Verwaltungsgericht Köln Urteil, 28. Apr. 2015 - 7 K 395/13
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin wendet sich gegen die Einstufung ihres Produkts „U. H. Q. E. Tabletten“ als zulassungspflichtiges Arzneimittel. Die empfohlene tägliche Einnahmedosierung von einer Tablette dieses Präparats enthält 100 mg Extrakt aus Ginkgo-biloba-Blättern bei einem Droge-Extrakt-Verhältnis von 50:1. Laut Spezifikation beinhaltet der Extrakt mehr als 24 % Flavonglykoside und mehr als 6 % Terpenlactone (Ginkgolide). Darüber hinaus sind in einer Tablette Folsäure (200 µg), Kupfer (1500 µg), Vitamin B1 (2,2 mg), Vitamin B6 (2,8 mg), Vitamin B12 5 µg), Niacin (16 mg) und Zink (5 mg) enthalten. Auf der Produktumverpackung wird als Anwendungsgebiet genannt: „Zur Unterstützung von Gedächtnis, Konzentration und geistiger Leistungsfähigkeit“. Laut Packungsbeilage soll Ginkgo die Durchblutung im Gehirn unterstützen und damit wichtig für das Kurzzeit-Gedächtnis und das Reaktionsvermögen sein.
3Für einen Trockenextrakt (Droge-Extrakt-Verhältnis im Durchschnitt 50:1) aus Ginkgo-biloba-Blättern, extrahiert mit Aceton/Wasser, existiert eine positive Aufbereitungsmonographie der Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes vom 19.07.1994. Die Monographie geht von experimentell nachgewiesenen pharmakologischen Wirkungen aus und empfiehlt für die Anwendungsgebiete im Bereich der symptomatischen Behandlung von hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen bei dementiellen Syndromen, zur Verbesserung der schmerzfreien Gehstrecke bei peripherer, arterieller Verschlusskrankheit sowie bei Schwindel und Tinnitus eine Tagesdosis von 120 bis 160 mg bzw. von 120 bis 240 mg.
4Eine weitere Aufbereitungsmonographie vom selben Datum hat Ginkgo-biloba-Blätter sowie verschiedene Extrakte, u.a. extrahiert mit Ethanol/Wasser, zum Gegenstand. Die Beurteilung fällt negativ aus. Zur Pharmakologie liege kein ausreichendes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vor. Die Wirksamkeit der genannten Zubereitungen bei den beanspruchten Anwendungsgebieten sei nicht belegt. Auf Grund des Gehalts an Ginkgolsäuren als potenten Kontaktallergenen sei ein allergenes Risiko nicht auszuschließen.
5Auf den Antrag der Bezirksregierung Köln, über die Zulassungspflicht von „U. H. Q. E. Tabletten“ zu entscheiden, stellte das BfArM nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 11.04.2012 fest, dass es sich bei diesem Präparat um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel handele.
6Zur Begründung wurde ausgeführt, das Präparat erfülle die Voraussetzungen eines Funktionsarzneimittels.
7In randomisierten, placebokontrollierten Doppelblind-Studien von Santos et al. (2003) sowie Galduroz et al. (2007) sei die pharmakologische Wirkung einer Tagesdosis von 80 mg Ginkgo-biloba-Extrakt mit dem Auszugsmittel Aceton/Wasser festgestellt worden. Beide Studien hätten eine signifikante Verbesserung der Blutviskosität, Santos et al. darüber hinaus signifikante Verbesserungen der cerebralen Perfusion und kognitiver Funktionen festgestellt. Die Zusammensetzung der in den Studien verwendeten Extrakte entspreche dabei hinsichtlich der mittlerweile einhellig als pharmakologisch relevant erachteten Inhaltsstoffe (Flavonglykoside und Terpenlactone) derjenigen des Extrakts, der im streitgegenständlichen Präparat enthalten sei.
8Die Monographien ließen sich der Annahme einer pharmakologischen Wirkung nicht entgegenhalten. Der Positivmonographie, die erst ab 120 mg/Tag Anwendungsgebiete anzeige, stehe mit den Studien neu gewonnenes wissenschaftliches Erkenntnismaterial gegenüber. Ohnehin könne ein Präparat auch dann eine pharmakologische Wirkung besitzen, wenn seine Dosierung unter derjenigen liege, die die Monographie für eine therapeutische Wirksamkeit festlege. Die Arzneimitteleigenschaft setze anders als die Arzneimittelzulassung keinen Wirksamkeitsnachweis voraus. Dementsprechend würden klinische Prüfungen zur Wirksamkeit von Arzneimitteln regelmäßig erst im Rahmen von Arzneimittelzulassungsverfahren durchgeführt. Die Erkenntnislage zu Mitteln und Dosen, die bisher nicht als Arzneimittel zugelassen seien, sei demgegenüber naturgemäß beschränkt. Die Negativmonographie beziehe sich nur auf die nicht belegte Wirksamkeit bei zum Teil anderen und wesentlich umfangreicheren Anwendungsgebieten als den in der Positiv-Monographie genannten, weise aber hinsichtlich des Gehalts an Ginkgolsäuren ein gesundheitliches Risiko aus.
9Ginkgo werde üblicherweise nicht als Lebensmittel verzehrt. Tee aus Ginkgoblättern in diesem Zusammenhang anzuführen, erscheine problematisch, denn dieses Produkt stehe wegen der darin enthaltenen Menge an Ginkgolsäure im Verdacht, die Gesundheit zu gefährden. Jedenfalls sei mit Blick auf bestehende Gesundheitsgefahren von erheblichen Änderungen der Funktionsbedingungen des Körpers auszugehen, die über das Maß hinausgingen, das durch normale Ernährung erreicht werde. In der Fachliteratur werde ein Kausalzusammenhang zwischen der Einnahme ginkgohaltiger Präparate und einer erhöhten Blutungsneigung kontrovers diskutiert. Solche Präparate würden mit dem Warnhinweis vertrieben, dass die Einnahme sowohl bei krankhaft erhöhter Blutungsneigung als auch bei gleichzeitiger Einnahme gerinnungshemmender Arzneimittel nur nach ärztlicher Rücksprache erfolgen und vor Operationen unterbleiben solle.
10Der Bericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, der sich mit dem therapeutischen Nutzen von 240 mg eines Ginkgo-biloba-Extraktes für die langfristige Behandlung von Patienten mit Alzheimer Demenz befasse, treffe keine Aussage zur pharmakologischen Wirkung derartiger Extrakte in geringerer Dosierung.
11Auch auf der Grundlage des Homöostasepapiers des Europarates, das einen pragmatischen Ansatz zur Unterscheidung zwischen Arznei- und Lebensmitteln liefern solle, sei das streitgegenständliche Präparat als Funktionsarzneimittel einzustufen. Hiernach ergebe sich ausgehend von einer Tagesdosis von 120 mg nach Abzug von zweimal 10 % ein Wert von 97,2 mg/Tag als Grenzwert, den ein Nahrungsergänzungsmittel unterschreiten müsse.
12Bei „U. H. Q. E. Tabletten“ handle es sich zudem um ein Präsentationsarzneimittel. Ginkgo-Präparate würden im Bundesgebiet seit Mitte der 60er Jahre als Arzneimittel in Verkehr gebracht. Derzeit gebe es in Deutschland 93 Fertigarzneimittel als Monopräparate mit Ginkgo-biloba-Extrakt. Durch aktive Bewerbung der Präparate und jahrzehntelange Anwendung in den in der Aufbereitungsmonographie genannten Bereichen verbinde der Verbraucher mit Ginkgo eine konkrete arzneiliche Verwendung zur Heilung, Linderung oder Verhütung menschlicher Krankheiten, insbesondere auf dem Gebiet hirnorganischer Störungen. Diese arzneiliche Verbrauchererwartung nehme auch das streitgegenständliche Präparat auf, denn es sei maßgeblich charakterisiert durch seinen Bezug zu Hirnfunktionen und den Gehalt von 100 mg Ginkgo-biloba-Extrakt. Dass Ginkgo aufgrund seiner arzneilichen Verkehrsauffassung mittlerweile einigen Lebensmitteln in geringem Umfang als Zutat beigefügt werde, um ihnen ein gesundheitsförderndes Image zu verleihen, vermittle keine Verkehrsauffassung für Ginkgo als Lebensmittel.
13Den hiergegen erhobenen, eingehend begründeten Widerspruch wies das BfArM mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2012, zugestellt am 20.12.2012, zurück.
14Es führte ergänzend aus, die Durchführung der herangezogenen Studien entspreche wissenschaftlichen Standards. Die dabei festgestellten pharmakodynamischen Eigenschaften seien denen vergleichbar, die für arzneilich zugelassene Ginkgo-Zubereitungen beschrieben würden.
15Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass die durch ihr Präparat hervorgerufenen Wirkungen für Lebensmittel typische Wirkungen seien, wie sie für eine Liste zugelassener gesundheitsbezogener Angaben auf Lebensmitteln nach Art. 13 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 beschrieben würden. Tatsächlich könne sich eine Vielzahl von Stoffen auf die Gehirnfunktion des Menschen auswirken. Jedoch beeinflusse kein Lebensmittel die Gehirnfunktion durch eine signifikante Verbesserung der zerebralen Durchblutung und der Blutviskosität.
16Die Möglichkeit eines Blutungsrisikos dürfe bei der Bewertung der Wirkungen von 100 mg Ginkgo-biloba-Extrakt nicht außer Acht gelassen werden. Aufgrund der dem BfArM vorliegenden Fallmeldungen zu Blutungsrisiken seien bei Ginkgo biloba Hinweise in die Informationstexte aufgenommen worden. Der Ausschluss eines solchen Risikos hänge davon ab, dass bei der Einnahme ausführliche Informationen in Form einer Gebrauchsinformation zur Verfügung stünden.
17Die Klägerin hat am 21.01.2013, einem Montag, Klage erhoben.
18Zu deren Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:
19Bei ginkgohaltigen Produkten handle es sich um dual use-Erzeugnisse mit einer bioaktiven Substanz; diese sei in „U. H. Q. E. Tabletten“ in nicht pharmakologischer Dosierung und einer rein physiologischen Zweckbestimmung enthalten. Für die Bereitung von Tee aus Ginkgo-biloba-Blättern, der seit längerem in Deutschland auf dem Markt sei, würden üblicherweise 2 g Blätter für eine Tasse (150 mg) verwendet. Damit entspreche die Tagesdosis einer Tablette „U. H. Q. E. Tabletten“ quantitativ 2,5 Tassen Tee, also einer üblicherweise verwendeten Verzehrmenge.
20Die Beklagte habe den ihr obliegenden Nachweis der Arzneimitteleigenschaft nicht geführt. Gegen eine pharmakologische Wirkung von Ginkgo-biloba-Extrakt in einer Dosierung von 100 mg sprächen namentlich die beiden Monographien des Bundesgesundheitsamtes wie auch WHO/ESCOP-Monographien zu „folium Ginkgo“, welche von einer therapeutischen Wirksamkeit ab einer Tagesdosis von 120 mg ausgingen. Die Klägerin verweist hinsichtlich der Klassifizierung solcher Produkte zusätzlich auf den Bericht „Ginkgohaltige Präparate bei Alzheimer Demenz“ des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, den Entwurf einer Pflanzenliste des Bundesinstituts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit aus dem Jahr 2012, die Haltung weiterer Behörden im Bereich des Gesundheits- und Verbraucherschutzwesens, eine behördliche Praxis in Italien, Österreich, Belgien, den Niederlanden und den USA sowie auf das OLG Köln, das in seinem Urteil vom 21.12.2007 nach ausführlicher Befassung mit der naturwissenschaftlichen Erkenntnislage eine pharmakologische Wirkung eines ginkgohaltigen Getränks mit einer Verzehrempfehlung von bis zu 100 mg Ginkgo pro Tag verneine.
21Die vom BfArM angeführten Studien bildeten keine verlässliche wissenschaftliche Basis für die Annahme einer pharmakologischen Wirkung des streitgegenständlichen Produkts. Wie sich aus einer vorgelegten Stellungnahme von Dr. rer. nat. T. ergebe, seien die zugrundeliegenden Untersuchungen in methodisch angreifbarer Weise durchgeführt und ausgewertet worden. Demgegenüber gelange die Studie einer anderen Gruppe (Wang et. al) sogar bei einer Dosierung von 240 mg zu dem Resultat, dass die Absenkung der Blutviskosität statistisch nicht signifikant sei; dies spreche gegen die für eine pharmakologische Wirkung geforderte Dosis-Wirkungs-Beziehung.
22Die vermeintlich festgestellten Effekte auf die Blutviskosität und die cerebrale Perfusion seien nicht pharmakologischer sondern physiologischer Natur, wie sie gleichermaßen verschiedenen Lebensmitteln (z.B. Fischöl, Kakao-Flavanolen, Tomatenextrakt mit ähnlichem Wirkprinzip wie für Ginkgolide vermutet) zukämen und als gesundheitsbezogene Angabe zugelassen seien. Hierzu verweist die Klägerin ergänzend auf eine beigefügte Stellungnahme von Dipl. Biologin T1. .
23Danach gingen die Wirkungen von „U. H. Q. E. Tabletten“ auf die physiologischen Funktionen keinesfalls über die Wirkungen hinaus, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel haben könne. Das Produkt diene keiner arzneilichen Zweckbestimmung, es werde vielmehr für gesundheitsbezogene Funktionen ausgelobt, wie sie für Lebensmittel charakteristisch und gemäß den Vorgaben der HCVO gestattet seien. Schon deshalb könne eine Klassifizierung als Funktionsarzneimittel nicht anhand des Homöostasepaiers erfolgen.
24Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass das Produkt Risiken aufweise, die als eigenständiger Faktor zu einer Einordnung als Funktionsarzneimittel führen müssten. Auch insoweit fehle es an dem erforderlichen wissenschaftlichen Nachweis. Im Übrigen enthalte das Produkt den Hinweis, dass während der Einnahme blutgerinnungshemmender Arzneimittel auf die gleichzeitige Einnahme von „U. H. Q. E. Tabletten“ verzichtet werden solle. Die Ginkgol-Säuren seien in dem Produkt abgereichert.
25Da das Produkt als Nahrungsergänzungsmittel ohne krankheitsbezogene Angaben angeboten sowie lebensmitteltypisch über Drogerien, Reformhäuser und Supermärkte vertrieben werde, erfülle es auch nicht die Merkmale eines Präsentationsarzneimittels. Vor dem Hintergrund, dass Ginkgo biloba seit Langem in einer Vielzahl von Tees, weiteren Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln Verwendung finde, bestehe zudem keine allgemeine Verkehrsauffassung dahin, dass ginkgohaltige Produkte schlechthin als Arzneimittel zu klassifizieren seien.
26Die Klägerin beantragt,
27den Bescheid vom 11.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2012 aufzuheben.
28Die Beklagte beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Sie vertieft ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und hält insbesondere daran fest, dass sich anhand der Studien von Santos et al. sowie Galduroz et al. eine pharmakologische Wirkung des streitgegenständlichen Präparats belegen lasse.
31Die Tatsache, dass bestimmte Stoffe, die Wirkungen auf die Blutviskosität oder die Thrombozytenaggregation besäßen, in Lebensmitteln, wie etwa Meeresfischen oder Ingwer, mit gesundheitsbezogenen Wirkungen verzehrt und gleichzeitig auch arzneilich verwendet würden, weise Ginkgo-biloba-Extrakten keine ernährungsphysiologische Wirkung zu. Diese Stoffe seien übliche Lebensmittel, von denen keines eine reine Zweckbestimmung zur Therapie von Krankheiten aufweise. Es gebe keine Arzneimittel mit diesen Stoffen, die im Rahmen einer Indikation zur symptomatischen Behandlung hirnorganisch bedingter Leistungsstörungen eingesetzt würden. Dagegen finde Ginkgo biloba mit ausschließlich therapeutischer Zweckbestimmung Verwendung. Ein therapeutisches Ziel sei gerade bei der Einstufung einer Wirkung als pharmakologisch mit-entscheidend.
32Zu den möglichen Risiken von Ginkgo-biloba-Extrakten, die die Klägerin offenbar selbst nicht völlig ausschließe, lägen in der UAW-Datenbank insgesamt 74 Meldungen hinsichtlich Blutungskomplikationen vor, darunter auch ernsthafte Erkrankungen wie Hirnblutungen.
33Die Deklaration des Präparats als Nahrungsergänzungsmittel stehe einer Einstufung als Präsentationsarzneimittel nicht entgegen. Durch die Kombination aus Vitaminen, für die auf die Gesunderhaltung des Nervensystems und psychischer Faktoren bezogene Lebensmittel-Claims zugelassen seien, und Ginkgo, das der Verbraucher in einschlägiger Indikation kenne, sähen sich Verbraucher und insbesondere die Zielgruppe für ginkgohaltige Arzneimittel in ihrem Wissen um die arzneiliche Wirkung von Ginkgo bestätigt.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
35E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
36Die zulässige Klage ist nicht begründet.
