Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 25. Mai 2016 - 5 K 3818/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks N.-----straße 26 in C. . Nordöstlich seines Grundstückes befindet sich ein Bolzplatz, hieran schließt sich nordöstlich ein Schulgebäude an der S.---straße 1, Gemarkung H. , Flur 9, Flurstück 567, an. Zu dieser Schule gehört eine Sporthalle – Einfachturnhalle –. Beide Grundstücke liegen in nicht überplantem Gebiet. Die nähere Umgebung ist überwiegend durch Wohnnutzung geprägt, nur ganz vereinzelt befinden sich gewerbliche Nutzungen. Südwestlich des klägerischen Grundstückes befindet sich etwa der Sitz eines Taxiunternehmens und südlich das Wellenfreibad Südfeldmark.
3Unter dem 10. Juni 2015 erteilte die Beklagte ihrem Amt für Soziales und Wohnen eine bis zum 1. Juni 2016 befristete Baugenehmigung für die Nutzungsänderung der Turnhalle zu einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge.
4Der Kläger hat gegen diese ihm am 6. August 2015 bekannt gegebene Baugenehmigung am 3. September 2015 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Das Vorhaben füge sich nicht in die nähere Umgebung des allgemeinen Wohngebietes ein und verursache unzumutbare Lärmbelästigungen, insbesondere bei Nacht. Zwischenzeitlich sei auch das Schulgebäude zu einer Flüchtlingsunterkunft umgenutzt worden. In dem Gesamtkomplex seien gegenwärtig 200 Personen untergebracht. Die Außenanlagen des Schulgeländes würden bis spät in die Nacht genutzt, wodurch zu erheblichen Lärmbelästigungen komme. Das seitens der Beklagten beauftragte Wachpersonal sei nicht in der Lage, für einen erträglichen Lärmpegel zu sorgen. Die Baugenehmigung sei in nachbarrechtsrelevanter Weise unbestimmt, soweit die Beklagte behaupte, der Bolzplatz sei nicht mehr Genehmigungsgegenstand. Aus dem Verwaltungsvorgang – Seite 42 – folge das Gegenteil. Im Verwaltungsverfahren sei ein Ballspielverbot auf dem Bolzplatz zwischen den Beteiligten diskutiert worden. Dieses hätte aus Gründen des Nachbarschutzes auch in die Baugenehmigung aufgenommen werden müssen. Das Rücksichtnahmegebots sei auch verletzt, weil die Flüchtlingsunterkunft das Wohngebiet bei weitem überfordere. Die Masse der untergebrachten Personen führe zwangsläufig zu einer für die Gebietsart untypischen Unruhe und Lärmbelästigung.
5Der Kläger beantragt,
6die Baugenehmigung der Beklagten vom 10. Juni 2015 aufzuheben.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Sie trägt zur Begründung vor: Die Klage sei teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet. Soweit sich der Kläger gegen die Nutzung des Bolzplatzes wende, sei er auf den Streitgegenstand zu verweisen. Die Nutzung des Bolzplatzes werde durch die Baugenehmigung nicht legalisiert. Ihr Gegenstand sei die befristete Nutzung der Turnhalle zur Unterbringung von 32 Personen. Maßgeblich für ihren Regelungsumfang seien die mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen. Der Grundriss des Erdgeschosses – Bauvorlage d) der Baugenehmigung – stelle anschaulich den genehmigten Nutzungsumfang dar. Eine bauaufsichtliche Genehmigung des Bolzplatzes sei weder dem Bauschein noch den Bauvorlagen zu entnehmen. Soweit die Baugenehmigung angegriffen werde, sei die Klage unbegründet. Das Vorhaben befinde sich in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet, in dem Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge als sozialen Zwecken dienende Einrichtungen bereits gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO) allgemein zulässig seien. Das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Die pauschal behaupteten Lärmbelästigungen seien ihm zuzumuten. Die Rechtsprechung habe bereits entschieden, dass es keinen bauplanungrechtlichen Milieuschutz gebe. Lautes Rufen, Gelächter und Streitigkeiten seien als sozialadäquate Geräusche in einem allgemeinen Wohngebiet regelmäßig hinzunehmen. Aus der obergerichtlichen Rechtsprechung folge, dass aufgrund der aktuellen Flüchtlingszahlen für einen gewissen Zeitraum ein „mehr“ an Beeinträchtigungen hinzunehmen sei.
10Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 15. Februar 2016 bzw. vom 21. März 2016 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Der Einzelrichter ist gemäß § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtordnung (VwGO) zuständig, nachdem ihm der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 23. Mai 2016 zur Entscheidung übertragen worden ist. Dieser entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, vgl. § 101 Abs. 2 VwGO.
14Die zulässige Klage ist unbegründet.
15Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung der Beklagten vom 10. Juni 2015, weil ihn diese nicht in seinen Rechten verletzt, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
16Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfungsmaßstabs gilt im baurechtlichen Nachbarstreit, dass keine Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vorzunehmen ist, sondern allein zu fragen ist, ob der angefochtene Verwaltungsakt den Kläger in seinen subjektiven Rechten verletzt.
17Das vom Kläger ins Feld geführte bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme ist vorliegend nicht verletzt. Der Einzelrichter schließt sich nach Sichtung des verfügbaren Kartenmaterials der Auffassung der Beteiligten an, dass die maßgebliche nähere Umgebung aufgrund der vereinzelt vorhandenen gewerblichen Nutzungen als faktisches allgemeines Wohngebiet (vgl. § 4 BauNVO) zu qualifizieren ist. Damit ist gemäß § 34 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) hinsichtlich der Zulässigkeit der Art der Nutzung die BauNVO anwendbar. In einem faktischen Baugebiet ist das Gebot der Rücksichtnahme in § 15 Abs. 1 BauNVO verankert. Danach sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
18Dem Gebot der Rücksichtnahme kommt (nur) drittschützende Wirkung zu, wenn in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf besondere Rechtspositionen Rücksicht zu nehmen ist. Ein solcher Fall kann gegeben sein, wenn unabhängig von der besonderen rechtlichen Schutzwürdigkeit der Betroffenen ihr Betroffensein wegen er gegebenen Umstände so handgreiflich ist, dass dies die notwendige Qualifizierung, Individualisierung und Eingrenzung bewirkt,
19so grundlegend BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 – IV C 22.75 –, Rn. 28.
20Das Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
21Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 - und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -; jeweils zitiert nach juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Juli 2014 – 5 K 3060/13 -.
22Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
23Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 – und vom 23. August 2013 – 6 L 737/13 - sowie Urteil vom 30. Oktober 2014 – 5 K 1588/13 -; BayVGH, Urteil vom 12. Juli 2012 – 2 B 12.1211 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2012 – 2 S 50.10 -; jeweils zitiert nach juris.
24Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich das Vorhaben nicht zu Lasten des Klägers als rücksichtslos.
25Die Rücksichtslosigkeit folgt nicht aus einer nachbarrechtswidrigen Unbestimmtheit der Baugenehmigung. Gemäß § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW muss eine Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein. Sie muss Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung eindeutig erkennen lassen, damit der Bauherr die Bandbreite der für ihn legalen Nutzung und Drittbetroffene das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenen Betroffenheit zweifelsfrei erkennen können. Eine solche dem Bestimmtheitsgebot genügende Aussage muss dem Bauschein selbst – gegebenenfalls durch Auslegung – entnommen werden können, wobei die mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen bei der Ermittlung des Erklärungsinhalts der Baugenehmigung herangezogen werden müssen.
26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. September 2007 – 10 A 4372/05 – und Urteil vom 12. September 2006 – 10 A 2980/05 –, beide juris.
27Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Nutzung des Bolzplatzes in Anwendung dieser Maßgaben nicht Gegenstand der angefochtenen Baugenehmigung. Nach dem Bauschein und den mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen ist eine Nutzung des Bolzplatzes nicht genehmigt worden. Der Bauschein bezeichnet als Bauvorhaben die Umnutzung der „Turnhalle“, und aus der ergänzenden Betriebsbeschreibung – Blatt 22 des Verwaltungsvorgangs – geht hervor, dass allein diese einschließlich der sanitären Anlagen Genehmigungsbestandteil sind. Dies ergibt sich auch aus den Erdgeschossgrundrissen. Damit ist der Nutzungsgegenstand der Baugenehmigung für den Bauherrn und den Nachbarn hinreichend bestimmt.
