaften von „B. Naproxen“ falsch oder übertrieben dargestellt würden (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) bis c) AMG) und die Klägerin zu Unrecht die Wertschätzung der Marke „B. “ ausnutzen wollte. Die von der Beklagte angeführte Annahme, der Verbraucher verbinde mit „B. “ die Vorstellung einer Arzneimittelwirkung dergestalt, dass es sich um ein der Behandlung von Schmerzen dienendes Arzneimittel derselben Qualität und Güte wie die ihm bekannten markteingeführten Arzneimittel handele, ist aus den oben ausgeführten Gründen nicht falsch. Wird dem streitgegenständlichen Arzneimittel zutreffend eine therapeutische Wirksamkeit „wie bei B. “ beigemessen, findet damit keine Ruf-Ausbeutung statt, zumal „B. Naproxen“ kein neues Arzneimitteil, sondern ein seit 1998 zugelassenes und nur unter einer anderen Bezeichnung vertriebenes Produkt ist.
96Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
97Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
98Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.
Gründe
- 1
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Die Klägerin ist Inhaberin der Zulassung für das Arzneimittel "Aleve" mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil Naproxen. Die angezeigte Änderung der Arzneimittelbezeichnung in "Aktren Naproxen" hielt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für unzulässig, weil die Bezeichnung bei den Verbrauchern die Fehlvorstellung hervorrufen könne, das Präparat enthalte den Wirkstoff Ibuprofen; denn unter der (Dach-)Marke "Aktren" vertreibe die Klägerin mehrere Monoarzneimittel ("Aktren", "Aktren forte", "Aktren mobil" und "Aktren spezial") mit diesem Wirkstoff.
- 2
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Verpflichtung der Beklagten, im Zulassungsbescheid die gewünschte Bezeichnungsänderung vorzunehmen, abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil geändert und dem Begehren stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Bezeichnungsänderung verstoße nicht gegen das Verbot gleicher Bezeichnung von Arzneimitteln nach § 25 Abs. 3 Satz 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Unter dem Namen "Aktren Naproxen" sei kein anderes Arzneimittel im Verkehr. Dass unter der Hauptbezeichnung "Aktren" weitere Arzneimittel zugelassen seien, erfülle den Tatbestand der Bezeichnungsgleichheit nicht. Die streitige Namensänderung sei auch mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG vereinbar. Bei Würdigung aller Umstände des Falls sei die Bezeichnung "Aktren Naproxen" nicht irreführend, weil sie keine unzutreffenden Verbrauchererwartungen über wesentliche Merkmale des Arzneimittels wecke. In den Anwendungsgebieten unterscheide sich das Präparat nicht von den markteingeführten "Aktren"-Produkten. Zudem gehörten Ibuprofen und Naproxen zur gleichen Wirkstoffgruppe und der Wirkmechanismus sei identisch. Das Nebenwirkungsprofil weise ebenfalls keine erheblichen Unterschiede auf. Eine Irreführung liege auch nicht im Hinblick auf das (Nicht-)Vorhandensein des Wirkstoffes Ibuprofen vor; denn es sei nicht davon auszugehen, dass der Durchschnittsverbraucher mit dem Phantasienamen "Aktren" einen bestimmten Wirkstoff verbinde. Außerdem sei durch den Zusatz "Naproxen" eine hinreichende Unterscheidung zu den anderen Produktbezeichnungen der Dachmarke gewährleistet.
- 3
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Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf, noch liegen die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensmängel vor.
- 4
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1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Klärungsbedürftige Rechtsfragen dieser Art legt die Beschwerde nicht dar.
- 5
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a) Die von der Beklagten aufgeworfene Frage,
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ob eine "gleiche Bezeichnung" im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG vorliegt, wenn Arzneimittelbezeichnungen eine identische Hauptbezeichnung verwenden und sich im Übrigen nur durch Bezeichnungszusätze unterscheiden,
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rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Beklagte sieht den geltend gemachten Klärungsbedarf mit Blick auf sog. Dachmarken-Bezeichnungen, also einer Bezeichnung als Hauptbestandteil eines Arzneimittelnamens, die für verschiedene Produkte verwendet wird und dabei durch unterschiedliche Bezeichnungszusätze ergänzt wird. Danach bedarf die Beantwortung der Frage nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil sie durch Auslegung des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG anhand der anerkannten Auslegungskriterien ohne weiteres zu verneinen ist (BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 2003 - 3 B 167.02 - juris Rn. 3 und vom 6. Juni 2014 - 3 B 58.13 - juris Rn. 5).
- 6
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Das Oberverwaltungsgericht ist mittels grammatikalischer, systematischer, entstehungsgeschichtlicher und teleologischer Auslegung zutreffend zu dem Schluss gelangt, dass der Begriff der gleichen Bezeichnung in § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG auf die vollständige Bezeichnung eines Arzneimittels abhebt und deshalb eine bloße Teilidentität der Bezeichnung nicht genügt, um die Voraussetzung der Bezeichnungsgleichheit zu erfüllen. Für dieses Verständnis sprechen insbesondere der Wortlaut der Norm, der nicht zwischen einer Hauptbezeichnung und sonstigen Namensbestandteilen unterscheidet, sowie der Gebrauch des Begriffs "Bezeichnung des Arzneimittels" in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a und § 22 Abs. 1 Nr. 2 AMG, wo gleichfalls auf die Gesamtbezeichnung abgestellt wird. Auch aus dem Zweck des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG, zur Übersichtlichkeit über die im Verkehr befindlichen Arzneimittel beizutragen und im Interesse der Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten, dass der Verbraucher namensgleiche, aber nach Art oder Menge der Wirkstoffe unterschiedlich zusammengesetzte Arzneimittel nicht verwechselt (vgl. BT-Drs. 7/3060 S. 50 f. und BT-Drs. 10/5112 S. 18), lässt sich nichts für eine andere Auslegung ableiten. Verwechslungs- und Irreführungsgefahren, die sich im konkreten Einzelfall aus einer Teilidentität oder sonstigen Ähnlichkeit von Bezeichnungen ergeben können, werden durch das Verbot irreführender Bezeichnungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG wirksam verhindert.
- 7
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b) Auch den beiden weiteren als klärungsbedürftig bezeichneten Fragen,
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ob die Erstreckung einer bereits im Verkehr verwendeten Arzneimittel(haupt-)bezeichnung als künftige "Dachmarke" auf ein weiteres, wirkstoffverschieden zusammengesetztes Arzneimittel irreführend im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG ist,
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und
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ob mit der Nennung eines Wirkstoffes (vorliegend: Naproxen) hinter einer bereits markteingeführten wirkstoffassoziierten Arzneimittel(haupt-)bezeichnung bei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher die Vorstellung hervorgerufen wird, dass in dem Arzneimittel ein weiterer Wirkstoff enthalten ist, so dass bei Fehlen dieses ergänzenden zusätzlichen Wirkstoffes eine Irreführungsgefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG anzunehmen ist,
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kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Ob die Bezeichnung eines Arzneimittels geeignet ist, bei dem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher Fehlvorstellungen über die Qualität, die therapeutische Wirksamkeit, die Wirkungen, die Wirkstoffe, die Unbedenklichkeit oder sonstige wesentliche Merkmale des Arzneimittels zu wecken und deshalb als irreführend im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG anzusehen ist, beurteilt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalles und ist daher einer fallübergreifenden Klärung entzogen. Das gilt auch hinsichtlich der Verwendung einer sog. Dachmarke als Hauptbestandteil einer Arzneimittelbezeichnung.
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Hier ist das Oberverwaltungsgericht im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu der - eingehend begründeten - Einschätzung gelangt, dass die Bezeichnung "Aktren Naproxen" bei dem Durchschnittsverbraucher keine Fehlvorstellungen hinsichtlich der therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels hervorruft und auch in Bezug auf das Nebenwirkungsprofil sowie die besonderen Anwendungsbeschränkungen und -hinweise für Kinder keine Irreführungs- oder Verwechslungsgefahren bestehen (UA S. 20 ff.). Zudem hat es festgestellt, dass der aufgeklärte, durchschnittlich informierte Verbraucher mit dem Phantasienamen "Aktren" keinen bestimmten Wirkstoff verbinde und deshalb auch nicht der Fehlvorstellung unterliege, das streitige Arzneimittel enthalte den Wirkstoff Ibuprofen (UA S. 23 ff.). Zur Begründung hat das Berufungsgericht auf die Marktverhältnisse im Segment der Schmerzmedikation mit nichtsteroidalen Antiphlogistika verwiesen und zugrunde gelegt, dass zahlreiche Produkte mit dem Wirkstoff Ibuprofen im Verkehr seien, diesen teilweise auch im Namen führten und "Aktren" daher nicht aufgrund einer Alleinstellung mit Ibuprofen assoziiert werde. Des Weiteren hat es angenommen, dass der Verbraucher in diesem Marktbereich unter einer Dachmarke nicht stets Arzneimittel mit einer identischen Zusammensetzung erwarte, weil das BfArM in der Vergangenheit wiederholt Dachmarkenbezeichnungen für Arzneimittel mit verschiedenen Wirkstoffen zugelassen habe. Ferner hat es sich darauf gestützt, dass die im Verfahren vorgelegten Verkaufszahlen und Marktanteile der unter der Dachmarke "Aktren" vertriebenen Produkte auf einen vergleichsweise geringen Bekanntheitsgrad schließen ließen.
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Die Beklagte hält diese Bewertung für falsch und meint, dass das Oberverwaltungsgericht von einer unzutreffenden Verbrauchervorstellung ausgegangen sei. Mit dieser Kritik an der Tatsachenwürdigung im Einzelfall legt sie aber keinen grundsätzlichen, über die konkrete Rechtssache hinausweisenden Klärungsbedarf dar. Die zweite in diesem Zusammenhang gestellte Frage ist überdies auch nicht entscheidungserheblich, weil sie mit dem Merkmal einer "bereits markteingeführten wirkstoffassoziierten Arzneimittel(haupt-)bezeichnung" von einem Sachverhalt ausgeht, der in Widerspruch steht zu den für das Revisionsgericht nach Maßgabe von § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen der Vorinstanz.
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c) Schließlich führt auch die Frage,
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ob die Annahme einer Irreführungsgefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG voraussetzt, dass durch eine etwaige Verwechslung Gesundheitsgefahren begründet werden, und eine Irreführungsgefahr daher von vornherein für solche Arzneimittel ausgeschlossen ist, die bei gleicher Indikation zwar nicht in gleicher, aber doch in ähnlicher Weise wirken und sich im Nebenwirkungsprofil nicht erheblich unterscheiden,
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nicht zur Zulassung der Revision. Die Beklagte stützt sich insoweit auf die Ausführungen auf S. 26 ff. des Urteilsabdrucks (unter cc), die damit einleiten: "Selbst wenn man aber annähme, ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher assoziiere mit 'Aktren' die markteingeführten Produkte, gehe also aufgrund der Hauptbezeichnung davon aus, 'Aktren Naproxen' enthalte den gleichen Wirkstoff, ...". Danach fehlt der Frage die Klärungsbedürftigkeit, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Das Oberverwaltungsgericht hat eine irreführende Bezeichnung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG mit der selbstständig tragenden Begründung verneint, der Durchschnittsverbraucher assoziiere mit der Bezeichnung "Aktren" nicht den Wirkstoff Ibuprofen und unterliege daher nicht der Fehlvorstellung, dass es sich bei einem Arzneimittel mit der Bezeichnung "Aktren Naproxen" um ein ibuprofenhaltiges Präparat handele (UA S. 23 ff.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann bei einer solchen Mehrfachbegründung die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. April 1985 - 3 B 26.85 - Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 53 S. 93 f. und vom 27. Januar 2014 - 3 B 24.13 - ZOV 2014, 56; jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Die Beschwerde wendet sich nicht mit durchgreifenden Rügen gegen die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Durchschnittsverbraucher verbinde mit der Hauptbezeichnung "Aktren" keinen bestimmten Wirkstoff. Das gilt - wie nachfolgend dargelegt - auch für die Verfahrensrüge.
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2. Der geltend gemachte Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat mit seiner Sachverhaltswürdigung weder die gesetzlichen Beweisregeln verletzt noch gegen Denkgesetze verstoßen.
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a) Die Beklagte sieht in der Annahme des Berufungsgerichts, das Bestehen einer Irreführungsgefahr hänge unter anderem vom Bekanntheitsgrad der Dachmarke ab (UA S. 23 f.), einen Widerspruch zu der Feststellung, für die Wahrnehmung der Dachmarkenbezeichnung durch den Verbraucher sei unerheblich, wie bekannt die Marke sei (UA S. 18). Der vermeintliche Widerspruch besteht nicht. Das Beschwerdevorbringen geht daran vorbei, dass der jeweilige Kontext verschieden ist. Die Ausführungen auf Seite 18 heben auf die Vorstellung des Verbrauchers ab, die er im Fall von zusammengesetzten Bezeichnungen mit dem Hauptbestandteil verbinde. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass der Verbraucher der vorangestellten Hauptbezeichnung (Dachmarke) eine besondere Bedeutung beimessen werde und der wirkstoffbezogene Zusatz dahinter zurücktrete. Sodann hat es festgestellt, dass hierfür - also für die sprachliche Bedeutung und die entsprechende Wahrnehmbarkeit des Hauptbestandteils - die Bekanntheit der Dachmarke unerheblich sei. Demgegenüber stellen die Erwägungen auf Seite 23 f. darauf ab, dass die Gefahr einer Fehlvorstellung des Verbrauchers über das Vorhandensein eines bestimmten Wirkstoffes umso geringer sei, je weniger bekannt die Dachmarke sei.
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b) Die weitere Rüge, das Berufungsgericht habe bei der Prüfung des Merkmals der irreführenden Bezeichnung gegen Denkgesetze verstoßen, weil es seiner Würdigung eine zukünftige, ungewisse Tatsache zugrunde gelegt habe, hat gleichfalls keinen Erfolg. Sie bezieht sich auf die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass einer wirkstoffbezogenen Irreführungs- und Verwechslungsgefahr hinreichend vorgebeugt werde, wenn - wie die Klägerin in der Berufungsverhandlung angekündigt habe - zeitgleich mit dem Inverkehrbringen des streitigen Arzneimittels unter der neuen Bezeichnung "Aktren Naproxen" für die markteingeführten Produkte der Dachmarke ebenfalls eine geänderte, um den Zusatz "Ibuprofen" ergänzte Bezeichnung verwendet werde. Dass es sich bei der beabsichtigten Umbenennung der markteingeführten "Aktren"-Produkte um eine zukünftige Verfahrensweise handelt, macht die Erwägung des Berufungsgerichts nicht denkfehlerhaft; denn es hat auf ein gleichzeitiges Inverkehrbringen der Produkte unter den neuen Bezeichnungen abgestellt und damit für die Prüfung der Irreführungsgefahr einheitlich an einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt angeknüpft. Ein Verstoß gegen Denkgesetze ergibt sich auch nicht aus dem Einwand, es handele sich bei der angekündigten Umbenennung um eine ungewisse Tatsache. Das Berufungsgericht hat der Äußerung der Klägerin entnommen, dass sie die Umbenennung "anstrebt" (UA S. 26), und damit zum Ausdruck gebracht, dass es die Absichtserklärung als ernsthaft einstuft.
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Abgesehen davon rechtfertigt der behauptete Verfahrensmangel die Zulassung der Revision auch deshalb nicht, weil das angegriffene Urteil auf ihm nicht beruhen kann. Die Ausführungen zur Umbenennung der markteingeführten "Aktren"-Produkte stellen lediglich eine zusätzliche, ergänzende Begründung dar ("Im Übrigen ...").
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
(1) Es ist verboten, Arzneimittel oder Wirkstoffe herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die
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durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert sind oder - 1a.
(weggefallen) - 2.
mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung versehen sind. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn - a)
Arzneimitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen oder Wirkstoffen eine Aktivität beigelegt werden, die sie nicht haben, - b)
fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann oder dass nach bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten, - c)
zur Täuschung über die Qualität geeignete Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen verwendet werden, die für die Bewertung des Arzneimittels oder Wirkstoffs mitbestimmend sind.
(2) Es ist verboten, gefälschte Arzneimittel oder gefälschte Wirkstoffe herzustellen, in den Verkehr zu bringen oder sonst mit ihnen Handel zu treiben.
(3) Es ist verboten, Arzneimittel, deren Verfalldatum abgelaufen ist, in den Verkehr zu bringen.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. April 2013 geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 8. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2011 verpflichtet, die Arzneimittelbezeichnung im Zulassungsbescheid vom 16. Juni 1998 (Zulassungs-Nr. 38459.00.00) von „B1. " in „B. Naproxen" zu ändern.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand:
2Die Klägerin ist Inhaberin der mit Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 16. Juni 1998 erteilten Zulassung für das apothekenpflichtige Fertigarzneimittel „B1. " (Zulassungs-Nr. …). Das schmerzstillende, fiebersenkende und entzündungshemmende Antiphlogistikum/Analgetikum ist für die Anwendungsgebiete „leichte bis mäßig starke Schmerzen“ und „Fieber" zugelassen. Wirkstoff ist „Naproxen-Natrium", 220 mg je Filmtablette.
3Mit am 14. Juni 2010 eingegangener Änderungsanzeige vom 11. Juni 2010 zeigte die Klägerin die Änderung der Arzneimittelbezeichnung von „B1. " in „B. Naproxen" an. Monoarzneimittel mit dem Bezeichnungsbestandteil „B. " sind nach ihren Angaben seit 1989 auf dem Markt, derzeit in Deutschland, Österreich und Polen. Sie enthalten jeweils den Wirkstoff Ibuprofen und sind zur symptomatischen Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen wie Kopf-, Zahn- oder Regelschmerzen sowie bei Fieber zugelassen („B. ", „B. forte", „B. mobil"; „B. spezial" auch zur Behandlung akuter Kopfschmerzen bei Migräne mit und ohne Aura). Eine Umsetzung der Bezeichnungsänderung ist durch die Klägerin bislang nicht erfolgt.
4Mit Schreiben vom 26. Juli 2010 teilte das BfArM der Klägerin mit, es halte die Änderung für unzulässig, und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Bezeichnung verstoße gegen das Irreführungsverbot des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG, da sie geeignet sei, bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise Fehlvorstellungen über wesentliche Eigenschaften des Präparats zu wecken. Mit Blick auf die Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und die hohe Werbewirkung gesundheitsbezogener Aussagen seien an den Ausschluss einer Irreführung hohe Maßstäbe anzulegen. Die Bezeichnung „B. " betreffe eine für mehrere Monoarzneimittel verwendete Marke, die der Verbraucher mit dem Wirkstoff „Ibuprofen" in Verbindung bringe. Dieser Verbrauchererwartung werde nicht entsprochen, wenn „B1. " zukünftig als „B. Naproxen" erhältlich sei. Für einen Teil der Verbraucher sei anzunehmen, dass sie den Zusatz „Naproxen" ignorierten oder nicht als Hinweis auf einen Wirkstoff wahrnähmen und „B. Naproxen" in der Erwartung kauften, das Präparat enthalte weiterhin Ibuprofen. Zudem sei die Vorstellung möglich, dass „B. Naproxen" neben Naproxen auch Ibuprofen enthalte. Mit dem Versuch, das in Bezug auf die Marke „B. " bestehende Verbrauchervertrauen auf das Arzneimittel zu übertragen, betreibe die Klägerin eine „positive Rufausbeutung", die mit dem Irreführungsverbot nicht vereinbar sei. Die Bezeichnungsänderung verstoße auch gegen den in § 25 Abs. 3 AMG enthaltenen Rechtsgedanken, der als Konkretisierung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG zu sehen sei. Denn es werde gegen die gängige Verbrauchererwartung verstoßen, dass unter einer bestimmten Arzneimittelbezeichnung nur ein Wirkstoff oder eine fixe Wirkstoffkombination vermarktet werde. Mit Schreiben vom 17. August 2010 vertrat die Klägerin die Auffassung, dass sich die Bezeichnung „B. Naproxen" deutlich genug von anderen unterscheide. Zudem verwies sie auf die Wirkstoffangaben auf der Faltschachtel und im Beipackzettel.
5Durch Bescheid vom 8. September 2010 stellte das BfArM fest, dass das Arzneimittel nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG irreführend bezeichnet sei, und wiederholte die Begründung des Anhörungsschreibens. Eine Änderung des Zulassungsbescheids nach § 29 Abs. 2 AMG bzw. der Zulassungsunterlagen gemäß § 22 AMG werde nicht vorgenommen. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies das BfArM durch Widerspruchsbescheid vom 16. März 2011 zurück.
6Die Klägerin hat am 8. April 2011 beim Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Die getroffene Feststellung sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Grundrechten auf Meinungs- und Berufsfreiheit sowie in ihrem Eigentumsrecht. Im Bereich nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR) gebe es bereits zahlreiche Dachmarken vergleichbarer
7Art, bei denen unter einer Hauptbezeichnung verschiedene Wirkstoffe vermarktet würden (z. B. „E. ®" oder „O. ®"). Auf dem deutschen Markt existiere eine sehr große Anzahl Ibuprofen-haltiger Arzneimittel, die entweder Phantasie-Bezeichnungen oder die Wirkstoffbezeichnung trügen. Ein Verstoß gegen § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG sei schon deshalb nicht gegeben, weil kein anderes Arzneimittel mit der vollständig identischen Bezeichnung „B. Naproxen" auf dem Markt sei und deshalb keine Verwechselungsgefahr bestehe. „B. " sei jedenfalls keine überragende Hauptbezeichnung und erzeuge keine Assoziation zu einem bestimmten Wirkstoff. Vielmehr handele es sich um eine Phantasiebezeichnung, der die Fachsprache keinen bestimmten Wortsinn zuordne und die auch umgangssprachlich weder mit dem Bedeutungsgehalt „ibuprofenhaltiges Präparat" aufgeladen noch mit einem bestimmten Wirkkonzept verknüpft sei. Dessen ungeachtet sei das Wirkkonzept ibuprofenhaltiger und naproxenhaltiger Arzneimittel (Blockade der Cyclooxygenase, dadurch Hemmung der Prostaglandinsynthese) nahezu identisch. Überdies sei die nichtssagende Phantasiebezeichnung „B. " mit der konkreten und ungekürzten Bezeichnung des Wirkstoffs „Naproxen" verbunden, dem starke Assoziationskraft zukomme. Auch finde keine „positive Rufausbeutung" statt, weil die Bezeichnung „B. Naproxen" nicht Ibuprofen suggeriere und auch das Wirkkonzept vergleichbar sei. Zudem weiche § 25 Abs. 3 AMG unzulässigerweise in einem vollharmonisierten Bereich von der Richtlinie 2001/83/EG ab, die kein pauschales Verbot gleicher Arzneimittelbezeichnungen kenne. Eine lrreführung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG finde nicht statt. Der Bezeichnungsbestandteil „B. " sei schon von vornherein nicht geeignet, Fehlvorstellungen des Verbrauchers in Bezug auf die Wirkstoffzusammensetzung zu wecken. Der Zusatz „Naproxen" sei gerade zutreffend und schließe eine sprachliche Verwechslung mit anderen B. -Produkten aus.
8Die Klägerin hat beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 8. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2011 zu verpflichten, die Arzneimittelbezeichnung im Zulassungsbescheid vom 16. Juni 1998 (Zulassungs-Nr. 38459.00.00) von „B1. " in „B. ® Naproxen" zu ändern.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung hat sie ausgeführt: Der Bezeichnungsänderung stehe § 25 Abs. 3 AMG entgegen. Die amtliche Begründung zu § 25 Abs. 3 AMG stelle klar, dass die Norm zur Übersichtlichkeit der im Verkehr befindlichen Arzneimittel beitragen solle, indem sie verhindere, dass Arzneimittel in den Verkehr gebracht würden, die bei gleicher Bezeichnung unterschiedliche Zusammensetzungen aufwiesen. Hieraus sei der Grundsatz ableitbar, dass Arzneimittel unter gleicher Bezeichnung nur zuzulassen seien, wenn ihre Wirkstoffzusammensetzung identisch sei. Dies gelte auch für Bezeichnungen, die aus einer Hauptbezeichnung und einem Zusatz bestünden. Andernfalls liefe die Vorschrift praktisch leer, da schon jeder noch so geringfügige Zusatz zu einer Hauptbezeichnung zur Folge habe, dass keine gleiche Bezeichnung vorläge. § 25 Abs. 3 AMG sei auch europarechtskonform, da sich die Norm auf Art. 1 Abs. 20 und das allgemeine Irreführungsverbot des Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG zurückführen lasse.