37Der Bescheid des BfArM vom 11.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2012, der die Arzneimitteleigenschaft des Produktes „U. H. Q. E. Tabletten“ feststellt, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
38Rechtsgrundlage für den Feststellungsbescheid des BfArM ist § 21 Abs. 4 Satz 1 AMG. Danach entscheidet die zuständige Bundeoberbehörde auf Antrag einer zuständigen Landesbehörde über die Zulassungspflicht eines Fertigarzneimittels. Die Entscheidung über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels schließt die Entscheidung über die Arzneimitteleigenschaft eines Produkts als notwendigen Zwischenschritt mit ein,
39vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27.01.2015 - 13 A 1872/14 -, PharmR 2015, 142, und vom 29.04.2014 - 13 A 1378/13 -, juris.
40Auch in materieller Hinsicht erweist sich die Entscheidung des BfArM als rechtmäßig.
41Bei dem streitgegenständlichen Produkt handelt es sich um ein Arzneimittel nach § 2 Abs. 1 AMG in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts gültigen, zuletzt mit Gesetz vom 17.12.2014 (BGBl. I S. 2222) geänderten Fassung.
42Zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei Verwaltungsakten nach § 21 Abs. 4 AMG: VG Köln, Urteil vom 08.11.2011 - 7 K 4577/11 - juris, m.w.N.; offengelassen vom OVG NRW, Beschluss vom 13.10.2010 - 13 A 1187/10 - juris.
43Gemäß § 2 Abs. 1 AMG sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die
44- 45
1. entweder zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind (sog. „Präsentationsarzneimittel“), oder
- 46
2. im oder am menschlichen Körper angewendet oder verabreicht werden können, um
a) die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen (sog. „Funktionsarzneimittel“) oder
48b) eine medizinische Diagnose zu erstellen („Diagnostika“).
49Diese Definitionen beruhen auf der Umsetzung des europarechtlichen Arzneimittelbegriffs in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG,
50Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.11.2001 zur Schaffung des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (Abl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67), zuletzt geändert durch RL 2012/26/EU vom 25.10.2012 (ABl. L 299 vom 25.10.2012, S. 1.).
51Sie sind daher gemeinschaftsrechtlich vorgeprägt und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH richtlinienkonform auszulegen,
52vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.10.2010 - 13 A 1187/10 -, juris.
53Nicht dem Arzneimittelbegriff unterfallen gem. § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 LFGB. Diese Bestimmung verweist auf Art. 2 VO(EG) 178/2002. Danach sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen erwartet werden kann, dass sie von Menschen aufgenommen werden, wobei Arzneimittel im Sinne des Gemeinschaftsrechts, d.h. der Definition in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG in der aktuellen Fassung
54- vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2006 - 3 C 40/05 -, juris -
55nicht zu den Lebensmitteln gehören. Das Arzneimittelrecht und das Lebensmittelrecht sind danach in der Weise aufeinander bezogen, als die in Frage kommenden Produkte nur entweder Arzneimittel oder Lebensmittel sein können,
56vgl. VG Köln, Urteil vom 05.08.2014 - 7 K 5469/12 -, juris.
57Das Präparat „U. H. Q. E. Tabletten“ ist ein Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 a) AMG. In der darin enthaltenen Zusammensetzung ist der Extrakt aus Ginkgo-biloba-Blättern ein Stoff, der im menschlichen Körper angewendet wird, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Hiervon geht die Kammer unter Berücksichtigung aller Merkmale des streitgegenständlichen Präparats aus.
58Bei der Entscheidung, ob ein Erzeugnis ein Funktionsarzneimittel ist, sind insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften - wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen -, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, zu berücksichtigen; im Rahmen dieser Prüfung sind die pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften das maßgebliche Kriterium, auf dessen Grundlage, ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses, zu beurteilen ist, ob es zur Wiederherstellung, Korrektur oder Beeinflussung der physiologischen Funktionen eingesetzt werden kann,
59ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. etwa Urteil vom 03.10.2013 - C-109/12 -; BVerwG, Urteil vom 20.11.2014 - 3 C 26.13 - jeweils mit weiteren Nachweisen, juris.
60Maßgeblich für die pharmakologische oder metabolische Wirkung ist zunächst der biochemische Wirkmechanismus, wobei der Begriff der pharmakologischen Wirkung als einer Wechselwirkung zwischen den Molekülen des betreffenden Stoffes und einem gewöhnlich als Rezeptor bezeichneten Zellbestandteil von dem der metabolischen Wirkung, welcher auf die Veränderung biochemischer Prozesse innerhalb von Körperfunktionen abzielt, nicht stets trennscharf abgegrenzt werden kann,
61vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27.01.2015 - 13 A 1872/14 - und vom 11.06.2007 - 13 A 3903/06 -; VG Köln, Urteil vom 14.02.2012 - 7 K 5340/10 -, juris.
62Der Stoff muss in der vorhandenen Zusammensetzung die Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers nennenswert beeinflussen und über die Wirkungen hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel hat,
63vgl. EuGH, Urteile vom 15.01.2009 - C-40/07 - und vom 15.11.2007 - C-319/05 -; BVerwG, Urteile vom 26.05.2009 - 3 C 5.00 - und vom 25.07.2007 - 3 C 21.06 - sowie - 3 C 23.06 -; OVG NRW, Beschluss vom 10.12.2014 - 13 A 1202/14 -, juris.
64Dagegen ist die von der Klägerin thematisierte positive „Wirkung bei Kranken“, also ein Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit, keine Voraussetzung für die Einstufung als Funktionsarzneimittel. Die nachgewiesene therapeutische Wirksamkeit (d.h. ein auf einen bestimmten, belegten Heilerfolg abzielender Ausschnitt aus dem allgemeinen Wirkungsspektrum) berechtigt zwar im Wege eines Erst-Recht-Schlusses zur Annahme einer pharmakologischen Wirkung; sie ist aber kein notwendiges Element pharmakologischer Wirkung,
65BVerwG, Urteil vom 14.12.2006 - 3 C 40.05 -, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 10.12.2014 - 13 A 1202/14 - und vom 27.01.2015 - 13 A 1872/14 -, a.a.O.
66Fehlt die Eignung, therapeutische Zwecke zu erfüllen, so ist nicht ausgeschlossen, dass es sich dennoch um ein Funktionsarzneimittel handelt,
67vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2007 - 3 C 21.06 -, juris.
68Dies belegt auch § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AMG, wonach die Zulassung zu versagen ist, wenn das Arzneimittel die vom Antragsteller angegebene therapeutische Wirksamkeit nicht besitzt. Die Bestimmung geht unabhängig von der therapeutischen Wirksamkeit begrifflich vom Vorliegen eines Arzneimittels aus. Ohne therapeutische Wirksamkeit fehlt dem Arzneimittel nicht die Arzneimitteleigenschaft sondern die Verkehrsfähigkeit,
69vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27.01.2015 - 13 A 1872/14 - m.w.N., a.a.O..
70Hiervon ausgehend hat das BfArM das streitgegenständliche Produkt zu Recht als Funktionsarzneimittel eingeordnet. Aus Sicht der Kammer ist nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der Schluss gerechtfertigt, dass der darin verwendete Gehalt an Ginkgo-biloba-Extrakt Körperfunktionen mittels pharmakologischer Wirkungen nennenswert beeinflusst.
71Die Kammer lässt dabei offen, ob sich eine solche Annahme bereits aus den vom BfArM angeführten Studien von Santos et al. und Galduroz et al. ableiten lässt,
72so VG Braunschweig, Urteil vom 08.08.2012 - 5 A 52/11 -, juris -,
73die signifikante Effekte der cerebralen Durchblutungsförderung und der Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes bereits bei einer Tagesdosis von 80 mg annehmen und diese mit einer Interaktion von Ginkgo mit dem plättchenaktivierenden Faktor bzw. einem Einfluss auf den Neurotransmitter-Spiegel über bestimmte Rezeptoren sowie mit seiner antioxidativen Wirkung in Verbindung bringen.
74Jedenfalls bietet die 1994 erstellte positive Aufbereitungsmonographie des Bundesgesundheitsamts für den Trockenextrakt aus Ginkgo-biloba-Blättern eine tragfähige Basis für die Annahme, dass das streitgegenständliche Produkt Körperfunktionen mittels pharmakologischer Wirkungen nennenswert beeinflusst. Denn bei dem darin verwendeten Ginkgo-biloba-Extrakt handelt es sich um ein Mittel, das durch den Einsatz als arzneiliches Heilmittel geprägt ist und für das bei identischer Zusammensetzung der wirksamkeitsbestimmenden Stoffe in einer geringfügig höheren Dosierung eine pharmakologische Wirkung (wie auch eine therapeutische Wirksamkeit) wissenschaftlich anerkannt ist.
