Tenor

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 5 A 269/15 gegen den Bescheid vom 13. Januar 2015 anzuordnen, wird abgelehnt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der Antragsteller trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

Gründe

1

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (5 A 269/15) ist zwar nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylVfG zulässig, aber unbegründet, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts i.S.d. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG bestehen. Angegriffen hat der Antragsteller den Bescheid vom 13. Januar 2015, mit dem die Antragsgegnerin die Anträge des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet abgelehnt sowie subsidiären Schutzstatus nicht zuerkannt hat. Des Weiteren liegen nach dem Bescheid Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vor, und dem Antragsteller wird die Abschiebung nach Serbien angedroht.

2

Ernstliche Zweifel im Sinne von § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG liegen nach der verfassungsrechtlichen Vorgabe in Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 GG dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1516/93, BVerfGE 94, 166 <194>). Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG). Hinsichtlich der Entscheidungen des Bundesamtes der Antragsgegnerin in Nr. 1 und 2 der Bescheide, dass die Anerkennungsvoraussetzungen „offensichtlich“ nicht vorliegen, gilt, dass das Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur diese Einschätzung des Bundesamtes zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1516/93, BVerfGE 94, 166 <192>).

3

Die Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet beruht auf § 29 a Abs. 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat i.S.d. Art. 16 a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.

4

Das Heimatland des Antragstellers, Serbien, ist ein sicherer Herkunftsstaat in diesem Sinne, weil gemäß § 29 a Abs. 2 AsylVfG in Anlage II zu § 29 a AsylVfG bezeichnet. Die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat erfolgte aufgrund des Gesetzes zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer vom 31. Oktober 2014, BGBl. I S. 1649 mit Wirkung vom 6. November 2014. Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1507/93, Rn. 65). Das erkennende Gericht ist dieser Überzeugung nicht. Für den Gesetzgeber besteht hinsichtlich der Einstufung als sicherer Herkunftsstaat ein Entscheidungsspielraum, der überschritten ist, wenn der Gesetzgeber sich bei der Entscheidung der Einstufung als sicherer Herkunftsstaat nicht von guten Gründen leiten lässt (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1507/93, juris insbesondere Rn. 87), wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen (vgl. VG Berlin, Beschl. v. 9.12.2014, 7 L 603.14 A; a. A. möglicherweise VG Münster, Beschl. v. 27.11.2014, 4 L 867/14.A, juris, sowie Bader in InfAuslR, 2015, 69 ff.). Der Gesetzgeber hat bei seiner Entscheidung bezüglich Serbiens den Umstand in seine Erwägungen einbezogen, dass in der serbischen Öffentlichkeit Vorbehalte und Vorurteile gegenüber Angehörigen bestimmter ethnischer Gruppen, insbesondere Roma, weit verbreitet seien, sowie dass die wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Lage der Roma schwierig sei (BT-Drs. 18/1528 S. 16, 17).

5

Um Verfolgungsfällen gerecht zu werden, können auch Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten grundsätzlich als Asylberechtigte und Flüchtlinge anerkannt werden, und zwar gemäß § 29 a Abs. 1 AsylVfG entgegen der Vermutung in Art. 16 a Abs. 3 Satz 2 GG. Die in Art. 16 a Abs. 3 Satz 2 GG aufgestellte Vermutung geht dahin, dass der aus einem sicheren Herkunftsstaat stammende Ausländer nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatschen vorträgt, die die Annahme begründen, dass er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird (dann Art. 16 a Abs. 1 GG bzw. § 3 Abs. 1 AsylVfG mit der Folge des § 60 Abs. 1 AufenthG).

6

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet bestehen nicht. Der Antragsteller hat entgegen § 29 a Abs. 1 AsylVfG nicht Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die die Annahme begründen, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Serbien politische Verfolgung droht. Er hat insbesondere nicht schlüssig, substantiiert und glaubhaft geltend gemacht, dass er sich gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in verfolgungsschutzrelevanter Intensität (vgl. § 3 a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), von verfolgungsrelevanten Akteuren (vgl. § 3 d AsylVfG) ausgehend, außerhalb Serbiens befindet. Der Antragsteller hat bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 3. Dezember 2014 auf die Frage nach seinen Ausreisegründen und zuvor schriftlich unter dem 21. Oktober 2014 unsustantiiert und ohne erkennbaren verfolgungsrelevanten Bezug im Wesentlichen lediglich vorgetragen, sein Leben sei in Serbien seit fünf Jahren unverändert in Gefahr. Er werde von einem Mann immer wieder erneut um Geld erpresst, solches sei in seiner Heimatstadt Nis und auch in Belgrad geschehen. Die Polizei von Belgrad habe ein Protokoll aufgenommen. Der Polizei in Nis sei der Mann bekannt. Die Polizei habe ihm aber nicht helfen können. Im Übrigen habe der Mann ihn und seine Frau geschlagen.

7

Damit trägt der Antragsteller vor, dass er Opfer kriminellen Handelns sei, ein verfolgungsrelevanter Bezug ist nicht erkennbar. Die behauptete Lebensgefahr ist von dem Antragsteller nicht schlüssig begründet worden. Belegt ist sein Vortrag, auch bezüglich der vergeblichen Inanspruchnahme der Polizei, nicht. Das Gericht schließt sich den Ausführungen der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid an, wonach die Angaben des Antragstellers angesichts der Angaben der Ehefrau des Antragstellers bei deren Anhörung vor dem Bundesamt (Az.: 5828597-170, 5 AE 468/15, 5 A 467/15) nicht überzeugend seien und das Verhalten des Antragstellers und seiner Frau zeige, dass keine ernsthafte Bedrohung in Serbien vorgelegen habe. Hiergegen bringt der Antragsteller in der Begründung des vorliegenden Eilantrags nichts vor. Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vortrags bestehen auch, soweit der Antragsteller vorgetragen hat, er und seine Frau seien von dem Mann geschlagen worden. Seine Frau hat bei ihrer Anhörung nichts dergleichen erwähnt.

