Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 11. Dez. 2014 - 3 A 945/13

bei uns veröffentlicht am11.12.2014

Tenor

1. Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 22. Januar 2013 und seines Widerspruchsbescheides vom 17. September 2013 verpflichtet, gegenüber dem Beigeladenen festzustellen, dass es sich bei dem auf dem Grundstück G1 befindlichen Graben nebst Rohrleitung um ein Gewässer zweiter Ordnung handelt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten und dem Beigeladenen zu je ½ auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten und dem Beigeladenen wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten, festzustellen, dass ein Graben nebst Rohrleitung ein Gewässer zweiter Ordnung ist.

2

Der Kläger ist Eigentümer des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks G1. Das Grundstück grenzt nördlich an das im Eigentum der Stadt Waren/Müritz gelegene Grundstück G2. Dieses Grundstück, das topographisch höher gelegen ist als das Flurstück G1, wird ebenfalls landwirtschaftlich genutzt. Eine östliche Teilfläche, die an das Flurstück G2 angrenzt, ist bewaldet. Im Bereich gegenüber dieser Fläche befindet sich auf dem Flurstück G1 ein in südöstliche Richtung verlaufender Graben von ca. 100 m Länge. Der bei Anlegung des Grabens angefallene Bodenaushub wurde auf dem nördlichen Grabenufer so anplaniert, dass ein kleiner Wall entstanden ist mit der Folge, dass die nördliche Uferkante des Grabens etwa 30 cm höher liegt als die südliche Uferkante. Der Graben mündet in einen Einlaufbau („Mönch“). Von dort aus führt eine Rohrleitung aus PVC-Dränrohren (Riffelrohre) mit einem Durchmesser von zunächst 100 mm und im weiteren Verlauf 130 mm zunächst in östliche und dann in nördliche Richtung zu dem (verrohrten) Graben L 69. Die Rohrleitung weist eine Länge von etwa 200 m auf und verläuft ebenfalls vollständig auf dem Flurstück G1. Die in diese Rohrleitung einmündenden Dränagen sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Graben und Rohrleitung waren Anfang der 1970er Jahre im Rahmen eines Meliorationsprojekts angelegt worden. Nach den Projektunterlagen hat der Graben ein Zuflussgebiet von 3,5 ha.

3

Im Jahre 2008 wurde eine Vernässung des südlichen Bereichs des Flurstücks G1 festgestellt, die bis heute anhält. Die Vernässung wird dadurch verursacht, dass der Graben die u.a. auf dem Flurstück G2 die anfallenden Niederschlagswassermengen nicht ableiten kann. Das Wasser fließt über das nördliche Grabenufer auf tiefer gelegene Teilflächen des Flurstück G1. Südlich des Grabens – auch auf dem Flurstück G2 – ist ebenfalls eine Vernässung (Staunässe) eingetreten. Die Beteiligten gehen davon aus, dass die Rohrleitung defekt ist, so dass das Wasser aus dem Graben nicht mehr abfließen kann.

4

Nachdem der Kläger den Beigeladenen erfolglos gebeten hatte, die Rohrleitung instand zu setzen, beantrage er beim Beklagten, den Beigeladenen zu veranlassen, den ungehinderten Abfluss des Oberflächenwassers aus dem Erlenbruch als Gewässer zweiter Ordnung zu veranlassen. Der Beklagte deutete den Antrag als Antrag auf Feststellung, dass es sich bei dem Graben nebst Rohrleitung um ein Gewässer zweiter Ordnung handelt und lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 22. Januar 2013 ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2013 zurück.

5

Am 17. Oktober 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass es sich bei dem Graben nebst Rohrleitung um ein Gewässer zweiter Ordnung handele. Die Rohrleitung diene, wie die Errichtung des Einlaufbaus zeige, auch der Ableitung von Niederschlagswasser. Die Wasserführung sei nicht von lediglich untergeordneter Bedeutung. Das Zuflussgebiet des Grabens habe eine Fläche von 3,5 ha und gehe damit weit über die Fläche des Flurstücks G1 hinaus. Der Graben nehme z.B. auch das auf dem im Eigentum der Stadt Waren/Müritz stehenden Flurstück G2 anfallende Niederschlagswasser auf.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 22. Januar 2013 und seines Widerspruchsbescheides vom 17. September 2013 zu verpflichten, gegenüber dem Beigeladenen festzustellen, dass es sich bei dem auf dem Grundstück Flurstück G1 befindlichen Graben nebst Rohrleitung um ein Gewässer zweiter Ordnung handelt.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

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Er ist der Auffassung, dass es sich bei der Wasserführung auf dem klägerischen Grundstück nicht um ein Gewässer im Rechtssinne handele, da die Wasserführung nur der Entwässerung seines Grundstücks diene. Es handele sich – wie bereits die verhältnismäßig geringen Leitungsdurchmesser und die Wasserdurchlässigkeit der verwandten PVC-Rohre zeigten –, um eine reine Dränageleitung. Der Graben sei nur angelegt worden, weil die in diesem Bereich vorhandene Bodenfeuchtigkeit den Einsatz der seinerzeit angewandten Technik (Meliomat) behindert habe. Zudem befinde sich die Rohrleitung nach den Vorschriften des Meliorationsanlagengesetzes im Eigentum des Klägers.

11

Der Beigeladene nimmt Bezug auf den Vortrag des Beklagten und beantragt ebenfalls,

12

die Klage abzuweisen.

13

Mit Beschluss vom 5. Mai 2014 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage ist zulässig (1.) und auch begründet (2.).

16

1. Insbesondere ist der Kläger trotz der dreipoligen Rechtsbeziehung – er verlangt vom Beklagten den Erlass eines an den Beigeladenen gerichteten Feststellungsbescheides – klagebefugt i.S.d. § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Rechtsgrundlage für den Erlass dieses Bescheides ist § 63 Satz 1 Nr. 2 Landeswassergesetz (LWaG). Dieser Vorschrift, die den Erlass feststellender Verwaltungsakte erlaubt (VG Greifswald, Teilzwischen- und Teilendurteil vom 09.08.2012 – 3 A 301/10 –, juris Rn. 16), kommt eine drittschützende Wirkung zu. Die drittschützende Wirkung besteht nicht nur in Anfechtungssituationen, in denen sich der Eigentümer eines Grundstücks gegen die Feststellung wehrt, dass sich auf dem Grundstück ein in der Unterhaltungslast eines Wasser- und Bodenverbandes befindliches Gewässer zweiter Ordnung befindet (vgl. VG Greifswald, a.a.O. Rn. 18). Sie erfasst auch Verpflichtungssituationen, in denen der Eigentümer eines Grundstücks – wie hier – die Feststellung der Gewässereigenschaft einer sich auf dem Grundstück befindlichen Wasserführung begehrt. Diese Feststellung dient dem Schutz des Grundeigentümers, denn die damit begründete Unterhaltungslast des Wasser- und Bodenverbandes lässt die ansonsten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) bestehende Unterhaltungslast des Grundeigentümers entfallen.

17

2. Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf die begehrte Feststellung zu (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Bestimmung des § 63 Abs. 1 Nr. 2 LWaG begründet kein Ermessen des Beklagten. Handelt es sich bei einer Wasserführung um ein Gewässer zweiter Ordnung und wird dieser Umstand – wie hier – vom zuständigen Gewässerunterhaltungsverband bestritten, so hat die entsprechende Feststellung im Rahmen einer gebundenen Entscheidung zu erfolgen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

18

Nach § 63 Satz 1 Nr. 2 LWaG obliegt die Unterhaltung der Gewässer zweiter Ordnung den durch besonderes Gesetz gegründeten Unterhaltungsverbänden. Hierzu bestimmt § 48 Abs. 1 LWaG, dass die Gewässer mit Ausnahme des Grundwassers, der Heilquellen und des aus Quellen wild abfließenden Wasser nach ihrer wasserwirtschaftlichen Bedeutung und Vorteilswirkung in 1. Gewässer erster Ordnung (die Bundeswasserstraßen, die Küstengewässer und die in der Anlage 1 genannten Gewässer) und 2. in Gewässer zweiter Ordnung (alle anderen Gewässer) eingeteilt werden. Der Begriff des Gewässers ist in § 1 Abs. 1 Satz 1 LWaG definiert. Danach gilt dieses Gesetz für Gewässer, die in § 2 Abs. 1 Satz 1 (WHG) bezeichnet sind und für das nicht aus Quellen wild abfließende Wasser. § 2 Abs. 1 Nr. 1 WHG nennt oberirdische Gewässer.