13Die gewählte Bezeichnung sei auch irreführend im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG. Der durchschnittliche Verbraucher vertraue darauf, dass Arzneimittel einer Serie, die unter der gleichen Hauptbezeichnung mit unterschiedlichen Bezeichnungszusätzen in den Verkehr gebracht würden, den gleichen Wirkstoff enthielten. Er verbinde mit der Hauptbezeichnung „B. " zumindest ein Schmerzmittel derselben Qualität und Güte wie die bekannten Arzneimittel der Marke „B. ". Ibuprofen und Naproxen-Natrium seien aber durchaus verschieden. Naproxen zeige zum Bespiel deutlich weniger thrombozytenagglutinierende Eigenschaften als Ibuprofen, was für Patienten mit koronaren Vorerkrankungen oder Risikofaktoren von Bedeutung sei. Naproxen habe demgegenüber einen ausgeprägteren schädigenden Effekt auf den Magen-Darm-Trakt. Unzutreffend sei, dass der Verbraucher mit einer Phantasiebezeichnung wie „B. " gar keine Vorstellung verbinde. Wie bei jedem anderen Arzneimittel gehe er zumindest davon aus, dass auch das Basispräparat „B. " einen bestimmten Wirkstoff enthalte. Mit der Bezeichnungsänderung werde der für „B. " aufgebaute gute Ruf für einen gänzlich anderen Wirkstoff ausgebeutet und eine Kontinuität und Verbindung zu den übrigen B. -Präparaten vorgespiegelt. Die Fehlvorstellung werde auch nicht durch den Zusatz „Naproxen" beseitigt; im Gegenteil werde die falsche Erwartungshaltung hervorgerufen, das Arzneimittel enthalte neben Ibuprofen zusätzlich noch Naproxen. Auch komme es nicht darauf an, ob die Hauptbezeichnung eine überragende Marktpräsenz oder eine bestimmte Berühmtheit besitze. Maßgeblich sei, ob sie die anderen Bezeichnungsbestandteile überrage. Unbeachtlich sei der Umstand, dass sich die Verwaltungspraxis des BfArM in der Vergangenheit möglicherweise anders dargestellt habe. Das BfArM prüfe diese Fälle und werde gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen einleiten.
14Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 9. April 2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf seine Entscheidung vom 12. April 2011 - 7 K 4284/09 („Fenistil“) - Bezug genommen und weiter ausgeführt: Die von der Klägerin gewählte Bezeichnung „B. Naproxen" sei mit § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG unvereinbar. Die Hauptbezeichnung „B. " sei eine seit Jahren markteingeführte Arzneimittelbezeichnung, die durchgehend Präparate mit dem Wirkstoff lbuprofen umfasse. Der wirkstoffbezogene Zusatz „Naproxen" trete hinter der Hauptbezeichnung deutlich zurück und präge die Arzneimittelbezeichnung nicht. Auf eine etwaige abweichende Verwaltungspraxis des BfArM in der Vergangenheit, insbesondere bei der Nachzulassung fiktiv zugelassener Alt-Arzneimittel, könne sich die Klägerin nicht berufen, weil sich die hier relevanten Fragen auf der Ebene der Tatbestandsauslegung zwingender Rechtsvorschriften, nicht aber im Bereich der Ermessensausübung stellten. § 25 Abs. 3 AMG sei europarechtskonform, weil es bei Arzneimitteln an einer unionsweiten Harmonisierung des Bezeichnungsrechts im Sinne einer weitgehenden Liberalisierung fehle.
15Die Bezeichnung „B. Naproxen" sei auch mit § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG unvereinbar, weil sie den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher irreführe. Mit der neuen Bezeichnung solle das für die Marke „B. " begründete Markenimage auf ein anderes Produkt übertragen werden. Im Gegensatz zum imagebegründenden „B. " enthalte das „neue" Produkt jedoch einen anderen Wirkstoff. Es könne nicht unterstellt werden, dass sich dem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher der Unterschied zwischen Ibuprofen und Naproxen ohne weiteres erschließe. Dies gelte auch mit Blick darauf, dass die übrigen B. -Produkte keinen wirkstoffbezogen Zusatz trügen und Naproxen als Kurzbezeichnung des zugelassenen Wirkstoffs Naproxen-Natrium im Gegensatz zu Ibuprofen nur wenigen Patienten geläufig sein dürfte. Damit könne der Zusatz der Funktion, Verwechselungen vorzubeugen, nicht gerecht werden. Ferner werde mit der Nennung eines Wirkstoffs neben einer Hauptbezeichnung regelmäßig die Vorstellung verbunden, in dem Arzneimittel sei ein zusätzlicher Wirkstoff enthalten. Dass die Präparate nah verwandte Anwendungsgebiete aufwiesen, rechtfertige keine andere Betrachtung. Anders als in früheren Jahrzehnten sei vielen Patienten, auch durch die zur Kostendämpfung geförderten generischen Arzneimittel, ein Denken in Wirkstoffkategorien durchaus nicht fremd. Zwar werde kaum ein Verbraucher wissen, was genau sich hinter Ibuprofen oder Naproxen verberge. Es könne aber unterstellt werden, dass der durchschnittlich informierte Verbraucher, der „B. " einmal angewendet habe, diese Bezeichnung mit dem bekannten Wirkstoff Ibuprofen in Verbindung bringe. Eine klare Trennung beider Wirkstoffe auch auf der Bezeichnungsebene sei umso mehr geboten, als sie hinsichtlich ihres Risikoprofils nicht deckungsgleich seien, wie die Beklagte nachvollziehbar ausgeführt habe.
16Mit der dagegen rechtzeitig eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend: Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass § 25 Abs. 3 AMG auch identische Teilbezeichnungen unabhängig von einer konkreten Verwechslungs- oder Irreführungsgefahr verbiete. Ein solches Verständnis überdehne die Vorschrift und sei gemeinschaftsrechtswidrig, die Sache sei daher dem EuGH vorzulegen. Eine Bezeichnung sei nur dann gleich im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie vollständig übereinstimme. Es fehle auch an einer Irreführung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG, die anhand der konkreten Einzelfallumstände zu ermitteln sei. Der Bezeichnungsbestandteil „B. “ führe weder zu Fehlvorstellungen hinsichtlich des Wirkstoffs noch zu Fehlvorstellungen hinsichtlich der Indikation, der therapeutischen Wirkung oder der Nebenwirkungen des Arzneimittels. Der Verbraucher assoziiere mit „B. “ keinen Wirkstoff, sondern den Anwendungsbereich „Schmerzbehandlung“. Anwendungsgebiete und therapeutische Wirksamkeit von Ibuprofen und Naproxen seien gleich oder wenigstens hinreichend ähnlich. Beide seien Propionsäure-Derivate und erzielten ihre therapeutische Wirkung über die Hemmung der Prostaglandinsynthese. Auch das Risikoprofil sei ausweislich der fast wortgleichen, vom BfArM zugelassenen Gebrauchsinformationen bzw. des 2013 herausgebrachten Mustertextes für Naproxen nahezu identisch; insbesondere fänden sich dort keine Hinweise auf signifikante Unterschiede im Bereich der Gerinnung/Thrombozytenagglutination oder auf einen ausgeprägteren schädigenden Effekt von Naproxen auf den Magen-Darm-Trakt. Ein unterschiedliches Risiko für thrombotische und kardiovaskuläre Ereignisse sowie für gastrointestinale Nebenwirkungen sei nach Stellungnahmen der EMA nicht nachweisbar. Dachmarkenkonzepte seien im Bereich der zur Schmerzbehandlung eingesetzten NSAR-Arzneimittel beim Verbraucher zudem allgemein bekannt. Der Verbraucher sei es insoweit auch gewohnt, dass unter einer Dachmarke verschiedene Wirkstoffe zusammengefasst würden. Der Bezeichnungsbestandteil „Naproxen“ habe ausreichende Unterscheidungskraft, um Verwechslungen mit ibuprofenhaltigen Arzneimitteln zu vermeiden. Solche Wirkstoffbezeichnungen als Bestandteil eines Arzneimittelnamens seien dem Verbraucher von den Generika bekannt. Schließlich verkenne das Verwaltungsgericht die Möglichkeit einer Auflage als milderes Mittel gegenüber der Versagung der Bezeichnungsänderung. Der Klägerin hätte – wie ohnehin beabsichtigt – durch Auflage aufgegeben werden können, die Bezeichnungen „B. “, „B. Forte“, „B. Spezial“ und „B. Mobil“ jeweils durch den Zusatz „Ibuprofen“ unmittelbar nach „B. “ zu ergänzen.
17Die Klägerin beantragt,
18das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. April 2013 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Zur Begründung trägt sie vor, mit § 25 Abs. 3 AMG sollten Risiken ausgeschlossen werden, die aus der Verwechslung eines Arzneimittels mit einem namensgleichen, aber unterschiedlich zusammengesetzten Arzneimittel entstehen könnten. § 25 Abs. 3 AMG sei deshalb dahingehend auszulegen, dass er eine identische Hauptbezeichnung bei unterschiedlichen Wirkstoffen verbiete. Eine Verwechslungsgefahr bestehe nicht nur bei vollständig identischer Bezeichnung. Die Bezeichnung sei auch im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG irreführend. Ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher gehe aufgrund der Hauptbezeichnung „B. “ davon aus, dass das Arzneimittel den Wirkstoff Ibuprofen enthalte und hinsichtlich seiner Wirkungen gleich oder zumindest ähnlich zu den übrigen B. -Präparaten sei. Eine vollständige Gleichheit von Ibuprofen und Naproxen sei aber nicht gegeben, weil sie hinsichtlich des Risikopotentials nicht deckungsgleich seien. Für die Nebenwirkung Herzinfarkt bestehe nach dem „Assessment report for Non-Steroidal Anti-Inflammatory Drugs and cardiovascular risk“ vom 18. Dezember 2012 der EMA ein deutlicher Unterschied zwischen Naproxen (0,82) und Ibuprofen (1,61), wobei Werte über 1 die Blutgerinnung förderten. Darüber hinaus seien die unterschiedlichen Dosierungen zu beachten. Wegen der unterschiedlichen Risiko-Profile berge eine Verwechslung der Wirkstoffe aus medizinischer Sicht Risiken. Ein zusätzliches Irreführungspotential liege darin, dass ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher der Arzneimittelbezeichnung „B. Naproxen“ entnehme, dass zusätzlich zum markteingeführten „B. “ ein weiterer Wirkstoff enthalten sei. Kenne der Verbraucher das Produkt „B. “ oder habe er es verwendet, erwarte er, dass es den Wirkstoff Ibuprofen enthalte. Andernfalls bestehe die konkrete Gefahr, dass der Verbraucher davon ausgehe, dass dem in „B. “ üblicherweise enthaltenen Wirkstoff, den er namentlich nicht kenne, der zusätzliche Wirkstoff Naproxen hinzugefügt sei. Eine Auflagenerteilung komme als milderes Mittel nicht in Betracht. Das BfArM sei zu einer Auflage, andere Arzneimittel – ohne vorherige Änderungsanzeige – umzubenennen, nicht ermächtigt.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
23Entscheidungsgründe
24Die Berufung, über die im Einverständnis der Beteiligten die Berichterstatterin entscheidet (§§ 125 Abs. 1, 87a Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet.
25Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Verpflichtungsklage zu Unrecht abgewiesen. Die Ablehnung der Änderung der Arzneimittelbezeichnung in dem Bescheid des BfArM vom 8. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass die Bezeichnung des Arzneimittels in dem Zulassungsbescheid vom 16. Juni 1998 von „B1. “ in „B. Naproxen“ geändert wird.
261. Nach § 29 Abs. 2 Satz 1 AMG ist bei einer Änderung der Bezeichnung des Arzneimittels der Zulassungsbescheid entsprechend zu ändern. Ein Anspruch des Inhabers der Zulassung auf diese Änderung besteht aber nur, wenn gesetzliche Vorschriften dem nicht entgegenstehen. Denn auch im Verfahren der Änderungsanzeige findet eine Überprüfung durch das BfArM statt. Die Arzneimittelbezeichnung ist wesentlicher Bestandteil der Zulassungsentscheidung. Der geänderte Zulassungsbescheid kann nur dann eine legale Zulassung aussprechen, wenn die Änderung mit den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes übereinstimmt. Dies setzt insbesondere voraus, dass keine Versagungsgründe nach § 25 Abs. 2 und 3 AMG vorliegen. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AMG schließt die Zulassung aus, wenn das Inverkehrbringen des Arzneimittels gegen gesetzliche Vorschriften verstößt.
27Vgl. OVG NRW, Urteile vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 42, und vom 23. Mai 2007 ‑ 13 A 3657/04 –, juris, Rn. 31; Kösling, in: Fuhrmann/Klein/ Fleischfresser (Hrsg.), Arzneimittelrecht, § 10 Rn. 70; s. auch BVerwG, Beschluss vom 27. März 2008 - 3 B 91/07 -, juris, Rn. 5;
28Hier stehen gesetzliche Vorschriften der Änderung nicht entgegen. Die begehrte Bezeichnung „B. Naproxen“ ist mit § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG (2.) und mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG (3.) vereinbar.
292. Ein Verstoß gegen das Verbot gleicher Bezeichnung liegt nicht vor. Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG ist die Zulassung für ein Arzneimittel zu versagen, das sich von einem zugelassenen oder bereits im Verkehr befindlichen Arzneimittel gleicher Bezeichnung in der Art oder der Menge der Wirkstoffe unterscheidet. Diese Anforderungen an Arzneimittelbezeichnungen gelten nach den vorstehenden Erwägungen auch im Rahmen des § 29 Abs. 2 Satz 1 AMG. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift liegen aber hier nicht vor.
30Die Bezeichnung „B. Naproxen“ wird nicht bereits für ein Arzneimittel mit anderen Wirkstoffen verwandt. Dass unter der gleichen Hauptbezeichnung „B. “, einer sogenannten Dachmarke, Arzneimittel zugelassen sind, rechtfertigt nicht die Annahme der unzulässigen Bezeichnungsgleichheit. Die – den Wirkstoff Ibuprofen enthaltenden – Arzneimittel heißen „B. ", „B. forte", „B. mobil" und „B. spezial".
31Eine gleiche Bezeichnung im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG ist die vollständig wortlautidentische Benennung des Arzneimittels, die als solche wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil der Zulassung ist. Bei zusammengesetzten Bezeichnungen liegt eine gleiche Bezeichnung damit nicht schon dann vor, wenn ‑ wie bei einer Dachmarke eine Identität der Hauptbezeichnung gegeben ist.
32So auch Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25 Rn. 88; Menges/ Winnands, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser (Hrsg.), Arzneimittelrecht, § 10 Rn. 288 ff.; vgl. in diese Richtung bereits OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, juris.
33Dachmarken sind nach der Definition des Markenverbands,
34vgl. B. 1. des Leitfadens für Dachmarken-Konzepte für Arzneimittel, Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetika, Medizinprodukte vom 8. Oktober 2002,
35Kennzeichen, die – ergänzt mit unterschiedlichen Bezeichnungszusätzen – gleichzeitig für unterschiedliche Produkte verwendet werden, die sich entweder in ihrer Zweckbestimmung oder in ihrer Zusammensetzung nach Art der Bestandteile voneinander unterscheiden.
36a. Dass die Bezeichnung im Sinne des § 25 Abs. 3 AMG die vollständige Bezeichnung eines Arzneimittels ist, folgt schon aus dem Wortlaut des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG, der nicht zwischen Hauptbezeichnung und ergänzenden Bezeichnungsbestandteilen differenziert. Der Gesetzgeber verwendet zudem einen Begriff, den er zwar in keiner zentralen Norm definiert, aber an zahlreichen Stellen des Arzneimittelgesetzes gebraucht. Die „Bezeichnung“ des Arzneimittels auf den Behältnissen und äußeren Umhüllungen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG), in der Packungsbeilage (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) AMG) und im Zulassungsantrag (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 AMG) meint selbstverständlich die vollständige Bezeichnung, die Gegenstand der Zulassung ist. Dieses Begriffsverständnis gilt – auch nach Auffassung der Beklagten – ebenso für die Frage, ob im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG eine irreführende Bezeichnung vorliegt. Nach der Bekanntmachung des Bundesgesundheitsamtes und des Paul-Ehrlich-Institutes über Hinweise und Empfehlungen zur Vermeidung von irreführenden Arzneimittelbezeichnungen vom 9./22. August 1991 (BAnz., S. 6971) ist die Arzneimittelbezeichnung die vollständige Bezeichnung eines Arzneimittels, die die Hauptbezeichnung sowie ggf. einen Bezeichnungszusatz enthält (Definition 2.1).Weiter heißt es dort, dass die Hauptbezeichnung bei verschiedenen Arzneimitteln einer Arzneimittelserie stets gleich sei (2.2) und mit dem Bezeichnungszusatz ein Unterschied zu anderen Arzneimitteln mit gleicher Hauptbezeichnung deutlich gemacht werden könne (2.3). Dieses Verständnis liegt auch der Leitlinie des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Bezeichnung von Arzneimitteln vom 20. März 2013 zugrunde. Danach ist die Bezeichnung der Name des Arzneimittels, der als Phantasiebezeichnung aus einem oder mehreren Wörtern (z.B. Bezeichnungszusätzen) bestehen kann (Ziffern I., II.2 und II.2.2). Dieses zwar nicht bindende, aber überzeugende Verständnis der Bezeichnung als vollständiger Bezeichnung steht auch im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben. Die „Bezeichnung“ im nationalen Recht entspricht dem „Namen“ des Arzneimittels im Sinne der Richtlinie 2001/83/EG (in der durch die Richtlinie 2004/27/EG geänderten Fassung).
37So auch Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 25 Rn. 87; Leitlinie des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Bezeichnung von Arzneimitteln, 20. März 2013, Ziffer I.
38Nach der Definition in Art. 1 Nr. 20 der Richtlinie 2001/83/EG ist Name des Arzneimittels der Name, der entweder ein nicht zu Verwechslungen mit dem gebräuchlichen Namen führender Phantasiename oder ein gebräuchlicher oder wissenschaftlicher Name in Verbindung mit einem Warenzeichen oder dem Namen des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen sein kann. Dieser Name ist – entsprechend dem nationalen Recht – im Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen zu nennen (Art. 8 Abs. 3 lit. b) und auf der äußeren Umhüllung bzw. Primärverpackung (Art. 54) sowie in der Packungsbeilage (Art. 59) anzugeben. Der Name ist danach auch im Unionsrecht der vollständige Name eines Arzneimittels.
39Dass im Rahmen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG der Begriff abweichend von den vorstehenden Ausführungen, insbesondere anders als im Rahmen des allgemeinen Irreführungsverbots des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG zu verstehen wäre, ist nicht ersichtlich. Es lässt sich auch nicht mit dem entstehungsgeschichtlich belegten Sinn und Zweck der Vorschrift begründen. § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG soll sicherstellen, dass der Verbraucher namensgleiche, aber unterschiedlich zusammengesetzte Arzneimittel nicht verwechselt, und damit die Arzneimittelsicherheit gewährleisten.
40Vgl. Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 25 Rn. 86; Menges/Winnands, in: Fuhrmann/ Klein/ Fleischfresser (Hrsg.), a. a. O. § 10 Rn. 284; Rehmann, Arzneimittelgesetz, 2. Auflage 2003, § 25 Rn. 14; Sander, Arzneimittelrecht, Erl. § 25 AMG, Anm. 12.
41Nach der Gesetzesbegründung soll § 25 Abs. 3 AMG zur Übersichtlichkeit über die im Verkehr befindlichen Arzneimittel beitragen, indem er verhindert, dass ein pharmazeutischer Unternehmer Arzneimittel in den Verkehr bringt, die die gleiche Bezeichnung haben, die jedoch eine unterschiedliche Zusammensetzung aufweisen (BT-Drs. 7/3060, S. 50). Ärzte, Apotheker und Verbraucher erwarteten unter einheitlicher Bezeichnung Arzneimittel, die aus den gleichen Wirkstoffen zusammengesetzt seien. Dem sei im Interesse der Arzneimittelsicherheit Rechnung zu tragen (BR-Drs. 596/85, S. 56 = BT-Drs. 10/5112, S. 18).
42Dieser Zweck des § 25 Abs. 3 AMG erfordert aber nicht die von der Beklagten befürwortete extensive Auslegung der Vorschrift. Verwechslungsgefahren, die sich aus der Teilidentität oder auch aus großer Ähnlichkeit von Bezeichnungen ergeben, sind bei der hier vertretenen Auslegung nicht hinzunehmen, sondern im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG aufgrund der konkreten Einzelfallumstände zu prüfen und ggf. zu verhindern.
43b. Schließlich folgt aus der Verwendung des Begriffs „gleiche“ statt „dieselbe“ Bezeichnung nichts anderes. Gemeint ist eine – vollständige – Identität der Bezeichnungen.
44Vgl. Kügel, Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 25 Rn. 88; Rehmann, a. a. O., § 25 Rn. 14.
45Der Gesetzgeber verwendet auch an anderer Stelle im Arzneimittelgesetz den Begriff „gleich“ und meint eine vollständige Übereinstimmung. So ist unstreitig, dass die Zulassung eines Generikums nach § 24b AMG die gänzlich identische Zusammensetzung der Wirkstoffe nach Art und Menge und dieselbe Darreichungsform voraussetzt, auch wenn der Gesetzgeber in § 24 b Abs. 2 Satz 1 AMG das Wort „gleiche“ benutzt. Ob ähnliche, d.h. sich gleichende oder teilidentische Bezeichnungen zulässig sind oder eine Verwechslungsgefahr bedeuten, beurteilt sich nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG aufgrund einer Prüfung im Einzelfall. § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG ist – in der Art eines abstrakten Gefährdungstatbestands – eine Konkretisierung dieses Irreführungsgebots,
46vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Mai 2007 - 13 A 3657/04 -, juris, Rn. 33.
47was im Übrigen ein weiteres Argument für ein gleichlaufendes Verständnis des Begriffs Bezeichnung in beiden Vorschriften und für die Verlagerung der Prüfung der konkreten Irreführungsgefahr in § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG ist.
48c. Liegen danach mangels vollständiger Bezeichnungsidentität die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG nicht vor, kann offenbleiben, ob Unionsrecht der Anwendung dieser Vorschrift entgegensteht, weil dort kein entsprechender Versagungstatbestand existiert. Allerdings lässt sich der Richtlinie 2001/83/EG, insbesondere Art. 1 Nr. 20, Art. 59 Abs. 1 Satz 1 a) i), Art. 62 Halbsatz 2 sowie Art. 87 Abs. 3, das Verbot von irreführenden Bezeichnungen entnehmen.
49Vgl. dazu OVG NRW, Urteile vom 23. Mai 2007 ‑ 13 A 3657/04 –, juris, Rn. 35, und vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 81; zur weiteren Anwendbarkeit nationaler Rechtsvorschriften auf bestimmte rein nationale Zulassungen siehe auch Art. 24a der Verordnung (EG) Nr. 1234/2008 (in der Fassung der Änderung vom 3. August 2012) i.V.m. Art. 23b Abs. 4 der Richtlinie 2001/83/EG.
503. Die Bezeichnung „B. Naproxen“ ist auch mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG vereinbar. Diese Vorschrift verbietet es, Arzneimittel herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die mit einer irreführenden Bezeichnung versehen sind. Daran fehlt es hier.
51a. Eine irreführende Bezeichnung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Bezeichnung bei einem nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise unzutreffende Erwartungen, insbesondere über die Art, Qualität, therapeutische Wirksamkeit, Unbedenklichkeit oder sonstige wesentliche Merkmale des Arzneimittels, weckt. Angesichts der Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und der mit falschen Erwartungen an Arzneimittel verbundenen Gesundheitsrisiken sind an die Wahrheit, Eindeutigkeit und Klarheit der Bezeichnung von Arzneimitteln erhöhte Anforderungen zu stellen (sog. Strengeprinzip).
52Vgl. OVG NRW, Urteile vom 23. Mai 2007 – 13 A 3657/04 -, juris, Rn. 36, vom 12. August 2009 ‑ 13 A 2147/06 –, juris, Rn. 42 ff., und vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, A & R 2013, 202 = juris, Rn. 46; BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 – I ZR 62/11 –, juris, Rn. 15.
53Die Bezeichnung eines Arzneimittels ist nicht nur für fachlich informierte Per-sonengruppen wie Ärzte, Apotheker sowie Behörden von Bedeutung. Sie ist in besonderem Maße für die Information der Verbraucher der Arzneimittel wichtig, die typischerweise nicht über qualifizierte medizinische Kenntnisse verfügen. Bei – wie hier – rezeptfrei in Apotheken zur Selbstmedikation angebotenen Arzneimitteln sind weder Apotheker noch Käufer verpflichtet, ein Gespräch über die Eigenschaften und Wirkungen des Arzneimittels zu führen. Eine entsprechende Beratungsmöglichkeit wird häufig nicht in Anspruch genommen, so dass mögliche bezeichnungsbedingte Fehlvorstellungen der Verbraucher durch die Beratungsmöglichkeit nicht sicher bzw. nicht hinreichend wahrscheinlich ausgeschlossen werden können.
54Vgl. OVG NRW, Urteile vom 17. Juni 2013 - 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 49 f., und vom 12. August 2009 – 13 A 2147/06 -, juris, Rn. 47 ff.
55Bei der Ermittlung der durch die Bezeichnung des Arzneimittels ausgelösten Vorstellungen des Verbrauchers ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen. Dieser geht zu Recht davon aus, dass das Gesundheitswesen einschließlich der Arzneimittelwirtschaft staatlicherseits reguliert und überwacht wird. Er vertraut typischerweise darauf, dass die zugelassene Bezeichnung so eindeutig ist, dass sie keine Fehlvorstellungen bzw. Missverständnisse über das Arzneimittel auslöst.
56Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12. August 2009 ‑ 13 A 2147/06 -, juris, Rn. 55 ff., und vom 17. Juni 2013 - 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 52.
57Zur Ermittlung der Verbrauchervorstellungen ist keine Marktforschung erforderlich. Der Senat kann aufgrund eigener Sachkunde feststellen, wie die Bezeichnung durch einen nicht ganz unerheblichen Teil des Verkehrskreises verstanden wird, da seine Mitglieder selbst zu den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchern zählen.
58Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12. August 2009 ‑ 13 A 2147/06 –, juris, Rn. 57, und vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 62, 68; BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 – I ZR 150/01 –, GRUR 2004, 244 = juris, Rn. 18 bis 20.
59b. Gemessen an diesen Maßstäben ist bei einer Gesamtbetrachtung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls die Bezeichnung „B. Naproxen“ nicht im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG irreführend.
60aa. Dabei ist zunächst die Hauptbezeichnung „B. “ in den Blick zu nehmen. Der Verbraucher misst bei Namen von Waren, die sich aus mehreren Bestandteilen zusammensetzen, dem – typischerweise vorangestellten – Hauptbestandteil regelmäßig besondere Bedeutung für die Art bzw. Qualität der jeweiligen Ware zu. Im Rahmen einer zusammengesetzten Bezeichnung sind die sprachliche Bedeutung und die entsprechende Wahrnehmbarkeit des Hauptbestandteils regelmäßig so herausgehoben, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher mit diesem Bestandteil nicht allein eine produktunabhängige Werbeaussage, sondern eine produktbezogene Inhaltsangabe verbindet. Dies wird durch die gezielte Verwendung der Dachmarken als Marketing-Instrument belegt und gilt auch für die Bezeichnung von Arzneimitteln, die neben anderen Produkten Gegenstand des Leitfadens für Dachmarken-Konzepte des Markenverbands sind. Bei einer Dachmarke, die seit mehreren Jahren für bestimmte Arzneimittel genutzt wird, besteht deshalb grundsätzlich die Gefahr, dass Verbraucher, die ein Präparat dieser Marke kennen, ein dieselbe Hauptbezeichnung führendes (neues) Arzneimittel hinsichtlich seines Anwendungsgebiets und seiner therapeutischen Wirksamkeit als gleich oder zumindest als ähnlich wahrnehmen. Diese Assoziation bereits bekannter (Wirk‑)Qualitäten ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht auch einer der zentralen Gründe, Dachmarken zu verwenden.
61Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2013 - 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 55 ff.
62Dies gilt grundsätzlich auch hier. Der Verbraucher wird dem Bezeichnungsbestandteil „B. “ besondere Bedeutung zumessen. Der wirkstoffbezogene Zusatz „Naproxen" tritt dahinter zurück. Das entspricht der (Marketing-)Strategie der Klägerin, die Dachmarke „B. " in den Vordergrund zu stellen und auf deren Wahrnehmung durch den Verbraucher zu setzen.
63Vgl. auch den Internetauftritt www.B. .de.
64Wie bekannt diese Dachmarke ist, ist hierfür ebenso unerheblich wie der Umstand, dass „B. “ ein Phantasiename ist, während der Zusatz „Naproxen“ einen Wirkstoff bezeichnet.
65Gleichwohl führt die Verwendung der Dachmarke „B. “ nicht zu erheblichen Fehlvorstellungen. Die Nutzung einer eingeführten Dachmarke für ein wirkstoffverschiedenes Arzneimittel ist zwar im Regelfall irreführend.
66Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, a. a. O. ; Kloesel/Cyran, § 8 Anm. 22; Kösling, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, § 10 Rn. 78; Leitlinie des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Bezeichnung von Arzneimitteln, 2013, Ziff. II 2.2.1 („zu vermeiden“); a. A. Schraitle, in: Fuhrmann/ Klein/ Fleischfresser, § 6 Rn. 76; European Medicines Agency (EMA), QRD recommendations on pack design and labelling for centrally authorised non-prescription human medicinal products, Draft, März 2011, Ziff. 4.1.2.
67Insbesondere lässt sich aus § 105 Abs. 3a Satz 3 AMG, wonach in bestimmten Fällen ein (Alt-)Arzneimittel auch nach Änderung der Zusammensetzung mit gleicher Bezeichnung in den Verkehr gebracht werden darf, nichts Gegenteiliges schließen.
68Hier ist die Verwendung der Dachmarke aufgrund der besonderen Einzelfallumstände weder unter dem Gesichtspunkt der Verwechslung noch unter dem Aspekt der Herstellung einer gedanklichen Verbindung irreführend. Sie weckt auch unter Berücksichtigung strenger Anforderungen an Wahrheit, Eindeutigkeit und Klarheit der Bezeichnung keine unzutreffenden Verbrauchererwartungen.
69Ob die Verwendung einer Dachmarke bei unterschiedlich zusammengesetzten Arzneimitteln zulässig ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Unterschiede der Arzneimittel und der Gefahren, die bei einer etwaigen Verwechslung bestehen.
70Vgl. auch Leitlinie des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Bezeichnung von Arzneimitteln, 20. März 2013, S. 6 f. (Ziff. 2.2.1); EMA, Committe for human medicinal products (CHMP), Guideline on the acceptability of names for human medicinal products processed through the centralised procedure, 11. Dezember 2007, Ziff. 1. und 2.1.1.
71Sollte ein nicht ganz unerheblicher Teil der Verbraucher annehmen, das streitgegenständliche Arzneimittel diene wie die übrigen „B. “-Präparate der Behandlung von Schmerzen und Fieber und entfalte die gleichen therapeutischen Wirkungen, trifft dies – anders als etwa im Fall „Fenistil“ (Senatsurteil vom 17. Juni 2013 - 13 A 1113/11 -) – zu. Das streitgegenständliche Arzneimittel enthält zwar den Wirkstoff Naproxen, während die markteingeführten „B. “-Produkte Ibuprofen enthalten. Die Anwendungsgebiete stimmen aber überein. Beide sind zugelassen zur Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen und Fieber. Zudem sind die Wirkstoffe Ibuprofen und Naproxen der gleichen Wirkstoffgruppe zuzuordnen und der Wirkmechanismus ist identisch. Beide sind nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)/ nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAP bzw. NSAID), die schmerzlindernd, fiebersenkend und entzündungshemmend wirken. Naproxen gehört wie Ibuprofen der Wirkstoffklasse der nichtselektiven NSAR an (sogenannte COX-1/2-Hemmer). Ibuprofen und das später entdeckte und zugelassene Naproxen sind Arylpropionsäurederivate und wirken in gleicher Weise, indem sie das Enzym Cyclooxygenase (COX) blockieren und dadurch die Synthese der Prostaglandine, der für die Vermittlung von Schmerzempfindung verantwortlichen Botenstoffe, hemmen.
72Vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage 2007, „Antiphlogistika, nichtsteroidale“; www.wikipedia.de zu „nichtsteroidales Antirheumatikum“, „Ibuprofen“ und zu „Naproxen“.
73Schließlich weist auch das Nebenwirkungsprofil keine erheblichen Unterschiede auf. Die Nebenwirkungshinweise und Gegenanzeigen in den Gebrauchsinformationen, auch die zuletzt vorgelegten aktuellen Fassungen (Gebrauchsinformation „B. “ aus März /August 2011) bzw. diesbezüglichen Mustertexte (zu Naproxen vom 20. November 2013), unterscheiden sich nur geringfügig, was sich mit der Zugehörigkeit der Wirkstoffe zur gleichen Wirkstoffklasse und der identischen Wirkweise erklären lässt. Aus vereinzelten Unterschieden in den Häufigkeiten bestimmter Nebenwirkungen lässt sich ebenfalls nicht auf ein unterschiedliches Nebenwirkungsprofil schließen, da hier statistische Fragen eine Rolle spielen und mal das eine, mal das andere Arzneimittel eine abweichende Häufigkeit verzeichnet. Soweit das BfArM höhere gastrointestinale Risiken von Naproxen betont, hat dies in den Nebenwirkungshinweisen keinen Niederschlag gefunden. Bestehen aber keine derartigen Unterschiede, dass es unterschiedlicher Hinweise bedürfte, sind die Unterschiede nicht als relevant einzuordnen.
74Darüber hinaus hat die – für die Irreführungsgefahr darlegungs- und beweispflichtige – Beklagte auch nicht aufgrund anderer Erkenntnisse nachvollziehbar dargelegt, dass gleichwohl ein unterschiedliches Risikoprofil besteht. Zwar stützen bestimmte Studien und Datensammlungen ihre Auffassung, dass Naproxen geringere kardiovaskuläre und Thrombose-Risiken birgt und deshalb für Patienten mit koronaren Vorerkrankungen oder Risikofaktoren vorteilhafter ist.
75Vgl. Trelle et al., Cardiovascular safety of non-steroidal anti-inflammatory drugs: network meta-analysis, BMJ 2011, 342:7086, S. 6, 10; EMA, Public CHMP assessment report for medicinal products containing non-selective non steroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs), 7. November 2006, S. 18, 20; EMA, Assessment report for Non Steroidal Anti-Inflammatory Drugs (NSAIDs) and cardio-vascular risk, 18. Oktober 2012, S. 10, 24, 26.
76Abgesehen davon, dass ein geringeres Risiko wohl nur bei deutlich höherer Dosierung und längerer Anwendungsdauer als hier im OTC-Bereich besteht, kann dieser Umstand der Klägerin nicht entgegengehalten werden. Eine Verwechslung erwiese sich insoweit als vorteilhaft, so dass ein Schutzbedürfnis der Verbraucher nicht besteht. Die Behauptung der Beklagten, Naproxen habe gegenüber Ibuprofen einen ausgeprägteren schädigenden Effekt auf den Magen-Darm-Trakt, ist demgegenüber nicht wissenschaftlich belegt. Das BfArM führt hierfür nur die Ergebnisse einer Studie aus 1994 zu den Risiken von blutenden Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren an (Langman M et al., Lancet 1994, 343:1075). Die Studie selbst liegt nicht vor. Demgegenüber besteht nach der neueren Studie von Lewis et a. („Risk of serious upper gastrointestinal toxicity with over-the-counter nonaspirin nonsteroidal anti-inflammatory drugs“, Gastroenterology 2005, 129:1865) kein signifikanter Unterschied für das Risiko „gastrointestinale Toxizität“ zwischen Naproxen und Ibuprofen. Diese Schlussfolgerung teilte auch der Sachverständigenausschuss des BfArM zur Verschreibungspflicht (69. Sitzung am 26. Juni 2012). Nach einer Studie von Singh G (Am J Ther 2000, 7: 115) liegt das relevante Risiko von Ibuprofen bei 3,5, das von Naproxen bei 3,42 bei einem Wert von 3,92 für alle NSAIDs. Die EMA geht nach dem „Public CHMP assessment report for medicinal products containing non-selective non steroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs)” vom 7. November 2006 (Seite 5) davon aus, die verfügbaren Daten erlaubten keine präzise Quantifizierung der Risiken ernster gastrointestinaler Nebenwirkungen bei verschiedenen NSAIDs; es bestünden Anhaltspunkte für eine Dosisabhängigkeit. Es sei nicht möglich, sichere Schlussfolgerungen zu den relativen Risiken für gastrointestinale Nebenwirkungen der einzelnen Produkte zu ziehen. Zwar gebe es Hinweise für ein geringfügig höheres Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen bei Naproxen, die Erkenntnisse für entsprechende Schlussfolgerungen seien aber nur schwach. Bei Ibuprofen könnten die günstigeren Annahmen auf der Verwendung niedriger Dosen und kurzzeitigen Anwendungen beruhen. Ein unterschiedliches Risikoprofil lässt sich damit nicht belegen.
77Hier maßgebliche Unterschiede kann die Beklagte auch nicht daraus herleiten, dass für die Arzneimittel unterschiedliche Altersgrenzen (Kinder ab 6 Jahren bei „B. “ und „B. Forte“, ab 12 Jahren beim streitgegenständlichen Arzneimittel) und abweichende Dosierungsangaben gelten. Der aufgeklärte, durchschnittlich informierte Verbraucher geht nicht bei Arzneimitteln mit gleicher Hauptbezeichnung davon aus, dass sie auch in Wirkstoffmenge, Dosierung und Gegenanzeigen für die Anwendung bei Kindern identisch sind. Dass auch das BfArM dies bisher so gesehen hat, zeigt unter anderem die Zulassung der bisherigen B. -Produkte unter gleicher Hauptbezeichnung, die in Bezug auf diese Gesichtspunkte ebenfalls Unterschiede aufweisen. So ist „B. Spezial“ im Unterschied zu den beiden anderen „B. “-Produkten ebenfalls erst für Kinder ab 12 Jahren zugelassen. Wie die Klägerin im Klageverfahren näher dargelegt hat, ergibt sich hier die Anwendungsbeschränkung aus der Wirkstoffmenge und lässt daher insbesondere keinen Schluss auf ein anderes Risikoprofil des Wirkstoffs zu. Hinzu kommt, dass das hier streitgegenständliche Produkt vielfach bei akuten Zuständen, d.h. nicht nur von chronisch Kranken genutzt wird. Der Verbraucher wird sich auch vor der Einnahme eines schon bekannten Arzneimittels über die Dosierung und die Anwendbarkeit bei Kindern informieren, zumal sich hier aufgrund neuerer Erkenntnisse auch Änderungen ergeben können.
78Eine Irreführung könnte danach lediglich über das Vorhandensein des Wirkstoffs Ibuprofen bzw. dahingehend bestehen, dass es sich um das (wirkstoff-)gleiche Präparat handele. Der Wirkstoff ist ein wesentliches Merkmal eines Arzneimittels. Eine diesbezügliche Fehlvorstellung setzte aber voraus, dass der Durchschnittsverbraucher bzw. ein nicht unerheblicher Teil der aufgeklärten Verbraucher mit dem Phantasienamen „B. “ einen bestimmten Wirkstoff verbindet bzw. den „Wirkstoff hinter B. “ nunmehr bei jedem Produkt der Serie erwartet. Davon ist hier nicht auszugehen. Es ist schon zweifelhaft, ob der Verbraucher regelmäßig mit einem Arzneimittelnamen einen bestimmten Wirkstoff verbindet. Typischerweise wird der aufgeklärte, durchschnittlich informierte Verbraucher mit der Bezeichnung nur das Anwendungsgebiet und gegebenenfalls noch einen bestimmten Wirkmechanismus verbinden. Hier kommt hinzu, dass zahlreiche Produkte mit dem Wirkstoff Ibuprofen im Verkehr sind, diesen teilweise auch im Namen tragen, und „B. “ deshalb nicht aufgrund seiner Alleinstellung mit Ibuprofen assoziiert wird.
79Ferner ist für die Ermittlung der (Fehl‑)Vorstellung eines nicht unerheblichen Teils der aufgeklärten Verbraucher von Bedeutung, dass nicht von einer besonderen Bekanntheit der Dachmarke auszugehen ist. Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass eine Irreführung nicht nur bei berühmten Namen in Betracht kommt. Unter anderem vom Bekanntheitsgrad hängt aber ab, ob bei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher eine Verwechslungsgefahr besteht.
80Vgl. dazu EuGH, Urteil vom 11. November 1997 ‑ Rs. C-251/95 (Puma) -, Rn. 22.
81Je weniger bekannt ein Produkt bzw. eine Marke ist, desto geringer ist die Irreführungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Verwechslung. Die von der Klägerin hier mitgeteilten Verkaufszahlen und Marktanteile lassen auf einen geringen Bekanntheitsgrad schließen. „B. “ hatte im Jahr 2013 bei 429.500 verkauften Packungen einen Marktanteil bei den ibuprofenhaltigen Analgetika von 0,9 Prozent (2009: 1,9 % ,2010: 1,6 %, 2011: 1,3 %, 2012: 1,1 %). Demgegenüber hatte etwa E. einen Marktanteil von zuletzt 15 % (2009: 24,8 %), J. -ratiopharm einen Marktanteil von 11,7 % (2009: 15,2 %). Nimmt man die apothekenpflichtigen Analgetika insgesamt in den Blick, betrug der Marktanteil 2013 lediglich 0,3 Prozent (2009: und 2010: jeweils 0,4 %, 2011 und 2012: jeweils 0,3 %). Angesichts dessen ist die Gruppe derjenigen, die „B. “ kennen, nicht als hinreichend bedeutender Teil der angesprochenen Verkehrskreise einzuordnen. Abgesehen davon ist nicht davon auszugehen, dass diese Gruppe „B. “ mit dem Wirkstoff Ibuprofen in Verbindung mit.
82Auf die Verbrauchervorstellung wirkt sich weiterhin aus, dass gerade im Bereich der Schmerzbehandlung mit nichtsteroidalen Antiphlogistika seit vielen Jahren zahlreiche Dachmarken mit verschiedenen Wirkstoffen auf dem Markt sind, insbesondere seit den 1990er Jahren „E. “ (Ibuprofen, Ketoprofen, Naproxen), das einen um ein Vielfaches höheren Marktanteil hat als „B. “, ferner O. , U. und U1. . Dies verschafft der Klägerin zwar, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung einen Anspruch auf Gleichbehandlung. Das Argument der Beklagten, die Irreführungsgefahr könne nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass irreführende Produkte auf dem Markt seien, greift aber nicht durch. Die hier maßgeblichen Vorstellungen und Erwartungen des Verbrauchers in Bezug auf die streitgegenständliche Bezeichnung werden auch durch die tatsächlichen Verhältnisse in dem Marktsegment geprägt. Da das BfArM in der Vergangenheit Dachmarken für verschiedene Wirkstoffe im Bereich der Schmerzmedikation zugelassen hat, und dies auch bei bekannten Marken mit hohem Marktanteil, erwartet der Verbraucher jedenfalls in diesem Bereich unter einer Dachmarke nicht stets Arzneimittel mit einer identischen Zusammensetzung.
83Vgl. auch Sander, PharmR 2013, 359 (360).
84Die Annahme des Verwaltungsgerichts, Verbraucher nutzten zunehmend Generika und ihnen sei ein Denken in Wirkstoffkategorien nicht fremd, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Daraus lässt sich nur auf eine Vertrautheit mit (wirkstoffgleichen) preiswerteren Alternativprodukten, nicht aber darauf schließen, dass Verbraucher umgekehrt bei Arzneimitteln einer Serie bzw. Dachmarke denselben Wirkstoff erwarten. Es erscheint schon zweifelhaft, ob der Verbraucher sich Kenntnis vom Wirkstoff verschafft. Nahe liegender dürfte sein, dass ihn nur interessiert, ob er mit dem Generikum „das Gleiche“ erhält wie vom Arzt verschrieben oder bisher von ihm verwendet. Geht man aber davon aus, der aufgeklärte Verbraucher informiere sich über den Wirkstoff von Arzneimitteln, muss dies gerade auch für das streitgegenständliche Arzneimittel gelten, zumal diesem eine Wirkstoffbezeichnung hinzugefügt ist.
85bb. Durch den Zusatz „Naproxen“ zur Hauptbezeichnung „B. “ ist eine hinreichende Unterscheidung zu den anderen Arzneimittelbezeichnungen der Dachmarke gewährleistet. Zwar hat der Senat im „Fenistil“-Urteil angenommen, ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher gehe bei einer bekannten Dachmarke davon aus, dem in den markteingeführten Produkten enthaltenen Wirkstoff sei ein weiterer Wirkstoff hinzugefügt.
86Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 65 f.
87Hier liegt der Fall aber anders. Aus den vorstehenden Gründen wird kein hinreichender Teil der angesprochenen Verkehrskreise „B. “ mit dem Wirkstoff Ibuprofen und „B. Naproxen“ mit den markteingeführten „B. “-Produkten verbinden. Er wird deshalb auch nicht annehmen, „B. Naproxen“ sei „B. “ (= Ibuprofen) plus Naproxen. Eine Verbrauchererwartung, dass Arzneimittel, deren mehrteiliger Name eine Wirkstoffbezeichnung beinhaltet, stets zwei Wirkstoffe (den „hinter B. “ sowie „Naproxen“) enthalten, besteht nicht. Abgesehen davon wird der aufgeklärte Verbraucher, der die markteingeführten „B. “-Produkte kennt, angesichts der Existenz von zahlreichen (bekannteren) Dachmarken im Bereich der Schmerzmedikamente mit unterschiedlichen Wirkstoffen besondere Sorgfalt an den Tag legen, sollte es ihm auf „B. “ mit einem bestimmten Wirkstoff ankommen.
88Im Übrigen strebt die Klägerin die Umbenennung ihrer markteingeführten B. -Produkte dahingehend an, dass dort – analog zum Zusatz „Naproxen“ beim streitgegenständlichen Arzneimitteln – jeweils der Zusatz „Ibuprofen“ ergänzt wird. Sie hat in der Berufungsverhandlung erklärt, mit Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Produkts unter der neuen Bezeichnung die alten Produkte nur noch mit einer geänderten, um „Ibuprofen“ ergänzten Bezeichnung in den Verkehr bringen zu wollen. Enthalten aber alle Produkte der Dachmarke „B. “ den entsprechenden Wirkstoffzusatz in der Bezeichnung, wird – den hier allein bestehenden – Irreführungs- und Verwechslungsgefahren in Bezug auf den Wirkstoff hinreichend vorgebeugt.
89So auch Schraitle, in: Fuhrmann/ Klein/ Fleischfresser (Hrsg.), a. a. O., § 6 Rn. 76.
90Der Verbraucher wird dann bei gleicher Hauptbezeichnung keine Wirkstoffidentität erwarten. Dies hat auch das BfArM in der Berufungsverhandlung eingeräumt. Dass dann für eine Übergangszeit noch Arzneimittel mit der bisherigen Bezeichnung im Verkehr sind, ist angesichts der übrigen hier angeführten Umstände hinnehmbar. Anders als in den von § 105 Abs. 3a Satz 3 AMG und Ziffer 2.2.2 der Leitlinie des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts vom 20. März 2013 erfassten Fällen der Übertragung bzw. Weiterverwendung einer Bezeichnung für ein anderes Arzneimittel mit einem anderen Wirkstoff, für die eine Wartezeit von fünf Jahren vorgesehen ist, unterscheiden sich die markteingeführten „B. “-Produkte und „B. Naproxen“ durch den Wirkstoffzusatz.
91cc. Selbst wenn man aber annähme, ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher assoziiere mit „B. “ die markteingeführten Produkte, gehe also aufgrund der Hauptbezeichnung davon aus, „B. Naproxen“ enthalte den gleichen Wirkstoff, ergänzt um Naproxen, rechtfertigte diese Fehlvorstellung bei verfassungskonformer Auslegung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG nicht die Ablehnung der Bezeichnungsänderung.
92§ 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG dient der Arzneimittelsicherheit, dem in § 1 AMG verankerten zentralen Ziel des Arzneimittelgesetzes, und, das zeigen die Regelbeispiele in 3 8 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) bis c) AMG, dem Schutz des Verbrauchers vor Täuschungen über die Wirksamkeit und Qualität von Arzneimitteln. Die Bestimmung beschränkt die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit des pharmazeutischen Unternehmers, die auch eine Wahlfreiheit bei Bezeichnungen und Marketingstrategien einschließt. Die Beschränkung ist in ihrer abstrakt-generellen Form zum Schutz vor gesundheitlichen Gefahren gerechtfertigt.
93Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12. August 2009 ‑ 13 A 2147/06 -, juris, Rn. 71 ff., und vom 17. Juni 2013 - 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 29; Kösling, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, § 10 Rn. 76; Nickel, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O. § 8 Rn. 18.
94Aus der hohen Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit resultiert ein besonderes Schutzbedürfnis des Verbrauchers. Werbemaßnahmen für die Gesundheit gelten als besonders wirksam. Mit irreführenden Angaben können Gefahren für die Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung insgesamt verbunden sein. Einschränkungen der grundrechtlich geschützten Individualinteressen des pharmazeutischen Unternehmers an der freien Wahl der Arzneimittelbezeichnung sind aber im Einzelfall nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt, wenn eine Bezeichnungsänderung nicht die Gefahr irrtümlicher Arzneimittelanwendungen birgt. So liegt der Fall hier. Nach den obigen Ausführungen ist nicht davon auszugehen, dass die Verwechslung der Arzneimittel – unterstellt, es käme überhaupt dazu – Gesundheitsgefahren begründet, da sie bei gleicher Indikation in gleicher Weise wirken und das Nebenwirkungsprofil sich nicht unterscheidet.