8

Vor diesem Hintergrund bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der Ablehnung des Antrags auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet, zumal der Antragsteller auf dem Landweg über Ungarn und damit über einen sicheren Drittstaat gemäß Art. 16a Abs. 2 GG eingereist ist.

9

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzstatus bestehen ebenfalls nicht. Nach § 4 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (1.), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (2.) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (3.). Schutzberechtigende Vorkommnisse hat der Antragsteller, wie oben dargelegt, nicht glaubhaft vorgetragen.

10

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, bestehen ebenfalls nicht. Das gilt hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG auch i. V. m. Art. 2 Abs. 2 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK (das Gericht geht hierauf ein, weil der Antragsteller in seiner Antragsbegründung die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Stuttgart, dazu siehe unten, erwähnt hat). Nach Art. 2 Abs. 2 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK steht es jeder Person frei, jedes Land, einschließlich des eigenen, zu verlassen. Denn abgesehen davon, dass § 60 Abs. 5 AufenthG ausdrücklich nur auf die EMRK, BGBl. 1952 II S. 685 und nicht auf die Zusatzprotokolle verweist, besteht bei Abschiebungen in einen anderen Vertragsstaat der EMRK eine Mitverantwortung des abschiebenden Staates, die Konventionsrechte im Zielstaat der Abschiebung zu gewährleisten, nur dann, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohen und effektiver Rechtsschutz – auch durch den EGMR – nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen ist (BVerwG, Urt. v. 7.12.2004, 1 C 14/04), so dass die insoweitige Rechtmäßigkeit der Nichtfeststellung eines entsprechenden Abschiebungsverbots nicht ernstlich zweifelhaft ist (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 10.9.2012, 5 A 1245/11, juris Rn. 30 sowie i. E. VG München, Urt. v. 16.1.2014, M 24 K 13.30752; Urt. v. 22.3.2013, M 24 K 12.30893, juris, allerdings mit dem Argument, die Menschenrechtsgarantie sei nicht in ihrem Kern bedroht. Dieses Argument überzeugt nicht, es beruht auf der Rechtsprechung des BVerwG zur Menschenrechtsgarantie bezüglich Nichtzeichnerstaaten, vgl. so schon VG Hamburg, Beschl. v. 11.3.2014, 5 AE 4412/13).

11

Auch ansonsten sind Abschiebeverbote nicht ersichtlich. Es spricht nichts dagegen anzunehmen, dass der Antragsteller nach Rückkehr in sein Herkunftsland wie bisher auch seinen Lebensunterhalt wird sichern können.

12

Soweit sich der Antragsteller in seiner Antragsbegründung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Stuttgart stützt und meint, seinen Klageanträgen sei entsprechend stattzugeben, dürften die Urteile des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. März 2014, A 11 K 5036/13, und vom 28. Mai 2014, A 11 K 1996/14, gemeint sein, in denen das Verwaltungsgericht Stuttgart eine politische Verfolgung der Roma in Serbien mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK wegen Einschränkung der Freizügigkeit durch gesetzliche Regelungen und deren administrative Umsetzung gesehen hat. Die vorliegend erkennende Einzelrichterin ist nicht davon überzeugt, dass eine etwaige Einschränkung der Freizügigkeit von Angehörigen der Roma durch die serbischen gesetzlichen Regelungen und deren administrative Umsetzung die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG für den Antragsteller begründet. Zwar können gesetzliche und administrative Maßnahmen als Verfolgung i. S. d. §§ 3 Abs. 1, 3a Abs. 1 AsylVfG gelten (§ 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG). Die Flüchtlingseigenschaft setzte aber voraus, dass der Antragsteller rechtsschutzlos dagegen ist (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2, lit. a AsylVfG). Der Antragsteller hätte indes die zumutbare Möglichkeit, in Serbien und letztlich ggf. vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung seines Rechts aus Art. 2 Abs. 2 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK zu rügen und effektiven Rechtsschutz zu erlangen.

13

Die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden (vgl. § 34 Abs. 1 AsylVfG).

14

Die Kostenentscheidung entspricht § 83 b AsylVfG, § 154 Abs. 1 VwGO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 16a