28Anhaltspunkte für Zweifel an diesem Ergebnis lassen sich den maßgeblichen Bauvorlagen nicht entnehmen. Rechtlich unerheblich ist, dass der Ersteller des Aktenvermerkes vom 27. Juli 2015 unter Ziffer 3. offensichtlich davon ausging, auch die Nutzung des Spielplatzes und der Außenanlagen sei von der Baugenehmigung vom 10. Juni 2015 umfasst. Der Aktenvermerk war allein für den internen Behördenverkehr bestimmt, ist nicht mit einem Zugehörigkeitsvermerk versehen und damit erkennbar kein Gegenstand der Baugenehmigung vom 10. Juni 2015. Damit dringt der Kläger mit der Bestimmtheitsrüge nicht durch.
29Soweit der Kläger von der Nutzung der Turnhalle ausgehende Geräuschimmissionen rügt, begründet dies ebenfalls nicht die Verletzung des Rücksichtnahmegebotes. Die Unterbringung weiterer – nach seinem Vortrag 200 – Flüchtlinge beruht offensichtlich auf einer weiteren Baugenehmigung, die nicht streitbefangen ist. Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 10. Juni 2015 legalisiert ausweislich der Baubeschreibung die Unterbringung von lediglich 32 Personen. Nach dem Grundriss des Erdgeschosses handelt es sich bei dieser Anzahl um die Maximalkapazität der in der Turnhalle unterzubringenden Personen. Dass störender Lärm von der Nutzung der Turnhalle als solcher in dem genehmigten Umfang ausginge, hat der Kläger nicht substantiiert dargetan. Ihn stört der vom Bolzplatz – als „wesentliche Lärmquelle“ – insbesondere nachts ausgehende Lärm, der wie dargelegt, da nicht von der Baugenehmigung umfasst, jedoch nicht streitgegenständlich ist.
30Bei der Prüfung der Verletzung des Rücksichtnahmegebotes ist vorliegend weiter zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit Erlass des Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlinge vom 20. November 2014,
31BGBl. I S. 1748,
32der Schaffung von Flüchtlings- und Asylbewerberunterkünften ein besonderes Gewicht beigemessen hat, was insbesondere bei der Abwägung und Bewertung nachbarlicher Interessen bei der Anwendung des Gebots der Rücksichtnahme von Bedeutung ist.
33Hessischer VGH, Beschluss vom 18. September 2015 – 3 B 1518/15 –, juris Rn. 19.
34Diese gesetzliche Wertung ist auch abseits von behördlichen Ermessensentscheidungen bei der im Rahmen der Rücksichtnahmeprüfung regelmäßig vorzunehmenden Abwägungsentscheidung zwischen den kollidierenden Interessen von Relevanz. In der Konsequenz ist dem Kläger – temporär – ein höheres Maß an Rücksichtnahme abzuverlangen. Aufgrund der Befristung der Baugenehmigung ist dies für ihn auch zumutbar.
35Auch von einer Sprengung des Baugebietscharakters durch die Zulassung der Flüchtlingsunterkunft kann keine Rede sein. Das Vorhaben fügt sich nach seiner Art in die nähere Umgebung des allgemeinen Wohngebietes iSd § 4 BauNVO ein. Darin sind Anlagen für soziale Zwecke gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig. Die Flüchtlingsunterkunft ist eine Anlage für soziale Zwecke. Anlagen für soziale Zwecke dienen in einem weiten Sinn der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfahrt. Es handelt sich dabei um Nutzungen, die auf Hilfe, Unterstützung, Betreuung und ähnliche fürsorgliche Maßnahmen ausgerichtet sind. Zur Überbrückung einer Übergangs- oder Notsituation gedachte Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber fallen regelmäßig unter diesen Begriff,
36vgl. VGH Mannheim , Beschluss vom 6. Oktober 2015 – 3 S 1695/15 –, juris und Beschluss vom 14. März 2014 – 8 S 2504/12 – (DVBl. 2013, 795); Hessischer VGH, Beschluss vom 18. September 2015 – 3 B 1518/15 –, juris Rn. 14 m. w. N.; Stock in: Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Kommentar, Stand: September 2013, § 4 BauNVO, Rn. 94; eine Wohnnutzung scheidet hingegen aus, weil eine hinreichende Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises nach Maßgabe der Baugenehmigung nicht möglich ist. Die Sanitäranlagen werden gemeinschaftlich genutzt, es gibt keine Gemeinschaftsküchen, die Versorgung erfolgt durch einen Catering-Service; vgl. zu diesen Kriterien VG Karlsruhe, Beschluss vom 12. Februar 2016 – 6 K 121/16 –, juris Rn. 32,
37Der Anspruch des Klägers auf Gebietserhaltung ist aufgrund der allgemeinen Zulässigkeit des Vorhabens nicht verletzt. Wäre die nähere Umgebung entgegen der hier vertretenen Auffassung und entgegen der Auffassung der Beteiligten als reines Wohngebiet zu qualifizieren, wäre eine Flüchtlingsunterkunft im Übrigen gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig.
38Zu Recht verweist die Beklagte darauf, dass das allgemeine Bauplanungsrecht auch keinen Anspruch auf die Bewahrung der sozialen Zusammensetzung des Wohnumfeldes (sogenannten Milieuschutz) gewährleistet,
39vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 – 4 C 13/94 –, BVerwGE 101, 364 und juris Rn. 72.
40Daher ist unerheblich, dass es sich bei den in der Turnhalle untergebrachten Personen um Flüchtlinge handelt.
41Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 25. Mai 2016 - 5 K 3818/15
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 25. Mai 2016 - 5 K 3818/15
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenVerwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 25. Mai 2016 - 5 K 3818/15 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).
(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
- 1.
Wohngebäude, - 2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe, - 3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
- 1.
Wohngebäude, - 2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe, - 3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
Tenor
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Im E. 62 in W. . Das Grundstück ist an seiner südöstlichen Grenze mit einem Wohnhaus bebaut. Die Antragstellerin und der Antragsteller, ihr Sohn, bewohnen je eine Wohnung in dem Haus. Eine Einliegerwohnung ist vermietet. Die Wohnzimmer und vorgelagerte Terrassen liegen an der Ostseite des Hauses. Auf dem Grundstück ist nordwestlich des Wohnhauses ein großes, verpachtetes Gewächshaus errichtet.
4Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks In der L. 5. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut. Die Antragstellerin hat ein Nießbrauchsrecht an dem Haus.
5Der Beigeladene ist Inhaber einer landwirtschaftlichen Hofstelle auf dem Grundstück Im E. 78 in W. . Er errichtete in der Nähe seiner Hofstelle eine Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe von 65 m, einem Rotordurchmesser von gut 40 m und einer Nennleistung von 500 kW. Die Windenergieanlage ist in einer Entfernung von rund 225 m nordöstlich des Wohnhauses der Antragstellerin und rund 310 m südöstlich des Hauses In der L. 5 errichtet.
6Der Beigeladene legte ein schalltechnisches Gutachten vor. Es beruht auf Messungen beim Betrieb der bereits errichteten Anlage. Die Messungen sind unter anderem am Wohnhaus Im E. 62 der Antragstellerin vorgenommen worden. Die schalltechnische Untersuchung kommt bei einer Leistung der Anlage von 400 kW zu einem Beurteilungspegel von 45 db (A) bezogen auf das Wohnhaus Im E. 62.
7Das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen gab eine Stellungnahme zur Einwirkung von Schlagschatten unter anderem auf das Wohnhaus Im E. 62 ab. Das Landesumweltamt errechnete insoweit eine maximal mögliche jährliche Beschattungsdauer von etwas mehr als 33 Stunden innerhalb des Zeitraumes zwischen dem 22. Mai und dem 20. Juli. Die maximal mögliche Beschattungsdauer je Tag beträgt nach dieser Berechnung 41 Minuten. Sie liegt in den frühen Morgenstunden. Unter Berücksichtigung erfahrungsgemäß auftretender Bewölkung kommt das Landesumweltamt zu einer effektiven jährlichen Beschattungsdauer von über 13 Stunden.