19

Dass es sich bei dem auf dem Grundstück des Klägers befindlichen Graben um ein oberirdisches Gewässer handelt, unterliegt keinen Zweifeln. Nach der Definition in § 3 Nr. 1 WHG ist ein oberirdisches Gewässer das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser. Dabei meint ausgehend vom allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff des Gewässerbettes eine äußerlich erkennbare natürliche oder künstliche Begrenzung des Wassers in einer Eintiefung an der Erdoberfläche. Befindet sich das Wasser an einem solchen Ort, ist es in den natürlichen Wasserkreislauf eingebunden und hat Anteil an den Gewässerfunktionen (OVG Greifswald, Beschl. v. 12.08.2014 – 3 L 144/14 –, n.v.). Folglich ist jede nicht nur gelegentliche Wasseransammlung, die mit einem Gewässerbett verbunden ist, ein oberirdisches Gewässer und unterliegt – sofern es sich nicht um ein Gewässer erster Ordnung handelt – als Gewässer zweiter Ordnung der Unterhaltungslast der Wasser- und Bodenverbände.

20

Gleiches gilt für die sich an den Graben anschließende Rohrleitung. Denn § 1 Abs. 1 Satz 2 LWaG bestimmt, dass zu den oberirdischen Gewässern auch unterirdische Strecken und geschlossene Gerinne gehören, soweit sie Teile oder Fortsetzungen von oberirdischen Gewässern sind. Maßgeblich für den Verlust der Gewässereigenschaft ist erst die Absonderung vom natürlichen Gewässerhaushalt, die sich insbesondere in der Beeinträchtigung der Gewässerfunktionen zeigt. Ob diese bei einer Unterbrechung der offenen Wasserführung von einem solchen Gewicht ist, dass der Zusammenhang mit dem Wasserhaushalt gelöst erscheint, muss sich daran messen lassen, ob das Wasser weiterhin in den natürlichen Wasserkreislauf eingebunden ist (vgl. BVerwG, Urt. 27.01.2011 – 7 C 3/10 –, juris). Allgemein wird angenommen, dass eine Absonderung vom Wasserhaushalt erst anzunehmen ist, wenn das Wasser an den Gewässerfunktionen wie Verdunstung, Versickerung, Auffangen von Regenwasser und Auffangen von aufsteigendem Grundwasser keinen Anteil mehr hat (vgl. OVG Weimar, Beschl. v. 28.05.2009 – 4 EO 347/08 –, juris Rn. 20). Eine solche Absonderung vom Wasserhaushalt kann vorliegend nicht angenommen werden. Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine ca. 1 km lange unterirdische Wasserführung in Betonrohren der Annahme einer Gewässereigenschaft nicht entgegen steht (Urt. v. 15.06.2005 – 9 C 8/04 –, juris Rn. 26), kann für die deutlich kürzere Rohrleitung auf dem Grundstück des Klägers nichts anderes gelten. Mit Blick auf den offenen Graben westlich des Einlaufbaus lässt sich der Annahme, die Gewässereigenschaft werde durch die Rohrleitung nicht unterbrochen, auch nicht entgegenhalten, es habe bereits vor Beginn der Rohrleitung kein Gewässer bestanden (vgl. BVerwG a.a.O.).

21

Unschädlich ist auch, dass es sich bei der Rohrleitung um eine Dränageleitung handelt, die (auch) Grundwasser aufnimmt. Zwar wird das Grundwasser von der Gewässereinteilung nach § 48 LWaG nicht erfasst. Daher kann es sich bei ausschließlich Grundwasser führenden Dränagen nicht um Gewässer zweiter Ordnung handeln. Dies trifft auf die hier in Rede stehende Rohrleitung jedoch nicht zu, denn sie hat nicht die Funktion ausschließlich Grundwasser aufzunehmen und weiterzuleiten. Vielmehr zeigt ihre Anbindung an einen Graben von 100 m Länge mit einem Zuflussbereich von 3,5 ha (dazu sogleich), dass sie auch die Funktion hat, Niederschlagswasser aufzunehmen. Dabei ist es ohne Belang, in welchem Verhältnis die aufgenommenen Grund- und Niederschlagswassermengen stehen. Sobald eine Wasserführung nicht ausschließlich Grundwasser aufnimmt, greift die Gewässereinteilung nach § 48 LWaG.

22

Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Beigeladenen entfällt die Gewässereigenschaft der sich auf dem Grundstück des Klägers befindlichen Wasserführung nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LWaG. Nach dieser Vorschrift werden Gräben und kleine Wasseransammlungen, die nicht der Vorflut oder der Vorflut der Grundstücke nur eines Eigentümers dienen und von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung sind, (vorbehaltlich hier nicht relevanter Vorschriften) von den Bestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes und den Bestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen. Hat ein Gewässer eine Vorflutfunktion für Grundstücke mehrerer – mindestens zwei – Eigentümer, ist es damit von den Bestimmungen des Wasserrechts nicht ausgenommen. Dies trifft auf das auf dem klägerischen Grundstück befindliche Gewässer zu, denn sein Einzugsgebiet ist nicht auf die Fläche des Flurstücks G1 beschränkt. Vielmehr gehört jedenfalls auch das südlich daran angrenzende Grundstück Flurstück G2, dessen Eigentümerin die Stadt Waren/Müritz ist, zum Einzugsgebiet des Gewässers.

23

Der Zufluss erfolgt allerdings „wild“, d.h. nach dem natürlichen Gefälle. Ein geregelter Zufluss durch Rohrleitungen oder Gerinne existiert nicht. Es ist umstritten, ob für die Annahme einer Vorflutfunktion bereits ein ungeregelter „wilder“ Zufluss ausreicht (Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. Auflage 2014, § 2 Rn. 20; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Auflage 2004, Rn. 148) oder ob ein gezielter Zufluss durch Rohrleitungen oder Dränagen erforderlich ist (OLG Köln, Urt. v. 29.11.1990 – 7 U 125/90 –, juris Rn. 19; OVG Münster, Urt. v. 17.04.1997 – 20 A 7181/95 –, juris Rn. 27; Sauthoff in: ders./Witting, Straßen- und Wegegesetz M-V, Stand 09/2012, § 2 Rn. 12 zu § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LWaG; offen gelassen vom BGH, Urt. v. 22.11.2001 – III ZR 322/00 –, juris Rn. 7).

24

Mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift (vgl. Sauthoff a.a.O.) schließt sich das erkennende Gericht im Grundsatz der zuletzt genannten Auffassung an. Das Merkmal „dienen“ enthält ein finales Element i.S. einer Zweckbestimmung. Ein Gewässer dient nur dann der Vorflut, wenn es dazu bestimmt ist, Niederschlagswasser von definierten Grundstücken aufzunehmen. Diese Bestimmung ist in der Regel anzunehmen, wenn ein gezielter Zufluss von diesen Grundstücken durch Rohrleitungen oder Gerinne erfolgt. Ein ungeregelter Zufluss erlaubt in der Regel keinen Rückschluss auf diese Zweckbestimmung. Auch Gründe der Planungssicherheit sprechen für das Abstellen auf einen gezielten Zufluss, da ein „wilder“ Zufluss oftmals von Zufälligkeiten (Außentemperatur, Niederschlagsmenge, topografische Veränderungen usw.) abhängt.

25

Allerdings sind Ausnahmen denkbar, in denen auf die Zweckbestimmung geschlossen werden kann, ohne dass Rohrleitungen oder Gerinne existieren. Eine solche Ausnahme ist aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles gegeben. Der auf dem Flurstück G1 angelegte Graben dient trotz des Fehlens von Zuleitungen auch der Vorflut der südlich gelegenen Grundstücke. Für diese Annahme ist zunächst maßgeblich, dass der Graben in unmittelbarer Nähe der südlichen Grenze des Grundstücks Flurstück G1 errichtet wurde. Wegen der topografischen Verhältnisse, vor allem aber weil an der nördlichen Uferseite ein kleiner Wall (Erhöhung der Uferkante) angelegt wurde, ist ein nennenswerter Zufluss von im nördlichen Bereich des klägerischen Grundstücks anfallendem Niederschlagswasser nicht zu erwarten. Hinzu kommt, dass nach den vorliegenden Projektunterlagen bereits bei der Errichtung des Grabens gesehen wurde, dass er ein Zuflussgebiet von den südlich gelegenen Grundstücken – u.a. von dem Flurstück G2 – hat. Man ist also bereits damals davon ausgegangen, dass der Graben die Funktion hat, Niederschlagswasser aus diesem Bereich aufzunehmen. Dem entspricht die Bauausführung. Der bei der Anlegung des Grabens anfallende Bodenaushub wurde – abweichend von den Projektunterlagen – nicht beiderseitig, sondern lediglich auf der nördlichen Grabenseite anplaniert. Auf diese Weise wurde der Niederschlagswasserzufluss von den südlich gelegenen Grundstücken ermöglicht und ein „Überschwappen“ des Niederschlagswassers in den Bereich nördlich des Grabens verhindert.