(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 28.3.2014 wird aufgehoben soweit er dem entgegen steht.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 und 3 AufenthG, hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes bzw. die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten.
Der am … 1986 geborene Kläger ist serbischer Staatsangehöriger, der dem Volk der Roma angehört. Er reiste am 19.02.2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter.
Er wurde am 17.03.2014 persönlich vom Bundesamt zu seinen Asylgründen angehört. Wegen seiner Angaben wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
Den Asylantrag des Klägers lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 28.03.2014 als offensichtlich unbegründet ab. Ebenso wurde der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Weiterhin erkannte es den subsidiären Schutz nicht zu und verneinte auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AsylVfG. Schließlich wurde der Kläger in diesem Bescheid aufgefordert die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieses Bescheides zu verlassen und es wurde ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Serbien angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei einer Rückkehr nach Serbien habe der Kläger mit keinen Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von § 3 AsylVfG durch den Staat zu rechnen. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Angehörige der Volksgruppe der Roma einer staatlichen Verfolgung ausgesetzt seien. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid vom 28.03.2014 Bezug genommen.
Der Bescheid vom 28.03.2014 wurde dem Kläger am 22.04.2014 zugestellt.
Der Kläger hat am 25.04.2014 Klage erhoben und zugleich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage beantragt (A 11 K 1997/14).
Wegen der Einzelheiten der Begründung der Klage wird auf die Klageschrift Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den entgegen stehenden Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 28.03.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.
10 
hilfsweise,
11 
die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen,
12 
höchst hilfsweise,
13 
die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt
14 
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
15 
die Klage abzuweisen.
16 
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angegriffene Entscheidung.
17 
Mit Beschluss vom 30.05.2014 - A 11 K 1997/14 - hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamtes vom 28.03.2014 enthaltene Abschiebungsandrohung angeordnet. In dem Beschluss wird ausgeführt, dass die Lage der Roma in Südosteuropa und insbesondere auch in Serbien als hochgradig problematisch anzusehen sei, wie sich der Auskunftslage entnehmen lasse. Den dadurch begründeten Zweifeln müsse im Hauptsacheverfahren nachgegangen werden.
18 
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung zu seinen Asylgründen angehört worden. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
19 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die in der Sache angefallenen Gerichtsakten, die Gerichtsakten des Verfahrens A 11 K 1997/14 sowie die dem Gericht vorliegenden Akten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, denn die Ladung enthielt einen entsprechenden Hinweis (§ 102 Abs. 2 VwGO).
21 
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
22 
Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG, weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylVfG vorliegen und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Dementsprechend darf der Kläger gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht nach Serbien abgeschoben werden. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 28.03.2014 ist daher aufzuheben soweit er dieser Verpflichtung entgegen steht.
23 
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Wenn der Ausländer sich auf dieses Abschiebungsverbot beruft, stellt das Bundesamt in einem Asylverfahren fest, ob die genannten Voraussetzungen vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG).
24 
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG (in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl. I S. 3474) ist ein Ausländer dann Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. II 1953, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftslandes) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
25 
Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt somit - wie auch die Anerkennung als Asylberechtigter - die Gefahr einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr nach Serbien voraus. Es kann hierbei dahin stehen, ob der Kläger bereits vor seiner Ausreise aus Serbien einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder ihm eine solche unmittelbar gedroht hatte; denn das Gericht ist jedenfalls davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Serbien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit der Gefahr einer Verfolgung zu rechnen hat, die an ein asylrelevantes Merkmal, die Rasse, anknüpft (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG, § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).
26 
1. Hierbei kann weiter dahin stehen, ob der Kläger schon allein wegen seiner Zugehörigkeit zum Volk der Roma einer politischen Verfolgung in Serbien ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr nach Serbien einer solchen Gefahr ausgesetzt sein würde. Hierbei verkennt das Gericht nicht die äußerst problematische Lage, in der sich Roma in Serbien befinden. Nach der Auskunftslage und der in dem Verfahren A 11 K 5036/13 durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass Roma in Serbien extrem benachteiligt werden, dass sie gezwungen sind, am Rande der Gesellschaft zu leben und dass sie vielfältige Benachteiligungen hinzunehmen haben. Dies gilt insbesondere für ihren Zugang zum Arbeitsmarkt, dem Zugang zur Gesundheitsversorgung, dem Zugang zu Bildungsmöglichkeiten und der Möglichkeit Sozialleistungen zu erlangen. Insoweit nimmt das Gericht Bezug auf die Darstellung der sachverständigen Zeugin Dr. W. bei ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014 (A 11 K 5036/13) sowie auf die von PRO ASYL herausgegebenen Schrift der Zeugin Dr. W.: „Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat? Eine Auswertung von Quellen zur Menschenrechtssituation (April 2013)“.
27 
Die Feststellungen und Einschätzungen der Zeugin Dr. W. werden weitgehend auch im Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Serbien des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013, S. 13 f. geteilt.
28 
Das Gericht folgt ausdrücklich auch der Einschätzung der Zeugin, dass Roma in Serbien verstärkt Opfer von Übergriffen Dritter sind und die staatlichen Organe gegen solche Übergriffe in der Regel keinen Schutz gewähren. Schon dieser Befund stellt die Einschätzung des Bundesamts, dass den gegen Roma gerichteten Diskriminierungen die erforderliche Verfolgungsintensität fehle, in Frage.
