Verwaltungsgericht Greifswald Beschluss, 18. Mai 2016 - 3 B 864/16 As HGW

published on 18/05/2016 00:00
Verwaltungsgericht Greifswald Beschluss, 18. Mai 2016 - 3 B 864/16 As HGW
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Gericht

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Tenor

1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts B-Stadt vom 22.06.2015 – 3 B 1748/15 As SN – wird geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage - 3 A 238/16 As HGW – gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16.04.2015 – –, mit dem der Asylantrag des Antragstellers abgelehnt und die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet wurde, wird angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller, afghanischer Staatsbürger, reiste am 16.02.2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 12.03.2015 einen Asylantrag.

2

Aufgrund einer Eurodac-Treffermeldung und der sich hieraus ergebenden Zuständigkeit eines anderen Staates nach Art. 18 Abs. 1 b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) wurde am 19.02.2015 ein Übernahmeersuchen an Bulgarien gerichtet. Die bulgarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 06.03.2015 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages.

3

Mit Bescheid vom 16.04.2015 lehnte die Antragsgegnerin den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an.

4

Am 27.04.2015 erhob der Antragsteller Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.04.2015 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären internationalen Schutz zuzuerkennen, weiter hilfsweise, festzustellen, dass für den Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 Aufenthaltsgesetz im Hinblick auf Afghanistan vorliegen (3 A 238/16 As HGW). Über die Klage ist noch nicht entschieden. Er stellte ferner einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), der mit Beschluss vom 22.06.2015 – 3 B 1748/15 As SN – abgelehnt wurde. Dieser Beschluss wurde dem Bundesamt am 03.07.2015 zugestellt.

5

Der im Rahmen einer Anhörungsrüge gestellte Antrag des Antragstellers vom 22.07.2015, das Verfahren über den Beschluss vom 22.06.2015 hinaus fortzusetzen und dann die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin anzuordnen, wurde mit Beschluss vom 13.08.2015 – 3 B 2824/15 As SN – zurückgewiesen.

6

Der Antragsteller trägt vor, dass die Überstellungsfrist seit dem Erlass des Beschlusses vom 22.06.2015 abgelaufen sei. Er legt ferner eine fachärztliche Bescheinigung vom 16.12.2015 vor und trägt vor, dass für den Fall einer Abschiebung auch nach Bulgarien eine akute und krankheitsbedingte Suizidalität vorliege.

7

Am 28.12.2015 beantragte der Antragsteller,

8

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung anzuordnen und den Beschluss vom 22.06.2015 – 3 B 1748/15 As SN – entsprechend abzuändern.

9

Die Antragsgegnerin hat sich nicht geäußert.

10

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

11

Der Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist begründet. Die Sachlage hat sich maßgeblich zugunsten des Antragstellers geändert.

12

Die Klage hat nunmehr hohe Erfolgsaussichten, weil die Abschiebungsanordnung zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt nach § 77 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) wohl rechtswidrig ist.

13

Die sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ist inzwischen abgelaufen, so dass die Verpflichtung des für zuständig gehaltenen Mitgliedstaates zur Entscheidungszuständigkeit entfallen ist. Es kann hier dahinstehen, ob die sechsmonatige Überstellungsfrist durch die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts B-Stadt (Beschluss vom 22.06.2015; Zustellung an das Bundesamt am 03.07.2015) über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der hiesigen Klage (neu) in Lauf gesetzt wurde (so m.w.N. z.B. Verwaltungsgericht B-Stadt, Beschl. v. 05.06.2015 - 3 B 47/15 As -, juris BA S. 4 ff., und Verwaltungsgericht Köln, Urt. v. 27.08.2015 - 15 K 2680/15.A -, juris Rn. 16) oder ob diese bereits mit der Annahme des Aufnahmegesuchs durch Bulgarien am 06.03.2015 zu laufen begann (so etwa Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urt. v. 05.08.2015 - 1 A 11020/14 -, juris Rn. 28 ff.) oder ob die Frist mit der Annahme des Aufnahmegesuchs zu laufen begann und für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens lediglich gehemmt war (vgl. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 03.11.2015 - 13 A 2255/15.A -, juris Rn. 21). Es ist nämlich offensichtlich, dass die sechsmonatige Überstellungsfrist unter Zugrundelegung aller Ansätze zwischenzeitlich abgelaufen ist. Der Antragsteller ist indessen nach seinem - unbestritten gebliebenen - Vortrag bisher nicht nach Bulgarien überstellt worden. Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers ist mithin auf die Antragsgegnerin übergegangen und der Asylantrag nicht länger aus diesem Grund unzulässig.

14

Ob der Antragsteller den Ablauf der Überstellungsfrist unmittelbar als Rechtsverletzung geltend machen kann, kann offen bleiben. Er kann sich jedenfalls darauf berufen, dass die Voraussetzungen des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht mehr vorliegen, wonach feststehen muss, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Dies ist jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr der Fall, weil nicht erkennbar ist, dass Bulgarien, obwohl die Überstellungsfrist abgelaufen und die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden ist, nach wie vor ohne weiteres zur Aufnahme des Antragstellers bereit ist.

15

Angesichts der hohen Erfolgsaussichten der Klage überwiegt das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit (vgl. auch Verwaltungsgericht München, Beschl. v. 02.03.2016 – M 1 S7 16.50180 - juris).

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).

17

Rechtsmittelbelehrung:

18

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.