26

Vor diesem Hintergrund überzeugt auch der Einwand des Beklagten und des Beigeladenen nicht, der Graben sei ausschließlich aus technischen Gründen (Bodenfeuchtigkeit) angelegt worden. Unerheblich ist auch der weitere Einwand, die Rohrdurchmesser seien für die Niederschlagswasserableitung nicht ausreichend dimensioniert. Denn die Geschichte zeigt, dass das Anfang der 1970er Jahre angelegte Entwässerungssystem etwa 36 Jahre lang beanstandungsfrei funktioniert hat.

27

Die wasserrechtliche Unterhaltungslast des Beigeladenen nach § 63 Satz 1 Nr. 2 LWaG ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich bei der Rohrleitung um eine nicht wasserwirtschaftlichen Zwecken dienende Anlage an oder in einem Gewässer i.S.d. § 36 Satz 3 WHG i.V.m. § 65 Satz 1 LWaG handelt. Dies wäre etwa dann anzunehmen, wenn die Rohrleitung angelegt wurde, um eine bauliche oder gewerbliche Nutzung des Grundstücks zu ermöglichen (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 23.04.2013 – 17 K 2593/12 –, juris Rn. 48). Hiervon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden, denn unstreitig erfolgte die Anlegung der Rohrleitung um die Grundstücksentwässerung zu verbessern.

28

Soweit der Beklagte die Gewässereigenschaft der auf dem klägerischen Grundstück vorhandenen Rohrleitung schließlich unter Hinweis auf Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse an Meliorationsanlagen (Meliorationsanlagengesetz – MeAnlG) in Abrede stellt, kann dem unabhängig davon, ob die Vorschriften dieses Gesetzes auf die Rohrleitung überhaupt anwendbar sind, nicht gefolgt werden. Denn das Gesetz regelt ausschließlich die zivilrechtlichen Rechtsverhältnisse an Meliorationsanlagen, insbesondere den Eigentumsübergang (vgl. § 12 MeAnlG). Wie das Verhältnis von § 40 Abs. 1 Satz 1 WHG und § 65 Satz 1 Nr. 2 LWaG zeigt, sind die Eigentumsverhältnisse an einem Gewässer für die Frage des Bestehens einer Unterhaltungslast des Gewässerunterhaltungsverbandes ohne Belang.

29

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§§ 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Gewässer der Vorflut mehrerer Grundstücke dient, ist umstritten und für das Landesrecht von Mecklenburg-Vorpommern bisher nicht abschließend geklärt.

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Dieses Gesetz gilt für folgende Gewässer:

1.
oberirdische Gewässer,
2.
Küstengewässer,
3.
Grundwasser.
Es gilt auch für Teile dieser Gewässer.

(1a) Für Meeresgewässer gelten die Vorschriften des § 23, des Kapitels 2 Abschnitt 3a und des § 90. Die für die Bewirtschaftung der Küstengewässer geltenden Vorschriften bleiben unberührt.

(2) Die Länder können kleine Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung, insbesondere Straßenseitengräben als Bestandteil von Straßen, Be- und Entwässerungsgräben, sowie Heilquellen von den Bestimmungen dieses Gesetzes ausnehmen. Dies gilt nicht für die Haftung für Gewässerveränderungen nach den §§ 89 und 90.

Für dieses Gesetz gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1.
Oberirdische Gewässer
das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser;
2.
Küstengewässer
das Meer zwischen der Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser oder zwischen der seewärtigen Begrenzung der oberirdischen Gewässer und der seewärtigen Begrenzung des Küstenmeeres; die seewärtige Begrenzung von oberirdischen Gewässern, die nicht Binnenwasserstraßen des Bundes sind, richtet sich nach den landesrechtlichen Vorschriften;
2a.
Meeresgewässer
die Küstengewässer sowie die Gewässer im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels, jeweils einschließlich des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes;
3.
Grundwasser
das unterirdische Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht;
4.
Künstliche Gewässer
von Menschen geschaffene oberirdische Gewässer oder Küstengewässer;
5.
Erheblich veränderte Gewässer
durch den Menschen in ihrem Wesen physikalisch erheblich veränderte oberirdische Gewässer oder Küstengewässer;
6.
Wasserkörper
einheitliche und bedeutende Abschnitte eines oberirdischen Gewässers oder Küstengewässers (Oberflächenwasserkörper) sowie abgegrenzte Grundwasservolumen innerhalb eines oder mehrerer Grundwasserleiter (Grundwasserkörper);
7.
Gewässereigenschaften
die auf die Wasserbeschaffenheit, die Wassermenge, die Gewässerökologie und die Hydromorphologie bezogenen Eigenschaften von Gewässern und Gewässerteilen;
8.
Gewässerzustand
die auf Wasserkörper bezogenen Gewässereigenschaften als ökologischer, chemischer oder mengenmäßiger Zustand eines Gewässers; bei als künstlich oder erheblich verändert eingestuften Gewässern tritt an die Stelle des ökologischen Zustands das ökologische Potenzial;
9.
Wasserbeschaffenheit
die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers eines oberirdischen Gewässers oder Küstengewässers sowie des Grundwassers;
10.
Schädliche Gewässerveränderungen
Veränderungen von Gewässereigenschaften, die das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die öffentliche Wasserversorgung, beeinträchtigen oder die nicht den Anforderungen entsprechen, die sich aus diesem Gesetz, aus auf Grund dieses Gesetzes erlassenen oder aus sonstigen wasserrechtlichen Vorschriften ergeben;
11.
Stand der Technik
der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt; bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage 1 aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen;
12.
EMAS-Standort
diejenige Einheit einer Organisation, die nach § 32 Absatz 1 Satz 1 des Umweltauditgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. September 2002 (BGBl. I S. 3490), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2509) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung in das EMAS-Register eingetragen ist;
13.
Einzugsgebiet
ein Gebiet, aus dem über oberirdische Gewässer der gesamte Oberflächenabfluss an einer einzigen Flussmündung, einem Ästuar oder einem Delta ins Meer gelangt;
14.
Teileinzugsgebiet
ein Gebiet, aus dem über oberirdische Gewässer der gesamte Oberflächenabfluss an einem bestimmten Punkt in ein oberirdisches Gewässer gelangt;
15.
Flussgebietseinheit
ein als Haupteinheit für die Bewirtschaftung von Einzugsgebieten festgelegtes Land- oder Meeresgebiet, das aus einem oder mehreren benachbarten Einzugsgebieten, dem ihnen zugeordneten Grundwasser und den ihnen zugeordneten Küstengewässern im Sinne des § 7 Absatz 5 Satz 2 besteht;
16.
Wasserdienstleistungen sind folgende Dienstleistungen für Haushalte, öffentliche Einrichtungen oder wirtschaftliche Tätigkeiten jeder Art:
a)
Entnahme, Aufstauung, Speicherung, Behandlung und Verteilung von Wasser aus einem Gewässer;
b)
Sammlung und Behandlung von Abwasser in Abwasseranlagen, die anschließend in oberirdische Gewässer einleiten;
17.
Wassernutzungen sind alle Wasserdienstleistungen sowie andere Handlungen mit Auswirkungen auf den Zustand eines Gewässers, die im Hinblick auf die Bewirtschaftungsziele nach den §§ 27 bis 31, 44 und 47 signifikant sind.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Pflicht zur Unterhaltung eines verrohrten Teilstücks der Alten Saale.