29 
2. Im Urteil vom 25.03.2014 (A 11 K 5036/13) hat das Gericht weiter ausgeführt:
30 
„Entscheidend kommt für das Gericht aber hinzu, dass Angehörige der Roma in jüngster Zeit durch den serbischen Staat in ihren elementaren Rechten auf Freizügigkeit beschnitten und zudem kriminalisiert werden, weil sie von dem Menschenrecht der freien Ausreise Gebrauch machen.
31 
Die Ausreisefreiheit ist zum einen durch Art. 2 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423) verbürgt. Danach steht es grundsätzlich jedermann frei, jedes Land, einschließlich des eigenen zu verlassen. Zum anderen wird die Ausreisefreiheit auch durch Art. 17 der serbischen Verfassung geschützt. Die Einschränkungsmöglichkeiten, die die serbische Verfassung vorsieht, strafrechtliche Ermittlungen, Vorbeugung gegen ansteckende Krankheiten oder Beschränkungen zur Verteidigung der Republik Serbien, sind vorliegend nicht einschlägig. Damit stellt die massenhafte Behinderung bzw. Verhinderung der Ausreise serbischer Staatsangehöriger durch gesetzliche Regelungen und deren administrative Umsetzung eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG dar.
32 
Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die neuen serbischen Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen ausdrücklich dazu bestimmt sind und auch dazu eingesetzt werden, Angehörige von Minderheiten - insbesondere die Angehörigen der Roma - die Ausreise aus Serbien zu erschweren oder diese unmöglich zu machen. Diese Einschätzung stützt sich auf die aktuelle Auskunftslage und die Erklärungen der Zeugin Dr. W. in der mündlichen Verhandlung und wird durch die Information des Regional Center for Minorities, wonach Bestrafungen nach dem neuen serbischen Meldegesetz selektiv gegen Roma erfolgten, bestätigt. Damit knüpft die Verfolgungshandlung an die „Rasse“ ein Merkmal des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG an; vgl. insoweit auch § 3b Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG.
33 
Die Verfolgungshandlung weist auch die erforderliche Intensität auf. Nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten als „Verfolgung“ im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der in Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 04.11.1950 genannten Rechte. Das Recht auf freie Ausreise ist ein grundlegendes Menschenrecht, dem - auch wenn es nicht in Art. 15 Abs. 2 der Konvention genannt ist - seit jeher ein großes Gewicht zukommt (vgl. insoweit auch die Entscheidung des EGMR - Fourth Section vom 27.11.2012 - Case of Stamose v. Bulgaria - Appl. no. 29713/05).
34 
Die Ausreisefreiheit ist die Grundlage für jeden Menschen, Herrschaftsverhältnissen zu entgehen, mit denen der Einzelne aufgrund abweichender politischer Überzeugung nicht übereinstimmt (vgl. hierzu z.B.: BVerwG, Urteil vom 13.11.1979 - I C 16/75, Urteil vom 24.04.1979 - I C 49/77 - DÖV 1979, 827, Urteil vom 21.11.1978 - I C 5/73), seine Religion frei leben zu können, wenn dies im Heimatland nicht möglich ist (cuius regio, eius religio und das hieran anknüpfende ius emigrandi) oder sich aus sozial oder wirtschaftlich bedrängter Lage zu befreien und andernorts sein Glück zu suchen.
35 
Dem letzten Gesichtspunkt kommt insbesondere dann große Bedeutung zu, wenn die Lebensverhältnisse der Betroffenen im Heimatland kaum erträglich und die Möglichkeiten zur Selbsthilfe stark beschränkt sind. So aber liegen die Dinge für Angehörige der Roma in Serbien. Der weitaus überwiegende Teil dieser Minderheit ist wirtschaftlich auf ein Leben verwiesen, das weit unter dem liegt, was in der Bundesrepublik Deutschland als Existenzminimum definiert ist. Es gibt kaum Möglichkeiten der Selbsthilfe, weil für diesen Personenkreis nach übereinstimmender Auskunftslage kaum ein Zugang zur Arbeitswelt und zu Bildungsmöglichkeiten besteht. Aufgrund bürokratischer Anforderungen sind Roma von Sozialleistungen weitgehend ausgeschlossen, aufgrund ihrer prekären wirtschaftlichen Lage sind sie oft auch nicht in der Lage von Angeboten des Gesundheitssystems Gebrauch zu machen, wie eine extrem hohe Kindersterblichkeit und eine deutlich niedrigere Lebenserwartung belegt.
36 
Wie die Zeugin Dr. W. in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, werden den Roma aktuell durch neue staatliche Maßnahmen auch noch die wenigen Möglichkeiten, ihr Leben zu fristen, genommen. So führt das neu eingeführte Abfallbeseitigungskonzept dazu, dass Roma, die zu einem großen Teil aus diesem Müll direkt - oder indirekt durch Verwertung - leben, auch dieser Existenzgrundlage beraubt werden. Je weniger ein Staat bereit oder in der Lage ist, Lebensbedingungen zu schaffen, die für die Einwohner zumindest erträglich sind und je weniger die einzelnen sich aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse selbst helfen können, umso bedeutsamer ist das Menschenrecht auf Ausreise, so dass deren Verhinderung in solchen Fällen nur als „schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte“ im Sinne von § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG betrachtet werden kann.
37 
Jedenfalls aber erfüllt die Beschränkung der Ausreisefreiheit für Roma in Verbindung mit allen anderen Beeinträchtigungen, denen Angehörige der Roma in Serbien unstreitig ausgesetzt sind (siehe oben), die Voraussetzungen des § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG. Angehörige der Roma haben deshalb zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine begründete Furcht vor künftigen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, wenn sie nach Serbien zurückkehren müssten.
38 
Erschwerend hinzu kommen die neu geschaffenen Sanktionen durch das Meldegesetz und § 350a des serbischen StGB. Hierbei geht das Gericht zunächst davon aus, dass Verurteilungen wegen Verstoßes gegen das Meldegesetz selektiv gegen Roma erfolgen (siehe oben). Entscheidend stellt das Gericht aber auf den neu eingeführten § 350a des serbischen StGB ab, der vor dem Hintergrund der Debatte über die Visumsfreiheit zu sehen und zu würdigen ist. Nach Absatz 1 dieser Regelung haben Asylbewerber allein wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland mit strafrechtlicher Verfolgung und Verurteilung zu rechnen.
39 
Diese Strafandrohung stellt eine unverhältnismäßige und diskriminierende Strafverfolgung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm sind nach deren Wortlaut so weit gefasst, dass nicht lediglich Dritte (Fluchthelfer) davon betroffen sind, sondern ausdrücklich auch der Asylbewerber selbst. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem Verhältnis von § 350a Abs. 1 serbisches StGB zu dessen Absätzen 2 und 3. Anknüpfungspunkt der Bestrafung nach § 350a Abs. 1 serbisches StGB ist u.a. lediglich die „falsche“ Darstellung der Gefährdungslage in Serbien durch einen Asylbewerber in einem Asylantrag. Das Strafmaß beträgt für Erfüllung diesen Tatbestands Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren.
