Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 16. Feb. 2017 - 3 A 1384/16 As HGW
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Kläger sind afghanische Staatsangehörige und stammen aus Kabul. Sie gehören der Volksgruppe der Hindu an und sind hinduistischen Glaubens. Die Klägerin zu 1. ist die Mutter des Klägers zu 2. und der Klägerin zu 3. Sie reisten nach eigenen Angaben am 04.08.2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 02.10.2015 Asylanträge.
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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge traf gegenüber den Klägern mit Bescheid vom 13.07.2016, zugestellt am 28.07.2016, folgende Entscheidung:
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1. Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt.
2. Die Anträge auf Asylanerkennung werden abgelehnt.
3. Der subsidiäre Schutzstatus wird nicht zuerkannt.
4. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes liegt vor.
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Die Kläger haben am 09.08.2016 Klage erhoben.
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Zur Begründung tragen sie vor, dass bei ihnen ein Eingriff in die Religionsfreiheit vorliege, da diese in der Öffentlichkeit durch staatliche Organe versagt werde. Es dürfe nicht auf eine eventuelle Gruppenverfolgung abgestellt werden, es reiche aus, wenn ein Flüchtling seine Religion in der Öffentlichkeit ausübe.
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In der mündlichen Verhandlung am 16.02.2017 erläuterten und ergänzten die Kläger ihre Verfolgungsgeschichte. Sie gaben an, dass sie in Afghanistan in ihrer Eigenschaft als Hindus beleidigt und bespuckt worden seien. Die Kinder, der Kläger zu 2 und die Klägerin zu 3, seien gezwungen worden, den Koran zu lesen. Sie seien deshalb nicht in die Schule gegangen, weil sie hierfür Muslime hätten werden müssen. Sie seien als Ungläubige beschimpft worden. Der getötete Ehemann der Klägerin zu 1 sei bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen, konnte aber im Sinne der Religion der Hindu durch Einäscherung beerdigt werden. Früher hätten sie ihre Religion frei ausüben können. Sie hätten auch nicht mehr am öffentlichen Leben teilnehmen können und in den Tempel ziehen müssen, wo sie versorgt worden seien. Im Tempel hätten sie ihre Religion praktizieren können, nicht dagegen die Hindufestivals Holi und Devali. So sei es in Afghanistan allen Hindus ergangen.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 1 und 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13.07.2016 –6157256 – 423 - zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen,
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hilfsweise,
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Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.
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Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 19.10.2016 zur Entscheidung auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten dieses Verfahrens sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten, auf die mit der Ladung übersandte Erkenntnisquellenliste des Gerichts zum Herkunftsland Afghanistan sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2017 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Darauf war sie in der Ladung hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]).
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Die als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig erhobene Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1.
- 18
Die Kläger haben nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG), keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
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Die Kläger sind keine Flüchtlinge nach § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) [Genfer Konvention], wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
- 20
Als Verfolgung gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2).
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Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten: (1.) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, (2.) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, (3.) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, (4.) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, (5.) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, (6.) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind (§ 3a Abs. 2 AsylG).
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Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
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Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten.
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Bei der Prüfung der Bedrohung i.S.v. § 3 AsylG ist unabhängig von der Frage, ob der Schutz suchende Ausländer seinen Herkunftsstaat bereits vorverfolgt, also auf der Flucht vor eingetretener bzw. unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat, oder ob er unverfolgt ausgereist ist, der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Dabei setzt die unmittelbar, also die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, drohende Verfolgung eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss (VG Oldenburg, Urt. v. 16.02.2016 – 3 A 6563/13 – juris).
- 25
Nach Art. 4 Abs. 4 der Neufassung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Abl. Nr. L 337 S. 9, sog. „EU-Flüchtlingsschutz-RL“) ist die Tatsache, dass der schutzsuchende Ausländer bereits verfolgt wurde oder er einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. er von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
- 26
Aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflichten ist der Kläger gehalten, von sich aus die in seine eigene Sphäre fallenden tatsächlichen Umstände substantiiert und in sich stimmig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen. Sein Vortrag muss danach insgesamt geeignet sein, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.03.1983 - BVerwG 9 C 68.81 - juris; Hessischer VGH, Urt. v. 24.08.2010 - VGH 3 A 2049/08.A - juris). Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gilt dies entsprechend.
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Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befindet, ist der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 32; VG Potsdam, Urt. v. 11.03.2016 – VG 4 K 1242/15.A – S. 8). Dabei greift zugunsten eines Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 – 10 C 5.09 – juris Rn. 19; VG Potsdam, aaO.).
- 28
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt unter Berufung auf den Europäischen Gerichtshof ein Eingriff in die Religionsfreiheit vor, wenn auf die Entschließungsfreiheit des Schutzsuchenden, seine Religion in einer bestimmten Weise zu praktizieren, durch die Bedrohung mit Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit eingewirkt wird. Es muss eine schwerwiegende Rechtsverletzung vorliegen, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt (BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 – 10 C 23.12 – InfAuslR 2013, 300; VG Schwerin, Urt. v. 06.05.2015 – 15 A 610/13 As S. 11).
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Das Bundesverwaltungsgericht hat unter Heranziehung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit nicht nur bei gravierenden Eingriffen in die Freiheit der Person, seinen Glauben im privaten Bereich zu praktizieren, bejaht, sondern auch in die Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben. Es sei nicht vereinbar, die Beachtlichkeit einer Verletzungshandlung danach zu beurteilen, ob sie in einen Kernbereich der privaten Glaubensbetätigung (forum internum) oder in einen weiteren Bereich der öffentlichen Glaubensausübung (forum externum) eingreife. Folglich stellt das Bundesverwaltungsgericht bei der Bestimmung der Handlungen, die aufgrund ihrer Schwere verbunden mit der ihrer Folgen für den Betroffenen als Verfolgung gelten können, nicht darauf ab, in welche Komponente der Religionsfreiheit eingegriffen wird, sondern auf die Art der ausgeübten Repressionen und ihre Folgen für den Betroffenen. Es kommt also darauf an, ob der Kläger befürchten muss, dass ihm aufgrund seiner öffentlichen religiösen Betätigung, die zur Wahrung seiner religiösen Betätigung besonders wichtig ist, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine schwere Rechtsverletzung droht, insbesondere die Gefahr, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, verfolgt oder unterworfen zu werden (BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 24 ff.).
a)
- 30
Dies zugrunde gelegt haben die Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG unter dem Aspekt einer Gruppenverfolgung.
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Das Auswärtige Amt geht in seinem Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan (Stand November 2015) davon aus, dass es keine verlässlichen Angaben über die Anzahl von Hindus in Afghanistan gebe. Es gebe vier Hindu-Tempel landesweit, davon zwei in Kabul und je einen in Jalalabad und Helmand. Staatliche Diskriminierung gebe es nicht, auch wenn der Weg in öffentliche Ämter für Hindus schon aufgrund fehlender Patronagenetzwerke schwierig sei. Hindus würden aber von großen Teilen der muslimischen Bevölkerung als Außenseiter wahrgenommen. Viele Muslime lehnten insbesondere Feuerbestattungen ab, die im Hinduismus das zentrale Begräbnisritual darstellen. Die afghanische Regierung habe darauf reagiert, indem sie den Hindus einen dafür gewidmeten Ort zur Verfügung gestellt hat. Auf dem Weg dorthin würden Trauergemeinden allerdings Berichten zufolge belästigt und bedroht. Es gebe auch Berichte, wonach Hindus Opfer illegaler Enteignungen und Beschlagnahmung ihrer Grundstücke wurden. Seit 2014 haben Hindus und Sikhs Anspruch auf einen (gemeinsamen) Sitz im Parlament; er wird zurzeit von einer Frau eingenommen (Lagebericht S. 12).
- 32
Auch das BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Stand: 21.01.2016, S. 145 ff.) berichtet, dass in den vergangenen Jahren Hindus und Sikhs angaben, dass es ihnen aufgrund von Anrainer/innen, die in der Nähe des Krematoriums wohnten, nicht möglich war, ihre Toten im Rahmen ihrer Traditionen zu verbrennen. Auch wenn Hindu sozialer Diskriminierung und Belästigungen ausgesetzt waren, war das Vorgehen jedoch nicht systematisch. USCIRF – US Commission on International Religious Freedom - gehe davon aus, dass sich die Situation der afghanischen Sikh- und Hindu-Gemeinschaft seit dem Sturz des Taliban-Regimes verbesserte: Es ist den Sikhs und Hindus erlaubt, ihren Glauben zu leben. Auch haben sie Orte, an denen sie öffentlich ihren Gottesdienst verrichten (USCIRF 30.4.2013). Jedoch ist die lokale Hindu- und Sikhpopulation, obwohl es ihr erlaubt ist, ihren Glauben öffentlich zu praktizieren, Belästigung und manchmal auch Gewalt ausgesetzt (USCIRF 30.4.2015) (BFA aaO., S. 150).
- 33
Der UNHCR stellt in seinen Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender (Stand: 06.08.2013) fest, dass Hindus die öffentliche Ausübung ihrer Religion erlaubt ist. Sie können ihre Toten jedoch nicht nach ihren Bräuchen beerdigen, da sie von Anwohnern daran gehindert würden (S. 51).
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Der UNHCR schreibt darüber hinaus in seinen aktuellen Richtlinien vom 19. April 2016, dass eine große Zahl von Hindus Afghanistan als Reaktion auf große Schwierigkeiten, denen sie sich ausgesetzt sähen, verlassen hätte. Die geringe Zahl der verbliebenen Hindus sei Berichten zufolge umso verletzlicher für Missbrauch. Obwohl es den Hindugemeinden erlaubt sei, ihre Religion öffentlich zu praktizieren, werde berichtet, dass sie sich fortgesetzter Diskriminierung durch den Staat gegenüber sähen, etwa im Bereich der politischen Partizipation und Stellenbesetzung innerhalb der Regierung. Ebenso werde berichtet, dass sich die Hindus gesellschaftlicher Diskriminierung und Einschüchterung ausgesetzt sähen. Die Hindugemeinden berichteten von Schwierigkeiten bei der Ausführung von Begräbnisritualen und fühlten sich ungeschützt durch staatliche Behörden, etwa im Falle von Landstreitigkeiten. Hindus seien Berichten zufolge Opfer von illegaler Landnahme geworden und würden es aus Angst vor Vergeltung unterlassen, zur Wiedererlangung der Grundstücke gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es gebe eine kleine Zahl von Schulen für Hindus; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt.
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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat zusammenfassend konstatiert, dass seit 2006 keine Fälle von religiöser Verfolgung oder Diskriminierung bekannt geworden seien. Hindus wagen jedoch lediglich in den Hauptstädten der Provinzen Kabul und Nangahar (Jalalabad), ihren Glauben offen zu praktizieren (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, S. 13 f.; s.a. Auswärtiges Amt, Auskunft an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Verfahren 13 A B 12.30368 vom 19.11.2013).
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Nach der Auswertung dieser Erkenntnisquellen konstatiert das Verwaltungsgericht Würzburg (VG Würzburg, Urt. v. 05.07.2016 – W 1 K 16.30615 – juris Rn. 43) unter Berufung auf den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hierzu in zutreffender Weise Folgendes, dem sich das erkennende Gericht anschließt:
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Es zeigt sich nach alledem, dass Hindus allein aufgrund ihrer Volks- bzw. Religionszugehörigkeit oder ihres Erscheinungsbildes weder Tötungen noch schweren körperlichen Misshandlungen oder ähnlich schwerwiegenden Rechtsgutsverletzungen ausgesetzt sind. Das, was den Hindus in Afghanistan widerfährt, ist Ausfluss der allgemeinen Situation in Afghanistan. Politische und administrative Ämter werden oft willkürlich vergeben, wobei informelle Beziehungsnetzwerke und der Proporz der Ethnien eine wesentliche Rolle spielen. Primäres Kriterium bei der Personalauswahl ist häufig die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe oder einem bestimmten Clan. Marginalisierte Gruppen wie etwa die Hindus haben aus diesem Grunde geringere oder nahezu keine Chancen, bei öffentlichen Positionen eingestellt zu werden. Korruption und die Zahlung von Schmiergeldern ist in Afghanistan an der Tagesordnung. Durch Einflussnahme und Zahlung von Bestechungsgeldern an Justiz und Verwaltung werden Entscheidungen nach rechtstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen verhindert. So ist etwa das Problem der illegalen Landnahmen und die mangelnde Durchsetzbarkeit von Rückgabeansprüchen kein spezifisches gegen Hindus gerichtetes Phänomen, sondern auch andere Bevölkerungsgruppen sind hiervon betroffen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 19.9.2013 – A 11 S 689/13 – juris Rn. 89). Das Gericht schließt sich vor diesem Hintergrund abermals der Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in der zitierten Entscheidung an, wonach konkrete Referenzfälle, die den Schluss erlauben würden, dass die Diskriminierung der Minderheit der Hindus oder auch sonstige Beeinträchtigungen und Repressalien gegen sie nicht nur auf den vorstehend beschriebenen Missständen beruhen, sondern Bestandteile eines Vorgehens gezielt gegen diese Minderheiten wären, den vorliegenden – auch aktuellsten –Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen sind.
b)
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Auch eine individuelle Verfolgung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Hindu, § 3 b Abs. 1 Nr. 2 AsylG können die Kläger nach den oben genannten Anforderungen nicht geltend machen. Die geltend gemachten Verfolgungsmaßnahmen aus religiösen Gründen weisen bereits objektiv nicht die erforderliche Schwere auf, so dass sie nicht als Verfolgungshandlungen i.S.v. § 3a Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AsylG zu qualifizieren sind.
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Die Kläger haben übereinstimmend in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sie in Afghanistan bespuckt und als Ungläubige beschimpft worden seien. Sie hätten nicht nach draußen gehen und ihre Religion nur im Innern des Tempels ausüben können. Die Kinder hätten nicht zur Schule gehen können, da man sie dort gezwungen hätte, im Koran zu lesen. Der Ehemann der Klägerin zu 1 und zugleich Vater des Klägers zu 2 und der Klägerin zu 3 konnte dagegen nach Aussage der Klägerin zu 1 vollkommen im Sinne ihrer Religion bestattet werden. Diese Schilderungen decken sich mit den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen, obgleich den Klägern im Gegensatz zu anderen Hindu die Bestattung nach ihren Ritualen vollständig ermöglicht worden war. Das Gericht verkennt nicht, dass die Kläger Diskriminierungen ausgesetzt waren, sie in ihrer Lebensqualität eingeschränkt waren und sie sich daraufhin veranlasst sahen, den sicheren Schutz im Tempel nicht aufzugeben. Diese Einschränkungen sind jedoch als nicht so gravierend anzusehen, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, darstellen, § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Nach Art. 15 Abs. 2 EMRK sind Abweichungen von dem Recht auf Leben, dem Verbot der Folter, dem Verbot der Sklaverei und Leibeigenschaft sowie dem Grundsatz, dass keine Strafe ohne Gesetz erfolgen darf, nicht zulässig. Diese Rechtsgüter wurden durch die genannten Maßnahmen nicht tangiert. Auch darüber hinaus ist eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte weder durch die Art noch durch die Wiederholung der in Rede stehenden Handlungen ersichtlich, auch nicht in Form einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen i.S.v. § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Beschimpfen und Bespucken weisen als Angriffe insbesondere auf die Ehre der Kläger ihrer Art nach keine derartige Schwere auf, dass sie einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung gleichkämen. Dasselbe gilt aber auch mit Blick auf die Wiederholung und Kumulierung derartiger Handlungen gegenüber den Klägern, denen dies ihrem Vortrag nach öfters widerfahren ist. Eine flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlung vermag dies gleichwohl nicht zu begründen, da eine unzumutbare Einschränkung der persönlichen Existenz hierin noch nicht zu erblicken ist. Wenn die Kläger entschieden haben, den sicheren Schutz des Tempels nicht zu verlassen, so beruhte dies auf ihrer eigenen Einschätzung; eine Reaktion auf die Gefahr einer oben genannten Rechtsverletzung ist nicht erkennbar. Die Kläger wollten offenbar vielmehr den täglichen Anfeindungen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit entgehen, nicht dagegen einer schwerwiegenden Verletzung im oben genannten Sinne, also Lebensgefahr, Gefahr vor Folter, Sklaverei oder rechtswidriger Bestrafung, vorbeugen. Insbesondere ist es in Afghanistan aufgrund des dort herrschenden patriarchalischen Gesellschaftssystems allgemein nicht üblich, dass sich Frauen dort frei und ohne Einschränkungen außerhalb der eigenen Häuslichkeit in der Öffentlichkeit bewegen. Diese gesellschaftliche Tatsache beruht daher offensichtlich nicht auf der Religionszugehörigkeit der Kläger(innen) (vgl. hierzu VG Würzburg, Urt. v. 05.07.2016 – W 1 K 16.30615 – juris Rn. 51).
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Soweit die Kläger vortragen, dass es für die Kinder, die Kläger zu 2 und 3, nicht möglich gewesen sei, die Schule zu besuchen, da sie ständig dem Zwang ausgesetzt gewesen seien, Muslime zu werden, deckt sich dies nicht mit der oben dargestellten Erkenntnismittellage. Der UNHCR hat insoweit ausgeführt, dass es eine kleine Zahl von Schulen für Hindus gebe; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen in Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt. Es erscheint also eher so, dass die Kläger die Schule nicht besucht haben, um den bezeichneten Belästigungen aus dem Wege zu gehen, oder schlicht, weil es in Afghanistan zumindest faktisch keineswegs die Regel darstellt, dass ein gesicherter Schulbesuch stattfindet, was die große Zahl von Analphabeten beweist. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass für die Kläger keinerlei Möglichkeit bestanden hat, zumindest zeitweise und unter Inkaufnahme gewisser Erschwernisse eine Schule zu besuchen (vgl. hierzu VG Würzburg, Urt. v. 05.07.2016 – W 1 K 16.30615 – juris Rn. 52).
- 41
Sind die Kläger nach alledem hinsichtlich ihrer Religionszugehörigkeit unverfolgt aus Afghanistan ausgereist, so lässt sich darüber hinaus der aktuellen Erkenntnismittellage ebenfalls nicht entnehmen, dass ihnen bei einer Rückkehr nach Afghanistan Maßnahmen von staatlicher bzw. nicht staatlicher Seite drohen, die über das seinerzeit Erlebte hinausgehen würden. Auf die obigen Ausführungen zur Situation der Hindus in Afghanistan wird diesbezüglich verwiesen.
2.
- 42
Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zuerkennung des subsidiären internationalen Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: (1.) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, (2.) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder (3.) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
- 43
Aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflichten ist der Kläger gehalten, von sich aus die in seine eigene Sphäre fallenden tatsächlichen Umstände substantiiert und in sich stimmig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen. Sein Vortrag muss danach insgesamt geeignet sein, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.03.1983 - BVerwG 9 C 68.81 - juris; Hessischer VGH, Urt. v. 24.08.2010 - VGH 3 A 2049/08.A - juris).
- 44
a) Dass den Klägern ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG drohen könnte, ist nicht ersichtlich.
- 45
b) Ein ernsthafter Schaden nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Stichhaltige Gründe für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung sind nicht gegeben. Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die zuletzt genannte Vorschrift der Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337, S. 9) – QRL – dient, ist dieser Begriff jedoch in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b QRL auszulegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt Art. 15b QRL wiederum in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu Art. 3 EMRK aus (z.B. EuGH, Urt. v. 17.2.2009 – Elgafaji, C - 465/07 – juris Rn. 28; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 22 ff. m.w.N.). Danach ist eine unmenschliche Behandlung die absichtliche, d.h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden (EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09 – ZAR 2011, 395, Rn. 220 m.w.N.; Jarass, Charta der Grundrechte, Art. 4 Rn. 9; Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.), die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen (EGMR, U.v. 11.7.2006 – Jalloh, 54810/00 – NJW 2006, 3117/3119 Rn. 67; Jarass a.a.O.; Hailbronner a.a.O.). Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Person zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.). Eine Bestrafung oder Behandlung ist nur dann als unmenschlich oder erniedrigend anzusehen, wenn die mit ihr verbundenen Leiden oder Erniedrigungen über das in der Bestrafungsmethode enthaltene, unausweichliche Leidens- oder Erniedrigungselement hinausgehen, wie z.B. bei bestimmten Strafarten wie Prügelstrafe oder besonders harten Haftbedingungen (Hailbronner, a.a.O., Rn. 24, 25) (VG Würzburg, Urt. v. 05.07.2016 – W 1 K 16.30615 – juris Rn. 65).
- 46
Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen, wonach der erforderliche Schweregrad im vorliegenden Fall nicht erreicht wird.
- 47
c) Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Feststellung von Schutz nach § 4 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
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Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Begriffe im humanitären Völkerrecht, insbesondere unter Heranziehung der in Art. 3 der Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht 1949 und des zur Präzisierung erlassenen Zusatzprotokolls II von 1977 auszulegen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 24.06 2008 - 10 C 43.07 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u.a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional (z.B. in der Herkunftsregion des Klägers) bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris). Zunächst ist jedoch das gesamte Staatsgebiet in den Blick zu nehmen. Besteht ein bewaffneter Konflikt mit der beschriebenen Gefahrendichte nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung allerdings in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Klägers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.2009 - 10 C 9.08 - juris; bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15.12 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.). Auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften spricht in seiner Entscheidung vom 17. Februar 2009 vom "tatsächlichen Zielort" des Ausländers bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat (C-465/07 - juris, Rn. 40). Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Ausländers kann es nur ausnahmsweise ankommen. Bei einem regional begrenzten Konflikt außerhalb seiner Herkunftsregion muss der Ausländer stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt (BVerwG, Urt. v. 14.07.2009 - 10 C 9.08 - juris, vgl. Art. 2 Buchst, e der Richtlinie). Der innerstaatliche bewaffnete Konflikt begründet ein Abschiebungsverbot nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aber nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist und keine innerstaatliche Schutzalternative besteht. Das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person setzt nicht voraus, dass diese Person beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (EuGH, Urt. v. 17.02.2009, Az: C-465/07 - juris). Eine solche Bedrohung kann vielmehr auch dann ausnahmsweise als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betroffene Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch die Anwesenheit im Gebiet des Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr läuft, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Dabei hebt der Europäische Gerichtshof hervor, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit ein Anspruch auf subsidiären Schutz besteht, umso geringer ist, je mehr der Betroffene belegen kann, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Das Bundesverwaltungsgericht folgert aus dieser Prämisse, dass in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet getroffen werden müssen. Lägen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, sei ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; lägen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genüge auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt (BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris). Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehörten in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Kläger von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu könnten aber nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Kläger als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt sei, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht komme. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände müsse aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden (Bergmann/Dienelt (Bergmann), Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 4 AsylG, Rn. 16). Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Klägers reichten hierfür nicht aus. Erforderlich sei vielmehr eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Dabei können für die Bemessung der Gefahrendichte die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 4.09 – sowie Beschl. v. 07.08.2008 - 10 B 39.08 - juris). Die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr setzt voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Ein Schadensrisiko von 1:800 bzw. 0,125 Prozent ist dabei weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 – BVerwG 10 C 13.10 – Juris Rn. 20, 23).
- 49
Eine ernsthafte individuelle Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts haben die Kläger in der Hauptstadt Kabul, ihrem Herkunftsort, auf den abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – BVerwG 10 C 15.12 – Juris, Rn. 13 ff.) nicht zu befürchten. Dass in Kabul ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht und die Kläger dort deshalb einer ernsthaften und individuellen Bedrohung ihres Lebens ausgesetzt sind, vermag das Gericht nach den obigen dargestellten Maßstäben nicht festzustellen. Zwar geht auch das erkennende Gericht davon aus, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor angespannt und unbeständig ist. Allerdings ergibt sich aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln, dass trotz der schwierigen Versorgungs- und Sicherheitslage jedenfalls drei Provinzen, nämlich Kabul, Bamiyan und Panjshir, als sicher gelten (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 6. November 2015, S. 19). Hinweise darauf, dass praktisch jede Zivilperson bei einer Rückkehr nach Kabul allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein liegen nicht vor (vgl. m.w.N. BayVGH, Beschl. v. 20.08.2015 - 13a ZB 15.30062 -, juris Rn. 7, sowie VG Würzburg, Urt. v. 05.02.2016 - W 1 K 15.30021 -, juris Rn. 32; VG Augsburg, Urt. v. 19.01.2017 – Au 5 K 16.32053 – juris Rn. 32).
- 50
Darüber hinaus handelt es sich bei den von den Klägern befürchteten Gefahren und ihrer Zugehörigkeit zur hinduistischen Religion ersichtlich um andere Gefahren als diejenigen, welche Zivilpersonen in einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt drohen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass gerade Hindus der besonderen Gefahr von Anschlägen ausgesetzt wären (vgl. VG Würzburg, Urt. v. 05.07.2016 – W 1 K 16.30615 – juris Rn. 69).
3.
- 51
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b Abs. 1 AsylG.
- 52
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 Zivilprozessordnung [ZPO].
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Greifswald Urteil, 16. Feb. 2017 - 3 A 1384/16 As HGW zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden
- 1.
vom Staat oder - 2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.
(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Tenor
I.
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylG bezüglich Afghanistan vorliegen. Soweit die Ziffern 3. und 4. des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 31. Juli 2012 dem entgegenstehen, werden sie aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin 3/4, die Beklagte 1/4 zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wurde eigenen Angaben zufolge am … in Ghazni geboren. Sie sei afghanische Staatsangehörige mit der Volkszugehörigkeit Multani und der Glaubenszugehörigkeit Hindu. Sie gibt an, ihr Heimatland gemeinsam mit ihren Eltern zunächst nach Pakistan verlassen zu haben und dann gemeinsam mit ihrem Vater am 6. September 2011 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. Hier stellte sie am 14. September 2011 einen Asylantrag.
Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 14. September 2011 sowie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am
Zu ihren Fluchtgründen erklärte die Klägerin, ein unbekannter Mann habe ihre damals 16-jährige Schwester namens S. zwangsweise mitgenommen. Sie sei nach etwa einer Woche zurückgekommen und habe gesagt, sie wolle ein eigenes Zimmer im Haus haben. Noch in der gleichen Nacht habe sie sich dort erhängt. Der Entführer der Schwester habe einen Brief zurückgelassen, aus dem zu entnehmen gewesen sei, dass er sie mitgenommen habe. Sie hätten dann auch etwa drei Tage nach dem Tod der Schwester einen Drohbrief erhalten, wonach auch sie selbst mitgenommen werden sollte. Der Brief habe von derselben Person gestammt, die auch ihre Schwester entführt habe. Wegen dieses Drohbriefes habe sie dann etwa 15 bis 20 Tage nach dem Tod ihrer Schwester mit ihren Eltern Ghazni verlassen und nach nach Kabul gegangen. Sie hätten dann etwa 1 ½ Jahre in Kabul gelebt. Dort habe es keine Probleme mehr gegeben. Auf die Frage, ob es Probleme aufgrund ihres hinduistischen Glaubens gegeben habe, erklärte die Klägerin, sie seien von Bevölkerung beschimpft und bespuckt worden, da sie für diese Ungläubige seien. Sie hätten sich aber wenig mit der Religion beschäftigt. Sie sei einmal mit ihrem Vater im Tempel in Kabul gewesen. Darüber hinaus erklärte die Klägerin, dass ihre Mutter an Epilepsie leide. In Kabul sei sie deswegen mit Medikamenten behandelt worden, die die Familie bezahlt habe.
Auf Vorhalt, dass ihr Vater den Namen der zu Tode gekommenen Schwester mit „I.“ und deren Alter mit 20 Jahren angegeben habe sowie dass sie tot vor der Haustüre gelegen habe, erklärte die Klägerin, der Vater habe das Richtige gesagt. Ihren Namen habe er nicht ganz richtig ausgesprochen. Wie alt die Schwester gewesen sei, könne sie nicht genau sagen. Sie habe auch vor der Tür gelegen, ihr Vater habe ihr gesagt, dass der Mann, der sie mitgenommen habe, sie ermordet und dann vor die Tür gelegt habe. Auf weitere Nachfrage bekräftigte sie, dass sie wisse, dass die Schwester Selbstmord begangen habe. Danach befragt, ob sie einen Bruder namens M. gehabt habe, erklärte die Klägerin, dass sie diesen Namen nicht kenne. Auch dass dieser 1994 getötet worden sein soll, wisse sie nicht.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom
II.
Gegen den am 4. August 2012 zugestellten Bescheid des Bundesamtes ließ die Klägerin mit Schriftsatz vom 8. August 2012, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg am gleichen Tage, Klage erheben.
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom
2. Es wird festgestellt, dass für die Klägerin Abschiebeverbote nach § 60 AufenthG vorliegen.
Des Weiteren wurde beantragt, der Klägerin Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss vom 6. Juni 2016
Mit Beschluss vom 7. Juni 2016
Es wurden verschiedene Erkenntnismittel zu Afghanistan, Stand April 2016, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, auf die Bezug genommen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten und auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom
Gründe
Die Klage, über die trotz des Ausbleibens von Beteiligten in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und teilweise begründet, soweit sie darauf gerichtet ist, bei der Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan festzustellen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Soweit der Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 dem in seinen Ziffern 3. und 4. entgegensteht, ist dieser aufzuheben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO). Darüber hinaus ist der angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 rechtmäßig. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, oder die Zuerkennung des subsidiären Schutzes, § 4 Abs. 1 AsylG, noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Insoweit ist die Klage unbegründet und war daher abzuweisen. Maßgeblich für die Entscheidung über Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG).
A. I.
Die Klägerin hat Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein betreffen, so ist die Gewährung von Abschiebungsschutz einer politischen Leitentscheidung der obersten Landesbehörde nach § 60a AufenthG vorbehalten. Beim Fehlen einer politischen Regelung i. S. des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zutreffend anerkannt, dass im Falle einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die den einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, unabhängig vom Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 a AufenthG Schutz vor Abschiebung gewährt werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 - BVerwGE 99, 324 ff., juris; U.v.
1.a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr aufgrund der allgemein schwierigen Verhältnisse in eine extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Arbeitseinkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (ständige Rechtsprechung, z. B. BayVG,
b) Die Klägerin im vorliegenden Verfahren ist aufgrund ihrer persönlichen Umstände - allein aufgrund ihres Geschlechts - jedoch ersichtlich nicht der o.g. Gruppe der alleinstehenden und arbeitsfähigen männlichen Rückkehrer nach Afghanistan zuzurechnen. Eine extreme Gefahrenlage kann sich nämlich umgekehrt für besonders schutzbedürftige Rückkehrer wie Minderjährige, alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien mit Kleinkindern und Personen, die aufgrund besonderer persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen, ergeben (vgl. München,
Zur aktuellen Lage in Afghanistan stellt das Auswärtige Amt im Lagebericht vom
Die Schweizer Flüchtlingshilfe teilt in ihrem Update vom
Der UNHCR erklärt in seinen Richtlinien vom
c) Bei der Beurteilung, ob im Einzelfall eine extreme Gefahrenlage besteht, ist zudem zu beachten, dass Familienangehörige wegen des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 GG nur gemeinsam mit ihren Kindern und ihrem Ehepartner nach Afghanistan zurückkehren können (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BVR 586/13 - juris). Daher sind bei der Beantwortung der Frage, ob das Existenzminimum im Heimatland gewährleistet sein wird, alle Familienmitglieder gemeinsam in den Blick zu nehmen (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - juris; VG München, U.v. 21.4.2016 - M 15 K 16.30413 - juris Rn. 23; VG Gelsenkirchen, U.v. 20.8.2015 - 5 a K 4515/13 A - juris Rn. 42). Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen, wie bei Angehörigen, die als politisch Verfolgte Abschiebungsschutz genießen, könne eine andere Betrachtung geboten sei (BVerwG a. a. O.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor, so dass eine gemeinsame Rückkehr der Klägerin mit ihren Eltern, den Klägern im ebenfalls am 5. Juli 2016 entschiedenen Parallelverfahren W 1 K 16.30614, zugrunde zu legen ist.
d) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen würde sich die allgemeine Gefahrensituation in Afghanistan für die Klägerin derart zu einer extremen Gefahr verdichten, dass eine Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung im vorliegenden Fall geboten ist.
Die Klägerin wäre bereits allein schon aufgrund der patriarchalischen Sozialnormen und der damit einhergehenden untergeordneten Stellung der Frau in Afghanistan nicht in der Lage, ihren eigenen Unterhalt, geschweige denn den der gesamten Familie, zu erwirtschaften. In Afghanistan hat sie keine Schule besucht oder einen Beruf erlernt. Menschen, die Analphabeten sind und keinen Beruf erlernt haben, haben bestenfalls die Möglichkeit, sich um Hilfsarbeiten zu bemühen, die regelmäßig mit harter körperlicher Arbeit verbunden sind (vgl. Sachverständigengutachten des Dr. D. an den Hess. VGH
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Rückkehrsituation wesentlich auch davon mitgeprägt wird, ob sich Rückkehrer auf familiäre oder sonstige verwandtschaftliche Strukturen verlassen können oder ob sie auf sich allein gestellt sind. Die Klägerin hat vor dem Bundesamt angegeben, im Heimatland keine weiteren Verwandten zu haben. Das Gericht ist unter Einbeziehung der Aussagen ihrer Eltern, den Klägern im Verfahren W 1 K 16.30614, der Auffassung, dass die Klägerin zumindest nicht auf verwandtschaftliche Hilfe in Afghanistan hoffen könnte. Der Vater der Klägerin hat nämlich insoweit vor dem Bundesamt angegeben, dass er in Kabul einen Cousin habe. Er hat dort jedoch auch mehrmals erwähnt, dass er schon lange keinen Kontakt mehr zu diesem Cousin gehabt habe und er darüber hinaus keinerlei Verwandtschaft in Afghanistan besitze. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nunmehr nach diesem Cousin befragt angegeben, dass es einen solchen Cousin nicht gebe, es habe sich um einen Übersetzungsfehler vor dem Bundesamt gehandelt. Auch wenn dies dem Gericht nicht glaubhaft erscheint, so ist es dennoch davon überzeugt, dass der Vater der Klägerin zu diesem einzigen Verwandten in seinem Heimatstaat - nicht zuletzt aufgrund des vergangenen langen Zeitraums seit der Ausreise der Kläger vor rund 5 Jahren - keine Verbindungen mehr hat und insoweit auch nicht auf dessen Hilfe hoffen könnte. Auch die Mutter der Klägerin hat im gesamten Verfahren glaubhaft angegeben, nicht über weitere Verwandtschaft in Afghanistan zu verfügen, was auch naheliegend erscheint, nachdem nur noch rund 3.000 Hindus überhaupt noch in Afghanistan leben.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin - wie auch ihre Eltern - der Religionsgruppe der Hindus zugehört, welche in Afghanistan von der muslimischen Mehrheitsbevölkerung als Außenseiter betrachtet werden und mit gesellschaftlicher Diskriminierung konfrontiert sind, was die wirtschaftliche Situation die Klägerin über die ohnehin sehr schwierige allgemeine Lage hinaus noch weiter negativ beeinflussen würde. Als Zugehörige einer kleinen Minderheit könnte die Klägerin nämlich nicht auf ein Patronagenetzwerk zurückgreifen, welches in Afghanistan der Erkenntnismittellage entsprechend - unabhängig von den oben dargestellten für die Klägerin bereits unüberwindbaren Probleme - notwendig ist, um die Chance etwa auf einen Arbeitsplatz oder Wohnraum zu erhalten.