8Der Antragsgegner erteilte dem Beigeladenen unter dem 2. November 1998 eine nachträgliche Baugenehmigung für die bereits errichtete Windenergieanlage. Die Baugenehmigung ist mit Auflagen versehen. Unter anderem hat der Beigeladene parallel zur östlichen Grenze des Grundstücks der Antragstellerin auf dem Nachbargrundstück in einem Abstand von 4 m zum Grundstück der Antragstellerin als Sichtschutz eine Reihe serbischer Fichten mit einer Höhe von etwa 4,50 m und eine Reihe Koreatannen mit einer Höhe von 2,50 m bis 3,00 m anzupflanzen. Die Anpflanzung muß auf Dauer eine Höhe von mindestens 9,14 m über Grund erreichen. Um die Einwirkung von Schlagschatten unter anderem auf die Häuser Im E. 62 und In der L. 5 zu verhindern, ist der Rotor der Windenergieanlage zu den Zeiten automatisch geregelt stillzulegen, zu denen solche Einwirkungen auf die Häuser und die zu ihnen gehörenden intensiv genutzten Außenbereiche (Terrassen, Sitzecken)zu erwarten sind. Um Immissionsrichtwerte von nachts 45 db (A) zu gewährleisten, ist die Windenergieanlage nachts so zu betreiben, daß die Nennleistung maximal 400 kW beträgt und die Rotordrehzahl 35 Umdrehungen in der Minute nicht überschreitet.
9Die Antragstellerin legte am 5. November 1998, der Antragsteller legte mit Schriftsatz vom 24. Februar 1999 Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein.
10Die Anträge der Antragsteller,
11die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 2. November 1998 anzuordnen,
12hat das Verwaltungsgericht durch den angefochtenen Beschluß abgelehnt.
13Mit ihren vom Senat zugelassenen Beschwerden verfolgen die Antragsteller ihre Begehren erster Instanz weiter.
14Der Berichterstatter hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte (3 Bände), der Verfahrensakte 10 L 3205/97 - VG Gelsenkirchen - sowie der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (2 Ordner und 8 Hefte).
16II.
17Die Beschwerden sind unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anträge der Antragsteller zu Recht abgelehnt. Die Anträge sind unbegründet. Das Interesse des Beigeladenen daran, die ihm erteilte Baugenehmigung sofort ausnutzen zu dürfen, überwiegt das Interesse der Antragsteller, das Vorhaben des Beigeladenen bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens vorerst zu verhindern.
18Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Senats verstößt die streitige Baugenehmigung nicht offensichtlich gegen solche öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die dem Schutze der Antragsteller als Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Danach spricht derzeit mehr dafür, daß die Widersprüche der Antragsteller gegen die streitige Baugenehmigung erfolglos bleiben werden. Ihnen ist deshalb der weitere Betrieb der Anlage vorerst zuzumuten.
19Die erteilte Baugenehmigung verstößt nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauordnungsrechts mit nachbarschützendem Charakter. Namentlich wahrt die genehmigte Anlage die gemäß § 6 Abs. 10 BauO NW erforderliche Abstandfläche in Richtung auf die Grundstücke der Antragsteller.
20Bauplanungsrechtlich richtet sich das Vorhaben des Beigeladenen nach § 35 Abs. 1 BauGB. Das Vorhaben des Beigeladenen soll außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans und außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils verwirklicht werden. An den Straßen Im E. und In der L. sind lediglich verstreut einzelne (Wohn- )Gebäude vorhanden. Diese Streubebauung bildet allenfalls eine Splittersiedlung. Die Baulichkeiten lassen nach ihrer Zahl und Anordnung keine organische Siedlungsstruktur erkennen und haben nicht das nötige Gewicht, um bereits als Ortsteil im Sinne des § 34 BauGB angesehen werden zu können.
21Wird das Vorhaben des Beigeladenen danach im Außenbereich verwirklicht, verletzte die angefochtene Baugenehmigung Nachbarrechte der Antragsteller, wenn sie gegen § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB und das darin enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstieße. Nach dieser Vorschrift beeinträchtigt ein Vorhaben im Außenbereich öffentliche Belange insbesondere dann, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann.
22Zu solchen schädlichen Umwelteinwirkungen können insbesondere Lärmimmissionen gehören, die von der Windenergieanlage auf benachbarte Wohnhäuser einwirken. Der Betrieb der genehmigten Anlage wird indes auf den Grundstücken der Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu unzumutbaren Lärmbelästigungen führen.
23Auch die Grundstücke der Antragsteller liegen im Außenbereich, nämlich innerhalb der beschriebenen Streubebauung. Die Antragsteller können zwar damit rechnen, daß in der Umgebung ihrer Grundstücke keine Nutzung zugelassen wird, die ihre Wohnnutzung unzumutbar beeinträchtigt. Die Schwelle zur Unzumutbarkeit ist aber noch nicht dann überschritten, wenn die Richtwerte nicht eingehalten werden, die nach den einschlägigen technischen Regelwerten für reine Wohngebiete gelten. Können Geräusche - wie diejenigen einer Windenergieanlage - nach den Richtwerten der VDI-Richtlinie 2058 oder nach der TA-Lärm beurteilt werden, so sind Geräusche mit einem Beurteilungspegel von 55 db (A) tagsüber und 40 db (A) nachts für ein Wohnhaus zuzumuten, das in einem reinen Wohngebiet, jedoch in Randlage zum Außenbereich liegt. Der Schutzmaßstab ist noch weiter herabzusetzen, wenn das Wohnhaus - wie hier diejenigen der Antragsteller - im Außenbereich liegt. Wer im Außenbereich wohnt, hat keinen Anspruch darauf, daß seine Umgebung von weiterer Bebauung freibleibt. Wie sich aus § 35 Abs. 1 BauGB ergibt, muß er unter Umständen mit belastenden Anlagen rechnen. Wer im Außenbereich wohnt, kann deshalb allenfalls die Einhaltung der Grenzwerte verlangen, die nach den einschlägigen technischen Regelwerken für Mischgebiete erarbeitet sind, also Beurteilungspegel von 60 db (A) tagsüber sowie 45 db (A) nachts,
24OVG NRW, Beschluß vom 9. September 1998 - 7 B 1591/98 -.
25Die Einhaltung dieser Werte ist für die Wohnhäuser der Antragsteller in der Baugenehmigung festgeschrieben. Die Werte können voraussichtlich eingehalten werden. Hierzu liegt die schalltechnische Untersuchung vor. Sie beruht nicht auf einer Prognose, sondern auf Messungen aus dem Betrieb der Anlage. Danach wird ein Beurteilungspegel von 45 db (A) an den Wohnhäusern der Antragsteller jedenfalls dann eingehalten, wenn die Nennleistung der Windenergieanlage bei maximal 400 kW liegt und die Rotordrehzahl 35 Umdrehungen in der Minute nicht überschreitet. Der Antragsgegner hat dem Beigeladenen in der Baugenehmigung zur Auflage gemacht,während der Nachtzeit diese Kennzahlen für den Betrieb der Anlage einzuhalten.
26Die Antragsteller greifen die schalltechnische Untersuchung deshalb an, weil der Sachverständige von dem gemessenen Wirkpegel einen Abzug von 3 db (A) für Meßunsicherheiten vorgenommen hat. Dieser Abzug dürfte indes nicht zu beanstanden sein. Der Sachverständige hat für seine schalltechnische Untersuchung noch die TA-Lärm (1968) zugrundegelegt. Sie sah in Nr. 2.422.5 Satz 1 Buchst. c einen Abzug von 3 db (A) für Meßunsicherheit vor. Dieser Abschlag trug dem Umstand Rechnung, daß in die Berechnungen Meßwerte einfließen, die wegen geräte- und umweltbedingter Toleranzen Wahrscheinlichkeitsgrößen sind, mit der Folge, daß auch das Berechnungsergebnis selbst eine gewisse Unsicherheit aufweist. Diese mit 3 db (A) bewertete Toleranz war untrennbar Bestandteil des Meß- und Berechnungsverfahrens nach der TA- Lärm. Wurden schädliche Umwelteinwirkungen nach Maßgabe der TA-Lärm ermittelt, durfte der Bewertungsmaßstab dieses Regelwerks nicht dadurch verschoben werden, daß der vorgeschriebene Meßunsicherheitsabschlag unberücksichtigt blieb,
27BVerwG, Beschluß vom 22. Oktober 1996 - 7 B 132.96 -, NVwZ-RR 1997, 279.