75Die Positivmonographie sieht für Trockenextrakte aus Ginkgo-biloba-Blättern, die im Durchschnitt ein Droge-Extrakt-Verhältnis von 50:1 aufweisen und charakterisiert sind durch 22-27 % Flavonglykoside, 5-7 % Terpenlactone und unter 5 ppm Ginkgolsäuren, folgende als pharmakologisch bezeichnete Wirkungen bei 120 mg Tagesdosis als experimentell nachgewiesen an:
76Steigerung der Hypoxietoleranz, insbesondere des Hirngewebes, Hemmung der Entwicklung eines traumatisch oder toxisch bedingten Hirnödems und Beschleunigung seiner Rückbildung, Verminderung des Retinaödems und von Netzhautzell-Läsionen, Hemmung der altersbedingten Reduktion von muskarinergen Cholinorezeptoren und O2-Adrenozeptoren sowie Förderung der Cholinaufnahme im Hippocampus,
77Steigerung der Gedächtnisleistung und des Lernvermögens,
78Förderung der Kompensation von Gleichgewichtsstörungen,
79Förderung der Durchblutung, vorzugsweise im Bereich der Mikrozirkulation,
80Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes,
81Inaktivierung toxischer Sauerstoffradikale (Flavonoide),
82Antagonismus gegenüber PAF (Ginkgolide), (d.h. Hemmung des plättchenaktivierenden Faktors im Blut, der etwa eine Rolle bei Entzündungen eine Rolle spielt),
83Neuroprotektive Wirkung (Ginkgolide).
84Die Aufbereitungsmonographie ist eine belastbare wissenschaftliche Grundlage. Sie ist auf gesetzlicher Grundlage von einem kompetenten Expertengremium erstellt und vom damaligen Bundesgesundheitsamt anerkannt sowie veröffentlicht worden,
85vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2007 - 3 C 22.06 -, juris.
86Der Bewertung des streitgegenständlichen Produkts als pharmakologisch wirkendes Arzneimittel können die Erkenntnisse aus dieser Monographie zugrundegelegt werden.
87Dem steht nicht entgegen, dass die positive Aufbereitungsmonographie einen Extrakt betrifft, der mit Aceton/Wasser als Auszugsmittel hergestellt wurde, während das streitgegenständliche Präparat mit dem Extraktionsmittel Ethanol/Wasser gewonnen wird.
88Für die Wirkungen von Ginkgo wird nach den Darlegungen des BfArM, denen die Klägerin nicht entgegengetreten ist, das Zusammenwirken von Stoffen (Flavonglykosiden und Terpenlactonen, davon ein bestimmter Anteil an Ginkgoliden) verantwortlich gemacht, die in dem vorliegenden Extrakt in derselben Zusammensetzung und mit demselben prozentualen Anteil enthalten sind wie in dem Extrakt, der in der Positivmonographie beurteilt wird. Das zeigt, dass es auch mit dem Auszugsmittel Ethanol/Wasser gelungen ist, die wirkungsbestimmenden Inhaltsstoffe in dem erforderlichen Umfang herauszufiltern. Dementsprechend sind die verschiedenen Extrakte auch in ihrer Wirkung vergleichbar. Zu keiner abweichenden Beurteilung führt die Negativmonographie, die auch Ethanol/Wasser-Extrakte zum Gegenstand hat. Aus dieser Monographie kann nicht entnommen werden, dass Ethanol-Wasser-Extrakte, wie der im streitgegenständlichen Präparat eingesetzte Extrakt, keine pharmakologischen Wirkungen haben. Denn in der Negativmonographie ist keine Aussage zu den pharmakologischen Wirkungen und zur therapeutischen Wirksamkeit enthalten, da die wissenschaftlichen Daten fehlten. Für die hier interessierende Frage trifft sie damit keine Aussage.
89Der Heranziehung der Positivmonographie lässt sich nach Auffassung der Kammer nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass „U. H. Q. E. Tabletten“ die dort vorgesehene Tagesdosierung geringfügig unterschreitet. Hierbei misst die Kammer der langjährigen arzneimitteltypischen Funktion von Ginkgo-biloba-Blätterextrakt eine besondere Bedeutung zu. Bei der Einzelfallentscheidung, ob ein Erzeugnis ein Funktionsarzneimittel ist, ist zu beachten, dass Arzneimittel typischerweise eine therapeutische Eignung besitzen und die Anwender sie nutzen, um Krankheiten oder unerwünschte körperliche Zustände und Befindlichkeiten zu verhindern bzw. zu bekämpfen,
90- vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.12.2014 - 13 A 1202/14 -, a.a.O.
91Präparate aus Ginkgo-biloba-Blätter-Extrakten sind in der beschriebenen Zusammensetzung der wirkungsbestimmenden Inhaltsstoffe in Deutschland ausschließlich als arzneiliches Heilmittel mit nachgewiesener Wirksamkeit bei hirnorganischen Störungen eingesetzt worden. Eine Ernährungs- oder Genussfunktion ist bei den Blättern der Ginkgopflanze – anders als etwa Knoblauch, der eine langjährige Verwendung als Lebens- und Gewürzmittel besitzt
92- vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 15.11.2007 - C-319/05 -, juris -
93nicht belegt. Auch die Klägerin will mit ihrem Produkt nicht etwa Ernährungs-, Geschmacks- oder Genussfunktionen vermarkten, sondern nimmt dafür positive gesundheitliche Wirkungen auf die Hirnleistungen in Anspruch, die sich aus der Heilmittelfunktion ableiten. Das Mittel aus arzneilich wirksamen Substanzen soll daher gezielt eingesetzt werden, um bestimmte Funktionen des Körpers positiv zu beeinflussen. Wird jedoch eine Stoffzusammensetzung mit nachgewiesenen arzneimitteltypischen Funktionen knapp unterhalb der therapeutischen Wirksamkeitsschwelle dosiert, spricht eine Vermutung dafür, dass auch dieses Erzeugnis jedenfalls eine pharmakologische Wirkung aufweist. Denn diese setzt nicht abrupt erst mit Beginn der therapeutischen Wirksamkeit ein, sondern ist schon unterhalb dieser Schwelle vorhanden. In der Regel steigt die Wirkung eines Arzneimittels mit zunehmender Dosis an, wobei erst an einem bestimmten Punkt die Schwelle zum therapeutischen Erfolg überschritten ist. Dass das Produkt bereits pharmakologische Wirkungen mit einem nennenswerten Einfluss auf die physiologischen Funktionen besitzt, gesteht die Klägerin letztlich selbst zu, indem sie eine Notwendigkeit für den aufgenommenen Warnhinweis bejaht. Die Empfehlung, bei gleichzeitiger Einnahme von blutgerinnungshemmenden Arzneimitteln auf die Einnahme des Produkts zu verzichten, wäre überflüssig, wenn das Produkt keine erheblichen Auswirkungen auf die physiologischen Funktionen hätte. Wer daher Mittel mit arzneimitteltypischer Funktion auf den Markt bringt und dabei die Dosierung geringfügig unter die einer belegten therapeutischen Wirkung setzt, muss den Anschein pharmakologischer Wirkung entkräften, wenn er sein Produkt ohne Zulassung vertreiben will. Die Arzneimittelbehörde kann in einem derartigen Fall nicht verpflichtet sein, Daten über die pharmakologische Wirkung in beliebigen Bereichen unterhalb der Wirksamkeitsschwelle vorzulegen oder zu generieren, da diese naturgemäß kaum zur Verfügung stehen. Der Klägerin ist es aber nicht gelungen, den hiernach bestehenden Anschein einer pharmakologischen Wirkung zu widerlegen. Die Bezugnahme auf Untersuchungen, die sich auf die Frage der therapeutischen Wirksamkeit von Ginkgoprodukten für erkrankte Personen beziehen, ist hierfür nicht geeignet.
94Der Einordnung als Funktionsarzneimittel steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihrem Produkt keine therapeutische, sondern nur eine gesundheitsfördernde Zweckbestimmung beimisst. Als Arzneimittel scheiden solche Produkte aus, die sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränken, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit zuträglich zu sein, das Vorliegen einer Krankheit ist dagegen nicht erforderlich; aus dem Arzneimittelbegriff ausgeschlossen werden sollen danach nur gesundheitsschädliche Stoffe wie etwa Drogen, die konsumiert werden, um einen Rauschzustand hervorzurufen,
95vgl. EuGH, Urteil vom 10.07.2014 - C-358/13 -; OVG NRW, Beschluss vom 27.01.2015 - 13 A 1872/14 -, juris.
