Verwaltungsgericht Köln Urteil, 24. Sept. 2014 - 10 K 7576/13


Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die 1967 in der Türkei geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige.
3Sie reiste 1978 im Alter von elf Jahren nach Deutschland ein und erhielt 1989 eine Aufenthaltsberechtigung. Am 28.06.2012 beantragte sie bei der Beklagten ihre Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen (MIK) teilte der Beklagten mit Schreiben vom 20.09.2012 mit, die Klägerin sei als langjährige Aktivistin der „Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten“ (TKP/ML) bekannt. Sie nehme regelmäßig an Veranstaltungen der Partei teil.
4Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache und Befragung bei der Beklagten erklärte die Klägerin am 22.05.2013: Sie stehe zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und sei gegen Gewalt. Sie kenne verschiedene türkische Parteien, darunter die TKP/ML und die PKK, sei aber nicht Mitglied einer dieser Parteien. Die Ziele dieser Parteien seien ihr bekannt und sie kenne die politischen Verhältnisse in der Türkei. Generell sei sie politisch interessiert und nehme gelegentlich an Demonstrationen teil. Sie helfe jedoch nicht durch z.B. „Spendengelder“. Die gegen sie vorliegenden Erkenntnisse des MIK entsprächen nicht der Wahrheit.
5Auf Nachfrage der Beklagten erklärte das MIK mit weiterem Schreiben von 24.07. 2013: Die Klägerin nehme auch weiterhin regelmäßig an Veranstaltungen der TKP/ML teil, so unter anderem an einer Veranstaltung am 28.04.2013 in Köln anlässlich des 40. Parteigründungstages. Auch im Jahr zuvor habe sie an der Veranstaltung teilgenommen. Am 11.05.2013 habe sie an der jährlich stattfindenden Gedenkveranstaltung für den Parteigründer Kaypakkaya in Ludwigshafen teilgenommen. Sie besuche den der TKP/ML zuzurechnenden multikulturellen Verein für Völkerverständigung in Köln und nehmen dort an Mitgliederversammlungen, Seminaren und weiteren Veranstaltungen teil.
6Im Rahmen ihrer Anhörung zu der beabsichtigten Ablehnung ihres Antrags machte die Klägerin geltend: Die Ablehnung ihres Einbürgerungsantrags verstoße gegen die Grundrechte und gegen die europäische Menschenrechtskonvention. Der Besuch kritischer Veranstaltungen – auch von revolutionären und kommunistischen Organisationen – stehe einer Einbürgerung nicht entgegen. Gleiches gelte für die Solidarität mit dem Freiheitskampf des kurdischen Volkes. In der Türkei gebe es anhaltende schwere Menschenrechtsverletzungen. Der Protest gegen Repression und Unterdrückung und das Eintreten für demokratische Rechte und Freiheiten dürften ihr nicht entgegen gehalten werden. Erkenntnisse des Verfassungsschutzes dürften aufgrund von dessen Verwicklung in die Mordserie der „NSU“ nicht verwertet werden.
7Mit Bescheid vom 30.10.2013 lehnte die Beklagte die beantragte Einbürgerung ab: In der Person der Klägerin liege ein Ausschlussgrund nach § 11 StAG vor. Die Klägerin habe an mehreren Veranstaltungen der TKP/ML sowie des der TKP/ML zuzurechnenden multikulturellen Vereins für Völkerverständigung in Köln teilgenommen. Sie habe damit zu erkennen gegeben, dass sie diese Organisation unterstütze. Die TKP/ML verfolge das Ziel eines bewaffneten revolutionären Umsturzes in der Türkei. Auch eine Einbürgerung nach § 8 StAG komme aus denselben Gründen nicht in Betracht.
8Der Ablehnungsbescheid wurde am 31.10.2013, einem Donnerstag, mit Einwurf- Einschreiben zur Post gegeben.