95Hiervon ausgehend steht § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG nicht per se dem unternehmerischen Bemühen entgegen, das positive Image einer Marke auf weitere Arzneimittel zu transferieren bzw. eine solche Dachmarke auf- und auszubauen. Eine Beschränkung der Bezeichnungsfreiheit ist hier auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Eigenschaften von „B. Naproxen“ falsch oder übertrieben dargestellt würden (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) bis c) AMG) und die Klägerin zu Unrecht die Wertschätzung der Marke „B. “ ausnutzen wollte. Die von der Beklagte angeführte Annahme, der Verbraucher verbinde mit „B. “ die Vorstellung einer Arzneimittelwirkung dergestalt, dass es sich um ein der Behandlung von Schmerzen dienendes Arzneimittel derselben Qualität und Güte wie die ihm bekannten markteingeführten Arzneimittel handele, ist aus den oben ausgeführten Gründen nicht falsch. Wird dem streitgegenständlichen Arzneimittel zutreffend eine therapeutische Wirksamkeit „wie bei B. “ beigemessen, findet damit keine Ruf-Ausbeutung statt, zumal „B. Naproxen“ kein neues Arzneimitteil, sondern ein seit 1998 zugelassenes und nur unter einer anderen Bezeichnung vertriebenes Produkt ist.
96Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
97Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
98Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.
(1) Es ist verboten, Arzneimittel oder Wirkstoffe herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die
- 1.
durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert sind oder - 1a.
(weggefallen) - 2.
mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung versehen sind. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn - a)
Arzneimitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen oder Wirkstoffen eine Aktivität beigelegt werden, die sie nicht haben, - b)
fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann oder dass nach bestimmungsgemäßem oder längerem Gebrauch keine schädlichen Wirkungen eintreten, - c)
zur Täuschung über die Qualität geeignete Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen verwendet werden, die für die Bewertung des Arzneimittels oder Wirkstoffs mitbestimmend sind.
(2) Es ist verboten, gefälschte Arzneimittel oder gefälschte Wirkstoffe herzustellen, in den Verkehr zu bringen oder sonst mit ihnen Handel zu treiben.
(3) Es ist verboten, Arzneimittel, deren Verfalldatum abgelaufen ist, in den Verkehr zu bringen.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des BfArM vom 24.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2012 verpflichtet, die Zulassungsbescheide für J. 200 mg Filmtabletten (Zulassungs-Nr. 00000.00.00) und J. 400 mg Filmtabletten (Zulassungs-Nr. 00000.00.00) entsprechend der Änderungsanzeige der Klägerin vom 08.07.2011 in „H. J1. L. 200 mg Filmtabletten“ und „H. J1. 400 mg Filmtabletten“ zu ändern.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Änderung der Bezeichnung der Arzneimittel „J. 200 mg“ und „J. 400 mg“ Filmtabletten, die von der Klägerin in den Verkehr gebracht werden. Die Arzneimittel enthalten als einzigen Wirkstoff Ibuprofen in einer Menge von 200 mg bzw. 400 mg pro Filmtablette.
3Nach der aktuellen Gebrauchsinformation von Juni 2013 ist J. ein entzündungshemmendes, fiebersenkendes und schmerzstillendes nichtsteroidales Antiphlogistikum/Antirheumatikum. Es wird angewendet bei „Fieber und leichten bis mäßig starken Schmerzen im Rahmen von Erkältungskrankheiten/grippalen Infekten.“ Die Tagesmaximaldosis beträgt 1200 mg Ibuprofen bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren. Das Arzneimittel „J. 200 mg“ enthält neben der Dosierung für Erwachsene auch eine Kinderdosierung für Kinder zwischen 6 und 12 Jahren. Die Anwendung bei Kindern unter 6 Jahren ist bei diesem Arzneimittel durch eine Gegenanzeige ausgeschlossen. In der Gebrauchsinformation wird darauf hingewiesen, dass J. ohne ärztlichen oder zahnärztlichen Rat nicht länger als 4 Tage eingenommen werden soll.
4Mit Änderungsanzeige vom 08.07.2011 änderte die Klägerin die Arzneimittelbezeichnung in „H. J1. 400 mg Filmtabletten“ bzw. in „H. J1. L. 200 mg Filmtabletten“.
5Die Klägerin bringt unter der Dachmarke „H. “ weitere 5 Arzneimittel in den Verkehr, die überwiegend für den Anwendungsbereich der Erkältungskrankheiten bestimmt sind. Hierbei handelt es sich um
6- „H. C Hartkapseln“
7Wirkstoffe: Paracetamol (200 mg), Ascorbinsäure (= Vitamin C), Coffein, Chlorphenaminmaleat.
8Anwendungsgebiet: „Zur symptomatischen Behandlung von gemeinsam auftretenden Beschwerden wie Kopf- und Gliederschmerzen, Schnupfen und Reizhusten im Rahmen einer einfachen Erkältungskrankheit. Bei gleichzeitigem Fieber oder erhöhter Körpertemperatur wirkt G. fiebersenkend.“
9Dosierung: 3 mal täglich 2 Kapseln
10Dauer der Anwendung: „G. sollte nicht ohne Befragen des Arztes über längere Zeit oder in höheren Dosen eingenommen werden.“
11- „H. Erkältungsbad“
12Wirkstoffe: Fichtennadelöl, Eucalyptusöl, Levomenthol
13Anwendungsgebiet: „Zur unterstützenden Behandlung bei Erkältungskrankheiten der Atemwege mit zähflüssigem Schleim.“
14- „H. Erkältungsbalsam“
15Wirkstoffe: Eucalyptusöl, gereinigtes Terpentinöl, racemischer Campher
16Anwendungsgebiet: „Zur Besserung der Beschwerden bei Erkältungskrankheiten der Atemwege mit zähflüssigem Schleim.“
17- „H. Erkältungsbalsam mild“
18Wirkstoffe: Eucalyptusöl, Kiefernadelnöl
19Anwendungsgebiet: „Zur Besserung der Beschwerden bei Erkältungskrankheiten der Atemwege mit zähflüssigem Schleim.“
20- „H. Heißgetränk“
21Wirkstoff: 600 mg Paracetamol
22Anwendungsgebiet: „Symptomatische Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen wie Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Regelschmerzen und/oder von Fieber.“
23Mit Schreiben vom 10.08.2011 beanstandete die Beklagte die Bezeichnungsänderung und führte aus, die gewählte Bezeichnung unter der Dachmarke „H. “ sei irreführend, weil das Arzneimittel als einzigen Wirkstoff Ibuprofen enthalte. Dieser Wirkstoff sei jedoch in den bisherigen H. -Arzneimitteln nicht enthalten. Es bestehe insbesondere eine Verwechslungsgefahr mit der „H. C“ Hartkapsel, die in Abweichung vom streitigen Präparat den Wirkstoff Paracetamol enthalte. Außerdem seien die Anwendungsgebiete nicht identisch.
24Mit Schreiben vom 12.09.2011 trat die Klägerin dieser Bewertung entgegen.
25Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 24.10.2011 die Änderung des Zulassungsbescheides hinsichtlich der beantragten Arzneimittelbezeichnung ab. In der Begründung wurde ausgeführt, die Änderung des Arzneimittelnamens sei irreführend im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG und daher nach § 25 Abs. 2 Nr. 7 AMG bzw. § 25 Abs. 3 AMG in Verbindung mit § 29 Abs. 2 Satz 1 AMG zu versagen. Es bestehe aufgrund der Verwendung der Dachmarke „H. “ eine Verwechslungsgefahr mit dem Präparat „H. C Hartkapsel“. Der Verbraucher nehme an, dass es sich wegen der identischen Dachmarke um Arzneimittel mit denselben Wirkstoffen handele. Jedenfalls werde ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher davon ausgehen, dass es sich wegen des Zusatzes „J1. “ in der Bezeichnung „H. J1. “ Filmtabletten um ein Arzneimittel handele, dass neben den bisher vorhandenen arzneilich wirksamen Bestandteilen zusätzlich Ibuprofen enthalte. Die Annahme, dass ein Arzneimittel mehrere Wirkstoffe enthalte, sei auch nicht davon abhängig, dass Bezeichnungszusätze wie „mit“ oder „plus“ verwendet würden (VG Köln, Urteil vom 12.09.2011 – 7 K 4284/09 - „Fenistil“). Eine Irreführung liege auch deshalb vor, weil Anwendungsgebiete, Wirkungsweise und Risikoprofile der Arzneimittel grundverschieden seien.
26Am 23.11.2011 legte die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch ein, den sie eingehend begründete. Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 03.08.2012 zurückgewiesen.
27Hiergegen hat die Klägerin am 17.08.2012 Klage erhoben, mit der sie ihren Anspruch auf Änderung der Arzneimittelbezeichnung der Präparate „J. 200 mg“ und „J. 400 mg“ in „H. J1. L. 200 mg Filmtabletten“ und „H. J1. 400 mg Filmtabletten“ aufrecht erhält.
28Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin vor, die Beklagte sei verpflichtet, die Zulassung der streitgegenständlichen Arzneimittel entsprechend der Änderungsanzeige nach § 29 Abs. 2 AMG zu ändern. Die Änderung sei nicht nach § 29 Abs. 2a AMG zustimmungspflichtig und daher ohne eine materiell-rechtliche Prüfung umzusetzen.
29Ungeachtet dessen sei die beantragte Änderung der Arzneimittelbezeichnung im vorliegenden Fall nicht wegen der Verwendung der Dachmarke „H. “ nach § 8 AMG irreführend oder nach § 25 Abs. 3 AMG unzulässig. Vielmehr sei der Einsatz von Dachmarken nach der Rechtsprechung grundsätzlich zulässig (OLG Hamburg, Urteil vom 19.08.1999 – 3 U 60/99 - ) und von der Beklagten in langjähriger Verwaltungspraxis nicht beanstandet worden.
30Die Entscheidung des VG Köln vom 12.04.2011 – 7 K 4284/09 – „Fenistil“ stehe dieser Bewertung nicht entgegen. Der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich erheblich von dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall. Dort sei es um die Verwendung einer eingeführten Dachmarke, die mit einem bestimmten Wirkstoff und Anwendungsgebiet assoziiert worden sei, für ein Präparat mit völlig unterschiedlichen Anwendungsgebieten gegangen (Juckreiz, Sonnenbrand einerseits und Lippenherpes andererseits). Hier würden unter der Dachmarke „H. “ jedoch bisher 5 Präparate mit dem weitgehend identischen Anwendungsgebiet „Erkältungskrankheiten“, aber unterschiedlichen Wirkstoffen zusammengefasst. Nur zwei von diesen Präparaten enthielten den Wirkstoff „Paracetamol“. Demnach sei die Dachmarke „H. “ durch das gemeinsame Anwendungsgebiet, aber nicht durch eine weitgehende Produktidentität im Sinne einer Wirkstoffidentität geprägt und daher auch keine „Hauptbezeichnung“ für einen bestimmten Wirkstoff. Unabhängig davon komme es im Rahmen des Verbots einer gleichen Bezeichnung für Arzneimittel mit unterschiedlichen Wirkstoffen nach § 25 Abs. 3 AMG nicht auf die Hauptbezeichnung, sondern auf die gesamte Bezeichnung an. Die gesamte Bezeichnung umfasse aber die Dachmarke H. sowie die unterscheidungskräftigen Zusätze „C“ bzw. „J1. “. Es handele sich daher nicht um die gleiche Bezeichnung.
31Das streitgegenständliche Arzneimittel sei ebenfalls für das Anwendungsgebiet der symptomatischen Behandlung bei Erkältungskrankheiten zugelassen und könne daher in die Dachmarke „H. “ einbezogen werden, ohne dass hierdurch eine Irreführung oder Verwechslungsgefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG ausgelöst werde.
32Die vorliegende Bezeichnung sei nicht geeignet, eine unrichtige Vorstellung über wesentliche Eigenschaften des Arzneimittels zu wecken. Hierbei komme es auf das Verständnis der Fachkreise und das Verständnis des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers an.
33Aus der gewählten Arzneimittelbezeichnung sei eindeutig zu entnehmen, dass der alleinige arzneilich wirksame Bestandteil der Wirkstoff „Ibuprofen“ sei und das Arzneimittel – wie alle anderen Arzneimittel der Marke „H. “ - bei Erkältungskrankheiten anzuwenden sei. Eine Verwechslungsgefahr mit dem Arzneimittel „H. C“ Hartkapsel sei nicht gegeben. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso der Verbraucher aus dem Namensbestandteil „H. “ entnehmen soll, dass das vorliegende Arzneimittel - trotz des Zusatzes „J1. “ - wirkstoffgleich mit „H. C“ sei und Paracetamol als Wirkstoff enthalte oder neben den Wirkstoffen von „H. C“ zusätzlich den Wirkstoff Ibuprofen enthalte. Eine derartige Addition von Wirkstoffen werde üblicherweise mit den Worten „mit“ oder „plus“ verdeutlicht, die hier nicht vorhanden seien. Bei Kombinationsarzneimitteln wie „H. C“ sei dem Verbraucher üblicherweise nicht geläufig, welche Wirkstoffe in diesem enthalten seien. Da die Marke „H. “ nicht mit einem Wirkstoff, sondern mit dem Anwendungsgebiet „Erkältungskrankheiten“ verbunden werde, sei auch die irrtümliche Annahme einer identischen Wirkstoffzusammensetzung ausgeschlossen.
34Durch den Zusatz „J1. “ werde der Verbraucher hinreichend deutlich darauf hingewiesen, dass sich die Produkte in relevanter Weise unterschieden. Falls einen Verbraucher die Wirkstoffzusammensetzung interessiere, könne er sich durch einen Blick auf die Faltschachtel oder die Gebrauchsinformation informieren. Außerdem könne der aufmerksame Verbraucher ohne weiteres Filmtabletten von der für „H. C“ verwendeten Hartkapsel unterscheiden.
35Die Unterschiede in der pharmakotherapeutischen Klassifizierung der Wirkstoffe Paracetamol und Ibuprofen seien auf Unterschiede in der chemischen Grundstruktur und hinsichtlich der antiphlogistischen (entzündungshemmenden) Wirkung zurückzuführen. Sie seien aber im Hinblick auf die hier beanspruchten Indikationen irrelevant. Das Wirkprinzip beider Substanzen sei identisch und bestehe in der Hemmung der Cyclooxygenasen (COX), was zur Linderung der typischen Symptome von Erkältungskrankheiten, nämlich Schmerzen und Fieber, führe. Die unterschiedlichen Wirkungen der Substanzen, die bei steigender Dauer und Dosis Nebenwirkungen hervorrufen könnten, seien hier unerheblich, weil das streitgegenständliche Arzneimittel nur zur Kurzzeitbehandlung vorgesehen sei. Es sei durch klinische Vergleichsstudien erwiesen, dass Paracetamol und Ibuprofen bei der Behandlung von Erkältungskrankheiten keine relevanten Unterschiede in der Verträglichkeit und keine schweren Nebenwirkungen zeigten.
36Die vom BfArM angenommenen Anwendungsfehler aufgrund einer Verwechslung der Präparate seien nicht nachvollziehbar. Es sei unverständlich, wie der Verbraucher aufgrund der Bezeichnung „H. J1. “ zu der Annahme gelangen solle, es handele sich um das gleiche Arzneimittel wie „H. C“ und diese beiden Arzneimittel willkürlich austausche und innerhalb eines Tages oder der Anwendungsdauer abwechselnd nehme. Es sei nicht anzunehmen, dass der aufmerksame und verständige Verbraucher wahl- und ziellos unterschiedliche Arzneimittel miteinander kombiniere, ohne sich durch einen Blick in die Gebrauchsinformation über die Risiken einer solchen Kombination zu informieren. Aus klinischen Studien könne abgeleitet werden, dass die alternierende Anwendung von Paracetamol und Ibuprofen bei der Behandlung von Fieber im Kindesalter häufig und nicht mit einer signifikanten Steigerung der Nebenwirkungen verbunden sei. Selbst bei einer kombinierten Einnahme von Paracetamol und Ibuprofen in der Maximaldosis seien die Nebenwirkungen nach 10 Tagen nur dezent erhöht.
37Sogar wenn ein Patient in einem rein hypothetischen Fall die beiden Arzneimittel verwechseln und „H. J1. 400 mg“ (3 x täglich 1 Filmtablette) wie „H. C“ (3 x täglich 2 Kapseln) dosieren würde, so würde die dann zugeführte doppelte Ibuprofen-Dosis bei 2400 mg Ibuprofen (6 x 400 mg) pro Tag und damit noch innerhalb der für die langfristige Schmerztherapie üblichen Menge liegen (vgl. Fachinformation zu J1. Stada 400/600 mg Filmtabletten von August 2010). Die von der Beklagten bei einer Verdoppelung der Tagesdosis von Ibuprofen befürchteten schweren Nebenwirkungen seien größtenteils auch in der Fachinformation für „H. C“ beschrieben. Da das Risiko mit der Dosis und Dauer der Anwendung steige, seien diese Nebenwirkungen bei einer kurzen Behandlungsdauer von 4 Tagen nicht zu erwarten. Gefahren für Patienten mit Analgetika-Asthma bestünden nicht, da diese durch den Bezeichnungszusatz „J1. “ auf den für sie unverträglichen Wirkstoff augenfällig hingewiesen würden.
38Im Übrigen sei die von der Beklagten unterstellte Fehlanwendung von Arzneimitteln durch Kombination, Überdosierung und überlange Anwendungsdauer bei allen Arzneimitteln möglich, werde aber nicht durch die hier beantragte Arzneimittelbezeichnung verursacht.
39Demnach wiesen die beiden Präparate im vorliegenden Fall ein gleiches Risikoprofil bei Übereinstimmung des Wirkkonzeptes auf und unterschieden sich damit und in anderen Punkten maßgeblich von dem durch Urteil des VG Köln vom 09.04.2013
40– 7 K 2050/11 - „Aktren“ entschiedenen Sachverhalt.
41Es sei auch nicht zutreffend, dass das Arzneimittel „H. C“ einen anderen Anwenderkreis anspreche und dadurch eine Irreführung auslösen könnte. Vielmehr seien der Anwenderkreis bzw. die Anwendungsgebiete der beiden Arzneimittel weitgehend identisch, weil bei beiden Präparaten die symptomatische Behandlung von Schmerzen und Fieber bei Erkältungskrankheiten als Anwendungsgebiet zugelassen sei. Der Umstand, dass im Anwendungsgebiet von „H. C“ zusätzlich die Symptome „Schnupfen und Reizhusten“ aufgeführt seien, führe nicht zur Änderung des Anwenderkreises. Vielmehr würden diese Symptome gemäß der Fachinformation lediglich beispielhaft für gemeinsam auftretende Beschwerden bei Erkältungskrankheiten genannt, wie das Wort „wie“ zeige. Vielmehr seien die Symptome Fieber und Schmerzen bei Erkältungskrankheiten ausschlaggebend für den Anwenderkreis. Diese seien in fast allen Medikamenten mit analgetischen und antipyretischen Wirkstoffen, die für Erkältungskrankheiten zugelassen seien, aufgeführt.
42Schließlich entspreche die hier beantragte Arzneimittelbezeichnung der aktuellen Bezeichnungsleitlinie der Beklagten vom 20.03.2013, die auf einem risikobasierten Grundsatz beruhe. Danach komme es auf die Unterschiede der Arzneimittel und die Gefahren bei Verwechslung mit einem andersartigen Arzneimittel an. Da es sich hier um vergleichbare Indikationen und ein äußerst geringes Anwendungsrisiko selbst bei Verwechslung handele, sei die gewählte Bezeichnung nicht zu beanstanden.
43Die Gefahr einer versehentlichen Verwechslung der Arzneimittel oder einer Falschdosierung aufgrund unterschiedlicher Dosierungsanweisungen sei aber ohnehin nicht gegeben. Diese Gefahr werde auch nicht dadurch begründet, dass es sich um ein OTC-Präparat handele. Das vorliegende Arzneimittel sei apothekenpflichtig und der Apotheker zur entsprechenden Information und Beratung der Patienten nach der Apothekenbetriebsordnung verpflichtet.
44Da somit eine Irreführung und Gesundheitsgefährdung des Verbrauchers durch die beantragte Arzneimittelbezeichnung ausgeschlossen sei, führe die Versagung der Änderung zu einem rechtswidrigen Eingriff in die Rechte der Klägerin aus Art. 12 und 14 GG.
45Die Klägerin beantragt,
46die Beklage unter Aufhebung des Bescheides des BfArM vom 24.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2012 zu verpflichten, die Zulassungsbescheide für J. 200 mg Filmtabletten (Zulassungsnummer 00000.00.00) und J. 400 mg Filmtabletten (Zulassungsnummer 00000.00.00) entsprechend der Änderungsanzeige der Klägerin vom 08.07.2011 in „H. J1. L. 200 mg Filmtabletten“ und „H. J1. 400 mg Filmtabletten“ zu ändern.
47Die Beklagte beantragt,
48die Klage abzuweisen.
49Sie bleibt bei ihrer Auffassung, die beantragte Änderung der Arzneimittelbezeichnung sei nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AMG zu versagen, da die Verwendung der Familienmarke „H. “ für Ibuprofenhaltige Arzneimittel irreführend im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG sei und gegen das Verbot der gleichen Bezeichnung wirkstoffverschiedener Arzneimittel nach § 25 Abs. 3 AMG verstoße.
50Aus § 29 Abs. 2 AMG ergebe sich nicht die Pflicht der Beklagten, den Zulassungsbescheid hinsichtlich der Arzneimittelbezeichnung ohne eine materiell-rechtliche Prüfung, allein aufgrund des Vorliegens einer Änderungsanzeige zu ändern. Das Prüfungsrecht der Zulassungsbehörde hinsichtlich der Arzneimittelbezeichnung bestehe nicht nur im Zulassungsverfahren, sondern auch im Änderungsverfahren.
51Wegen des Strengeprinzips im Arzneimittelrecht seien die Anforderungen an eindeutige, klare und Verwechslungen ausschließende Arzneimittelbezeichnungen sehr hoch. Seien Arzneimittel einer Serie unter der gleichen Hauptbezeichnung (Dachmarke) im Verkehr, erwarte der verständige, informierte Verbraucher, dass diese den gleichen Wirkstoff enthielten (VG Köln, Urteil vom 12.04.2011 – 7 K 4284/09 – „Fenistil“). Die Arzneimittelbezeichnung müsse auch ohne einen Blick in die Gebrauchsinformation eindeutig und klar sein.
52Für die Beurteilung der vorliegenden Dachmarke und der hieraus folgenden Verwechslungsgefahr seien nur die Arzneimittel mit vergleichbaren Darreichungsformen heranzuziehen, also „H. C“ Hartkapsel und „H. Heißgetränk“. Diese enthielten als einzigen arzneilich wirksamen Bestandteil Paracetamol. Da der Verbraucher die Marke „H. “ kenne, dürfe er erwarten, dass es sich um Paracetamol-haltige Arzneimittel handele. Demgegenüber enthalte das vorliegende Arzneimittel Ibuprofen.
53Der Zusatz „J1. “ im streitgegenständlichen Arzneimittel sei nicht ausreichend unterscheidungskräftig. Er mache nicht deutlich, dass es sich um den einzigen Wirkstoff handele. Aus dem Urteil des VG Köln vom 12.04.2011 ergebe sich gerade nicht, dass der Verbraucher nur bei bestimmten Zusätzen wie „plus“ oder „mit“ erwarte, dass das Arzneimittel weitere Wirkstoffe enthalte. Vielmehr wurde angenommen, dass der Verbraucher auch ohne einen derartigen Zusatz von der Zufügung eines weiteren Wirkstoffs ausgehen könne.
54Aus dem Umstand, dass in zahlreichen Arzneimitteln zur Behandlung von Erkältungskrankheiten verschiedene schmerzstillende und fiebersenkende Wirkstoffe verwendet würden, lasse sich nichts ableiten. Denn diese Wirkstoffe könnten sich durchaus in ihrem Wirk- und Nebenwirkungsprofil sowie dem Anwenderkreis, der Dauer der Anwendung, den Wechselwirkungen, etc. unterscheiden.
55Die Wirkstoffe Paracetamol und Ibuprofen wiesen Unterschiede im Hinblick auf die pharmakotherapeutische Klassifizierung, hinsichtlich der Anwendungsgebiete sowie der möglichen Neben- und Wechselwirkungen auf. Paracetamol gehöre zur Gruppe der „Analgetika und Antipyretika, Anilide, ATC-Code: N02BE01. Ibuprofen sei der Gruppe der nichtsteroidalen Antiphlogistika und Antirheumatika, Propionsäure-Derivate, ATC-Code: M01AE 01 zuzuordnen. Die Wirkstoffe seien hinsichtlich der Wirkungsweise, insbesondere der inflammatorischen Wirksamkeit von Ibuprofen, nicht identisch. Die Anwendungsgebiete von H. C-Hartkapseln, H. Heißgetränk und J. 200 bzw. 400 mg seien unterschiedlich definiert.
56Weil es sich um OTC (over-the-counter)-Präparate handele, bestehe die Gefahr, dass der Anwender die Produkte austausche und die Arzneimittel nacheinander über den Tag oder nacheinander innerhalb der empfohlenen Anwendungsdauer einnehme. Dies sei problematisch im Hinblick auf die Unübersichtlichkeit der möglichen Neben- und Wechselwirkungen. Bei kombinierter Einnahme könne eine Verstärkung der negativen Effekte – auch bei kurzfristiger Einnahme - nicht ausgeschlossen werden. Eine Verwechslung könne zum Auftreten von Analgetika-Asthma unter NSAR (einschließlich Ibuprofen) führen.