40 
Nicht zu übersehen ist aber auch, dass die Strafschärfungen in den dortigen Absätzen 2 und 3 ihrem Wortlaut nach nicht auf gewerbsmäßige Fluchthelfer beschränkt sind, sondern jeden erfassen, der die in Absatz 1 genannte Tat in einer Gruppe verübt (Absatz 2) bzw. wenn die in Absatz 2 genannte Tat als „Organisator“ begangen wird. Dann drohen Haftstrafen bis zu fünf Jahren bzw. bis zu acht Jahren, selbst wenn nur bei der Asylantragstellung von Verwandten oder Freunden geholfen worden ist.
41 
§ 350a des serbischen StGB stellt schon mit der Strafandrohung im Falle dessen Absatzes 1 eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte dar. Diese Verletzung knüpft auch an ein Merkmal von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG, die Rasse, an. Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich § 350a des serbischen StGB speziell gegen Roma richtet und diskriminierend ist. Dies gilt erst recht für die Strafandrohungen von § 350a Absätze 2 und 3 des serbischen StGB.
42 
Dass die Asylantragstellung den serbischen Behörden im Falle einer Rückkehr bekannt wird, ergibt sich nicht nur aus der allgemeinen Lebenserfahrung, sondern folgt ohne weiteres auch aus dem Schreiben vom 29.05.2013 (EU - Delegation to the Republic of Serbia, Political Section, The Head of Section an die Zeugin Dr. W.).“
II.
43 
An dieser Einschätzung hält das Gericht auch unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens der Beklagten im Berufungszulassungsantrag vom 28.04.2014 fest. Die Beklagte macht hier im Wesentlichen geltend, dass es gute Gründe dafür gebe, die Verhinderung oder die Beeinträchtigung des Rechts auf freie Ausreise nicht als relevante Rechtsverfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylVfG einzustufen. Jedenfalls sei die Ausreisefreiheit nicht den in § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG genannten grundlegenden Menschenrechten gleich zu erachten. Selbst wenn man davon ausginge, dass bei Verstößen gegen das neue serbische Meldegesetz selektiv gegen Roma vorgegangen würde, würde es sich bei den hier verhängten Geldstrafen nicht um hinreichend schwerwiegende Eingriffe handeln. Schließlich könne die Relevanz einer Strafnorm (hier § 350a serbisches StGB) nicht allein anhand ihres Normtextes bestimmt werden. Maßgeblich sei hingegen, wie diese Strafvorschrift tatsächlich in der Rechtspraxis der Gerichte angewendet werde.
44 
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten nimmt das Recht auf freie Ausreise eine zentrale Stellung unter den Menschenrechten ein.
45 
a) In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland kommt ihr - angesichts der damaligen deutschen Teilung und der Teilung Europas - eine überragende, ja konstitutive Bedeutung zu. In allen Regierungserklärungen der damaligen Bundeskanzler Adenauer, Erhard und Brandt „wurde die Tragweite der Freizügigkeit für das innerdeutsche Verhältnis hervorgehoben. Sie forderten das Recht auf Verlassen der DDR und Übersiedlung in das Bundesgebiet nicht nur wegen der allen Deutschen zustehenden Freizügigkeit, sondern auch als elementares Menschenrecht“ (vgl. Eichenhofer, Einreisefreiheit und Ausreisefreiheit, ZAR 2013, 135 <136>). Und weiter: „Die Bundesrepublik bezog ihre Legitimation als ein den Menschenrechten verpflichteter Staat primär daraus, dass sie sich in der Ausreisefreiheit von der DDR unterschied.“ (ebenda).
46 
b) Die Ausreisefreiheit wird durch Artikel 13 Ziffer 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 geschützt, der bestimmt, dass jeder Mensch das Recht hat, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen sowie in sein Land zurückzukehren. Vergleichbar schützt Artikel 12 Abs. 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl 1973 II, S. 1553) die Ausreisefreiheit („Jedermann steht es frei, jedes Land einschließlich seines eigenen zu verlassen“). Im Abschlussdokument des KSZE-Folgetreffens in Wien vom 15.01.1989 haben die Signatarstaaten unter Punkt 20, 2. Spiegelstrich beschlossen: „Die Teilnehmerstaaten werden das Recht eines jeden auf Ausreise aus jedem Land, darunter auch seinem eigenen, und auf Rückkehr in sein Land uneingeschränkt achten.“ Im Grundgesetz wird die Ausreisefreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt (BVerfGE 6, 32), wobei diese Gewährleistung keinen Randbereich der freien Persönlichkeitsentfaltung betrifft, sondern eine zentrale Verbürgung des Art. 2 Abs. 1 GG darstellt (vgl. insoweit z.B. die abweichende Meinung von Grimm: BVerfGE 80, 137 <165 und 166>).
47 
c) Schließlich ist darauf zu verweisen, dass die Verurteilung der Mauerschützen durch den Bundesgerichtshof (BGHSt 39, 1) voraussetzte, dass die Grenzsoldaten der DDR gegen fundamentale Menschenrechte verstoßen hatten. Eine Rechtfertigung des Grenzregimes durch das Grenzgesetz der DDR lehnte der BGH ab, weil in ihm ein „offensichtlich grober Verstoß gegen Grundgedanken der Gerechtigkeit und Menschlichkeit zum Ausdruck kommt“. Hierbei stellt der BGH zentral auf Art. 12 Abs. 2 IPbürgR ab, der die Ausreisefreiheit gewährleistet, die durch den Staat nicht generell beseitigt, sondern nur punktuell eingeschränkt werden dürfe. Eine Verletzung des Menschrechts auf freie Ausreise hat der BGH bejaht, „weil den Bewohnern der DDR das Recht auf freie Ausreise nicht nur in Ausnahmefällen, sondern in aller Regel vorenthalten wurde.“ Nichts anderes kann gelten, wenn ein Staat einer bestimmten Gruppe die Ausreisefreiheit in vergleichbarer Weise verweigert. Denn Einschränkungen der Ausreisefreiheit dürfen jedenfalls nicht missbräuchlich oder willkürlich angewendet werden.
48 
2. Soweit die Beklagte § 350 a des serbischen StGB die Relevanz abspricht, weil es auf die tatsächliche Rechtsanwendungspraxis ankomme, folgt dem das Gericht ebenfalls nicht. Entscheidend ist die im Gesetz erfolgte Strafandrohung. Die Annahme, dass diese Norm nicht oder nicht in relevanter Weise in der Rechtspraxis angewandt werde, ist zum momentanen Zeitpunkt spekulativ. Erst nach einem längerem Zeitraum der Nichtanwendung der Norm oder nach Entstehung einer konkreten Rechtspraxis der Gerichte mag anderes gelten.
49 
3. Unabhängig von der Beantwortung der durch die Beklagte aufgeworfenen Fragen zur Ausreisefreiheit und der Strafbarkeit der Asylantragstellung ist jedenfalls nicht mehr nachvollziehbar, wie angesichts eines massiven Eingriffs in die Ausreisefreiheit von Angehörigen der Roma und der erfolgten Strafverschärfungen der Antrag des Antragstellers als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden konnte.
50 
Da die Klage mit dem Hauptantrag erfolgreich ist, kommt es auf die gestellten Hilfsanträgen nicht mehr an.
51 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Gründe