28Mit Blick auf die bevorstehende Einführung der TA-Lärm 1998 zum 1. November 1998 hat der Sachverständige sich auch zu der Frage geäußert, ob sich aus der TA-Lärm 1998 für das Ergebnis bedeutsame Änderungen ergeben. Er hat diese Frage verneint. Der Senat hat keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine abweichende Einschätzung. Die TA-Lärm 1998 sieht in ihrer Nr. 6.9 einen Abschlag um 3 db (A) vor, wenn bei der Überwachung einer Anlage die Geräuschimmissionen durch Messung ermittelt werden. Mit diesem Abzug dürfte der frühere Abschlag für Meßunsicherheiten fortgeschrieben sein. Der Abschlag dürfte somit auch heute noch untrennbarer Bestandteil des in der TA-Lärm vorgeschriebenen Meß- und Berechnungsverfahrens sein und deshalb weiterhin vorzunehmen sein,
29vgl. Kutscheidt, Die Neufassung der TA-Lärm, NVwZ 1999, 577, 583.
30Die Wohnnutzung der Grundstücke der Antragsteller könnte ferner durch Lichteffekte nachteilig betroffen werden, welche die Windkraftanlage verursacht. Steht die Sonne hinter dem Rotor, können bewegte Schatten über die Grundstücke laufen. Sie verursachen dadurch dort, je nach Umlaufgeschwindigkeit des Rotors, einen verschieden schnellen Wechsel von Schatten und Licht. Dadurch können sie das Wohnen erheblich stören. Durch die Fenster sind diese Effekte auch in allen Wohnräumen wahrnehmbar, die der Windkraftanlage zugewandt sind, und zwar derart, daß diese Schatten durch den ganzen Raum wandern und von Wänden, Fenstern und anderen Flächen widergespiegelt werden. Indes hat der Antragsgegner eine Auflage in die Baugenehmigung aufgenommen, die nicht ungeeignet erscheint, derartige belastende Auswirkungen der genehmigten Anlage auf die Wohngrundstücke der Antragsteller zu unterbinden. Nach dieser Auflage ist die Anlage automatisch geregelt stillzulegen, wenn Schlagschatten auf die Wohnhäuser unter anderem der Antragsteller und die von ihnen intensiv genutzten Außenbereiche einwirken würden. Die Auflage gibt selbst nicht die Daten vor, die in die automatische Schattenabschaltung einzugeben sind. Sie sind vielmehr erst in Umsetzung der Baugenehmigung und der Auflage zu ihr vom Landesumweltamt errechnet und dem Staatlichen Umweltamt Herten übermittelt worden. Der Senat geht derzeit - auch nach der Erörterung dieser Frage im Ortstermin - davon aus, daß die automatische Abschaltung entsprechend der vom Landesumweltamt ermittelten Zeiten so programmiert ist, daß die Ostseite des Wohnhauses, die der Anlage zugewandt ist, vor einer Einwirkung von Schlagschatten wirksam geschützt ist. Im übrigen gibt die Auflage zu der Baugenehmigung - zulässigerweise - insoweit nur das Ziel und das dafür einzusetzende Mittel vor. Die Abschaltautomatik ist in Umsetzung der Auflage so zu programmieren, daß mit ihr das vorgegebene Ziel erreicht wird. Erweisen sich Nachbesserungen als erforderlich, weil die eingegebenen Zeiten die Zeiten einer Einwirkung von Schlagschatten nicht oder nicht vollständig erfassen, ist der Beigeladene verpflichtet, zur Erfüllung der Auflage die eingegebenen Zeiten entsprechend zu ändern. Die Antragsteller haben hierauf einen durchsetzbaren Anspruch, weil die Auflage zu der Baugenehmigung auch ihrem Schutz zu dienen bestimmt ist.
31Aus diesem Grund geht der Senat derzeit davon aus, daß die genannte Auflage zu der Baugenehmigung auch geeignet ist, die Antragsteller vor der von ihnen beklagten Einwirkung von Lichteffekten auf die vorderen, der Anlage abgewandten Räume des Hauses zu schützen. Wie die Antragsteller vorgetragen und im Ortstermin durch Vorführung einer Videoaufzeichnung nachvollziehbar dargelegt haben, spiegelt das Gewächshaus im nordwestlichen Winkel ihres Grundstücks in seinen Seitenwänden den drehenden Rotor der Anlage einerseits wider und wirft andererseits dieses Spiegelbild auf das Wohnhaus der Antragsteller zurück, wo es sich in Form sich ständig bewegender Lichteffekte in den Glasflächen der Eingangstür, den Fenstern der Küche und den glatten Oberflächen der Küchenmöbel niederschlägt. Dieser Effekt tritt dann ein, wenn die Sonne hinter der Windenergieanlage steht, also Schlagschatten auf dem Gewächshaus erzeugt. Zwischen den Beteiligten blieb im Ortstermin streitig, ob die für die automatische Abschaltung vorgegebenen Zeiten auch die Zeiten erfaßt, in denen der beschriebene Effekt auftritt. Die nachgereichten Unterlagen sprechen dafür, daß die bisher für die automatische Abschaltung vorgegebenen Zeiten nur die Zeiten erfassen, zu denen der rückwärtige Bereich des Wohnhauses selbst von Schlagschatten erfaßt wird. Das Wohnhaus und das Gewächshaus stehen versetzt zueinander.
32Wie das Verwaltungsgericht legt auch der Senat die Auflage zu der Baugenehmigung so aus, daß mit ihr dem Beigeladenen aufgegeben ist, die Anlage automatisch geregelt auch zu solchen Zeiten stillzulegen, zu denen Schlagschatten auf die Wohnbereiche nicht nur unmittelbar, sondern auch durch Spiegelung mittelbar einwirken.
33Das Vorhaben des Beigeladenen könnte darüberhinaus durch die Eigenart der Anlage als solcher rücksichtslos auf die Wohnnutzung der nahegelegenen Grundstücke einwirken. Selbst wenn in Bodennähe nahezu Windstille herrscht, drehen die Rotorflügel leicht. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß eine derartige stete Bewegung im oder am Rande des Blickfeldes schon nach kurzer Zeit, erst recht auf Dauer, unerträglich werden kann. Ein sich drehendes Moment zieht den Blick des Menschen nahezu zwanghaft auf sich. Dies kann Irritationen hervorrufen. Eine Konzentration auf andere Tätigkeiten kann wegen der steten, kaum vermeidbaren Ablenkung erschwert werden. Die Anlage kann sich dabei in den Fenstern des Hauses oder an den Inneneinrichtungen der Wohnungen spiegeln, soweit diese reflektierende Oberflächen haben.
34Solche Wirkungen einer Windenergieanlage können auch dann eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens gegenüber benachbarter Wohnbebauung begründen, wenn - wie hier - die Abstände nach § 6 Abs. 10 BauO NW zu den benachbarten Grundstücken eingehalten sind. § 6 BauO NW regelt seinen Sachbereich zwar abschließend. Er legt insoweit fest, welches Maß an Rücksichtnahme der Bauherr seinem Nachbarn schuldet und was diesem zugemutet werden kann. Ein Gebäude kann einem benachbarten Grundstück Licht, Sonne und Luft nehmen, ferner einen Einblick in das Nachbargrundstück ermöglichen. Diese Belange werden regelmäßig durch das bauordnungsrechtliche Abstandflächenrecht aufgefangen. Windenergieanlagen sind keine Gebäude. Von ihnen können aber gebäudegleiche Wirkungen ausgehen, mit der Folge, daß gemäß § 6 Abs. 10 BauO NW auf sie die für Gebäude geltenden Vorschriften über Abstandflächen anzuwenden sind. Die einem Gebäude gleiche Wirkung folgt insbesondere aus dem Rotor und seiner Drehbewegung. Diese vergrößern die Windenergieanlage in ihren optischen Dimensionen deutlich und bestimmen sie. Allein der Rotorkreis hat gebäudegleiche Abmessungen, die angesichts der sich über ihren gesamten Bereich bewegenden Rotorflügel insgesamt, nicht aber nur in dem jeweils von den Flügeln überdeckten Teilen in Erscheinung tritt. Hinzu kommt die Rotorbewegung, denn diese verstärkt die belastende Wirkung der Anlage auf die Nachbarschaft,
35vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. August 1997 - 7 A 629/95 -.