57Darüber hinaus bestehe die Gefahr der Doppelt-Einnahme. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einer Überdosierung durch Verdoppelung der Tagesmaximaldosis des streitgegenständlichen Arzneimittels von 1200 mg auf 2400 mg komme, wenn der Anwender dieses entsprechend der Dosierungsempfehlung für „H. C“-Hartkapseln (3 x 2 Hartkapseln) einnehmen würde. Insbesondere steige das Risiko gastrointestinaler Nebenwirkungen mit steigender Ibuprofen-Dosis an. Bei einer Verwechslung der Präparate könne es zu schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Bronchospasmus, Asthma, Rhinitis oder Urtikaria, ungeklärte Blutbildungsstörungen, peptische Ulzera oder Hämorrhagien, gastrointestinale Blutungen oder Perforationen, zerebrovaskulären oder anderen aktiven Blutungen kommen, die bei Paracetamol nicht zu erwarten wären.
58Die aus der Verwechslung der Präparate resultierenden Gefahren könnten auch durch die Beratungspflicht der Apotheker nicht ausgeschlossen werden. Die Beratung werde häufig nicht in Anspruch genommen, insbesondere nicht im Internethandel. Darüber hinaus bewahrten Schmerzpatienten in der Regel noch weitere andere freiverkäufliche Schmerzmittel zu Hause auf und es sei nicht fernliegend, dass sie diese ohne Rücksprache mit Arzt oder Apotheker und über die Dauer von 4 Tagen hinaus gleichzeitig anwendeten. Gerade bei Substanzen mit einem relativ kleinen therapeutischen Fenster, wie Paracetamol, könnten hohe Dosen zu lebensbedrohlichen Leberschäden führen. Auch bei einer kurzzeitigen Anwendung von 4 Tagen könnten schwere allergisch bedingte Nebenwirkungen oder die beschriebenen gastrointestinalen Komplikationen auftreten.
59Der Änderung der Bezeichnung stehe auch § 25 Abs. 3 AMG entgegen, da die Änderung zur Folge hätte, dass unterschiedlich zusammengesetzte Arzneimittel unter der gleichen Hauptbezeichnung im Verkehr wären (VG Köln, Urteil vom 12.04.2011 – 7 K 4284/09 – „Fenistil“). Dieses Urteil sei auch auf den vorliegenden Fall übertragbar, in dem unterschiedlich zusammengesetzte Arzneimittel sogar für denselben Anwendungsbereich unter einer Familienmarke zusammengefasst würden. Für das Merkmal der überragenden Hauptbezeichnung komme es nicht auf den Bekanntheitsgrad des Arzneimittels, sondern darauf an, dass die Hauptbezeichnung den jeweiligen Zusatz überrage (VG Köln, Urteil vom 09.04.2013 – 7 K 2050/11 – „Aktren“).
60Die Versagung der Bezeichnungsänderung gehe demnach nicht über die durch § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG aufgezeigten Grenzen des Irreführungsverbots hinaus und verletze daher auch nicht die Rechte der Klägerin aus Art. 12 und 14 GG.
61Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge sowie die von den Beteiligten ergänzend eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
62E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
63Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Änderung des Zulassungsbescheides hinsichtlich der Bezeichnung der von ihr in den Verkehr gebrachten Arzneimittel J. 200 mg Filmtabletten und J. 400 mg Filmtabletten in „H. J1. L. 200 mg Filmtabletten“ und „H. J1. 400 mg Filmtabletten“ gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 AMG. Der ablehnende Bescheid des BfArM vom 24.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.08.2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
64Die Änderung der Bezeichnung kann weder nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AMG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG noch nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG versagt werden. Die Voraussetzungen der dort genannten Versagungsgründe sind nicht erfüllt.
65Die Verwendung des Bezeichnungsbestandteils „H. “ (sogenannte Dachmarke) für die streitbefangenen ibuprofenhaltigen Arzneimittel verstößt nicht gegen das Irreführungsverbot des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG. Eine Bezeichnung ist irreführend, wenn sie bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise unzutreffende Erwartungen an Art, Qualität, therapeutische Wirksamkeit, Unbedenklichkeit oder sonstige wesentliche Merkmale des Arzneimittels weckt. Angesichts der Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und der mit falschen Erwartungen an ein Arzneimittel verbundenen Gesundheitsrisiken sind an Wahrheit, Eindeutigkeit und Klarheit von Arzneimittelbezeichnungen gegenüber anderen Gütern des Wirtschaftsverkehrs erhöhte Anforderungen zu stellen (sog. Strengeprinzip),
66vgl. OVG NRW, Urteile vom 17.06.2013 – 13 A 1113/11 – „Fenistil“ und vom 12.02.2014 – 13 A 1377/13 – „Aktren“.
67Die Bezeichnung eines Arzneimittels ist nicht nur für die Fachkreise, also für Ärzte, Apotheker sowie Behörden von Bedeutung. Sie ist in besonderem Maß für die Information der Verbraucher wichtig, die typischerweise nicht über qualifizierte medizinische Kenntnisse verfügen. Dies gilt auch für apothekenpflichtige Arzneimittel, da die in den Apotheken bestehende Beratungsmöglichkeit häufig nicht in Anspruch genommen wird. Bezeichnungsbedingte Fehlvorstellungen der Verbraucher können deshalb durch die Beratung des fachlich informierten Apothekers nicht mit hinreichender Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden,
68vgl. OVG NRW, Urteile vom 12.02.2014 – 13 A 1377/13 – „Aktren“, vom 17.06.2013 – 13 A 1113/11 – „Fenistil“ und vom 12.08.2009 – 13 A 2147/06 – „I. E.“.
69Bei der Ermittlung der Verbrauchervorstellung ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen. Dieser geht zu Recht davon aus, dass das Gesundheitswesen einschließlich der Arzneimittelwirtschaft staatlich reguliert und überwacht wird. Er vertraut typischerweise darauf, dass die zugelassene Bezeichnung so eindeutig ist, dass sie keine Fehlvorstellungen bzw. Missverständnisse über das Arzneimittel, oder eine Verwechslung mit einem anderen Arzneimittel auslöst,
70vgl. OVG NRW, Urteile vom 12.02.2014, vom 17.06.2013 und vom 12.08.2009, a.a.O..
71Gemessen an diesen Maßstäben sind bei einer Gesamtbetrachtung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls die Bezeichnungen „H. J1. L. 200 mg“ und „H. J1. 400 mg“ nicht irreführend.
72Zwar ist davon auszugehen, dass der Verbraucher dem Bezeichnungsbestandteil „H. “ besondere Bedeutung beimisst. Hierbei handelt es sich um die Hauptbezeichnung, die aufgrund ihrer Stellung am Anfang des Arzneimittelnamens, ihrer sprachlichen Bedeutung und optischen Hervorhebung auf der Umverpackung (z. B. bei „H. C“ Hartkapseln) besondere Aufmerksamkeit beim Verbraucher hervorruft. Bei einer Dachmarke, die – wie H. – seit mehreren Jahren für eine bestimmte Arzneimittelserie benutzt wird, besteht deshalb grundsätzlich die Gefahr, dass Verbraucher ein dieselbe Hauptbezeichnung führendes (neues) Arzneimittel hinsichtlich seines Anwendungsgebiets und seiner therapeutischen Wirksamkeit der schon bekannten Serie zuordnen und als gleich oder ähnlich wahrnehmen,
73vgl. OVG NRW, Urteile vom 17.06.2013 – 13 A 1113/11 – „Fenistil“ und vom 12.02.2014 – 13 A 1377/13 – „Aktren“.
74Diese gedankliche Verbindung des neuen Arzneimittels mit der eingeführten Dachmarke führt jedoch im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Unterschiede der Arzneimittel und der Gefahren, die bei einer Verwechslung oder einer gedanklichen Übertragung einer Wirksamkeitserfahrung entstehen, nicht zu erheblichen Fehlvorstellungen. Zwar ist die Nutzung einer Dachmarke für ein Arzneimittel mit einem abweichenden Wirkstoff in der Regel irreführend,
75vgl. OVG NRW, Urteile vom 17.06.2013 – 13 A 1113/11 – „Fenistil“ und vom 12.02.2014 – 13 A 1377/13 – „Aktren“ mit weiteren Nachweisen.
76Diese Annahme beruhte aber auf einer bestimmten Fallgestaltung, bei der die Verbrauchererwartung an die Dachmarke an einen bestimmten Wirkstoff bzw. Wirkmechanismus geknüpft ist, weil die Marke von diesem Wirkstoff und die davon ausgehende Wirksamkeit in bestimmten Krankheitsfällen in der Verbraucherwahrnehmung geprägt wird,
77vgl. VG Köln, Urteil vom 12.04.2011 – 7 K 4284/09 – „Fenistil“.
78Der vorliegende Fall ist abweichend zu beurteilen, weil die Dachmarke „H. “ nicht durch einen bestimmten Wirkstoff geprägt wird, sondern durch ein Anwendungsgebiet, nämlich das Anwendungsgebiet „Erkältungskrankheiten“. Insbesondere wird die Dachmarke – im Gegensatz zu der Beurteilung des BfArM – aus der Sicht des Verbrauchers nicht durch den Wirkstoff „Paracetamol“ gekennzeichnet.
79Dies ergibt sich zunächst bereits aus der Wortbedeutung der verwendeten Dachmarke „H. “. Hierbei handelt es sich nicht um eine Wirkstoffbezeichnung, sondern um einen zusammengesetzten Begriff, der im ersten Teil mit „H1. “ an das Anwendungsgebiet „Erkältungskrankheiten“ anknüpft. Denn in Verbraucherkreisen wird häufig nicht zwischen der echten Virusgrippe (Influenza) und einer einfachen Erkältungskrankheit unterschieden. Vielmehr wird auch die Erkältung häufig als Grippe oder als grippaler Infekt bezeichnet. Der zweite Teil „T. “ greift den Namen des pharmazeutischen Unternehmers, T1. GmbH, auf. Demnach wird durch die in der Dachmarke verwendeten Begriffe eine Verbrauchervorstellung hervorgerufen, die H. -Produkte als Arzneimittel zur Behandlung von Erkältungskrankheiten einordnet, die von einem bestimmten Pharma-Unternehmen in den Verkehr gebracht werden.
80Die Verbindung von „H. “-Produkten zu Erkältungskrankheiten wird durch die Gestaltung der Umverpackung, der Gebrauchsinformation und dem Internetauftritt der „H. “-Produktserie verstärkt. Beispielsweise wird auf der Vorderseite der Umverpackung der „H. C“ Hartkapsel, die dem Verbraucher als erstes ins Auge fällt, neben der Arzneimittelbezeichnung zuerst der Verwendungszweck genannt: „Gegen grippale Infekte und Erkältungskrankheiten“. Von den Wirkstoffen wird im Anschluss nur das Vitamin C aufgeführt: „mit Vitamin C“. Die übrigen drei Wirkstoffe, insbesondere Paracetamol, sind auf der Vorderseite der äußeren Umhüllung nicht genannt.
81Auch im Freitext am Ende der Gebrauchsinformation von „H. C“ Hartkapsel und auf der Internetseite der Klägerin zu „H. C“ werden direkt am Anfang der Erläuterungen zunächst die Ursachen und Symptome von Erkältungskrankheiten beschrieben, bevor die Wirkstoffe erwähnt werden. Auf der Internetseite zur Produktserie „H. “ wird unter den Zusatzinformationen die Behandlung von Erkältungskrankheiten in den Vordergrund gestellt („Guter Rat bei Erkältungen“, „Welcher Erkältungstyp sind Sie“) und durch entsprechende Winterbilder ergänzt.
82Die übrigen Produkte der Reihe, die für die Ermittlung der Verbrauchervorstellung des übergeordneten Begriffs „H. “ ebenfalls herangezogen werden können, weisen zum Teil schon in der Arzneimittelbezeichnung selbst auf die Anwendung bei Erkältungskrankheiten hin („H. Erkältungsbad“, „H. Erkältungsbalsam“).
83Demnach wird durch die Vermarktung ein Verbraucherbild gefördert, dass die „H. “-Serie mit Erkältungsmitteln verbindet, aber nicht mit bestimmten Wirkstoffen oder einem bestimmten Wirkstoff. Gegen die Assoziation von „H. “ mit dem Wirkstoff Paracetamol spricht darüber hinaus, dass es sich bei dem vom BfArM zum Vergleich herangezogenen Produkt „H. C Hartkapsel“ nicht um ein Monopräparat handelt, dass seit Jahren mit ein- und demselben bekannten Wirkstoff im Verkehr ist. Vielmehr handelt es sich um ein Kombinationsprodukt aus 4 arzneilich wirksamen Bestandteilen, das neben Paracetamol noch Vitamin C, Coffein und Chlorphenaminmaleat enthält. In diesem Fall ist nicht anzunehmen, dass der durchschnittliche Verbraucher die Anzahl oder Art der enthaltenen Wirkstoffe kennt, wie die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt hat. Allenfalls wird dem Verbraucher bei der Marke „H. “ der Bestandteil Vitamin C geläufig sein, weil dieser auf der Umverpackung deutlich hervorgehoben ist und als einziger Wirkstoff auf der Vorderseite in Erscheinung tritt.
84Ferner kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die übrigen Präparate der „H. “-Reihe eine jeweils unterschiedliche Zusammensetzung der Wirkstoffe aufweisen. Nur „H. C“ Hartkapsel und „H. Heißgetränk“ enthalten Paracetamol. Die anderen Produkte haben eine andere Darreichungsform (Erkältungsbad, Erkältungsbalsam), werden nicht oral, sondern äußerlich angewendet und enthalten unterschiedliche ätherische Öle. Die verschiedenen Produktqualitäten verhindern, dass der Verbraucher mit „H. “ einen bestimmten Wirkstoff in Zusammenhang bringt, sondern lassen als gemeinsames Merkmal nur die Anwendung bei Erkältungskrankheiten zu.
85Selbst wenn der Verbraucher bei dem vom BfArM in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellten Arzneimittel „H. C“ Hartkapsel in erster Linie an ein Schmerz- und Fiebermittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten denken würde, wäre die Verbrauchererwartung nicht auf das Schmerzmittel „Paracetamol“ beschränkt. Es gibt auf dem Arzneimittelmarkt eine Fülle von Erkältungsmitteln, die einen schmerzstillenden und fiebersenkenden Wirkstoff enthalten. Bei diesem Wirkstoff kann es sich jedoch auch um Acetylsalicylsäure (ASS) oder Ibuprofen handeln. Dies hat die Klägerin durch die Vorlage einer Liste dieser Arzneimittel umfänglich dargelegt, vgl. Anlage K 8, Beiakte 1. Umgekehrt sind Erkältungsmittel unter anderen Dachmarken im Verkehr, die ebenfalls den Wirkstoff Paracetamol enthalten, z.B. die Wick-Produkte. Demnach ist die Dachmarke „H. “ aus der Verbrauchersicht nicht exklusiv mit dem Wirkstoff Paracetamol verknüpft.
86Erzeugt der Markenname somit nur eine Assoziation mit dem Anwendungsgebiet „Erkältungskrankheiten“, liegt keine Irreführung des Verbrauchers aufgrund der Erwartung eines bestimmten Wirkstoffs vor.
87Entgegen der Darstellung der BfArM ist auch nicht anzunehmen, dass ein verständiger und aufmerksamer Verbraucher die Produkte „H. J1. Filmtabletten“ mit der „H. C Hartkapsel“ verwechselt, weil er annimmt, die beiden Produkte seien identisch. Die Vorstellung, dass es sich um identische Arzneimittel handelt, wird sowohl durch die unterschiedlichen Zusätze, nämlich zum einen „C“ und zum anderen „J1. “, als auch durch die unterschiedliche Darreichungsform, zum einen Hartkapseln und zum anderen Filmtabletten, ausgeschlossen. Der Gesetzgeber geht in der Vorschrift des § 105 Abs. 3a Satz 3 AMG selbst davon aus, dass unterschiedliche Zusätze generell geeignet sind, wirkstoffveränderte Arzneimittel von dem bisherigen Produkt auch bei weiterer Verwendung der Hauptbezeichnung zu unterscheiden. Es gibt keinen Grund dafür, dass ein aufmerksamer Verbraucher diese unterschiedlichen Zusätze und Darreichungsformen einfach ignoriert oder übersieht. Der Zusatz „J1. “ fällt vielmehr gegenüber der Hauptbezeichnung „H. “ sowohl wegen seiner Wortlänge als auch wegen seiner Bedeutung als geläufige Wirkstoffbezeichnung ins Gewicht. Der in zahlreichen Schmerzmitteln enthaltene Wirkstoff Ibuprofen ist dem aufmerksamen Verbraucher bekannt, da er insbesondere bei Generika häufig im Arzneimittelnamen auftaucht (z.B. Ibu-ratiopharm, Ibu-hexal). Es handelt sich damit um einen deutlich unterscheidenden Zusatz, der Verwechslungen mit dem bisherigen Produkt „H. C Hartkapsel“ ausschließt.
88Auch die Annahme des BfArM, der durchschnittliche Verbraucher nehme bei einer zusammengesetzten Produktbezeichnung an, es handele sich bei dem neuen Präparat „H. J1. “ um ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Paracetamol plus Ibuprofen bzw. um ein Arzneimittel mit allen Wirkstoffen von „H. C Hartkapsel“ plus Ibuprofen, und gehe somit von einer Teilidentität aus, kann nicht überzeugen. Eine Verbrauchererwartung, dass ein mehrteiliger Arzneimittelname stets auf zwei oder mehr Wirkstoffe hinweist, nämlich den Wirkstoff/ die Wirkstoffe der Dachmarke und den im Zusatz bezeichneten Wirkstoff, existiert nicht,
89vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.02.2014 – 13 A 1377/13 – „Aktren“.
90Dies gilt insbesondere dann, wenn die Hauptbezeichnung – wie hier – nicht an einen bestimmten Wirkstoff geknüpft ist, sondern an ein Anwendungsgebiet. Vielmehr wird die Verbrauchererwartung, wie ausgeführt, durch die zahlreichen am Markt vorhandenen Erkältungsmittel beeinflusst, die unterschiedliche Wirkstoffe als Monopräparat oder Kombinationspräparate enthalten, vgl. Anlage K8, Beiakte 1. Daher stehen gerade bei Arzneimitteln zur Behandlung von Erkältungskrankheiten nicht bestimmte Wirkstoffe im Vordergrund des Patienteninteresses, sondern der Verwendungszweck. Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein und der Patient Wert auf einen bestimmten Wirkstoff legen, wird er durch den Zusatz „J1. “ in „H. J1. “ in ausreichender Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass sich das neue Arzneimittel hinsichtlich der Wirkstoffzusammensetzung von dem bisher bekannten „H. C“ jedenfalls teilweise unterscheidet. In diesem Fall wird sich ein aufmerksamer Verbraucher durch einen kurzen Blick auf die Wirkstoffangabe auf der Umverpackung über den oder die enthaltenen Wirkstoffe informieren.
91Da somit von einem durchschnittlichen Verbraucher erwartet werden kann, dass er „H. C“ und „H. J1. “ als unterschiedliche Arzneimittel wahrnimmt, erscheinen die Gefahren, die das BfArM aus einer Verwechslung der beiden Präparate herleiten will, fernliegend. Es kann weder nachvollzogen werden, warum ein Verbraucher die beiden Präparate nacheinander, insbesondere abwechselnd einnehmen sollte, oder warum er beide Arzneimittel gleichzeitig einsetzen sollte. Ebenso wenig kann erwartet werden, dass ein Verbraucher das neue Arzneimittel „H. J1. “ mit der Dosierungsangabe des bisherigen Arzneimittels „H. C“ verbinden sollte. Ein derartiges Verhalten wäre mit dem Verbraucherleitbild eines durchschnittlichen vernünftigen Verbrauchers nicht zu vereinbaren.
92Vielmehr kann von diesem erwartet werden, dass er zwei Arzneimittel, die er als unterschiedlich erkannt hat, nicht wahllos kombiniert, sondern sich vor der Einnahme zunächst in der Packungsbeilage über die Einnahmemodalitäten vergewissert. Dort wird er dazu aufgefordert, beim Arzt oder Apotheker nachzufragen, wenn er vor kurzem andere Arzneimittel eingenommen hat oder noch einnimmt. Unabhängig davon dürfte es inzwischen vielen Verbrauchern bekannt sein, dass es Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Wirkstoffen gibt und dass die gleichzeitige Einnahme mehrerer Arzneimittel zu gefährlichen Überdosierungen oder Wirksamkeitsverlust führen kann. Auf diese Wechselwirkungen wird in jeder Gebrauchsinformation und auch in bekannten Informationsquellen im Internet hingewiesen,
93vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 c AMG; „Wechselwirkungs-Check“ auf www.apotheken-umschau.de.
94Auch die Vorstellung, ein Verbraucher könnte das Arzneimittel „H. J1. “ wie das bekannte Arzneimittel „H. C“ dosieren, nämlich 3 x 2 Filmtabletten anstelle von 3 x 1 Filmtablette, setzt voraus, dass der Anwender die Dosierungsanleitung in der Gebrauchsinformation des eingenommenen Arzneimittels nicht liest oder nicht beachtet und auch durch die unterschiedliche Darreichungsform (Filmtablette statt Hartkapsel) nicht gewarnt wird. Eine derartige Fehlanwendung kann zwar nie ausgeschlossen werden, wäre aber nicht auf eine missverständliche Arzneimittelbezeichnung, sondern auf einen sorglosen Umgang mit Arzneimitteln zurückzuführen, die nicht dem aktuellen Verbraucherleitbild entspricht. Ein aufmerksamer Verbraucher geht nicht davon aus, dass alle Arzneimittel einer Markenserie hinsichtlich der Wirkstoffmenge und der Dosierung gleich sind,
95vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.02.2014 – 13 A 1377/13 – „Aktren“.
96Vielmehr unterscheiden sich Arzneimittel einer Markenserie gerade typischerweise durch die Stärke (Arzneimittelmenge pro abgeteilter Arzneiform, z. B. Ibu-ratiopharm 200 mg akut, Ibu-ratiopharm 400 mg akut, Ibu-ratiopharm 600 mg, Ibu-ratiopharm 800 mg). Dies steht der Annahme entgegen, man könne die Dosierungen ohne weiteres austauschen.
97Schließlich erweist sich die Vorstellung des BfArM als unrealistisch, ein Patient mit einer Analgetika-Allergie, insbesondere gegenüber Ibuprofen, könnte irrtümlich „H. J1. “ einnehmen, weil er meint, es enthalte nur Paracetamol. Verbraucher mit Arzneimittelallergien achten wegen der ihnen bekannten und gefährlichen Nebenwirkungen sehr genau darauf, welche arzneilichen Wirkstoffe sie zu sich nehmen. Dass sie trotz der Angabe „J1. “ im Arzneimittelnamen annehmen, dieses enthalte nur Paracetamol, erscheint abwegig.
98Da die Kammer eine Verwechslungsgefahr zwischen „H. C“ und „H. J1. “ aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles bei einem durchschnittlichen Konsumenten ausschließt, resultieren auch keine Gesundheitsgefahren aufgrund teilweise unterschiedlicher Gegenanzeigen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen der beiden Präparate. Selbst wenn man aber eine Verwechslungsgefahr bejahen würde, dürften die dann zu erwartenden Gesundheitsgefahren eher geringfügig sein. Die Klägerin hat überzeugend vorgetragen und belegt, dass bei einer Anwendung von „H. J1. “ anstelle von „H. C“ (mit Paracetamol) wegen der empfohlenen kurzzeitigen Einnahme von 4 Tagen nicht mit einer substantiellen Zunahme von Nebenwirkungen zu rechnen wäre. Aus den vorgelegten Vergleichs-Studien ergibt sich, dass bei einer alternativen Anwendung von Ibuprofen und Paracetamol im vorliegenden niedrigen und nicht verschreibungspflichtigen Dosisbereich und bei Kurzzeitanwendung die Nebenwirkungsraten bei beiden Substanzen gering und in vergleichbarer Höhe waren,
99vgl. Rainsford, K.D., „ Ibuprofen: pharmacology, efficacy and safety“, in: Inflammopharmacology 2009, 275 – 342 (Anlage K 11); Moore N. et al., “Tolerability of ibuprofen, aspirin and paracetamol for the treatment of cold and flu symptoms and sore throat pain”, in IJCP 2002, 732 ff. (Anlage K 12); Hay, A.D. et al., “Paracetamol plus ibuprofen for the treatment of fever in children (PITCH), BMJ 2008, 337 (Anlage K15); Doherty M., et al., “A randomized controlled trial of ibuprofen, paracetamol or a combination tablet of ibuprofen/paracetamol in community-derived people with knee pain”, Ann Rheum dis 2011 (70), 1534 ff. (Anlage K 16); alle in Beiakte 12.