9Die Klägerin hat am 04.12.2013 Klage erhoben. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und macht ergänzend geltend:
10Sie lebe seit 36 Jahren in Deutschland und habe sich nicht strafbar gemacht. Sie sei auch keine Aktivistin der TKP/ML. Der Besuch von Veranstaltungen linker Organisationen, wie einer Veranstaltung am 11.05.2013 in Ludwigshafen zum Gedenken an Ibrahim Kaypakkaya, an der mehr als 4000 Menschen teilgenommen hätten, einer Veranstaltung einer Zeitung in Köln am 28.04.2013 oder der Besuch antirassistischer und antifaschistischer Veranstaltungen, die der Völkerfreundschaft und der gegenseitigen Beratung und Unterstützung dienten, beim multikulturellen Verein für Völkerverständigung in Köln seien keine Aktivitäten einer Aktivistin der TKP/ML, sondern die einer politisch interessierten Frau, die fortschrittlich eingestellt sei. Der Parteigründer Kaypakkaya, der durch den türkischen Staat zu Tode gefoltert worden sei und über den in der Türkei mehrere Romane und Filme erschienen seien, habe für fortschrittliche Menschen, insbesondere für die Jugend, eine ähnlich symbolhafte Bedeutung wie Che Guevara weltweit. Ihr Ehemann sei in der Türkei wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der TKP/ML fast zehn Jahre inhaftiert gewesen und dort schwer gefoltert worden. Er gehöre zu den Gefangenen, die 1986 durch Grabung eines Tunnels aus dem Gefängnis geflohen seien. Sie habe ihren Ehemann dann in Deutschland kennengelernt. Zusammen mit ihrem Ehemann habe sie unter anderem am 28.04.2013 an einer Veranstaltung zum Gedenken an Ibrahim Kaypakkaya in Köln teilgenommen. Bei dieser Veranstaltung hätten unter anderem ein bekannter türkischer Schriftsteller sowie ein Journalist gesprochen. Die Klägerin hat die Kopie einer schriftlichen Einladung zu dieser Veranstaltung sowie zu ähnlichen Veranstaltungen an anderen Orten in Deutschland, Österreich und der Schweiz vorgelegt. Wegen des Inhalts der Einladung im Einzelnen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen, bei welcher der zu dieser geladene Dolmetscher die Einladung in den wesentlichen Teilen übersetzt hat.
11Die Klägerin beantragt,
12die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 30.10.2013 zu verpflichten, sie in den deutschen Staatsverband einzubürgern.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Klage hat keinen Erfolg.
18Dabei geht das Gericht von der Zulässigkeit der Klage auch mit Blick auf die einmonatige Klagefrist aus (§ 74 VwGO), nachdem der Ablehnungsbescheid am 31.10.2013 zur Post gegeben wurde - es folgten ein gesetzlicher Feiertag und ein Wochenende - und die Klageschrift sodann am 04.12.2013 bei Gericht einging,
19zum Meinungsstand bezüglich der Fristberechnung in derartigen Fällen vgl. Kopp, VwVfG, 14. Aufl., § 41 Rn. 42 m.w.N.
20Die Klage ist - bei zugunsten der Klägerin unterstellter Zulässigkeit - jedenfalls unbegründet.
21Die Ablehnung des Antrags auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO); die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG.
22Der Einbürgerung steht die Vorschrift des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegen. Danach ist die Einbürgerung u. a. ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat.
23Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, sind solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, Gewalt als Mittel der Durchsetzung seiner politischen Belange einzusetzen. Es werden nicht nur gewaltanwendende oder vorbereitende Bestrebungen gegen Personen oder Sachen im Bundesgebiet oder außerhalb des Bundesgebietes gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen erfasst, sondern auch die Anwendung von Gewalt außerhalb des Bundesgebietes gegen Nichtdeutsche. Bei einer exilpolitischen Betätigung muss die Eignung hinzutreten, die Beziehung der Bundesrepublik Deutschland zu einem ausländischen Staat zu belasten oder zu beeinträchtigen.
24Vgl. BVerwG, Urt. vom 20. März 2012 – 5 C 1/11 – juris Rdnr. 17.
25Unterstützen ist jede Handlung des Ausländers, die für Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d. h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt. Dazu zählen auch etwa öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortungen entsprechender Bestrebungen, die Gewährung finanzieller Unterstützung (Spenden; Mitgliedsbeiträge) oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der genannten Ziele,
26vgl. VG Köln, Urteil vom 05.07.2006 - 10 K 6915/05 -; Berlit in: Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, Stand: August 2011, § 11 StAG Rdnr. 96 mit weiterem Nachweis.
27Die Unterstützung muss als solche für den Ausländer erkennbar sein. Er muss zudem zum Vorteil der genannten Bestrebung handeln wollen.
28vgl. BVerwG, Urteil vom 22.02.2007 - 5 C 20.05 -, BVerwGE 128, 140.