36Wird danach die bedrängende Wirkung, welche eine Windenergieanlage auf die Nachbarschaft ausübt, auch vom Schutzbereich des § 6 BauO NW erfaßt, so nimmt diese Vorschrift insoweit dennoch keine abschließende Bewertung vor. Die optisch bedrängende Wirkung, die von einer Windenergieanlage wegen der Drehbewegung als solcher ausgeht, ist in ihrer rechtlichen Bewertung vergleichbar der erdrückenden Wirkung, die von einem Gebäude wegen seiner Masse auf die unmittelbare Umgebung ausgeübt werden kann. Die erdrückende Wirkung eines Baukörpers kann selbst dann als planungsrechtlich rücksichtslos beurteilt werden, wenn der Baukörper die Abstandfläche nach dem Bauordnungsrecht einhält. Unter diesem Gesichtspunkt enthält das Abstandflächenrecht keine abschließende Regelung. Ähnlich ist zu urteilen für die optisch bedrängende Wirkung, die von dem sich drehenden Rotor einer Windenergieanlage ausgeht.
37Allerdings ist diese Wirkung einer Windenergieanlage nicht stets rücksichtslos, wenn sie auf angrenzenden Wohngrundstücken wahrgenommen wird. Wohnhäuser sind gegen sie nicht unterschiedslos geschützt. Der Schutz richtet sich vielmehr auch insoweit nach der planungsrechtlichen Lage des Wohnhauses. Liegt das Wohngrundstück in einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet, das durch Bebauungsplan festgesetzt ist, genießt es erhöhten Schutz gegen Einwirkungen durch eine gebietsfremde Windenergieanlage, die durch ihre Eigenart als solche den Wohnfrieden stört. Anders verhält es sich hingegen bei einem Wohnhaus im Außenbereich. Im Außenbereich sind Windenergieanlagen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegiert zulässig. Sie sind nicht gebietsfremd. Wer im Außenbereich wohnt, muß mit den auch optisch bedrängenden Wirkungen einer solchen Anlage rechnen.
38Der geminderte Schutzanspruch wirkt sich insbesondere auch insoweit aus, als dem Betroffenen eher Maßnahmen zumutbar sind, durch die er den Wirkungen der Windenergieanlage ausweicht oder sich selbst vor ihnen schützt. Ihm ist eher zuzumuten, Gewohnheiten zu ändern und der veränderten Nachbarschaft anzupassen, während dies einem Betroffenen schwerlich angesonnen werden könnte, der sich gegen die Auswirkungen einer gebietsfremden Anlage wehrt.
39Von diesem Ansatz ist zu Recht auch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Von ihm ausgehend wirkt die streitige Anlage nicht unzumutbar auf die Wohnnutzung des Hauses Im E. 62 ein. Der Rotor mit seinen Blättern ist nicht von jeder Stelle des Wohnhauses aus zu erblicken. Eine nahezu überall sichtbare, unerträgliche stete Bewegung der Rotorblätter, der man sich nicht entziehen könnte, ist nicht festzustellen. Diese Bewertung des Sachverhalts teilt der Senat aufgrund der Ortsbesichtigung zweiter Instanz. Eine Nutzung der Terrasse ist beispielsweise möglich, ohne daß die Windenergieanlage in den Blick gerät. In bestimmten Bereichen wird sie durch die Bäume an der Grundstücksgrenze verdeckt. Ähnliches gilt für das Wohnzimmer. Von Sitzplätzen nahe dem Fenster kann die Anlage gesehen werden, von anderen Plätzen aus hingegen nicht. Spiegelungen der Anlage waren ohne weiteres in der Glasplatte des Tisches zu erkennen, ohne daß indes im übrigen der Eindruck entstand, einem Phänomen ausgesetzt zu sein, dem man sich nicht entziehen könnte. Daß die Antragstellerin beispielsweise das Fernsehgerät an anderer Stelle als bisher aufgestellt hat, um eine Spiegelung der Windenergieanlage in dem Fernsehgerät auszuschließen, gehört zu den Maßnahmen, die nach dem rechtlichen Ausgangspunkt zumutbar sind.
40Die Antragsteller sind der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht entgegengetreten, für das Wohnhaus In der L. 5 seien unzumutbare Einwirkungen der Windenergieanlage nicht festzustellen. Der Senat sieht deshalb insoweit keinen Anlaß zu weiteren Ausführungen.
41Soweit in diesem Verfahren nicht abschließend geklärt werden kann, ob die streitige Baugenehmigung mit den nachbarschützenden Bestimmungen des Bauplanungsrechts vereinbar ist, hält der Senat nach alledem den Betrieb der Anlage für die Antragsteller bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens für zumutbar.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 4 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
43Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
44
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Mai 2013 verpflichtet, dem Kläger einen Bauvorbescheid für die Errichtung einer Kfz-Ausstellungsfläche auf dem Grundstück T. 170 (Flurstück 110) zu erteilen.Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung seitens des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger, der eine Kfz-Werkstatt in der F.------straße 35 in Essen betreibt, begehrt die Erteilung eines planungsrechtlichen Vorbescheides für eine Nutzungsänderung auf dem Grundstück in der T. in F1. , Gemarkung L. , Flur 1, Flurstück 110, dessen Eigentümer er ist, in eine Ausstellungsfläche für Kraftfahrzeuge.
3Die Straße T. verläuft von südöstlicher in nordwestliche Richtung und bildet mit der von südwestlich in nordöstliche Richtung verlaufenden H. Straße in etwa ein X. Etwa parallel in nordöstlicher Richtung zur Straße T. verläuft die Straße C. . Die von der T. etwas südlicher abzweigende Straße gehört ebenfalls zur Straße C. und stößt auf diese im rechten Winkel. Die Straße T. ist auf Höhe des Vorhabengrundstücks dreispurig, wovon zwei Spuren in nordwestliche Richtung und eine Spur in südöstliche Richtung verlaufen. Durch die T. führt in beide Richtungen eine Buslinie. Es befindet sich auf jeder Straßenseite etwa in Höhe des Grundstücks T. 164 eine Bushaltestelle. Die Fahrgastunterstände sind jeweils mit Werbeanlagen ausgestattet. Die H. Straße ist auf der Höhe, in der sie die Straße T. kreuzt, vierspurig. In der Mitte der H. Straße verlaufen Straßenbahnschienen.
4Die Grundstücke in dem Dreieck T. / C. sind mit Wohnhäusern bebaut. Das Vorhabengrundstück ist derzeit unbebaut. Das Grundstück des Beigeladenen, C. 14, grenzt im rückwärtigen Bereich unmittelbar an das Vorhabengrundstück des Klägers. Der Beigeladene nutzt einen Teil des auf seinem Grundstück errichteten Wohnhauses augenscheinlich als Büro. Baurechtlich genehmigt ist hier eine Arztpraxis. Auf dem Grundstück C. 33 befinden sich eine Grundschule sowie ein Teil einer Förderschule. Ausweislich der Homepage der jeweiligen Schulen lernen an der Grundschule rund 300 Kinder in zwölf Klassen und an der Förderschule rund 110 Schüler in sieben Klassen. Die Zufahrt zu den Schulen erfolgt aufgrund der Einbahnstraßenregelung ausschließlich über die Straße C. aus nordwestlicher Richtung von der H. Straße kommend. Der Abfahrtsverkehr von der Schule erfolgt über die Straße C. sowohl in nordwestliche als auch in südwestliche Richtung.