Eine andere Einschätzung ergibt sich schließlich auch nicht mit Blick auf die Eltern der Klägerin, die Kläger im Parallelverfahren W 1 K 16.30614. Auch wenn die Klägerin entsprechend der obigen Ausführungen gemeinsam mit ihren Eltern nach Afghanistan zurückkehren würde, so würde sich an der extremen Gefahr, in die die Klägerin und mit ihr die gesamte Familie alsbald nach ihrer Rückkehr geraten würde, nichts ändern. Dies ergibt sich aus folgenden weiteren Erwägungen in Bezug auf die Eltern der Klägerin:
Was den Vater der Klägerin angeht, so ist zentral bereits dessen hohes Alter von mittlerweile 70 Jahren in den Blick zu nehmen, womit er die in Afghanistan derzeit bestehende Lebenserwartung von 50 Jahren (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 6.11.2015) statistisch bereits signifikant überschritten hat. Aufgrund dieses Alters erscheint es dem Gericht ausgeschlossen, dass er in Afghanistan noch in der Lage wäre, den Lebensunterhalt für sich, geschweige denn - wie es in Afghanistan vielfach üblich ist - auch für seine Familie zu erwirtschaften. Zwar hat der Vater in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es ihm gesundheitlich gut gehe, er hat jedoch in glaubhafter Weise ebenfalls darauf verwiesen, dass er Probleme mit den Zähnen und seinem Rücken habe, an dem er in Afghanistan operiert worden sei. Er sieht sich selbst daher nicht mehr in der Lage dazu, aufgrund seines Alters in Afghanistan zu arbeiten. Dies deckt sich mit der Einschätzung des Gerichts aus der mündlichen Verhandlung, in dem der Vater augenscheinlich einen schwachen und gebrechlichen Eindruck gemacht hat. In Afghanistan herrscht zudem wie ausgeführt sehr hohe Arbeitslosigkeit. Menschen, die, wie der Vater der Klägerin Analphabeten sind und keinen Beruf erlernt haben, haben bestenfalls die Möglichkeit, sich um Hilfsarbeiten zu bemühen, die regelmäßig mit harter körperlicher Arbeit verbunden sind (vgl. Sachverständigengutachten des Dr. D. an den Hess. VGH
Auch die Mutter der Klägerin ist bereits 61 Jahre alt. Sie leidet darüber hinaus an einer Vielzahl von Erkrankungen (cerebrales Anfallsleiden, chronische Bronchitis, Retropatellar-Arthrose beidseitig, Arthrose der rechten Hand, chronisches degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Helicobacter positive Gastritis (Oktober 2013), Hypertonie). Sie machte in der mündlichen Verhandlung auf den erkennenden Einzelrichter einen sehr geschwächten Eindruck und hat sich beim Gehen auf einen Rollator stützen müssen. Aufgrund dieser sehr schlechten gesundheitlichen Situation sowie der aufgrund der geltenden Sozialnormen generell untergeordneten Stellung der Frau in der afghanischen Gesellschaft wäre es ihr vollkommen unmöglich, ihren eigenen Lebensunterhalt oder gar den der Familie zu erwirtschaften. Die Mutter verfügt darüber hinaus wie ihr Ehemann und ihre Tochter ebenfalls nicht über Schulbildung, ist Analphabetin und hat zeitlebens nur im Haushalt gearbeitet. Zudem ist bei der Mutter der Klägerin zu bedenken, dass sie - zumindest was ihr cerebrales Anfallsleiden betrifft - zur Vorbeugung gegen epileptische Anfälle auf eine Dauermedikation angewiesen ist, wie sie glaubhaft in der mündlichen Verhandlung angegeben hat und sich darüber hinaus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Medikamentenverordnungsübersicht von Herrn Dr. P. vom 20. Juni 2016 ergibt. Die Mutter ist gegen diese Erkrankung in ihrem Heimatland zwar bereits vor ihrer Ausreise behandelt worden, jedoch sind die erforderlichen Medikamente nach ihrem Vortrag wie auch den Ausführungen des Beklagten im angegriffenen Bundesamtsbescheid durch die Kläger selbst zu finanzieren (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10.1.2012). Diese für afghanische Verhältnisse keinesfalls vernachlässigbaren Kosten würden den Lebensunterhalt der Mutter und damit der gesamten Familie über die gewöhnlichen Verhältnisse hinaus weiter verteuern.
Im Rahmen einer Gesamtschau all dieser Aspekte würde der Klägerin bei einer Rückkehr nach Afghanistan alsbald in eine extreme Gefahrenlage geraten, in der ihr Leben akut in Gefahr wäre. Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die beschriebene extreme Gefahr die Klägerin landesweit, insbesondere in der Hauptstadt Kabul und in ihrer Herkunftsregion, der Stadt Ghazni in der gleichnamigen Provinz, alsbald nach ihrer Rückkehr treffen würde.
II.
Wegen des nach alledem festzustellenden Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG auch der unter Ziffer 4. des angegriffenen Bundesamtsbescheides verfügten Abschiebungsandrohung entgegen, so dass diese ebenso wie dessen Ziffer 3. - soweit sie der ausgesprochenen Verpflichtung entgegen steht - aufzuheben war.
B. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG oder auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
III.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, weil ihr im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan keine landesweite asylrelevante Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 i. V. m. §§ 3a ff. AsylG droht.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG (BT-Drs. 16/5065 S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i. S. d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der ab 24. Oktober 2015 geltenden Fassung (Art. 1, Art. 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes v. 20.10.2015, BGBl I, S. 1722 ff.) in der Fassung der Änderungen durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 12. März 2016 (BGBl. I, S. 390 ff.) sowie Art. 2 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 12. März 2016 (BGBl. I, S. 394 ff.) anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG - wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG - die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) - Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
Dies zugrunde gelegt hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylG. Der Einzelrichter folgt gemäß § 77 Abs. 2 AsylG den Ausführungen der Beklagten im Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 und sieht von einer weiteren Darstellung ab, soweit darin eine Gruppenverfolgung der Hindus in Afghanistan abgelehnt wird.
Ergänzend ist auszuführen, dass diese Auffassung durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Urteil vom 19. September 2013 mit überzeugenden Ausführungen bestätigt wurde (VGH Baden-Württemberg, U.v. 19.9.2013 - A 11 S 689/13 - juris Rn. 65 ff.). Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht für das vorliegende Verfahren an. Auch den vorliegenden aktuellsten Erkenntnismitteln lässt sich keine Situation entnehmen, die eine Änderung dieser Einschätzung rechtfertigen würde.
So wird im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 6. November 2015 im hier relevanten Kontext dargelegt, dass die indische Botschaft in Kabul davon ausgehe, dass in Afghanistan wenige Tausend Hindus und Sikhs verblieben seien. Es gebe vier Hindutempel landesweit, zwei davon in Kabul sowie je einen in Jalalabad und Helmand. Staatliche Diskriminierung gebe es nicht, auch wenn der Weg in öffentliche Ämter für Hindus schon aufgrund fehlender Patronagenetzwerke schwierig sei. Hindus würden aber von großen Teilen der muslimischen Bevölkerung als Außenseiter wahrgenommen. Viele Muslime lehnten insbesondere Feuerbestattungen ab, die im Hinduismus das zentrale Begräbnisritual darstellten. Die afghanische Regierung habe darauf reagiert, indem sie den Hindus einen dafür gewidmeten Ort zur Verfügung gestellt habe. Auf dem Weg dorthin würden Trauergemeinden allerdings den Berichten zufolge belästigt und bedroht. Es gebe auch Berichte, wonach Hindus und Sikhs Opfer illegaler Enteignungen und Beschlagnahmung ihrer Grundstücke geworden seien. Seit 2014 hätten Hindus und Sikhs Anspruch auf einen gemeinsamen Sitz im Parlament, der derzeit durch eine Frau eingenommen werde.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in ihrem Update vom 13. September 2015 aus, dass sich Hindus weiterhin mit Diskriminierungen konfrontiert sähen. Die afghanische Regierung sei bislang nicht gegen die stark eingeschränkte Teilhabe der Hindus an Politik, Geschäftsleben und unrechtmäßigen Enteignungen vorgegangen. Sie sei nicht willens oder fähig, die religiösen Minderheiten vor Übergriffen zu schützen. Bei Ausübung der religiösen Zeremonien, insbesondere bei Beisetzungen, komme es immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen.
Der UNHCR schreibt in seinen aktuellen Richtlinien vom 19. April 2016, dass eine große Zahl von Hindus Afghanistan als Reaktion auf große Schwierigkeiten, denen sie sich ausgesetzt sähen, verlassen hätte. Die geringe Zahl der verbliebenen Hindus sei Berichten zufolge umso verletzlicher für Missbrauch. Obwohl es den Hindugemeinden erlaubt sei, ihre Religion öffentlich zu praktizieren, werde berichtet, dass sie sich fortgesetzter Diskriminierung durch den Staat gegenüber sähen, etwa im Bereich der politischen Partizipation und Stellenbesetzung innerhalb der Regierung. Ebenso werde berichtet, dass sich die Hindus gesellschaftlicher Diskriminierung und Einschüchterung ausgesetzt sähen. Die Hindugemeinden berichteten von Schwierigkeiten bei der Ausführung von Begräbnisritualen und fühlten sich ungeschützt durch staatliche Behörden, etwa im Falle von Landstreitigkeiten. Hindus seien Berichten zufolge Opfer von illegaler Landnahme geworden und würden es aus Angst vor Vergeltung unterlassen, zur Wiedererlangung der Grundstücke gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es gebe eine kleine Zahl von Schulen für Hindus; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen in Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt.
Es zeigt sich nach alledem, dass Hindus allein aufgrund ihrer Volks- bzw. Religionszugehörigkeit oder ihres Erscheinungsbildes weder Tötungen noch schweren körperlichen Misshandlungen oder ähnlich schwerwiegenden Rechtsgutsverletzungen ausgesetzt sind. Insoweit hat sich die Situation seit der Herrschaftszeit der Taliban deutlich verbessert. Das, was den Hindus in Afghanistan widerfährt, ist Ausfluss der allgemeinen Situation in Afghanistan. Politische und administrative Ämter werden oft willkürlich vergeben, wobei informelle Beziehungsnetzwerke und der Proporz der Ethnien eine wesentliche Rolle spielen. Primäres Kriterium bei der Personalauswahl ist häufig die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe oder einem bestimmten Clan. Marginalisierte Gruppen wie etwa die Hindus haben aus diesem Grunde geringere oder nahezu keine Chancen, bei öffentlichen Positionen eingestellt zu werden. Korruption und die Zahlung von Schmiergeldern ist in Afghanistan an der Tagesordnung. Durch Einflussnahme und Zahlung von Bestechungsgeldern an Justiz und Verwaltung werden Entscheidungen nach rechtstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen verhindert. So ist etwa das Problem der illegalen Landnahmen und die mangelnde Durchsetzbarkeit von Rückgabeansprüchen kein spezifisches gegen Hindus gerichtetes Phänomen, sondern auch andere Bevölkerungsgruppen sind hiervon betroffen (vgl. VGH BW, U.v. 19.9.2013 - A 11 S 689/13 - juris Rn. 89). Das Gericht schließt sich vor diesem Hintergrund abermals der Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in der zitierten Entscheidung an, wonach konkrete Referenzfälle, die den Schluss erlauben würden, dass die Diskriminierung der Minderheit der Hindus oder auch sonstige Beeinträchtigungen und Repressalien gegen sie nicht nur auf den vorstehend beschriebenen Missständen beruhen, sondern Bestandteile eines Vorgehens gezielt gegen diese Minderheiten wären, den vorliegenden - auch aktuellsten -Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen sind.
2. Auch eine individuelle Verfolgung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Hindu, § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG, die eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach sich zöge, kann die Klägerin nicht geltend machen.
Eine Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG aus Gründen der Religion kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH v. 5.9.2012 - C - 71/11 und C - 99/11
Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung i. S.v. § 3a Abs. 1 AsylG zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH a. a. O. Rn. 70; BVerwG a. a. O. Rn. 28 ff.).
Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter, wie z. B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere - aber nicht nur - dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei Strafrechtsverboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, weil ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, keine erhebliche Verfolgungsgefahr begründet (BVerwG a. a. O., Rn. 28 m. w. N.). Ein hinreichend schwerer Eingriff setzt dabei nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach der Rückkehr in sein Heimatland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr einer Verfolgung aussetzt. Auch der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen (BVerwG, a. a. O. Rn. 26).
Als relevanter subjektiver Gesichtspunkt ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH a. a. O. Rn. 70; BVerwG a. a. O. Rn. 29; VGH BW a. a. O. Rn. 48; OVG NRW a. a. O. Rn. 35). Denn der Schutzbereich der Religionsfreiheit erfasst sowohl die von der Glaubenslehre vorgeschriebenen Verhaltensweisen als auch diejenigen, die der einzelne Gläubige für sich selbst als unverzichtbar empfindet. Dabei kommt es auf die Bedeutung der religiösen Praxis für die Wahrung der religiösen Identität des einzelnen Ausländers an, auch wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis nicht von zentraler Bedeutung für die betreffende Glaubensgemeinschaft ist (BVerwG
Die von der Klägerin vorgetragenen Verfolgungsmaßnahmen aus religiösen Gründen weisen bereits objektiv nicht die erforderliche Schwere auf, so dass sie nicht als Verfolgungshandlungen i. S. d. § 3a Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AsylG zu qualifizieren sind.
Die Klägerin hat insoweit vor dem Bundesamt vorgetragen, dass - wenn sie ab und zu draußen gewesen seien - sie von der Bevölkerung beschimpft worden seien, da diese sie als Ungläubige angesehen hätten. Die Leute hätten auch auf sie gespuckt. Darüber hinaus habe es aber nichts gegeben. Sie hätten sich auch wenig mit der Religion beschäftigt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin diesen Vortrag in Übereinstimmung mit den Aussagen vor dem Bundesamt weitgehend - mit teilweise anderen Worten - wiederholt (hätten nicht nach draußen gehen können, wurden als Ungläubige bezeichnet, man habe sie ausgelacht und bespuckt). Dieser Teil ihrer Schilderungen kann nach Auffassung des Gerichts als wahr unterstellt werden. Er deckt sich insbesondere auch mit den Aussagen ihrer Eltern vor dem Bundesamt sowie mit der bereits oben dargestellten Erkenntnismittellage zur Situation der Hindus in Afghanistan. Dasselbe kann für die geringfügige Erweiterung in der mündlichen Verhandlung gelten, wonach die Klägerin in Afghanistan ein Kopftuch habe tragen müssen. Dies erscheint dem Gericht zum einen als Detail, das die Klägerin vor dem Bundesamt vergessen haben könnte zu erwähnen, zumal es auch in seiner Qualität nicht gegenüber dem bisherigen Vortrag - und in Abgrenzung zu anderen Weiterungen (s.u.) - in besonderer Weise hervortritt und auch zwanglos in dem islamisch geprägten Herkunftsland der Klägerin als wahr unterstellt werden kann.
Diese erlittenen Handlungen sind jedoch nicht so gravierend, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, darstellen, § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Nach Art. 15 Abs. 2 EMRK sind Abweichungen von dem Recht auf Leben, dem Verbot der Folter, dem Verbot der Sklaverei und Leibeigenschaft sowie dem Grundsatz, dass keine Strafe ohne Gesetz erfolgen darf, nicht zulässig. Diese Rechtsgüter wurden durch die genannten Maßnahmen in keiner Weise tangiert. Auch darüber hinaus ist eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte weder durch die Art noch durch die Wiederholung der in Rede stehenden Handlungen ersichtlich, auch nicht in Form einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen i. S.v. § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Das Beschimpfen, Auslachen und Bespucken sowie der - mindestens gesellschaftliche - Zwang, in der Öffentlichkeit Kopftuch tragen zu müssen, weisen als Angriffe insbesondere auf die Ehre der Klägerin sowie ihre allgemeine Handlungs- und Entfaltungsfreiheit, sich nach eigenen Vorstellungen kleiden zu können, ihrer Art nach keine derartige Schwere auf, dass sie einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung gleichkämen. Dasselbe gilt aber auch mit Blick auf die Wiederholung und Kumulierung derartiger Handlungen gegenüber der Klägerin, der dies ihrem Vortrag nach öfters widerfahren ist. Eine flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlung vermag dies gleichwohl nicht zu begründen, da eine unzumutbare Einschränkung der persönlichen Existenz hierin noch nicht zu erblicken ist. Insbesondere ist es in Afghanistan aufgrund des dort herrschenden patriarchalischen Gesellschaftssystems allgemein nicht üblich, dass sich Frauen dort frei und ohne Einschränkungen außerhalb der eigenen Häuslichkeit in der Öffentlichkeit bewegen. Diese gesellschaftliche Tatsache beruht daher offensichtlich nicht auf der Religionszugehörigkeit der Klägerin. Dasselbe gilt für das gebotene Tragen eines Kopftuches in der Öffentlichkeit. Zudem ergibt sich aus den anderweitigen Aussagen der Klägerin, dass sie gleichwohl nach draußen gegangen ist, auch wenn sie sich sicherlich aufgrund des ablehnenden Verhaltens der muslimischen Mehrheitsbevölkerung hierbei selbst beschränkt hat. Auch hat sie angegeben, mit ihrem Vater einmal den Hindutempel besucht zu haben.
Soweit die Klägerin darüber hinaus weitergehende Verfolgungshandlungen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Hindu vorgetragen hat, so können ihr diese nicht geglaubt werden. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf Befragen des Gerichts erstmals - fast 5 Jahre nach ihrer Einreise nach Deutschland - erklärt, es habe für sie keine Möglichkeit bestanden, die Schule zu besuchen. Zudem seien sie ständig dem Zwang ausgesetzt gewesen, Muslime zu werden, andernfalls die Gefahr bestanden habe, getötet zu werden. Diese als erheblich einzustufenden Steigerungen des verfolgungsrelevanten Sachvortrages erzeugen beim Gericht erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben (vgl. auch § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Die Klägerin hat vielmehr alle wesentlichen Umstände ihrer Verfolgung bzw. der Furcht vor Verfolgung bereits in der Anhörung vor dem Bundesamt vorzutragen (§ 25 Abs. 1 AsylG). Die Unglaubhaftigkeit dieses Teils ihres Vortrages ergibt sich auch daraus, dass die Klägerin vor dem Bundesamt auf ausdrückliche Nachfrage erklärt hat, über das Geschilderte hinaus sei im Hinblick auf Verfolgungsmaßnahmen aus religiösen Gründen nichts Weiteres vorgefallen. Auch hat sie dort bezeichnenderweise angegeben, dass die Familie in Kabul keine Probleme gehabt habe; einen konkreten Anlass für die Ausreise habe es nicht gegeben. Eine nachvollziehbare Erklärung dieser Weiterungen ist darüber hinaus nicht ersichtlich. Was die fehlende Möglichkeit eines Schulbesuchs angeht, so deckt sich dies - unabhängig von vorstehenden Ausführungen - nicht mit der oben dargestellten Erkenntnismittellage. Der UNHCR hat insoweit ausgeführt, dass es eine kleine Zahl von Schulen für Hindus gebe; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen in Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt. Es erscheint also eher so, dass die Klägerin die Schule nicht besucht hat, um den bezeichneten Belästigungen aus dem Wege zu gehen, oder schlicht, weil es in Afghanistan zumindest faktisch keineswegs die Regel darstellt, dass ein gesicherter Schulbesuch stattfindet, was die große Zahl von Analphabeten beweist. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass für die Klägerin keinerlei Möglichkeit bestanden hat, zumindest zeitweise und unter Inkaufnahme gewisser Erschwernisse eine Schule zu besuchen.
Ist die Klägerin nach alledem hinsichtlich ihrer Religionszugehörigkeit unverfolgt aus Afghanistan ausgereist, so lässt sich darüber hinaus der aktuellen Erkenntnismittellage ebenfalls nicht entnehmen, dass dieser bei ihrer jetzigen Rückkehr nach Afghanistan Maßnahmen von staatlicher bzw. nicht staatlicher Seite drohen, die über das seinerzeit Erlebte hinausgehen würden. Auf die obigen Ausführungen zur Situation der Hindus in Afghanistan wird diesbezüglich verwiesen.
3. Darüber hinaus ergibt sich für die Klägerin auch keine begründete Furcht vor Verfolgung aus ihrem weiteren Vortrag betreffend die Entführung und Ermordung einer angeblichen Schwester sowie der drohenden Entführung und Ermordung ihrer eigenen Person bzw. sogar der gesamten Familie.
Bei ihrer Befragung vor dem Bundesamt hat die Klägerin dieses Verfolgungsschicksal bereits nicht mit Verfolgungsgründen i. S. d. § 3b AsylG in Verbindung gebracht, so dass bereits aus diesem Grunde die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausscheiden würde. Soweit sie jedoch nunmehr diese Handlungen damit in Verbindung bringen will, dass sie Hinduistin ist und damit eine Hinwendung zum islamischen Glauben erzwungen werden sollte bzw. nach anderweitigem Vortrag ihres Vater, dass damit die Verheiratung der Töchter erzwungen werden sollte, so ist dieser gesamte vorgetragene Komplex bereits im eigenen Vortrag jedes einzelnen Familienmitgliedes (der Klägerin sowie ihres Vaters und ihrer Mutter, den Klägern im Verfahren W 1 K 16.30614) und sodann auch im Vergleich mit den Schilderungen der jeweils anderen Familienmitglieder mit einer solchen Vielzahl nicht erklärbarer Widersprüche behaftet, dass er den Klägern insgesamt nicht geglaubt werden kann.
Zunächst divergieren bereits die Namen der angeblich getöteten Schwester der Klägerin. Während ihr Vater vor dem Bundesamt angegeben hat, seine Tochter habe I. geheißen, wurde der Name von ihrer Mutter vor dem Bundesamt mit S. angegeben, während sie selbst dort den Namen S. gebrauchte. Auf entsprechenden Vorhalt vor dem Bundesamt erklärte ihre Mutter bezüglich dieser Differenzen, ihr Ehemann könne den Namen der Tochter nicht richtig aussprechen und bei dem von der Tochter gebrauchten Namen könne es sich um einen Spitznamen handeln. Bereits dies erscheint abwegig, nachdem die Bezeichnungen S. und I. keinerlei phonetische Gemeinsamkeiten aufweisen. Falls es sich bei dem Namen S. um einen Spitznamen gehandelt haben sollte, so ist nicht erklärlich, warum die Mutter diese Tatsache über ihre Tochter nicht sicher gewusst haben sollte. Im schriftsätzlichen Vortrag des Vaters vom 24. Juni 2016 bezeichnet dieser seine Tochter nunmehr als S., während er sie auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung als Se. bezeichnet. Auf Vorhalt des Gerichts in der mündlichen Verhandlung zu diesen Diskrepanzen erläuterte der Vater, es habe sich vor dem Bundesamt um eine falsche Übersetzung gehandelt. Dies erscheint nicht nachvollziehbar, nachdem er diesen Namen dort mindestens zweimal selbst erwähnt hat und auch der Anhörende in seinen Nachfragen den Namen I. gebraucht hat, so dass der Vater diesen sicherlich korrigiert hätte, wenn es sich tatsächlich um einen Übersetzungsfehler gehandelt hätte. Zudem hat er zum Ende der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe. In Abweichung ihren Angaben vor dem Bundesamt erklärt die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts sodann, dass ihre getötete Schwester Se. geheißen habe. Auf entsprechenden Vorhalt des Gerichts gab sie an, der Übersetzer vor dem Bundesamt habe den genannten Namen (S.) wohl falsch gehört, es liege ein Übersetzungsfehler vor. Auch dies ist aufgrund fehlender phonetischer Gemeinsamkeiten zwischen den Namen Se. und S. sowie ihrer Aussage zum Ende der Befragung, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe, nicht glaubhaft. All dies legt einzig und allein den Schluss nahe, dass es sich hierbei nicht um tatsächlich Erlebtes handelt. An derartiges Basiswissen wie den Namen eines Familienmitgliedes müssten sich alle Familienmitglieder gleichermaßen zwingend erinnern können.
Darüber hinaus divergieren sodann auch die Beschreibungen zum Ablauf der Entführung und Tötung der Schwester bzw. Tochter. Unklarheiten bestehen schon dahingehend, wann sich dieser Vorfall zugetragen haben soll. So erwähnte der Vater der Klägerin vor dem Bundesamt zunächst, dass diese Tochter drei Monate vor der Ausreise aus Afghanistan ums Leben gekommen sei. An anderer Stelle gibt er jedoch an, dass die Familie nach diesem Vorfall nach Kabul geflüchtet sei und dort noch ein Jahr bis zur endgültigen Ausreise aus Afghanistan gelebt habe. Letztere wiederum soll laut Vortrag vor dem Bundesamt Ende Juni 2011/Anfang Juli 2011 stattgefunden habe, was nach Einschätzung des Gerichts der Wahrheit entsprechen dürfte, da sich bei den Behördenakten im Verfahren W 1 K 16.30614 ein Schreiben des B.-Krankenhauses in H. befindet, in dem die Mutter der Klägerin am 28. Juni 2011 nach einem epileptischen Anfall vorstellig geworden ist. Darin wird erwähnt, dass diese kurz zuvor aus Afghanistan kommend nach Deutschland eingereist sei. In der mündlichen Verhandlung wiederum nimmt der Vater als Zeitpunkt für den Vorfall der Entführung und Ermordung der Tochter etwa den November 2009 an, jedenfalls sei es im Winter gewesen. Die Klägerin wiederum gab bei ihrer Befragung vor dem Bundesamt an, dass sie, nachdem sie nach Kabul geflüchtet seien, dort noch eineinhalb Jahre bis zur Ausreise gelebt hätten. In der mündlichen Verhandlung gab sie zu Protokoll, sie könne den Vorfall zeitlich nicht genau einordnen. Es sei jedoch in der kalten Jahreszeit gewesen. Sie hätten in Kabul danach noch etwa ein Jahr gelebt. Die Mutter der Klägerin kann sich ebenfalls nicht erinnern, wann sich der Vorfall genau zugetragen hat. Sie meinte in der mündlichen Verhandlung, dass es etwa sechs Jahre her sein müsse. Das Gericht ist der Überzeugung, dass ein derartig einschneidendes Ereignis, sollte es sich tatsächlich zugetragen haben, von den Familienmitgliedern genauer zeitlich eingeordnet werden müsste - auch unter Berücksichtigung des Bildungsstandes der Kläger. Dass dem nicht so ist, lässt für das Gericht nur den Schluss zu, dass dieses tatsächlich nicht stattgefunden hat. Dafür sprechen auch weitere Ungereimtheiten.
Zum Ablauf der Entführung hat der Vater vor dem Bundesamt angegeben, die Tochter sei von vermummten Personen entführt und getötet worden. Später sprach er dann von einem Mann, der zu ihnen ins Haus gekommen sei und die Tochter zwangsweise mitgenommen habe. Die Mutter erwähnte vor dem Bundesamt zwei vermummte Personen, die nachts gewaltsam in ihr Haus gekommen seien und die Tochter mitgenommen hätten. Einer davon sei bewaffnet gewesen und habe sie gestoßen. Ob ihre Tochter K. die Entführung gesehen habe, wisse sie nicht. Diese habe sich versteckt. Die Klägerin schließlich gab vor dem Bundesamt an, sie wisse nicht, wie und wo ihre Schwester entführt worden sei. Der Entführer habe jedenfalls einen Brief zurückgelassen, aus dem ersichtlich gewesen sei, dass er sie mitgenommen habe. Im Schreiben vom 24. Juni 2016 erklärte der Vater demgegenüber, dass zunächst zwei Männer an der Haustüre gewesen seien, die etwas zu essen hätten haben wollen und die er dann in das Haus gelassen habe. Nach dem Essen habe der ältere der beiden Männer gewollt, dass dessen mit anwesender Sohn seine Tochter S. heiratet. Da die Familie damit nicht einverstanden gewesen sei, seien sie mit einer Pistole bedroht worden. Einer der Männer habe dann mittels Handy zwei weitere Männer verständigt, die ihn dann auf sein Gesicht geschlagen hätten, so dass er geblutet und Zähne verloren habe. Seine Frau habe dabei einen epileptischen Anfall erlitten. Er und seine Tochter K. seien dann gefesselt worden und daraufhin hätten die Männer die Tochter S. mitgenommen. In der mündlichen Verhandlung wiederum berichtet der Vater der Klägerin nur mehr von zwei Personen, die bei der Entführung anwesend gewesen seien. Dies bestätigt auch die Tochter in der mündlichen Verhandlung, so dass sich eine nicht erklärbare Diskrepanz hinsichtlich der Zahl der Entführer ergibt. Auch besteht eine solche hinsichtlich der Frage, ob die Familie die Entführer ins Haus gelassen hat oder ob diese gewaltsam eingedrungen sind, wie die Mutter vor dem Bundesamt behauptet hat. Auch besteht ein Widerspruch dahingehend, ob die Klägerin bei der Entführung zugegen war. Während ihre Mutter und sie selbst in der mündlichen Verhandlung angaben, sie sei im Haus gewesen, habe sich aber in einem anderen Zimmer versteckt, konnte sie vor dem Bundesamt auf Befragen nicht angeben, wo und wie sich die Entführung abgespielt habe, obwohl sie diese gleichwohl mit eigenen Augen aus ihren Versteck mit angesehen haben will, wie sie in der mündlichen Verhandlung erklärt hat. Demgegenüber trägt der Vater in seinem Schreiben vom 24. Juni 2016 vor, dass er und seine Tochter K. von den Entführern gefesselt worden seien, was wiederum zwingend für deren direkte Anwesenheit bei dem Geschehen spricht und mit dem Vortrag der Klägerin und der Mutter nicht in Einklang zu bringen ist.
Unüberwindbare Widersprüche ergeben sich auch zu der Frage, wann die angeblichen Entführer die Leiche der Schwester bzw. Tochter zurückgebracht haben und wie diese tatsächlich zu Tode gekommen ist. Während sämtliche Familienmitglieder in der mündlichen Verhandlung angegeben haben, dass die tote Schwester bzw. Tochter nach einer Woche bzw. acht Tagen zurückgebracht worden sei, hat die Mutter diesen Zeitraum vor dem Bundesamt mit einem Monat angegeben. Die Klägerin hat darüber hinaus vor dem Bundesamt erläutert, dass ihre Schwester Selbstmord begangen habe. Sie sei nach einer Woche zurückgekommen und habe sich noch in der gleichen Nacht in ihrem Zimmer erhängt. Auf Vorhalt vor dem Bundesamt, dass dies von den Angaben ihres Vaters abweiche, erklärte sie zunächst, ihr Vater habe das Richtige gesagt, während sie sodann, auf erneuten Vorhalt, angab, sie wisse, dass die Schwester Selbstmord begangen habe. Auf diese erhebliche Diskrepanz in der mündlichen Verhandlung angesprochen, erklärte die Klägerin, dass es sich vor dem Bundesamt um einen Übersetzungsfehler gehandelt haben müsse. Sie habe das mit dem Selbstmord so nicht gesagt. Dies wiederum erscheint aufgrund der völligen Andersartigkeit der Sachverhalte ausgeschlossen und beweist zur Überzeugung des Gerichts ein weiteres Mal, dass die Kläger hier nicht über tatsächlich Erlebtes berichten.
Unauflösbare Widersprüche ergeben sich auch zur Frage, wie lange die Familie nach der Ermordung der Schwester bzw. Tochter noch in Ghazni verblieben ist. Der Vater sprach vor dem Bundesamt zunächst von drei bis vier Tagen, im Schriftsatz vom 24. Juni 2016 erklärte er, dass sie gleich am nächsten Tag nach Kabul gegangen seien, während er wiederum in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts angab, dass sie eine Woche nach der Ermordung der Tochter nach Kabul geflohen seien. Die Mutter wiederum sprach vor dem Bundesamt von einem Zeitraum von zwei bis drei Tagen, in der mündlichen Verhandlung jedoch von acht Tagen. Die Klägerin erklärte vor dem Bundesamt, dass sie nach dem Tod der Schwester noch etwa 15 bis 20 Tage in der Stadt Ghazni gewesen seien.
Schließlich differieren auch die Aussagen zu dem angeblichen Drohbrief betreffend die Klägerin und zu den Motiven der Täter für die Entführung und Ermordung der Tochter bzw. Schwester und der Klägerin selbst in nicht nachvollziehbarer Weise. Der Vater hat vor dem Bundesamt vorgetragen, gleich nach dem Tod seiner Tochter I. sei ein Brief bei ihnen eingeworfen worden, wonach er seine Tochter K. freiwillig übergeben sollte, weil auch sie ansonsten zwangsweise mitgenommen würde. Auf die Frage, warum die Täter die Töchter entführen und töten wollten, gab der Vater vor dem Bundesamt an, es könne sein, dass es wegen seines hinduistischen Glaubens gewesen sei oder weil sie vielleicht Geld von ihm erpressen wollten. Er wisse es aber nicht genau. In dem Schreiben vom 24. Juni 2016 gab er erstmals an, dass die Entführung der Tochter S. den Zweck gehabt habe, diese zwangsweise zu verheiraten. Dies sei dann auch Gegenstand des Drohbriefes gewesen hinsichtlich seiner Tochter K. Er solle diese in die Familie der Entführer verheiraten, ansonsten würden sie sie auch mitnehmen und töten. In der mündlichen Verhandlung schließlich gab der Vater im Rahmen seiner informatorischen Befragung an, dass man ihm nach den Tod der Tochter gesagt habe, er solle Muslim werden, dann werde man seine andere Tochter auch mitnehmen, um sie zu verheiraten, ansonsten werde er getötet werden. Zunächst stellt es ein gesteigertes Vorbringen dar, wenn der Kläger nunmehr am 24. Juni 2016 erstmals eine angebliche Motivation für die Entführung in Form einer Zwangsverheiratung angibt. Dies ist aus den bereits oben dargelegten Gründen nicht glaubhaft, da es abwegig erscheint, dass gläubige Muslime ihren Sohn mit einer in ihren Augen ungläubigen Hinduistin verheiraten wollen. Wenn dem aber so wäre, so erklärt es sich nicht, warum sie die entführte Tochter dann nicht tatsächlich ihrem Sohn zur Frau geben, sondern sie ermorden. Ebenfalls eine nicht nachvollziehbare Steigerung enthält der Vortrag in der mündlichen Verhandlung, in dem der Vater nunmehr erläutert, dass er zusätzlich gezwungen werden sollte, zum Islam zu konvertieren, andernfalls seine Tochter K. zum Zwecke der Zwangsverheiratung mitgenommen und er selbst getötet würde. Der Zwang zu konvertieren und die Gefahr für seine eigene Person sollen offensichtlich dessen Vortrag nachträglich mehr Nachdruck verleihen und können diesem als allein prozesstaktisch einzustufende Steigerung nicht geglaubt werden. Die Mutter hat vor dem Bundesamt diesbezüglich angegeben, sie hätten nach der Ermordung der einen Tochter einen Brief erhalten, worin gestanden habe, dass auch ihre zweite Tochter K. mitgenommen werden solle. Dieser Drohbrief habe auf der Leiche der Tochter gelegen. Auf Vorhalt vor dem Bundesamt räumte sie sodann jedoch ein, dass sie die Leiche nicht selbst vor der Haustüre habe liegen sehen. Auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erklärte die Klägerin zum Inhalt des Briefes, dass sich aus diesem ergeben habe, dass auch sie Gefahr liefen, getötet zu werden. Dies lässt sich wiederum nicht mit dem Vortrag vor dem Bundesamt in Einklang bringen, wo nur eine Gefahr für die Tochter K. geschildert wurde. Auch insoweit besteht bei Mutter ein gesteigerter Sachvortrag, der ihr nicht abgenommen werden kann. Von einer etwaigen Zwangsverheiratung hat die Mutter in der mündlichen Verhandlung gar nichts erwähnt. Ihre Angaben sind widersprüchlich und können ihr nicht geglaubt werden. Schließlich erklärte die Klägerin vor dem Bundesamt zu diesem Teilkomplex, sie hätten einen Drohbrief erhalten, wonach auch sie selbst mitgenommen werden sollte. Sie erklärte im Gegensatz zu ihren Eltern, dass es zwei Briefe gegeben habe, einen nach der Entführung der Schwester und einen weiteren nach dem Tod ihrer Schwester. Letzteren Brief hätten sie ca. drei Tage nach dem Tod der Schwester erhalten, was sich nicht mit den Aussagen der Eltern deckt, die davon gesprochen haben, dass der Brief sie gleich nach dem Tod der Tochter erreicht habe. In der mündlichen Verhandlung wiederum setzt sich die Klägerin zu ihren eigenen Aussagen vor dem Bundesamt in Widerspruch, indem sie anführte, dass der Brief gleichzeitig mit der Leiche der Schwester gebracht worden sei. Inhaltlich habe sich daraus ergeben, dass auch sie getötet werden sollten, wenn sie keine Muslime würden.
All diese weder erklärbaren noch nachvollziehbaren Unstimmigkeiten und Widersprüche bereits im jeweils eigenen Vortrag jedes Familienmitgliedes und sodann auch im Vergleich mit den Schilderungen der jeweils anderen Familienmitglieder ergeben in der Gesamtschau, dass der gesamte Vortrag betreffend die Entführung und Ermordung der angeblichen Tochter bzw. Schwester sowie die drohende Entführung und Ermordung der Klägerin oder aber der gesamten Familie durch Muslime bzw. Taliban nicht glaubhaft ist. Lediglich ergänzend sei exemplarisch für diese Einschätzung noch darauf hingewiesen, dass der Vater der Klägerin vor dem Bundesamt einen Sohn namens M. erwähnt hat, der 1994 im Krieg getötet worden sei, den jedoch Ehefrau und Tochter gar nicht kennen. Die Mutter der Klägerin meinte hierzu auf Vorhalt vor dem Bundesamt, dass es sich tatsächlich um seinen Bruder gehandelt habe, den ihr Ehemann jedoch als seinen Sohn angesehen habe. Demgegenüber führt der Vater in seinem Vortrag vom 24. Juni 2016 wiederum noch einmal eindeutig aus, dass es sich um seinen eigenen Sohn gehandelt habe.