29Der Ausschlussgrund der Unterstützung von Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG führt zu einer Vorverlagerung des Sicherheitsschutzes. Es genügt der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer solchen Unterstützung. Eines Nachweises, dass es zu einer Unterstützung derartiger Bestrebungen gekommen ist, bedarf es nicht. Ebenso wenig ist erforderlich, dass das Verhalten des Ausländers tatsächlich Erfolg hatte oder für einen Erfolg ursächlich war. Das Verhalten, dessen der Ausländer verdächtigt ist, muss für den Fall, dass sich der Verdacht bestätigt, ein Unterstützen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG darstellen.
30Vgl. BVerwG, Urt. vom 20. März 2012 – 5 C 1/11 – juris Rdnr. 19 f.; Urt. vom 2. Dezember 2009 – 5 C 24/08 – juris Rdnr. 15; Urt. vom 22. Februar 2007 – 5 C 21/06 – juris Rdnr. 16; Urt. vom 22. Februar 2007 – 5 C 20/05 – juris Rdnr. 19.
31Gemessen daran rechtfertigen im vorliegenden Fall tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme, dass die Klägerin Bestrebungen unterstützt, die durch die Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Diese Voraussetzungen liegen im Hinblick auf die Aktivitäten der Klägerin in Bezug auf die TKP/ML vor.
32Die TKP/ML verfolgt die Abschaffung des bestehenden türkischen Staatssystems und die Errichtung eines kommunistischen Systems mit maoistischer Prägung. 1994 führte eine Spaltung der Mutterpartei zur Bildung zweier selbständiger, miteinander konkurrierender Fraktionen, „Partizan“ und „Maoistische Kommunistische Partei“ (MKP). Beide Flügel verfügen über einen bewaffneten Arm, der das politische Ziel durch einen gewaltsamen Umsturz erreichen soll. Für die „Partizan“-Fraktion ist das die “Türkische Arbeiter- und Bauernbefreiungsarmee“ (TIKKO), für die MKP die „Volksbefreiungsarmee“ (HKO). Beide Teilorganisationen bekennen sich in der Türkei zu bewaffneten Aktionen gegen polizeiliche und militärische Einrichtungen.
33vgl. Verfassungsschutzberichte des Bundesamtes für Verfassungsschutz für die Jahre 2012, S. 359 ff, und 2013, S. 262 ff.; siehe auch Urteil der Kammer vom 06.05.2009 - 10 K 1424/07 -, bestätigt durch Beschluss des OVG NRW vom 30.06.2010 - 19 A 1407/09 -.
34Die Klägerin hat mehrfach und über einen längeren Zeitraum an Veranstaltungen unter maßgeblicher Beteiligung der TKP/ML teilgenommen, wie sie zumindest teilweise selbst eingeräumt hat, u.a. an Veranstaltungen in Köln und in Ludwigshafen zum Gedenken an den Parteigründer Kaypakkaya. Damit liegen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin Bestrebungen der TKP/ML in dem o.g. Sinne unterstützt hat bzw. weiter unterstützt. Ob die Klägerin auch Mitglied der TKP/ML ist, was sie bestreitet, kann ebenso dahinstehen, wie die Frage, ob die Klägerin durch ihre Teilnahme an Veranstaltungen des „Multikulturellen Vereins für Völkerverständigung e.V.“ in Köln, der nach der Rechtsprechung der Kammer als in die Organisation der TKP/ML eingebunden anzusehen ist,
35vgl. Urteil der Kammer vom 07.12.2005 - 10 K 7635/04 -,
36als Unterstützung der TKP/Ml zu werten ist.
37Die Klägerin hat nicht im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 StAG glaubhaft gemacht, dass sie sich von der Unterstützung der TKP/ML mittlerweile abgewandt hat. Ein solches Abwenden erfordert jedenfalls, dass der Ausländer einräumt oder jedenfalls nicht bestreitet, in der Vergangenheit eine Bestrebung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt zu haben.
38Vgl. BVerwG, Urt. vom 20. März 2012 – 5 C 1/11 – juris Rdnr. 47.
39Daran fehlt es hier. Die Klägerin bestreitet die Unterstützung der TKP/ML.
40Eine Einbürgerung nach § 8 StAG scheidet aus den vorstehenden Gründen ebenfalls aus.
41Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

moreResultsText

Annotations
Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn
- 1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder - 2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er
- 1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, - 2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, - 3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat, - 4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.
(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er
- 1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die - a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder - b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder - c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, - 2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt, - 3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat, - 4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert, - 5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, - 6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, - 7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.
(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.
(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.
(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.
(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.
(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.
(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.
Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn
- 1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder - 2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er
- 1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, - 2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, - 3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat, - 4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.