96Die Klägerin dringt auch nicht mit ihrem Einwand durch, Ginkgo-biloba-Extrakt in der hier fraglichen Dosierung unterschreite die sog. Erheblichkeitsschwelle, welche die Rechtsprechung im Wege einer einschränkenden Auslegung des Begriffs der pharmakologischen Wirkung aufstellt, um Arzneimittel von Lebensmitteln abzugrenzen. Danach steuert ein Arzneimittel gezielt die Körperfunktionen von außen, während der Körper bei der unspezifischen Aufnahme von Nährstoffen über natürliche Nahrungsmittel die benötigten Bestandteile selbst identifiziert und modifiziert,
97vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2006 - 3 C 40.05 -, Urteil vom 25.07.2007 - 3 C 22.06, juris.
98Die Erheblichkeitsschwelle ist nicht erreicht, wenn die Wirkungen eines Produkts nicht über diejenigen hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel aufweisen kann,
99vgl. EuGH, Urteil vom 15.11.2007 - C-319/05 -, juris.
100Als Vergleichsprodukt, das die Zusammensetzung der wirksamen Inhaltsstoffe von Ginkgo-biloba-Blätterextrakt aufweisen könnte, kommt nur der von der Klägerin angeführte Tee aus Ginkgo-biloba-Blättern in Betracht. Es ist nicht belegt, dass ein aus 5 g Ginkgoblättern zubereiteter Tee der Tagesdosis einer Tablette U. H. Q. E. entspricht. Der Einsatz von Extrakten ist mit der Teezubereitung aus den Blättern nicht vergleichbar. Die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe der Blätter sind nur schwer wasserlöslich und können deshalb nur in geringer Menge in der Teezubereitung vorhanden sein. Außerdem kann der Verzehr der Blätter sogar schädlich sein, weil Natur-Ginkgo auch Substanzen (Ginkgolsäuren) enthält, die Allergien hervorrufen können. Da die Konzentration von Ginkgolsäure in Teeprodukten im Gegensatz zu Arzneimitteln keiner Kontrolle unterliegt, werden ginkgohaltige Tees als potentiell gesundheitsgefährdend angesehen. Dagegen sind im Extrakt die gewünschten Inhaltsstoffe aus den Pflanzen in der erforderlichen Konzentration herausgelöst und die unerwünschte Ginkgolsäure abgereichert,
101vgl. „Ginkgohaltige Teeprodukte nicht ohne Risiko“ in Pharmazeutische Zeitung online www.pharmazeutische-zeitung.de/indesx.php?id=7209: der arzneiliche Wirkstoff Trockenextrakt aus Ginkgo-biloba-Blättern enthält im Vergleich zum Gehalt der Blätter auf circa das 50-fache angereicherte Ginkgoflavonglycoside und Terpenlactone; in allen untersuchten Tees, die noch nicht einmal ausschließlich aus Ginkgoblättern bestanden, waren trotz der relativ schlechten Wasserlöslichkeit der Ginkgolsäuren unzulässig hohe und gesundheitsbedenkliche Gehaltwerte an Ginkgolsäure in einer einzigen Tasse.
102Danach ist zweifelhaft, ob sich die Zubereitung von reinem Ginkgo-Tee als üblicher Lebensmittelverzehr qualifizieren lässt. Jedenfalls sind keinerlei Anhaltspunkte dafür dargetan, dass damit in lebensmitteladäquater Dosierung die in einer Tablette enthaltene Menge an wirksamen Inhaltsstoffen aufgenommen werden kann. Dem darauf gerichteten Beweisangebot braucht die Kammer nicht nachzugehen, da es auf einen Ausforschungsbeweis gerichtet ist.
103Soweit die Klägerin unter Beweisantritt ähnliche Wirkungsmechanismen anderer Inhaltsstoffe von verschiedenen Lebensmitteln wie Rotwein, Kakao, Fischöl sowie einigen Obst-, Gemüse- und Getreidesorten anführt, sieht die Kammer gleichfalls keinen Anlass zu einer Beweiserhebung. Dabei kann offenbleiben, ob sich ein Produkt anhand eines Vergleichs mit Lebensmitteln kategorisieren lässt, denen jeglicher inhaltsstoffliche Bezug zu diesem Produkt fehlt. Jedenfalls ergeben sich keine Hinweise auf eine vergleichbare Wirkungsintensität. Die Klägerin hat keine Daten vorgelegt, die - bei unterstellter vergleichbarer Wirkungsweise - einen quantitativen Vergleich der Auswirkungen ihres Produkts mit denen der genannten Lebensmittel in üblicher Verzehrmenge ermöglichen.
104Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Gesundheitsgefahr ein eigenständiger Faktor, den die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen der Einstufung eines Erzeugnisses als Funktionsarzneimittel ebenfalls zu berücksichtigen haben,
105vgl. EuGH, Urteil vom 15.11.2007 - C-319/05 -, juris.
106Ausgehend von mehreren Fallberichten der UAW-Datenbank besteht zumindest bei Kombination mit Gerinnungshemmern ein nicht auszuschließendes Risiko einer erhöhten Blutungsgefahr. Auch wenn ein konkreter Nachweis fehlt, erscheint dieses Risiko angesichts der monographisch beschriebenen Wirkungen zumindest plausibel und wird von der Klägerin, die ihr Produkt mit einem entsprechenden Hinweis vertreibt, nicht in Abrede gestellt. Unter diesen Umständen ist der Gesichtspunkt des Fehlens einer Gesundheitsgefahr jedenfalls kein Grund, das hier streitige Produkt aus der Kategorie der Arzneimittel herauszunehmen.
107Unerheblich ist schließlich, ob in anderen EU-Staaten vergleichbare ginkgohaltige Produkte als Nahrungsergänzungsmittel im Verkehr sind. Nach dem gegenwärtigen Stand des Unionsrechts schließt die in einem Mitgliedstaat vorgenommene Kategorisierung eines Erzeugnisses nicht aus, dass die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats dieses Präparats abweichend aufgrund seiner pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Wirkungen als Arzneimittel einstufen,
108vgl. EuGH, Urteil vom 03.10.2013 - C-109/12 - für die Abgrenzung von Arzneimitteln zu Medizinprodukten; EuGH, Urteil vom 09.06.2005 - C-211/03 - und Urteil vom 15.01.2009 - C-140/07 -; BVerwG, Urteil vom 14.12.2006 - 3 C 40/05 - für die Abgrenzung zu Lebensmitteln, sämtlich in juris.
109Ist danach das Produkt der Klägerin als Funktionsarzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 a) AMG einzustufen, kann offenbleiben, ob auch die Voraussetzungen als Präsentationsarzneimittel erfüllt sind. Insbesondere ist der Frage nicht nachzugehen, ob das Produkt, dessen Aufmachung jeden Krankheits- und Heilbezug meidet, aufgrund einer arzneilich geprägten Verkehrsauffassung zu Präparaten aus Ginkgo-biloba-Blätterextrakt die Eigenschaft als Präsentationsarzneimittel erfüllt oder ob die zwischenzeitliche Vermarktung von Lebensmitteln mit wie auch immer gearteten Zusätzen aus der Ginkgopflanze dem entgegensteht.
110Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO.
111Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.
moreResultsText
Annotations
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Fertigarzneimittel dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Europäische Gemeinschaft oder die Europäische Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Absatz 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilt hat. Satz 1 gilt auch in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EU) Nr. 536/2014, der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 1; L 201 vom 27.7.2012, S. 28), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, in Verbindung mit der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 oder in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007.
(2) Einer Zulassung bedarf es nicht für Arzneimittel, die
- 1.
auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt werden und zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt sind, - 1a.
Arzneimittel sind, bei deren Herstellung Stoffe menschlicher Herkunft eingesetzt werden und die entweder zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehene Anwendung bestimmt sind oder auf Grund einer Rezeptur für einzelne Personen hergestellt werden, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne von § 4 Absatz 4, - 1b.
andere als die in Nummer 1a genannten Arzneimittel sind und für Apotheken, denen für einen Patienten eine Verschreibung vorliegt, aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln - a)
als Zytostatikazubereitung oder für die parenterale Ernährung sowie in anderen medizinisch begründeten besonderen Bedarfsfällen, sofern es für die ausreichende Versorgung des Patienten erforderlich ist und kein zugelassenes Arzneimittel zur Verfügung steht, hergestellt werden oder - b)
als Blister aus unveränderten Arzneimitteln hergestellt werden oder - c)
in unveränderter Form abgefüllt werden,
- 1c.
antivirale oder antibakterielle Wirksamkeit haben und zur Behandlung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, aus Wirkstoffen hergestellt werden, die von den Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen benannten Stellen für diese Zwecke bevorratet wurden, soweit ihre Herstellung in einer Apotheke zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis oder zur Abgabe an andere Apotheken erfolgt, - 1d.
Gewebezubereitungen sind, die der Pflicht zur Genehmigung nach den Vorschriften des § 21a Abs. 1 unterliegen, - 1e.