IV.
Die Klägerin hat des Weiteren auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
Der Klägerin droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihr ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.
Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die zuletzt genannte Vorschrift der Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337, S. 9) - QRL - dient, ist dieser Begriff jedoch in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b QRL auszulegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt Art. 15b QRL wiederum in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu Art. 3 EMRK aus (z. B. EuGH, U.v. 17.2.2009 - Elgafaji, C - 465/07
Dass der Klägerin insoweit keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht, ergibt sich bereits daraus, dass ihr Vortrag zu ihren Fluchtgründen in weiten Teilen unglaubhaft ist. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Soweit das Gericht den Vortrag insoweit als glaubhaft eingestuft hat, dass die Klägerin aufgrund ihrer Religion insbesondere beschimpft und bespuckt worden seien, so erreicht dies nicht den notwendigen Schweregrad, um eine Verletzung des Art. 3 EMRK annehmen zu können.
Darüber hinaus stellen auch die schlechten humanitären Bedingungen, die in Afghanistan herrschen, keinen Grund dar, um einen subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zu begründen. Zwar ist dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in ganz außergewöhnlichen Fällen grundsätzlich möglich. Allerdings existiert hierfür eine sehr hohe Eingriffsschwelle und setzt voraus, dass im Falle der Rückführung die konkrete Gefahr einer unmenschlichen Behandlung in der Form unzureichender humanitärer Lebensbedingungen gerade Folge einer direkten oder indirekten Aktion von Seiten staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure ist. Dieses Erfordernis ergibt sich auch aus § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3c AsylG, wonach es auch beim subsidiären Schutz eines Verfolgungsakteurs, von dem die Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgeht, bedarf (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris). Schlechte allgemeine wirtschaftliche oder humanitäre Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat, die nicht auf einen solchen Akteur zurückführbar sind, fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Die schlechten humanitären Lebensbedingungen in Afghanistan sind gerade nicht auf einen spezifischen Verfolgungsakteur zurückzuführen, sondern allgemeine und nicht individualisierbare Folge der schlechten ökonomischen Bedingungen und der schwierigen Sicherheitslage im Land. An dieser Situation hat sich auch aufgrund der jüngsten Erkenntnismittellage nichts geändert.
2. Ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes ergibt sich auch nicht aufgrund einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Klägerin infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
Für die Beurteilung kommt es hierbei regelmäßig auf die Herkunftsregion des Ausländers an (BVerwG, U.v. 14.7.2009 - 10 C 9/08 - BverwGE 134, 188; BayVGH, U.v. 12.1.2012 - 13a B 11.30427 - juris Rn. 15 m. w. N.). Die Klägerin stammt vorliegend aus der Stadt und Provinz Ghazni, so dass auf diese Region abzustellen ist. Die obergerichtliche Rechtsprechung geht auf der Grundlage der verfügbaren Erkenntnismittel davon aus, dass afghanische Staatsangehörige bei einer Rückkehr in die Provinz Ghazni nach derzeitiger Sicherheitslage im Allgemeinen keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt sind (BayVGH, B.v. 20.8.2015 - 13 ZB 15.30062 - juris Rn. 7 zur Südostregion, der die Provinz Ghazni zuzurechnen ist; BayVGH, B.v. 11.3.2014 - 13a ZB 13.30246 - juris Rn. 5 f.; BayVGH, U.v. 4.6.2013 - 13a B 12.30063 - juris Rn. 15 ff.; OVG Lüneburg, U.v. 7.9.2015 - 9 LB 98/13 - juris Rn. 42 ff.). Das Gericht schließt sich dieser Einschätzung an. Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage keine derart hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson schon alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in der Provinz Ghazni einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt wäre (UNAMA Report v. 14.2.2016; EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan - Security Situation, v. 1.1.2016, S. 89 ff.). Individuelle gefahrerhöhende Umstände sind bei den Klägern nicht erkennbar, insbesondere handelt es sich bei den von den Klägerin befürchteten Gefahren und objektiv vorliegenden Indikatoren, wie der Zugehörigkeit zur hinduistischen Religion, ersichtlich um andere Gefahren als denjenigen, welche Zivilpersonen in einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt drohen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass Hindus der besonderen Gefahr von Anschlägen ausgesetzt oder gar Zielscheibe solcher Anschläge wären.
V.
Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Ein solches kommt nicht in Betracht, da der Klägerin keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Insbesondere stellt die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in ganz besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht jedoch allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. In Afghanistan ist die allgemeine Lage jedenfalls nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde (EGMR, U.v. 13.10.2011 - NJOZ 2012, 952, Rn. 84; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris). In Fällen, in denen wie vorliegend gleichzeitig über die Gewährung subsidiären Schutzes zu entscheiden ist, scheidet darüber hinaus bei Verneinung dieser Voraussetzungen regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 36). Insofern wird auf die Ausführungen zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG Bezug genommen. Auch hinsichtlich des individuellen Vortrages der Klägerin in Bezug auf religiöse und sonstige Verfolgungsmaßnahmen kann auf obige Ausführungen zu den §§ 3 und 4 AsylG verwiesen werden, wonach der Vortrag nicht glaubhaft bzw. nicht von solcher Schwere ist, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Betracht zu ziehen ist.
VI.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
Tenor
I.
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylG bezüglich Afghanistan vorliegen. Soweit die Ziffern 3. und 4. des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 31. Juli 2012 dem entgegenstehen, werden sie aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin 3/4, die Beklagte 1/4 zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wurde eigenen Angaben zufolge am … in Ghazni geboren. Sie sei afghanische Staatsangehörige mit der Volkszugehörigkeit Multani und der Glaubenszugehörigkeit Hindu. Sie gibt an, ihr Heimatland gemeinsam mit ihren Eltern zunächst nach Pakistan verlassen zu haben und dann gemeinsam mit ihrem Vater am 6. September 2011 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. Hier stellte sie am 14. September 2011 einen Asylantrag.
Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 14. September 2011 sowie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am
Zu ihren Fluchtgründen erklärte die Klägerin, ein unbekannter Mann habe ihre damals 16-jährige Schwester namens S. zwangsweise mitgenommen. Sie sei nach etwa einer Woche zurückgekommen und habe gesagt, sie wolle ein eigenes Zimmer im Haus haben. Noch in der gleichen Nacht habe sie sich dort erhängt. Der Entführer der Schwester habe einen Brief zurückgelassen, aus dem zu entnehmen gewesen sei, dass er sie mitgenommen habe. Sie hätten dann auch etwa drei Tage nach dem Tod der Schwester einen Drohbrief erhalten, wonach auch sie selbst mitgenommen werden sollte. Der Brief habe von derselben Person gestammt, die auch ihre Schwester entführt habe. Wegen dieses Drohbriefes habe sie dann etwa 15 bis 20 Tage nach dem Tod ihrer Schwester mit ihren Eltern Ghazni verlassen und nach nach Kabul gegangen. Sie hätten dann etwa 1 ½ Jahre in Kabul gelebt. Dort habe es keine Probleme mehr gegeben. Auf die Frage, ob es Probleme aufgrund ihres hinduistischen Glaubens gegeben habe, erklärte die Klägerin, sie seien von Bevölkerung beschimpft und bespuckt worden, da sie für diese Ungläubige seien. Sie hätten sich aber wenig mit der Religion beschäftigt. Sie sei einmal mit ihrem Vater im Tempel in Kabul gewesen. Darüber hinaus erklärte die Klägerin, dass ihre Mutter an Epilepsie leide. In Kabul sei sie deswegen mit Medikamenten behandelt worden, die die Familie bezahlt habe.
Auf Vorhalt, dass ihr Vater den Namen der zu Tode gekommenen Schwester mit „I.“ und deren Alter mit 20 Jahren angegeben habe sowie dass sie tot vor der Haustüre gelegen habe, erklärte die Klägerin, der Vater habe das Richtige gesagt. Ihren Namen habe er nicht ganz richtig ausgesprochen. Wie alt die Schwester gewesen sei, könne sie nicht genau sagen. Sie habe auch vor der Tür gelegen, ihr Vater habe ihr gesagt, dass der Mann, der sie mitgenommen habe, sie ermordet und dann vor die Tür gelegt habe. Auf weitere Nachfrage bekräftigte sie, dass sie wisse, dass die Schwester Selbstmord begangen habe. Danach befragt, ob sie einen Bruder namens M. gehabt habe, erklärte die Klägerin, dass sie diesen Namen nicht kenne. Auch dass dieser 1994 getötet worden sein soll, wisse sie nicht.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom
II.
Gegen den am 4. August 2012 zugestellten Bescheid des Bundesamtes ließ die Klägerin mit Schriftsatz vom 8. August 2012, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg am gleichen Tage, Klage erheben.
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom
2. Es wird festgestellt, dass für die Klägerin Abschiebeverbote nach § 60 AufenthG vorliegen.
Des Weiteren wurde beantragt, der Klägerin Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss vom 6. Juni 2016
Mit Beschluss vom 7. Juni 2016
Es wurden verschiedene Erkenntnismittel zu Afghanistan, Stand April 2016, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, auf die Bezug genommen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten und auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom
Gründe
Die Klage, über die trotz des Ausbleibens von Beteiligten in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und teilweise begründet, soweit sie darauf gerichtet ist, bei der Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan festzustellen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Soweit der Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 dem in seinen Ziffern 3. und 4. entgegensteht, ist dieser aufzuheben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO). Darüber hinaus ist der angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 rechtmäßig. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, oder die Zuerkennung des subsidiären Schutzes, § 4 Abs. 1 AsylG, noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Insoweit ist die Klage unbegründet und war daher abzuweisen. Maßgeblich für die Entscheidung über Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG).
A. I.
Die Klägerin hat Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein betreffen, so ist die Gewährung von Abschiebungsschutz einer politischen Leitentscheidung der obersten Landesbehörde nach § 60a AufenthG vorbehalten. Beim Fehlen einer politischen Regelung i. S. des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zutreffend anerkannt, dass im Falle einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die den einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, unabhängig vom Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 a AufenthG Schutz vor Abschiebung gewährt werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 - BVerwGE 99, 324 ff., juris; U.v.
1.a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr aufgrund der allgemein schwierigen Verhältnisse in eine extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Arbeitseinkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (ständige Rechtsprechung, z. B. BayVG,
b) Die Klägerin im vorliegenden Verfahren ist aufgrund ihrer persönlichen Umstände - allein aufgrund ihres Geschlechts - jedoch ersichtlich nicht der o.g. Gruppe der alleinstehenden und arbeitsfähigen männlichen Rückkehrer nach Afghanistan zuzurechnen. Eine extreme Gefahrenlage kann sich nämlich umgekehrt für besonders schutzbedürftige Rückkehrer wie Minderjährige, alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien mit Kleinkindern und Personen, die aufgrund besonderer persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen, ergeben (vgl. München,
Zur aktuellen Lage in Afghanistan stellt das Auswärtige Amt im Lagebericht vom
Die Schweizer Flüchtlingshilfe teilt in ihrem Update vom
Der UNHCR erklärt in seinen Richtlinien vom
c) Bei der Beurteilung, ob im Einzelfall eine extreme Gefahrenlage besteht, ist zudem zu beachten, dass Familienangehörige wegen des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 GG nur gemeinsam mit ihren Kindern und ihrem Ehepartner nach Afghanistan zurückkehren können (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BVR 586/13 - juris). Daher sind bei der Beantwortung der Frage, ob das Existenzminimum im Heimatland gewährleistet sein wird, alle Familienmitglieder gemeinsam in den Blick zu nehmen (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - juris; VG München, U.v. 21.4.2016 - M 15 K 16.30413 - juris Rn. 23; VG Gelsenkirchen, U.v. 20.8.2015 - 5 a K 4515/13 A - juris Rn. 42). Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen, wie bei Angehörigen, die als politisch Verfolgte Abschiebungsschutz genießen, könne eine andere Betrachtung geboten sei (BVerwG a. a. O.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor, so dass eine gemeinsame Rückkehr der Klägerin mit ihren Eltern, den Klägern im ebenfalls am 5. Juli 2016 entschiedenen Parallelverfahren W 1 K 16.30614, zugrunde zu legen ist.
d) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen würde sich die allgemeine Gefahrensituation in Afghanistan für die Klägerin derart zu einer extremen Gefahr verdichten, dass eine Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung im vorliegenden Fall geboten ist.
Die Klägerin wäre bereits allein schon aufgrund der patriarchalischen Sozialnormen und der damit einhergehenden untergeordneten Stellung der Frau in Afghanistan nicht in der Lage, ihren eigenen Unterhalt, geschweige denn den der gesamten Familie, zu erwirtschaften. In Afghanistan hat sie keine Schule besucht oder einen Beruf erlernt. Menschen, die Analphabeten sind und keinen Beruf erlernt haben, haben bestenfalls die Möglichkeit, sich um Hilfsarbeiten zu bemühen, die regelmäßig mit harter körperlicher Arbeit verbunden sind (vgl. Sachverständigengutachten des Dr. D. an den Hess. VGH
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Rückkehrsituation wesentlich auch davon mitgeprägt wird, ob sich Rückkehrer auf familiäre oder sonstige verwandtschaftliche Strukturen verlassen können oder ob sie auf sich allein gestellt sind. Die Klägerin hat vor dem Bundesamt angegeben, im Heimatland keine weiteren Verwandten zu haben. Das Gericht ist unter Einbeziehung der Aussagen ihrer Eltern, den Klägern im Verfahren W 1 K 16.30614, der Auffassung, dass die Klägerin zumindest nicht auf verwandtschaftliche Hilfe in Afghanistan hoffen könnte. Der Vater der Klägerin hat nämlich insoweit vor dem Bundesamt angegeben, dass er in Kabul einen Cousin habe. Er hat dort jedoch auch mehrmals erwähnt, dass er schon lange keinen Kontakt mehr zu diesem Cousin gehabt habe und er darüber hinaus keinerlei Verwandtschaft in Afghanistan besitze. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nunmehr nach diesem Cousin befragt angegeben, dass es einen solchen Cousin nicht gebe, es habe sich um einen Übersetzungsfehler vor dem Bundesamt gehandelt. Auch wenn dies dem Gericht nicht glaubhaft erscheint, so ist es dennoch davon überzeugt, dass der Vater der Klägerin zu diesem einzigen Verwandten in seinem Heimatstaat - nicht zuletzt aufgrund des vergangenen langen Zeitraums seit der Ausreise der Kläger vor rund 5 Jahren - keine Verbindungen mehr hat und insoweit auch nicht auf dessen Hilfe hoffen könnte. Auch die Mutter der Klägerin hat im gesamten Verfahren glaubhaft angegeben, nicht über weitere Verwandtschaft in Afghanistan zu verfügen, was auch naheliegend erscheint, nachdem nur noch rund 3.000 Hindus überhaupt noch in Afghanistan leben.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin - wie auch ihre Eltern - der Religionsgruppe der Hindus zugehört, welche in Afghanistan von der muslimischen Mehrheitsbevölkerung als Außenseiter betrachtet werden und mit gesellschaftlicher Diskriminierung konfrontiert sind, was die wirtschaftliche Situation die Klägerin über die ohnehin sehr schwierige allgemeine Lage hinaus noch weiter negativ beeinflussen würde. Als Zugehörige einer kleinen Minderheit könnte die Klägerin nämlich nicht auf ein Patronagenetzwerk zurückgreifen, welches in Afghanistan der Erkenntnismittellage entsprechend - unabhängig von den oben dargestellten für die Klägerin bereits unüberwindbaren Probleme - notwendig ist, um die Chance etwa auf einen Arbeitsplatz oder Wohnraum zu erhalten.
Eine andere Einschätzung ergibt sich schließlich auch nicht mit Blick auf die Eltern der Klägerin, die Kläger im Parallelverfahren W 1 K 16.30614. Auch wenn die Klägerin entsprechend der obigen Ausführungen gemeinsam mit ihren Eltern nach Afghanistan zurückkehren würde, so würde sich an der extremen Gefahr, in die die Klägerin und mit ihr die gesamte Familie alsbald nach ihrer Rückkehr geraten würde, nichts ändern. Dies ergibt sich aus folgenden weiteren Erwägungen in Bezug auf die Eltern der Klägerin:
Was den Vater der Klägerin angeht, so ist zentral bereits dessen hohes Alter von mittlerweile 70 Jahren in den Blick zu nehmen, womit er die in Afghanistan derzeit bestehende Lebenserwartung von 50 Jahren (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 6.11.2015) statistisch bereits signifikant überschritten hat. Aufgrund dieses Alters erscheint es dem Gericht ausgeschlossen, dass er in Afghanistan noch in der Lage wäre, den Lebensunterhalt für sich, geschweige denn - wie es in Afghanistan vielfach üblich ist - auch für seine Familie zu erwirtschaften. Zwar hat der Vater in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es ihm gesundheitlich gut gehe, er hat jedoch in glaubhafter Weise ebenfalls darauf verwiesen, dass er Probleme mit den Zähnen und seinem Rücken habe, an dem er in Afghanistan operiert worden sei. Er sieht sich selbst daher nicht mehr in der Lage dazu, aufgrund seines Alters in Afghanistan zu arbeiten. Dies deckt sich mit der Einschätzung des Gerichts aus der mündlichen Verhandlung, in dem der Vater augenscheinlich einen schwachen und gebrechlichen Eindruck gemacht hat. In Afghanistan herrscht zudem wie ausgeführt sehr hohe Arbeitslosigkeit. Menschen, die, wie der Vater der Klägerin Analphabeten sind und keinen Beruf erlernt haben, haben bestenfalls die Möglichkeit, sich um Hilfsarbeiten zu bemühen, die regelmäßig mit harter körperlicher Arbeit verbunden sind (vgl. Sachverständigengutachten des Dr. D. an den Hess. VGH
Auch die Mutter der Klägerin ist bereits 61 Jahre alt. Sie leidet darüber hinaus an einer Vielzahl von Erkrankungen (cerebrales Anfallsleiden, chronische Bronchitis, Retropatellar-Arthrose beidseitig, Arthrose der rechten Hand, chronisches degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Helicobacter positive Gastritis (Oktober 2013), Hypertonie). Sie machte in der mündlichen Verhandlung auf den erkennenden Einzelrichter einen sehr geschwächten Eindruck und hat sich beim Gehen auf einen Rollator stützen müssen. Aufgrund dieser sehr schlechten gesundheitlichen Situation sowie der aufgrund der geltenden Sozialnormen generell untergeordneten Stellung der Frau in der afghanischen Gesellschaft wäre es ihr vollkommen unmöglich, ihren eigenen Lebensunterhalt oder gar den der Familie zu erwirtschaften. Die Mutter verfügt darüber hinaus wie ihr Ehemann und ihre Tochter ebenfalls nicht über Schulbildung, ist Analphabetin und hat zeitlebens nur im Haushalt gearbeitet. Zudem ist bei der Mutter der Klägerin zu bedenken, dass sie - zumindest was ihr cerebrales Anfallsleiden betrifft - zur Vorbeugung gegen epileptische Anfälle auf eine Dauermedikation angewiesen ist, wie sie glaubhaft in der mündlichen Verhandlung angegeben hat und sich darüber hinaus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Medikamentenverordnungsübersicht von Herrn Dr. P. vom 20. Juni 2016 ergibt. Die Mutter ist gegen diese Erkrankung in ihrem Heimatland zwar bereits vor ihrer Ausreise behandelt worden, jedoch sind die erforderlichen Medikamente nach ihrem Vortrag wie auch den Ausführungen des Beklagten im angegriffenen Bundesamtsbescheid durch die Kläger selbst zu finanzieren (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10.1.2012). Diese für afghanische Verhältnisse keinesfalls vernachlässigbaren Kosten würden den Lebensunterhalt der Mutter und damit der gesamten Familie über die gewöhnlichen Verhältnisse hinaus weiter verteuern.
Im Rahmen einer Gesamtschau all dieser Aspekte würde der Klägerin bei einer Rückkehr nach Afghanistan alsbald in eine extreme Gefahrenlage geraten, in der ihr Leben akut in Gefahr wäre. Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die beschriebene extreme Gefahr die Klägerin landesweit, insbesondere in der Hauptstadt Kabul und in ihrer Herkunftsregion, der Stadt Ghazni in der gleichnamigen Provinz, alsbald nach ihrer Rückkehr treffen würde.
II.
Wegen des nach alledem festzustellenden Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG auch der unter Ziffer 4. des angegriffenen Bundesamtsbescheides verfügten Abschiebungsandrohung entgegen, so dass diese ebenso wie dessen Ziffer 3. - soweit sie der ausgesprochenen Verpflichtung entgegen steht - aufzuheben war.
B. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG oder auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
III.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, weil ihr im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan keine landesweite asylrelevante Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 i. V. m. §§ 3a ff. AsylG droht.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG (BT-Drs. 16/5065 S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i. S. d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der ab 24. Oktober 2015 geltenden Fassung (Art. 1, Art. 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes v. 20.10.2015, BGBl I, S. 1722 ff.) in der Fassung der Änderungen durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 12. März 2016 (BGBl. I, S. 390 ff.) sowie Art. 2 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 12. März 2016 (BGBl. I, S. 394 ff.) anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG - wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG - die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) - Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
Dies zugrunde gelegt hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylG. Der Einzelrichter folgt gemäß § 77 Abs. 2 AsylG den Ausführungen der Beklagten im Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 und sieht von einer weiteren Darstellung ab, soweit darin eine Gruppenverfolgung der Hindus in Afghanistan abgelehnt wird.
Ergänzend ist auszuführen, dass diese Auffassung durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Urteil vom 19. September 2013 mit überzeugenden Ausführungen bestätigt wurde (VGH Baden-Württemberg, U.v. 19.9.2013 - A 11 S 689/13 - juris Rn. 65 ff.). Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht für das vorliegende Verfahren an. Auch den vorliegenden aktuellsten Erkenntnismitteln lässt sich keine Situation entnehmen, die eine Änderung dieser Einschätzung rechtfertigen würde.
So wird im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 6. November 2015 im hier relevanten Kontext dargelegt, dass die indische Botschaft in Kabul davon ausgehe, dass in Afghanistan wenige Tausend Hindus und Sikhs verblieben seien. Es gebe vier Hindutempel landesweit, zwei davon in Kabul sowie je einen in Jalalabad und Helmand. Staatliche Diskriminierung gebe es nicht, auch wenn der Weg in öffentliche Ämter für Hindus schon aufgrund fehlender Patronagenetzwerke schwierig sei. Hindus würden aber von großen Teilen der muslimischen Bevölkerung als Außenseiter wahrgenommen. Viele Muslime lehnten insbesondere Feuerbestattungen ab, die im Hinduismus das zentrale Begräbnisritual darstellten. Die afghanische Regierung habe darauf reagiert, indem sie den Hindus einen dafür gewidmeten Ort zur Verfügung gestellt habe. Auf dem Weg dorthin würden Trauergemeinden allerdings den Berichten zufolge belästigt und bedroht. Es gebe auch Berichte, wonach Hindus und Sikhs Opfer illegaler Enteignungen und Beschlagnahmung ihrer Grundstücke geworden seien. Seit 2014 hätten Hindus und Sikhs Anspruch auf einen gemeinsamen Sitz im Parlament, der derzeit durch eine Frau eingenommen werde.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in ihrem Update vom 13. September 2015 aus, dass sich Hindus weiterhin mit Diskriminierungen konfrontiert sähen. Die afghanische Regierung sei bislang nicht gegen die stark eingeschränkte Teilhabe der Hindus an Politik, Geschäftsleben und unrechtmäßigen Enteignungen vorgegangen. Sie sei nicht willens oder fähig, die religiösen Minderheiten vor Übergriffen zu schützen. Bei Ausübung der religiösen Zeremonien, insbesondere bei Beisetzungen, komme es immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen.
Der UNHCR schreibt in seinen aktuellen Richtlinien vom 19. April 2016, dass eine große Zahl von Hindus Afghanistan als Reaktion auf große Schwierigkeiten, denen sie sich ausgesetzt sähen, verlassen hätte. Die geringe Zahl der verbliebenen Hindus sei Berichten zufolge umso verletzlicher für Missbrauch. Obwohl es den Hindugemeinden erlaubt sei, ihre Religion öffentlich zu praktizieren, werde berichtet, dass sie sich fortgesetzter Diskriminierung durch den Staat gegenüber sähen, etwa im Bereich der politischen Partizipation und Stellenbesetzung innerhalb der Regierung. Ebenso werde berichtet, dass sich die Hindus gesellschaftlicher Diskriminierung und Einschüchterung ausgesetzt sähen. Die Hindugemeinden berichteten von Schwierigkeiten bei der Ausführung von Begräbnisritualen und fühlten sich ungeschützt durch staatliche Behörden, etwa im Falle von Landstreitigkeiten. Hindus seien Berichten zufolge Opfer von illegaler Landnahme geworden und würden es aus Angst vor Vergeltung unterlassen, zur Wiedererlangung der Grundstücke gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es gebe eine kleine Zahl von Schulen für Hindus; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen in Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt.
Es zeigt sich nach alledem, dass Hindus allein aufgrund ihrer Volks- bzw. Religionszugehörigkeit oder ihres Erscheinungsbildes weder Tötungen noch schweren körperlichen Misshandlungen oder ähnlich schwerwiegenden Rechtsgutsverletzungen ausgesetzt sind. Insoweit hat sich die Situation seit der Herrschaftszeit der Taliban deutlich verbessert. Das, was den Hindus in Afghanistan widerfährt, ist Ausfluss der allgemeinen Situation in Afghanistan. Politische und administrative Ämter werden oft willkürlich vergeben, wobei informelle Beziehungsnetzwerke und der Proporz der Ethnien eine wesentliche Rolle spielen. Primäres Kriterium bei der Personalauswahl ist häufig die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe oder einem bestimmten Clan. Marginalisierte Gruppen wie etwa die Hindus haben aus diesem Grunde geringere oder nahezu keine Chancen, bei öffentlichen Positionen eingestellt zu werden. Korruption und die Zahlung von Schmiergeldern ist in Afghanistan an der Tagesordnung. Durch Einflussnahme und Zahlung von Bestechungsgeldern an Justiz und Verwaltung werden Entscheidungen nach rechtstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen verhindert. So ist etwa das Problem der illegalen Landnahmen und die mangelnde Durchsetzbarkeit von Rückgabeansprüchen kein spezifisches gegen Hindus gerichtetes Phänomen, sondern auch andere Bevölkerungsgruppen sind hiervon betroffen (vgl. VGH BW, U.v. 19.9.2013 - A 11 S 689/13 - juris Rn. 89). Das Gericht schließt sich vor diesem Hintergrund abermals der Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in der zitierten Entscheidung an, wonach konkrete Referenzfälle, die den Schluss erlauben würden, dass die Diskriminierung der Minderheit der Hindus oder auch sonstige Beeinträchtigungen und Repressalien gegen sie nicht nur auf den vorstehend beschriebenen Missständen beruhen, sondern Bestandteile eines Vorgehens gezielt gegen diese Minderheiten wären, den vorliegenden - auch aktuellsten -Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen sind.
2. Auch eine individuelle Verfolgung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Hindu, § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG, die eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach sich zöge, kann die Klägerin nicht geltend machen.
Eine Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG aus Gründen der Religion kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH v. 5.9.2012 - C - 71/11 und C - 99/11
Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung i. S.v. § 3a Abs. 1 AsylG zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH a. a. O. Rn. 70; BVerwG a. a. O. Rn. 28 ff.).
Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter, wie z. B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere - aber nicht nur - dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei Strafrechtsverboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, weil ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, keine erhebliche Verfolgungsgefahr begründet (BVerwG a. a. O., Rn. 28 m. w. N.). Ein hinreichend schwerer Eingriff setzt dabei nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach der Rückkehr in sein Heimatland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr einer Verfolgung aussetzt. Auch der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen (BVerwG, a. a. O. Rn. 26).
Als relevanter subjektiver Gesichtspunkt ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH a. a. O. Rn. 70; BVerwG a. a. O. Rn. 29; VGH BW a. a. O. Rn. 48; OVG NRW a. a. O. Rn. 35). Denn der Schutzbereich der Religionsfreiheit erfasst sowohl die von der Glaubenslehre vorgeschriebenen Verhaltensweisen als auch diejenigen, die der einzelne Gläubige für sich selbst als unverzichtbar empfindet. Dabei kommt es auf die Bedeutung der religiösen Praxis für die Wahrung der religiösen Identität des einzelnen Ausländers an, auch wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis nicht von zentraler Bedeutung für die betreffende Glaubensgemeinschaft ist (BVerwG
Die von der Klägerin vorgetragenen Verfolgungsmaßnahmen aus religiösen Gründen weisen bereits objektiv nicht die erforderliche Schwere auf, so dass sie nicht als Verfolgungshandlungen i. S. d. § 3a Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AsylG zu qualifizieren sind.
Die Klägerin hat insoweit vor dem Bundesamt vorgetragen, dass - wenn sie ab und zu draußen gewesen seien - sie von der Bevölkerung beschimpft worden seien, da diese sie als Ungläubige angesehen hätten. Die Leute hätten auch auf sie gespuckt. Darüber hinaus habe es aber nichts gegeben. Sie hätten sich auch wenig mit der Religion beschäftigt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin diesen Vortrag in Übereinstimmung mit den Aussagen vor dem Bundesamt weitgehend - mit teilweise anderen Worten - wiederholt (hätten nicht nach draußen gehen können, wurden als Ungläubige bezeichnet, man habe sie ausgelacht und bespuckt). Dieser Teil ihrer Schilderungen kann nach Auffassung des Gerichts als wahr unterstellt werden. Er deckt sich insbesondere auch mit den Aussagen ihrer Eltern vor dem Bundesamt sowie mit der bereits oben dargestellten Erkenntnismittellage zur Situation der Hindus in Afghanistan. Dasselbe kann für die geringfügige Erweiterung in der mündlichen Verhandlung gelten, wonach die Klägerin in Afghanistan ein Kopftuch habe tragen müssen. Dies erscheint dem Gericht zum einen als Detail, das die Klägerin vor dem Bundesamt vergessen haben könnte zu erwähnen, zumal es auch in seiner Qualität nicht gegenüber dem bisherigen Vortrag - und in Abgrenzung zu anderen Weiterungen (s.u.) - in besonderer Weise hervortritt und auch zwanglos in dem islamisch geprägten Herkunftsland der Klägerin als wahr unterstellt werden kann.
Diese erlittenen Handlungen sind jedoch nicht so gravierend, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, darstellen, § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Nach Art. 15 Abs. 2 EMRK sind Abweichungen von dem Recht auf Leben, dem Verbot der Folter, dem Verbot der Sklaverei und Leibeigenschaft sowie dem Grundsatz, dass keine Strafe ohne Gesetz erfolgen darf, nicht zulässig. Diese Rechtsgüter wurden durch die genannten Maßnahmen in keiner Weise tangiert. Auch darüber hinaus ist eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte weder durch die Art noch durch die Wiederholung der in Rede stehenden Handlungen ersichtlich, auch nicht in Form einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen i. S.v. § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Das Beschimpfen, Auslachen und Bespucken sowie der - mindestens gesellschaftliche - Zwang, in der Öffentlichkeit Kopftuch tragen zu müssen, weisen als Angriffe insbesondere auf die Ehre der Klägerin sowie ihre allgemeine Handlungs- und Entfaltungsfreiheit, sich nach eigenen Vorstellungen kleiden zu können, ihrer Art nach keine derartige Schwere auf, dass sie einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung gleichkämen. Dasselbe gilt aber auch mit Blick auf die Wiederholung und Kumulierung derartiger Handlungen gegenüber der Klägerin, der dies ihrem Vortrag nach öfters widerfahren ist. Eine flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlung vermag dies gleichwohl nicht zu begründen, da eine unzumutbare Einschränkung der persönlichen Existenz hierin noch nicht zu erblicken ist. Insbesondere ist es in Afghanistan aufgrund des dort herrschenden patriarchalischen Gesellschaftssystems allgemein nicht üblich, dass sich Frauen dort frei und ohne Einschränkungen außerhalb der eigenen Häuslichkeit in der Öffentlichkeit bewegen. Diese gesellschaftliche Tatsache beruht daher offensichtlich nicht auf der Religionszugehörigkeit der Klägerin. Dasselbe gilt für das gebotene Tragen eines Kopftuches in der Öffentlichkeit. Zudem ergibt sich aus den anderweitigen Aussagen der Klägerin, dass sie gleichwohl nach draußen gegangen ist, auch wenn sie sich sicherlich aufgrund des ablehnenden Verhaltens der muslimischen Mehrheitsbevölkerung hierbei selbst beschränkt hat. Auch hat sie angegeben, mit ihrem Vater einmal den Hindutempel besucht zu haben.
Soweit die Klägerin darüber hinaus weitergehende Verfolgungshandlungen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Hindu vorgetragen hat, so können ihr diese nicht geglaubt werden. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf Befragen des Gerichts erstmals - fast 5 Jahre nach ihrer Einreise nach Deutschland - erklärt, es habe für sie keine Möglichkeit bestanden, die Schule zu besuchen. Zudem seien sie ständig dem Zwang ausgesetzt gewesen, Muslime zu werden, andernfalls die Gefahr bestanden habe, getötet zu werden. Diese als erheblich einzustufenden Steigerungen des verfolgungsrelevanten Sachvortrages erzeugen beim Gericht erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben (vgl. auch § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Die Klägerin hat vielmehr alle wesentlichen Umstände ihrer Verfolgung bzw. der Furcht vor Verfolgung bereits in der Anhörung vor dem Bundesamt vorzutragen (§ 25 Abs. 1 AsylG). Die Unglaubhaftigkeit dieses Teils ihres Vortrages ergibt sich auch daraus, dass die Klägerin vor dem Bundesamt auf ausdrückliche Nachfrage erklärt hat, über das Geschilderte hinaus sei im Hinblick auf Verfolgungsmaßnahmen aus religiösen Gründen nichts Weiteres vorgefallen. Auch hat sie dort bezeichnenderweise angegeben, dass die Familie in Kabul keine Probleme gehabt habe; einen konkreten Anlass für die Ausreise habe es nicht gegeben. Eine nachvollziehbare Erklärung dieser Weiterungen ist darüber hinaus nicht ersichtlich. Was die fehlende Möglichkeit eines Schulbesuchs angeht, so deckt sich dies - unabhängig von vorstehenden Ausführungen - nicht mit der oben dargestellten Erkenntnismittellage. Der UNHCR hat insoweit ausgeführt, dass es eine kleine Zahl von Schulen für Hindus gebe; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen in Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt. Es erscheint also eher so, dass die Klägerin die Schule nicht besucht hat, um den bezeichneten Belästigungen aus dem Wege zu gehen, oder schlicht, weil es in Afghanistan zumindest faktisch keineswegs die Regel darstellt, dass ein gesicherter Schulbesuch stattfindet, was die große Zahl von Analphabeten beweist. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass für die Klägerin keinerlei Möglichkeit bestanden hat, zumindest zeitweise und unter Inkaufnahme gewisser Erschwernisse eine Schule zu besuchen.
Ist die Klägerin nach alledem hinsichtlich ihrer Religionszugehörigkeit unverfolgt aus Afghanistan ausgereist, so lässt sich darüber hinaus der aktuellen Erkenntnismittellage ebenfalls nicht entnehmen, dass dieser bei ihrer jetzigen Rückkehr nach Afghanistan Maßnahmen von staatlicher bzw. nicht staatlicher Seite drohen, die über das seinerzeit Erlebte hinausgehen würden. Auf die obigen Ausführungen zur Situation der Hindus in Afghanistan wird diesbezüglich verwiesen.
3. Darüber hinaus ergibt sich für die Klägerin auch keine begründete Furcht vor Verfolgung aus ihrem weiteren Vortrag betreffend die Entführung und Ermordung einer angeblichen Schwester sowie der drohenden Entführung und Ermordung ihrer eigenen Person bzw. sogar der gesamten Familie.