 
20 
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, denn die Ladung enthielt einen entsprechenden Hinweis (§ 102 Abs. 2 VwGO).
21 
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
22 
Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG, weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylVfG vorliegen und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Dementsprechend darf der Kläger gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht nach Serbien abgeschoben werden. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 28.03.2014 ist daher aufzuheben soweit er dieser Verpflichtung entgegen steht.
23 
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Wenn der Ausländer sich auf dieses Abschiebungsverbot beruft, stellt das Bundesamt in einem Asylverfahren fest, ob die genannten Voraussetzungen vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG).
24 
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG (in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl. I S. 3474) ist ein Ausländer dann Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. II 1953, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftslandes) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
25 
Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt somit - wie auch die Anerkennung als Asylberechtigter - die Gefahr einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr nach Serbien voraus. Es kann hierbei dahin stehen, ob der Kläger bereits vor seiner Ausreise aus Serbien einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder ihm eine solche unmittelbar gedroht hatte; denn das Gericht ist jedenfalls davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Serbien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit der Gefahr einer Verfolgung zu rechnen hat, die an ein asylrelevantes Merkmal, die Rasse, anknüpft (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG, § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).
26 
1. Hierbei kann weiter dahin stehen, ob der Kläger schon allein wegen seiner Zugehörigkeit zum Volk der Roma einer politischen Verfolgung in Serbien ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr nach Serbien einer solchen Gefahr ausgesetzt sein würde. Hierbei verkennt das Gericht nicht die äußerst problematische Lage, in der sich Roma in Serbien befinden. Nach der Auskunftslage und der in dem Verfahren A 11 K 5036/13 durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass Roma in Serbien extrem benachteiligt werden, dass sie gezwungen sind, am Rande der Gesellschaft zu leben und dass sie vielfältige Benachteiligungen hinzunehmen haben. Dies gilt insbesondere für ihren Zugang zum Arbeitsmarkt, dem Zugang zur Gesundheitsversorgung, dem Zugang zu Bildungsmöglichkeiten und der Möglichkeit Sozialleistungen zu erlangen. Insoweit nimmt das Gericht Bezug auf die Darstellung der sachverständigen Zeugin Dr. W. bei ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014 (A 11 K 5036/13) sowie auf die von PRO ASYL herausgegebenen Schrift der Zeugin Dr. W.: „Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat? Eine Auswertung von Quellen zur Menschenrechtssituation (April 2013)“.
27 
Die Feststellungen und Einschätzungen der Zeugin Dr. W. werden weitgehend auch im Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Serbien des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013, S. 13 f. geteilt.
28 
Das Gericht folgt ausdrücklich auch der Einschätzung der Zeugin, dass Roma in Serbien verstärkt Opfer von Übergriffen Dritter sind und die staatlichen Organe gegen solche Übergriffe in der Regel keinen Schutz gewähren. Schon dieser Befund stellt die Einschätzung des Bundesamts, dass den gegen Roma gerichteten Diskriminierungen die erforderliche Verfolgungsintensität fehle, in Frage.
29 
2. Im Urteil vom 25.03.2014 (A 11 K 5036/13) hat das Gericht weiter ausgeführt:
30 
„Entscheidend kommt für das Gericht aber hinzu, dass Angehörige der Roma in jüngster Zeit durch den serbischen Staat in ihren elementaren Rechten auf Freizügigkeit beschnitten und zudem kriminalisiert werden, weil sie von dem Menschenrecht der freien Ausreise Gebrauch machen.
31 
Die Ausreisefreiheit ist zum einen durch Art. 2 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423) verbürgt. Danach steht es grundsätzlich jedermann frei, jedes Land, einschließlich des eigenen zu verlassen. Zum anderen wird die Ausreisefreiheit auch durch Art. 17 der serbischen Verfassung geschützt. Die Einschränkungsmöglichkeiten, die die serbische Verfassung vorsieht, strafrechtliche Ermittlungen, Vorbeugung gegen ansteckende Krankheiten oder Beschränkungen zur Verteidigung der Republik Serbien, sind vorliegend nicht einschlägig. Damit stellt die massenhafte Behinderung bzw. Verhinderung der Ausreise serbischer Staatsangehöriger durch gesetzliche Regelungen und deren administrative Umsetzung eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG dar.
32 
Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die neuen serbischen Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen ausdrücklich dazu bestimmt sind und auch dazu eingesetzt werden, Angehörige von Minderheiten - insbesondere die Angehörigen der Roma - die Ausreise aus Serbien zu erschweren oder diese unmöglich zu machen. Diese Einschätzung stützt sich auf die aktuelle Auskunftslage und die Erklärungen der Zeugin Dr. W. in der mündlichen Verhandlung und wird durch die Information des Regional Center for Minorities, wonach Bestrafungen nach dem neuen serbischen Meldegesetz selektiv gegen Roma erfolgten, bestätigt. Damit knüpft die Verfolgungshandlung an die „Rasse“ ein Merkmal des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG an; vgl. insoweit auch § 3b Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG.
33 