2

Dem Kläger, einem Wasser- und Bodenverband nach § 105 Abs. 1 des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt - WG LSA -, obliegt nach § 104 Abs. 1 WG LSA die Unterhaltung der in seinem Gebiet vorhandenen Gewässer zweiter Ordnung i.S.v. § 68 Abs. 1, § 70 WG LSA. Das Verbandsgebiet des Klägers wird unter anderem von der Alten Saale durchflossen. Ab der Kreuzung mit einem Altdeich ist sie bis zu ihrer Mündung in die Saale unterhalb der Schleuse Calbe auf einer Länge von 524 m in ein Rohr gefasst. Die Rohrleitung verläuft zunächst über eine Strecke von etwa 400 m landseitig parallel zum rechten Saale-Hauptdeich, bis sie diesen nach einem Schachtbauwerk auf der Höhe des unteren Schleusentors kreuzt. Nachdem eine Kamerabefahrung ergeben hatte, dass das Rohr schadhaft ist und der Instandsetzung bedarf, der Kläger eine Verantwortlichkeit allerdings verneint hatte, stellte der Rechtsvorgänger des Beklagten mit Bescheid vom 23. August 2004 fest, dass es sich bei der Alten Saale um ein Gewässer zweiter Ordnung handele, die Unterhaltung dem Kläger obliege und die Unterhaltungspflicht auch die Verrohrung der Alten Saale umfasse. Des Weiteren wurde dem Kläger aufgegeben, die beschädigte Rohrleitung einschließlich der dazugehörigen Bauwerke und Armaturen unverzüglich instand zu setzen bzw. zu erneuern sowie einen Terminplan für die Arbeiten vorzulegen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Verrohrung Teil des Gewässers und nicht eine Anlage in und an Gewässern im Sinne von § 110 Abs. 1 WG LSA sei. Sie sei in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts als Folgemaßnahme des Baus der Schleuse und folglich vorrangig zu wasserwirtschaftlichen Zwecken vorgenommen worden; sie habe keine über die Führung des Wasserlaufs hinausgehende, selbstständige Funktion.

3

Den Widerspruch des Klägers wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2005 zurück: Die Alte Saale weiche im Bereich der Verrohrung zwar vom Idealtyp eines Gewässers ab, jedoch werde die Verbindung des im natürlichen Gefälle durchfließenden Wassers, das weder in anderer Weise genutzt noch in seiner natürlichen Qualität beeinflusst werde, zum natürlichen Wasserhaushalt nicht unterbrochen. Schließlich sei nicht die gesamte Verrohrung ein Deichsiel. Dies gelte nur für die Kreuzungsbauwerke mit den Hochwasserschutzdeichen; nur insoweit obliege nach § 131 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 WG LSA die Unterhaltung dem Land.

4

Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei dem verrohrten Abschnitt der Alten Saale handele es sich um ein oberirdisches Gewässer im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a WG LSA. Nach dem äußeren Erscheinungsbild werde das Wasser durch die Verrohrung vom natürlichen Wasserkreislauf nicht abgesondert.

5

Auf Antrag des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung gegen das Urteil nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei in Fällen, in denen ein im Quellbereich noch offenes Wasser an einem bestimmten Punkt des Wasserlaufs vollständig von einer unterirdisch verlegten Rohrleitung aufgenommen und mit dieser in einem sodann geschlossenen Verlauf dem nächsten Vorfluter zugeführt werde, in der Regel davon auszugehen, dass das Gewässer in dem verrohrten Teilstück den unmittelbaren Zusammenhang mit dem natürlichen Wasserhaushalt verloren habe. Hiernach bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Beklagten, dass die Alte Saale auch in dem streitigen Teilstück ein oberirdisches Gewässer darstelle.

6

Durch Urteil ohne mündliche Verhandlung hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Alte Saale habe ihre Eigenschaft als oberirdisches Gewässer im Bereich der Verrohrung nicht verloren. Auch in der vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 31. Oktober 1975 - BVerwG 4 C 43.73 - (BVerwGE 49, 293 = Buchholz 445.4 § 1 WHG Nr. 4) entschiedenen Fallkonstellation sei eine wertende Beurteilung geboten. Danach sei die Verbindung zum natürlichen Wasserhaushalt hier nicht unterbrochen. Zwar verhindere die Verrohrung natürliche Prozesse wie Verdunstung, Versickerung, Auffangen von Regenwasser und Auffangen von aufsteigendem Grundwasser. Das sei aber bei jeder Verrohrung der Fall. Besonderes Gewicht sei dem Umstand beizumessen, dass das Wasser auch im verrohrten Bereich im natürlichen Gefälle fließe und dort weder einer technischen Behandlung oder Nutzung zugeführt noch durch sonstige Einflussnahme in seiner Zusammensetzung verändert werde. Zudem diene die Verrohrung lediglich wasserwirtschaftlichen Zwecken, weil sie nur dazu bestimmt sei, das Wasser der Alten Saale durch den Saaledeich zu leiten und in Deichnähe kontrolliert abfließen zu lassen. Letztlich sei die Länge der Verrohrung zwar nicht als geringfügig anzusehen, andererseits werde aber nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Alten Saale im streitgegenständlichen Bereich umfasst.

7

Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 8. März 2010 - BVerwG 7 B 31.09 - wegen Divergenz und wegen eines Verfahrensmangels zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, dass das Oberverwaltungsgericht gegen das Gebot rechtlichen Gehörs und den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen habe. Es habe ihn im Verlauf des Verfahrens und insbesondere in der Anfrage zum Verzicht auf mündliche Verhandlung nicht darauf hingewiesen, dass es an der anfänglich im Beschluss über die Berufungszulassung geäußerten Rechtsauffassung nicht mehr festhalten wolle. In der Sache bezieht er sich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der es in der vorliegenden Fallkonstellation auf eine wertende Beurteilung, ob die Verbindung zum natürlichen Wasserhaushalt unterbrochen werde, nicht mehr ankomme. Dies gelte ausnahmslos.

8

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt zwar revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 138 Nr. 3 VwGO), es erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).

10

1 a) Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verstößt gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 138 Nr. 3 VwGO).

11

Eine dem zuwiderlaufende unzulässige Überraschungsentscheidung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit welcher die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. zuletzt Beschluss vom 19. Juli 2010 - BVerwG 6 B 20.10 - juris Rn. 4 m.w.N.). Zwar muss das Gericht die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinweisen. Falls es jedoch eine vorläufige Einschätzung der Rechtslage zu erkennen gegeben hat, muss es deutlich machen, wenn es hiervon wieder abweichen will (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. August 1996 - 2 BvR 2600/95 - NJW 1996, 3202). Hiernach durfte das Oberverwaltungsgericht nicht ohne erneuten Hinweis an die Beteiligten von seinen Hinweisen auf die von ihm für zutreffend gehaltene Rechtslage im Beschluss über die Zulassung der Berufung abweichen und sein Urteil letztlich auf die von ihm dort als ernstlich zweifelhaft gekennzeichneten Erwägungen des Verwaltungsgerichts stützen.

12

b) Dieser Verfahrensfehler gebietet hier jedoch nicht die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht. Zwar findet § 144 Abs. 4 VwGO bei Vorliegen von absoluten Revisionsgründen i.S.v. § 138 VwGO regelmäßig keine Anwendung. Dies gilt in den Fällen des Gehörsverstoßes jedoch dann nicht, wenn die unter Verstoß gegen das rechtliche Gehör getroffene Feststellung zu einer einzelnen Tatsache nach der materiellrechtlichen Beurteilung des Revisionsgerichts unter keinem denkbaren Gesichtspunkt erheblich war (Urteile vom 10. November 1999 - BVerwG 6 C 30.98 - BVerwGE 110, 40 <48 f.> = Buchholz 448.0 § 3 WPflG Nr. 21 und vom 19. Dezember 2008 - BVerwG 9 C 16.07 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 26; vgl. auch Eichberger, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 138 Rn. 25) oder wenn - wie hier gerügt - lediglich nicht hinreichend Gelegenheit bestand, zu Rechtsfragen Stellung zu nehmen. Denn ein solcher Mangel ist im Revisionsverfahren heilbar und führt deswegen zwar zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, nicht aber auch ohne Weiteres zu ihrem Erfolg (Urteile vom 31. Juli 2002 - BVerwG 8 C 37.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 35 und vom 26. Februar 2003 - BVerwG 8 C 1.02 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 67; vgl. auch Eichberger, a.a.O. Rn. 33, 83).

13

2. Ungeachtet des Verfahrensmangels erweist sich das angefochtene Urteil als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Denn auf der Grundlage der für den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Tatsachenfeststellungen hat das Oberverwaltungsgericht die Abweisung der Klage in der Sache ohne Verstoß gegen Bundesrecht bestätigt.

14

a) Das Oberverwaltungsgericht hat über die Frage nach der rechtlichen Einordnung des verrohrten Abschnitts der Wasserführung als oberirdisches Gewässer und der daraus gemäß § 104 Abs. 1 WG LSA folgenden Unterhaltungslast des Klägers auf der Grundlage des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a WG LSA entschieden. Die Auslegung dieser landesrechtlichen Vorschrift unterliegt revisionsgerichtlicher Überprüfung. Das folgt aus dem Regelungszusammenhang, in dem die Norm im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung stand und auch jetzt noch steht.