Bei ihrer Befragung vor dem Bundesamt hat die Klägerin dieses Verfolgungsschicksal bereits nicht mit Verfolgungsgründen i. S. d. § 3b AsylG in Verbindung gebracht, so dass bereits aus diesem Grunde die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausscheiden würde. Soweit sie jedoch nunmehr diese Handlungen damit in Verbindung bringen will, dass sie Hinduistin ist und damit eine Hinwendung zum islamischen Glauben erzwungen werden sollte bzw. nach anderweitigem Vortrag ihres Vater, dass damit die Verheiratung der Töchter erzwungen werden sollte, so ist dieser gesamte vorgetragene Komplex bereits im eigenen Vortrag jedes einzelnen Familienmitgliedes (der Klägerin sowie ihres Vaters und ihrer Mutter, den Klägern im Verfahren W 1 K 16.30614) und sodann auch im Vergleich mit den Schilderungen der jeweils anderen Familienmitglieder mit einer solchen Vielzahl nicht erklärbarer Widersprüche behaftet, dass er den Klägern insgesamt nicht geglaubt werden kann.
Zunächst divergieren bereits die Namen der angeblich getöteten Schwester der Klägerin. Während ihr Vater vor dem Bundesamt angegeben hat, seine Tochter habe I. geheißen, wurde der Name von ihrer Mutter vor dem Bundesamt mit S. angegeben, während sie selbst dort den Namen S. gebrauchte. Auf entsprechenden Vorhalt vor dem Bundesamt erklärte ihre Mutter bezüglich dieser Differenzen, ihr Ehemann könne den Namen der Tochter nicht richtig aussprechen und bei dem von der Tochter gebrauchten Namen könne es sich um einen Spitznamen handeln. Bereits dies erscheint abwegig, nachdem die Bezeichnungen S. und I. keinerlei phonetische Gemeinsamkeiten aufweisen. Falls es sich bei dem Namen S. um einen Spitznamen gehandelt haben sollte, so ist nicht erklärlich, warum die Mutter diese Tatsache über ihre Tochter nicht sicher gewusst haben sollte. Im schriftsätzlichen Vortrag des Vaters vom 24. Juni 2016 bezeichnet dieser seine Tochter nunmehr als S., während er sie auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung als Se. bezeichnet. Auf Vorhalt des Gerichts in der mündlichen Verhandlung zu diesen Diskrepanzen erläuterte der Vater, es habe sich vor dem Bundesamt um eine falsche Übersetzung gehandelt. Dies erscheint nicht nachvollziehbar, nachdem er diesen Namen dort mindestens zweimal selbst erwähnt hat und auch der Anhörende in seinen Nachfragen den Namen I. gebraucht hat, so dass der Vater diesen sicherlich korrigiert hätte, wenn es sich tatsächlich um einen Übersetzungsfehler gehandelt hätte. Zudem hat er zum Ende der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe. In Abweichung ihren Angaben vor dem Bundesamt erklärt die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts sodann, dass ihre getötete Schwester Se. geheißen habe. Auf entsprechenden Vorhalt des Gerichts gab sie an, der Übersetzer vor dem Bundesamt habe den genannten Namen (S.) wohl falsch gehört, es liege ein Übersetzungsfehler vor. Auch dies ist aufgrund fehlender phonetischer Gemeinsamkeiten zwischen den Namen Se. und S. sowie ihrer Aussage zum Ende der Befragung, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe, nicht glaubhaft. All dies legt einzig und allein den Schluss nahe, dass es sich hierbei nicht um tatsächlich Erlebtes handelt. An derartiges Basiswissen wie den Namen eines Familienmitgliedes müssten sich alle Familienmitglieder gleichermaßen zwingend erinnern können.
Darüber hinaus divergieren sodann auch die Beschreibungen zum Ablauf der Entführung und Tötung der Schwester bzw. Tochter. Unklarheiten bestehen schon dahingehend, wann sich dieser Vorfall zugetragen haben soll. So erwähnte der Vater der Klägerin vor dem Bundesamt zunächst, dass diese Tochter drei Monate vor der Ausreise aus Afghanistan ums Leben gekommen sei. An anderer Stelle gibt er jedoch an, dass die Familie nach diesem Vorfall nach Kabul geflüchtet sei und dort noch ein Jahr bis zur endgültigen Ausreise aus Afghanistan gelebt habe. Letztere wiederum soll laut Vortrag vor dem Bundesamt Ende Juni 2011/Anfang Juli 2011 stattgefunden habe, was nach Einschätzung des Gerichts der Wahrheit entsprechen dürfte, da sich bei den Behördenakten im Verfahren W 1 K 16.30614 ein Schreiben des B.-Krankenhauses in H. befindet, in dem die Mutter der Klägerin am 28. Juni 2011 nach einem epileptischen Anfall vorstellig geworden ist. Darin wird erwähnt, dass diese kurz zuvor aus Afghanistan kommend nach Deutschland eingereist sei. In der mündlichen Verhandlung wiederum nimmt der Vater als Zeitpunkt für den Vorfall der Entführung und Ermordung der Tochter etwa den November 2009 an, jedenfalls sei es im Winter gewesen. Die Klägerin wiederum gab bei ihrer Befragung vor dem Bundesamt an, dass sie, nachdem sie nach Kabul geflüchtet seien, dort noch eineinhalb Jahre bis zur Ausreise gelebt hätten. In der mündlichen Verhandlung gab sie zu Protokoll, sie könne den Vorfall zeitlich nicht genau einordnen. Es sei jedoch in der kalten Jahreszeit gewesen. Sie hätten in Kabul danach noch etwa ein Jahr gelebt. Die Mutter der Klägerin kann sich ebenfalls nicht erinnern, wann sich der Vorfall genau zugetragen hat. Sie meinte in der mündlichen Verhandlung, dass es etwa sechs Jahre her sein müsse. Das Gericht ist der Überzeugung, dass ein derartig einschneidendes Ereignis, sollte es sich tatsächlich zugetragen haben, von den Familienmitgliedern genauer zeitlich eingeordnet werden müsste - auch unter Berücksichtigung des Bildungsstandes der Kläger. Dass dem nicht so ist, lässt für das Gericht nur den Schluss zu, dass dieses tatsächlich nicht stattgefunden hat. Dafür sprechen auch weitere Ungereimtheiten.
Zum Ablauf der Entführung hat der Vater vor dem Bundesamt angegeben, die Tochter sei von vermummten Personen entführt und getötet worden. Später sprach er dann von einem Mann, der zu ihnen ins Haus gekommen sei und die Tochter zwangsweise mitgenommen habe. Die Mutter erwähnte vor dem Bundesamt zwei vermummte Personen, die nachts gewaltsam in ihr Haus gekommen seien und die Tochter mitgenommen hätten. Einer davon sei bewaffnet gewesen und habe sie gestoßen. Ob ihre Tochter K. die Entführung gesehen habe, wisse sie nicht. Diese habe sich versteckt. Die Klägerin schließlich gab vor dem Bundesamt an, sie wisse nicht, wie und wo ihre Schwester entführt worden sei. Der Entführer habe jedenfalls einen Brief zurückgelassen, aus dem ersichtlich gewesen sei, dass er sie mitgenommen habe. Im Schreiben vom 24. Juni 2016 erklärte der Vater demgegenüber, dass zunächst zwei Männer an der Haustüre gewesen seien, die etwas zu essen hätten haben wollen und die er dann in das Haus gelassen habe. Nach dem Essen habe der ältere der beiden Männer gewollt, dass dessen mit anwesender Sohn seine Tochter S. heiratet. Da die Familie damit nicht einverstanden gewesen sei, seien sie mit einer Pistole bedroht worden. Einer der Männer habe dann mittels Handy zwei weitere Männer verständigt, die ihn dann auf sein Gesicht geschlagen hätten, so dass er geblutet und Zähne verloren habe. Seine Frau habe dabei einen epileptischen Anfall erlitten. Er und seine Tochter K. seien dann gefesselt worden und daraufhin hätten die Männer die Tochter S. mitgenommen. In der mündlichen Verhandlung wiederum berichtet der Vater der Klägerin nur mehr von zwei Personen, die bei der Entführung anwesend gewesen seien. Dies bestätigt auch die Tochter in der mündlichen Verhandlung, so dass sich eine nicht erklärbare Diskrepanz hinsichtlich der Zahl der Entführer ergibt. Auch besteht eine solche hinsichtlich der Frage, ob die Familie die Entführer ins Haus gelassen hat oder ob diese gewaltsam eingedrungen sind, wie die Mutter vor dem Bundesamt behauptet hat. Auch besteht ein Widerspruch dahingehend, ob die Klägerin bei der Entführung zugegen war. Während ihre Mutter und sie selbst in der mündlichen Verhandlung angaben, sie sei im Haus gewesen, habe sich aber in einem anderen Zimmer versteckt, konnte sie vor dem Bundesamt auf Befragen nicht angeben, wo und wie sich die Entführung abgespielt habe, obwohl sie diese gleichwohl mit eigenen Augen aus ihren Versteck mit angesehen haben will, wie sie in der mündlichen Verhandlung erklärt hat. Demgegenüber trägt der Vater in seinem Schreiben vom 24. Juni 2016 vor, dass er und seine Tochter K. von den Entführern gefesselt worden seien, was wiederum zwingend für deren direkte Anwesenheit bei dem Geschehen spricht und mit dem Vortrag der Klägerin und der Mutter nicht in Einklang zu bringen ist.
Unüberwindbare Widersprüche ergeben sich auch zu der Frage, wann die angeblichen Entführer die Leiche der Schwester bzw. Tochter zurückgebracht haben und wie diese tatsächlich zu Tode gekommen ist. Während sämtliche Familienmitglieder in der mündlichen Verhandlung angegeben haben, dass die tote Schwester bzw. Tochter nach einer Woche bzw. acht Tagen zurückgebracht worden sei, hat die Mutter diesen Zeitraum vor dem Bundesamt mit einem Monat angegeben. Die Klägerin hat darüber hinaus vor dem Bundesamt erläutert, dass ihre Schwester Selbstmord begangen habe. Sie sei nach einer Woche zurückgekommen und habe sich noch in der gleichen Nacht in ihrem Zimmer erhängt. Auf Vorhalt vor dem Bundesamt, dass dies von den Angaben ihres Vaters abweiche, erklärte sie zunächst, ihr Vater habe das Richtige gesagt, während sie sodann, auf erneuten Vorhalt, angab, sie wisse, dass die Schwester Selbstmord begangen habe. Auf diese erhebliche Diskrepanz in der mündlichen Verhandlung angesprochen, erklärte die Klägerin, dass es sich vor dem Bundesamt um einen Übersetzungsfehler gehandelt haben müsse. Sie habe das mit dem Selbstmord so nicht gesagt. Dies wiederum erscheint aufgrund der völligen Andersartigkeit der Sachverhalte ausgeschlossen und beweist zur Überzeugung des Gerichts ein weiteres Mal, dass die Kläger hier nicht über tatsächlich Erlebtes berichten.
Unauflösbare Widersprüche ergeben sich auch zur Frage, wie lange die Familie nach der Ermordung der Schwester bzw. Tochter noch in Ghazni verblieben ist. Der Vater sprach vor dem Bundesamt zunächst von drei bis vier Tagen, im Schriftsatz vom 24. Juni 2016 erklärte er, dass sie gleich am nächsten Tag nach Kabul gegangen seien, während er wiederum in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts angab, dass sie eine Woche nach der Ermordung der Tochter nach Kabul geflohen seien. Die Mutter wiederum sprach vor dem Bundesamt von einem Zeitraum von zwei bis drei Tagen, in der mündlichen Verhandlung jedoch von acht Tagen. Die Klägerin erklärte vor dem Bundesamt, dass sie nach dem Tod der Schwester noch etwa 15 bis 20 Tage in der Stadt Ghazni gewesen seien.
Schließlich differieren auch die Aussagen zu dem angeblichen Drohbrief betreffend die Klägerin und zu den Motiven der Täter für die Entführung und Ermordung der Tochter bzw. Schwester und der Klägerin selbst in nicht nachvollziehbarer Weise. Der Vater hat vor dem Bundesamt vorgetragen, gleich nach dem Tod seiner Tochter I. sei ein Brief bei ihnen eingeworfen worden, wonach er seine Tochter K. freiwillig übergeben sollte, weil auch sie ansonsten zwangsweise mitgenommen würde. Auf die Frage, warum die Täter die Töchter entführen und töten wollten, gab der Vater vor dem Bundesamt an, es könne sein, dass es wegen seines hinduistischen Glaubens gewesen sei oder weil sie vielleicht Geld von ihm erpressen wollten. Er wisse es aber nicht genau. In dem Schreiben vom 24. Juni 2016 gab er erstmals an, dass die Entführung der Tochter S. den Zweck gehabt habe, diese zwangsweise zu verheiraten. Dies sei dann auch Gegenstand des Drohbriefes gewesen hinsichtlich seiner Tochter K. Er solle diese in die Familie der Entführer verheiraten, ansonsten würden sie sie auch mitnehmen und töten. In der mündlichen Verhandlung schließlich gab der Vater im Rahmen seiner informatorischen Befragung an, dass man ihm nach den Tod der Tochter gesagt habe, er solle Muslim werden, dann werde man seine andere Tochter auch mitnehmen, um sie zu verheiraten, ansonsten werde er getötet werden. Zunächst stellt es ein gesteigertes Vorbringen dar, wenn der Kläger nunmehr am 24. Juni 2016 erstmals eine angebliche Motivation für die Entführung in Form einer Zwangsverheiratung angibt. Dies ist aus den bereits oben dargelegten Gründen nicht glaubhaft, da es abwegig erscheint, dass gläubige Muslime ihren Sohn mit einer in ihren Augen ungläubigen Hinduistin verheiraten wollen. Wenn dem aber so wäre, so erklärt es sich nicht, warum sie die entführte Tochter dann nicht tatsächlich ihrem Sohn zur Frau geben, sondern sie ermorden. Ebenfalls eine nicht nachvollziehbare Steigerung enthält der Vortrag in der mündlichen Verhandlung, in dem der Vater nunmehr erläutert, dass er zusätzlich gezwungen werden sollte, zum Islam zu konvertieren, andernfalls seine Tochter K. zum Zwecke der Zwangsverheiratung mitgenommen und er selbst getötet würde. Der Zwang zu konvertieren und die Gefahr für seine eigene Person sollen offensichtlich dessen Vortrag nachträglich mehr Nachdruck verleihen und können diesem als allein prozesstaktisch einzustufende Steigerung nicht geglaubt werden. Die Mutter hat vor dem Bundesamt diesbezüglich angegeben, sie hätten nach der Ermordung der einen Tochter einen Brief erhalten, worin gestanden habe, dass auch ihre zweite Tochter K. mitgenommen werden solle. Dieser Drohbrief habe auf der Leiche der Tochter gelegen. Auf Vorhalt vor dem Bundesamt räumte sie sodann jedoch ein, dass sie die Leiche nicht selbst vor der Haustüre habe liegen sehen. Auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erklärte die Klägerin zum Inhalt des Briefes, dass sich aus diesem ergeben habe, dass auch sie Gefahr liefen, getötet zu werden. Dies lässt sich wiederum nicht mit dem Vortrag vor dem Bundesamt in Einklang bringen, wo nur eine Gefahr für die Tochter K. geschildert wurde. Auch insoweit besteht bei Mutter ein gesteigerter Sachvortrag, der ihr nicht abgenommen werden kann. Von einer etwaigen Zwangsverheiratung hat die Mutter in der mündlichen Verhandlung gar nichts erwähnt. Ihre Angaben sind widersprüchlich und können ihr nicht geglaubt werden. Schließlich erklärte die Klägerin vor dem Bundesamt zu diesem Teilkomplex, sie hätten einen Drohbrief erhalten, wonach auch sie selbst mitgenommen werden sollte. Sie erklärte im Gegensatz zu ihren Eltern, dass es zwei Briefe gegeben habe, einen nach der Entführung der Schwester und einen weiteren nach dem Tod ihrer Schwester. Letzteren Brief hätten sie ca. drei Tage nach dem Tod der Schwester erhalten, was sich nicht mit den Aussagen der Eltern deckt, die davon gesprochen haben, dass der Brief sie gleich nach dem Tod der Tochter erreicht habe. In der mündlichen Verhandlung wiederum setzt sich die Klägerin zu ihren eigenen Aussagen vor dem Bundesamt in Widerspruch, indem sie anführte, dass der Brief gleichzeitig mit der Leiche der Schwester gebracht worden sei. Inhaltlich habe sich daraus ergeben, dass auch sie getötet werden sollten, wenn sie keine Muslime würden.
All diese weder erklärbaren noch nachvollziehbaren Unstimmigkeiten und Widersprüche bereits im jeweils eigenen Vortrag jedes Familienmitgliedes und sodann auch im Vergleich mit den Schilderungen der jeweils anderen Familienmitglieder ergeben in der Gesamtschau, dass der gesamte Vortrag betreffend die Entführung und Ermordung der angeblichen Tochter bzw. Schwester sowie die drohende Entführung und Ermordung der Klägerin oder aber der gesamten Familie durch Muslime bzw. Taliban nicht glaubhaft ist. Lediglich ergänzend sei exemplarisch für diese Einschätzung noch darauf hingewiesen, dass der Vater der Klägerin vor dem Bundesamt einen Sohn namens M. erwähnt hat, der 1994 im Krieg getötet worden sei, den jedoch Ehefrau und Tochter gar nicht kennen. Die Mutter der Klägerin meinte hierzu auf Vorhalt vor dem Bundesamt, dass es sich tatsächlich um seinen Bruder gehandelt habe, den ihr Ehemann jedoch als seinen Sohn angesehen habe. Demgegenüber führt der Vater in seinem Vortrag vom 24. Juni 2016 wiederum noch einmal eindeutig aus, dass es sich um seinen eigenen Sohn gehandelt habe.
IV.
Die Klägerin hat des Weiteren auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
Der Klägerin droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihr ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.
Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die zuletzt genannte Vorschrift der Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337, S. 9) - QRL - dient, ist dieser Begriff jedoch in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b QRL auszulegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt Art. 15b QRL wiederum in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu Art. 3 EMRK aus (z. B. EuGH, U.v. 17.2.2009 - Elgafaji, C - 465/07
Dass der Klägerin insoweit keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht, ergibt sich bereits daraus, dass ihr Vortrag zu ihren Fluchtgründen in weiten Teilen unglaubhaft ist. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Soweit das Gericht den Vortrag insoweit als glaubhaft eingestuft hat, dass die Klägerin aufgrund ihrer Religion insbesondere beschimpft und bespuckt worden seien, so erreicht dies nicht den notwendigen Schweregrad, um eine Verletzung des Art. 3 EMRK annehmen zu können.
Darüber hinaus stellen auch die schlechten humanitären Bedingungen, die in Afghanistan herrschen, keinen Grund dar, um einen subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zu begründen. Zwar ist dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in ganz außergewöhnlichen Fällen grundsätzlich möglich. Allerdings existiert hierfür eine sehr hohe Eingriffsschwelle und setzt voraus, dass im Falle der Rückführung die konkrete Gefahr einer unmenschlichen Behandlung in der Form unzureichender humanitärer Lebensbedingungen gerade Folge einer direkten oder indirekten Aktion von Seiten staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure ist. Dieses Erfordernis ergibt sich auch aus § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3c AsylG, wonach es auch beim subsidiären Schutz eines Verfolgungsakteurs, von dem die Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgeht, bedarf (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris). Schlechte allgemeine wirtschaftliche oder humanitäre Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat, die nicht auf einen solchen Akteur zurückführbar sind, fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Die schlechten humanitären Lebensbedingungen in Afghanistan sind gerade nicht auf einen spezifischen Verfolgungsakteur zurückzuführen, sondern allgemeine und nicht individualisierbare Folge der schlechten ökonomischen Bedingungen und der schwierigen Sicherheitslage im Land. An dieser Situation hat sich auch aufgrund der jüngsten Erkenntnismittellage nichts geändert.
2. Ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes ergibt sich auch nicht aufgrund einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Klägerin infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
Für die Beurteilung kommt es hierbei regelmäßig auf die Herkunftsregion des Ausländers an (BVerwG, U.v. 14.7.2009 - 10 C 9/08 - BverwGE 134, 188; BayVGH, U.v. 12.1.2012 - 13a B 11.30427 - juris Rn. 15 m. w. N.). Die Klägerin stammt vorliegend aus der Stadt und Provinz Ghazni, so dass auf diese Region abzustellen ist. Die obergerichtliche Rechtsprechung geht auf der Grundlage der verfügbaren Erkenntnismittel davon aus, dass afghanische Staatsangehörige bei einer Rückkehr in die Provinz Ghazni nach derzeitiger Sicherheitslage im Allgemeinen keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt sind (BayVGH, B.v. 20.8.2015 - 13 ZB 15.30062 - juris Rn. 7 zur Südostregion, der die Provinz Ghazni zuzurechnen ist; BayVGH, B.v. 11.3.2014 - 13a ZB 13.30246 - juris Rn. 5 f.; BayVGH, U.v. 4.6.2013 - 13a B 12.30063 - juris Rn. 15 ff.; OVG Lüneburg, U.v. 7.9.2015 - 9 LB 98/13 - juris Rn. 42 ff.). Das Gericht schließt sich dieser Einschätzung an. Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage keine derart hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson schon alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in der Provinz Ghazni einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt wäre (UNAMA Report v. 14.2.2016; EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan - Security Situation, v. 1.1.2016, S. 89 ff.). Individuelle gefahrerhöhende Umstände sind bei den Klägern nicht erkennbar, insbesondere handelt es sich bei den von den Klägerin befürchteten Gefahren und objektiv vorliegenden Indikatoren, wie der Zugehörigkeit zur hinduistischen Religion, ersichtlich um andere Gefahren als denjenigen, welche Zivilpersonen in einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt drohen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass Hindus der besonderen Gefahr von Anschlägen ausgesetzt oder gar Zielscheibe solcher Anschläge wären.
V.
Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Ein solches kommt nicht in Betracht, da der Klägerin keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Insbesondere stellt die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in ganz besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht jedoch allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. In Afghanistan ist die allgemeine Lage jedenfalls nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde (EGMR, U.v. 13.10.2011 - NJOZ 2012, 952, Rn. 84; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris). In Fällen, in denen wie vorliegend gleichzeitig über die Gewährung subsidiären Schutzes zu entscheiden ist, scheidet darüber hinaus bei Verneinung dieser Voraussetzungen regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 36). Insofern wird auf die Ausführungen zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG Bezug genommen. Auch hinsichtlich des individuellen Vortrages der Klägerin in Bezug auf religiöse und sonstige Verfolgungsmaßnahmen kann auf obige Ausführungen zu den §§ 3 und 4 AsylG verwiesen werden, wonach der Vortrag nicht glaubhaft bzw. nicht von solcher Schwere ist, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Betracht zu ziehen ist.
VI.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
Tatbestand
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Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren.
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Der 1986 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stammt aus der Provinz Helmand (Afghanistan), ist schiitischen Glaubens und gehört dem Volk der Hazara an. Im Februar 2009 reiste er nach Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte seinen Asylantrag mit Bescheid vom 17. März 2010 ab. Zugleich stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan an.
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Nach Rücknahme der Klage auf Asylanerkennung hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Afghanistans verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 27. April 2012 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dem Kläger stehe weder unionsrechtlicher noch nationaler Abschiebungsschutz zu. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung drohe. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG sei nicht erkennbar. Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Da in Afghanistan kein landesweiter bewaffneter Konflikt herrsche, komme eine individuelle Bedrohung nur in Betracht, wenn sich der Konflikt auf den tatsächlichen Zielort bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat erstrecke. Dies sei die Herkunftsregion des Ausländers, in der er zuletzt gelebt habe bzw. in die er typischerweise zurückkehren könne und voraussichtlich auch werde. Der Kläger habe glaubhaft vorgetragen, dass er in seiner Heimatregion Helmand keine aufnahmebereiten Bekannten oder Verwandten und keine Existenzgrundlage mehr habe. Zudem habe er Angst vor einer dort lebenden Privatperson, außerdem befürchte er Diskriminierungen, denen seine Volksgruppe in Helmand in besonderem Maße ausgesetzt sei. Wolle bzw. werde der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren, sei auf das derzeit einzig mögliche Abschiebungsziel Kabul abzustellen. Dort herrsche kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt mehr. Die Sicherheitslage werde in Kabul, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, relativ einheitlich als stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch etwa vor zwei Jahren bewertet.
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Dem Kläger stehe hinsichtlich Afghanistans auch nicht der hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz zur Seite. Es sei nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. Einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der allgemein schlechten Lebensverhältnisse in Afghanistan stehe § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG entgegen. Eine extreme Gefahrenlage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ausnahmsweise nicht greife, liege für Kabul nicht (mehr) vor. Vielmehr sei eine gewisse Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage in Kabul zu erkennen, die nach den strengen Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer wertenden Gesamtschau der Annahme einer alsbald nach der Abschiebung eintretenden Extremgefahr für gesunde ledige afghanische Männer auch ohne Vermögen oder Anbindung an lokale Familien- bzw. Stammesstrukturen entgegenstehe. Der Senat sehe keine hinreichenden Anhaltspunkte mehr dafür, dass bei dieser Personengruppe im Falle der Abschiebung alsbald der Tod oder schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären. Es sei vielmehr zu erwarten, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Zwar dürfte aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen in der Tat eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten kaum zumutbar sein. Diese Zumutbarkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im Falle des Klägers seien auch keine hinreichenden individuellen Faktoren gegeben, die ausnahmsweise eine extreme Gefahrenlage begründen könnten.
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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 60 Abs. 2, 5 sowie 7 Satz 1 und 2 AufenthG. Außerdem macht er Verfahrensfehler geltend und regt zur weiteren Klärung des Gehalts der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 und 7 Satz 2 AufenthG eine Vorlage an den EuGH an.
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Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.
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Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil verletzt hinsichtlich des vom Kläger mit seinem Hauptantrag verfolgten Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat bei der im Rahmen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gebotenen Prüfung, ob am tatsächlichen Zielort des Klägers bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein bewaffneter Konflikt besteht, nicht auf die Herkunftsregion des Klägers, sondern auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil nicht selbst abschließend über die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Gegenstand des Verfahrens ist neben dem unionsrechtlichen Abschiebungsschutz weiterhin auch der vom Kläger hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die Zulassung der Revision allein mit der grundsätzlichen Bedeutung einer auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz zugeschnittenen Frage begründet hat. Die Urteilsformel enthält keine Beschränkung der Zulassung auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz. Der Umfang der Zulassung ist daher unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsmittelklarheit durch Auslegung zu ermitteln. Danach ist hier von einer uneingeschränkten Zulassung auszugehen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten (Haupt- und Hilfs-)Anträge betreffen zwar unterschiedliche Streitgegenstände. Diese sind aber eng miteinander verflochten, insbesondere stellt sich die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage des maßgeblichen Anknüpfungsortes nicht nur beim unionsrechtlichen, sondern auch beim nationalen Abschiebungsschutz. Für eine uneingeschränkte Zulassung der Revision spricht im Übrigen auch die dem Berufungsurteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung, die sich lediglich auf das Rechtsmittel der Revision bezieht.
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2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens auf Gewährung von Abschiebungsschutz ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 10). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte. Maßgeblich ist daher für das Revisionsverfahren das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86). Unionsrechtlich finden sowohl die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikations-Richtlinie - vom 29. April 2004 (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) Anwendung als auch die - während des Berufungsverfahrens in Kraft getretene - Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 337 vom 20. Dezember 2011 S. 9). Für die in der Neufassung inhaltlich geänderten Bestimmungen wurde den Mitgliedstaaten eine Umsetzungsfrist bis zum 21. Dezember 2013 eingeräumt (Art. 39 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU) und es bleibt bis zum Ablauf dieser Frist bei der Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. Art. 41 Abs. 2 i.V.m. Art. 40 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU). Hinsichtlich der unverändert übernommenen Bestimmungen gilt die Neufassung hingegen schon jetzt (vgl. Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU).
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3. Das Berufungsurteil verletzt in Bezug auf den vom Kläger primär begehrten unionsrechtlichen Abschiebungsschutz Bundesrecht. Die diesbezüglichen Vorgaben des Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG) sind in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG - in überschießender Umsetzung - als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet und bilden einen eigenständigen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 11 und vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13 und 16).
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3.1 Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung abgelehnt, die revisionsrechtlicher Prüfung nicht standhält. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses - die Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU) umsetzenden - Abschiebungsverbots können auch dann erfüllt sein, wenn sich der bewaffnete Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 25). In diesem Fall ist Bezugspunkt für die Gefahrenprognose der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr. Das ist in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - NVwZ 2009, 705 Rn. 40).
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Das Berufungsgericht hat dies zutreffend zu Grunde gelegt. Es hat aber nicht geprüft, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht, sondern stattdessen auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt, weil der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 14. November 2012 (BVerwG 10 B 22.12 - juris Rn. 7) als geklärt gesehen hat, kommt es für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, aber weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Ein Abweichen von der Regel kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen ihm § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewähren soll. Dies ergibt sich schon aus dem systematischen Zusammenhang der unionsrechtlichen Abschiebungsverbote mit den Bestimmungen über den internen Schutz (Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG; künftig: Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU). Kommt die Herkunftsregion als Zielort wegen der dem Ausländer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf eine andere Region des Landes verwiesen werden. Der Begriff des "tatsächlichen Zielortes der Rückkehr" ist daher kein rein empirischer Begriff, bei dem auf die tatsächlich wahrscheinlichste oder subjektiv gewollte Rückkehrregion abzustellen ist. Da es bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG um den Schutz vor den Gefahren eines - nicht notwendig landesweiten - bewaffneten Konflikts im Heimatstaat geht, kommt bei der Bestimmung des Ortes der (voraussichtlichen) tatsächlichen Rückkehr der Herkunft als Ordnungs- und Zuschreibungsmerkmal eine besondere Bedeutung zu. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann daher auch nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat, etwa weil Familienangehörige getötet worden sind oder diese Gebiete ebenfalls verlassen haben. Auch soweit die nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände begründet worden ist, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z.B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage), und es mangels Existenzgrundlage und Zukunftsperspektive eine nachvollziehbare Haltung ist, nicht in die Herkunftsregion zurückkehren zu wollen, behält diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG aus.
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Diese Ausdeutung des vom Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH - (Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 40) verwandten Begriffs des tatsächlichen Zielorts der Rückkehr kann vorgenommen werden, ohne diesem die Rechtssache zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der EuGH hat den Begriff in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 zwar nicht abschließend definiert. Die hier entfaltete Auslegung trägt aber dem Zweck der Vorschriften über den internen Schutz Rechnung und folgt damit der Vorgabe des EuGH, die Auslegung nationalen Rechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art. 249 Abs. 3 EG (inzwischen: Art. 288 AEUV) nachzukommen (EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 42).
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Das Berufungsurteil verstößt nach den vorstehenden Grundsätzen gegen Bundesrecht, weil es für das Bestehen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht die Verhältnisse in der Herkunftsregion des Klägers in den Blick genommen, sondern auf die Lage in Kabul als dem voraussichtlichen Zielort einer Abschiebung abgestellt hat. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist aber nicht zu entnehmen, dass der Kläger sich vor seiner Ausreise dauerhaft in einer anderen Region als Helmand niedergelassen hat. Er ist zwar zunächst mit seiner Lebensgefährtin nach Kabul (und später in den Iran zu seiner Schwester) gegangen. Dies geschah nach seinen Angaben aber allein aus Angst vor dem Vater seiner Lebensgefährtin; zur Dauer und den näheren Umständen des Aufenthalts in Kabul enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen. Die vom Berufungsgericht angeführten Erwägungen, warum der Kläger nicht nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde, lassen die Relevanz der Heimatregion für die Gefahrenprognose bei einem bewaffneten Konflikt nicht entfallen.
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3.2 Das Berufungsurteil beruht auf diesem Fehler. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zur Lage in der Provinz Helmand getroffen. Ob in dieser Region ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht und dem Kläger dort die in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG definierte Gefahr droht, kann daher revisionsgerichtlich weder festgestellt noch ausgeschlossen werden.
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3.3 Die Entscheidung erweist sich hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) oder unrichtig, so dass der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden kann.
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a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Kläger - einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in seiner Herkunftsregion unterstellt - in Kabul internen Schutz finden könnte. Dies würde nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG voraussetzen, dass für den Kläger in Kabul nicht nur keine Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, sondern von ihm auch vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält.
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Auch hierzu fehlen hinreichende tatrichterliche Feststellungen. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf Kabul zwar festgestellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nicht vorliegen, weil dort keine extreme Gefahrenlage herrsche und zu erwarten sei, dass Rückkehrer durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Nach Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG muss beim internen Schutz die Existenzgrundlage aber so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus; weiterhin offenbleiben kann, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen (vgl. Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 35).
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b) Umgekehrt kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsurteil hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus anderen Gründen unrichtig ist. Das Berufungsgericht hat vor allem im Ergebnis zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG verneint. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich - entgegen der Auffassung der Revision - insbesondere nicht aus den allgemeinen humanitären Verhältnissen in Afghanistan.
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Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem Abschiebungsverbot wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU) umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685) - EMRK - orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM <2001> 510 endgültig S. 6, 30). Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG auch über Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83, 389) - GR-Charta - zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn das ernsthafte Risiko der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Dies gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta auch für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch die Regelung in Art. 19 Abs. 2 GR-Charta die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 15 und 17).
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Entgegen der Auffassung der Revision ist der neueren Rechtsprechung des EGMR nicht zu entnehmen, dass sich der Maßstab für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bei Abschiebungen in Staaten mit schwierigen Lebensbedingungen nach den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung" bestimmt. Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/06 - NVwZ 2011, 413). Bereits in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (BVerwG 10 B 16.12 - juris Rn. 8 f.) hat der Senat dargelegt, dass der EGMR davon ausgeht, dass die Staaten - unbeschadet ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich derer aus der Konvention selbst - das Recht haben, die Einreise fremder Staatsbürger in ihr Hoheitsgebiet zu regeln (EGMR, Urteile vom 28. Mai 1985 - Nr. 15/1983/71/107-109, Abdulaziz u. a./Vereinigtes Königreich - NJW 1986, 3007 Rn. 67; vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279 Rn. 54 und vom 28. Juni 2012 - Nr. 14499/09, A.A. u.a. - Rn. 71). Die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann aber dessen Verantwortlichkeit nach der Konvention begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. In einem solchen Fall ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben (stRspr, EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering/Vereinigtes Königreich - NJW 1990, 2183 Rn. 90 f. und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125). Allerdings können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42). So hat der EGMR ein Abschiebungsverbot aus Art. 3 EMRK zugunsten eines im fortgeschrittenen, tödlichen und unheilbaren Stadiums an Aids Erkrankten angenommen, weil die Abschiebung seinen Tod beschleunigen würde, er keine angemessene Behandlung erreichen könne und kein Beweis für irgendeine mögliche moralische oder soziale Unterstützung im Zielstaat zu erbringen sei (EGMR, Urteil vom 2. Mai 1997 - Nr. 146/1996/767/964, D./Vereinigtes Königreich - NVwZ 1998, 161 Rn. 52 f.). Zusammenfassend führt der Gerichtshof zur Herleitung eines Abschiebungsverbots aus Art. 3 EMRK aufgrund von Krankheiten aus, dass angesichts der grundlegenden Bedeutung von Art. 3 EMRK im System der Konvention zwar eine gewisse Flexibilität notwendig sei, um eine Ausweisung (expulsion) in besonderen Ausnahmefällen zu verhindern. Doch verpflichte Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 a.a.O. Rn. 44).
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Wie der Senat in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (a.a.O. Rn. 9) ausgeführt hat, ist diese gefestigte Rechtsprechung durch das Urteil der Großen Kammer vom 21. Januar 2011 (a.a.O.) im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland nicht grundsätzlich revidiert worden. Dieses Urteil verhält sich - entgegen der Auffassung der Revision - erkennbar nicht zu den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung". Zwar hat der EGMR eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch das Königreich Belgien als abschiebenden Staat angenommen, weil der betroffene Asylantragsteller mit seiner Überstellung an Griechenland als Signaturstaat der EMRK einer Situation äußerster materieller Armut ausgeliefert worden sei, was den belgischen Behörden bewusst gewesen sei (Rn. 263 f., 366 f.). Jedoch erstreckt diese Entscheidung den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ausdrücklich nicht allgemein auf soziale Leistungsrechte; der EGMR betont vielmehr die Fortgeltung seiner insoweit sehr zurückhaltenden Rechtsprechung (Rn. 249 m.w.N.) und begründet seine Entscheidung mit dem Schutz der Menschenwürde von Personen, die - in einem ihnen völlig fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (Rn. 253). Als eine hiernach in Betracht zu ziehende Personengruppe führt der EGMR die Gruppe der Asylsuchenden an, die er als besonders verletzlich und schutzbedürftig qualifiziert (Rn. 251, 259).