100Diesen Vortrag hat die Beklagte nicht substantiiert bestritten. Sie räumt ein, dass das Nebenwirkungsprofil der beiden Substanzen ähnlich ist, mit Ausnahme der Häufigkeit und Schwere der gastro-intestinalen Nebenwirkungen (Schriftsatz vom 10.05.2013, S. 4, Bl. 60 d.A.). Auf die Tatsache, dass das Risiko für die Schädigung des Gastro-Intestinal-Traktes nachweislich von der Dosierung und der Anwendungsdauer abhängig ist (vgl. Gebrauchsinformation J. 400 mg, Anlage K19, Beiakte 12), geht sie aber nicht ein. Sie verweist im Wesentlichen auf die Gegenanzeigen für die Anwendung von J. 400 mg (Anlage K20 Beiakte 12). Die dort genannten, z. T. schwerwiegenden Störungen (bekannte Reaktionen von Bronchospasmus, Asthma, Rhinitis, Urtikaria; ungeklärte Blutbildungsstörungen, bestehende oder wiederholt aufgetretene peptische Ulzera oder Hämorrhagien, gastrointestinale Blutungen oder Perforationen nach früherer Arzneimitteltherapie, zerebrovaskuläre oder andere aktive Blutungen) sind jedoch nicht mit den Nebenwirkungen des Arzneimittels gleichzusetzen, sondern bezeichnen die Indikationen, bei denen das Arzneimittel nicht angewendet werden darf. Eine Verwechslungsgefahr ist aber gerade bei Patienten, die unter den genannten Störungen leiden, gering, weil diese wegen ihrer Vorerkrankungen oder Unverträglichkeiten eine Arzneimitteleinnahme üblicherweise gründlich prüfen und auf magenschädliche Wirkstoffe wie Ibuprofen achten. Im Übrigen leitet die Beklagte die Gesundheitsgefahren nicht aus dem Austausch der Arzneimittel ab, sondern im Wesentlichen aus einer Kombination beider Mittel oder einer doppelten Dosierung, und damit aus Fehlanwendungen, die – wie ausgeführt – wenig wahrscheinlich sind.
101Schließlich wird der Verbraucher auch nicht dadurch in die Irre geführt, dass er dem neuen Arzneimittel „H. J1. “ eine gleiche oder ähnliche therapeutische Wirksamkeit bei Erkältungskrankheiten wie „H. C“ zumisst. Eine Fehlvorstellung in der Art, dass der Patient von einer komplett identischen Wirkung ausgeht, ist nicht zu erwarten. Denn der Käufer des Arzneimittels wird durch den Bezeichnungszusatz „J1. “ auf einen anderen Wirkstoff hingewiesen, der sich zwangsläufig auf die Wirksamkeit auswirken muss.
102Soweit der Verbraucher aus der Verwendung der Dachmarke „H. “ auf eine ähnliche Wirkung bei Erkältungskrankheiten schließt, wäre diese Erwartung berechtigt. Beide Arzneimittel sind mit dem Anwendungsgebiet der Behandlung von Schmerzen und Fieber im Rahmen von Erkältungskrankheiten zugelassen. Soweit das Anwendungsgebiet von „H. C“ darüber hinausgehend auch noch die Symptome „Schnupfen und Reizhusten“ aufführt, bewirkt dies keinen erheblichen Unterschied der Anwendungsgebiete. Es ist zwar anzunehmen, dass „H. C“ besser gegen diese beiden Symptome wirkt, weil es den Wirkstoff „Chlorphenaminmaleat“ enthält, für den eine abschwellende Wirkung auf die Nasenschleimhaut und eine reizlindernde Wirkung auf den Hustenreiz beansprucht wird. Ein vergleichbarer Wirkstoff ist in „H. J1. “, das nur Ibuprofen enthält, nicht vorhanden.
103Diese speziellen Symptome stehen jedoch bei der Beurteilung der Verbrauchererwartung an ein Erkältungsmittel nicht im Vordergrund. Vielmehr sprechen die Anwendungsgebiete beider Medikamente einen Patienten an, der an einer Erkältungskrankheit leidet, die sich typischerweise durch das gleichzeitige oder nacheinander erfolgende Auftreten verschiedener Symptome auszeichnet und ein Medikament sucht, das die Erkältung insgesamt erleichtert. Die Symptome „Schnupfen und Reizhusten“ werden im Anwendungsgebiet von „H. C“ nur als Beispiele für Beschwerden einer Erkältungskrankheit genannt. Sie können, müssen aber nicht vorliegen. Beispielsweise beansprucht „H. C“ auch eine Wirksamkeit bei Erkältungen, die beispielsweise nur mit Halsschmerzen, nicht aber mit Schnupfen oder Reizhusten, verbunden sind. Patienten, die in erster Linie ihren Schnupfen oder Reizhusten lindern wollen, werden in der Regel andere Medikamente bevorzugen, deren Wirksamkeit sich speziell auf diese Symptome bezieht, wie beispielsweise ein Nasenspray oder einen Hustensaft.
104Im Hinblick auf die im Mittelpunkt des Anwendungsgebietes stehenden Symptome „Schmerzen“ und „Fieber“ wird aber die Erwartung einer ähnlichen oder vergleichbaren Wirkung erfüllt. Die Wirkstoffe Paracetamol und Ibuprofen haben im Rahmen des zugelassenen Anwendungsgebiets eine vergleichbare therapeutische Wirksamkeit. Beide Wirkstoffe wirken schmerzstillend und fiebersenkend. Der Umstand, dass Ibuprofen darüber hinaus eine entzündungshemmende Wirkung entfaltet, ist nicht geeignet, eine Verbrauchertäuschung zu begründen. Denn diese Wirkung bringt dem Anwender möglicherweise einen zusätzlichen Nutzen bei Erkältungskrankheiten, sodass ein Schutzbedürfnis des Verbrauchers vor einer Irreführung insoweit nicht besteht.
105Nicht entscheidend ist im vorliegenden Fall, dass die beiden Wirkstoffe Unterschiede in ihrem Wirkmechanismus aufweisen. Ibuprofen gehört zur Wirkstoffklasse der nichtselektiven NSAR (nicht steroidalen Antirheumatika). Es blockiert durch die Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase (COX) die Prostaglandinsynthese und vermindert damit die für die Vermittlung des Schmerzempfindens und des Entzündungsprozesses verantwortlichen Botenstoffe. Dagegen gehört Paracetamol zur Gruppe der Nichtopioid-Analgetika. Der Wirkmechanismus von Paracetamol ist nicht genau bekannt. Neben einer schwachen Hemmung der peripheren Prostaglandinsynthese und einer starken Hemmung der cerebralen Prostaglandinsynthese werden auch Wechselwirkungen mit dem Serotoninsystem und dem Endocannabinoidsystem diskutiert (Wikipedia: „Paracetamol“ und „Ibuprofen“ und Schriftsatz des BfArM vom 21.08.2013, S. 2, Bl. 73 d.A.).
106Für die Verbrauchererwartung an ein Erkältungsmittel ist jedoch nicht der genaue pharmakologische Wirkmechanismus maßgeblich, sondern die effektive Bekämpfung der Beschwerden Schmerzen und Fieber. Hinsichtlich dieser Symptome ist aber durch klinische Studien belegt, dass Paracetamol und Ibuprofen sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern vergleichbare therapeutische Effekte haben; hinsichtlich der Fiebersenkung bei Kindern scheint Ibuprofen sogar eine leichte Überlegenheit zu haben,
107vgl. Rainsford, K.D. : „ Ibuprofen : pharmacology, efficacy and safety“, in: Inflammopharmacology 2009 (17), 275 – 342 (Anlage K 11); Hay, A.D. et al.: “Paracetamol plus ibuprofen for the treatment of fever in children (PITCH)”, in: BMJ 2008, 337 (Anlage K 15), in Beiakte 12.
108Demgegenüber scheint das Risikoprofil der Substanzen Paracetamol und Ibuprofen und damit die Verträglichkeit der Arzneimittel „H. C“ und „H. J1. “ neben einer weitgehenden Übereinstimmung (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 10.05.2013, S. 4, Bl. 60 d. A.), auch einige Unterschiede aufzuweisen. Während bei paracetamolhaltigen Arzneimitteln in erster Linie eine lebertoxische Wirkung bei Überdosierung auftreten kann, stehen bei ibuprofenhaltigen Mitteln mit steigender Dosierung und Anwendungsdauer die gastro-intestinalen Nebenwirkungen, wie Blutung, Ulzeration (Geschwürbildung) und Perforation (Durchbruch), im Vordergrund.
109Auch diese Unterschiede zwischen den Arzneimitteln führen jedoch nicht zu einer Fehlvorstellung des Verbrauchers über wesentliche Arzneimitteleigenschaften. Es kann nicht festgestellt werden, dass an die Verwendung einer bestimmten Dachmarke neben der Erwartung einer gleichartigen therapeutischen Wirksamkeit in dem angesprochenen Anwendungsgebiet auch die Erwartung eines gleichartigen Risikoprofils geknüpft ist. Ein durchschnittlicher Patient (ohne Vorerkrankungen oder Unverträglichkeiten) verknüpft mit einer Hauptbezeichnung wie „H. “ in erster Linie eine Wirksamkeit bei Erkältungsbeschwerden. Im Übrigen geht er davon aus, dass ein zugelassenes Arzneimittel verträglich ist, ohne sich über die Art und Schwere der möglichen Nebenwirkungen weitere Gedanken zu machen. Die Vorstellung, dass ein Verbraucher von verschiedenen Arzneimitteln mit einer einheitlichen Hauptbezeichnung ein gleiches Risikoprofil erwartet, ist daher eher fernliegend. Dagegen spricht schon, dass Arzneimittel einer Serie, wie bereits ausgeführt, häufig unterschiedliche Stärken oder Darreichungsformen aufweisen, aus denen sich unterschiedliche Risiken ergeben können. Hier kommt hinzu, dass das neu hinzugekommene Arzneimittel „H. J1. “ sich in der Wirkstoffzusammensetzung unterscheidet. Ein verständiger Verbraucher wird daher nicht annehmen, dass diese unterschiedlichen Arzneimittel trotz einheitlicher Hauptbezeichnung die gleichen Nebenwirkungen haben. Daher liegt im Hinblick auf das unterschiedliche Risikoprofil eine Irreführung des Verbrauchers nicht vor.
110Die Arzneimittelbezeichnung „H. J1. L. 200 mg“ verstößt auch nicht im Hinblick auf den Bezeichnungsteil „L. “ gegen das Irreführungsverbot des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erstmalig vorgetragen hat, dieser Zusatz sei missverständlich, weil er eine Anwendung für alle Kinder vortäusche, kann dem nicht gefolgt werden. Zutreffend ist, dass das oben genannte Arzneimittel eine Gegenanzeige für Kinder unter 20 kg Körpergewicht bzw. unter 6 Jahren enthält und damit bei dieser Personengruppe nicht anwendbar ist.
111Jedoch erzeugt der Zusatz „L. “ in der Arzneimittelbezeichnung nicht die Vorstellung, dass das Arzneimittel für alle Kinder, und somit auch für Kinder von 0 bis 6 Jahren geeignet sei. Ebenso wenig wie die Arzneimittelbezeichnung eine vollständige Beschreibung der Anwendungsgebiete enthalten muss,
112vgl. VG Köln, Urteil vom 02.09.2014 – 7 K 4739/12 – „proff Schmerz-Salbe“,
113kann die Bezeichnung eine genaue Angabe der Personengruppen enthalten, für die das Arzneimittel zugelassen ist. Dies ist vielmehr die Funktion der Hinweise in der Gebrauchsinformation unter dem Punkt 2. „Was müssen Sie vor der Einnahme von J. beachten?“, die die ausgeschlossenen Personengruppen benennt und darunter auch Kinder unter 20 kg Körpergewicht bzw. unter 6 Jahren aufführt (Gegenanzeigen).
114Die Arzneimittelbezeichnung mit dem Zusatz „L. “ bietet nur eine grobe Orientierung für die Entscheidung, ob ein Arzneimittel auch bei Kindern angewendet werden kann. Sie erspart nicht die genaue Überprüfung, für welche Altersgruppen sich das Arzneimittel eignet und wie es zu dosieren ist. Ein durchschnittlicher, verständiger Verbraucher, der ein Arzneimittel für sein Kind erwerben will, wird besondere Aufmerksamkeit auf diesen Punkt richten und gegebenenfalls sogar eine Beratung beim Arzt oder Apotheker in Anspruch nehmen. Es dürfte in weiten Verbraucherkreisen bekannt sein, dass Kinder besonders empfindlich auf Arzneimittel reagieren und dass es wegen des unterschiedlichen Körpergewichts auch Unterschiede in der Arzneimittelanwendung zwischen Säuglingen und Kindern von 12 Jahren gibt. Spätestens bei der Frage, wie das Arzneimittel zu dosieren ist, muss sich der Anwender mit der Dosierungsanleitung in der Gebrauchsinformation befassen, die keine Dosierungsangabe für Kinder unter 6 Jahren enthält. Eine Fehlanwendung bei Kindern unter 6 Jahren erscheint daher nicht wahrscheinlich.
115Diese Auffassung wird auch durch die Regelung in § 10 Abs. 1 Nr. 2 AMG gestützt. Danach muss auf dem Behältnis und der äußeren Umhüllung eines Arzneimittels neben der Bezeichnung des Arzneimittels ein Hinweis stehen, dass das Arzneimittel für Säuglinge, Kinder oder Erwachsene bestimmt ist, es sei denn, dass diese Angaben bereits in der Bezeichnung enthalten sind. Daraus ist abzuleiten, dass der Hinweis auf die Anwendbarkeit bei Kindern in der Bezeichnung enthalten sein darf, und zwar ohne dass hier bereits nach dem Alter der Kinder zu differenzieren ist.
116Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass eine Verwechslung des Präparates „H. C Hartkapsel“ mit dem Präparat „H. J1. L. 200 mg“ auch wegen des unterscheidenden Zusatzes „L. “ ausgeschlossen sein dürfte.
117Die beantragte Bezeichnungsänderung der streitgegenständlichen Arzneimittel kann auch nicht nach § 25 Abs. 3 AMG versagt werden. Nach dieser Vorschrift ist die Zulassung für ein Arzneimittel zu versagen, das sich von einem zugelassenen oder bereits im Verkehr befindlichen Arzneimittel gleicher Bezeichnung in der Art oder der Menge des Wirkstoffs unterscheidet. Diese Anforderungen gelten auch bei der Änderung von Arzneimitteln nach § 29 Abs. 2 AMG. Die hier zu vergleichenden Arzneimittel „H. C Hartkapsel“ einerseits und „H. J1. 400 mg Filmtabletten“ und „H. J1. L. 200 mg Filmtabletten“ andererseits weisen jedoch nicht die „gleiche Bezeichnung“ im Sinne des § 25 Abs. 3 AMG auf. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Arzneimittel die gleiche „Hauptbezeichnung“, nämlich „H. “ tragen. Vielmehr ist für die Feststellung einer gleichen Bezeichnung auf die gesamte Bezeichnung einschließlich aller Zusätze abzustellen, die wortlautidentisch und vollständig übereinstimmen müssen,
118vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.02.2014 - 13 A 1377/13 – „Aktren“ mit weiteren Nachweisen.
119An der entgegenstehenden Auffassung, die die Kammer im Urteil vom 12.04.2011 – 7 K 4284/09 – „Fenistil“ vertreten hat, wird aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht mehr festgehalten.
120Da die genannten Versagungsgründe nicht eingreifen, war die Beklagte somit zur beantragten Änderung der Arzneimittelbezeichnung im Zulassungsbescheid zu verpflichten.
121Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. April 2013 geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 8. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2011 verpflichtet, die Arzneimittelbezeichnung im Zulassungsbescheid vom 16. Juni 1998 (Zulassungs-Nr. 38459.00.00) von „B1. " in „B. Naproxen" zu ändern.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist Inhaberin der mit Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 16. Juni 1998 erteilten Zulassung für das apothekenpflichtige Fertigarzneimittel „B1. " (Zulassungs-Nr. …). Das schmerzstillende, fiebersenkende und entzündungshemmende Antiphlogistikum/Analgetikum ist für die Anwendungsgebiete „leichte bis mäßig starke Schmerzen“ und „Fieber" zugelassen. Wirkstoff ist „Naproxen-Natrium", 220 mg je Filmtablette.
3Mit am 14. Juni 2010 eingegangener Änderungsanzeige vom 11. Juni 2010 zeigte die Klägerin die Änderung der Arzneimittelbezeichnung von „B1. " in „B. Naproxen" an. Monoarzneimittel mit dem Bezeichnungsbestandteil „B. " sind nach ihren Angaben seit 1989 auf dem Markt, derzeit in Deutschland, Österreich und Polen. Sie enthalten jeweils den Wirkstoff Ibuprofen und sind zur symptomatischen Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen wie Kopf-, Zahn- oder Regelschmerzen sowie bei Fieber zugelassen („B. ", „B. forte", „B. mobil"; „B. spezial" auch zur Behandlung akuter Kopfschmerzen bei Migräne mit und ohne Aura). Eine Umsetzung der Bezeichnungsänderung ist durch die Klägerin bislang nicht erfolgt.
4Mit Schreiben vom 26. Juli 2010 teilte das BfArM der Klägerin mit, es halte die Änderung für unzulässig, und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Bezeichnung verstoße gegen das Irreführungsverbot des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG, da sie geeignet sei, bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise Fehlvorstellungen über wesentliche Eigenschaften des Präparats zu wecken. Mit Blick auf die Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und die hohe Werbewirkung gesundheitsbezogener Aussagen seien an den Ausschluss einer Irreführung hohe Maßstäbe anzulegen. Die Bezeichnung „B. " betreffe eine für mehrere Monoarzneimittel verwendete Marke, die der Verbraucher mit dem Wirkstoff „Ibuprofen" in Verbindung bringe. Dieser Verbrauchererwartung werde nicht entsprochen, wenn „B1. " zukünftig als „B. Naproxen" erhältlich sei. Für einen Teil der Verbraucher sei anzunehmen, dass sie den Zusatz „Naproxen" ignorierten oder nicht als Hinweis auf einen Wirkstoff wahrnähmen und „B. Naproxen" in der Erwartung kauften, das Präparat enthalte weiterhin Ibuprofen. Zudem sei die Vorstellung möglich, dass „B. Naproxen" neben Naproxen auch Ibuprofen enthalte. Mit dem Versuch, das in Bezug auf die Marke „B. " bestehende Verbrauchervertrauen auf das Arzneimittel zu übertragen, betreibe die Klägerin eine „positive Rufausbeutung", die mit dem Irreführungsverbot nicht vereinbar sei. Die Bezeichnungsänderung verstoße auch gegen den in § 25 Abs. 3 AMG enthaltenen Rechtsgedanken, der als Konkretisierung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG zu sehen sei. Denn es werde gegen die gängige Verbrauchererwartung verstoßen, dass unter einer bestimmten Arzneimittelbezeichnung nur ein Wirkstoff oder eine fixe Wirkstoffkombination vermarktet werde. Mit Schreiben vom 17. August 2010 vertrat die Klägerin die Auffassung, dass sich die Bezeichnung „B. Naproxen" deutlich genug von anderen unterscheide. Zudem verwies sie auf die Wirkstoffangaben auf der Faltschachtel und im Beipackzettel.
5Durch Bescheid vom 8. September 2010 stellte das BfArM fest, dass das Arzneimittel nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG irreführend bezeichnet sei, und wiederholte die Begründung des Anhörungsschreibens. Eine Änderung des Zulassungsbescheids nach § 29 Abs. 2 AMG bzw. der Zulassungsunterlagen gemäß § 22 AMG werde nicht vorgenommen. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies das BfArM durch Widerspruchsbescheid vom 16. März 2011 zurück.
6Die Klägerin hat am 8. April 2011 beim Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Die getroffene Feststellung sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Grundrechten auf Meinungs- und Berufsfreiheit sowie in ihrem Eigentumsrecht. Im Bereich nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR) gebe es bereits zahlreiche Dachmarken vergleichbarer
7Art, bei denen unter einer Hauptbezeichnung verschiedene Wirkstoffe vermarktet würden (z. B. „E. ®" oder „O. ®"). Auf dem deutschen Markt existiere eine sehr große Anzahl Ibuprofen-haltiger Arzneimittel, die entweder Phantasie-Bezeichnungen oder die Wirkstoffbezeichnung trügen. Ein Verstoß gegen § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG sei schon deshalb nicht gegeben, weil kein anderes Arzneimittel mit der vollständig identischen Bezeichnung „B. Naproxen" auf dem Markt sei und deshalb keine Verwechselungsgefahr bestehe. „B. " sei jedenfalls keine überragende Hauptbezeichnung und erzeuge keine Assoziation zu einem bestimmten Wirkstoff. Vielmehr handele es sich um eine Phantasiebezeichnung, der die Fachsprache keinen bestimmten Wortsinn zuordne und die auch umgangssprachlich weder mit dem Bedeutungsgehalt „ibuprofenhaltiges Präparat" aufgeladen noch mit einem bestimmten Wirkkonzept verknüpft sei. Dessen ungeachtet sei das Wirkkonzept ibuprofenhaltiger und naproxenhaltiger Arzneimittel (Blockade der Cyclooxygenase, dadurch Hemmung der Prostaglandinsynthese) nahezu identisch. Überdies sei die nichtssagende Phantasiebezeichnung „B. " mit der konkreten und ungekürzten Bezeichnung des Wirkstoffs „Naproxen" verbunden, dem starke Assoziationskraft zukomme. Auch finde keine „positive Rufausbeutung" statt, weil die Bezeichnung „B. Naproxen" nicht Ibuprofen suggeriere und auch das Wirkkonzept vergleichbar sei. Zudem weiche § 25 Abs. 3 AMG unzulässigerweise in einem vollharmonisierten Bereich von der Richtlinie 2001/83/EG ab, die kein pauschales Verbot gleicher Arzneimittelbezeichnungen kenne. Eine lrreführung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG finde nicht statt. Der Bezeichnungsbestandteil „B. " sei schon von vornherein nicht geeignet, Fehlvorstellungen des Verbrauchers in Bezug auf die Wirkstoffzusammensetzung zu wecken. Der Zusatz „Naproxen" sei gerade zutreffend und schließe eine sprachliche Verwechslung mit anderen B. -Produkten aus.
8Die Klägerin hat beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 8. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2011 zu verpflichten, die Arzneimittelbezeichnung im Zulassungsbescheid vom 16. Juni 1998 (Zulassungs-Nr. 38459.00.00) von „B1. " in „B. ® Naproxen" zu ändern.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung hat sie ausgeführt: Der Bezeichnungsänderung stehe § 25 Abs. 3 AMG entgegen. Die amtliche Begründung zu § 25 Abs. 3 AMG stelle klar, dass die Norm zur Übersichtlichkeit der im Verkehr befindlichen Arzneimittel beitragen solle, indem sie verhindere, dass Arzneimittel in den Verkehr gebracht würden, die bei gleicher Bezeichnung unterschiedliche Zusammensetzungen aufwiesen. Hieraus sei der Grundsatz ableitbar, dass Arzneimittel unter gleicher Bezeichnung nur zuzulassen seien, wenn ihre Wirkstoffzusammensetzung identisch sei. Dies gelte auch für Bezeichnungen, die aus einer Hauptbezeichnung und einem Zusatz bestünden. Andernfalls liefe die Vorschrift praktisch leer, da schon jeder noch so geringfügige Zusatz zu einer Hauptbezeichnung zur Folge habe, dass keine gleiche Bezeichnung vorläge. § 25 Abs. 3 AMG sei auch europarechtskonform, da sich die Norm auf Art. 1 Abs. 20 und das allgemeine Irreführungsverbot des Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG zurückführen lasse.
13Die gewählte Bezeichnung sei auch irreführend im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG. Der durchschnittliche Verbraucher vertraue darauf, dass Arzneimittel einer Serie, die unter der gleichen Hauptbezeichnung mit unterschiedlichen Bezeichnungszusätzen in den Verkehr gebracht würden, den gleichen Wirkstoff enthielten. Er verbinde mit der Hauptbezeichnung „B. " zumindest ein Schmerzmittel derselben Qualität und Güte wie die bekannten Arzneimittel der Marke „B. ". Ibuprofen und Naproxen-Natrium seien aber durchaus verschieden. Naproxen zeige zum Bespiel deutlich weniger thrombozytenagglutinierende Eigenschaften als Ibuprofen, was für Patienten mit koronaren Vorerkrankungen oder Risikofaktoren von Bedeutung sei. Naproxen habe demgegenüber einen ausgeprägteren schädigenden Effekt auf den Magen-Darm-Trakt. Unzutreffend sei, dass der Verbraucher mit einer Phantasiebezeichnung wie „B. " gar keine Vorstellung verbinde. Wie bei jedem anderen Arzneimittel gehe er zumindest davon aus, dass auch das Basispräparat „B. " einen bestimmten Wirkstoff enthalte. Mit der Bezeichnungsänderung werde der für „B. " aufgebaute gute Ruf für einen gänzlich anderen Wirkstoff ausgebeutet und eine Kontinuität und Verbindung zu den übrigen B. -Präparaten vorgespiegelt. Die Fehlvorstellung werde auch nicht durch den Zusatz „Naproxen" beseitigt; im Gegenteil werde die falsche Erwartungshaltung hervorgerufen, das Arzneimittel enthalte neben Ibuprofen zusätzlich noch Naproxen. Auch komme es nicht darauf an, ob die Hauptbezeichnung eine überragende Marktpräsenz oder eine bestimmte Berühmtheit besitze. Maßgeblich sei, ob sie die anderen Bezeichnungsbestandteile überrage. Unbeachtlich sei der Umstand, dass sich die Verwaltungspraxis des BfArM in der Vergangenheit möglicherweise anders dargestellt habe. Das BfArM prüfe diese Fälle und werde gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen einleiten.
14Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 9. April 2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf seine Entscheidung vom 12. April 2011 - 7 K 4284/09 („Fenistil“) - Bezug genommen und weiter ausgeführt: Die von der Klägerin gewählte Bezeichnung „B. Naproxen" sei mit § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG unvereinbar. Die Hauptbezeichnung „B. " sei eine seit Jahren markteingeführte Arzneimittelbezeichnung, die durchgehend Präparate mit dem Wirkstoff lbuprofen umfasse. Der wirkstoffbezogene Zusatz „Naproxen" trete hinter der Hauptbezeichnung deutlich zurück und präge die Arzneimittelbezeichnung nicht. Auf eine etwaige abweichende Verwaltungspraxis des BfArM in der Vergangenheit, insbesondere bei der Nachzulassung fiktiv zugelassener Alt-Arzneimittel, könne sich die Klägerin nicht berufen, weil sich die hier relevanten Fragen auf der Ebene der Tatbestandsauslegung zwingender Rechtsvorschriften, nicht aber im Bereich der Ermessensausübung stellten. § 25 Abs. 3 AMG sei europarechtskonform, weil es bei Arzneimitteln an einer unionsweiten Harmonisierung des Bezeichnungsrechts im Sinne einer weitgehenden Liberalisierung fehle.
15Die Bezeichnung „B. Naproxen" sei auch mit § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG unvereinbar, weil sie den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher irreführe. Mit der neuen Bezeichnung solle das für die Marke „B. " begründete Markenimage auf ein anderes Produkt übertragen werden. Im Gegensatz zum imagebegründenden „B. " enthalte das „neue" Produkt jedoch einen anderen Wirkstoff. Es könne nicht unterstellt werden, dass sich dem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher der Unterschied zwischen Ibuprofen und Naproxen ohne weiteres erschließe. Dies gelte auch mit Blick darauf, dass die übrigen B. -Produkte keinen wirkstoffbezogen Zusatz trügen und Naproxen als Kurzbezeichnung des zugelassenen Wirkstoffs Naproxen-Natrium im Gegensatz zu Ibuprofen nur wenigen Patienten geläufig sein dürfte. Damit könne der Zusatz der Funktion, Verwechselungen vorzubeugen, nicht gerecht werden. Ferner werde mit der Nennung eines Wirkstoffs neben einer Hauptbezeichnung regelmäßig die Vorstellung verbunden, in dem Arzneimittel sei ein zusätzlicher Wirkstoff enthalten. Dass die Präparate nah verwandte Anwendungsgebiete aufwiesen, rechtfertige keine andere Betrachtung. Anders als in früheren Jahrzehnten sei vielen Patienten, auch durch die zur Kostendämpfung geförderten generischen Arzneimittel, ein Denken in Wirkstoffkategorien durchaus nicht fremd. Zwar werde kaum ein Verbraucher wissen, was genau sich hinter Ibuprofen oder Naproxen verberge. Es könne aber unterstellt werden, dass der durchschnittlich informierte Verbraucher, der „B. " einmal angewendet habe, diese Bezeichnung mit dem bekannten Wirkstoff Ibuprofen in Verbindung bringe. Eine klare Trennung beider Wirkstoffe auch auf der Bezeichnungsebene sei umso mehr geboten, als sie hinsichtlich ihres Risikoprofils nicht deckungsgleich seien, wie die Beklagte nachvollziehbar ausgeführt habe.
16Mit der dagegen rechtzeitig eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend: Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass § 25 Abs. 3 AMG auch identische Teilbezeichnungen unabhängig von einer konkreten Verwechslungs- oder Irreführungsgefahr verbiete. Ein solches Verständnis überdehne die Vorschrift und sei gemeinschaftsrechtswidrig, die Sache sei daher dem EuGH vorzulegen. Eine Bezeichnung sei nur dann gleich im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie vollständig übereinstimme. Es fehle auch an einer Irreführung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG, die anhand der konkreten Einzelfallumstände zu ermitteln sei. Der Bezeichnungsbestandteil „B. “ führe weder zu Fehlvorstellungen hinsichtlich des Wirkstoffs noch zu Fehlvorstellungen hinsichtlich der Indikation, der therapeutischen Wirkung oder der Nebenwirkungen des Arzneimittels. Der Verbraucher assoziiere mit „B. “ keinen Wirkstoff, sondern den Anwendungsbereich „Schmerzbehandlung“. Anwendungsgebiete und therapeutische Wirksamkeit von Ibuprofen und Naproxen seien gleich oder wenigstens hinreichend ähnlich. Beide seien Propionsäure-Derivate und erzielten ihre therapeutische Wirkung über die Hemmung der Prostaglandinsynthese. Auch das Risikoprofil sei ausweislich der fast wortgleichen, vom BfArM zugelassenen Gebrauchsinformationen bzw. des 2013 herausgebrachten Mustertextes für Naproxen nahezu identisch; insbesondere fänden sich dort keine Hinweise auf signifikante Unterschiede im Bereich der Gerinnung/Thrombozytenagglutination oder auf einen ausgeprägteren schädigenden Effekt von Naproxen auf den Magen-Darm-Trakt. Ein unterschiedliches Risiko für thrombotische und kardiovaskuläre Ereignisse sowie für gastrointestinale Nebenwirkungen sei nach Stellungnahmen der EMA nicht nachweisbar. Dachmarkenkonzepte seien im Bereich der zur Schmerzbehandlung eingesetzten NSAR-Arzneimittel beim Verbraucher zudem allgemein bekannt. Der Verbraucher sei es insoweit auch gewohnt, dass unter einer Dachmarke verschiedene Wirkstoffe zusammengefasst würden. Der Bezeichnungsbestandteil „Naproxen“ habe ausreichende Unterscheidungskraft, um Verwechslungen mit ibuprofenhaltigen Arzneimitteln zu vermeiden. Solche Wirkstoffbezeichnungen als Bestandteil eines Arzneimittelnamens seien dem Verbraucher von den Generika bekannt. Schließlich verkenne das Verwaltungsgericht die Möglichkeit einer Auflage als milderes Mittel gegenüber der Versagung der Bezeichnungsänderung. Der Klägerin hätte – wie ohnehin beabsichtigt – durch Auflage aufgegeben werden können, die Bezeichnungen „B. “, „B. Forte“, „B. Spezial“ und „B. Mobil“ jeweils durch den Zusatz „Ibuprofen“ unmittelbar nach „B. “ zu ergänzen.
17Die Klägerin beantragt,
18das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. April 2013 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Zur Begründung trägt sie vor, mit § 25 Abs. 3 AMG sollten Risiken ausgeschlossen werden, die aus der Verwechslung eines Arzneimittels mit einem namensgleichen, aber unterschiedlich zusammengesetzten Arzneimittel entstehen könnten. § 25 Abs. 3 AMG sei deshalb dahingehend auszulegen, dass er eine identische Hauptbezeichnung bei unterschiedlichen Wirkstoffen verbiete. Eine Verwechslungsgefahr bestehe nicht nur bei vollständig identischer Bezeichnung. Die Bezeichnung sei auch im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG irreführend. Ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher gehe aufgrund der Hauptbezeichnung „B. “ davon aus, dass das Arzneimittel den Wirkstoff Ibuprofen enthalte und hinsichtlich seiner Wirkungen gleich oder zumindest ähnlich zu den übrigen B. -Präparaten sei. Eine vollständige Gleichheit von Ibuprofen und Naproxen sei aber nicht gegeben, weil sie hinsichtlich des Risikopotentials nicht deckungsgleich seien. Für die Nebenwirkung Herzinfarkt bestehe nach dem „Assessment report for Non-Steroidal Anti-Inflammatory Drugs and cardiovascular risk“ vom 18. Dezember 2012 der EMA ein deutlicher Unterschied zwischen Naproxen (0,82) und Ibuprofen (1,61), wobei Werte über 1 die Blutgerinnung förderten. Darüber hinaus seien die unterschiedlichen Dosierungen zu beachten. Wegen der unterschiedlichen Risiko-Profile berge eine Verwechslung der Wirkstoffe aus medizinischer Sicht Risiken. Ein zusätzliches Irreführungspotential liege darin, dass ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher der Arzneimittelbezeichnung „B. Naproxen“ entnehme, dass zusätzlich zum markteingeführten „B. “ ein weiterer Wirkstoff enthalten sei. Kenne der Verbraucher das Produkt „B. “ oder habe er es verwendet, erwarte er, dass es den Wirkstoff Ibuprofen enthalte. Andernfalls bestehe die konkrete Gefahr, dass der Verbraucher davon ausgehe, dass dem in „B. “ üblicherweise enthaltenen Wirkstoff, den er namentlich nicht kenne, der zusätzliche Wirkstoff Naproxen hinzugefügt sei. Eine Auflagenerteilung komme als milderes Mittel nicht in Betracht. Das BfArM sei zu einer Auflage, andere Arzneimittel – ohne vorherige Änderungsanzeige – umzubenennen, nicht ermächtigt.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
23Entscheidungsgründe
24Die Berufung, über die im Einverständnis der Beteiligten die Berichterstatterin entscheidet (§§ 125 Abs. 1, 87a Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet.
25Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Verpflichtungsklage zu Unrecht abgewiesen. Die Ablehnung der Änderung der Arzneimittelbezeichnung in dem Bescheid des BfArM vom 8. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass die Bezeichnung des Arzneimittels in dem Zulassungsbescheid vom 16. Juni 1998 von „B1. “ in „B. Naproxen“ geändert wird.
261. Nach § 29 Abs. 2 Satz 1 AMG ist bei einer Änderung der Bezeichnung des Arzneimittels der Zulassungsbescheid entsprechend zu ändern. Ein Anspruch des Inhabers der Zulassung auf diese Änderung besteht aber nur, wenn gesetzliche Vorschriften dem nicht entgegenstehen. Denn auch im Verfahren der Änderungsanzeige findet eine Überprüfung durch das BfArM statt. Die Arzneimittelbezeichnung ist wesentlicher Bestandteil der Zulassungsentscheidung. Der geänderte Zulassungsbescheid kann nur dann eine legale Zulassung aussprechen, wenn die Änderung mit den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes übereinstimmt. Dies setzt insbesondere voraus, dass keine Versagungsgründe nach § 25 Abs. 2 und 3 AMG vorliegen. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AMG schließt die Zulassung aus, wenn das Inverkehrbringen des Arzneimittels gegen gesetzliche Vorschriften verstößt.
27Vgl. OVG NRW, Urteile vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 42, und vom 23. Mai 2007 ‑ 13 A 3657/04 –, juris, Rn. 31; Kösling, in: Fuhrmann/Klein/ Fleischfresser (Hrsg.), Arzneimittelrecht, § 10 Rn. 70; s. auch BVerwG, Beschluss vom 27. März 2008 - 3 B 91/07 -, juris, Rn. 5;
28Hier stehen gesetzliche Vorschriften der Änderung nicht entgegen. Die begehrte Bezeichnung „B. Naproxen“ ist mit § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG (2.) und mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG (3.) vereinbar.
292. Ein Verstoß gegen das Verbot gleicher Bezeichnung liegt nicht vor. Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG ist die Zulassung für ein Arzneimittel zu versagen, das sich von einem zugelassenen oder bereits im Verkehr befindlichen Arzneimittel gleicher Bezeichnung in der Art oder der Menge der Wirkstoffe unterscheidet. Diese Anforderungen an Arzneimittelbezeichnungen gelten nach den vorstehenden Erwägungen auch im Rahmen des § 29 Abs. 2 Satz 1 AMG. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift liegen aber hier nicht vor.
30Die Bezeichnung „B. Naproxen“ wird nicht bereits für ein Arzneimittel mit anderen Wirkstoffen verwandt. Dass unter der gleichen Hauptbezeichnung „B. “, einer sogenannten Dachmarke, Arzneimittel zugelassen sind, rechtfertigt nicht die Annahme der unzulässigen Bezeichnungsgleichheit. Die – den Wirkstoff Ibuprofen enthaltenden – Arzneimittel heißen „B. ", „B. forte", „B. mobil" und „B. spezial".
31Eine gleiche Bezeichnung im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG ist die vollständig wortlautidentische Benennung des Arzneimittels, die als solche wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil der Zulassung ist. Bei zusammengesetzten Bezeichnungen liegt eine gleiche Bezeichnung damit nicht schon dann vor, wenn ‑ wie bei einer Dachmarke eine Identität der Hauptbezeichnung gegeben ist.
32So auch Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25 Rn. 88; Menges/ Winnands, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser (Hrsg.), Arzneimittelrecht, § 10 Rn. 288 ff.; vgl. in diese Richtung bereits OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, juris.
33Dachmarken sind nach der Definition des Markenverbands,
34vgl. B. 1. des Leitfadens für Dachmarken-Konzepte für Arzneimittel, Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetika, Medizinprodukte vom 8. Oktober 2002,
35Kennzeichen, die – ergänzt mit unterschiedlichen Bezeichnungszusätzen – gleichzeitig für unterschiedliche Produkte verwendet werden, die sich entweder in ihrer Zweckbestimmung oder in ihrer Zusammensetzung nach Art der Bestandteile voneinander unterscheiden.
36a. Dass die Bezeichnung im Sinne des § 25 Abs. 3 AMG die vollständige Bezeichnung eines Arzneimittels ist, folgt schon aus dem Wortlaut des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG, der nicht zwischen Hauptbezeichnung und ergänzenden Bezeichnungsbestandteilen differenziert. Der Gesetzgeber verwendet zudem einen Begriff, den er zwar in keiner zentralen Norm definiert, aber an zahlreichen Stellen des Arzneimittelgesetzes gebraucht. Die „Bezeichnung“ des Arzneimittels auf den Behältnissen und äußeren Umhüllungen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG), in der Packungsbeilage (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) AMG) und im Zulassungsantrag (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 AMG) meint selbstverständlich die vollständige Bezeichnung, die Gegenstand der Zulassung ist. Dieses Begriffsverständnis gilt – auch nach Auffassung der Beklagten – ebenso für die Frage, ob im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG eine irreführende Bezeichnung vorliegt. Nach der Bekanntmachung des Bundesgesundheitsamtes und des Paul-Ehrlich-Institutes über Hinweise und Empfehlungen zur Vermeidung von irreführenden Arzneimittelbezeichnungen vom 9./22. August 1991 (BAnz., S. 6971) ist die Arzneimittelbezeichnung die vollständige Bezeichnung eines Arzneimittels, die die Hauptbezeichnung sowie ggf. einen Bezeichnungszusatz enthält (Definition 2.1).Weiter heißt es dort, dass die Hauptbezeichnung bei verschiedenen Arzneimitteln einer Arzneimittelserie stets gleich sei (2.2) und mit dem Bezeichnungszusatz ein Unterschied zu anderen Arzneimitteln mit gleicher Hauptbezeichnung deutlich gemacht werden könne (2.3). Dieses Verständnis liegt auch der Leitlinie des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Bezeichnung von Arzneimitteln vom 20. März 2013 zugrunde. Danach ist die Bezeichnung der Name des Arzneimittels, der als Phantasiebezeichnung aus einem oder mehreren Wörtern (z.B. Bezeichnungszusätzen) bestehen kann (Ziffern I., II.2 und II.2.2). Dieses zwar nicht bindende, aber überzeugende Verständnis der Bezeichnung als vollständiger Bezeichnung steht auch im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben. Die „Bezeichnung“ im nationalen Recht entspricht dem „Namen“ des Arzneimittels im Sinne der Richtlinie 2001/83/EG (in der durch die Richtlinie 2004/27/EG geänderten Fassung).
37So auch Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 25 Rn. 87; Leitlinie des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Bezeichnung von Arzneimitteln, 20. März 2013, Ziffer I.
38Nach der Definition in Art. 1 Nr. 20 der Richtlinie 2001/83/EG ist Name des Arzneimittels der Name, der entweder ein nicht zu Verwechslungen mit dem gebräuchlichen Namen führender Phantasiename oder ein gebräuchlicher oder wissenschaftlicher Name in Verbindung mit einem Warenzeichen oder dem Namen des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen sein kann. Dieser Name ist – entsprechend dem nationalen Recht – im Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen zu nennen (Art. 8 Abs. 3 lit. b) und auf der äußeren Umhüllung bzw. Primärverpackung (Art. 54) sowie in der Packungsbeilage (Art. 59) anzugeben. Der Name ist danach auch im Unionsrecht der vollständige Name eines Arzneimittels.
39Dass im Rahmen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG der Begriff abweichend von den vorstehenden Ausführungen, insbesondere anders als im Rahmen des allgemeinen Irreführungsverbots des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG zu verstehen wäre, ist nicht ersichtlich. Es lässt sich auch nicht mit dem entstehungsgeschichtlich belegten Sinn und Zweck der Vorschrift begründen. § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG soll sicherstellen, dass der Verbraucher namensgleiche, aber unterschiedlich zusammengesetzte Arzneimittel nicht verwechselt, und damit die Arzneimittelsicherheit gewährleisten.
40Vgl. Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 25 Rn. 86; Menges/Winnands, in: Fuhrmann/ Klein/ Fleischfresser (Hrsg.), a. a. O. § 10 Rn. 284; Rehmann, Arzneimittelgesetz, 2. Auflage 2003, § 25 Rn. 14; Sander, Arzneimittelrecht, Erl. § 25 AMG, Anm. 12.
41Nach der Gesetzesbegründung soll § 25 Abs. 3 AMG zur Übersichtlichkeit über die im Verkehr befindlichen Arzneimittel beitragen, indem er verhindert, dass ein pharmazeutischer Unternehmer Arzneimittel in den Verkehr bringt, die die gleiche Bezeichnung haben, die jedoch eine unterschiedliche Zusammensetzung aufweisen (BT-Drs. 7/3060, S. 50). Ärzte, Apotheker und Verbraucher erwarteten unter einheitlicher Bezeichnung Arzneimittel, die aus den gleichen Wirkstoffen zusammengesetzt seien. Dem sei im Interesse der Arzneimittelsicherheit Rechnung zu tragen (BR-Drs. 596/85, S. 56 = BT-Drs. 10/5112, S. 18).
42Dieser Zweck des § 25 Abs. 3 AMG erfordert aber nicht die von der Beklagten befürwortete extensive Auslegung der Vorschrift. Verwechslungsgefahren, die sich aus der Teilidentität oder auch aus großer Ähnlichkeit von Bezeichnungen ergeben, sind bei der hier vertretenen Auslegung nicht hinzunehmen, sondern im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG aufgrund der konkreten Einzelfallumstände zu prüfen und ggf. zu verhindern.
43b. Schließlich folgt aus der Verwendung des Begriffs „gleiche“ statt „dieselbe“ Bezeichnung nichts anderes. Gemeint ist eine – vollständige – Identität der Bezeichnungen.
44Vgl. Kügel, Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O., § 25 Rn. 88; Rehmann, a. a. O., § 25 Rn. 14.
45Der Gesetzgeber verwendet auch an anderer Stelle im Arzneimittelgesetz den Begriff „gleich“ und meint eine vollständige Übereinstimmung. So ist unstreitig, dass die Zulassung eines Generikums nach § 24b AMG die gänzlich identische Zusammensetzung der Wirkstoffe nach Art und Menge und dieselbe Darreichungsform voraussetzt, auch wenn der Gesetzgeber in § 24 b Abs. 2 Satz 1 AMG das Wort „gleiche“ benutzt. Ob ähnliche, d.h. sich gleichende oder teilidentische Bezeichnungen zulässig sind oder eine Verwechslungsgefahr bedeuten, beurteilt sich nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG aufgrund einer Prüfung im Einzelfall. § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG ist – in der Art eines abstrakten Gefährdungstatbestands – eine Konkretisierung dieses Irreführungsgebots,
46vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Mai 2007 - 13 A 3657/04 -, juris, Rn. 33.
47was im Übrigen ein weiteres Argument für ein gleichlaufendes Verständnis des Begriffs Bezeichnung in beiden Vorschriften und für die Verlagerung der Prüfung der konkreten Irreführungsgefahr in § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG ist.
48c. Liegen danach mangels vollständiger Bezeichnungsidentität die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AMG nicht vor, kann offenbleiben, ob Unionsrecht der Anwendung dieser Vorschrift entgegensteht, weil dort kein entsprechender Versagungstatbestand existiert. Allerdings lässt sich der Richtlinie 2001/83/EG, insbesondere Art. 1 Nr. 20, Art. 59 Abs. 1 Satz 1 a) i), Art. 62 Halbsatz 2 sowie Art. 87 Abs. 3, das Verbot von irreführenden Bezeichnungen entnehmen.
49Vgl. dazu OVG NRW, Urteile vom 23. Mai 2007 ‑ 13 A 3657/04 –, juris, Rn. 35, und vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 81; zur weiteren Anwendbarkeit nationaler Rechtsvorschriften auf bestimmte rein nationale Zulassungen siehe auch Art. 24a der Verordnung (EG) Nr. 1234/2008 (in der Fassung der Änderung vom 3. August 2012) i.V.m. Art. 23b Abs. 4 der Richtlinie 2001/83/EG.
503. Die Bezeichnung „B. Naproxen“ ist auch mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG vereinbar. Diese Vorschrift verbietet es, Arzneimittel herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die mit einer irreführenden Bezeichnung versehen sind. Daran fehlt es hier.
51a. Eine irreführende Bezeichnung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Bezeichnung bei einem nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise unzutreffende Erwartungen, insbesondere über die Art, Qualität, therapeutische Wirksamkeit, Unbedenklichkeit oder sonstige wesentliche Merkmale des Arzneimittels, weckt. Angesichts der Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und der mit falschen Erwartungen an Arzneimittel verbundenen Gesundheitsrisiken sind an die Wahrheit, Eindeutigkeit und Klarheit der Bezeichnung von Arzneimitteln erhöhte Anforderungen zu stellen (sog. Strengeprinzip).
52Vgl. OVG NRW, Urteile vom 23. Mai 2007 – 13 A 3657/04 -, juris, Rn. 36, vom 12. August 2009 ‑ 13 A 2147/06 –, juris, Rn. 42 ff., und vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, A & R 2013, 202 = juris, Rn. 46; BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 – I ZR 62/11 –, juris, Rn. 15.
53Die Bezeichnung eines Arzneimittels ist nicht nur für fachlich informierte Per-sonengruppen wie Ärzte, Apotheker sowie Behörden von Bedeutung. Sie ist in besonderem Maße für die Information der Verbraucher der Arzneimittel wichtig, die typischerweise nicht über qualifizierte medizinische Kenntnisse verfügen. Bei – wie hier – rezeptfrei in Apotheken zur Selbstmedikation angebotenen Arzneimitteln sind weder Apotheker noch Käufer verpflichtet, ein Gespräch über die Eigenschaften und Wirkungen des Arzneimittels zu führen. Eine entsprechende Beratungsmöglichkeit wird häufig nicht in Anspruch genommen, so dass mögliche bezeichnungsbedingte Fehlvorstellungen der Verbraucher durch die Beratungsmöglichkeit nicht sicher bzw. nicht hinreichend wahrscheinlich ausgeschlossen werden können.
54Vgl. OVG NRW, Urteile vom 17. Juni 2013 - 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 49 f., und vom 12. August 2009 – 13 A 2147/06 -, juris, Rn. 47 ff.
55Bei der Ermittlung der durch die Bezeichnung des Arzneimittels ausgelösten Vorstellungen des Verbrauchers ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen. Dieser geht zu Recht davon aus, dass das Gesundheitswesen einschließlich der Arzneimittelwirtschaft staatlicherseits reguliert und überwacht wird. Er vertraut typischerweise darauf, dass die zugelassene Bezeichnung so eindeutig ist, dass sie keine Fehlvorstellungen bzw. Missverständnisse über das Arzneimittel auslöst.
56Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12. August 2009 ‑ 13 A 2147/06 -, juris, Rn. 55 ff., und vom 17. Juni 2013 - 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 52.
57Zur Ermittlung der Verbrauchervorstellungen ist keine Marktforschung erforderlich. Der Senat kann aufgrund eigener Sachkunde feststellen, wie die Bezeichnung durch einen nicht ganz unerheblichen Teil des Verkehrskreises verstanden wird, da seine Mitglieder selbst zu den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchern zählen.
58Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12. August 2009 ‑ 13 A 2147/06 –, juris, Rn. 57, und vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 62, 68; BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 – I ZR 150/01 –, GRUR 2004, 244 = juris, Rn. 18 bis 20.
59b. Gemessen an diesen Maßstäben ist bei einer Gesamtbetrachtung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls die Bezeichnung „B. Naproxen“ nicht im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AMG irreführend.