15

Der Landesgesetzgeber hat den Begriff des oberirdischen Gewässers in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a WG LSA wörtlich aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 WHG a.F. übernommen. Das auf der Grundlage der Vorschrift des Art. 75 Nr. 4 GG a.F. als Rahmenrecht erlassene und gemäß Art. 125b Abs. 1 Satz 1 GG als solches zunächst fortgeltende Wasserhaushaltsgesetz enthielt insoweit eine partielle Vollregelung. Mittlerweile hat der Bundesgesetzgeber durch den Erlass des Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31. Juli 2009 (BGBl I S. 2585) mit Wirkung vom 1. März 2010 von der ihm in Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG zugewiesenen konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit für das Wasserrecht Gebrauch gemacht und dabei in § 3 Nr. 1 WHG den Begriff des oberirdischen Gewässers gleichlautend mit dem bisherigen Recht definiert. Fragen, die in Anwendung dieses Begriffs im Berufungsurteil aufgeworfen werden, sind daher weiterhin Fragen, die in Übereinstimmung mit der bundesrechtlichen Regelung des Wasserhaushaltsgesetzes zu entscheiden sind (vgl. Beschluss vom 13. Mai 1987 - BVerwG 7 B 72.87 - Buchholz 402.43 § 12 MRRG Nr. 1).

16

b) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 WHG a.F., § 3 Nr. 1 WHG n.F. ist unter einem oberirdischen Gewässer das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser zu verstehen. Das Oberverwaltungsgericht hat auch die verrohrte Wasserführung der Untergruppe der in einem Bett fließenden Gewässer zugeordnet. Es hat dabei nicht nur auf die örtliche Lage der Verrohrung - hier als letztes Teilstück bis zur Einleitung in die Saale - abgestellt, sondern unter Bezugnahme insbesondere auf das Urteil des 9. Senats vom 15. Juni 2005 - BVerwG 9 C 8.04 - (Buchholz 401.64 § 2 AbwAG Nr. 2) eine wertende Betrachtung angestellt. Damit ist es, wie der Senat im Zulassungsbeschluss dargelegt hat, von der Rechtsprechung des 4. Senats (Urteil vom 31. Oktober 1975 - BVerwG 4 C 43.73 - BVerwGE 49, 293 <298 f.>) abgewichen, für die es in dieser Fallkonstellation auf eine wertende Betrachtung nicht mehr ankommen kann. An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht mehr fest.

17

aa) Kennzeichnend für ein oberirdisches Gewässer ist die nicht nur gelegentliche Wasseransammlung in einem Gewässerbett (vgl. Beschluss vom 16. Juli 2003 - BVerwG 7 B 61.03 - Buchholz 445.4 § 1 WHG Nr. 6). Dabei meint ausgehend vom allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff des Gewässerbettes eine äußerlich erkennbare natürliche oder künstliche Begrenzung des Wassers in einer Eintiefung an der Erdoberfläche. Befindet sich das Wasser an einem solchen Ort, ist es in den natürlichen Wasserkreislauf eingebunden und hat Anteil an den Gewässerfunktionen. In dieser Eigenschaft soll es der wasserrechtlichen Benutzungsordnung unterliegen und nach Menge und Güte durch deren Instrumentarium gesteuert werden (vgl. Urteil vom 15. Juni 2005 - BVerwG 9 C 8.04 - Buchholz 401.64 § 2 AbwAG Nr. 2). Allgemein anerkannt ist jedoch, dass das Vorliegen eines Gewässerbettes als Ansatzpunkt des wasserrechtlichen Regelungsprogramms nicht in dem Sinne zwingende Voraussetzung der Einordnung als oberirdisches Gewässer ist, dass jegliche Unterbrechung im oberirdischen Wasserlauf durch unterirdische Teilstrecken - etwa in Felsdurchlässen oder -höhlungen, in Rohren, Tunneln oder Dükern - zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führt (siehe Urteil vom 31. Oktober 1975 - BVerwG 4 C 43.73 - a.a.O. S. 298; Czychowski/Reinhardt, WHG, 10. Aufl. 2010, § 3 Rn. 13; Knopp, in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 1 WHG a.F. Rn. 9 f.; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 121 m.w.N.).

18

bb) Diese Erkenntnis findet allerdings nicht im Begriff "zeitweilig" ihren normativen Ansatzpunkt (so aber Guckelberger, in: BeckOK Umweltrecht, § 3 WHG Rn. 4; OVG Weimar, Beschluss vom 28. Mai 2009 - 4 EO 347/08 - juris Rn. 20). Denn dieser Begriff bezieht sich nicht auf das abschnittsweise Fehlen eines Gewässerbettes, sondern darauf, dass das Wasser bei (regelmäßig oder unregelmäßig) wiederkehrenden Verhältnissen, also nicht nur gelegentlich, am betreffenden Ort steht oder fließt (vgl. Czychowski/Reinhardt, a.a.O. § 3 Rn. 14; Knopp, a.a.O. Rn. 7; OVG Schleswig, Urteil vom 15. Dezember 1999 - 2 L 3/98 - NuR 2000, 294 = juris Rn. 25). Sie folgt indessen aus dem am Regelungszweck des Wasserrechts orientierten Gebot, eine Wasserführung erst dann aus dem wasserrechtlichen Regelungsregime zu entlassen, wenn mit dem Wegfall des Gewässerbettes eine Absonderung vom natürlichen Wasserhaushalt einhergeht.

19

cc) Der 4. Senat hat in seinem Urteil vom 31. Oktober 1975 - BVerwG 4 C 43.73 - (a.a.O. S. 298 f.) das Vorliegen einer für die Gewässereigenschaft unschädlichen unterirdischen Teilstrecke (nur) dann als möglich erachtet, wenn diese in den Verlauf eines oberirdischen Gewässers fällt. Die Frage, ob insoweit der Verlauf des Gewässers durch die Teilstrecke ohne Gewässerbett unterbrochen wird, beantwortet die Entscheidung nach einem formalen, auf das jeweilige Gewässer bezogenen Verständnis, nicht aber im Wege einer materiellen Betrachtungsweise bezogen auf die Teilhabe am natürlichen Wasserkreislauf, der sich nicht auf das einzelne Gewässer beschränkt. Dieser formale Ansatz ermöglicht zwar eine klare Abgrenzung, wenn das Gewässer auf dem letzten Teilstück verrohrt ist. Für die unterschiedliche wasserrechtliche Einordnung je nach Lage der unterirdisch geführten Teilstrecke als Zwischen- oder als Endstück eines Gewässers fehlt es aber an einem angesichts des Regelungszwecks des Wasserhaushaltsgesetzes überzeugenden Grund.

20

Der Maßstab für den Verlust der Gewässereigenschaft ist letztlich die Absonderung vom natürlichen Gewässerhaushalt, die sich insbesondere in der Beeinträchtigung der Gewässerfunktionen zeigt. Ob diese bei einer Unterbrechung der offenen Wasserführung von einem solchen Gewicht ist, dass der Zusammenhang mit dem Wasserhaushalt gelöst erscheint, muss sich daran messen lassen, ob das Wasser weiterhin in den natürlichen Wasserkreislauf eingebunden ist. Hierfür ist unbeachtlich, ob das Gewässer vor und nach der unterirdischen Wasserführung rechtlich identisch ist. Vielmehr kann die Einbindung in den natürlichen Wasserkreislauf bei einer funktionsbezogenen, an den tatsächlichen Gegebenheiten orientierten Betrachtungsweise auch dann zu bejahen sein, wenn die unterirdische Wasserführung das Wasser von einem Gewässer in das nächste leitet (so auch Breuer, a.a.O. Rn. 130 S. 103). Demgegenüber endet die Gewässereigenschaft, wenn der Wasserlauf vollständig in eine Abwasseranlage einbezogen wird (vgl. Czychowski/Reinhardt, a.a.O. § 2 Rn. 8, § 3 Rn. 25; Queitsch, in: Queitsch/Koll-Sarfeld/Wallbaum, Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, § 1 Rn. 5 f.).

21

c) Hiernach hat das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Urteil bei der rechtlichen Einordnung des verrohrten Abschnitts der Alten Saale zu Recht eine wertende Betrachtung vorgenommen und mit diesem rechtlichen Maßstab Bundesrecht nicht verletzt.