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Dass damit keine generelle Erstreckung des Schutzes nach Art. 3 EMRK auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen einhergeht, ergibt sich auch aus nachfolgenden Urteilen des EGMR (vgl. Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 9 m.w.N.). In seinem Urteil vom 28. Juni 2011 im Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich (Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681) stellt der EGMR nochmals klar, dass in Abschiebungsfällen nur zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen ist, verletzt die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergibt, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (Rn. 218). Zugleich weist der EGMR darauf hin, dass die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend sind, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht nach Auffassung des EGMR aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind (Rn. 278). Nur soweit die schlechten humanitären Bedingungen - wie in Somalia - nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen zurückzuführen sind, sondern überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen, hält der EGMR das im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (a.a.O.) entwickelte Kriterium für besser geeignet, nach dem die Fähigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt werden muss, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, weiter seine Verletzlichkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage in angemessener Zeit (Rn. 282 f.).
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Welche Anforderungen sich aus dieser Rechtsprechung des EGMR im Einzelnen für Abschiebungen in den Herkunftsstaat bei schlechten humanitären Bedingungen ergeben, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst der EGMR geht in Bezug auf Afghanistan davon aus, dass die allgemeine Lage dort nicht so ernst ist, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK wäre (EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09, Husseini/Schweden - NJOZ 2012, 952 Rn. 84). Auch auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen für eine allein auf die allgemeinen Lebensbedingungen im Herkunftsland gestützte Verletzung des Art. 3 EMRK ersichtlich nicht vor. Maßgeblich ist dabei die Perspektive des abschiebenden Staates, aus dessen Sicht zu prüfen ist, ob der Betroffene durch die Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Bei dieser Prüfung stellt der EGMR grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat ab und prüft zunächst, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 a.a.O. Rn. 265, 301, 309). Das gilt auch bei der Beurteilung von Umständen, die nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen, dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK aber dennoch eine Abschiebung des Ausländers verbieten.
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Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass derzeit nur eine Abschiebung nach Kabul möglich ist (UA S. 14). Zugleich hat es sich bezüglich der allgemeinen Lebensbedingungen in Kabul - im Rahmen seiner Ausführungen zu § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG - in tatsächlicher Hinsicht der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs angeschlossen, dass zu erwarten sei, dass Rückkehrer dort durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten (UA S. 23). Die daran anschließende Bemerkung des Berufungsgerichts, aufgrund der schlechten Gesamtsituation dürfte ohne schützende Familien- und Stammesstrukturen eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten "kaum zumutbar" sein, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Sie umfasst nicht die tatsächliche Feststellung, die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Abschiebezielstaat seien so schlecht, dass nach Art. 3 EMRK von einer Abschiebung zwingend abgesehen werden müsse. Mit dieser Formulierung bringt das Berufungsgericht lediglich seine Haltung zum Ausdruck, dass die rechtlichen "Hürden" des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme eines Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG seiner Auffassung nach zu hoch sind, und lässt in der Sache sein Bedauern erkennen, dass die oberste Landesbehörde für Afghanistan keinen generellen Abschiebestopp aus humanitären Gründen gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG angeordnet hat und das Gericht diese politische Entscheidung - unterhalb der hier nicht erreichten Grenze verfassungsrechtlich gebotenen Abschiebungsschutzes - nicht zu ersetzen vermag (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 5).
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Damit liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG - ungeachtet des Umstandes, dass bei § 60 Abs. 2 AufenthG und bei § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in rechtlicher Hinsicht unterschiedliche Maßstäbe gelten - ersichtlich nicht vor. Selbst bei Zugrundelegung der - vom EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland für einen gänzlich anderen Anwendungsfall entwickelten und in den Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich auf eine ebenfalls andere Ausgangssituation im Herkunftsstaat übertragenen - abgesenkten und auf die Situation besonderer Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit bezogenen Maßstäbe ergäbe sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Verhältnissen in Kabul für den Kläger kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 10).
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Auch insoweit bedarf es keiner Vorlage an den EuGH. Die Voraussetzungen, unter denen einen abschiebenden Staat aus Art. 3 EMRK ausnahmsweise eine Verantwortung für nicht dem Abschiebezielstaat oder anderen Akteuren zuzurechnende Umstände trifft, ergeben sich aus der Rechtsprechung des EGMR und werfen im vorliegenden Verfahren keine entscheidungserheblichen unionsrechtlichen Zweifelsfragen auf. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU zu beachten. Dass die Richtlinie in Bezug auf Art. 3 EMRK bei Umständen, die weder in die Verantwortung des Abschiebezielstaats noch eines sonstigen Akteurs fallen, keinen über die Rechtsprechung des EGMR hinausgehenden Schutz gewährt, ergibt sich schon aus Art. 6 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 6 der Richtlinie 2004/83/EG). Denn dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass es nach den Vorstellungen des Richtliniengebers auch beim subsidiären Schutz grundsätzlich eines Akteurs bedarf, von dem ein ernsthafter Schaden ausgehen kann.
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4. Kann der Senat mangels hinreichender tatrichterlicher Feststellungen weder positiv noch negativ abschließend über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden, so ist das Berufungsurteil schon aus diesem Grund aufzuheben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, ohne dass es auf die von der Revision fristgerecht erhobenen Verfahrensrügen ankommt. Zur Klarstellung weist der Senat allerdings darauf hin, dass die gerügten Verfahrensfehler nicht vorliegen. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in den Beschlüssen des Senats vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 16.12 und 10 B 20.12 - zu vergleichbaren Verfahrensrügen des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil es den Rechtsstreit nicht dem EuGH vorgelegt hat. Ein solcher Verstoß scheidet schon deswegen aus, weil es nach Art. 267 Abs. 2 AEUV zwar zur Vorlage berechtigt, nicht aber verpflichtet ist. Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage an den EuGH aber auch nicht vor. Die entscheidungserheblichen Fragen des Unionsrechts sind in der Rechtsprechung des EuGH geklärt bzw. unterliegen keinen Zweifeln, die eine Vorlage rechtfertigen oder gar gebieten. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
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5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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5.1 Das Berufungsgericht wird hinsichtlich des Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes vor allem mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auf aktueller Tatsachengrundlage zu klären haben, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht und ihm dort die Gefahren drohen, vor denen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewährt. Ist dies der Fall, hat es weiter zu prüfen, ob der Kläger nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf die Möglichkeit internen Schutzes in einem anderen Landesteil - insbesondere Kabul - verwiesen werden kann.
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5.2 Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes hat, wird es auf aktueller Erkenntnislage auch erneut über den Hilfsantrag des Klägers auf Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 und 3 AufenthG zu entscheiden haben.
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a) Dabei kann dahinstehen, wie die Aussage des Berufungsgerichts bei § 60 Abs. 5 AufenthG zu verstehen ist, dass bezüglich Art. 3 EMRK die weitergehende und unionsrechtlich aufgeladene Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG "vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen" sei. Sollte das Berufungsgericht damit zum Ausdruck bringen wollen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK durch § 60 Abs. 2 AufenthG verdrängt wird, wäre dies allerdings nicht mit Bundesrecht zu vereinbaren.
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Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (Urteil vom 11. November 1997 - BVerwG 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse).
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Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung zu berücksichtigen (Art. 3 EMRK), ist der sachliche Regelungsbereich zwar weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG und geht über diesen, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht hinaus. Denn § 60 Abs. 2 AufenthG knüpft - wie dargelegt - an Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EG an, der seinerseits die Verantwortung des Abschiebestaats nach Art. 3 EMRK übernimmt. Auch wenn bei Anträgen auf internationalen Schutz der unionsrechtliche Abschiebungsschutz - und damit auch das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG - vor dem nationalen Abschiebungsschutz zu prüfen ist, folgt hieraus in Bezug auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK keine (verdrängende) Spezialität des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG, die eine Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG bereits dem Grunde nach ausschließt. Die Gewährleistung nach nationalem Recht tritt vielmehr selbstständig neben die aus Unionsrecht. Eine tatbestandsausschließende Spezialität des § 60 Abs. 2 AufenthG wäre mit dem hohen Rang, den die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsgüter haben, unvereinbar. Damit ist hinsichtlich des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in jedem Fall materiell zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllt sind. In Fällen, in denen - wie hier - gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet allerdings bei Verneinung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, so dass in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind.
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b) Schließlich soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat auch dann abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nur nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Sperrwirkung).
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Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen kann, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (stRspr, vgl. Urteil vom 8. September 2012 - BVerwG 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 - Rn. 22 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.
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Das Berufungsgericht hat in Anwendung dieser Maßstäbe ein Abschiebungsverbot verneint, weil in tatsächlicher Hinsicht zu erwarten sei, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Dabei hat es weder die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, dass es infolge der problematischen Versorgungslage, die neben der Versorgung mit Lebensmitteln auch die medizinische Versorgung und die Versorgung mit Wohnraum umfasst, zur Beeinträchtigung fundamentaler Schutzgüter kommen werde, überspannt noch hat es seine tatrichterliche Überzeugung auf einer zu schmalen Tatsachenbasis gebildet. Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe im Rahmen der Beurteilung einer extremen Gefahrenlage die medizinische Versorgungslage nicht hinreichend berücksichtigt, verkennt sie, dass diese nur bei akut behandlungsbedürftigen Vorerkrankungen oder in Fällen von Bedeutung ist, in denen aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse mit einer entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit eine lebensbedrohliche Erkrankung zu erwarten ist, für die dann faktisch kein Zugang zu medizinischer (Grund-)Versorgung besteht (s.a. Beschluss vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 20.12 - Rn. 14).
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Soweit das Berufungsgericht im Übrigen der Auffassung ist, das Bundesverwaltungsgericht stelle an das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung überzogene rechtliche Anforderungen, geben die Ausführungen dem Senat keine Veranlassung zu einer Änderung seiner Rechtsprechung. Das Berufungsgericht begründet seine Kritik damit, dass die Zumutbarkeit einer Rückkehr unter humanitären Gesichtspunkten, die es aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen selbst für gesunde alleinstehende Männer "kaum" für gegeben hält, nach der Rechtsprechung "kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG" sei. Mit diesen Erwägungen stellt es dem aus dem Verfassungsrecht abgeleiteten Rechtsbegriff der Zumutbarkeit eine eigene - mit außerrechtlichen Erwägungen begründete und enger gefasste - Zumutbarkeit gegenüber und vermischt damit die Grenze zwischen einer dem Betroffenen rechtlich (noch) zumutbaren und einer nicht (mehr) zumutbaren Rückkehr. Dabei vernachlässigt es zudem, dass es bei der verfassungskonformen Auslegung nicht um die Bestimmung eines aus Sicht des jeweiligen Gerichts "sinnvollen" und/oder "menschenrechtsfreundlichen" Abschiebungsschutzregimes geht, sondern um die Festlegung der Voraussetzungen, unter denen im gewaltenteilenden Rechtsstaat die Rechtsprechung befugt ist, über eine verfassungskonforme Auslegung ausnahmsweise die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, allgemeine Gefahren nur im Rahmen einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, unbeachtet zu lassen. Hierbei macht es in der Sache einen erheblichen Unterschied, ob ein Mensch ohne jeden Ausweg in eine Situation gebracht wird, in der er so gut wie keine Überlebensmöglichkeit hat, oder ob er bei allen - auch existenzbedrohenden - Schwierigkeiten nicht chancenlos ist, sondern die Möglichkeit hat, Einfluss auf sein Schicksal zu nehmen.
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Die weiteren Zweifel des Berufungsgerichts, ob ein Obergericht revisionsrechtlich dazu verpflichtet werden könne, sich mit der abweichenden Einschätzung anderer Obergerichte auseinanderzusetzen, betreffen nicht den materiell-rechtlichen Maßstab für die Beurteilung einer extremen Gefahrenlage selbst. Die damit ausgedrückte Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 Rn. 22) vernachlässigt, dass diese Auseinandersetzung nicht als Selbstzweck gefordert wird. Sie zielt auf eine Verbesserung der Entscheidungsqualität durch Verbreiterung der erkennbar in die tatrichterliche Bewertung eingestellten Tatsachen- und Argumentationsbasis. Dies gilt namentlich in Fällen, in denen es - wie hier - im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG um eine "Korrektur" des demokratisch legitimierten Gesetzgebers geht, für die im Rahmen der Tatsachen- und Lagebeurteilung eine umfassende Gesamtwürdigung der voraussichtlichen Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat und der damit verbundenen Gefahren erforderlich ist.
Tenor
I.
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylG bezüglich Afghanistan vorliegen. Soweit die Ziffern 3. und 4. des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 31. Juli 2012 dem entgegenstehen, werden sie aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin 3/4, die Beklagte 1/4 zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wurde eigenen Angaben zufolge am … in Ghazni geboren. Sie sei afghanische Staatsangehörige mit der Volkszugehörigkeit Multani und der Glaubenszugehörigkeit Hindu. Sie gibt an, ihr Heimatland gemeinsam mit ihren Eltern zunächst nach Pakistan verlassen zu haben und dann gemeinsam mit ihrem Vater am 6. September 2011 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. Hier stellte sie am 14. September 2011 einen Asylantrag.
Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 14. September 2011 sowie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am
Zu ihren Fluchtgründen erklärte die Klägerin, ein unbekannter Mann habe ihre damals 16-jährige Schwester namens S. zwangsweise mitgenommen. Sie sei nach etwa einer Woche zurückgekommen und habe gesagt, sie wolle ein eigenes Zimmer im Haus haben. Noch in der gleichen Nacht habe sie sich dort erhängt. Der Entführer der Schwester habe einen Brief zurückgelassen, aus dem zu entnehmen gewesen sei, dass er sie mitgenommen habe. Sie hätten dann auch etwa drei Tage nach dem Tod der Schwester einen Drohbrief erhalten, wonach auch sie selbst mitgenommen werden sollte. Der Brief habe von derselben Person gestammt, die auch ihre Schwester entführt habe. Wegen dieses Drohbriefes habe sie dann etwa 15 bis 20 Tage nach dem Tod ihrer Schwester mit ihren Eltern Ghazni verlassen und nach nach Kabul gegangen. Sie hätten dann etwa 1 ½ Jahre in Kabul gelebt. Dort habe es keine Probleme mehr gegeben. Auf die Frage, ob es Probleme aufgrund ihres hinduistischen Glaubens gegeben habe, erklärte die Klägerin, sie seien von Bevölkerung beschimpft und bespuckt worden, da sie für diese Ungläubige seien. Sie hätten sich aber wenig mit der Religion beschäftigt. Sie sei einmal mit ihrem Vater im Tempel in Kabul gewesen. Darüber hinaus erklärte die Klägerin, dass ihre Mutter an Epilepsie leide. In Kabul sei sie deswegen mit Medikamenten behandelt worden, die die Familie bezahlt habe.
Auf Vorhalt, dass ihr Vater den Namen der zu Tode gekommenen Schwester mit „I.“ und deren Alter mit 20 Jahren angegeben habe sowie dass sie tot vor der Haustüre gelegen habe, erklärte die Klägerin, der Vater habe das Richtige gesagt. Ihren Namen habe er nicht ganz richtig ausgesprochen. Wie alt die Schwester gewesen sei, könne sie nicht genau sagen. Sie habe auch vor der Tür gelegen, ihr Vater habe ihr gesagt, dass der Mann, der sie mitgenommen habe, sie ermordet und dann vor die Tür gelegt habe. Auf weitere Nachfrage bekräftigte sie, dass sie wisse, dass die Schwester Selbstmord begangen habe. Danach befragt, ob sie einen Bruder namens M. gehabt habe, erklärte die Klägerin, dass sie diesen Namen nicht kenne. Auch dass dieser 1994 getötet worden sein soll, wisse sie nicht.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom
II.
Gegen den am 4. August 2012 zugestellten Bescheid des Bundesamtes ließ die Klägerin mit Schriftsatz vom 8. August 2012, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg am gleichen Tage, Klage erheben.
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom
2. Es wird festgestellt, dass für die Klägerin Abschiebeverbote nach § 60 AufenthG vorliegen.
Des Weiteren wurde beantragt, der Klägerin Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss vom 6. Juni 2016
Mit Beschluss vom 7. Juni 2016
Es wurden verschiedene Erkenntnismittel zu Afghanistan, Stand April 2016, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, auf die Bezug genommen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten und auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom
Gründe
Die Klage, über die trotz des Ausbleibens von Beteiligten in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und teilweise begründet, soweit sie darauf gerichtet ist, bei der Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan festzustellen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Soweit der Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 dem in seinen Ziffern 3. und 4. entgegensteht, ist dieser aufzuheben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO). Darüber hinaus ist der angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 rechtmäßig. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, oder die Zuerkennung des subsidiären Schutzes, § 4 Abs. 1 AsylG, noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Insoweit ist die Klage unbegründet und war daher abzuweisen. Maßgeblich für die Entscheidung über Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG).
A. I.
Die Klägerin hat Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein betreffen, so ist die Gewährung von Abschiebungsschutz einer politischen Leitentscheidung der obersten Landesbehörde nach § 60a AufenthG vorbehalten. Beim Fehlen einer politischen Regelung i. S. des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zutreffend anerkannt, dass im Falle einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die den einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, unabhängig vom Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 a AufenthG Schutz vor Abschiebung gewährt werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 - BVerwGE 99, 324 ff., juris; U.v.
1.a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr aufgrund der allgemein schwierigen Verhältnisse in eine extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Arbeitseinkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (ständige Rechtsprechung, z. B. BayVG,
b) Die Klägerin im vorliegenden Verfahren ist aufgrund ihrer persönlichen Umstände - allein aufgrund ihres Geschlechts - jedoch ersichtlich nicht der o.g. Gruppe der alleinstehenden und arbeitsfähigen männlichen Rückkehrer nach Afghanistan zuzurechnen. Eine extreme Gefahrenlage kann sich nämlich umgekehrt für besonders schutzbedürftige Rückkehrer wie Minderjährige, alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien mit Kleinkindern und Personen, die aufgrund besonderer persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen, ergeben (vgl. München,
Zur aktuellen Lage in Afghanistan stellt das Auswärtige Amt im Lagebericht vom
Die Schweizer Flüchtlingshilfe teilt in ihrem Update vom
Der UNHCR erklärt in seinen Richtlinien vom
c) Bei der Beurteilung, ob im Einzelfall eine extreme Gefahrenlage besteht, ist zudem zu beachten, dass Familienangehörige wegen des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 GG nur gemeinsam mit ihren Kindern und ihrem Ehepartner nach Afghanistan zurückkehren können (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BVR 586/13 - juris). Daher sind bei der Beantwortung der Frage, ob das Existenzminimum im Heimatland gewährleistet sein wird, alle Familienmitglieder gemeinsam in den Blick zu nehmen (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - juris; VG München, U.v. 21.4.2016 - M 15 K 16.30413 - juris Rn. 23; VG Gelsenkirchen, U.v. 20.8.2015 - 5 a K 4515/13 A - juris Rn. 42). Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen, wie bei Angehörigen, die als politisch Verfolgte Abschiebungsschutz genießen, könne eine andere Betrachtung geboten sei (BVerwG a. a. O.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor, so dass eine gemeinsame Rückkehr der Klägerin mit ihren Eltern, den Klägern im ebenfalls am 5. Juli 2016 entschiedenen Parallelverfahren W 1 K 16.30614, zugrunde zu legen ist.
d) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen würde sich die allgemeine Gefahrensituation in Afghanistan für die Klägerin derart zu einer extremen Gefahr verdichten, dass eine Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung im vorliegenden Fall geboten ist.
Die Klägerin wäre bereits allein schon aufgrund der patriarchalischen Sozialnormen und der damit einhergehenden untergeordneten Stellung der Frau in Afghanistan nicht in der Lage, ihren eigenen Unterhalt, geschweige denn den der gesamten Familie, zu erwirtschaften. In Afghanistan hat sie keine Schule besucht oder einen Beruf erlernt. Menschen, die Analphabeten sind und keinen Beruf erlernt haben, haben bestenfalls die Möglichkeit, sich um Hilfsarbeiten zu bemühen, die regelmäßig mit harter körperlicher Arbeit verbunden sind (vgl. Sachverständigengutachten des Dr. D. an den Hess. VGH
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Rückkehrsituation wesentlich auch davon mitgeprägt wird, ob sich Rückkehrer auf familiäre oder sonstige verwandtschaftliche Strukturen verlassen können oder ob sie auf sich allein gestellt sind. Die Klägerin hat vor dem Bundesamt angegeben, im Heimatland keine weiteren Verwandten zu haben. Das Gericht ist unter Einbeziehung der Aussagen ihrer Eltern, den Klägern im Verfahren W 1 K 16.30614, der Auffassung, dass die Klägerin zumindest nicht auf verwandtschaftliche Hilfe in Afghanistan hoffen könnte. Der Vater der Klägerin hat nämlich insoweit vor dem Bundesamt angegeben, dass er in Kabul einen Cousin habe. Er hat dort jedoch auch mehrmals erwähnt, dass er schon lange keinen Kontakt mehr zu diesem Cousin gehabt habe und er darüber hinaus keinerlei Verwandtschaft in Afghanistan besitze. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nunmehr nach diesem Cousin befragt angegeben, dass es einen solchen Cousin nicht gebe, es habe sich um einen Übersetzungsfehler vor dem Bundesamt gehandelt. Auch wenn dies dem Gericht nicht glaubhaft erscheint, so ist es dennoch davon überzeugt, dass der Vater der Klägerin zu diesem einzigen Verwandten in seinem Heimatstaat - nicht zuletzt aufgrund des vergangenen langen Zeitraums seit der Ausreise der Kläger vor rund 5 Jahren - keine Verbindungen mehr hat und insoweit auch nicht auf dessen Hilfe hoffen könnte. Auch die Mutter der Klägerin hat im gesamten Verfahren glaubhaft angegeben, nicht über weitere Verwandtschaft in Afghanistan zu verfügen, was auch naheliegend erscheint, nachdem nur noch rund 3.000 Hindus überhaupt noch in Afghanistan leben.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin - wie auch ihre Eltern - der Religionsgruppe der Hindus zugehört, welche in Afghanistan von der muslimischen Mehrheitsbevölkerung als Außenseiter betrachtet werden und mit gesellschaftlicher Diskriminierung konfrontiert sind, was die wirtschaftliche Situation die Klägerin über die ohnehin sehr schwierige allgemeine Lage hinaus noch weiter negativ beeinflussen würde. Als Zugehörige einer kleinen Minderheit könnte die Klägerin nämlich nicht auf ein Patronagenetzwerk zurückgreifen, welches in Afghanistan der Erkenntnismittellage entsprechend - unabhängig von den oben dargestellten für die Klägerin bereits unüberwindbaren Probleme - notwendig ist, um die Chance etwa auf einen Arbeitsplatz oder Wohnraum zu erhalten.
Eine andere Einschätzung ergibt sich schließlich auch nicht mit Blick auf die Eltern der Klägerin, die Kläger im Parallelverfahren W 1 K 16.30614. Auch wenn die Klägerin entsprechend der obigen Ausführungen gemeinsam mit ihren Eltern nach Afghanistan zurückkehren würde, so würde sich an der extremen Gefahr, in die die Klägerin und mit ihr die gesamte Familie alsbald nach ihrer Rückkehr geraten würde, nichts ändern. Dies ergibt sich aus folgenden weiteren Erwägungen in Bezug auf die Eltern der Klägerin:
Was den Vater der Klägerin angeht, so ist zentral bereits dessen hohes Alter von mittlerweile 70 Jahren in den Blick zu nehmen, womit er die in Afghanistan derzeit bestehende Lebenserwartung von 50 Jahren (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 6.11.2015) statistisch bereits signifikant überschritten hat. Aufgrund dieses Alters erscheint es dem Gericht ausgeschlossen, dass er in Afghanistan noch in der Lage wäre, den Lebensunterhalt für sich, geschweige denn - wie es in Afghanistan vielfach üblich ist - auch für seine Familie zu erwirtschaften. Zwar hat der Vater in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es ihm gesundheitlich gut gehe, er hat jedoch in glaubhafter Weise ebenfalls darauf verwiesen, dass er Probleme mit den Zähnen und seinem Rücken habe, an dem er in Afghanistan operiert worden sei. Er sieht sich selbst daher nicht mehr in der Lage dazu, aufgrund seines Alters in Afghanistan zu arbeiten. Dies deckt sich mit der Einschätzung des Gerichts aus der mündlichen Verhandlung, in dem der Vater augenscheinlich einen schwachen und gebrechlichen Eindruck gemacht hat. In Afghanistan herrscht zudem wie ausgeführt sehr hohe Arbeitslosigkeit. Menschen, die, wie der Vater der Klägerin Analphabeten sind und keinen Beruf erlernt haben, haben bestenfalls die Möglichkeit, sich um Hilfsarbeiten zu bemühen, die regelmäßig mit harter körperlicher Arbeit verbunden sind (vgl. Sachverständigengutachten des Dr. D. an den Hess. VGH
Auch die Mutter der Klägerin ist bereits 61 Jahre alt. Sie leidet darüber hinaus an einer Vielzahl von Erkrankungen (cerebrales Anfallsleiden, chronische Bronchitis, Retropatellar-Arthrose beidseitig, Arthrose der rechten Hand, chronisches degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Helicobacter positive Gastritis (Oktober 2013), Hypertonie). Sie machte in der mündlichen Verhandlung auf den erkennenden Einzelrichter einen sehr geschwächten Eindruck und hat sich beim Gehen auf einen Rollator stützen müssen. Aufgrund dieser sehr schlechten gesundheitlichen Situation sowie der aufgrund der geltenden Sozialnormen generell untergeordneten Stellung der Frau in der afghanischen Gesellschaft wäre es ihr vollkommen unmöglich, ihren eigenen Lebensunterhalt oder gar den der Familie zu erwirtschaften. Die Mutter verfügt darüber hinaus wie ihr Ehemann und ihre Tochter ebenfalls nicht über Schulbildung, ist Analphabetin und hat zeitlebens nur im Haushalt gearbeitet. Zudem ist bei der Mutter der Klägerin zu bedenken, dass sie - zumindest was ihr cerebrales Anfallsleiden betrifft - zur Vorbeugung gegen epileptische Anfälle auf eine Dauermedikation angewiesen ist, wie sie glaubhaft in der mündlichen Verhandlung angegeben hat und sich darüber hinaus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Medikamentenverordnungsübersicht von Herrn Dr. P. vom 20. Juni 2016 ergibt. Die Mutter ist gegen diese Erkrankung in ihrem Heimatland zwar bereits vor ihrer Ausreise behandelt worden, jedoch sind die erforderlichen Medikamente nach ihrem Vortrag wie auch den Ausführungen des Beklagten im angegriffenen Bundesamtsbescheid durch die Kläger selbst zu finanzieren (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10.1.2012). Diese für afghanische Verhältnisse keinesfalls vernachlässigbaren Kosten würden den Lebensunterhalt der Mutter und damit der gesamten Familie über die gewöhnlichen Verhältnisse hinaus weiter verteuern.
Im Rahmen einer Gesamtschau all dieser Aspekte würde der Klägerin bei einer Rückkehr nach Afghanistan alsbald in eine extreme Gefahrenlage geraten, in der ihr Leben akut in Gefahr wäre. Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die beschriebene extreme Gefahr die Klägerin landesweit, insbesondere in der Hauptstadt Kabul und in ihrer Herkunftsregion, der Stadt Ghazni in der gleichnamigen Provinz, alsbald nach ihrer Rückkehr treffen würde.
II.
Wegen des nach alledem festzustellenden Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG auch der unter Ziffer 4. des angegriffenen Bundesamtsbescheides verfügten Abschiebungsandrohung entgegen, so dass diese ebenso wie dessen Ziffer 3. - soweit sie der ausgesprochenen Verpflichtung entgegen steht - aufzuheben war.
B. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG oder auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
III.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, weil ihr im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan keine landesweite asylrelevante Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 i. V. m. §§ 3a ff. AsylG droht.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG (BT-Drs. 16/5065 S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i. S. d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der ab 24. Oktober 2015 geltenden Fassung (Art. 1, Art. 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes v. 20.10.2015, BGBl I, S. 1722 ff.) in der Fassung der Änderungen durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 12. März 2016 (BGBl. I, S. 390 ff.) sowie Art. 2 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 12. März 2016 (BGBl. I, S. 394 ff.) anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG - wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG - die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) - Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
Dies zugrunde gelegt hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylG. Der Einzelrichter folgt gemäß § 77 Abs. 2 AsylG den Ausführungen der Beklagten im Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 und sieht von einer weiteren Darstellung ab, soweit darin eine Gruppenverfolgung der Hindus in Afghanistan abgelehnt wird.
Ergänzend ist auszuführen, dass diese Auffassung durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Urteil vom 19. September 2013 mit überzeugenden Ausführungen bestätigt wurde (VGH Baden-Württemberg, U.v. 19.9.2013 - A 11 S 689/13 - juris Rn. 65 ff.). Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht für das vorliegende Verfahren an. Auch den vorliegenden aktuellsten Erkenntnismitteln lässt sich keine Situation entnehmen, die eine Änderung dieser Einschätzung rechtfertigen würde.
So wird im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 6. November 2015 im hier relevanten Kontext dargelegt, dass die indische Botschaft in Kabul davon ausgehe, dass in Afghanistan wenige Tausend Hindus und Sikhs verblieben seien. Es gebe vier Hindutempel landesweit, zwei davon in Kabul sowie je einen in Jalalabad und Helmand. Staatliche Diskriminierung gebe es nicht, auch wenn der Weg in öffentliche Ämter für Hindus schon aufgrund fehlender Patronagenetzwerke schwierig sei. Hindus würden aber von großen Teilen der muslimischen Bevölkerung als Außenseiter wahrgenommen. Viele Muslime lehnten insbesondere Feuerbestattungen ab, die im Hinduismus das zentrale Begräbnisritual darstellten. Die afghanische Regierung habe darauf reagiert, indem sie den Hindus einen dafür gewidmeten Ort zur Verfügung gestellt habe. Auf dem Weg dorthin würden Trauergemeinden allerdings den Berichten zufolge belästigt und bedroht. Es gebe auch Berichte, wonach Hindus und Sikhs Opfer illegaler Enteignungen und Beschlagnahmung ihrer Grundstücke geworden seien. Seit 2014 hätten Hindus und Sikhs Anspruch auf einen gemeinsamen Sitz im Parlament, der derzeit durch eine Frau eingenommen werde.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in ihrem Update vom 13. September 2015 aus, dass sich Hindus weiterhin mit Diskriminierungen konfrontiert sähen. Die afghanische Regierung sei bislang nicht gegen die stark eingeschränkte Teilhabe der Hindus an Politik, Geschäftsleben und unrechtmäßigen Enteignungen vorgegangen. Sie sei nicht willens oder fähig, die religiösen Minderheiten vor Übergriffen zu schützen. Bei Ausübung der religiösen Zeremonien, insbesondere bei Beisetzungen, komme es immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen.
Der UNHCR schreibt in seinen aktuellen Richtlinien vom 19. April 2016, dass eine große Zahl von Hindus Afghanistan als Reaktion auf große Schwierigkeiten, denen sie sich ausgesetzt sähen, verlassen hätte. Die geringe Zahl der verbliebenen Hindus sei Berichten zufolge umso verletzlicher für Missbrauch. Obwohl es den Hindugemeinden erlaubt sei, ihre Religion öffentlich zu praktizieren, werde berichtet, dass sie sich fortgesetzter Diskriminierung durch den Staat gegenüber sähen, etwa im Bereich der politischen Partizipation und Stellenbesetzung innerhalb der Regierung. Ebenso werde berichtet, dass sich die Hindus gesellschaftlicher Diskriminierung und Einschüchterung ausgesetzt sähen. Die Hindugemeinden berichteten von Schwierigkeiten bei der Ausführung von Begräbnisritualen und fühlten sich ungeschützt durch staatliche Behörden, etwa im Falle von Landstreitigkeiten. Hindus seien Berichten zufolge Opfer von illegaler Landnahme geworden und würden es aus Angst vor Vergeltung unterlassen, zur Wiedererlangung der Grundstücke gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es gebe eine kleine Zahl von Schulen für Hindus; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen in Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt.
Es zeigt sich nach alledem, dass Hindus allein aufgrund ihrer Volks- bzw. Religionszugehörigkeit oder ihres Erscheinungsbildes weder Tötungen noch schweren körperlichen Misshandlungen oder ähnlich schwerwiegenden Rechtsgutsverletzungen ausgesetzt sind. Insoweit hat sich die Situation seit der Herrschaftszeit der Taliban deutlich verbessert. Das, was den Hindus in Afghanistan widerfährt, ist Ausfluss der allgemeinen Situation in Afghanistan. Politische und administrative Ämter werden oft willkürlich vergeben, wobei informelle Beziehungsnetzwerke und der Proporz der Ethnien eine wesentliche Rolle spielen. Primäres Kriterium bei der Personalauswahl ist häufig die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe oder einem bestimmten Clan. Marginalisierte Gruppen wie etwa die Hindus haben aus diesem Grunde geringere oder nahezu keine Chancen, bei öffentlichen Positionen eingestellt zu werden. Korruption und die Zahlung von Schmiergeldern ist in Afghanistan an der Tagesordnung. Durch Einflussnahme und Zahlung von Bestechungsgeldern an Justiz und Verwaltung werden Entscheidungen nach rechtstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen verhindert. So ist etwa das Problem der illegalen Landnahmen und die mangelnde Durchsetzbarkeit von Rückgabeansprüchen kein spezifisches gegen Hindus gerichtetes Phänomen, sondern auch andere Bevölkerungsgruppen sind hiervon betroffen (vgl. VGH BW, U.v. 19.9.2013 - A 11 S 689/13 - juris Rn. 89). Das Gericht schließt sich vor diesem Hintergrund abermals der Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in der zitierten Entscheidung an, wonach konkrete Referenzfälle, die den Schluss erlauben würden, dass die Diskriminierung der Minderheit der Hindus oder auch sonstige Beeinträchtigungen und Repressalien gegen sie nicht nur auf den vorstehend beschriebenen Missständen beruhen, sondern Bestandteile eines Vorgehens gezielt gegen diese Minderheiten wären, den vorliegenden - auch aktuellsten -Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen sind.
2. Auch eine individuelle Verfolgung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Hindu, § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG, die eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach sich zöge, kann die Klägerin nicht geltend machen.
Eine Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG aus Gründen der Religion kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH v. 5.9.2012 - C - 71/11 und C - 99/11
Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung i. S.v. § 3a Abs. 1 AsylG zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH a. a. O. Rn. 70; BVerwG a. a. O. Rn. 28 ff.).
Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter, wie z. B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere - aber nicht nur - dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei Strafrechtsverboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, weil ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, keine erhebliche Verfolgungsgefahr begründet (BVerwG a. a. O., Rn. 28 m. w. N.). Ein hinreichend schwerer Eingriff setzt dabei nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach der Rückkehr in sein Heimatland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr einer Verfolgung aussetzt. Auch der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen (BVerwG, a. a. O. Rn. 26).
Als relevanter subjektiver Gesichtspunkt ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH a. a. O. Rn. 70; BVerwG a. a. O. Rn. 29; VGH BW a. a. O. Rn. 48; OVG NRW a. a. O. Rn. 35). Denn der Schutzbereich der Religionsfreiheit erfasst sowohl die von der Glaubenslehre vorgeschriebenen Verhaltensweisen als auch diejenigen, die der einzelne Gläubige für sich selbst als unverzichtbar empfindet. Dabei kommt es auf die Bedeutung der religiösen Praxis für die Wahrung der religiösen Identität des einzelnen Ausländers an, auch wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis nicht von zentraler Bedeutung für die betreffende Glaubensgemeinschaft ist (BVerwG
Die von der Klägerin vorgetragenen Verfolgungsmaßnahmen aus religiösen Gründen weisen bereits objektiv nicht die erforderliche Schwere auf, so dass sie nicht als Verfolgungshandlungen i. S. d. § 3a Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AsylG zu qualifizieren sind.