Die Verfolgungshandlung weist auch die erforderliche Intensität auf. Nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten als „Verfolgung“ im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der in Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 04.11.1950 genannten Rechte. Das Recht auf freie Ausreise ist ein grundlegendes Menschenrecht, dem - auch wenn es nicht in Art. 15 Abs. 2 der Konvention genannt ist - seit jeher ein großes Gewicht zukommt (vgl. insoweit auch die Entscheidung des EGMR - Fourth Section vom 27.11.2012 - Case of Stamose v. Bulgaria - Appl. no. 29713/05).
34 
Die Ausreisefreiheit ist die Grundlage für jeden Menschen, Herrschaftsverhältnissen zu entgehen, mit denen der Einzelne aufgrund abweichender politischer Überzeugung nicht übereinstimmt (vgl. hierzu z.B.: BVerwG, Urteil vom 13.11.1979 - I C 16/75, Urteil vom 24.04.1979 - I C 49/77 - DÖV 1979, 827, Urteil vom 21.11.1978 - I C 5/73), seine Religion frei leben zu können, wenn dies im Heimatland nicht möglich ist (cuius regio, eius religio und das hieran anknüpfende ius emigrandi) oder sich aus sozial oder wirtschaftlich bedrängter Lage zu befreien und andernorts sein Glück zu suchen.
35 
Dem letzten Gesichtspunkt kommt insbesondere dann große Bedeutung zu, wenn die Lebensverhältnisse der Betroffenen im Heimatland kaum erträglich und die Möglichkeiten zur Selbsthilfe stark beschränkt sind. So aber liegen die Dinge für Angehörige der Roma in Serbien. Der weitaus überwiegende Teil dieser Minderheit ist wirtschaftlich auf ein Leben verwiesen, das weit unter dem liegt, was in der Bundesrepublik Deutschland als Existenzminimum definiert ist. Es gibt kaum Möglichkeiten der Selbsthilfe, weil für diesen Personenkreis nach übereinstimmender Auskunftslage kaum ein Zugang zur Arbeitswelt und zu Bildungsmöglichkeiten besteht. Aufgrund bürokratischer Anforderungen sind Roma von Sozialleistungen weitgehend ausgeschlossen, aufgrund ihrer prekären wirtschaftlichen Lage sind sie oft auch nicht in der Lage von Angeboten des Gesundheitssystems Gebrauch zu machen, wie eine extrem hohe Kindersterblichkeit und eine deutlich niedrigere Lebenserwartung belegt.
36 
Wie die Zeugin Dr. W. in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, werden den Roma aktuell durch neue staatliche Maßnahmen auch noch die wenigen Möglichkeiten, ihr Leben zu fristen, genommen. So führt das neu eingeführte Abfallbeseitigungskonzept dazu, dass Roma, die zu einem großen Teil aus diesem Müll direkt - oder indirekt durch Verwertung - leben, auch dieser Existenzgrundlage beraubt werden. Je weniger ein Staat bereit oder in der Lage ist, Lebensbedingungen zu schaffen, die für die Einwohner zumindest erträglich sind und je weniger die einzelnen sich aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse selbst helfen können, umso bedeutsamer ist das Menschenrecht auf Ausreise, so dass deren Verhinderung in solchen Fällen nur als „schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte“ im Sinne von § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG betrachtet werden kann.
37 
Jedenfalls aber erfüllt die Beschränkung der Ausreisefreiheit für Roma in Verbindung mit allen anderen Beeinträchtigungen, denen Angehörige der Roma in Serbien unstreitig ausgesetzt sind (siehe oben), die Voraussetzungen des § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG. Angehörige der Roma haben deshalb zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine begründete Furcht vor künftigen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, wenn sie nach Serbien zurückkehren müssten.
38 
Erschwerend hinzu kommen die neu geschaffenen Sanktionen durch das Meldegesetz und § 350a des serbischen StGB. Hierbei geht das Gericht zunächst davon aus, dass Verurteilungen wegen Verstoßes gegen das Meldegesetz selektiv gegen Roma erfolgen (siehe oben). Entscheidend stellt das Gericht aber auf den neu eingeführten § 350a des serbischen StGB ab, der vor dem Hintergrund der Debatte über die Visumsfreiheit zu sehen und zu würdigen ist. Nach Absatz 1 dieser Regelung haben Asylbewerber allein wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland mit strafrechtlicher Verfolgung und Verurteilung zu rechnen.
39 
Diese Strafandrohung stellt eine unverhältnismäßige und diskriminierende Strafverfolgung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm sind nach deren Wortlaut so weit gefasst, dass nicht lediglich Dritte (Fluchthelfer) davon betroffen sind, sondern ausdrücklich auch der Asylbewerber selbst. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem Verhältnis von § 350a Abs. 1 serbisches StGB zu dessen Absätzen 2 und 3. Anknüpfungspunkt der Bestrafung nach § 350a Abs. 1 serbisches StGB ist u.a. lediglich die „falsche“ Darstellung der Gefährdungslage in Serbien durch einen Asylbewerber in einem Asylantrag. Das Strafmaß beträgt für Erfüllung diesen Tatbestands Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren.
40 
Nicht zu übersehen ist aber auch, dass die Strafschärfungen in den dortigen Absätzen 2 und 3 ihrem Wortlaut nach nicht auf gewerbsmäßige Fluchthelfer beschränkt sind, sondern jeden erfassen, der die in Absatz 1 genannte Tat in einer Gruppe verübt (Absatz 2) bzw. wenn die in Absatz 2 genannte Tat als „Organisator“ begangen wird. Dann drohen Haftstrafen bis zu fünf Jahren bzw. bis zu acht Jahren, selbst wenn nur bei der Asylantragstellung von Verwandten oder Freunden geholfen worden ist.
41 
§ 350a des serbischen StGB stellt schon mit der Strafandrohung im Falle dessen Absatzes 1 eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte dar. Diese Verletzung knüpft auch an ein Merkmal von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG, die Rasse, an. Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich § 350a des serbischen StGB speziell gegen Roma richtet und diskriminierend ist. Dies gilt erst recht für die Strafandrohungen von § 350a Absätze 2 und 3 des serbischen StGB.