22

Das Oberverwaltungsgericht hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Gewässereigenschaft bejaht. Diese Feststellungen werden vom Kläger nicht mit Verfahrensrügen infrage gestellt und sind demnach für den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend. Soweit der Kläger die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Erlass einer Überraschungsentscheidung rügt, macht er nicht geltend, dass ihm weiterer Tatsachenvortrag abgeschnitten worden sei. Die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts sind von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Es stellt insbesondere zutreffend darauf ab, dass die verrohrte Wasserführung allein wasserwirtschaftlichen Zwecken dient und das Wasser keiner eigenständigen technischen Benutzung zugeführt wird. Soweit das Oberverwaltungsgericht auch darauf hinweist, dass kein Abwasser zufließe, ist das allerdings zumindest missverständlich. Eine solche Einleitung ist für die Gewässereigenschaft nämlich irrelevant; vielmehr ist sie nur nach Maßgabe einer wasserrechtlichen Erlaubnis bzw. Bewilligung zulässig (vgl. Urteil vom 31. Oktober 1975 - BVerwG 4 C 8 bis 11.74 - BVerwGE 49, 301 <305>; Beschluss vom 28. April 2008 - BVerwG 7 B 16.08 - juris Rn. 6). Dieses Argument ist für die auf einer Gesamtbetrachtung beruhenden Bewertung indessen nicht tragend.

23

d) Die weiteren Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zum Umfang der Unterhaltspflicht greift der Kläger nicht an. Dieser richtet sich wiederum nach irrevisiblem Landesrecht (§ 102 WG LSA). Dass bei der Auslegung dieser Vorschrift die bundesrechtlichen Vorgaben des § 28 Abs. 1 WHG a.F., § 39 WHG n.F. verkannt worden seien, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch die dem vorausliegende Frage, ob die Verrohrung etwa als Anlage in und an einem Gewässer im Sinne von § 110 Abs. 1 WG LSA einzustufen ist (vgl. hierzu Czychowski/Reinhardt, a.a.O. § 36 Rn. 25), was die Unterhaltungslast auf den Eigentümer bzw. Nutznießer überwälzt, beantwortet sich allein nach irrevisiblem Landesrecht (vgl. Beschluss vom 29. Januar 1996 - BVerwG 4 B 5.96 - ZfW 1997, 25).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 322/00
Verkündet am:
22. November 2001
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 823 Bf; WHG § 18 a; AEG § 4; NdsWasserG § 149
Überläßt der zur Abwasserbeseitigung verpflichtete Träger einer öffentlichen
Verkehrsanlage die Fortleitung des gesammelten Niederschlagswassers
einem Dritten (hier: dem Eigentümer eines Nachbargrundstücks
), so bleibt seine eigene Verantwortlichkeit bestehen. Er muß den
Dritten überwachen und notfalls selbst eingreifen. Verletzt er diese
Pflicht, wird er einem geschädigten Anlieger auch selbst ersatzpflichtig.
BGH, Urteil vom 22. November 2001 - III ZR 322/00 - OLG Oldenburg
LG Oldenburg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die
Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 5. Juli 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Der klagende Landwirt ist Eigentümer einer östlich der Bahnlinie D.-W. in der Gemeinde D. gelegenen Scheune. Westlich grenzt an den Bahndamm ein im Eigentum des Streithelfers und seiner Ehefrau stehender Privatweg an. Auf der östlichen Seite verläuft neben der Bahnstrecke mit Gefälle zur Scheune ein Entwässerungsgraben, der in Höhe des Grundstücks des Klägers rechtwinklig nach Westen abknickt. Er unterquert den Bahndamm mittels eines verrohrten Durchlasses und mündet sodann - noch auf dem Gelände der beklag-
ten D. B. AG (jetzt D. B. Netz AG, im folgenden einheitlich: die Beklagte) - in einen Kontrollschacht, der auch Wasser aus dem westlichen Bahnseitengraben aufnimmt. Von dort wird das gesammelte Oberflächenwasser durch einen weiteren Düker unter dem Privatweg des Streithelfers nach Westen abgeleitet.
Im Jahre 1994 bemerkte der bei der Beklagten beschäftigte Bauingenieur K., zu dessen Aufgabenkreis die Kontrolle der Wasserdurchlässe auf dem Bahngelände gehörte, daû das Wasser am Rohrdurchlaû nicht abfloû und die Verrohrung unter dem benachbarten Privatweg verstopft war. K. wandte sich deswegen an den Bauamtsleiter der Gemeinde D, mit dem er übereinkam, sich wegen eines gemeinsamen Ortstermins noch einmal zu melden. Hierzu kam es jedoch nicht. Am 17. Februar 1995 wurde nach einem Starkregen die Scheune des Klägers mit den dort gelagerten Kartoffeln durch gestautes Oberflächenwasser überflutet. Es stellte sich heraus, daû die vom Kontrollschacht unter den Privatweg des Streithelfers geführte Rohrleitung nach zwei Metern endete, so daû das Wasser dort nur noch verrieseln konnte und einen Rückstau bildete, der bis in den Bereich östlich des Bahndamms reichte.
Wegen seines auf 121.314,69 DM bezifferten Schadens hat der Kläger die Beklagte auf Ersatz in Anspruch genommen. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Schadensersatzanspruch weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht sieht in Übereinstimmung mit den Parteien den Bahnseitengraben, von dem aus das Wasser in die Scheune des Klägers gelangt ist, als Gewässer dritter Ordnung im Sinne des Niedersächsischen Wassergesetzes (NWG) an und verneint eine Verletzung sowohl der Gewässerunterhaltungspflicht als auch der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten. Die Unterhaltung eines Gewässers umfasse nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WHG i.V.m. § 98 Abs. 1 Satz 1 NWG die Erhaltung eines ordnungsgemäûen Zustandes für den Wasserabfluû. Das sei hier indes geschehen. Daû das Wasser nicht habe abflieûen können, beruhe allein auf der Tatsache, daû der Durchlaû unter dem angrenzenden Wegegrundstück des Streithelfers verstopft gewesen sei. Für die vom Kläger vertretene Auffassung, die Beklagte habe den Landkreis O. als zuständige untere Wasserbehörde von dem Abfluûhindernis unterrichten müssen , sei eine Rechtsgrundlage nicht zu erkennen. Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht bei Gewässern werde im Verhältnis der Grundstücksnachbarn abschlieûend durch die wasser- und nachbarrechtlichen Sonderbestimmungen umschrieben. Neben einem Anspruch wegen Verletzung der Gewässerunterhaltungspflicht komme daher allenfalls noch eine Haftung für Schäden durch
wild abflieûendes Wasser nach § 39 NdsNachbG in Betracht. Danach dürfe der Eigentümer eines Grundstücks den Abfluû wild abflieûenden Wassers auf andere Grundstücke nicht verstärken. Der Grundstückseigentümer hafte somit grundsätzlich nicht für wild von seinem Grundstück auf Nachbargrundstücke abflieûendes Wasser, es sei denn, er verstärke den Abfluû, z.B. durch Flächenverdichtungen oder Höherlegungen. Hieran fehle es jedoch im Streitfall.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
1. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Gewässerunterhaltung abgelehnt. Das gilt schon deswegen, weil nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht davon ausgegangen werden kann, daû es sich bei dem Entwässerungsgraben entlang der Bahnlinie überhaupt um ein Gewässer handelt. § 1 Abs. 2 WHG gestattet den Ländern, von den Bestimmungen dieses Gesetzes (abgesehen von dem hier nicht interessierenden § 22) kleine Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung auszunehmen. Von dieser Möglichkeit hat das Niedersächsische Wassergesetz - hier noch maûgebend in der Fassung vom 20. August 1990 (GVBl. S. 371) - Gebrauch gemacht. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 NWG sind die für Gewässer geltenden Bestimmungen auf Gräben, die nicht dazu dienen, die Grundstücke mehrerer Eigentümer zu entwässern, nicht anzuwenden. Straûenund Eisenbahngräben, die ausschlieûlich dazu bestimmt sind, die Straûen-
oder Bahnkörper trocken zu halten, sind darum in Niedersachsen keine Gewässer (Czychowski, WHG, 7. Aufl., § 1 Rn. 51). Anders verhält es sich nur dann, wenn solche Gräben noch Wasser von mindestens einem angrenzenden Grundstück aufnehmen. Die Streitfrage, ob dabei allein der geregelte (mittels eines Grabens, einer Drainage oder einer Rohrleitung) oder auch der ungeregelte Zufluû von benachbarten Grundstücken erheblich ist (vgl. einerseits - nur gezielte Zuleitung - OLG Köln ZfW 1991, 259, 260 f. = NVwZ-RR 1992, 285 und andererseits - auch wild zuflieûendes Niederschlagswasser - Czychowski, § 1 Rn. 50 f. m.w.N.; Honert/Rüttgers/Sanden, LWG NW, 4. Aufl., § 1 Anm. 5; Reffken in Haupt/Reffken/Rhode, NWG, § 1 Rn. 8), hat der Senat bisher offengelassen (Urteil vom 29. April 1976 - III ZR 185/73, ZfW 1977, 38, 40 = VersR 1976, 985, 986). Sie ist auch hier nicht zu entscheiden. Denn das Berufungsgericht hat bisher weder einen geregelten noch einen ungeregelten Zufluû von Oberflächenwasser anderer Grundstücke in den Bahngraben festgestellt.
Einer weiteren tatrichterlichen Klärung dieser Fragen bedarf es indes nicht. Auch wenn der Eisenbahngraben als Gewässer zu behandeln wäre, würde sich, wie das Berufungsgericht insofern zutreffend angenommen hat, die Unterhaltungspflicht der Beklagten weder unmittelbar noch mittelbar auf den auûerhalb des Bahngeländes liegenden Rohrdurchlaû unter dem Privatweg des Streithelfers erstrecken. Die Pflicht zur Unterhaltung von Gewässern nach §§ 28 Abs. 1 Satz 1 WHG, 98 Abs. 1 Satz 1 NWG dient zwar dem Wasserabfluû. Bei Gewässern dritter Ordnung ist sie aber räumlich beschränkt und obliegt primär den jeweiligen Eigentümern (§ 107 Abs. 1 NWG). An der Schadensstelle waren dies der Streithelfer und seine Ehefrau. Die Beklagte war daher , was auch die Revision nicht anzweifelt, als Träger der Unterhaltungslast zur Beseitigung des Hindernisses für den Wasserablauf unter dem Wege-
grundstück nicht verpflichtet. Eine Verpflichtung zur Beobachtung und Meldung von Störungen an benachbarten Gewässerabschnitten, für die die Revision eintritt, kann der Pflicht zur Gewässerunterhaltung nicht entnommen werden. Die Unterhaltungspflicht an einzelnen Teilen eines Wasserlaufs begründet keine Verantwortlichkeit für das Gewässer insgesamt und enthält auch keine allgemeine Pflicht zur Gefahrabwehr (Czychowski, § 28 Rn. 3).
2. Vergeblich macht die Revision geltend, jedenfalls ergebe sich eine - der Höhe nach begrenzte - Haftung der Beklagten aus § 2 Abs. 1 HPflG. Ein Schadensersatzanspruch nach § 2 Abs. 1 HPflG setzt voraus, daû der Schaden entweder durch die Wirkungen von Flüssigkeiten entstanden ist, die von einer Rohrleitungsanlage oder einer Anlage zur Abgabe von Flüssigkeiten ausgehen (Satz 1; sog. Wirkungshaftung), oder daû er, ohne auf den Wirkungen der Flüssigkeit zu beruhen, auf das Vorhandensein einer solchen Anlage zurückzuführen ist, es sei denn, daû diese sich zum Verursachungszeitpunkt in einem ordnungsgemäûen Zustand befand (Satz 2; sog. Zustandshaftung). Vorliegend ist bereits zweifelhaft, ob bei den kurzen Durchlässen unter Bahndamm und Weg von einer Rohrleitungsanlage in diesem Sinne gesprochen werden kann. Das mag jedoch dahinstehen. Eine Wirkungshaftung scheidet mindestens deswegen aus, weil nach dem unstreitigen Sachverhalt die auf das Grundstück des Klägers geflossenen Wassermassen nicht von dem Düker ausgegangen sind. In ihm hat sich das Niederschlagswasser vielmehr zunächst gestaut, so daû die Rohrleitung das nachströmende Wasser nicht mehr aufnehmen konnte und es ungefaût das Nachbargrundstück überschwemmte. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats greift die Gefährdungshaftung des § 2 Abs. 1 HPflG jedoch nicht ein, wenn wegen einer Verstopfung des Einlaufs oder einer Überfüllung des Rohrleitungssystems das schadenstiftende Wasser erst gar
nicht in die Leitung gelangt (BGHZ 114, 380, 381 ff.; 115, 141, 143; 140, 380, 385; Urteil vom 26. April 2001 - III ZR 102/00 - WM 2001, 1721, 1722). In solchen Fällen kommt lediglich eine Haftung aus unerlaubter Handlung, insbesondere wegen fehlerhafter Dimensionierung des Rohres oder mangelhafter Wartung, in Betracht. Darum geht es hier jedoch nicht. Für eine Zustandshaftung besteht gleichfalls kein Anhalt.
3. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Verstoû gegen § 39 NdsNachbG verneint. Gleichwohl kann die Klageabweisung nicht bestehenbleiben. Das Berufungsgericht hat verkannt, daû die Beklagte über das dort normierte Verbot, den Abfluû wild abflieûenden Oberflächenwassers auf andere Grundstücke zu verstärken, hinaus gesetzlich zur Beseitigung des auf ihrem Betriebsgelände anfallenden Niederschlagswassers als Abwasser verpflichtet ist (§ 149 Abs. 3 Nr. 2 NWG). Diese Verpflichtung erstreckt sich auch auf die Fortleitung des Abwassers über die Nachbargrundstücke und kann bei Mängeln zu einer Haftung der Beklagten führen.