Die Klägerin hat insoweit vor dem Bundesamt vorgetragen, dass - wenn sie ab und zu draußen gewesen seien - sie von der Bevölkerung beschimpft worden seien, da diese sie als Ungläubige angesehen hätten. Die Leute hätten auch auf sie gespuckt. Darüber hinaus habe es aber nichts gegeben. Sie hätten sich auch wenig mit der Religion beschäftigt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin diesen Vortrag in Übereinstimmung mit den Aussagen vor dem Bundesamt weitgehend - mit teilweise anderen Worten - wiederholt (hätten nicht nach draußen gehen können, wurden als Ungläubige bezeichnet, man habe sie ausgelacht und bespuckt). Dieser Teil ihrer Schilderungen kann nach Auffassung des Gerichts als wahr unterstellt werden. Er deckt sich insbesondere auch mit den Aussagen ihrer Eltern vor dem Bundesamt sowie mit der bereits oben dargestellten Erkenntnismittellage zur Situation der Hindus in Afghanistan. Dasselbe kann für die geringfügige Erweiterung in der mündlichen Verhandlung gelten, wonach die Klägerin in Afghanistan ein Kopftuch habe tragen müssen. Dies erscheint dem Gericht zum einen als Detail, das die Klägerin vor dem Bundesamt vergessen haben könnte zu erwähnen, zumal es auch in seiner Qualität nicht gegenüber dem bisherigen Vortrag - und in Abgrenzung zu anderen Weiterungen (s.u.) - in besonderer Weise hervortritt und auch zwanglos in dem islamisch geprägten Herkunftsland der Klägerin als wahr unterstellt werden kann.
Diese erlittenen Handlungen sind jedoch nicht so gravierend, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, darstellen, § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Nach Art. 15 Abs. 2 EMRK sind Abweichungen von dem Recht auf Leben, dem Verbot der Folter, dem Verbot der Sklaverei und Leibeigenschaft sowie dem Grundsatz, dass keine Strafe ohne Gesetz erfolgen darf, nicht zulässig. Diese Rechtsgüter wurden durch die genannten Maßnahmen in keiner Weise tangiert. Auch darüber hinaus ist eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte weder durch die Art noch durch die Wiederholung der in Rede stehenden Handlungen ersichtlich, auch nicht in Form einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen i. S.v. § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Das Beschimpfen, Auslachen und Bespucken sowie der - mindestens gesellschaftliche - Zwang, in der Öffentlichkeit Kopftuch tragen zu müssen, weisen als Angriffe insbesondere auf die Ehre der Klägerin sowie ihre allgemeine Handlungs- und Entfaltungsfreiheit, sich nach eigenen Vorstellungen kleiden zu können, ihrer Art nach keine derartige Schwere auf, dass sie einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung gleichkämen. Dasselbe gilt aber auch mit Blick auf die Wiederholung und Kumulierung derartiger Handlungen gegenüber der Klägerin, der dies ihrem Vortrag nach öfters widerfahren ist. Eine flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlung vermag dies gleichwohl nicht zu begründen, da eine unzumutbare Einschränkung der persönlichen Existenz hierin noch nicht zu erblicken ist. Insbesondere ist es in Afghanistan aufgrund des dort herrschenden patriarchalischen Gesellschaftssystems allgemein nicht üblich, dass sich Frauen dort frei und ohne Einschränkungen außerhalb der eigenen Häuslichkeit in der Öffentlichkeit bewegen. Diese gesellschaftliche Tatsache beruht daher offensichtlich nicht auf der Religionszugehörigkeit der Klägerin. Dasselbe gilt für das gebotene Tragen eines Kopftuches in der Öffentlichkeit. Zudem ergibt sich aus den anderweitigen Aussagen der Klägerin, dass sie gleichwohl nach draußen gegangen ist, auch wenn sie sich sicherlich aufgrund des ablehnenden Verhaltens der muslimischen Mehrheitsbevölkerung hierbei selbst beschränkt hat. Auch hat sie angegeben, mit ihrem Vater einmal den Hindutempel besucht zu haben.
Soweit die Klägerin darüber hinaus weitergehende Verfolgungshandlungen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Hindu vorgetragen hat, so können ihr diese nicht geglaubt werden. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf Befragen des Gerichts erstmals - fast 5 Jahre nach ihrer Einreise nach Deutschland - erklärt, es habe für sie keine Möglichkeit bestanden, die Schule zu besuchen. Zudem seien sie ständig dem Zwang ausgesetzt gewesen, Muslime zu werden, andernfalls die Gefahr bestanden habe, getötet zu werden. Diese als erheblich einzustufenden Steigerungen des verfolgungsrelevanten Sachvortrages erzeugen beim Gericht erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben (vgl. auch § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Die Klägerin hat vielmehr alle wesentlichen Umstände ihrer Verfolgung bzw. der Furcht vor Verfolgung bereits in der Anhörung vor dem Bundesamt vorzutragen (§ 25 Abs. 1 AsylG). Die Unglaubhaftigkeit dieses Teils ihres Vortrages ergibt sich auch daraus, dass die Klägerin vor dem Bundesamt auf ausdrückliche Nachfrage erklärt hat, über das Geschilderte hinaus sei im Hinblick auf Verfolgungsmaßnahmen aus religiösen Gründen nichts Weiteres vorgefallen. Auch hat sie dort bezeichnenderweise angegeben, dass die Familie in Kabul keine Probleme gehabt habe; einen konkreten Anlass für die Ausreise habe es nicht gegeben. Eine nachvollziehbare Erklärung dieser Weiterungen ist darüber hinaus nicht ersichtlich. Was die fehlende Möglichkeit eines Schulbesuchs angeht, so deckt sich dies - unabhängig von vorstehenden Ausführungen - nicht mit der oben dargestellten Erkenntnismittellage. Der UNHCR hat insoweit ausgeführt, dass es eine kleine Zahl von Schulen für Hindus gebe; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen in Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt. Es erscheint also eher so, dass die Klägerin die Schule nicht besucht hat, um den bezeichneten Belästigungen aus dem Wege zu gehen, oder schlicht, weil es in Afghanistan zumindest faktisch keineswegs die Regel darstellt, dass ein gesicherter Schulbesuch stattfindet, was die große Zahl von Analphabeten beweist. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass für die Klägerin keinerlei Möglichkeit bestanden hat, zumindest zeitweise und unter Inkaufnahme gewisser Erschwernisse eine Schule zu besuchen.
Ist die Klägerin nach alledem hinsichtlich ihrer Religionszugehörigkeit unverfolgt aus Afghanistan ausgereist, so lässt sich darüber hinaus der aktuellen Erkenntnismittellage ebenfalls nicht entnehmen, dass dieser bei ihrer jetzigen Rückkehr nach Afghanistan Maßnahmen von staatlicher bzw. nicht staatlicher Seite drohen, die über das seinerzeit Erlebte hinausgehen würden. Auf die obigen Ausführungen zur Situation der Hindus in Afghanistan wird diesbezüglich verwiesen.
3. Darüber hinaus ergibt sich für die Klägerin auch keine begründete Furcht vor Verfolgung aus ihrem weiteren Vortrag betreffend die Entführung und Ermordung einer angeblichen Schwester sowie der drohenden Entführung und Ermordung ihrer eigenen Person bzw. sogar der gesamten Familie.
Bei ihrer Befragung vor dem Bundesamt hat die Klägerin dieses Verfolgungsschicksal bereits nicht mit Verfolgungsgründen i. S. d. § 3b AsylG in Verbindung gebracht, so dass bereits aus diesem Grunde die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausscheiden würde. Soweit sie jedoch nunmehr diese Handlungen damit in Verbindung bringen will, dass sie Hinduistin ist und damit eine Hinwendung zum islamischen Glauben erzwungen werden sollte bzw. nach anderweitigem Vortrag ihres Vater, dass damit die Verheiratung der Töchter erzwungen werden sollte, so ist dieser gesamte vorgetragene Komplex bereits im eigenen Vortrag jedes einzelnen Familienmitgliedes (der Klägerin sowie ihres Vaters und ihrer Mutter, den Klägern im Verfahren W 1 K 16.30614) und sodann auch im Vergleich mit den Schilderungen der jeweils anderen Familienmitglieder mit einer solchen Vielzahl nicht erklärbarer Widersprüche behaftet, dass er den Klägern insgesamt nicht geglaubt werden kann.
Zunächst divergieren bereits die Namen der angeblich getöteten Schwester der Klägerin. Während ihr Vater vor dem Bundesamt angegeben hat, seine Tochter habe I. geheißen, wurde der Name von ihrer Mutter vor dem Bundesamt mit S. angegeben, während sie selbst dort den Namen S. gebrauchte. Auf entsprechenden Vorhalt vor dem Bundesamt erklärte ihre Mutter bezüglich dieser Differenzen, ihr Ehemann könne den Namen der Tochter nicht richtig aussprechen und bei dem von der Tochter gebrauchten Namen könne es sich um einen Spitznamen handeln. Bereits dies erscheint abwegig, nachdem die Bezeichnungen S. und I. keinerlei phonetische Gemeinsamkeiten aufweisen. Falls es sich bei dem Namen S. um einen Spitznamen gehandelt haben sollte, so ist nicht erklärlich, warum die Mutter diese Tatsache über ihre Tochter nicht sicher gewusst haben sollte. Im schriftsätzlichen Vortrag des Vaters vom 24. Juni 2016 bezeichnet dieser seine Tochter nunmehr als S., während er sie auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung als Se. bezeichnet. Auf Vorhalt des Gerichts in der mündlichen Verhandlung zu diesen Diskrepanzen erläuterte der Vater, es habe sich vor dem Bundesamt um eine falsche Übersetzung gehandelt. Dies erscheint nicht nachvollziehbar, nachdem er diesen Namen dort mindestens zweimal selbst erwähnt hat und auch der Anhörende in seinen Nachfragen den Namen I. gebraucht hat, so dass der Vater diesen sicherlich korrigiert hätte, wenn es sich tatsächlich um einen Übersetzungsfehler gehandelt hätte. Zudem hat er zum Ende der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe. In Abweichung ihren Angaben vor dem Bundesamt erklärt die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts sodann, dass ihre getötete Schwester Se. geheißen habe. Auf entsprechenden Vorhalt des Gerichts gab sie an, der Übersetzer vor dem Bundesamt habe den genannten Namen (S.) wohl falsch gehört, es liege ein Übersetzungsfehler vor. Auch dies ist aufgrund fehlender phonetischer Gemeinsamkeiten zwischen den Namen Se. und S. sowie ihrer Aussage zum Ende der Befragung, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe, nicht glaubhaft. All dies legt einzig und allein den Schluss nahe, dass es sich hierbei nicht um tatsächlich Erlebtes handelt. An derartiges Basiswissen wie den Namen eines Familienmitgliedes müssten sich alle Familienmitglieder gleichermaßen zwingend erinnern können.
Darüber hinaus divergieren sodann auch die Beschreibungen zum Ablauf der Entführung und Tötung der Schwester bzw. Tochter. Unklarheiten bestehen schon dahingehend, wann sich dieser Vorfall zugetragen haben soll. So erwähnte der Vater der Klägerin vor dem Bundesamt zunächst, dass diese Tochter drei Monate vor der Ausreise aus Afghanistan ums Leben gekommen sei. An anderer Stelle gibt er jedoch an, dass die Familie nach diesem Vorfall nach Kabul geflüchtet sei und dort noch ein Jahr bis zur endgültigen Ausreise aus Afghanistan gelebt habe. Letztere wiederum soll laut Vortrag vor dem Bundesamt Ende Juni 2011/Anfang Juli 2011 stattgefunden habe, was nach Einschätzung des Gerichts der Wahrheit entsprechen dürfte, da sich bei den Behördenakten im Verfahren W 1 K 16.30614 ein Schreiben des B.-Krankenhauses in H. befindet, in dem die Mutter der Klägerin am 28. Juni 2011 nach einem epileptischen Anfall vorstellig geworden ist. Darin wird erwähnt, dass diese kurz zuvor aus Afghanistan kommend nach Deutschland eingereist sei. In der mündlichen Verhandlung wiederum nimmt der Vater als Zeitpunkt für den Vorfall der Entführung und Ermordung der Tochter etwa den November 2009 an, jedenfalls sei es im Winter gewesen. Die Klägerin wiederum gab bei ihrer Befragung vor dem Bundesamt an, dass sie, nachdem sie nach Kabul geflüchtet seien, dort noch eineinhalb Jahre bis zur Ausreise gelebt hätten. In der mündlichen Verhandlung gab sie zu Protokoll, sie könne den Vorfall zeitlich nicht genau einordnen. Es sei jedoch in der kalten Jahreszeit gewesen. Sie hätten in Kabul danach noch etwa ein Jahr gelebt. Die Mutter der Klägerin kann sich ebenfalls nicht erinnern, wann sich der Vorfall genau zugetragen hat. Sie meinte in der mündlichen Verhandlung, dass es etwa sechs Jahre her sein müsse. Das Gericht ist der Überzeugung, dass ein derartig einschneidendes Ereignis, sollte es sich tatsächlich zugetragen haben, von den Familienmitgliedern genauer zeitlich eingeordnet werden müsste - auch unter Berücksichtigung des Bildungsstandes der Kläger. Dass dem nicht so ist, lässt für das Gericht nur den Schluss zu, dass dieses tatsächlich nicht stattgefunden hat. Dafür sprechen auch weitere Ungereimtheiten.
Zum Ablauf der Entführung hat der Vater vor dem Bundesamt angegeben, die Tochter sei von vermummten Personen entführt und getötet worden. Später sprach er dann von einem Mann, der zu ihnen ins Haus gekommen sei und die Tochter zwangsweise mitgenommen habe. Die Mutter erwähnte vor dem Bundesamt zwei vermummte Personen, die nachts gewaltsam in ihr Haus gekommen seien und die Tochter mitgenommen hätten. Einer davon sei bewaffnet gewesen und habe sie gestoßen. Ob ihre Tochter K. die Entführung gesehen habe, wisse sie nicht. Diese habe sich versteckt. Die Klägerin schließlich gab vor dem Bundesamt an, sie wisse nicht, wie und wo ihre Schwester entführt worden sei. Der Entführer habe jedenfalls einen Brief zurückgelassen, aus dem ersichtlich gewesen sei, dass er sie mitgenommen habe. Im Schreiben vom 24. Juni 2016 erklärte der Vater demgegenüber, dass zunächst zwei Männer an der Haustüre gewesen seien, die etwas zu essen hätten haben wollen und die er dann in das Haus gelassen habe. Nach dem Essen habe der ältere der beiden Männer gewollt, dass dessen mit anwesender Sohn seine Tochter S. heiratet. Da die Familie damit nicht einverstanden gewesen sei, seien sie mit einer Pistole bedroht worden. Einer der Männer habe dann mittels Handy zwei weitere Männer verständigt, die ihn dann auf sein Gesicht geschlagen hätten, so dass er geblutet und Zähne verloren habe. Seine Frau habe dabei einen epileptischen Anfall erlitten. Er und seine Tochter K. seien dann gefesselt worden und daraufhin hätten die Männer die Tochter S. mitgenommen. In der mündlichen Verhandlung wiederum berichtet der Vater der Klägerin nur mehr von zwei Personen, die bei der Entführung anwesend gewesen seien. Dies bestätigt auch die Tochter in der mündlichen Verhandlung, so dass sich eine nicht erklärbare Diskrepanz hinsichtlich der Zahl der Entführer ergibt. Auch besteht eine solche hinsichtlich der Frage, ob die Familie die Entführer ins Haus gelassen hat oder ob diese gewaltsam eingedrungen sind, wie die Mutter vor dem Bundesamt behauptet hat. Auch besteht ein Widerspruch dahingehend, ob die Klägerin bei der Entführung zugegen war. Während ihre Mutter und sie selbst in der mündlichen Verhandlung angaben, sie sei im Haus gewesen, habe sich aber in einem anderen Zimmer versteckt, konnte sie vor dem Bundesamt auf Befragen nicht angeben, wo und wie sich die Entführung abgespielt habe, obwohl sie diese gleichwohl mit eigenen Augen aus ihren Versteck mit angesehen haben will, wie sie in der mündlichen Verhandlung erklärt hat. Demgegenüber trägt der Vater in seinem Schreiben vom 24. Juni 2016 vor, dass er und seine Tochter K. von den Entführern gefesselt worden seien, was wiederum zwingend für deren direkte Anwesenheit bei dem Geschehen spricht und mit dem Vortrag der Klägerin und der Mutter nicht in Einklang zu bringen ist.
Unüberwindbare Widersprüche ergeben sich auch zu der Frage, wann die angeblichen Entführer die Leiche der Schwester bzw. Tochter zurückgebracht haben und wie diese tatsächlich zu Tode gekommen ist. Während sämtliche Familienmitglieder in der mündlichen Verhandlung angegeben haben, dass die tote Schwester bzw. Tochter nach einer Woche bzw. acht Tagen zurückgebracht worden sei, hat die Mutter diesen Zeitraum vor dem Bundesamt mit einem Monat angegeben. Die Klägerin hat darüber hinaus vor dem Bundesamt erläutert, dass ihre Schwester Selbstmord begangen habe. Sie sei nach einer Woche zurückgekommen und habe sich noch in der gleichen Nacht in ihrem Zimmer erhängt. Auf Vorhalt vor dem Bundesamt, dass dies von den Angaben ihres Vaters abweiche, erklärte sie zunächst, ihr Vater habe das Richtige gesagt, während sie sodann, auf erneuten Vorhalt, angab, sie wisse, dass die Schwester Selbstmord begangen habe. Auf diese erhebliche Diskrepanz in der mündlichen Verhandlung angesprochen, erklärte die Klägerin, dass es sich vor dem Bundesamt um einen Übersetzungsfehler gehandelt haben müsse. Sie habe das mit dem Selbstmord so nicht gesagt. Dies wiederum erscheint aufgrund der völligen Andersartigkeit der Sachverhalte ausgeschlossen und beweist zur Überzeugung des Gerichts ein weiteres Mal, dass die Kläger hier nicht über tatsächlich Erlebtes berichten.
Unauflösbare Widersprüche ergeben sich auch zur Frage, wie lange die Familie nach der Ermordung der Schwester bzw. Tochter noch in Ghazni verblieben ist. Der Vater sprach vor dem Bundesamt zunächst von drei bis vier Tagen, im Schriftsatz vom 24. Juni 2016 erklärte er, dass sie gleich am nächsten Tag nach Kabul gegangen seien, während er wiederum in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts angab, dass sie eine Woche nach der Ermordung der Tochter nach Kabul geflohen seien. Die Mutter wiederum sprach vor dem Bundesamt von einem Zeitraum von zwei bis drei Tagen, in der mündlichen Verhandlung jedoch von acht Tagen. Die Klägerin erklärte vor dem Bundesamt, dass sie nach dem Tod der Schwester noch etwa 15 bis 20 Tage in der Stadt Ghazni gewesen seien.
Schließlich differieren auch die Aussagen zu dem angeblichen Drohbrief betreffend die Klägerin und zu den Motiven der Täter für die Entführung und Ermordung der Tochter bzw. Schwester und der Klägerin selbst in nicht nachvollziehbarer Weise. Der Vater hat vor dem Bundesamt vorgetragen, gleich nach dem Tod seiner Tochter I. sei ein Brief bei ihnen eingeworfen worden, wonach er seine Tochter K. freiwillig übergeben sollte, weil auch sie ansonsten zwangsweise mitgenommen würde. Auf die Frage, warum die Täter die Töchter entführen und töten wollten, gab der Vater vor dem Bundesamt an, es könne sein, dass es wegen seines hinduistischen Glaubens gewesen sei oder weil sie vielleicht Geld von ihm erpressen wollten. Er wisse es aber nicht genau. In dem Schreiben vom 24. Juni 2016 gab er erstmals an, dass die Entführung der Tochter S. den Zweck gehabt habe, diese zwangsweise zu verheiraten. Dies sei dann auch Gegenstand des Drohbriefes gewesen hinsichtlich seiner Tochter K. Er solle diese in die Familie der Entführer verheiraten, ansonsten würden sie sie auch mitnehmen und töten. In der mündlichen Verhandlung schließlich gab der Vater im Rahmen seiner informatorischen Befragung an, dass man ihm nach den Tod der Tochter gesagt habe, er solle Muslim werden, dann werde man seine andere Tochter auch mitnehmen, um sie zu verheiraten, ansonsten werde er getötet werden. Zunächst stellt es ein gesteigertes Vorbringen dar, wenn der Kläger nunmehr am 24. Juni 2016 erstmals eine angebliche Motivation für die Entführung in Form einer Zwangsverheiratung angibt. Dies ist aus den bereits oben dargelegten Gründen nicht glaubhaft, da es abwegig erscheint, dass gläubige Muslime ihren Sohn mit einer in ihren Augen ungläubigen Hinduistin verheiraten wollen. Wenn dem aber so wäre, so erklärt es sich nicht, warum sie die entführte Tochter dann nicht tatsächlich ihrem Sohn zur Frau geben, sondern sie ermorden. Ebenfalls eine nicht nachvollziehbare Steigerung enthält der Vortrag in der mündlichen Verhandlung, in dem der Vater nunmehr erläutert, dass er zusätzlich gezwungen werden sollte, zum Islam zu konvertieren, andernfalls seine Tochter K. zum Zwecke der Zwangsverheiratung mitgenommen und er selbst getötet würde. Der Zwang zu konvertieren und die Gefahr für seine eigene Person sollen offensichtlich dessen Vortrag nachträglich mehr Nachdruck verleihen und können diesem als allein prozesstaktisch einzustufende Steigerung nicht geglaubt werden. Die Mutter hat vor dem Bundesamt diesbezüglich angegeben, sie hätten nach der Ermordung der einen Tochter einen Brief erhalten, worin gestanden habe, dass auch ihre zweite Tochter K. mitgenommen werden solle. Dieser Drohbrief habe auf der Leiche der Tochter gelegen. Auf Vorhalt vor dem Bundesamt räumte sie sodann jedoch ein, dass sie die Leiche nicht selbst vor der Haustüre habe liegen sehen. Auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erklärte die Klägerin zum Inhalt des Briefes, dass sich aus diesem ergeben habe, dass auch sie Gefahr liefen, getötet zu werden. Dies lässt sich wiederum nicht mit dem Vortrag vor dem Bundesamt in Einklang bringen, wo nur eine Gefahr für die Tochter K. geschildert wurde. Auch insoweit besteht bei Mutter ein gesteigerter Sachvortrag, der ihr nicht abgenommen werden kann. Von einer etwaigen Zwangsverheiratung hat die Mutter in der mündlichen Verhandlung gar nichts erwähnt. Ihre Angaben sind widersprüchlich und können ihr nicht geglaubt werden. Schließlich erklärte die Klägerin vor dem Bundesamt zu diesem Teilkomplex, sie hätten einen Drohbrief erhalten, wonach auch sie selbst mitgenommen werden sollte. Sie erklärte im Gegensatz zu ihren Eltern, dass es zwei Briefe gegeben habe, einen nach der Entführung der Schwester und einen weiteren nach dem Tod ihrer Schwester. Letzteren Brief hätten sie ca. drei Tage nach dem Tod der Schwester erhalten, was sich nicht mit den Aussagen der Eltern deckt, die davon gesprochen haben, dass der Brief sie gleich nach dem Tod der Tochter erreicht habe. In der mündlichen Verhandlung wiederum setzt sich die Klägerin zu ihren eigenen Aussagen vor dem Bundesamt in Widerspruch, indem sie anführte, dass der Brief gleichzeitig mit der Leiche der Schwester gebracht worden sei. Inhaltlich habe sich daraus ergeben, dass auch sie getötet werden sollten, wenn sie keine Muslime würden.
All diese weder erklärbaren noch nachvollziehbaren Unstimmigkeiten und Widersprüche bereits im jeweils eigenen Vortrag jedes Familienmitgliedes und sodann auch im Vergleich mit den Schilderungen der jeweils anderen Familienmitglieder ergeben in der Gesamtschau, dass der gesamte Vortrag betreffend die Entführung und Ermordung der angeblichen Tochter bzw. Schwester sowie die drohende Entführung und Ermordung der Klägerin oder aber der gesamten Familie durch Muslime bzw. Taliban nicht glaubhaft ist. Lediglich ergänzend sei exemplarisch für diese Einschätzung noch darauf hingewiesen, dass der Vater der Klägerin vor dem Bundesamt einen Sohn namens M. erwähnt hat, der 1994 im Krieg getötet worden sei, den jedoch Ehefrau und Tochter gar nicht kennen. Die Mutter der Klägerin meinte hierzu auf Vorhalt vor dem Bundesamt, dass es sich tatsächlich um seinen Bruder gehandelt habe, den ihr Ehemann jedoch als seinen Sohn angesehen habe. Demgegenüber führt der Vater in seinem Vortrag vom 24. Juni 2016 wiederum noch einmal eindeutig aus, dass es sich um seinen eigenen Sohn gehandelt habe.
IV.
Die Klägerin hat des Weiteren auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
Der Klägerin droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihr ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.
Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die zuletzt genannte Vorschrift der Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337, S. 9) - QRL - dient, ist dieser Begriff jedoch in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b QRL auszulegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt Art. 15b QRL wiederum in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu Art. 3 EMRK aus (z. B. EuGH, U.v. 17.2.2009 - Elgafaji, C - 465/07
Dass der Klägerin insoweit keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht, ergibt sich bereits daraus, dass ihr Vortrag zu ihren Fluchtgründen in weiten Teilen unglaubhaft ist. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Soweit das Gericht den Vortrag insoweit als glaubhaft eingestuft hat, dass die Klägerin aufgrund ihrer Religion insbesondere beschimpft und bespuckt worden seien, so erreicht dies nicht den notwendigen Schweregrad, um eine Verletzung des Art. 3 EMRK annehmen zu können.
Darüber hinaus stellen auch die schlechten humanitären Bedingungen, die in Afghanistan herrschen, keinen Grund dar, um einen subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zu begründen. Zwar ist dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in ganz außergewöhnlichen Fällen grundsätzlich möglich. Allerdings existiert hierfür eine sehr hohe Eingriffsschwelle und setzt voraus, dass im Falle der Rückführung die konkrete Gefahr einer unmenschlichen Behandlung in der Form unzureichender humanitärer Lebensbedingungen gerade Folge einer direkten oder indirekten Aktion von Seiten staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure ist. Dieses Erfordernis ergibt sich auch aus § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3c AsylG, wonach es auch beim subsidiären Schutz eines Verfolgungsakteurs, von dem die Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgeht, bedarf (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris). Schlechte allgemeine wirtschaftliche oder humanitäre Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat, die nicht auf einen solchen Akteur zurückführbar sind, fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Die schlechten humanitären Lebensbedingungen in Afghanistan sind gerade nicht auf einen spezifischen Verfolgungsakteur zurückzuführen, sondern allgemeine und nicht individualisierbare Folge der schlechten ökonomischen Bedingungen und der schwierigen Sicherheitslage im Land. An dieser Situation hat sich auch aufgrund der jüngsten Erkenntnismittellage nichts geändert.
2. Ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes ergibt sich auch nicht aufgrund einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Klägerin infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
Für die Beurteilung kommt es hierbei regelmäßig auf die Herkunftsregion des Ausländers an (BVerwG, U.v. 14.7.2009 - 10 C 9/08 - BverwGE 134, 188; BayVGH, U.v. 12.1.2012 - 13a B 11.30427 - juris Rn. 15 m. w. N.). Die Klägerin stammt vorliegend aus der Stadt und Provinz Ghazni, so dass auf diese Region abzustellen ist. Die obergerichtliche Rechtsprechung geht auf der Grundlage der verfügbaren Erkenntnismittel davon aus, dass afghanische Staatsangehörige bei einer Rückkehr in die Provinz Ghazni nach derzeitiger Sicherheitslage im Allgemeinen keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt sind (BayVGH, B.v. 20.8.2015 - 13 ZB 15.30062 - juris Rn. 7 zur Südostregion, der die Provinz Ghazni zuzurechnen ist; BayVGH, B.v. 11.3.2014 - 13a ZB 13.30246 - juris Rn. 5 f.; BayVGH, U.v. 4.6.2013 - 13a B 12.30063 - juris Rn. 15 ff.; OVG Lüneburg, U.v. 7.9.2015 - 9 LB 98/13 - juris Rn. 42 ff.). Das Gericht schließt sich dieser Einschätzung an. Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage keine derart hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson schon alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in der Provinz Ghazni einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt wäre (UNAMA Report v. 14.2.2016; EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan - Security Situation, v. 1.1.2016, S. 89 ff.). Individuelle gefahrerhöhende Umstände sind bei den Klägern nicht erkennbar, insbesondere handelt es sich bei den von den Klägerin befürchteten Gefahren und objektiv vorliegenden Indikatoren, wie der Zugehörigkeit zur hinduistischen Religion, ersichtlich um andere Gefahren als denjenigen, welche Zivilpersonen in einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt drohen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass Hindus der besonderen Gefahr von Anschlägen ausgesetzt oder gar Zielscheibe solcher Anschläge wären.
V.
Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Ein solches kommt nicht in Betracht, da der Klägerin keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Insbesondere stellt die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in ganz besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht jedoch allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. In Afghanistan ist die allgemeine Lage jedenfalls nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde (EGMR, U.v. 13.10.2011 - NJOZ 2012, 952, Rn. 84; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris). In Fällen, in denen wie vorliegend gleichzeitig über die Gewährung subsidiären Schutzes zu entscheiden ist, scheidet darüber hinaus bei Verneinung dieser Voraussetzungen regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 36). Insofern wird auf die Ausführungen zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG Bezug genommen. Auch hinsichtlich des individuellen Vortrages der Klägerin in Bezug auf religiöse und sonstige Verfolgungsmaßnahmen kann auf obige Ausführungen zu den §§ 3 und 4 AsylG verwiesen werden, wonach der Vortrag nicht glaubhaft bzw. nicht von solcher Schwere ist, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Betracht zu ziehen ist.
VI.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
I.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Die Beklagte wird verpflichtet, in der Person des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu zwei Dritteln und die Beklagte zu einem Drittel zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1. Der nach eigenen Angaben am ... ... ... in Logar geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit und sunnitischer Religion. Er reiste über den Iran, die Türkei, Österreich sowie weitere unbekannte Länder am 13. November 2012 in das Bundesgebiet ein und beantragte hier am 27. November 2012 Asyl.
2. In der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 14. Oktober 2014 gab der Kläger im Wesentlichen an, er habe sich bis zur Ausreise in der Heimatprovinz Logar aufgehalten, jedoch in Kabul in seinem eigenen Laden gearbeitet und dort manchmal auch übernachtet. Seine Großfamilie lebe noch in Afghanistan, seine Eltern sowie ein Bruder noch im Heimatdorf, ein weiterer Bruder lebe in Kabul, zwei Brüder und eine Schwester seien bereits verstorben. Er habe zwölf Jahre lang die Schule besucht und mit dem Abitur abgeschlossen. Danach habe er eine Lehre als Tischler begonnen, neben der Ausbildung aber schon als Straßenverkäufer neben der Kommandozentrale der ISAF gearbeitet. Später habe er einen Imbiss bzw. ein Restaurant eröffnet, dann einen Lebensmittelladen, den er bis zu seiner Ausreise betrieben habe. Er habe zunächst mehrere Jahre lang in Ruhe arbeiten können, danach habe er jedoch Probleme bekommen. Am Tag seiner Ausreise habe er mit einigen Freunden zusammengearbeitet, als es zu einem Selbstmordattentat gekommen sei, bei dem alle seine Freunde ums Leben gekommen seien. Auch sein Leben sei in Gefahr, weil man sich zuvor ihm bereits mehrmals in den Weg gestellt habe, er habe aber immer fliehen können. Außerdem sei in Brief in die Moschee geworfen worden, der Drohungen enthalten habe. Er habe deshalb dort nicht mehr leben können. Er habe sich niemals politisch betätigt, aber neben dem Stützpunkt der ISAF gearbeitet, weshalb ihn alle Kommandeure gekannt hätten. Die Probleme hätten im Sommer 2011 begonnen. Man habe ihn gefragt, wo er arbeite. Dann habe ihm der Mann vorgeworfen, mit der Regierung zusammenzuarbeiten, was er jedoch geleugnet habe. Der Mann habe dann gesagt, er sehe ja, was der Kläger tue. Dann sei er weggegangen. Etwa drei oder vier Wochen später seien dann zwei andere Personen gekommen hätten ihn wieder gefragt, was er dort tue. Er habe wieder geantwortet, dass er nur seiner Arbeit nachgehe und sie hätten ihn dann gefragt, weshalb er überhaupt dort arbeiten dürfe und andere nicht, ob er vielleicht die Polizei kenne. Im Jahr 2012 sei ein amerikanischer Journalist bei ihm erschienen, der gesagt habe, dass er für die Deutschen arbeite. Er habe den Kläger interviewt und beispielsweise gefragt, wie lange er schon dort arbeite, wer bei ihm einkaufe und ähnliche Dinge. Er habe alles aufgenommen und fotografiert. In der Zeitung sei dann ein Artikel mit Fotos über ihn erschienen. Seitdem habe sich sein Problem vergrößert, weshalb er Ende 2012 ausgereist sei. Als er einmal nach Hause gefahren sei, habe ihm ein Auto den Weg versperrt. Es seien Leute herausgesprungen, hätten ihn gepackt und ihm die Hände gefesselt. Sie hätten ihn dann zu einem Berg geführt und ihn auf den Boden geworfen. Anschließend hätten sie sich wohl beraten, diesen Moment habe er ausnützen können und sei geflohen. Er sei einfach aufgesprungen und nach Hause gelaufen. Dort habe er sich aber keine Stunde lang aufgehalten, er sei sofort ausgereist. Zuvor habe er sich einen Reisepass ausstellen lassen, da er einen amerikanischen Freund habe, den er eigentlich habe begleiten sollen. Man habe ihn mehrmals angehalten, um ihm Fragen zu stellen. Es seien die gleichen Leute gewesen, die ihn auch zuvor in seinem Laden aufgesucht hätten. Er sei zweimal im Laden aufgesucht worden und dann einmal zwangsweise mitgenommen worden. Was die Leute genau von ihm gewollt hätten, hätten sie nicht gesagt. Vielleicht hätten sie ihn töten wollen. An das Datum des Zeitungsartikels könne er sich nicht mehr erinnern. Es sei zwischen dem dritten und dem fünften Monat im Jahr 2012 gewesen. Auch den Namen der Zeitung könne er nicht nennen. Die Einheimischen hätten ja kaum Zugang zu seinem Laden, deshalb hätten sie wohl gedacht, dass er spioniere und viel mit Ausländern zu tun habe. Nachdem der Zeitungsartikel erschienen sei, hätten sie ihn mitgenommen. Auf die Frage, was dann das Selbstmordattentat mit seiner Ausreise zu tun habe, gab der Kläger an, sie seien nicht nur hinter ihm, sondern auch hinter seinen Freunden her gewesen. In der Zeitung seien Fotos von allen gewesen. Das Selbstmordattentat habe im Juli 2012 neben der Kommandozentrale der ISAF in Kabul, Stadtteil Golaie-Shashdarak stattgefunden. Es sei zwischen seinem Laden und dem italienischen Konsulat passiert. In der Umgebung befänden sich auch noch andere Botschaften. Es seien ja nur seine Freunde ums Leben gekommen, sonst sei niemand verletzt worden. Den Drohbrief in der Moschee habe er erst vor kurzem erhalten. Es sei am Ausreisetag passiert, sein Bruder habe ihm den Brief mit der Post geschickt. Es sei ein gefährliches Viertel gewesen, es hätten sich dort diverse ausländische Organisationen befunden, dort habe nicht jeder etwas tun dürfen. Die Militärs hätten ihn auch gebeten, ihnen zu melden, wenn er etwas Verdächtiges entdecke. Den Drohbrief sowie ein Schreiben einer amerikanischen Staatsangehörigen könne er vorlegen. Für den Fall der Rückkehr befürchte er, dass sie ihn vielleicht fänden und ihn mitnähmen und danach vielleicht wieder freiließen, vielleicht aber auch töteten. Er habe die Leute, die plötzlich in seinem Laden aufgetaucht seien, zuvor nie gesehen. Er habe auch niemandem genau gesagt, wo er arbeite.