5Mit Bauantrag vom 11. Januar 2013 beantragte der Kläger die Erteilung eines Vorbescheides hinsichtlich der Herstellung einer Ausstellungsfläche für Kraftfahrzeuge auf dem Grundstück T. , Flurstück 110. Ausweislich des Bauantrags sowie der im weiteren Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nachgereichten Unterlagen, insbesondere der Bauzeichnung vom 29. April 2013, umfasst die herzurichtende Ausstellungsfläche 265 m² des insgesamt 469 m² großen Grundstücks. Das hintere Drittel des Grundstücks bleibt ungenutzt und wird durch eine Mauer abgegrenzt. Das Grundstück wird zur Straßenseite hin mit einem grünen Zaun umschlossen. An dem Zaun wird ein Schild mit den Öffnungszeiten sowie einer Telefonnummer und dem Hinweis an Interessenten, sich bei dem Kfz-Service I. in der F.------straße 35 zu melden, angebracht. An die Grundstücksgrenze zum Grundstück T. 170, das ebenfalls im Eigentum des Klägers steht, soll ein Tor errichtet werden, durch das die Anlieferung der Fahrzeuge erfolgen solle. Es werden nicht mehr als drei Fahrzeuge pro Woche angeliefert. Die Anlieferung erfolgt weder mittels Sattelschlepper noch durch einen Kfz-Anhänger, sondern die Fahrzeuge werden mit roten Kennzeichen von der Werkstatt in der F.------straße direkt auf die Ausstellungsfläche gefahren. Die an die jeweiligen Nachbargrundstücke grenzenden Grundstücksseiten werden zudem durch einen Pflanzstreifen begrünt. Auf der Ausstellungsfläche werden maximal 20 Kraftfahrzeuge bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen ausgestellt. Besichtigungen dürfen montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr und samstags vom 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr stattfinden. An den Fahrzeugen werden Schilder mit den jeweiligen Fahrzeugdaten und dem Kaufpreis angebracht. Ein Verkaufsbüro wird auf dem Grundstück, abweichend von der Bauzeichnung vom 29. April 2013, nicht errichtet werden. Sämtliche geschäftliche Abwicklungen sollen in der Kfz-Werkstatt des Klägers in der F.------straße erfolgen, für die eine entsprechende Genehmigung noch beantragt wird. Auf der Ausstellungsfläche werden schließlich keine Reparaturen, tägliche Umrangiervorgänge oder Vorführung von Motorleistungen erfolgen.
6Die Beklagte lehnte den Bauantrag des Klägers mit Bescheid vom 31. Mai 2013 ab. Zur Begründung führte sie aus, die nähere Umgebung entspreche einem allgemeinen Wohngebiet im Sinne der Baunutzungsverordnung. Der geplante Autohandel gehöre jedoch nicht zu den gemäß § 4 BauNVO in allgemeinen Wohngebieten allgemein zulässigen Nutzungen. Im Hinblick auf die vorhandene Wohnbebauung sowie die Vorbildwirkung für ähnliche Vorhaben im Bereich des Antragsgrundstückes und die damit zu erwartende negative städtebauliche Entwicklung, insbesondere für den Bereich südlich des Antragsgrundstückes mit überwiegender Wohnbebauung und dem Außenbereich als naturnahen Freiraum, sei eine ausnahmsweise Zulassung des Autohandels auf Basis des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb nicht möglich. Darüber hinaus sei das Grundstück aufgrund der beanspruchten Fläche von mindestens 330 m², bezogen auf die Grundstücksgröße von 469 m², übernutzt und füge sich daher nicht gemäß § 34 BauGB in die Umgebungsbebauung ein. Das Vorhaben sei daher insgesamt planungsrechtlich unzulässig.
7Der Kläger hat am 1. Juli 2013 Klage erhoben.
8Er ist der Ansicht, die nähere Umgebung sei als Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO einzustufen, so dass die Kfz-Ausstellungsfläche als sonstiger Gewerbebetrieb, der das Wohnen nicht stört, zulässig sei. Die zahlreichen Nutzungen auf der T. sowie der H. Straße im Umkreis von bis zu 100 m seien zur Beurteilung der maßgeblichen näheren Umgebung heranzuziehen. Durch die Verkehrsinsel vor dem Antragsgrundstück sowie durch die H. Straße erfolge keine Trennung, da insbesondere die Bebauung auf der H. Straße, namentlich mehrere Geschäfte und weitere gewerblichen Nutzungen, vom Antragsgrundstück aus betrachtet in Luftlinie von etwa 10 m komplett einsehbar sei. Selbst wenn die nähere Umgebung nur auf das Dreieck C. 6-24 sowie T. 164-170 zu begrenzen sei, liege kein reines Wohngebiet, sondern ein allgemeines Wohngebiet vor, in dem die Ausstellungsfläche als sonstiger Gewerbebetrieb ausnahmsweise zulässig sei. Die gepflegte Ausstellungsfläche mit mäßigem Publikumsverkehr zu festgelegten Öffnungszeiten störe das Wohnen nicht wesentlich. Eine Belästigung durch das Rangieren oder Anliefern der Fahrzeuge sei ausgeschlossen. Das Grundstück solle lediglich als Stellplatz genutzt werden. Lärmimmissionen oder sonstige Immissionen seien durch diesen Betrieb nicht zu erwarten. Kaufinteressenten könnten das Grundstück auch nicht außerhalb der Betriebszeiten aufsuchen, da es dann verschlossen sei. In der näheren Umgebung seien dem Wohnen wesentlich abträglichere Gewerbebetriebe genehmigt worden. Vor dem auf dem Grundstück C. 14 ansässigen Betrieb des Beigeladenen, der auch optisch als Gewerbebetrieb hervorsteche, würden mit Firmenaufschrift versehen Einsatzwagen parken und starten. Auch die Zahnarztpraxis in dem Gebäude T. 170 habe starken Publikumsverkehr mit an- und abfahrenden Pkw der Patienten.
9Der Kläger beantragt,
10den Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den beantragten planungsrechtlichen Bauvorbescheid zur Nutzungsänderung des Grundstücks T. 170 (Flurstück 110), zu erteilen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung trägt sie in Abweichung zu den Gründen des angefochtenen Bescheides vor, die vorhandenen Nutzungen in der unmittelbaren Umgebung des Antragsgrundstückes entsprächen denen eines reinen Wohngebietes. Neben einer Arztpraxis im Gebäude T. 170 und einer Büronutzung im Kellergeschoss des Gebäudes C. 14, für die ebenfalls eine Arztpraxis baurechtlich genehmigt sei, befände sich in diesem Bereich ausschließlich Wohnnutzung. Der geplante Autohandel stelle eine gewerbliche Anlage dar, die im reinen Wohngebiet planungsrechtlich unzulässig sei. Die Einbeziehung der Bebauung entlang der H. Straße in die nähere Umgebung scheide hier aus, da die dazwischen liegende Straßen- und Grünfläche aufgrund ihrer Breite eine trennende Wirkung entfalte. Auch die Berücksichtigung noch weiter entfernt liegender Flächen in einem Umkreis von 1000 m sei nicht sachgerecht, da keine Sicht- oder funktionale Verbindung zum Antragsgrundstück bestehe. Die auf der Straße T. vorhandenen Bushaltestellen und andere Verkehrseinrichtungen seien für die planungsrechtliche Gebietseinstufung unerheblich und könnten auch in reinen Wohngebieten liegen. Bei den an den Wartehäuschen angebrachten Werbeanlagen handele es sich um untergeordnete Werbeanlagen, die über eine Abweichung gemäß § 73 Abs. 1 BauO NRW auch in einem reinen Wohngebiet zulässig seien. Gegen die illegale Nutzung der Räumlichkeiten im Gebäude C. 14 für das Büro einer Bautenschutzfirma beabsichtige die Beklagte ordnungsbehördlich vorzugehen. Ferner würden die Schulen auf dem Grundstück C. 33 nicht zur maßgeblichen Umgebung des Vorhabens gehören. Jedenfalls würden die Schulen einen Fremdkörper darstellen, der keine prägende Wirkung entfalten könne. Sie stünden, abgesehen von der Bauweise, in allen übrigen Einfügungskriterien des § 34 BauGB im krassen Widerspruch zur sonstigen Bebauung in diesem Bereich. Dass der Kläger beabsichtige, den Pkw-Verkauf auf der F.------straße 35 stattfinden zu lassen, sei angesichts der Entfernung der beiden Grundstücke völlig lebensfremd. Zudem sei auf dem Grundstück F.------straße 35 der Verkauf von Pkw baurechtlich nicht genehmigt. Schließlich würden auch von einem reinen Ausstellungsplatz ähnliche Auswirkungen wie von einem Verkaufsplatz ausgehen. Auch ein reiner Ausstellungsplatz werde von potentiellen Kunden zu allen Tages- und Abendzeiten angefahren und besucht. Der Umstand, dass mögliche Geschäftsabschlüsse am Hauptsitz der Firma in einem anderen Stadtteil getätigt würden, führe daher nicht zwangsläufig zu einer Entlastung der Umgebung von Störungen, die sich aus der geplanten Nutzung ergeben.
14Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
15Er trägt vor, er nutze seine Wohnadresse C. 14 lediglich als Postadresse für sein Unternehmen. Das Büro des Unternehmens befinde sich jedoch seit jeher in der L1. -N. -Straße 121 in F1. , wo sich auch der Firmensitz der Firma M. befände. Auf dem Grundstück C. 14 finde keinerlei gewerbliche Nutzung statt. Es würden auch keine Einsatzwagen der Firma vor dem Grundstück parken und starten. Er ist ferner der Ansicht, die Umgebungsbebauung entspreche einem reinen Wohngebiet. Die Geschäfte an der H. Straße, sowie die Grundschule auf dem Grundstück C. 33 würden nicht mehr zur näheren Umgebung des Vorhabens gehören, da sie das Grundstück des Klägers aufgrund der gegebenen Verkehrsführung und des rückwärtig angeordneten Pausenhofs nicht beeinflussen würden. Selbst wenn man von einem allgemeinen Wohngebiet ausgehe, wäre das Vorhaben des Klägers auch nicht ausnahmsweise zulässig. Das Vorhaben stelle keinen nicht störenden Gewerbebetrieb im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO dar. Durch eine Kfz-Ausstellungsfläche komme es zu einem nicht unerheblichen zusätzlichen Verkehrsaufkommen. Insbesondere durch das Probefahren komme es zu erheblichen zusätzlichen Lärm durch Motorengeräusche und Türen zuschlagen. Es sei darüber hinaus realitätsfern, anzunehmen, dass wegen des fehlenden Verkaufsraums keine Verkaufsgespräche auf dem Gelände abgehalten würden. Das Vorhaben würde sich auch optisch nicht unterordnen, so wie es die Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets verlange. Schließlich sei die Nutzung den Nachbarn nicht zumutbar, da es vor allem im belästigungsempfindlichen rückwärtigen Gartenbereich zu Kundenverkehr komme. Eine vergleichbare Nutzung gebe es bislang nicht im rückwärtigen Gartenbereich. Schließlich werde auch der öffentliche Straßenraum für die Bewohner des Baugebiets durch die Kunden des Klägers unzumutbar in Anspruch genommen, da der Kläger die notwendigen Kundenparkplätze nicht berücksichtigt habe. Die Einrichtung einer Kfz-Ausstellungsfläche würde die ordnungswidrige Nutzung des Bürgersteiges und damit die Behinderung der Passanten noch verstärken. Die Nutzung könne auch nicht ausnahmsweise genehmigt werden, da eine Ermessensreduzierung auf Null nicht gegeben sei. Schließlich sei bereits heute der Abzweig L. verkehrstechnisch überlastet, weshalb es dort häufig zu Unfällen komme. Das geplante Vorhaben würde die Situation vor Ort noch verschärfen und sich auch aus diesem Grund städtebaulich negativ auswirken.
16Die Berichterstatterin hat am 18. Februar 2014 einen Ortstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Ortsterminprotokoll nebst Fotomaterial verwiesen.
17Im weiteren Verlauf des gerichtlichen Verfahrens hat der Kläger eine Zaunanlage auf dem Vorhabengrundstück entlang der vorderen Grundstücksgrenze errichtet, für die ihm die Beklagte unter dem 21. Mai 2014 eine nachträgliche Baugenehmigung erteilt hat.
18Unter dem 10. Juli 2014 hat die Beklagte ein Anhörungsschreiben an den Beigeladenen hinsichtlich der beabsichtigten Nutzungsuntersagung einer gewerblichen Büronutzung auf dem Grundstück C. 14 gerichtet.
19Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.
20Entscheidungsgründe:
21Die Klage ist zulässig und begründet.
22Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 31. Mai 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheides, da dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen, §§ 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 in Verbindung mit 75 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW).
23Das Vorhaben des Klägers ist planungsrechtlich zulässig.
24Die Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend nach § 34 des Baugesetzbuches (BauGB), da ein Bebauungsplan für diesen Bereich nicht existiert und das Grundstück des Klägers innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt. Nach Absatz 2 der Vorschrift beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) allgemein zulässig wäre, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der BauNVO entspricht.
25Hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Art der Nutzung, der grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zukommt, kann ein Verstoß nicht festgestellt werden. Das Vorhaben fügt sich nach den in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Kriterien in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung und der Auswertung der beigezogenen Pläne entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem allgemeinen Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO.
26Die für die Beurteilung des Gebietscharakters maßgebliche nähere Umgebung eines Grundstücks wird dadurch ermittelt, dass in zwei Richtungen, nämlich in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung und in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Bei der Ermittlung der näheren Umgebung ist die Betrachtung auf das Wesentliche zurückzuführen und sind Fremdkörper und Ausnahmen außer Acht zu lassen, solange beispielsweise die erkennbaren "Grundzüge der Planung" durch sie nicht berührt werden. Bei der für die Prüfung erforderlichen Bestandsaufnahme ist grundsätzlich alles tatsächlich Vorhandene in den Blick zu nehmen. Die Grenzen der näheren Umgebung sind nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen. Es darf aber nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt, sondern es muss auch die Bebauung der weiteren Umgebung des Grundstücks insoweit berücksichtigt werden, als auch sie noch "prägend" auf dasselbe einwirkt. Wie weit die wechselseitige Prägung - und damit die "nähere Umgebung" - reicht, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. Hierbei kann eine Straße sowohl trennende als auch verbindende Wirkung haben. Welche Wirkung sie jeweils entfaltet, kann stets nur das Ergebnis einer Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts sein.
27Vgl. bereits Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 26. Mai 1978 – IV C 9.77 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 2. Dezember 2013 – 2 A 1510/12 -, mit weiteren Nachweisen; zitiert nach juris.
28Die Grenze kann dort gezogen werden, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen. Der Grenzverlauf der näheren Umgebung kann durch eine künstliche oder natürliche Trennlinie, wie zum Beispiel eine Straße, markiert sein; dies ist allerdings nicht zwingend erforderlich.
29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2003 – 4 B 74.03 -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. September 2013 – 8 A 10558/13; VG Würzburg, Urteil vom 13. Mai 2014 – W 4 K 13.932 -; jeweils zitiert nach juris.
30Ausgehend von diesen Grundsätzen wird nach dem Eindruck der Berichterstatterin im Ortstermin, den sie der Kammer vermittelt hat, sowie dem vorliegenden Karten- und Bildmaterial die nähere Umgebung hier auf das Dreieck T. Nr. 164-172 und C. Nr. 6-24 beschränkt, wobei die Bebauung auf dem Grundstück C. 33 ebenfalls in die nähere Umgebung einzubeziehen ist.
31Entgegen der Ansicht des Klägers ist in die nähere Umgebung nicht die Bebauung auf der H. Straße einzubeziehen. Denn die H. Straße entfaltet gegenüber der dort vorhandenen Bebauung und Nutzung trennende Wirkung im oben dargestellten Sinne. Die H. Straße ist in diesem Bereich vierspurig, zudem verlaufen in der Mitte Straßenbahnschienen. Hinzu kommt der Verlauf der in diesem Bereich dreispurigen Straße T. . Zwar besteht eine Sichtbeziehung zwischen dem Vorhabengrundstück und der Bebauung auf der gegenüberliegenden Seite der H. Straße. Allein das Vorliegen einer Sichtbeziehung genügt jedoch nicht für die Annahme, die Nutzung präge die Umgebung des Vorhabengrundstücks. Darüber hinaus führt auch die auffällig unterschiedliche Bebauungs- und Nutzungsstruktur zu dem Schluss, dass die H. Straße trennende Wirkung entfaltet. Handelt es sich bei der Bebauung auf der T. überwiegend um Einfamilienhäuser, zeichnet sich die Bebauung auf der H. Straße durch gewerbliche Nutzung im Erdgeschoss und Wohnnutzung in den Obergeschossen aus.
32Entgegen der Ansicht der Beklagten und des Beigeladenen ist die Bebauung auf dem Grundstück C. 33 jedoch für die Umgebung des Vorhabengrundstücks prägend, so dass auch dieser Bereich bei der Beurteilung der näheren Umgebung berücksichtigt werden muss. Denn der gesamte Zu- und Abfahrtsverkehr zu der Grundschule sowie der Förderschule auf dem Grundstück C. 33, die insgesamt ausweislich der Mitteilung auf der jeweiligen homepage der Schulen 410 Schüler umfassen, führt über die Straße C. . Aufgrund der Einbahnstraßenregelung erfolgt der gesamte Zufahrtsverkehr über die von der H. Straße in südöstliche Richtung abzweigende Straße C. . Der Abfahrtsverkehr erfolgt sowohl über die Straße C. zurück zur H. Straße oder über die Straße C. in südwestliche Richtung auf die Straße T. stoßend. Da schließlich auch der Schulbus in beide Richtungen der T. auf Höhe des Vorhabengrundstücks fährt, sind die Auswirkungen der Schulen für die Umgebung prägend.