42 
Dass die Asylantragstellung den serbischen Behörden im Falle einer Rückkehr bekannt wird, ergibt sich nicht nur aus der allgemeinen Lebenserfahrung, sondern folgt ohne weiteres auch aus dem Schreiben vom 29.05.2013 (EU - Delegation to the Republic of Serbia, Political Section, The Head of Section an die Zeugin Dr. W.).“
II.
43 
An dieser Einschätzung hält das Gericht auch unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens der Beklagten im Berufungszulassungsantrag vom 28.04.2014 fest. Die Beklagte macht hier im Wesentlichen geltend, dass es gute Gründe dafür gebe, die Verhinderung oder die Beeinträchtigung des Rechts auf freie Ausreise nicht als relevante Rechtsverfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylVfG einzustufen. Jedenfalls sei die Ausreisefreiheit nicht den in § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG genannten grundlegenden Menschenrechten gleich zu erachten. Selbst wenn man davon ausginge, dass bei Verstößen gegen das neue serbische Meldegesetz selektiv gegen Roma vorgegangen würde, würde es sich bei den hier verhängten Geldstrafen nicht um hinreichend schwerwiegende Eingriffe handeln. Schließlich könne die Relevanz einer Strafnorm (hier § 350a serbisches StGB) nicht allein anhand ihres Normtextes bestimmt werden. Maßgeblich sei hingegen, wie diese Strafvorschrift tatsächlich in der Rechtspraxis der Gerichte angewendet werde.
44 
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten nimmt das Recht auf freie Ausreise eine zentrale Stellung unter den Menschenrechten ein.
45 
a) In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland kommt ihr - angesichts der damaligen deutschen Teilung und der Teilung Europas - eine überragende, ja konstitutive Bedeutung zu. In allen Regierungserklärungen der damaligen Bundeskanzler Adenauer, Erhard und Brandt „wurde die Tragweite der Freizügigkeit für das innerdeutsche Verhältnis hervorgehoben. Sie forderten das Recht auf Verlassen der DDR und Übersiedlung in das Bundesgebiet nicht nur wegen der allen Deutschen zustehenden Freizügigkeit, sondern auch als elementares Menschenrecht“ (vgl. Eichenhofer, Einreisefreiheit und Ausreisefreiheit, ZAR 2013, 135 <136>). Und weiter: „Die Bundesrepublik bezog ihre Legitimation als ein den Menschenrechten verpflichteter Staat primär daraus, dass sie sich in der Ausreisefreiheit von der DDR unterschied.“ (ebenda).
46 
b) Die Ausreisefreiheit wird durch Artikel 13 Ziffer 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 geschützt, der bestimmt, dass jeder Mensch das Recht hat, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen sowie in sein Land zurückzukehren. Vergleichbar schützt Artikel 12 Abs. 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl 1973 II, S. 1553) die Ausreisefreiheit („Jedermann steht es frei, jedes Land einschließlich seines eigenen zu verlassen“). Im Abschlussdokument des KSZE-Folgetreffens in Wien vom 15.01.1989 haben die Signatarstaaten unter Punkt 20, 2. Spiegelstrich beschlossen: „Die Teilnehmerstaaten werden das Recht eines jeden auf Ausreise aus jedem Land, darunter auch seinem eigenen, und auf Rückkehr in sein Land uneingeschränkt achten.“ Im Grundgesetz wird die Ausreisefreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt (BVerfGE 6, 32), wobei diese Gewährleistung keinen Randbereich der freien Persönlichkeitsentfaltung betrifft, sondern eine zentrale Verbürgung des Art. 2 Abs. 1 GG darstellt (vgl. insoweit z.B. die abweichende Meinung von Grimm: BVerfGE 80, 137 <165 und 166>).
47 
c) Schließlich ist darauf zu verweisen, dass die Verurteilung der Mauerschützen durch den Bundesgerichtshof (BGHSt 39, 1) voraussetzte, dass die Grenzsoldaten der DDR gegen fundamentale Menschenrechte verstoßen hatten. Eine Rechtfertigung des Grenzregimes durch das Grenzgesetz der DDR lehnte der BGH ab, weil in ihm ein „offensichtlich grober Verstoß gegen Grundgedanken der Gerechtigkeit und Menschlichkeit zum Ausdruck kommt“. Hierbei stellt der BGH zentral auf Art. 12 Abs. 2 IPbürgR ab, der die Ausreisefreiheit gewährleistet, die durch den Staat nicht generell beseitigt, sondern nur punktuell eingeschränkt werden dürfe. Eine Verletzung des Menschrechts auf freie Ausreise hat der BGH bejaht, „weil den Bewohnern der DDR das Recht auf freie Ausreise nicht nur in Ausnahmefällen, sondern in aller Regel vorenthalten wurde.“ Nichts anderes kann gelten, wenn ein Staat einer bestimmten Gruppe die Ausreisefreiheit in vergleichbarer Weise verweigert. Denn Einschränkungen der Ausreisefreiheit dürfen jedenfalls nicht missbräuchlich oder willkürlich angewendet werden.
48 
2. Soweit die Beklagte § 350 a des serbischen StGB die Relevanz abspricht, weil es auf die tatsächliche Rechtsanwendungspraxis ankomme, folgt dem das Gericht ebenfalls nicht. Entscheidend ist die im Gesetz erfolgte Strafandrohung. Die Annahme, dass diese Norm nicht oder nicht in relevanter Weise in der Rechtspraxis angewandt werde, ist zum momentanen Zeitpunkt spekulativ. Erst nach einem längerem Zeitraum der Nichtanwendung der Norm oder nach Entstehung einer konkreten Rechtspraxis der Gerichte mag anderes gelten.
49 
3. Unabhängig von der Beantwortung der durch die Beklagte aufgeworfenen Fragen zur Ausreisefreiheit und der Strafbarkeit der Asylantragstellung ist jedenfalls nicht mehr nachvollziehbar, wie angesichts eines massiven Eingriffs in die Ausreisefreiheit von Angehörigen der Roma und der erfolgten Strafverschärfungen der Antrag des Antragstellers als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden konnte.
50 
Da die Klage mit dem Hauptantrag erfolgreich ist, kommt es auf die gestellten Hilfsanträgen nicht mehr an.
51 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.