3. Mit Bescheid vom
4. Mit am 21. Januar 2015 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg eingegangenem Schriftsatz ließ der Kläger Klage erheben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger habe in Afghanistan Verfolgungshandlungen durch die Taliban erlitten. Bei dem von ihm erwähnten Selbstmordanschlag seien der frühere Inhaber des Geschäftes des Klägers, welcher beim Kläger als Angestellter weiter gearbeitet habe, sowie mehrere als fliegende Händler tätige Kollegen bzw. Freunde des Klägers getötet worden. Im Übrigen werde auf den Vortrag des Klägers in der Anhörung verwiesen. Er habe Afghanistan somit vorverfolgt verlassen. Die Verfolgungshandlungen durch die Taliban knüpften offensichtlich an eine dem Kläger zumindest unterstellte politische Überzeugung aufgrund seiner Zusammenarbeit mit der afghanischen Regierung bzw. den internationalen Truppen an. Nach den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender handle es sich bei den Mitarbeitern oder Zuarbeitern von westlichen Organisationen um eine Risikogruppe, die häufig Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte bzw. der Taliban ausgesetzt sei. Eine inländische Fluchtalternative in Afghanistan sei für den Kläger offensichtlich nicht gegeben, insoweit werde ebenfalls auf die UNHCR-Richtlinien sowie auf die UNHCR-Stellungnahme zu Fragen der potentiellen Rückkehrgefährdung von jungen männlichen afghanischen Staatsangehörigen vom August 2013 und auf die Anfragebeantwortung von ACCORD „Afghanistan: Fähigkeit der Taliban, Personen in Afghanistan aufzuspüren; Schutzfähigkeit des Staates“ vom 14. August 2013 Bezug genommen. Da dem Kläger durch die Taliban eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe, lägen auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus vor. Des Weiteren lägen zumindest die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes vor. Wie sich bereits aus der Stellungnahme des UNHCR vom 11. November 2011 ergebe, habe sich die Versorgungssituation in Kabul sowie die Möglichkeit, existenzsichernde Arbeitsstellen zu finden, in den letzten Jahren in Kabul nicht verbessert, vielmehr seien die Lebenshaltungskosten dort stark angestiegen. Die Teuerungsrate bei den Lebensmitteln führe für einen Großteil der afghanischen Bevölkerung in Kabul zu Engpässen bei der Versorgung. Auf das Gutachten des Herrn Dr. D... vom 7. Oktober 2010 sowie den Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 11. August 2010 werde verwiesen. Der Kläger verfüge über keinerlei familiäre Verbindungen nach Kabul mehr. Ohne Anschluss an Familienangehörige habe er keine Möglichkeit, bei einer Rückkehr nach Afghanistan Kontakte oder Verbindungen zu nutzen, um zumindest eine erste Anlaufstation zum Auffinden einer Unterkunft sowie einer Arbeitsstelle zu knüpfen. Er habe somit keine Möglichkeit, für sich eine wirtschaftliche Existenz zu erwirtschaften. Verwiesen werde des Weiteren auf die vorgelegte Stellungnahme des Bayer. Flüchtlingsrates vom 9. Februar 2015 „Keine Abschiebung nach Afghanistan“. Hinzu komme, dass der Kläger an einer schweren psychischen Erkrankung leide, aufgrund der er in fachärztlicher Behandlung sei. Der Kläger leide an einer schweren depressiven Episode sowie einer Angstsymptomatik auf dem Boden einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung mit intensiven Nachhall- und Flash-Back-Erinnerungen in chronifiziertem und fortgeschrittenem Stadium. Auf den als Anlage K 1 vorgelegten psychiatrischen Befundbericht des Herrn Dr. med. F... werde verwiesen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;
hilfsweise festzustellen, dass bei dem Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
5. Die Beklagte beantragt demgegenüber,
die Klage abzuweisen.
6. Mit Beschluss vom 12. Juni 2015
7. Mit Schriftsatz vom
Verschiedene, in der Liste für Afghanistan, Stand: November 2015 aufgeführte Erkenntnismittel waren Gegenstand des Verfahrens.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten, insbesondere auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom
Gründe
Die zulässige Klage, über die trotz des Ausbleibens von Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 i. V. m. Satz 2 AufenthG hinsichtlich Afghanistans. Der Ablehnungsbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. Dezember 2014 ist daher in Ziffern 4 und 5 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1.1 Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann sich auch aus der Gefahr ergeben, dass sich eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i. d. F. des Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung von Asylverfahren vom 11. März 2016 - BGBl. I S. 390, in Kraft getreten am 12.3.2016 - AufenthG n. F.). Unter den vorgenannten Voraussetzungen kann sich eine krankheitsbedingte zielstaatsbezogene Gefahr daraus ergeben, dass die Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat der Abschiebung Herkunftsland unzureichend sind (BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 - NVwZ 2007, 12 ff.) oder im Einzelfall auch daraus, dass der erkrankte Ausländer eine an sich im Zielstaat verfügbare medizinische Behandlung tatsächlich nicht erlangen kann. Dies kann zum einen der Fall sein, wenn im Herkunftsstaat des Ausländers eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit wegen des geringen Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Zum anderen kann sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betreffende Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann, z. B. wenn eine notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (BVerwG, U.v. 29.10.2002 - 1 C 1/02 - DVBl. 2003, 463). Dabei ist jedoch zu beachten, dass - auch an Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK gemessen - kein Anspruch auf eine mit der Versorgung im Bundesgebiet gleichwertige medizinische Versorgung im Zielstaat besteht (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG n. F.; EGMR, U.v. 7.10.2004 - Dragan, 33743/03 - NVwZ 2005, 1043 ff.; BVerwG, U.v. 25.11.1997 - 9 C 58/96 - juris Rn. 7). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt des Weiteren in der Regel auch dann vor, wenn sie nur in einem Teil des Zielstaates gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG n. F.).
Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers vor.
1.2 Ausweislich der vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen, insbesondere des Arztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Forensische Psychiatrie Dr. med. F... vom 22. Dezember 2015 steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan wegen der fehlenden Behandlungsmöglichkeit eine erhebliche Verschlechterung seiner schwerwiegenden psychischen Erkrankung konkret droht. Dr. F... diagnostiziert eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), eine mittelgradige depressive Episode sowie Panikattacken. Das Attest gibt Auskunft über die Schwere der Erkrankung, die konkreten Symptome und den Behandlungsverlauf. Der Arzt hat dem Gericht gegenüber auch dargelegt, wie er die Exploration des Klägers vorgenommen hat. Danach war der Kläger im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung dreimal bei ihm in Behandlung gewesen, weitere Behandlungstermine standen noch bevor. Bei der ersten Untersuchung war der Kläger nach Auskunft des Arztes derart depressiv, dass er selbst nicht auf Fragen antworten konnte. Der Arzt hat dann die Exploration zunächst auf der Grundlage der Unterlagen anderer Ärzte, insbesondere des Herrn Dr. von ... - bei dem der Kläger ausweislich des vorgelegten Attestes dieses Arztes ebenfalls in Behandlung ist -, erstellt und sie in weiteren Vorstellungen des Klägers durch den Einsatz eines Mitpatienten als Dolmetscher überprüft. Bei der zweiten persönlichen Untersuchung habe sich der Kläger dann dem Arzt gegenüber auch öffnen können. Die ärztlichen Stellungnahmen kommen auf diese Weise zu der nachvollziehbaren Einschätzung, dass eine engmaschige psychotherapeutische Behandlung des Klägers notwendig ist. Weitere Anforderungen sind an die Substantiierung einer depressiven Erkrankung nicht zu stellen (BayVGH, B.v. 26.5.2014 - 13a ZB 13.30310 - juris). Ohne dass es darauf entscheidend ankäme, erfüllt das Attest des Herrn Dr. F... vom 22. Dezember 2015 in Verbindung mit den dazu gegebenen Erläuterungen im Übrigen wohl die Anforderungen der Rechtsprechung an die Substantiierung einer PTBS-Erkrankung (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 - 10 C 8/07 - juris Rn. 15;
Insoweit hat die Klage daher Erfolg.
2. Dem Kläger steht jedoch weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG zu. Insoweit ist der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. Dezember 2014 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
2.1 Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG (BT-Drs. 16/5065 S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i. S. d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der ab 24. Oktober 2015 geltenden Fassung (Art. 1, Art. 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes v. 20.10.2015, BGBl I, S. 1722 ff.) anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG - wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG - die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) - Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen.
Der Kläger hat Afghanistan nicht vorverfolgt i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. Art. 4 Abs. 4 QRL verlassen. Es steht auch nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch die Taliban in Anknüpfung an eines der in § 3b Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe droht.
Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die vom Kläger vorgetragene Verfolgungsgeschichte in vollem Umfang der Wahrheit entspricht. Zwar konnte der Kläger in der informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung einige in der Anhörung beim Bundesamt aufgetretene Ungereimtheiten und Widersprüche ausräumen, insbesondere konnte der zeitliche Ablauf der Ereignisse genauer aufgeklärt werden. Danach habe der Kläger bereits seit vielen Jahren in Kabul in der Nähe des ISAF-Stützpunktes im Stadtteil Golaie-Shashdarak ein Ladengeschäft betrieben. Gewohnt habe er aber in seinem Heimatdorf in der Provinz Logar. Er sei somit täglich zwischen Logar und Kabul hin- und hergependelt. Seit dem Jahr 2011 sei er in seinem Laden mehrfach von unbekannten Personen aufgesucht worden. Zuerst sei nur ein Mann gekommen, dann seien es zwei Männer gewesen. Sie hätten ihn etwa sechs- bis siebenmal aufgesucht und gefragt, was er dort mache, dort arbeiteten nur Leute von der Regierung. Sie hätten ihm vorgeworfen, ein Spion der Regierung zu sein, weil es keinen anderen Laden in der Nähe gebe. Sie hätten ihn auch gewarnt, dass es dort gefährlich für ihn sei. Es sei auch einmal ein amerikanischer Journalist in seinem Laden gewesen, habe ihm verschiedene Fragen gestellt und ihn gewarnt. Der Journalist habe ohne Wissen des Klägers ein Foto gemacht und dieses zusammen mit einem Zeitungsartikel veröffentlicht. Der Artikel sei etwa ein bis zwei Monate vor der Ausreise des Klägers erschienen. Einen Tag vor seiner Ausreise sei der Kläger auf dem Weg von Kabul nach Logar entführt worden. Unbekannte hätten das Taxi angehalten, in dem sich der Kläger befunden habe, hätten ihn zu einem Wald verschleppt und dort beraten, was sie mit dem Kläger anstellen sollten. Diese Gelegenheit habe der Kläger genutzt und sei geflohen. Er sei durch den Wald geflohen zu einem Bach, durch den er hindurchgewatet sei. Er sei dann nicht nach Logar zurückgekehrt, weil dort bereits sein Vater und vier seiner Onkel ermordet worden seien. Deshalb sei er per Anhalter zurück nach Kabul, und zwar direkt zum Flughafen gefahren. Dort angekommen habe der Kläger einen Anruf eines Freundes erhalten, der ihm berichtet habe, dass gerade ein Selbstmordattentat in der Nähe seines Ladens in Kabul passiert sei, bei dem mehrere Menschen ums Leben gekommen seien. Am selben Tag habe sein Bruder in der Moschee einen Drohbrief für den Kläger gefunden, wovon er ihm einen Tag später telefonisch erzählt habe.
Auf der Grundlage dieses Vortrags ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Kläger vorverfolgt ausgereist ist oder dass ihm im Falle der Rückkehr Verfolgung i. S. d. §§ 3 ff. AsylG oder ein ernsthafter Schaden i. S. d. § 4 Abs. 1 AsylG droht. Das Gericht hält es zwar aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse über die Lage in Afghanistan, insbesondere über den erneut wachsenden Einfluss der Taliban und anderer regierungsfeindlicher bewaffneter Gruppierungen, für plausibel, dass der Kläger mehrere „Besuche“ von unbekannten Männern erhalten hat, bei denen er aufgefordert wurde, sein Geschäft in der Nähe des ISAF-Stützpunktes zu schließen, weil dies für ihn gefährlich sei. Derartige Einschüchterungsversuche gehören zur Taktik der Taliban bzw. anderer regierungsfeindlicher bewaffneter Gruppierungen, die insbesondere solche Personen zum Ziel ihrer Bedrohungen machen, die aufgrund unterschiedlicher Umstände in den Verdacht geraten sind, mit ausländischen Streitkräften, fremden Staaten bzw. internationalen Organisationen oder der afghanischen Regierung zu kooperieren. Solche „Warnungen“ sind für sich genommen jedoch noch nicht geeignet, eine Verfolgungshandlung i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylG darzustellen, weil sie zum einen nicht die notwendige Intensität aufweisen und es zum anderen dem Kläger möglich gewesen wäre, durch Verlegung seines Geschäftssitzes dem Verdacht zu entgehen, er würde mit den ISAF zusammenarbeiten. Denn gerade Letzteres wäre für eine Person, die sich nicht aus anderen, nicht flüchtlingsrelevanten Gründen im Ausland niederlassen will, naheliegender als eine Ausreise. Der Kläger hat aber selbst vorgetragen, bereits im Jahr 2011, also zeitlich vor den nach seinen Angaben fluchtauslösenden Ereignissen im Jahr 2012, den Entschluss gefasst zu haben, in die USA auszuwandern. Er habe sich zu diesem Zweck auch bereits einen Reisepass besorgt. Diese Umstände sprechen gegen eine Flucht vor tatsächlicher Verfolgung.
Hinzu kommt, dass die weiteren vom Kläger vorgetragenen Umstände nicht glaubhaft sind. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass tatsächlich ein amerikanischer Journalist einen Zeitungsartikel mit einem Foto des Klägers veröffentlicht hat, denn der Kläger konnte sich auch auf Nachfrage nicht einmal an den Namen der Zeitung erinnern. Des Weiteren ist auch die vorgetragene Entführungsgeschichte nicht plausibel. Es erscheint zum einen bereits zweifelhaft, ob der angebliche Überfall auf das Taxi überhaupt gezielt gegen den Kläger gerichtet war. Dies würde voraussetzen, dass die unbekannten Entführer den Kläger bereits längere Zeit beobachtet haben, um feststellen zu können, in welches Taxi er einstieg, um dann gezielt dieses Taxi auf dem Weg nach Logar anzuhalten und zu überfallen. Nicht plausibel erscheint aber insbesondere der Umstand, dass der Kläger ohne Weiteres aus der Gewalt der Entführer geflohen sein will. Denn es überzeugt nicht, dass die unbekannten Kriminellen den Kläger zunächst unter Aufwendung erheblicher Anstrengungen und Inkaufnahme erheblicher Risiken entführt, ihm aber dann die Möglichkeit zur Flucht gegeben haben sollten. Der Vortrag, dass die Entführer sich beraten hätten, was mit dem Kläger zu geschehen habe, und dieser dabei unbemerkt habe fliehen können, erscheint konstruiert und nicht wirklichkeitsnah. Des Weiteren hat das Gericht auch erhebliche Zweifel daran, dass der Selbstmordanschlag in der Nähe des Ladens des Klägers, den dieser nicht selbst miterlebt hat, überhaupt dem Kläger gegolten haben sollte. Selbstmordanschläge geschehen in Afghanistan häufig. Sie werden von den Taliban oder anderen regierungsfeindlichen, bewaffneten Gruppierungen verübt, um Angst und Schrecken zu verbreiten und somit den Boden für eine weitere Destabilisierung der politischen Verhältnisse zu bereiten. Selten sind jedoch solche Anschläge gezielt auf eine bestimmte Person oder eine bestimmte Personengruppe gerichtet. Getroffen werden sollen vielmehr entweder die Regierung bzw. diese repräsentierende Personen wie Polizisten oder Militärangehörige, Auslandsvertretungen fremder Staaten bzw. internationaler Organisationen oder wahllos Angehörige der Zivilbevölkerung. Im Übrigen war der Selbstmordanschlag nach dem Vortrag des Klägers auch nicht ausschlaggebend für seine Ausreise, weil er sich dazu bereits vorher entschlossen und sich zum Anschlagszeitpunkt bereits am Flughafen befunden hatte.
Da somit bereits die vorgetragene Verfolgungsgeschichte nicht in vollem Umfange glaubwürdig erscheint, kann es offen bleiben, ob darin eine Verfolgung in Anknüpfung an ein Merkmal i. S. d. § 3b Abs. 1 AsylG zu sehen wäre. Zwar lässt der Kläger auf verschiedene Stellungnahmen des UNHCR verweisen, aus denen hervorgeht, dass Personen, denen die Zusammenarbeit mit ausländischen Streitkräften, Auslandsvertretungen anderer Staaten oder der afghanischen Regierung unterstellt wird, zu den Risikogruppen in Afghanistan gehören, deren mögliche Verfolgung besonders gewissenhaft zu prüfen ist (vgl. UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, August 2013, deutsche Übersetzung in Asylmagazin 11/2013, S. 368 ff.; UNHCR-Vertretung Berlin, Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013, August 2014, S. 3). Diese Stellungnahmen des UNHCR sind aber allgemein auf den internationalen Schutzbedarf der genannten Risikogruppen bezogen und umfassen damit auch den subsidiären Schutzstatus i. S. d. § 4 AsylG (vgl. Art. 2 Nr. 1 QRL). Es kann daher nicht der Schluss gezogen werden, dass die unter die genannten Kriterien fallenden Personen von vornherein ein flüchtlingsrelevantes Merkmal erfüllten. Insbesondere kann unter Berücksichtigung der Erwägungen im vorhergehenden Absatz nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Person, die unter den genannten Umständen in den Fokus der Taliban oder anderer krimineller Gruppierungen gerät, von diesen eine abweichende politische Überzeugung i. S. d. § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG zugeschrieben wird. Denn die Absichten der Taliban oder anderer krimineller Gruppierungen sind nicht ausschließlich politischer Natur, sondern weisen eine diffuse Gemengelage von politischen, religiösen, kulturellen und wirtschaftlichen Zielsetzungen auf.
Auch scheidet eine Verfolgung des Klägers aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe i. S. d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG aus, weil schon nicht erkennbar ist, wie die soziale Gruppe, der er zugerechnet werden könnte, definiert werden sollte. Allein der Umstand, dass einer unbestimmten Vielzahl von Personen unter verschiedenen Umständen die Zusammenarbeit mit der afghanischen Regierung, ausländischen Streitkräften oder Auslandsvertretungen anderer Staaten unterstellt wird, ist nicht als Merkmal geeignet, um eine hinreichend bestimmte Gruppe zu definieren, die in Afghanistan eine deutlich abgegrenzte Identität hätte, aufgrund derer ihre Angehörigen von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet würden (vgl. VG Würzburg, U.v. 18.12.2013 - W 1 K 13.30033 - juris, Rn. 23;
2.2 Aufgrund der oben dargestellten Zweifel an der Glaubhaftigkeit des vorgetragenen Geschehens kommt auch keine Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3 AsylG an den Kläger in Betracht.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass dem Kläger durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder aufgrund besonderer gefahrerhöhender Umstände ein ernsthafter Schaden i. S. d. § 4 Abs. 1 AsylG droht. In Bezug auf die Herkunftsregion des Klägers, Logar, sowie in Bezug auf Kabul hat sich die Sicherheitslage trotz der aktuellen Häufung von Anschlägen nicht derart verschärft, dass jede Zivilperson unabhängig von besonderen gefahrerhöhenden Umständen allein aufgrund ihrer Anwesenheit im betreffenden Gebiet konkret und individuell gefährdet ist, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. für Kabul: BayVGH, B.v. 5.2.2015 - 13a ZB 14.30172 - juris Rn. 7;
Insoweit war die Klage daher abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wobei das Gericht davon ausgeht, dass Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutzstatus und Abschiebungsverbote jeweils einen einheitlichen, in sich nicht weiter aufzuspaltenden Streitgegenstand darstellen (st.Rspr., z. B. BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - juris Rn. 9).
Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gründe
Tenor
I.
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylG bezüglich Afghanistan vorliegen. Soweit die Ziffern 3. und 4. des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 31. Juli 2012 dem entgegenstehen, werden sie aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin 3/4, die Beklagte 1/4 zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wurde eigenen Angaben zufolge am … in Ghazni geboren. Sie sei afghanische Staatsangehörige mit der Volkszugehörigkeit Multani und der Glaubenszugehörigkeit Hindu. Sie gibt an, ihr Heimatland gemeinsam mit ihren Eltern zunächst nach Pakistan verlassen zu haben und dann gemeinsam mit ihrem Vater am 6. September 2011 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. Hier stellte sie am 14. September 2011 einen Asylantrag.
Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 14. September 2011 sowie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am
Zu ihren Fluchtgründen erklärte die Klägerin, ein unbekannter Mann habe ihre damals 16-jährige Schwester namens S. zwangsweise mitgenommen. Sie sei nach etwa einer Woche zurückgekommen und habe gesagt, sie wolle ein eigenes Zimmer im Haus haben. Noch in der gleichen Nacht habe sie sich dort erhängt. Der Entführer der Schwester habe einen Brief zurückgelassen, aus dem zu entnehmen gewesen sei, dass er sie mitgenommen habe. Sie hätten dann auch etwa drei Tage nach dem Tod der Schwester einen Drohbrief erhalten, wonach auch sie selbst mitgenommen werden sollte. Der Brief habe von derselben Person gestammt, die auch ihre Schwester entführt habe. Wegen dieses Drohbriefes habe sie dann etwa 15 bis 20 Tage nach dem Tod ihrer Schwester mit ihren Eltern Ghazni verlassen und nach nach Kabul gegangen. Sie hätten dann etwa 1 ½ Jahre in Kabul gelebt. Dort habe es keine Probleme mehr gegeben. Auf die Frage, ob es Probleme aufgrund ihres hinduistischen Glaubens gegeben habe, erklärte die Klägerin, sie seien von Bevölkerung beschimpft und bespuckt worden, da sie für diese Ungläubige seien. Sie hätten sich aber wenig mit der Religion beschäftigt. Sie sei einmal mit ihrem Vater im Tempel in Kabul gewesen. Darüber hinaus erklärte die Klägerin, dass ihre Mutter an Epilepsie leide. In Kabul sei sie deswegen mit Medikamenten behandelt worden, die die Familie bezahlt habe.
Auf Vorhalt, dass ihr Vater den Namen der zu Tode gekommenen Schwester mit „I.“ und deren Alter mit 20 Jahren angegeben habe sowie dass sie tot vor der Haustüre gelegen habe, erklärte die Klägerin, der Vater habe das Richtige gesagt. Ihren Namen habe er nicht ganz richtig ausgesprochen. Wie alt die Schwester gewesen sei, könne sie nicht genau sagen. Sie habe auch vor der Tür gelegen, ihr Vater habe ihr gesagt, dass der Mann, der sie mitgenommen habe, sie ermordet und dann vor die Tür gelegt habe. Auf weitere Nachfrage bekräftigte sie, dass sie wisse, dass die Schwester Selbstmord begangen habe. Danach befragt, ob sie einen Bruder namens M. gehabt habe, erklärte die Klägerin, dass sie diesen Namen nicht kenne. Auch dass dieser 1994 getötet worden sein soll, wisse sie nicht.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom
II.
Gegen den am 4. August 2012 zugestellten Bescheid des Bundesamtes ließ die Klägerin mit Schriftsatz vom 8. August 2012, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg am gleichen Tage, Klage erheben.
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom
2. Es wird festgestellt, dass für die Klägerin Abschiebeverbote nach § 60 AufenthG vorliegen.
Des Weiteren wurde beantragt, der Klägerin Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss vom 6. Juni 2016
Mit Beschluss vom 7. Juni 2016
Es wurden verschiedene Erkenntnismittel zu Afghanistan, Stand April 2016, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, auf die Bezug genommen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten und auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom
Gründe
Die Klage, über die trotz des Ausbleibens von Beteiligten in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und teilweise begründet, soweit sie darauf gerichtet ist, bei der Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan festzustellen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Soweit der Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 dem in seinen Ziffern 3. und 4. entgegensteht, ist dieser aufzuheben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO). Darüber hinaus ist der angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 rechtmäßig. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, oder die Zuerkennung des subsidiären Schutzes, § 4 Abs. 1 AsylG, noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Insoweit ist die Klage unbegründet und war daher abzuweisen. Maßgeblich für die Entscheidung über Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG).
A. I.
Die Klägerin hat Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren i. S. des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein betreffen, so ist die Gewährung von Abschiebungsschutz einer politischen Leitentscheidung der obersten Landesbehörde nach § 60a AufenthG vorbehalten. Beim Fehlen einer politischen Regelung i. S. des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zutreffend anerkannt, dass im Falle einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die den einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, unabhängig vom Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 a AufenthG Schutz vor Abschiebung gewährt werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 - BVerwGE 99, 324 ff., juris; U.v.
1.a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr aufgrund der allgemein schwierigen Verhältnisse in eine extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Arbeitseinkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (ständige Rechtsprechung, z. B. BayVG,
b) Die Klägerin im vorliegenden Verfahren ist aufgrund ihrer persönlichen Umstände - allein aufgrund ihres Geschlechts - jedoch ersichtlich nicht der o.g. Gruppe der alleinstehenden und arbeitsfähigen männlichen Rückkehrer nach Afghanistan zuzurechnen. Eine extreme Gefahrenlage kann sich nämlich umgekehrt für besonders schutzbedürftige Rückkehrer wie Minderjährige, alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien mit Kleinkindern und Personen, die aufgrund besonderer persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen, ergeben (vgl. München,
Zur aktuellen Lage in Afghanistan stellt das Auswärtige Amt im Lagebericht vom
Die Schweizer Flüchtlingshilfe teilt in ihrem Update vom
Der UNHCR erklärt in seinen Richtlinien vom
c) Bei der Beurteilung, ob im Einzelfall eine extreme Gefahrenlage besteht, ist zudem zu beachten, dass Familienangehörige wegen des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 GG nur gemeinsam mit ihren Kindern und ihrem Ehepartner nach Afghanistan zurückkehren können (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BVR 586/13 - juris). Daher sind bei der Beantwortung der Frage, ob das Existenzminimum im Heimatland gewährleistet sein wird, alle Familienmitglieder gemeinsam in den Blick zu nehmen (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - juris; VG München, U.v. 21.4.2016 - M 15 K 16.30413 - juris Rn. 23; VG Gelsenkirchen, U.v. 20.8.2015 - 5 a K 4515/13 A - juris Rn. 42). Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen, wie bei Angehörigen, die als politisch Verfolgte Abschiebungsschutz genießen, könne eine andere Betrachtung geboten sei (BVerwG a. a. O.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor, so dass eine gemeinsame Rückkehr der Klägerin mit ihren Eltern, den Klägern im ebenfalls am 5. Juli 2016 entschiedenen Parallelverfahren W 1 K 16.30614, zugrunde zu legen ist.
d) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen würde sich die allgemeine Gefahrensituation in Afghanistan für die Klägerin derart zu einer extremen Gefahr verdichten, dass eine Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung im vorliegenden Fall geboten ist.
Die Klägerin wäre bereits allein schon aufgrund der patriarchalischen Sozialnormen und der damit einhergehenden untergeordneten Stellung der Frau in Afghanistan nicht in der Lage, ihren eigenen Unterhalt, geschweige denn den der gesamten Familie, zu erwirtschaften. In Afghanistan hat sie keine Schule besucht oder einen Beruf erlernt. Menschen, die Analphabeten sind und keinen Beruf erlernt haben, haben bestenfalls die Möglichkeit, sich um Hilfsarbeiten zu bemühen, die regelmäßig mit harter körperlicher Arbeit verbunden sind (vgl. Sachverständigengutachten des Dr. D. an den Hess. VGH
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Rückkehrsituation wesentlich auch davon mitgeprägt wird, ob sich Rückkehrer auf familiäre oder sonstige verwandtschaftliche Strukturen verlassen können oder ob sie auf sich allein gestellt sind. Die Klägerin hat vor dem Bundesamt angegeben, im Heimatland keine weiteren Verwandten zu haben. Das Gericht ist unter Einbeziehung der Aussagen ihrer Eltern, den Klägern im Verfahren W 1 K 16.30614, der Auffassung, dass die Klägerin zumindest nicht auf verwandtschaftliche Hilfe in Afghanistan hoffen könnte. Der Vater der Klägerin hat nämlich insoweit vor dem Bundesamt angegeben, dass er in Kabul einen Cousin habe. Er hat dort jedoch auch mehrmals erwähnt, dass er schon lange keinen Kontakt mehr zu diesem Cousin gehabt habe und er darüber hinaus keinerlei Verwandtschaft in Afghanistan besitze. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nunmehr nach diesem Cousin befragt angegeben, dass es einen solchen Cousin nicht gebe, es habe sich um einen Übersetzungsfehler vor dem Bundesamt gehandelt. Auch wenn dies dem Gericht nicht glaubhaft erscheint, so ist es dennoch davon überzeugt, dass der Vater der Klägerin zu diesem einzigen Verwandten in seinem Heimatstaat - nicht zuletzt aufgrund des vergangenen langen Zeitraums seit der Ausreise der Kläger vor rund 5 Jahren - keine Verbindungen mehr hat und insoweit auch nicht auf dessen Hilfe hoffen könnte. Auch die Mutter der Klägerin hat im gesamten Verfahren glaubhaft angegeben, nicht über weitere Verwandtschaft in Afghanistan zu verfügen, was auch naheliegend erscheint, nachdem nur noch rund 3.000 Hindus überhaupt noch in Afghanistan leben.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin - wie auch ihre Eltern - der Religionsgruppe der Hindus zugehört, welche in Afghanistan von der muslimischen Mehrheitsbevölkerung als Außenseiter betrachtet werden und mit gesellschaftlicher Diskriminierung konfrontiert sind, was die wirtschaftliche Situation die Klägerin über die ohnehin sehr schwierige allgemeine Lage hinaus noch weiter negativ beeinflussen würde. Als Zugehörige einer kleinen Minderheit könnte die Klägerin nämlich nicht auf ein Patronagenetzwerk zurückgreifen, welches in Afghanistan der Erkenntnismittellage entsprechend - unabhängig von den oben dargestellten für die Klägerin bereits unüberwindbaren Probleme - notwendig ist, um die Chance etwa auf einen Arbeitsplatz oder Wohnraum zu erhalten.
Eine andere Einschätzung ergibt sich schließlich auch nicht mit Blick auf die Eltern der Klägerin, die Kläger im Parallelverfahren W 1 K 16.30614. Auch wenn die Klägerin entsprechend der obigen Ausführungen gemeinsam mit ihren Eltern nach Afghanistan zurückkehren würde, so würde sich an der extremen Gefahr, in die die Klägerin und mit ihr die gesamte Familie alsbald nach ihrer Rückkehr geraten würde, nichts ändern. Dies ergibt sich aus folgenden weiteren Erwägungen in Bezug auf die Eltern der Klägerin:
Was den Vater der Klägerin angeht, so ist zentral bereits dessen hohes Alter von mittlerweile 70 Jahren in den Blick zu nehmen, womit er die in Afghanistan derzeit bestehende Lebenserwartung von 50 Jahren (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 6.11.2015) statistisch bereits signifikant überschritten hat. Aufgrund dieses Alters erscheint es dem Gericht ausgeschlossen, dass er in Afghanistan noch in der Lage wäre, den Lebensunterhalt für sich, geschweige denn - wie es in Afghanistan vielfach üblich ist - auch für seine Familie zu erwirtschaften. Zwar hat der Vater in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es ihm gesundheitlich gut gehe, er hat jedoch in glaubhafter Weise ebenfalls darauf verwiesen, dass er Probleme mit den Zähnen und seinem Rücken habe, an dem er in Afghanistan operiert worden sei. Er sieht sich selbst daher nicht mehr in der Lage dazu, aufgrund seines Alters in Afghanistan zu arbeiten. Dies deckt sich mit der Einschätzung des Gerichts aus der mündlichen Verhandlung, in dem der Vater augenscheinlich einen schwachen und gebrechlichen Eindruck gemacht hat. In Afghanistan herrscht zudem wie ausgeführt sehr hohe Arbeitslosigkeit. Menschen, die, wie der Vater der Klägerin Analphabeten sind und keinen Beruf erlernt haben, haben bestenfalls die Möglichkeit, sich um Hilfsarbeiten zu bemühen, die regelmäßig mit harter körperlicher Arbeit verbunden sind (vgl. Sachverständigengutachten des Dr. D. an den Hess. VGH
Auch die Mutter der Klägerin ist bereits 61 Jahre alt. Sie leidet darüber hinaus an einer Vielzahl von Erkrankungen (cerebrales Anfallsleiden, chronische Bronchitis, Retropatellar-Arthrose beidseitig, Arthrose der rechten Hand, chronisches degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Helicobacter positive Gastritis (Oktober 2013), Hypertonie). Sie machte in der mündlichen Verhandlung auf den erkennenden Einzelrichter einen sehr geschwächten Eindruck und hat sich beim Gehen auf einen Rollator stützen müssen. Aufgrund dieser sehr schlechten gesundheitlichen Situation sowie der aufgrund der geltenden Sozialnormen generell untergeordneten Stellung der Frau in der afghanischen Gesellschaft wäre es ihr vollkommen unmöglich, ihren eigenen Lebensunterhalt oder gar den der Familie zu erwirtschaften. Die Mutter verfügt darüber hinaus wie ihr Ehemann und ihre Tochter ebenfalls nicht über Schulbildung, ist Analphabetin und hat zeitlebens nur im Haushalt gearbeitet. Zudem ist bei der Mutter der Klägerin zu bedenken, dass sie - zumindest was ihr cerebrales Anfallsleiden betrifft - zur Vorbeugung gegen epileptische Anfälle auf eine Dauermedikation angewiesen ist, wie sie glaubhaft in der mündlichen Verhandlung angegeben hat und sich darüber hinaus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Medikamentenverordnungsübersicht von Herrn Dr. P. vom 20. Juni 2016 ergibt. Die Mutter ist gegen diese Erkrankung in ihrem Heimatland zwar bereits vor ihrer Ausreise behandelt worden, jedoch sind die erforderlichen Medikamente nach ihrem Vortrag wie auch den Ausführungen des Beklagten im angegriffenen Bundesamtsbescheid durch die Kläger selbst zu finanzieren (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10.1.2012). Diese für afghanische Verhältnisse keinesfalls vernachlässigbaren Kosten würden den Lebensunterhalt der Mutter und damit der gesamten Familie über die gewöhnlichen Verhältnisse hinaus weiter verteuern.
Im Rahmen einer Gesamtschau all dieser Aspekte würde der Klägerin bei einer Rückkehr nach Afghanistan alsbald in eine extreme Gefahrenlage geraten, in der ihr Leben akut in Gefahr wäre. Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die beschriebene extreme Gefahr die Klägerin landesweit, insbesondere in der Hauptstadt Kabul und in ihrer Herkunftsregion, der Stadt Ghazni in der gleichnamigen Provinz, alsbald nach ihrer Rückkehr treffen würde.
II.
Wegen des nach alledem festzustellenden Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG auch der unter Ziffer 4. des angegriffenen Bundesamtsbescheides verfügten Abschiebungsandrohung entgegen, so dass diese ebenso wie dessen Ziffer 3. - soweit sie der ausgesprochenen Verpflichtung entgegen steht - aufzuheben war.
B. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG oder auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) noch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
III.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, weil ihr im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan keine landesweite asylrelevante Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 i. V. m. §§ 3a ff. AsylG droht.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG (BT-Drs. 16/5065 S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i. S. d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gemäß § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der ab 24. Oktober 2015 geltenden Fassung (Art. 1, Art. 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes v. 20.10.2015, BGBl I, S. 1722 ff.) in der Fassung der Änderungen durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 12. März 2016 (BGBl. I, S. 390 ff.) sowie Art. 2 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 12. März 2016 (BGBl. I, S. 394 ff.) anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG - wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG - die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) - Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
Dies zugrunde gelegt hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylG. Der Einzelrichter folgt gemäß § 77 Abs. 2 AsylG den Ausführungen der Beklagten im Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2012 und sieht von einer weiteren Darstellung ab, soweit darin eine Gruppenverfolgung der Hindus in Afghanistan abgelehnt wird.
Ergänzend ist auszuführen, dass diese Auffassung durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Urteil vom 19. September 2013 mit überzeugenden Ausführungen bestätigt wurde (VGH Baden-Württemberg, U.v. 19.9.2013 - A 11 S 689/13 - juris Rn. 65 ff.). Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht für das vorliegende Verfahren an. Auch den vorliegenden aktuellsten Erkenntnismitteln lässt sich keine Situation entnehmen, die eine Änderung dieser Einschätzung rechtfertigen würde.