a) Nach § 149 Abs. 1 NWG haben im Regelfall die Gemeinden das auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser zu beseitigen. Für Fehler bei der Planung, der Herstellung und dem Betrieb ihrer Abwasseranlagen haften sie Dritten nach Amtshaftungsgrundsätzen (st. Rspr.; vgl nur Senatsurteil BGHZ 140, 380, 384 m.w.N.). An Stelle der Gemeinden obliegt die Beseitigung des Niederschlagswassers den Trägern öffentlicher Verkehrsanlagen, soweit diese nach anderen Rechtsvorschriften zur Entwässerung ihrer Anlagen verpflichtet sind (§ 149 Abs. 3 Nr. 2 NWG). Das gilt auch für die Eisenbahnen (vgl. § 4 AEG; Czychowski, § 18 a Rn. 19; Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, AbwAG, § 18 a Rn. 16; Reffken in Haupt/Reffken/Rhode, § 149 Rn. 15). Eine entsprechende
deliktische Haftung für Mängel beim Betrieb der Anlagen trifft dann – in Fällen privatrechtlicher Aufgabenerfüllung gemäû § 823 BGB – die Verkehrsträger (s. auch Senatsurteil vom 13. Juni 1996 – III ZR 40/95 - NJW 1996, 3208, 3210).

b) Die Abwasserbeseitigung umfaût nach der Legaldefinition der §§ 18 a Abs. 1 Satz 3 WHG, 148 Abs. 2 NWG auûer dem Sammeln des Abwassers auch dessen Fortleiten. Das gilt grundsätzlich bis zu dem Zeitpunkt, in dem das gereinigte Wasser in ein Gewässer eingeleitet wird (Reffken in Haupt/Reffken /Rhode, § 148 Rn. 8). Die Verantwortung der Beklagten für das auf dem Eisenbahngelände anfallende Niederschlagswasser endet demnach nicht an ihrer Grundstücksgrenze. Sie hat darüber hinaus für einen Weitertransport des Abwassers bis zu dessen anderweiter schadloser Beseitigung zu sorgen. Nach den örtlichen Verhältnissen ist dies hier nur unter Einbeziehung der benachbarten Grundstückseigentümer westlich des Bahndamms – an erster Stelle des Streithelfers und seiner Ehefrau – möglich, über deren Grundstücke die Abwasserleitung fortgeführt wird. Das stellt die Beklagte aber von ihrer Verantwortung nicht frei. In einem solchen Fall muû sie sich auch selbst darum kümmern , daû Störungen bei der Weiterleitung des Wassers kurzfristig und zuverlässig behoben werden.
Anders als bei den Gemeinden (vgl. § 149 Abs. 4 und 5 NWG a.F., § 149 Abs. 8 NWG n.F.) ist bei den Trägern öffentlicher Verkehrsanlagen eine auch nur teilweise Übertragung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht auf Dritte unter Befreiung des primär Verantwortlichen nicht zulässig. Zwar können auch sie sich zur Erfüllung ihrer Pflichten Dritter bedienen (§§ 18 a Abs. 2 Satz 3 WHG i.d.F. des Sechsten Gesetzes zur Änderung des WHG vom 11. November 1996, BGBl. I S. 1690; §§ 149 Abs. 6 NWG a.F., § 149 Abs. 9 NWG n.F.).
Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine Einschaltung dieser Dritten in den eigenen Pflichtenkreis des Beseitigungspflichtigen. Dessen originäre Verantwortung bleibt dadurch unberührt (so ausdrücklich die parallele Bestimmung für die Beseitigung fester Abfälle in § 16 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG; s. ferner Nisipeanu, Abwasserrecht, S. 202; Queitsch, UPR 2000, 247, 250). Er muû deshalb, mag der Dritte mangels der hierfür erforderlichen Abhängigkeit auch nicht als sein Verrichtungsgehilfe im Sinne von § 831 BGB gelten, den Beauftragten in dem erforderlichen Maûe überwachen und notfalls selbst eingreifen (vgl. zum Abfallrecht BGH, Urteil vom 7. Oktober 1975 ± VI ZR 43/74 ± NJW 1976, 46, 47; zum Abwasserrecht auch Czychowski, § 18 a Rn. 16). Verletzt er diese Verpflichtung, macht er sich selbst schadensersatzpflichtig.