Heilwässer, Bademoore oder andere Peloide sind, die nicht im Voraus hergestellt und nicht in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden, oder die ausschließlich zur äußeren Anwendung oder zur Inhalation vor Ort bestimmt sind, - 1f.
medizinische Gase sind und die für einzelne Personen aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln durch Abfüllen und Kennzeichnen in Unternehmen, die nach § 50 zum Einzelhandel mit Arzneimitteln außerhalb von Apotheken befugt sind, hergestellt werden, - 1g.
als Therapieallergene für einzelne Patienten auf Grund einer Rezeptur hergestellt werden, - 2.
zur klinischen Prüfung bestimmt sind oder - 3.
unter den in Artikel 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 genannten Voraussetzungen kostenlos für eine Anwendung bei Patienten zur Verfügung gestellt werden, die an einer zu einer schweren Behinderung führenden Erkrankung leiden oder deren Krankheit lebensbedrohend ist, und die mit einem zugelassenen Arzneimittel nicht zufrieden stellend behandelt werden können; dies gilt auch für die nicht den Kategorien des Artikels 3 Absatz 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zugehörigen Arzneimittel; Verfahrensregelungen werden in einer Rechtsverordnung nach § 80 bestimmt.
(2a) (weggefallen)
(3) Die Zulassung ist vom pharmazeutischen Unternehmer zu beantragen. Für ein Fertigarzneimittel, das in Apotheken oder sonstigen Einzelhandelsbetrieben auf Grund einheitlicher Vorschriften hergestellt und unter einer einheitlichen Bezeichnung an Verbraucher abgegeben wird, ist die Zulassung vom Herausgeber der Herstellungsvorschrift zu beantragen. Wird ein Fertigarzneimittel für mehrere Apotheken oder sonstige Einzelhandelsbetriebe hergestellt und soll es unter deren Namen und unter einer einheitlichen Bezeichnung an Verbraucher abgegeben werden, so hat der Hersteller die Zulassung zu beantragen.
(4) Die zuständige Bundesoberbehörde entscheidet ferner, unabhängig von einem Zulassungsantrag nach Absatz 3 oder von einem Genehmigungsantrag nach § 21a Absatz 1 oder § 42 Absatz 2, auf Antrag einer zuständigen Landesbehörde über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels, die Genehmigungspflicht einer Gewebezubereitung oder über die Genehmigungspflicht einer klinischen Prüfung. Dem Antrag hat die zuständige Landesbehörde eine begründete Stellungnahme zur Einstufung des Arzneimittels oder der klinischen Prüfung beizufügen.
(1) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind. Dies sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen,
- 1.
die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind oder - 2.
die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder - a)
die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder - b)
eine medizinische Diagnose zu erstellen.
(2) Als Arzneimittel gelten Gegenstände, die ein Arzneimittel nach Absatz 1 enthalten oder auf die ein Arzneimittel nach Absatz 1 aufgebracht ist und die dazu bestimmt sind, dauernd oder vorübergehend mit dem menschlichen Körper in Berührung gebracht zu werden.
(3) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind nicht
- 1.
Tierarzneimittel im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43; L 163 vom 20.6.2019, S. 112; L 326 vom 8.10.2020, S. 15; L 241 vom 8.7.2021, S. 17) und veterinärmedizintechnische Produkte nach § 3 Absatz 3 des Tierarzneimittelgesetzes, - 2.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, - 3.
kosmetische Mittel im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe a auch in Verbindung mit Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342 vom 22.12.2009, S. 59; L 318 vom 15.11.2012, S. 74; L 72 vom 15.3.2013, S. 16; L 142 vom 29.5.2013, S. 10; L 254 vom 28.8.2014, S. 39; L 17 vom 21.1.2017, S. 52; L 326 vom 9.12.2017, S. 55; L 183 vom 19.7.2018, S. 27; L 324 vom 13.12.2019, S. 80; L 76 vom 12.3.2020, S. 36), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1966 (ABl. L 307 vom 28.11.2019, S. 15) geändert worden ist, - 4.
Erzeugnisse im Sinne des § 2 Nummer 1 des Tabakerzeugnisgesetzes, - 5.
Biozid-Produkte nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1; L 303 vom 20.11.2015, S. 109; L 305 vom 21.11.2015, S. 55; L 280 vom 28.10.2017, S. 57), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2021/407 (ABl. L 81 vom 9.3.2021, S. 15) geändert worden ist, - 6.
Futtermittel im Sinne des Artikels 3 Nummer 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, - 7.
Medizinprodukte und Zubehör für Medizinprodukte im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 und 2 der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1; L 117 vom 3.5.2019, S. 9; L 334 vom 27.12.2019, S. 165), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung und im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 und 4 der Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 176; L 117 vom 3.5.2019, S. 11; L 334 vom 27.12.2019, S. 167) in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 Buchstabe b, - 8.
Organe im Sinne des § 1a Nr. 1 des Transplantationsgesetzes, wenn sie zur Übertragung auf menschliche Empfänger bestimmt sind.
(3a) Arzneimittel sind auch Erzeugnisse, die Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen sind oder enthalten, die unter Berücksichtigung aller Eigenschaften des Erzeugnisses unter eine Begriffsbestimmung des Absatzes 1 fallen und zugleich unter die Begriffsbestimmung eines Erzeugnisses nach Absatz 3 fallen können.
(4) Solange ein Mittel nach diesem Gesetz als Arzneimittel zugelassen oder registriert oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung oder Registrierung freigestellt ist, gilt es als Arzneimittel. Hat die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung oder Registrierung eines Mittels mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um kein Arzneimittel handelt, so gilt es nicht als Arzneimittel.
(1) Fertigarzneimittel dürfen im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Europäische Gemeinschaft oder die Europäische Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach Artikel 3 Absatz 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilt hat. Satz 1 gilt auch in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EU) Nr. 536/2014, der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 1; L 201 vom 27.7.2012, S. 28), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, in Verbindung mit der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 oder in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007.
(2) Einer Zulassung bedarf es nicht für Arzneimittel, die
- 1.
auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt werden und zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis bestimmt sind, - 1a.
Arzneimittel sind, bei deren Herstellung Stoffe menschlicher Herkunft eingesetzt werden und die entweder zur autologen oder gerichteten, für eine bestimmte Person vorgesehene Anwendung bestimmt sind oder auf Grund einer Rezeptur für einzelne Personen hergestellt werden, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne von § 4 Absatz 4, - 1b.
andere als die in Nummer 1a genannten Arzneimittel sind und für Apotheken, denen für einen Patienten eine Verschreibung vorliegt, aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln - a)
als Zytostatikazubereitung oder für die parenterale Ernährung sowie in anderen medizinisch begründeten besonderen Bedarfsfällen, sofern es für die ausreichende Versorgung des Patienten erforderlich ist und kein zugelassenes Arzneimittel zur Verfügung steht, hergestellt werden oder - b)
als Blister aus unveränderten Arzneimitteln hergestellt werden oder - c)
in unveränderter Form abgefüllt werden,
- 1c.
antivirale oder antibakterielle Wirksamkeit haben und zur Behandlung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, aus Wirkstoffen hergestellt werden, die von den Gesundheitsbehörden des Bundes oder der Länder oder von diesen benannten Stellen für diese Zwecke bevorratet wurden, soweit ihre Herstellung in einer Apotheke zur Abgabe im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis oder zur Abgabe an andere Apotheken erfolgt, - 1d.
Gewebezubereitungen sind, die der Pflicht zur Genehmigung nach den Vorschriften des § 21a Abs. 1 unterliegen, - 1e.
Heilwässer, Bademoore oder andere Peloide sind, die nicht im Voraus hergestellt und nicht in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden, oder die ausschließlich zur äußeren Anwendung oder zur Inhalation vor Ort bestimmt sind, - 1f.
medizinische Gase sind und die für einzelne Personen aus im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassenen Arzneimitteln durch Abfüllen und Kennzeichnen in Unternehmen, die nach § 50 zum Einzelhandel mit Arzneimitteln außerhalb von Apotheken befugt sind, hergestellt werden, - 1g.
als Therapieallergene für einzelne Patienten auf Grund einer Rezeptur hergestellt werden, - 2.
zur klinischen Prüfung bestimmt sind oder - 3.
unter den in Artikel 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 genannten Voraussetzungen kostenlos für eine Anwendung bei Patienten zur Verfügung gestellt werden, die an einer zu einer schweren Behinderung führenden Erkrankung leiden oder deren Krankheit lebensbedrohend ist, und die mit einem zugelassenen Arzneimittel nicht zufrieden stellend behandelt werden können; dies gilt auch für die nicht den Kategorien des Artikels 3 Absatz 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zugehörigen Arzneimittel; Verfahrensregelungen werden in einer Rechtsverordnung nach § 80 bestimmt.