So wird im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 6. November 2015 im hier relevanten Kontext dargelegt, dass die indische Botschaft in Kabul davon ausgehe, dass in Afghanistan wenige Tausend Hindus und Sikhs verblieben seien. Es gebe vier Hindutempel landesweit, zwei davon in Kabul sowie je einen in Jalalabad und Helmand. Staatliche Diskriminierung gebe es nicht, auch wenn der Weg in öffentliche Ämter für Hindus schon aufgrund fehlender Patronagenetzwerke schwierig sei. Hindus würden aber von großen Teilen der muslimischen Bevölkerung als Außenseiter wahrgenommen. Viele Muslime lehnten insbesondere Feuerbestattungen ab, die im Hinduismus das zentrale Begräbnisritual darstellten. Die afghanische Regierung habe darauf reagiert, indem sie den Hindus einen dafür gewidmeten Ort zur Verfügung gestellt habe. Auf dem Weg dorthin würden Trauergemeinden allerdings den Berichten zufolge belästigt und bedroht. Es gebe auch Berichte, wonach Hindus und Sikhs Opfer illegaler Enteignungen und Beschlagnahmung ihrer Grundstücke geworden seien. Seit 2014 hätten Hindus und Sikhs Anspruch auf einen gemeinsamen Sitz im Parlament, der derzeit durch eine Frau eingenommen werde.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in ihrem Update vom 13. September 2015 aus, dass sich Hindus weiterhin mit Diskriminierungen konfrontiert sähen. Die afghanische Regierung sei bislang nicht gegen die stark eingeschränkte Teilhabe der Hindus an Politik, Geschäftsleben und unrechtmäßigen Enteignungen vorgegangen. Sie sei nicht willens oder fähig, die religiösen Minderheiten vor Übergriffen zu schützen. Bei Ausübung der religiösen Zeremonien, insbesondere bei Beisetzungen, komme es immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen.
Der UNHCR schreibt in seinen aktuellen Richtlinien vom 19. April 2016, dass eine große Zahl von Hindus Afghanistan als Reaktion auf große Schwierigkeiten, denen sie sich ausgesetzt sähen, verlassen hätte. Die geringe Zahl der verbliebenen Hindus sei Berichten zufolge umso verletzlicher für Missbrauch. Obwohl es den Hindugemeinden erlaubt sei, ihre Religion öffentlich zu praktizieren, werde berichtet, dass sie sich fortgesetzter Diskriminierung durch den Staat gegenüber sähen, etwa im Bereich der politischen Partizipation und Stellenbesetzung innerhalb der Regierung. Ebenso werde berichtet, dass sich die Hindus gesellschaftlicher Diskriminierung und Einschüchterung ausgesetzt sähen. Die Hindugemeinden berichteten von Schwierigkeiten bei der Ausführung von Begräbnisritualen und fühlten sich ungeschützt durch staatliche Behörden, etwa im Falle von Landstreitigkeiten. Hindus seien Berichten zufolge Opfer von illegaler Landnahme geworden und würden es aus Angst vor Vergeltung unterlassen, zur Wiedererlangung der Grundstücke gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es gebe eine kleine Zahl von Schulen für Hindus; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen in Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt.
Es zeigt sich nach alledem, dass Hindus allein aufgrund ihrer Volks- bzw. Religionszugehörigkeit oder ihres Erscheinungsbildes weder Tötungen noch schweren körperlichen Misshandlungen oder ähnlich schwerwiegenden Rechtsgutsverletzungen ausgesetzt sind. Insoweit hat sich die Situation seit der Herrschaftszeit der Taliban deutlich verbessert. Das, was den Hindus in Afghanistan widerfährt, ist Ausfluss der allgemeinen Situation in Afghanistan. Politische und administrative Ämter werden oft willkürlich vergeben, wobei informelle Beziehungsnetzwerke und der Proporz der Ethnien eine wesentliche Rolle spielen. Primäres Kriterium bei der Personalauswahl ist häufig die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe oder einem bestimmten Clan. Marginalisierte Gruppen wie etwa die Hindus haben aus diesem Grunde geringere oder nahezu keine Chancen, bei öffentlichen Positionen eingestellt zu werden. Korruption und die Zahlung von Schmiergeldern ist in Afghanistan an der Tagesordnung. Durch Einflussnahme und Zahlung von Bestechungsgeldern an Justiz und Verwaltung werden Entscheidungen nach rechtstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen verhindert. So ist etwa das Problem der illegalen Landnahmen und die mangelnde Durchsetzbarkeit von Rückgabeansprüchen kein spezifisches gegen Hindus gerichtetes Phänomen, sondern auch andere Bevölkerungsgruppen sind hiervon betroffen (vgl. VGH BW, U.v. 19.9.2013 - A 11 S 689/13 - juris Rn. 89). Das Gericht schließt sich vor diesem Hintergrund abermals der Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in der zitierten Entscheidung an, wonach konkrete Referenzfälle, die den Schluss erlauben würden, dass die Diskriminierung der Minderheit der Hindus oder auch sonstige Beeinträchtigungen und Repressalien gegen sie nicht nur auf den vorstehend beschriebenen Missständen beruhen, sondern Bestandteile eines Vorgehens gezielt gegen diese Minderheiten wären, den vorliegenden - auch aktuellsten -Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen sind.
2. Auch eine individuelle Verfolgung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Hindu, § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG, die eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach sich zöge, kann die Klägerin nicht geltend machen.
Eine Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG aus Gründen der Religion kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH v. 5.9.2012 - C - 71/11 und C - 99/11
Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung i. S.v. § 3a Abs. 1 AsylG zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH a. a. O. Rn. 70; BVerwG a. a. O. Rn. 28 ff.).
Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter, wie z. B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere - aber nicht nur - dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei Strafrechtsverboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, weil ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, keine erhebliche Verfolgungsgefahr begründet (BVerwG a. a. O., Rn. 28 m. w. N.). Ein hinreichend schwerer Eingriff setzt dabei nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach der Rückkehr in sein Heimatland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr einer Verfolgung aussetzt. Auch der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung kann die Qualität einer Verfolgung erreichen (BVerwG, a. a. O. Rn. 26).
Als relevanter subjektiver Gesichtspunkt ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH a. a. O. Rn. 70; BVerwG a. a. O. Rn. 29; VGH BW a. a. O. Rn. 48; OVG NRW a. a. O. Rn. 35). Denn der Schutzbereich der Religionsfreiheit erfasst sowohl die von der Glaubenslehre vorgeschriebenen Verhaltensweisen als auch diejenigen, die der einzelne Gläubige für sich selbst als unverzichtbar empfindet. Dabei kommt es auf die Bedeutung der religiösen Praxis für die Wahrung der religiösen Identität des einzelnen Ausländers an, auch wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis nicht von zentraler Bedeutung für die betreffende Glaubensgemeinschaft ist (BVerwG
Die von der Klägerin vorgetragenen Verfolgungsmaßnahmen aus religiösen Gründen weisen bereits objektiv nicht die erforderliche Schwere auf, so dass sie nicht als Verfolgungshandlungen i. S. d. § 3a Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AsylG zu qualifizieren sind.
Die Klägerin hat insoweit vor dem Bundesamt vorgetragen, dass - wenn sie ab und zu draußen gewesen seien - sie von der Bevölkerung beschimpft worden seien, da diese sie als Ungläubige angesehen hätten. Die Leute hätten auch auf sie gespuckt. Darüber hinaus habe es aber nichts gegeben. Sie hätten sich auch wenig mit der Religion beschäftigt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin diesen Vortrag in Übereinstimmung mit den Aussagen vor dem Bundesamt weitgehend - mit teilweise anderen Worten - wiederholt (hätten nicht nach draußen gehen können, wurden als Ungläubige bezeichnet, man habe sie ausgelacht und bespuckt). Dieser Teil ihrer Schilderungen kann nach Auffassung des Gerichts als wahr unterstellt werden. Er deckt sich insbesondere auch mit den Aussagen ihrer Eltern vor dem Bundesamt sowie mit der bereits oben dargestellten Erkenntnismittellage zur Situation der Hindus in Afghanistan. Dasselbe kann für die geringfügige Erweiterung in der mündlichen Verhandlung gelten, wonach die Klägerin in Afghanistan ein Kopftuch habe tragen müssen. Dies erscheint dem Gericht zum einen als Detail, das die Klägerin vor dem Bundesamt vergessen haben könnte zu erwähnen, zumal es auch in seiner Qualität nicht gegenüber dem bisherigen Vortrag - und in Abgrenzung zu anderen Weiterungen (s.u.) - in besonderer Weise hervortritt und auch zwanglos in dem islamisch geprägten Herkunftsland der Klägerin als wahr unterstellt werden kann.
Diese erlittenen Handlungen sind jedoch nicht so gravierend, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten keine Abweichung zulässig ist, darstellen, § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Nach Art. 15 Abs. 2 EMRK sind Abweichungen von dem Recht auf Leben, dem Verbot der Folter, dem Verbot der Sklaverei und Leibeigenschaft sowie dem Grundsatz, dass keine Strafe ohne Gesetz erfolgen darf, nicht zulässig. Diese Rechtsgüter wurden durch die genannten Maßnahmen in keiner Weise tangiert. Auch darüber hinaus ist eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte weder durch die Art noch durch die Wiederholung der in Rede stehenden Handlungen ersichtlich, auch nicht in Form einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen i. S.v. § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Das Beschimpfen, Auslachen und Bespucken sowie der - mindestens gesellschaftliche - Zwang, in der Öffentlichkeit Kopftuch tragen zu müssen, weisen als Angriffe insbesondere auf die Ehre der Klägerin sowie ihre allgemeine Handlungs- und Entfaltungsfreiheit, sich nach eigenen Vorstellungen kleiden zu können, ihrer Art nach keine derartige Schwere auf, dass sie einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung gleichkämen. Dasselbe gilt aber auch mit Blick auf die Wiederholung und Kumulierung derartiger Handlungen gegenüber der Klägerin, der dies ihrem Vortrag nach öfters widerfahren ist. Eine flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlung vermag dies gleichwohl nicht zu begründen, da eine unzumutbare Einschränkung der persönlichen Existenz hierin noch nicht zu erblicken ist. Insbesondere ist es in Afghanistan aufgrund des dort herrschenden patriarchalischen Gesellschaftssystems allgemein nicht üblich, dass sich Frauen dort frei und ohne Einschränkungen außerhalb der eigenen Häuslichkeit in der Öffentlichkeit bewegen. Diese gesellschaftliche Tatsache beruht daher offensichtlich nicht auf der Religionszugehörigkeit der Klägerin. Dasselbe gilt für das gebotene Tragen eines Kopftuches in der Öffentlichkeit. Zudem ergibt sich aus den anderweitigen Aussagen der Klägerin, dass sie gleichwohl nach draußen gegangen ist, auch wenn sie sich sicherlich aufgrund des ablehnenden Verhaltens der muslimischen Mehrheitsbevölkerung hierbei selbst beschränkt hat. Auch hat sie angegeben, mit ihrem Vater einmal den Hindutempel besucht zu haben.
Soweit die Klägerin darüber hinaus weitergehende Verfolgungshandlungen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Hindu vorgetragen hat, so können ihr diese nicht geglaubt werden. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf Befragen des Gerichts erstmals - fast 5 Jahre nach ihrer Einreise nach Deutschland - erklärt, es habe für sie keine Möglichkeit bestanden, die Schule zu besuchen. Zudem seien sie ständig dem Zwang ausgesetzt gewesen, Muslime zu werden, andernfalls die Gefahr bestanden habe, getötet zu werden. Diese als erheblich einzustufenden Steigerungen des verfolgungsrelevanten Sachvortrages erzeugen beim Gericht erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben (vgl. auch § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Die Klägerin hat vielmehr alle wesentlichen Umstände ihrer Verfolgung bzw. der Furcht vor Verfolgung bereits in der Anhörung vor dem Bundesamt vorzutragen (§ 25 Abs. 1 AsylG). Die Unglaubhaftigkeit dieses Teils ihres Vortrages ergibt sich auch daraus, dass die Klägerin vor dem Bundesamt auf ausdrückliche Nachfrage erklärt hat, über das Geschilderte hinaus sei im Hinblick auf Verfolgungsmaßnahmen aus religiösen Gründen nichts Weiteres vorgefallen. Auch hat sie dort bezeichnenderweise angegeben, dass die Familie in Kabul keine Probleme gehabt habe; einen konkreten Anlass für die Ausreise habe es nicht gegeben. Eine nachvollziehbare Erklärung dieser Weiterungen ist darüber hinaus nicht ersichtlich. Was die fehlende Möglichkeit eines Schulbesuchs angeht, so deckt sich dies - unabhängig von vorstehenden Ausführungen - nicht mit der oben dargestellten Erkenntnismittellage. Der UNHCR hat insoweit ausgeführt, dass es eine kleine Zahl von Schulen für Hindus gebe; Hindu-Kinder seien beim Besuch staatlicher Schulen in Kabul Belästigungen und Mobbing ausgesetzt. Es erscheint also eher so, dass die Klägerin die Schule nicht besucht hat, um den bezeichneten Belästigungen aus dem Wege zu gehen, oder schlicht, weil es in Afghanistan zumindest faktisch keineswegs die Regel darstellt, dass ein gesicherter Schulbesuch stattfindet, was die große Zahl von Analphabeten beweist. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass für die Klägerin keinerlei Möglichkeit bestanden hat, zumindest zeitweise und unter Inkaufnahme gewisser Erschwernisse eine Schule zu besuchen.
Ist die Klägerin nach alledem hinsichtlich ihrer Religionszugehörigkeit unverfolgt aus Afghanistan ausgereist, so lässt sich darüber hinaus der aktuellen Erkenntnismittellage ebenfalls nicht entnehmen, dass dieser bei ihrer jetzigen Rückkehr nach Afghanistan Maßnahmen von staatlicher bzw. nicht staatlicher Seite drohen, die über das seinerzeit Erlebte hinausgehen würden. Auf die obigen Ausführungen zur Situation der Hindus in Afghanistan wird diesbezüglich verwiesen.
3. Darüber hinaus ergibt sich für die Klägerin auch keine begründete Furcht vor Verfolgung aus ihrem weiteren Vortrag betreffend die Entführung und Ermordung einer angeblichen Schwester sowie der drohenden Entführung und Ermordung ihrer eigenen Person bzw. sogar der gesamten Familie.
Bei ihrer Befragung vor dem Bundesamt hat die Klägerin dieses Verfolgungsschicksal bereits nicht mit Verfolgungsgründen i. S. d. § 3b AsylG in Verbindung gebracht, so dass bereits aus diesem Grunde die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausscheiden würde. Soweit sie jedoch nunmehr diese Handlungen damit in Verbindung bringen will, dass sie Hinduistin ist und damit eine Hinwendung zum islamischen Glauben erzwungen werden sollte bzw. nach anderweitigem Vortrag ihres Vater, dass damit die Verheiratung der Töchter erzwungen werden sollte, so ist dieser gesamte vorgetragene Komplex bereits im eigenen Vortrag jedes einzelnen Familienmitgliedes (der Klägerin sowie ihres Vaters und ihrer Mutter, den Klägern im Verfahren W 1 K 16.30614) und sodann auch im Vergleich mit den Schilderungen der jeweils anderen Familienmitglieder mit einer solchen Vielzahl nicht erklärbarer Widersprüche behaftet, dass er den Klägern insgesamt nicht geglaubt werden kann.
Zunächst divergieren bereits die Namen der angeblich getöteten Schwester der Klägerin. Während ihr Vater vor dem Bundesamt angegeben hat, seine Tochter habe I. geheißen, wurde der Name von ihrer Mutter vor dem Bundesamt mit S. angegeben, während sie selbst dort den Namen S. gebrauchte. Auf entsprechenden Vorhalt vor dem Bundesamt erklärte ihre Mutter bezüglich dieser Differenzen, ihr Ehemann könne den Namen der Tochter nicht richtig aussprechen und bei dem von der Tochter gebrauchten Namen könne es sich um einen Spitznamen handeln. Bereits dies erscheint abwegig, nachdem die Bezeichnungen S. und I. keinerlei phonetische Gemeinsamkeiten aufweisen. Falls es sich bei dem Namen S. um einen Spitznamen gehandelt haben sollte, so ist nicht erklärlich, warum die Mutter diese Tatsache über ihre Tochter nicht sicher gewusst haben sollte. Im schriftsätzlichen Vortrag des Vaters vom 24. Juni 2016 bezeichnet dieser seine Tochter nunmehr als S., während er sie auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung als Se. bezeichnet. Auf Vorhalt des Gerichts in der mündlichen Verhandlung zu diesen Diskrepanzen erläuterte der Vater, es habe sich vor dem Bundesamt um eine falsche Übersetzung gehandelt. Dies erscheint nicht nachvollziehbar, nachdem er diesen Namen dort mindestens zweimal selbst erwähnt hat und auch der Anhörende in seinen Nachfragen den Namen I. gebraucht hat, so dass der Vater diesen sicherlich korrigiert hätte, wenn es sich tatsächlich um einen Übersetzungsfehler gehandelt hätte. Zudem hat er zum Ende der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe. In Abweichung ihren Angaben vor dem Bundesamt erklärt die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts sodann, dass ihre getötete Schwester Se. geheißen habe. Auf entsprechenden Vorhalt des Gerichts gab sie an, der Übersetzer vor dem Bundesamt habe den genannten Namen (S.) wohl falsch gehört, es liege ein Übersetzungsfehler vor. Auch dies ist aufgrund fehlender phonetischer Gemeinsamkeiten zwischen den Namen Se. und S. sowie ihrer Aussage zum Ende der Befragung, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe, nicht glaubhaft. All dies legt einzig und allein den Schluss nahe, dass es sich hierbei nicht um tatsächlich Erlebtes handelt. An derartiges Basiswissen wie den Namen eines Familienmitgliedes müssten sich alle Familienmitglieder gleichermaßen zwingend erinnern können.
Darüber hinaus divergieren sodann auch die Beschreibungen zum Ablauf der Entführung und Tötung der Schwester bzw. Tochter. Unklarheiten bestehen schon dahingehend, wann sich dieser Vorfall zugetragen haben soll. So erwähnte der Vater der Klägerin vor dem Bundesamt zunächst, dass diese Tochter drei Monate vor der Ausreise aus Afghanistan ums Leben gekommen sei. An anderer Stelle gibt er jedoch an, dass die Familie nach diesem Vorfall nach Kabul geflüchtet sei und dort noch ein Jahr bis zur endgültigen Ausreise aus Afghanistan gelebt habe. Letztere wiederum soll laut Vortrag vor dem Bundesamt Ende Juni 2011/Anfang Juli 2011 stattgefunden habe, was nach Einschätzung des Gerichts der Wahrheit entsprechen dürfte, da sich bei den Behördenakten im Verfahren W 1 K 16.30614 ein Schreiben des B.-Krankenhauses in H. befindet, in dem die Mutter der Klägerin am 28. Juni 2011 nach einem epileptischen Anfall vorstellig geworden ist. Darin wird erwähnt, dass diese kurz zuvor aus Afghanistan kommend nach Deutschland eingereist sei. In der mündlichen Verhandlung wiederum nimmt der Vater als Zeitpunkt für den Vorfall der Entführung und Ermordung der Tochter etwa den November 2009 an, jedenfalls sei es im Winter gewesen. Die Klägerin wiederum gab bei ihrer Befragung vor dem Bundesamt an, dass sie, nachdem sie nach Kabul geflüchtet seien, dort noch eineinhalb Jahre bis zur Ausreise gelebt hätten. In der mündlichen Verhandlung gab sie zu Protokoll, sie könne den Vorfall zeitlich nicht genau einordnen. Es sei jedoch in der kalten Jahreszeit gewesen. Sie hätten in Kabul danach noch etwa ein Jahr gelebt. Die Mutter der Klägerin kann sich ebenfalls nicht erinnern, wann sich der Vorfall genau zugetragen hat. Sie meinte in der mündlichen Verhandlung, dass es etwa sechs Jahre her sein müsse. Das Gericht ist der Überzeugung, dass ein derartig einschneidendes Ereignis, sollte es sich tatsächlich zugetragen haben, von den Familienmitgliedern genauer zeitlich eingeordnet werden müsste - auch unter Berücksichtigung des Bildungsstandes der Kläger. Dass dem nicht so ist, lässt für das Gericht nur den Schluss zu, dass dieses tatsächlich nicht stattgefunden hat. Dafür sprechen auch weitere Ungereimtheiten.
Zum Ablauf der Entführung hat der Vater vor dem Bundesamt angegeben, die Tochter sei von vermummten Personen entführt und getötet worden. Später sprach er dann von einem Mann, der zu ihnen ins Haus gekommen sei und die Tochter zwangsweise mitgenommen habe. Die Mutter erwähnte vor dem Bundesamt zwei vermummte Personen, die nachts gewaltsam in ihr Haus gekommen seien und die Tochter mitgenommen hätten. Einer davon sei bewaffnet gewesen und habe sie gestoßen. Ob ihre Tochter K. die Entführung gesehen habe, wisse sie nicht. Diese habe sich versteckt. Die Klägerin schließlich gab vor dem Bundesamt an, sie wisse nicht, wie und wo ihre Schwester entführt worden sei. Der Entführer habe jedenfalls einen Brief zurückgelassen, aus dem ersichtlich gewesen sei, dass er sie mitgenommen habe. Im Schreiben vom 24. Juni 2016 erklärte der Vater demgegenüber, dass zunächst zwei Männer an der Haustüre gewesen seien, die etwas zu essen hätten haben wollen und die er dann in das Haus gelassen habe. Nach dem Essen habe der ältere der beiden Männer gewollt, dass dessen mit anwesender Sohn seine Tochter S. heiratet. Da die Familie damit nicht einverstanden gewesen sei, seien sie mit einer Pistole bedroht worden. Einer der Männer habe dann mittels Handy zwei weitere Männer verständigt, die ihn dann auf sein Gesicht geschlagen hätten, so dass er geblutet und Zähne verloren habe. Seine Frau habe dabei einen epileptischen Anfall erlitten. Er und seine Tochter K. seien dann gefesselt worden und daraufhin hätten die Männer die Tochter S. mitgenommen. In der mündlichen Verhandlung wiederum berichtet der Vater der Klägerin nur mehr von zwei Personen, die bei der Entführung anwesend gewesen seien. Dies bestätigt auch die Tochter in der mündlichen Verhandlung, so dass sich eine nicht erklärbare Diskrepanz hinsichtlich der Zahl der Entführer ergibt. Auch besteht eine solche hinsichtlich der Frage, ob die Familie die Entführer ins Haus gelassen hat oder ob diese gewaltsam eingedrungen sind, wie die Mutter vor dem Bundesamt behauptet hat. Auch besteht ein Widerspruch dahingehend, ob die Klägerin bei der Entführung zugegen war. Während ihre Mutter und sie selbst in der mündlichen Verhandlung angaben, sie sei im Haus gewesen, habe sich aber in einem anderen Zimmer versteckt, konnte sie vor dem Bundesamt auf Befragen nicht angeben, wo und wie sich die Entführung abgespielt habe, obwohl sie diese gleichwohl mit eigenen Augen aus ihren Versteck mit angesehen haben will, wie sie in der mündlichen Verhandlung erklärt hat. Demgegenüber trägt der Vater in seinem Schreiben vom 24. Juni 2016 vor, dass er und seine Tochter K. von den Entführern gefesselt worden seien, was wiederum zwingend für deren direkte Anwesenheit bei dem Geschehen spricht und mit dem Vortrag der Klägerin und der Mutter nicht in Einklang zu bringen ist.
Unüberwindbare Widersprüche ergeben sich auch zu der Frage, wann die angeblichen Entführer die Leiche der Schwester bzw. Tochter zurückgebracht haben und wie diese tatsächlich zu Tode gekommen ist. Während sämtliche Familienmitglieder in der mündlichen Verhandlung angegeben haben, dass die tote Schwester bzw. Tochter nach einer Woche bzw. acht Tagen zurückgebracht worden sei, hat die Mutter diesen Zeitraum vor dem Bundesamt mit einem Monat angegeben. Die Klägerin hat darüber hinaus vor dem Bundesamt erläutert, dass ihre Schwester Selbstmord begangen habe. Sie sei nach einer Woche zurückgekommen und habe sich noch in der gleichen Nacht in ihrem Zimmer erhängt. Auf Vorhalt vor dem Bundesamt, dass dies von den Angaben ihres Vaters abweiche, erklärte sie zunächst, ihr Vater habe das Richtige gesagt, während sie sodann, auf erneuten Vorhalt, angab, sie wisse, dass die Schwester Selbstmord begangen habe. Auf diese erhebliche Diskrepanz in der mündlichen Verhandlung angesprochen, erklärte die Klägerin, dass es sich vor dem Bundesamt um einen Übersetzungsfehler gehandelt haben müsse. Sie habe das mit dem Selbstmord so nicht gesagt. Dies wiederum erscheint aufgrund der völligen Andersartigkeit der Sachverhalte ausgeschlossen und beweist zur Überzeugung des Gerichts ein weiteres Mal, dass die Kläger hier nicht über tatsächlich Erlebtes berichten.
Unauflösbare Widersprüche ergeben sich auch zur Frage, wie lange die Familie nach der Ermordung der Schwester bzw. Tochter noch in Ghazni verblieben ist. Der Vater sprach vor dem Bundesamt zunächst von drei bis vier Tagen, im Schriftsatz vom 24. Juni 2016 erklärte er, dass sie gleich am nächsten Tag nach Kabul gegangen seien, während er wiederum in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts angab, dass sie eine Woche nach der Ermordung der Tochter nach Kabul geflohen seien. Die Mutter wiederum sprach vor dem Bundesamt von einem Zeitraum von zwei bis drei Tagen, in der mündlichen Verhandlung jedoch von acht Tagen. Die Klägerin erklärte vor dem Bundesamt, dass sie nach dem Tod der Schwester noch etwa 15 bis 20 Tage in der Stadt Ghazni gewesen seien.
Schließlich differieren auch die Aussagen zu dem angeblichen Drohbrief betreffend die Klägerin und zu den Motiven der Täter für die Entführung und Ermordung der Tochter bzw. Schwester und der Klägerin selbst in nicht nachvollziehbarer Weise. Der Vater hat vor dem Bundesamt vorgetragen, gleich nach dem Tod seiner Tochter I. sei ein Brief bei ihnen eingeworfen worden, wonach er seine Tochter K. freiwillig übergeben sollte, weil auch sie ansonsten zwangsweise mitgenommen würde. Auf die Frage, warum die Täter die Töchter entführen und töten wollten, gab der Vater vor dem Bundesamt an, es könne sein, dass es wegen seines hinduistischen Glaubens gewesen sei oder weil sie vielleicht Geld von ihm erpressen wollten. Er wisse es aber nicht genau. In dem Schreiben vom 24. Juni 2016 gab er erstmals an, dass die Entführung der Tochter S. den Zweck gehabt habe, diese zwangsweise zu verheiraten. Dies sei dann auch Gegenstand des Drohbriefes gewesen hinsichtlich seiner Tochter K. Er solle diese in die Familie der Entführer verheiraten, ansonsten würden sie sie auch mitnehmen und töten. In der mündlichen Verhandlung schließlich gab der Vater im Rahmen seiner informatorischen Befragung an, dass man ihm nach den Tod der Tochter gesagt habe, er solle Muslim werden, dann werde man seine andere Tochter auch mitnehmen, um sie zu verheiraten, ansonsten werde er getötet werden. Zunächst stellt es ein gesteigertes Vorbringen dar, wenn der Kläger nunmehr am 24. Juni 2016 erstmals eine angebliche Motivation für die Entführung in Form einer Zwangsverheiratung angibt. Dies ist aus den bereits oben dargelegten Gründen nicht glaubhaft, da es abwegig erscheint, dass gläubige Muslime ihren Sohn mit einer in ihren Augen ungläubigen Hinduistin verheiraten wollen. Wenn dem aber so wäre, so erklärt es sich nicht, warum sie die entführte Tochter dann nicht tatsächlich ihrem Sohn zur Frau geben, sondern sie ermorden. Ebenfalls eine nicht nachvollziehbare Steigerung enthält der Vortrag in der mündlichen Verhandlung, in dem der Vater nunmehr erläutert, dass er zusätzlich gezwungen werden sollte, zum Islam zu konvertieren, andernfalls seine Tochter K. zum Zwecke der Zwangsverheiratung mitgenommen und er selbst getötet würde. Der Zwang zu konvertieren und die Gefahr für seine eigene Person sollen offensichtlich dessen Vortrag nachträglich mehr Nachdruck verleihen und können diesem als allein prozesstaktisch einzustufende Steigerung nicht geglaubt werden. Die Mutter hat vor dem Bundesamt diesbezüglich angegeben, sie hätten nach der Ermordung der einen Tochter einen Brief erhalten, worin gestanden habe, dass auch ihre zweite Tochter K. mitgenommen werden solle. Dieser Drohbrief habe auf der Leiche der Tochter gelegen. Auf Vorhalt vor dem Bundesamt räumte sie sodann jedoch ein, dass sie die Leiche nicht selbst vor der Haustüre habe liegen sehen. Auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erklärte die Klägerin zum Inhalt des Briefes, dass sich aus diesem ergeben habe, dass auch sie Gefahr liefen, getötet zu werden. Dies lässt sich wiederum nicht mit dem Vortrag vor dem Bundesamt in Einklang bringen, wo nur eine Gefahr für die Tochter K. geschildert wurde. Auch insoweit besteht bei Mutter ein gesteigerter Sachvortrag, der ihr nicht abgenommen werden kann. Von einer etwaigen Zwangsverheiratung hat die Mutter in der mündlichen Verhandlung gar nichts erwähnt. Ihre Angaben sind widersprüchlich und können ihr nicht geglaubt werden. Schließlich erklärte die Klägerin vor dem Bundesamt zu diesem Teilkomplex, sie hätten einen Drohbrief erhalten, wonach auch sie selbst mitgenommen werden sollte. Sie erklärte im Gegensatz zu ihren Eltern, dass es zwei Briefe gegeben habe, einen nach der Entführung der Schwester und einen weiteren nach dem Tod ihrer Schwester. Letzteren Brief hätten sie ca. drei Tage nach dem Tod der Schwester erhalten, was sich nicht mit den Aussagen der Eltern deckt, die davon gesprochen haben, dass der Brief sie gleich nach dem Tod der Tochter erreicht habe. In der mündlichen Verhandlung wiederum setzt sich die Klägerin zu ihren eigenen Aussagen vor dem Bundesamt in Widerspruch, indem sie anführte, dass der Brief gleichzeitig mit der Leiche der Schwester gebracht worden sei. Inhaltlich habe sich daraus ergeben, dass auch sie getötet werden sollten, wenn sie keine Muslime würden.
All diese weder erklärbaren noch nachvollziehbaren Unstimmigkeiten und Widersprüche bereits im jeweils eigenen Vortrag jedes Familienmitgliedes und sodann auch im Vergleich mit den Schilderungen der jeweils anderen Familienmitglieder ergeben in der Gesamtschau, dass der gesamte Vortrag betreffend die Entführung und Ermordung der angeblichen Tochter bzw. Schwester sowie die drohende Entführung und Ermordung der Klägerin oder aber der gesamten Familie durch Muslime bzw. Taliban nicht glaubhaft ist. Lediglich ergänzend sei exemplarisch für diese Einschätzung noch darauf hingewiesen, dass der Vater der Klägerin vor dem Bundesamt einen Sohn namens M. erwähnt hat, der 1994 im Krieg getötet worden sei, den jedoch Ehefrau und Tochter gar nicht kennen. Die Mutter der Klägerin meinte hierzu auf Vorhalt vor dem Bundesamt, dass es sich tatsächlich um seinen Bruder gehandelt habe, den ihr Ehemann jedoch als seinen Sohn angesehen habe. Demgegenüber führt der Vater in seinem Vortrag vom 24. Juni 2016 wiederum noch einmal eindeutig aus, dass es sich um seinen eigenen Sohn gehandelt habe.
IV.
Die Klägerin hat des Weiteren auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG.
Der Klägerin droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihr ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.
Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die zuletzt genannte Vorschrift der Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337, S. 9) - QRL - dient, ist dieser Begriff jedoch in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b QRL auszulegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt Art. 15b QRL wiederum in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu Art. 3 EMRK aus (z. B. EuGH, U.v. 17.2.2009 - Elgafaji, C - 465/07
Dass der Klägerin insoweit keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht, ergibt sich bereits daraus, dass ihr Vortrag zu ihren Fluchtgründen in weiten Teilen unglaubhaft ist. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Soweit das Gericht den Vortrag insoweit als glaubhaft eingestuft hat, dass die Klägerin aufgrund ihrer Religion insbesondere beschimpft und bespuckt worden seien, so erreicht dies nicht den notwendigen Schweregrad, um eine Verletzung des Art. 3 EMRK annehmen zu können.
Darüber hinaus stellen auch die schlechten humanitären Bedingungen, die in Afghanistan herrschen, keinen Grund dar, um einen subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zu begründen. Zwar ist dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in ganz außergewöhnlichen Fällen grundsätzlich möglich. Allerdings existiert hierfür eine sehr hohe Eingriffsschwelle und setzt voraus, dass im Falle der Rückführung die konkrete Gefahr einer unmenschlichen Behandlung in der Form unzureichender humanitärer Lebensbedingungen gerade Folge einer direkten oder indirekten Aktion von Seiten staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure ist. Dieses Erfordernis ergibt sich auch aus § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3c AsylG, wonach es auch beim subsidiären Schutz eines Verfolgungsakteurs, von dem die Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgeht, bedarf (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris). Schlechte allgemeine wirtschaftliche oder humanitäre Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat, die nicht auf einen solchen Akteur zurückführbar sind, fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Die schlechten humanitären Lebensbedingungen in Afghanistan sind gerade nicht auf einen spezifischen Verfolgungsakteur zurückzuführen, sondern allgemeine und nicht individualisierbare Folge der schlechten ökonomischen Bedingungen und der schwierigen Sicherheitslage im Land. An dieser Situation hat sich auch aufgrund der jüngsten Erkenntnismittellage nichts geändert.
2. Ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes ergibt sich auch nicht aufgrund einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Klägerin infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
Für die Beurteilung kommt es hierbei regelmäßig auf die Herkunftsregion des Ausländers an (BVerwG, U.v. 14.7.2009 - 10 C 9/08 - BverwGE 134, 188; BayVGH, U.v. 12.1.2012 - 13a B 11.30427 - juris Rn. 15 m. w. N.). Die Klägerin stammt vorliegend aus der Stadt und Provinz Ghazni, so dass auf diese Region abzustellen ist. Die obergerichtliche Rechtsprechung geht auf der Grundlage der verfügbaren Erkenntnismittel davon aus, dass afghanische Staatsangehörige bei einer Rückkehr in die Provinz Ghazni nach derzeitiger Sicherheitslage im Allgemeinen keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt sind (BayVGH, B.v. 20.8.2015 - 13 ZB 15.30062 - juris Rn. 7 zur Südostregion, der die Provinz Ghazni zuzurechnen ist; BayVGH, B.v. 11.3.2014 - 13a ZB 13.30246 - juris Rn. 5 f.; BayVGH, U.v. 4.6.2013 - 13a B 12.30063 - juris Rn. 15 ff.; OVG Lüneburg, U.v. 7.9.2015 - 9 LB 98/13 - juris Rn. 42 ff.). Das Gericht schließt sich dieser Einschätzung an. Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage keine derart hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson schon alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in der Provinz Ghazni einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt wäre (UNAMA Report v. 14.2.2016; EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan - Security Situation, v. 1.1.2016, S. 89 ff.). Individuelle gefahrerhöhende Umstände sind bei den Klägern nicht erkennbar, insbesondere handelt es sich bei den von den Klägerin befürchteten Gefahren und objektiv vorliegenden Indikatoren, wie der Zugehörigkeit zur hinduistischen Religion, ersichtlich um andere Gefahren als denjenigen, welche Zivilpersonen in einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt drohen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass Hindus der besonderen Gefahr von Anschlägen ausgesetzt oder gar Zielscheibe solcher Anschläge wären.
V.
Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Ein solches kommt nicht in Betracht, da der Klägerin keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Insbesondere stellt die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in ganz besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht jedoch allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. In Afghanistan ist die allgemeine Lage jedenfalls nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde (EGMR, U.v. 13.10.2011 - NJOZ 2012, 952, Rn. 84; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris). In Fällen, in denen wie vorliegend gleichzeitig über die Gewährung subsidiären Schutzes zu entscheiden ist, scheidet darüber hinaus bei Verneinung dieser Voraussetzungen regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 36). Insofern wird auf die Ausführungen zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG Bezug genommen. Auch hinsichtlich des individuellen Vortrages der Klägerin in Bezug auf religiöse und sonstige Verfolgungsmaßnahmen kann auf obige Ausführungen zu den §§ 3 und 4 AsylG verwiesen werden, wonach der Vortrag nicht glaubhaft bzw. nicht von solcher Schwere ist, dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Betracht zu ziehen ist.
VI.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.