c) Im Streitfall ist nicht ersichtlich, daû die Beklagte ihrer Pflicht, auf den Streithelfer einzuwirken oder in anderer Weise für eine Beseitigung des Abfluûhindernisses zu sorgen (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 149 NWG, 4 AEG), genügt hätte. Die von ihr behauptete und vom Berufungsgericht nicht im einzelnen aufgeklärte Unterrichtung der Gemeinde D. über die auf dem Nachbargrundstück festgestellte Verstopfung würde jedenfalls nicht ausreichen, unabhängig von der Frage, ob die Gemeinde hierfür überhaupt zuständig war. Die Beklagte muûte sicherstellen, daû die von der Verstopfung ausgehende Gefährdung anderer alsbald behoben wurde. Da die Gemeinde ihre Zuständigkeit in Zweifel gezogen und der Zeuge K. für die Beklagte es übernommen hatte, die Zuständigkeitsfrage in einem noch abzustimmenden Ortstermin vorab zu klären, war ein Einschreiten der Gemeinde zumindest bis dahin nicht gewährleistet , abgesehen davon, daû es unsicher war, ob und wann die von der Gemeinde gestellte Bedingung eintreten würde.
4. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Sollte sich erweisen, daû der Kläger unberechtigt und unsachgemäû die Entwässerung seines Grundstücks an den Entwässerungsgraben neben der Bahnlinie angeschlossen hat und es nur deswegen zu einer Überflutung der Scheune gekommen ist, wie die Beklagte behauptet hat, fiele ihm ein zumindest erhebliches Mitverschulden zur Last. Das wird das Berufungsgericht nunmehr aufzuklären haben. Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge wäre dann gleichfalls Aufgabe des Tatrichters.
Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke

(1) Anlagen in, an, über und unter oberirdischen Gewässern sind so zu errichten, zu betreiben, zu unterhalten und stillzulegen, dass keine schädlichen Gewässerveränderungen zu erwarten sind und die Gewässerunterhaltung nicht mehr erschwert wird, als es den Umständen nach unvermeidbar ist. Anlagen im Sinne von Satz 1 sind insbesondere

1.
bauliche Anlagen wie Gebäude, Brücken, Stege, Unterführungen, Hafenanlagen und Anlegestellen,
2.
Leitungsanlagen,
3.
Fähren.
Im Übrigen gelten die landesrechtlichen Vorschriften.

(2) Stauanlagen und Stauhaltungsdämme sind nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten; die Anforderungen an den Hochwasserschutz müssen gewahrt sein. Wer Stauanlagen und Stauhaltungsdämme betreibt, hat ihren ordnungsgemäßen Zustand und Betrieb auf eigene Kosten zu überwachen (Eigenüberwachung). Entsprechen vorhandene Stauanlagen oder Stauhaltungsdämme nicht den vorstehenden Anforderungen, so kann die zuständige Behörde die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen innerhalb angemessener Fristen anordnen.

(3) Eine Solaranlage darf nicht errichtet und betrieben werden

1.
in und über einem oberirdischen Gewässer, das kein künstliches oder erheblich verändertes Gewässer ist, und
2.
in und über einem künstlichen oder erheblich veränderten Gewässer, wenn ausgehend von der Linie des Mittelwasserstandes
a)
die Anlage mehr als 15 Prozent der Gewässerfläche bedeckt oder
b)
der Abstand zum Ufer weniger als 40 Meter beträgt.

Das Eigentum an den sich auf dem Grundstück befindenden Entwässerungsanlagen geht mit dem 1. Januar 1995 auf den Grundstückseigentümer über. Die Anlage wird wesentlicher Bestandteil des Grundstücks.

(1) Die Unterhaltung oberirdischer Gewässer obliegt den Eigentümern der Gewässer, soweit sie nicht nach landesrechtlichen Vorschriften Aufgabe von Gebietskörperschaften, Wasser- und Bodenverbänden, gemeindlichen Zweckverbänden oder sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts ist. Ist der Gewässereigentümer Träger der Unterhaltungslast, sind die Anlieger sowie diejenigen Eigentümer von Grundstücken und Anlagen, die aus der Unterhaltung Vorteile haben oder die Unterhaltung erschweren, verpflichtet, sich an den Kosten der Unterhaltung zu beteiligen. Ist eine Körperschaft nach Satz 1 unterhaltungspflichtig, können die Länder bestimmen, inwieweit die Gewässereigentümer, die in Satz 2 genannten Personen, andere Personen, die aus der Unterhaltung Vorteile haben, oder sonstige Eigentümer von Grundstücken im Einzugsgebiet verpflichtet sind, sich an den Kosten der Unterhaltung zu beteiligen.

(2) Die Unterhaltungslast kann mit Zustimmung der zuständigen Behörde auf einen Dritten übertragen werden.

(3) Ist ein Hindernis für den Wasserabfluss oder für die Schifffahrt oder eine andere Beeinträchtigung, die Unterhaltungsmaßnahmen nach § 39 erforderlich macht, von einer anderen als der unterhaltungspflichtigen Person verursacht worden, so soll die zuständige Behörde die andere Person zur Beseitigung verpflichten. Hat die unterhaltungspflichtige Person das Hindernis oder die andere Beeinträchtigung beseitigt, so hat ihr die andere Person die Kosten zu erstatten, soweit die Arbeiten erforderlich waren und die Kosten angemessen sind.

(4) Erfüllt der Träger der Unterhaltungslast seine Verpflichtungen nicht, so sind die erforderlichen Unterhaltungsarbeiten auf seine Kosten durch das Land oder, sofern das Landesrecht dies bestimmt, durch eine andere öffentlich-rechtliche Körperschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 durchzuführen. Satz 1 gilt nicht, soweit eine öffentlich-rechtliche Körperschaft Träger der Unterhaltungslast ist.

(1) Gewässerschutzbeauftragte beraten den Gewässerbenutzer und die Betriebsangehörigen in Angelegenheiten, die für den Gewässerschutz bedeutsam sein können. Sie sind berechtigt und verpflichtet,

1.
die Einhaltung von Vorschriften, Nebenbestimmungen und Anordnungen im Interesse des Gewässerschutzes zu überwachen, insbesondere durch regelmäßige Kontrolle der Abwasseranlagen im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit, den ordnungsgemäßen Betrieb sowie die Wartung, durch Messungen des Abwassers nach Menge und Eigenschaften, durch Aufzeichnungen der Kontroll- und Messergebnisse; sie haben dem Gewässerbenutzer festgestellte Mängel mitzuteilen und Maßnahmen zu ihrer Beseitigung vorzuschlagen;
2.
auf die Anwendung geeigneter Abwasserbehandlungsverfahren einschließlich der Verfahren zur ordnungsgemäßen Verwertung oder Beseitigung der bei der Abwasserbehandlung entstehenden Reststoffe hinzuwirken;
3.
auf die Entwicklung und Einführung von
a)
innerbetrieblichen Verfahren zur Vermeidung oder Verminderung des Abwasseranfalls nach Art und Menge,
b)
umweltfreundlichen Produktionen
hinzuwirken;
4.
die Betriebsangehörigen über die in dem Betrieb verursachten Gewässerbelastungen sowie über die Einrichtungen und Maßnahmen zu ihrer Verhinderung unter Berücksichtigung der wasserrechtlichen Vorschriften aufzuklären.

(2) Gewässerschutzbeauftragte erstatten dem Gewässerbenutzer jährlich einen schriftlichen oder elektronischen Bericht über die nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 4 getroffenen und beabsichtigten Maßnahmen. Bei EMAS-Standorten ist ein jährlicher Bericht nicht erforderlich, soweit sich gleichwertige Angaben aus dem Bericht über die Umweltbetriebsprüfung ergeben und die Gewässerschutzbeauftragten den Bericht mitgezeichnet haben und mit dem Verzicht auf die Erstellung eines gesonderten jährlichen Berichts einverstanden sind.

(3) Die zuständige Behörde kann im Einzelfall die in den Absätzen 1 und 2 aufgeführten Aufgaben der Gewässerschutzbeauftragten

1.
näher regeln,
2.
erweitern, soweit es die Belange des Gewässerschutzes erfordern,
3.
einschränken, wenn dadurch die ordnungsgemäße Selbstüberwachung nicht beeinträchtigt wird.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.