(2a) (weggefallen)
(3) Die Zulassung ist vom pharmazeutischen Unternehmer zu beantragen. Für ein Fertigarzneimittel, das in Apotheken oder sonstigen Einzelhandelsbetrieben auf Grund einheitlicher Vorschriften hergestellt und unter einer einheitlichen Bezeichnung an Verbraucher abgegeben wird, ist die Zulassung vom Herausgeber der Herstellungsvorschrift zu beantragen. Wird ein Fertigarzneimittel für mehrere Apotheken oder sonstige Einzelhandelsbetriebe hergestellt und soll es unter deren Namen und unter einer einheitlichen Bezeichnung an Verbraucher abgegeben werden, so hat der Hersteller die Zulassung zu beantragen.
(4) Die zuständige Bundesoberbehörde entscheidet ferner, unabhängig von einem Zulassungsantrag nach Absatz 3 oder von einem Genehmigungsantrag nach § 21a Absatz 1 oder § 42 Absatz 2, auf Antrag einer zuständigen Landesbehörde über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels, die Genehmigungspflicht einer Gewebezubereitung oder über die Genehmigungspflicht einer klinischen Prüfung. Dem Antrag hat die zuständige Landesbehörde eine begründete Stellungnahme zur Einstufung des Arzneimittels oder der klinischen Prüfung beizufügen.
(1) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind. Dies sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen,
- 1.
die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind oder - 2.
die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder - a)
die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder - b)
eine medizinische Diagnose zu erstellen.
(2) Als Arzneimittel gelten Gegenstände, die ein Arzneimittel nach Absatz 1 enthalten oder auf die ein Arzneimittel nach Absatz 1 aufgebracht ist und die dazu bestimmt sind, dauernd oder vorübergehend mit dem menschlichen Körper in Berührung gebracht zu werden.
(3) Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes sind nicht
- 1.
Tierarzneimittel im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43; L 163 vom 20.6.2019, S. 112; L 326 vom 8.10.2020, S. 15; L 241 vom 8.7.2021, S. 17) und veterinärmedizintechnische Produkte nach § 3 Absatz 3 des Tierarzneimittelgesetzes, - 2.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, - 3.
kosmetische Mittel im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe a auch in Verbindung mit Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342 vom 22.12.2009, S. 59; L 318 vom 15.11.2012, S. 74; L 72 vom 15.3.2013, S. 16; L 142 vom 29.5.2013, S. 10; L 254 vom 28.8.2014, S. 39; L 17 vom 21.1.2017, S. 52; L 326 vom 9.12.2017, S. 55; L 183 vom 19.7.2018, S. 27; L 324 vom 13.12.2019, S. 80; L 76 vom 12.3.2020, S. 36), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1966 (ABl. L 307 vom 28.11.2019, S. 15) geändert worden ist, - 4.
Erzeugnisse im Sinne des § 2 Nummer 1 des Tabakerzeugnisgesetzes, - 5.
Biozid-Produkte nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1; L 303 vom 20.11.2015, S. 109; L 305 vom 21.11.2015, S. 55; L 280 vom 28.10.2017, S. 57), die zuletzt durch die Delegierte Verordnung (EU) 2021/407 (ABl. L 81 vom 9.3.2021, S. 15) geändert worden ist, - 6.
Futtermittel im Sinne des Artikels 3 Nummer 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, - 7.
Medizinprodukte und Zubehör für Medizinprodukte im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 und 2 der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1; L 117 vom 3.5.2019, S. 9; L 334 vom 27.12.2019, S. 165), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung und im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 und 4 der Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 176; L 117 vom 3.5.2019, S. 11; L 334 vom 27.12.2019, S. 167) in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 Buchstabe b, - 8.
Organe im Sinne des § 1a Nr. 1 des Transplantationsgesetzes, wenn sie zur Übertragung auf menschliche Empfänger bestimmt sind.
(3a) Arzneimittel sind auch Erzeugnisse, die Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen sind oder enthalten, die unter Berücksichtigung aller Eigenschaften des Erzeugnisses unter eine Begriffsbestimmung des Absatzes 1 fallen und zugleich unter die Begriffsbestimmung eines Erzeugnisses nach Absatz 3 fallen können.
(4) Solange ein Mittel nach diesem Gesetz als Arzneimittel zugelassen oder registriert oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung oder Registrierung freigestellt ist, gilt es als Arzneimittel. Hat die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung oder Registrierung eines Mittels mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um kein Arzneimittel handelt, so gilt es nicht als Arzneimittel.
(1) Erzeugnisse sind Lebensmittel, einschließlich Lebensmittelzusatzstoffen, Futtermittel, Mittel zum Tätowieren, kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände.
(2) (weggefallen)
(3) (weggefallen)
(4) (weggefallen)
(5) (weggefallen)
(6) Bedarfsgegenstände sind
- 1.
Materialien und Gegenstände im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen und zur Aufhebung der Richtlinien 80/590/EWG und 89/109/EWG (ABl. L 338 vom 13.11.2004, S. 4), die durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14) geändert worden ist, - 2.
Packungen, Behältnisse oder sonstige Umhüllungen, die dazu bestimmt sind, mit kosmetischen Mitteln in Berührung zu kommen, - 3.
Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit den Schleimhäuten des Mundes in Berührung zu kommen, - 4.
Gegenstände, die zur Körperpflege bestimmt sind, - 5.
Spielwaren und Scherzartikel, - 6.
Gegenstände, die dazu bestimmt sind, nicht nur vorübergehend mit dem menschlichen Körper in Berührung zu kommen, wie Bekleidungsgegenstände, Bettwäsche, Masken, Perücken, Haarteile, künstliche Wimpern, Armbänder, - 7.
Reinigungs- und Pflegemittel, die für den häuslichen Bedarf oder für Bedarfsgegenstände im Sinne der Nummer 1 bestimmt sind, - 8.
Imprägnierungsmittel und sonstige Ausrüstungsmittel für Bedarfsgegenstände im Sinne der Nummer 6, die für den häuslichen Bedarf bestimmt sind, - 9.
Mittel und Gegenstände zur Geruchsverbesserung in Räumen, die zum Aufenthalt von Menschen bestimmt sind.
- 1.
Gegenstände, die - a)
nach § 2 Absatz 2 des Arzneimittelgesetzes als Arzneimittel gelten, - b)
nach Artikel 2 Nummer 1 und 2 der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1; L 117 vom 3.5.2019, S. 9; L 334 vom 27.12.2019, S. 165), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung und im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 und 4 der Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 176; L 117 vom 3.5.2019, S. 11; L 334 vom 27.12.2019, S. 167) in der jeweils geltenden Fassung als Medizinprodukte oder als Zubehör für Medizinprodukte gelten, - c)
nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1; L 303 vom 20.11.2015, S. 109; L 280 vom 28.10.2017, S. 57), die zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 334/2014 (ABl. L 103 vom 5.4.2014, S. 22; L 305 vom 21.11.2015, S. 55) geändert worden ist, Biozid-Produkte sind,
- 2.
die in Artikel 1 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 genannten Materialien und Gegenstände, Überzugs- und Beschichtungsmaterialien und Wasserversorgungsanlagen, - 3.
veterinärmedizintechnische Produkte im Sinne von § 3 Absatz 3 des Tierarzneimittelgesetzes.
(1) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt die Zulassung schriftlich unter Zuteilung einer Zulassungsnummer. Die Zulassung gilt nur für das im Zulassungsbescheid aufgeführte Arzneimittel und bei Arzneimitteln, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt sind, auch für die in einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 in der vor dem 17. August 1994 geltenden Fassung bekannt gemachten Ergebnis genannten und im Zulassungsbescheid aufgeführten Verdünnungsgrade.
(2) Die zuständige Bundesoberbehörde darf die Zulassung nur versagen, wenn
- 1.
die vorgelegten Unterlagen, einschließlich solcher Unterlagen, die auf Grund einer Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorzulegen sind, unvollständig sind, - 2.
das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht, - 3.
das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt wird oder nicht die angemessene Qualität aufweist, - 4.
dem Arzneimittel die vom Antragsteller angegebene therapeutische Wirksamkeit fehlt oder diese nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Antragsteller unzureichend begründet ist, - 5.
das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig ist, - 5a.
bei einem Arzneimittel, das mehr als einen Wirkstoff enthält, eine ausreichende Begründung fehlt, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet, wobei die Besonderheiten der jeweiligen Arzneimittel in einer risikogestuften Bewertung zu berücksichtigen sind, - 6.
das Inverkehrbringen des Arzneimittels gegen gesetzliche Vorschriften oder gegen eine Verordnung oder eine Richtlinie oder eine Entscheidung oder einen Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union verstoßen würde.