60aa. Dabei ist zunächst die Hauptbezeichnung „B. “ in den Blick zu nehmen. Der Verbraucher misst bei Namen von Waren, die sich aus mehreren Bestandteilen zusammensetzen, dem – typischerweise vorangestellten – Hauptbestandteil regelmäßig besondere Bedeutung für die Art bzw. Qualität der jeweiligen Ware zu. Im Rahmen einer zusammengesetzten Bezeichnung sind die sprachliche Bedeutung und die entsprechende Wahrnehmbarkeit des Hauptbestandteils regelmäßig so herausgehoben, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher mit diesem Bestandteil nicht allein eine produktunabhängige Werbeaussage, sondern eine produktbezogene Inhaltsangabe verbindet. Dies wird durch die gezielte Verwendung der Dachmarken als Marketing-Instrument belegt und gilt auch für die Bezeichnung von Arzneimitteln, die neben anderen Produkten Gegenstand des Leitfadens für Dachmarken-Konzepte des Markenverbands sind. Bei einer Dachmarke, die seit mehreren Jahren für bestimmte Arzneimittel genutzt wird, besteht deshalb grundsätzlich die Gefahr, dass Verbraucher, die ein Präparat dieser Marke kennen, ein dieselbe Hauptbezeichnung führendes (neues) Arzneimittel hinsichtlich seines Anwendungsgebiets und seiner therapeutischen Wirksamkeit als gleich oder zumindest als ähnlich wahrnehmen. Diese Assoziation bereits bekannter (Wirk‑)Qualitäten ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht auch einer der zentralen Gründe, Dachmarken zu verwenden.
61Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2013 - 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 55 ff.
62Dies gilt grundsätzlich auch hier. Der Verbraucher wird dem Bezeichnungsbestandteil „B. “ besondere Bedeutung zumessen. Der wirkstoffbezogene Zusatz „Naproxen" tritt dahinter zurück. Das entspricht der (Marketing-)Strategie der Klägerin, die Dachmarke „B. " in den Vordergrund zu stellen und auf deren Wahrnehmung durch den Verbraucher zu setzen.
63Vgl. auch den Internetauftritt www.B. .de.
64Wie bekannt diese Dachmarke ist, ist hierfür ebenso unerheblich wie der Umstand, dass „B. “ ein Phantasiename ist, während der Zusatz „Naproxen“ einen Wirkstoff bezeichnet.
65Gleichwohl führt die Verwendung der Dachmarke „B. “ nicht zu erheblichen Fehlvorstellungen. Die Nutzung einer eingeführten Dachmarke für ein wirkstoffverschiedenes Arzneimittel ist zwar im Regelfall irreführend.
66Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, a. a. O. ; Kloesel/Cyran, § 8 Anm. 22; Kösling, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, § 10 Rn. 78; Leitlinie des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Bezeichnung von Arzneimitteln, 2013, Ziff. II 2.2.1 („zu vermeiden“); a. A. Schraitle, in: Fuhrmann/ Klein/ Fleischfresser, § 6 Rn. 76; European Medicines Agency (EMA), QRD recommendations on pack design and labelling for centrally authorised non-prescription human medicinal products, Draft, März 2011, Ziff. 4.1.2.
67Insbesondere lässt sich aus § 105 Abs. 3a Satz 3 AMG, wonach in bestimmten Fällen ein (Alt-)Arzneimittel auch nach Änderung der Zusammensetzung mit gleicher Bezeichnung in den Verkehr gebracht werden darf, nichts Gegenteiliges schließen.
68Hier ist die Verwendung der Dachmarke aufgrund der besonderen Einzelfallumstände weder unter dem Gesichtspunkt der Verwechslung noch unter dem Aspekt der Herstellung einer gedanklichen Verbindung irreführend. Sie weckt auch unter Berücksichtigung strenger Anforderungen an Wahrheit, Eindeutigkeit und Klarheit der Bezeichnung keine unzutreffenden Verbrauchererwartungen.
69Ob die Verwendung einer Dachmarke bei unterschiedlich zusammengesetzten Arzneimitteln zulässig ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Unterschiede der Arzneimittel und der Gefahren, die bei einer etwaigen Verwechslung bestehen.
70Vgl. auch Leitlinie des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Bezeichnung von Arzneimitteln, 20. März 2013, S. 6 f. (Ziff. 2.2.1); EMA, Committe for human medicinal products (CHMP), Guideline on the acceptability of names for human medicinal products processed through the centralised procedure, 11. Dezember 2007, Ziff. 1. und 2.1.1.
71Sollte ein nicht ganz unerheblicher Teil der Verbraucher annehmen, das streitgegenständliche Arzneimittel diene wie die übrigen „B. “-Präparate der Behandlung von Schmerzen und Fieber und entfalte die gleichen therapeutischen Wirkungen, trifft dies – anders als etwa im Fall „Fenistil“ (Senatsurteil vom 17. Juni 2013 - 13 A 1113/11 -) – zu. Das streitgegenständliche Arzneimittel enthält zwar den Wirkstoff Naproxen, während die markteingeführten „B. “-Produkte Ibuprofen enthalten. Die Anwendungsgebiete stimmen aber überein. Beide sind zugelassen zur Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen und Fieber. Zudem sind die Wirkstoffe Ibuprofen und Naproxen der gleichen Wirkstoffgruppe zuzuordnen und der Wirkmechanismus ist identisch. Beide sind nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)/ nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAP bzw. NSAID), die schmerzlindernd, fiebersenkend und entzündungshemmend wirken. Naproxen gehört wie Ibuprofen der Wirkstoffklasse der nichtselektiven NSAR an (sogenannte COX-1/2-Hemmer). Ibuprofen und das später entdeckte und zugelassene Naproxen sind Arylpropionsäurederivate und wirken in gleicher Weise, indem sie das Enzym Cyclooxygenase (COX) blockieren und dadurch die Synthese der Prostaglandine, der für die Vermittlung von Schmerzempfindung verantwortlichen Botenstoffe, hemmen.
72Vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage 2007, „Antiphlogistika, nichtsteroidale“; www.wikipedia.de zu „nichtsteroidales Antirheumatikum“, „Ibuprofen“ und zu „Naproxen“.
73Schließlich weist auch das Nebenwirkungsprofil keine erheblichen Unterschiede auf. Die Nebenwirkungshinweise und Gegenanzeigen in den Gebrauchsinformationen, auch die zuletzt vorgelegten aktuellen Fassungen (Gebrauchsinformation „B. “ aus März /August 2011) bzw. diesbezüglichen Mustertexte (zu Naproxen vom 20. November 2013), unterscheiden sich nur geringfügig, was sich mit der Zugehörigkeit der Wirkstoffe zur gleichen Wirkstoffklasse und der identischen Wirkweise erklären lässt. Aus vereinzelten Unterschieden in den Häufigkeiten bestimmter Nebenwirkungen lässt sich ebenfalls nicht auf ein unterschiedliches Nebenwirkungsprofil schließen, da hier statistische Fragen eine Rolle spielen und mal das eine, mal das andere Arzneimittel eine abweichende Häufigkeit verzeichnet. Soweit das BfArM höhere gastrointestinale Risiken von Naproxen betont, hat dies in den Nebenwirkungshinweisen keinen Niederschlag gefunden. Bestehen aber keine derartigen Unterschiede, dass es unterschiedlicher Hinweise bedürfte, sind die Unterschiede nicht als relevant einzuordnen.
74Darüber hinaus hat die – für die Irreführungsgefahr darlegungs- und beweispflichtige – Beklagte auch nicht aufgrund anderer Erkenntnisse nachvollziehbar dargelegt, dass gleichwohl ein unterschiedliches Risikoprofil besteht. Zwar stützen bestimmte Studien und Datensammlungen ihre Auffassung, dass Naproxen geringere kardiovaskuläre und Thrombose-Risiken birgt und deshalb für Patienten mit koronaren Vorerkrankungen oder Risikofaktoren vorteilhafter ist.
75Vgl. Trelle et al., Cardiovascular safety of non-steroidal anti-inflammatory drugs: network meta-analysis, BMJ 2011, 342:7086, S. 6, 10; EMA, Public CHMP assessment report for medicinal products containing non-selective non steroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs), 7. November 2006, S. 18, 20; EMA, Assessment report for Non Steroidal Anti-Inflammatory Drugs (NSAIDs) and cardio-vascular risk, 18. Oktober 2012, S. 10, 24, 26.
76Abgesehen davon, dass ein geringeres Risiko wohl nur bei deutlich höherer Dosierung und längerer Anwendungsdauer als hier im OTC-Bereich besteht, kann dieser Umstand der Klägerin nicht entgegengehalten werden. Eine Verwechslung erwiese sich insoweit als vorteilhaft, so dass ein Schutzbedürfnis der Verbraucher nicht besteht. Die Behauptung der Beklagten, Naproxen habe gegenüber Ibuprofen einen ausgeprägteren schädigenden Effekt auf den Magen-Darm-Trakt, ist demgegenüber nicht wissenschaftlich belegt. Das BfArM führt hierfür nur die Ergebnisse einer Studie aus 1994 zu den Risiken von blutenden Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren an (Langman M et al., Lancet 1994, 343:1075). Die Studie selbst liegt nicht vor. Demgegenüber besteht nach der neueren Studie von Lewis et a. („Risk of serious upper gastrointestinal toxicity with over-the-counter nonaspirin nonsteroidal anti-inflammatory drugs“, Gastroenterology 2005, 129:1865) kein signifikanter Unterschied für das Risiko „gastrointestinale Toxizität“ zwischen Naproxen und Ibuprofen. Diese Schlussfolgerung teilte auch der Sachverständigenausschuss des BfArM zur Verschreibungspflicht (69. Sitzung am 26. Juni 2012). Nach einer Studie von Singh G (Am J Ther 2000, 7: 115) liegt das relevante Risiko von Ibuprofen bei 3,5, das von Naproxen bei 3,42 bei einem Wert von 3,92 für alle NSAIDs. Die EMA geht nach dem „Public CHMP assessment report for medicinal products containing non-selective non steroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs)” vom 7. November 2006 (Seite 5) davon aus, die verfügbaren Daten erlaubten keine präzise Quantifizierung der Risiken ernster gastrointestinaler Nebenwirkungen bei verschiedenen NSAIDs; es bestünden Anhaltspunkte für eine Dosisabhängigkeit. Es sei nicht möglich, sichere Schlussfolgerungen zu den relativen Risiken für gastrointestinale Nebenwirkungen der einzelnen Produkte zu ziehen. Zwar gebe es Hinweise für ein geringfügig höheres Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen bei Naproxen, die Erkenntnisse für entsprechende Schlussfolgerungen seien aber nur schwach. Bei Ibuprofen könnten die günstigeren Annahmen auf der Verwendung niedriger Dosen und kurzzeitigen Anwendungen beruhen. Ein unterschiedliches Risikoprofil lässt sich damit nicht belegen.
77Hier maßgebliche Unterschiede kann die Beklagte auch nicht daraus herleiten, dass für die Arzneimittel unterschiedliche Altersgrenzen (Kinder ab 6 Jahren bei „B. “ und „B. Forte“, ab 12 Jahren beim streitgegenständlichen Arzneimittel) und abweichende Dosierungsangaben gelten. Der aufgeklärte, durchschnittlich informierte Verbraucher geht nicht bei Arzneimitteln mit gleicher Hauptbezeichnung davon aus, dass sie auch in Wirkstoffmenge, Dosierung und Gegenanzeigen für die Anwendung bei Kindern identisch sind. Dass auch das BfArM dies bisher so gesehen hat, zeigt unter anderem die Zulassung der bisherigen B. -Produkte unter gleicher Hauptbezeichnung, die in Bezug auf diese Gesichtspunkte ebenfalls Unterschiede aufweisen. So ist „B. Spezial“ im Unterschied zu den beiden anderen „B. “-Produkten ebenfalls erst für Kinder ab 12 Jahren zugelassen. Wie die Klägerin im Klageverfahren näher dargelegt hat, ergibt sich hier die Anwendungsbeschränkung aus der Wirkstoffmenge und lässt daher insbesondere keinen Schluss auf ein anderes Risikoprofil des Wirkstoffs zu. Hinzu kommt, dass das hier streitgegenständliche Produkt vielfach bei akuten Zuständen, d.h. nicht nur von chronisch Kranken genutzt wird. Der Verbraucher wird sich auch vor der Einnahme eines schon bekannten Arzneimittels über die Dosierung und die Anwendbarkeit bei Kindern informieren, zumal sich hier aufgrund neuerer Erkenntnisse auch Änderungen ergeben können.
78Eine Irreführung könnte danach lediglich über das Vorhandensein des Wirkstoffs Ibuprofen bzw. dahingehend bestehen, dass es sich um das (wirkstoff-)gleiche Präparat handele. Der Wirkstoff ist ein wesentliches Merkmal eines Arzneimittels. Eine diesbezügliche Fehlvorstellung setzte aber voraus, dass der Durchschnittsverbraucher bzw. ein nicht unerheblicher Teil der aufgeklärten Verbraucher mit dem Phantasienamen „B. “ einen bestimmten Wirkstoff verbindet bzw. den „Wirkstoff hinter B. “ nunmehr bei jedem Produkt der Serie erwartet. Davon ist hier nicht auszugehen. Es ist schon zweifelhaft, ob der Verbraucher regelmäßig mit einem Arzneimittelnamen einen bestimmten Wirkstoff verbindet. Typischerweise wird der aufgeklärte, durchschnittlich informierte Verbraucher mit der Bezeichnung nur das Anwendungsgebiet und gegebenenfalls noch einen bestimmten Wirkmechanismus verbinden. Hier kommt hinzu, dass zahlreiche Produkte mit dem Wirkstoff Ibuprofen im Verkehr sind, diesen teilweise auch im Namen tragen, und „B. “ deshalb nicht aufgrund seiner Alleinstellung mit Ibuprofen assoziiert wird.
79Ferner ist für die Ermittlung der (Fehl‑)Vorstellung eines nicht unerheblichen Teils der aufgeklärten Verbraucher von Bedeutung, dass nicht von einer besonderen Bekanntheit der Dachmarke auszugehen ist. Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass eine Irreführung nicht nur bei berühmten Namen in Betracht kommt. Unter anderem vom Bekanntheitsgrad hängt aber ab, ob bei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher eine Verwechslungsgefahr besteht.
80Vgl. dazu EuGH, Urteil vom 11. November 1997 ‑ Rs. C-251/95 (Puma) -, Rn. 22.
81Je weniger bekannt ein Produkt bzw. eine Marke ist, desto geringer ist die Irreführungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Verwechslung. Die von der Klägerin hier mitgeteilten Verkaufszahlen und Marktanteile lassen auf einen geringen Bekanntheitsgrad schließen. „B. “ hatte im Jahr 2013 bei 429.500 verkauften Packungen einen Marktanteil bei den ibuprofenhaltigen Analgetika von 0,9 Prozent (2009: 1,9 % ,2010: 1,6 %, 2011: 1,3 %, 2012: 1,1 %). Demgegenüber hatte etwa E. einen Marktanteil von zuletzt 15 % (2009: 24,8 %), J. -ratiopharm einen Marktanteil von 11,7 % (2009: 15,2 %). Nimmt man die apothekenpflichtigen Analgetika insgesamt in den Blick, betrug der Marktanteil 2013 lediglich 0,3 Prozent (2009: und 2010: jeweils 0,4 %, 2011 und 2012: jeweils 0,3 %). Angesichts dessen ist die Gruppe derjenigen, die „B. “ kennen, nicht als hinreichend bedeutender Teil der angesprochenen Verkehrskreise einzuordnen. Abgesehen davon ist nicht davon auszugehen, dass diese Gruppe „B. “ mit dem Wirkstoff Ibuprofen in Verbindung mit.
82Auf die Verbrauchervorstellung wirkt sich weiterhin aus, dass gerade im Bereich der Schmerzbehandlung mit nichtsteroidalen Antiphlogistika seit vielen Jahren zahlreiche Dachmarken mit verschiedenen Wirkstoffen auf dem Markt sind, insbesondere seit den 1990er Jahren „E. “ (Ibuprofen, Ketoprofen, Naproxen), das einen um ein Vielfaches höheren Marktanteil hat als „B. “, ferner O. , U. und U1. . Dies verschafft der Klägerin zwar, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung einen Anspruch auf Gleichbehandlung. Das Argument der Beklagten, die Irreführungsgefahr könne nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass irreführende Produkte auf dem Markt seien, greift aber nicht durch. Die hier maßgeblichen Vorstellungen und Erwartungen des Verbrauchers in Bezug auf die streitgegenständliche Bezeichnung werden auch durch die tatsächlichen Verhältnisse in dem Marktsegment geprägt. Da das BfArM in der Vergangenheit Dachmarken für verschiedene Wirkstoffe im Bereich der Schmerzmedikation zugelassen hat, und dies auch bei bekannten Marken mit hohem Marktanteil, erwartet der Verbraucher jedenfalls in diesem Bereich unter einer Dachmarke nicht stets Arzneimittel mit einer identischen Zusammensetzung.
83Vgl. auch Sander, PharmR 2013, 359 (360).
84Die Annahme des Verwaltungsgerichts, Verbraucher nutzten zunehmend Generika und ihnen sei ein Denken in Wirkstoffkategorien nicht fremd, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Daraus lässt sich nur auf eine Vertrautheit mit (wirkstoffgleichen) preiswerteren Alternativprodukten, nicht aber darauf schließen, dass Verbraucher umgekehrt bei Arzneimitteln einer Serie bzw. Dachmarke denselben Wirkstoff erwarten. Es erscheint schon zweifelhaft, ob der Verbraucher sich Kenntnis vom Wirkstoff verschafft. Nahe liegender dürfte sein, dass ihn nur interessiert, ob er mit dem Generikum „das Gleiche“ erhält wie vom Arzt verschrieben oder bisher von ihm verwendet. Geht man aber davon aus, der aufgeklärte Verbraucher informiere sich über den Wirkstoff von Arzneimitteln, muss dies gerade auch für das streitgegenständliche Arzneimittel gelten, zumal diesem eine Wirkstoffbezeichnung hinzugefügt ist.
85bb. Durch den Zusatz „Naproxen“ zur Hauptbezeichnung „B. “ ist eine hinreichende Unterscheidung zu den anderen Arzneimittelbezeichnungen der Dachmarke gewährleistet. Zwar hat der Senat im „Fenistil“-Urteil angenommen, ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher gehe bei einer bekannten Dachmarke davon aus, dem in den markteingeführten Produkten enthaltenen Wirkstoff sei ein weiterer Wirkstoff hinzugefügt.
86Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2013 – 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 65 f.
87Hier liegt der Fall aber anders. Aus den vorstehenden Gründen wird kein hinreichender Teil der angesprochenen Verkehrskreise „B. “ mit dem Wirkstoff Ibuprofen und „B. Naproxen“ mit den markteingeführten „B. “-Produkten verbinden. Er wird deshalb auch nicht annehmen, „B. Naproxen“ sei „B. “ (= Ibuprofen) plus Naproxen. Eine Verbrauchererwartung, dass Arzneimittel, deren mehrteiliger Name eine Wirkstoffbezeichnung beinhaltet, stets zwei Wirkstoffe (den „hinter B. “ sowie „Naproxen“) enthalten, besteht nicht. Abgesehen davon wird der aufgeklärte Verbraucher, der die markteingeführten „B. “-Produkte kennt, angesichts der Existenz von zahlreichen (bekannteren) Dachmarken im Bereich der Schmerzmedikamente mit unterschiedlichen Wirkstoffen besondere Sorgfalt an den Tag legen, sollte es ihm auf „B. “ mit einem bestimmten Wirkstoff ankommen.
88Im Übrigen strebt die Klägerin die Umbenennung ihrer markteingeführten B. -Produkte dahingehend an, dass dort – analog zum Zusatz „Naproxen“ beim streitgegenständlichen Arzneimitteln – jeweils der Zusatz „Ibuprofen“ ergänzt wird. Sie hat in der Berufungsverhandlung erklärt, mit Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Produkts unter der neuen Bezeichnung die alten Produkte nur noch mit einer geänderten, um „Ibuprofen“ ergänzten Bezeichnung in den Verkehr bringen zu wollen. Enthalten aber alle Produkte der Dachmarke „B. “ den entsprechenden Wirkstoffzusatz in der Bezeichnung, wird – den hier allein bestehenden – Irreführungs- und Verwechslungsgefahren in Bezug auf den Wirkstoff hinreichend vorgebeugt.
89So auch Schraitle, in: Fuhrmann/ Klein/ Fleischfresser (Hrsg.), a. a. O., § 6 Rn. 76.
90Der Verbraucher wird dann bei gleicher Hauptbezeichnung keine Wirkstoffidentität erwarten. Dies hat auch das BfArM in der Berufungsverhandlung eingeräumt. Dass dann für eine Übergangszeit noch Arzneimittel mit der bisherigen Bezeichnung im Verkehr sind, ist angesichts der übrigen hier angeführten Umstände hinnehmbar. Anders als in den von § 105 Abs. 3a Satz 3 AMG und Ziffer 2.2.2 der Leitlinie des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts vom 20. März 2013 erfassten Fällen der Übertragung bzw. Weiterverwendung einer Bezeichnung für ein anderes Arzneimittel mit einem anderen Wirkstoff, für die eine Wartezeit von fünf Jahren vorgesehen ist, unterscheiden sich die markteingeführten „B. “-Produkte und „B. Naproxen“ durch den Wirkstoffzusatz.
91cc. Selbst wenn man aber annähme, ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher assoziiere mit „B. “ die markteingeführten Produkte, gehe also aufgrund der Hauptbezeichnung davon aus, „B. Naproxen“ enthalte den gleichen Wirkstoff, ergänzt um Naproxen, rechtfertigte diese Fehlvorstellung bei verfassungskonformer Auslegung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG nicht die Ablehnung der Bezeichnungsänderung.
92§ 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG dient der Arzneimittelsicherheit, dem in § 1 AMG verankerten zentralen Ziel des Arzneimittelgesetzes, und, das zeigen die Regelbeispiele in 3 8 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) bis c) AMG, dem Schutz des Verbrauchers vor Täuschungen über die Wirksamkeit und Qualität von Arzneimitteln. Die Bestimmung beschränkt die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit des pharmazeutischen Unternehmers, die auch eine Wahlfreiheit bei Bezeichnungen und Marketingstrategien einschließt. Die Beschränkung ist in ihrer abstrakt-generellen Form zum Schutz vor gesundheitlichen Gefahren gerechtfertigt.
93Vgl. OVG NRW, Urteile vom 12. August 2009 ‑ 13 A 2147/06 -, juris, Rn. 71 ff., und vom 17. Juni 2013 - 13 A 1113/11 -, juris, Rn. 29; Kösling, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, § 10 Rn. 76; Nickel, in: Kügel/Müller/Hofmann, a. a. O. § 8 Rn. 18.
94Aus der hohen Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit resultiert ein besonderes Schutzbedürfnis des Verbrauchers. Werbemaßnahmen für die Gesundheit gelten als besonders wirksam. Mit irreführenden Angaben können Gefahren für die Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung insgesamt verbunden sein. Einschränkungen der grundrechtlich geschützten Individualinteressen des pharmazeutischen Unternehmers an der freien Wahl der Arzneimittelbezeichnung sind aber im Einzelfall nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt, wenn eine Bezeichnungsänderung nicht die Gefahr irrtümlicher Arzneimittelanwendungen birgt. So liegt der Fall hier. Nach den obigen Ausführungen ist nicht davon auszugehen, dass die Verwechslung der Arzneimittel – unterstellt, es käme überhaupt dazu – Gesundheitsgefahren begründet, da sie bei gleicher Indikation in gleicher Weise wirken und das Nebenwirkungsprofil sich nicht unterscheidet.
95Hiervon ausgehend steht § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG nicht per se dem unternehmerischen Bemühen entgegen, das positive Image einer Marke auf weitere Arzneimittel zu transferieren bzw. eine solche Dachmarke auf- und auszubauen. Eine Beschränkung der Bezeichnungsfreiheit ist hier auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Eigenschaften von „B. Naproxen“ falsch oder übertrieben dargestellt würden (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) bis c) AMG) und die Klägerin zu Unrecht die Wertschätzung der Marke „B. “ ausnutzen wollte. Die von der Beklagte angeführte Annahme, der Verbraucher verbinde mit „B. “ die Vorstellung einer Arzneimittelwirkung dergestalt, dass es sich um ein der Behandlung von Schmerzen dienendes Arzneimittel derselben Qualität und Güte wie die ihm bekannten markteingeführten Arzneimittel handele, ist aus den oben ausgeführten Gründen nicht falsch. Wird dem streitgegenständlichen Arzneimittel zutreffend eine therapeutische Wirksamkeit „wie bei B. “ beigemessen, findet damit keine Ruf-Ausbeutung statt, zumal „B. Naproxen“ kein neues Arzneimitteil, sondern ein seit 1998 zugelassenes und nur unter einer anderen Bezeichnung vertriebenes Produkt ist.
96Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
97Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
98Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.