(3) Die Zulassung ist für ein Arzneimittel zu versagen, das sich von einem zugelassenen oder bereits im Verkehr befindlichen Arzneimittel gleicher Bezeichnung in der Art oder der Menge der Wirkstoffe unterscheidet. Abweichend von Satz 1 ist ein Unterschied in der Menge der Wirkstoffe unschädlich, wenn sich die Arzneimittel in der Darreichungsform unterscheiden.
(4) Ist die zuständige Bundesoberbehörde der Auffassung, dass eine Zulassung auf Grund der vorgelegten Unterlagen nicht erteilt werden kann, teilt sie dies dem Antragsteller unter Angabe von Gründen mit. Dem Antragsteller ist dabei Gelegenheit zu geben, Mängeln innerhalb einer angemessenen Frist, jedoch höchstens innerhalb von sechs Monaten abzuhelfen. Wird den Mängeln nicht innerhalb dieser Frist abgeholfen, so ist die Zulassung zu versagen. Nach einer Entscheidung über die Versagung der Zulassung ist das Einreichen von Unterlagen zur Mängelbeseitigung ausgeschlossen.
(5) Die Zulassung ist auf Grund der Prüfung der eingereichten Unterlagen und auf der Grundlage der Sachverständigengutachten zu erteilen. Zur Beurteilung der Unterlagen kann die zuständige Bundesoberbehörde eigene wissenschaftliche Ergebnisse verwerten, Sachverständige beiziehen oder Gutachten anfordern. Die zuständige Bundesoberbehörde kann in Betrieben und Einrichtungen, die Arzneimittel entwickeln, herstellen, prüfen oder klinisch prüfen, zulassungsbezogene Angaben und Unterlagen, auch im Zusammenhang mit einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Abs. 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 überprüfen. Zu diesem Zweck können Beauftragte der zuständigen Bundesoberbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde Betriebs- und Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten betreten, Unterlagen einsehen sowie Auskünfte verlangen. Die zuständige Bundesoberbehörde kann ferner die Beurteilung der Unterlagen durch unabhängige Gegensachverständige durchführen lassen und legt deren Beurteilung der Zulassungsentscheidung und, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegen, dem der Zulassungskommission nach Absatz 6 Satz 1 vorzulegenden Entwurf der Zulassungsentscheidung zugrunde. Als Gegensachverständiger nach Satz 5 kann von der zuständigen Bundesoberbehörde beauftragt werden, wer die erforderliche Sachkenntnis und die zur Ausübung der Tätigkeit als Gegensachverständiger erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Dem Antragsteller ist auf Antrag Einsicht in die Gutachten zu gewähren. Verlangt der Antragsteller, von ihm gestellte Sachverständige beizuziehen, so sind auch diese zu hören. Für die Berufung als Sachverständiger, Gegensachverständiger und Gutachter gilt Absatz 6 Satz 5 und 6 entsprechend.
(5a) Die zuständige Bundesoberbehörde erstellt ferner einen Beurteilungsbericht über die eingereichten Unterlagen zur Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit und gibt darin eine Stellungnahme hinsichtlich der Ergebnisse von pharmazeutischen und vorklinischen Versuchen, von klinischen Prüfungen sowie zum Risikomanagement- und zum Pharmakovigilanz-System ab. Der Beurteilungsbericht ist zu aktualisieren, wenn hierzu neue Informationen verfügbar werden.
(5b) Absatz 5a findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt werden, sofern diese Arzneimittel dem Artikel 16 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG unterliegen.
(6) Vor der Entscheidung über die Zulassung eines Arzneimittels, das den Therapierichtungen Phytotherapie, Homöopathie oder Anthroposophie zuzurechnen ist und das der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegt, ist eine Zulassungskommission zu hören. Die Anhörung erstreckt sich auf den Inhalt der eingereichten Unterlagen, der Sachverständigengutachten, der angeforderten Gutachten, die Stellungnahmen der beigezogenen Sachverständigen, das Prüfungsergebnis und die Gründe, die für die Entscheidung über die Zulassung wesentlich sind, oder die Beurteilung durch die Gegensachverständigen. Weicht die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung über den Antrag von dem Ergebnis der Anhörung ab, so hat sie die Gründe für die abweichende Entscheidung darzulegen. Das Bundesministerium beruft die Mitglieder der Zulassungskommission unter Berücksichtigung von Vorschlägen der Kammern der Heilberufe, der Fachgesellschaften der Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Heilpraktiker sowie der für die Wahrnehmung ihrer Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenverbände der pharmazeutischen Unternehmer, Patienten und Verbraucher. Bei der Berufung sind die jeweiligen Besonderheiten der Arzneimittel zu berücksichtigen. In die Zulassungskommissionen werden Sachverständige berufen, die auf den jeweiligen Anwendungsgebieten und in der jeweiligen Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie) über wissenschaftliche Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen gesammelt haben.
(7) Für Arzneimittel, die nicht der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegen, werden bei der zuständigen Bundesoberbehörde Kommissionen für bestimmte Anwendungsgebiete oder Therapierichtungen gebildet. Absatz 6 Satz 4 bis 6 findet entsprechende Anwendung. Die zuständige Bundesoberbehörde kann zur Vorbereitung der Entscheidung über die Verlängerung von Zulassungen nach § 105 Abs. 3 Satz 1 die zuständige Kommission beteiligen. Betrifft die Entscheidung nach Satz 3 Arzneimittel einer bestimmten Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie), ist die zuständige Kommission zu beteiligen, sofern eine vollständige Versagung der Verlängerung nach § 105 Abs. 3 Satz 1 beabsichtigt oder die Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung ist; sie hat innerhalb von zwei Monaten Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung nach Satz 4 die Stellungnahme der Kommission nicht berücksichtigt, legt sie die Gründe dar.
(7a) Zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit für Kinder und Jugendliche wird beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Kommission für Arzneimittel für Kinder und Jugendliche gebildet. Absatz 6 Satz 4 bis 6 findet entsprechende Anwendung. Zur Vorbereitung der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels, das auch zur Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen bestimmt ist, beteiligt die zuständige Bundesoberbehörde die Kommission. Die zuständige Bundesoberbehörde kann ferner zur Vorbereitung der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung eines anderen als in Satz 3 genannten Arzneimittels, bei dem eine Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen in Betracht kommt, die Kommission beteiligen. Die Kommission hat Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung die Stellungnahme der Kommission nicht berücksichtigt, legt sie die Gründe dar. Die Kommission kann ferner zu Arzneimitteln, die nicht für die Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen zugelassen sind, den anerkannten Stand der Wissenschaft dafür feststellen, unter welchen Voraussetzungen diese Arzneimittel bei Kindern oder Jugendlichen angewendet werden können. Für die Arzneimittel der Phytotherapie, Homöopathie und anthroposophischen Medizin werden die Aufgaben und Befugnisse nach den Sätzen 3 bis 7 von den Kommissionen nach Absatz 7 Satz 4 wahrgenommen.
(8) Bei Sera, Impfstoffen, Blutzubereitungen, Gewebezubereitungen, Allergenen, xenogenen Arzneimitteln, die keine Arzneimittel nach § 4 Absatz 9 sind, erteilt die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung entweder auf Grund der Prüfung der eingereichten Unterlagen oder auf Grund eigener Untersuchungen oder auf Grund der Beobachtung der Prüfungen des Herstellers. Dabei können Beauftragte der zuständigen Bundesoberbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde Betriebs- und Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten betreten und in diesen sowie in den dem Betrieb dienenden Beförderungsmitteln Besichtigungen vornehmen. Auf Verlangen der zuständigen Bundesoberbehörde hat der Antragsteller das Herstellungsverfahren mitzuteilen. Bei diesen Arzneimitteln finden die Absätze 6, 7 und 7a keine Anwendung.
(8a) (weggefallen)
(9) Werden verschiedene Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege oder Ausbietungen eines Arzneimittels beantragt, so können diese auf Antrag des Antragstellers Gegenstand einer einheitlichen umfassenden Zulassung sein; dies gilt auch für nachträgliche Änderungen und Erweiterungen. Dabei ist eine einheitliche Zulassungsnummer zu verwenden, der weitere Kennzeichen zur Unterscheidung der Darreichungsformen oder Konzentrationen hinzugefügt werden müssen. Für Zulassungen nach § 24b Abs. 1 gelten Einzelzulassungen eines Referenzarzneimittels als einheitliche umfassende Zulassung.
(10) Die Zulassung lässt die zivil- und strafrechtliche Verantwortlichkeit des pharmazeutischen Unternehmers unberührt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.