33Der Beklagten ist auch nicht darin zu folgen, dass es sich bei der Schule um einen so genannten Fremdkörper, der bei der Beurteilung des Gebietstyps nicht zu berücksichtigen ist, handelt. Fremdkörper bzw. Ausreißer in diesem Sinn sind solche Anlagen, die nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen, was namentlich dann anzunehmen ist, wenn eine singuläre Anlage in einem auffälligen – auch äußerlich erkennbaren – Kontrast zur übrigen Bebauung steht. Dabei ist für die Annahme eines Fremdkörpers als aus der beurteilungserheblichen Umgebungsbebauung auszuscheidenden Bestandteils des faktisch Vorhandenen Zurückhaltung geboten.
34Vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 A 2/14; Bayerischer VGH, Urteil vom 16. März 2004 – 2 B 01.1195 -; mit weiteren Nachweisen; zitiert nach juris.
35Eine solche Singularität kann hier nicht bereits deshalb angenommen werden, weil es sich um die einzige nicht der Wohnnutzung dienende Bebauung in der maßgeblichen Umgebung handeln würde. Bereits der Baukörper als solcher und damit das Erscheinungsbild der Schulen fällt trotz der Größe des Objektes nicht aus dem Rahmen der sonstigen anzutreffenden Bebauung.
36Vgl. zu diesem Kriterium VG Gelsenkirchen, Urteil vom 7. Juni 2010 – 6 K 3008/08 -, zitiert nach juris.
37Hinzu kommt, dass bereits aufgrund des Umstands, dass der gesamte Zu- und Abfahrtsverkehr durch die Straße C. verläuft und damit erhebliche bodenrechtliche Spannungen ausgelöst werden, die Schulen nicht als Fremdkörper aus der Umgebung hinweg gedacht werden könnten, ohne dass dies den Umgebungscharakter ändern würde. Es handelt sich bei der Schule gerade nicht um eine nur zufällig in dem Gebiet entstandene Nutzung, die das Wohngebiet in nur unwesentlicher Weise beeinflusst. Gegen die Annahme eines singulären Fremdkörpers spricht schließlich auch, dass nicht nur eine Grundschule, sondern auch eine Förderschule und damit zwei Schulen auf dem Grundstück ansässig sind.
38Die so verstandene und hier maßgebliche „nähere Umgebung“ entspricht entgegen der von der Beklagten - erst im Klageverfahren – geäußerten Ansicht nicht der eines reinen Wohngebiets nach § 3 BauNVO, sondern der eines allgemeinen Wohngebietes nach § 4 BauNVO.
39Nach § 3 Abs. 1 BauNVO dienen reine Wohngebiete dem Wohnen. Nach Absatz 3 der Vorschrift können unter anderem ausnahmsweise dem Bedürfnis der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kulturelle Zwecke zugelassen werden. Allgemeine Wohngebiete dienen dagegen nach § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Nach Absatz 2 Nr. 2 der Vorschrift sind Anlagen für - unter anderem - kulturelle Zwecke zulässig.
40Es bedarf insofern keiner näheren Prüfung der Werbeanlagen an den Fahrgastunterständen und der Nutzung des Grundstücks C. 14. Denn die auf dem Grundstück C. 33 ansässige L2. schule , bei der es sich um eine Gemeinschaftsgrundschule handelt, sowie der Standort der D. -N1. -Förderschule, sind aufgrund ihrer Größe und vor allem der damit verbundenen An- und Abfahrtbewegungen in einem reinen Wohngebiet nicht mehr zulässig.
41Schulen sind im bauplanungsrechtlichen Sinne grundsätzlich unabhängig von dem Träger der Einrichtung als Anlagen für kulturelle Zwecke im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO zu verstehen.
42Vgl. König / Roeser / Stock, BauNVO, 3. Auflage 2014, § 4 Rn. 49.
43Nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sind in reinen Wohngebieten Anlagen für kulturelle Zwecke ausnahmsweise nur insofern zulässig, als sie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen. Dagegen ist die Einschränkung der Bedarfsdeckung in allgemeinen Wohngebieten nach § 4 BauNVO nicht vorgesehen. Die auf dem Grundstück C. 33 ansässigen Schulen erfüllen bereits aufgrund ihrer Größe von insgesamt etwa 410 Schülern, wovon 300 Schüler die Grundschule und 110 Schüler die Förderschule besuchen, eine Funktion, welche nicht nur den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dient. Vor allem eine Förderschule ist grundsätzlich nicht nur auf den Bedarf der Bewohner in der näheren Umgebung, sondern auf den Bedarf über den Stadtteil hinaus ausgerichtet. Werden jedoch andere Stadtteile von der kulturellen Einrichtung mitversorgt, ist eine solche Einrichtung mit dem Charakter eines reinen Wohngebiets nicht mehr zu vereinbaren.
44Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 10. November 2009 – 1 LC 236/05; VG München, Beschluss vom 22. April 2013 – M 8 SN 12.5578; zitiert nach juris.
45Unter diesem Gesichtspunkt ist auch unabhängig von dem Vorhandensein der Förderschule selbst die hier ansässige Gemeinschaftsgrundschule für sich betrachtet in einem reinen Wohngebiet nicht mehr zulässig. Dass die auf dem Grundstück C. 33 ansässige Grundschule den Versorgungscharakter des § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO nicht mehr wahrt, ergibt sich vor allem aus dem Verzeichnis der Schulbezirke der Grundschulen der Stadt F1. , das als Anlage zur Verordnung über die Bildung der Schulbezirke der Grundschulen der Stadt F1. vom 29. September 2006 aufgenommen wurde. Nach deren § 1 werden für alle Grundschulen der Stadt F1. räumlich abgegrenzte Gebiete als Schulbezirke gebildet. Die in diesem Verzeichnis der L2. schule zugewiesenen Straßen liegen in Bereichen, die allein räumlich betrachtet weit über die hier maßgebliche Umgebung hinausgehen.
46Verordnung sowie Verzeichnis der Schulbezirke abrufbar unter: www.essen.de/rathaus/aemter/ordner_15/satzungen/Satzungen_Schulen.de.html
47Nach alledem entspricht die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks einem allgemeinen Wohngebiet, so dass die Zulässigkeit des klägerischen Vorhabens allein am Maßstab des § 4 BauNVO zu beurteilen ist.
48Die von dem Kläger beabsichtigte Errichtung einer Kfz-Ausstellungsfläche auf dem Grundstück in der T. ist ausnahmsweise als nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO bauplanungsrechtlich zulässig.
49Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sind nicht zulässig, wenn ein sonstiger Gewerbebetrieb den Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebiets gefährdet und damit gebietsunverträglich ist. Das ist dann der Fall, wenn das Vorhaben ‑ bezogen auf den Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebiets ‑ aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt. Das Erfordernis der Gebietsverträglichkeit bestimmt nicht nur die regelhafte Zulässigkeit, sondern erst recht den vom Verordnungsgeber vorgesehenen Ausnahmebereich. Zwischen der jeweiligen spezifischen Zweckbestimmung des Baugebietstypus und dem jeweils zugeordneten Ausnahmekatalog besteht ein gewollter funktionaler Zusammenhang. Das bedeutet: Die normierte allgemeine Zweckbestimmung ist auch für Auslegung und Anwendung der tatbestandlich normierten Ausnahmen bestimmend. Das allgemeine Wohngebiet dient vorwiegend dem Wohnen. Es soll nach Möglichkeit ein ungestörtes Wohnen gewährleistet sein. Das prägt seinen Gebietscharakter. Anders als im reinen Wohngebiet sind aber unter den in § 4 Abs. 2 BauNVO genannten Voraussetzungen auch andere Nutzungsarten regelmäßig zulässig. Die Gebietsunverträglichkeit beurteilt sich für § 4 BauNVO in erster Linie nach dem Kriterium der gebietsunüblichen Störung.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 ‑ 4 C 1.02 ‑, zitiert nach juris.
51Es sollen Immissionsbelastungen vermieden werden, die nicht in ein allgemeines Wohngebiet passen. Bei der Beurteilung des Störgrades ist auf die typische Betriebsform und die sich daraus erfahrungsgemäß ergebenden Auswirkungen abzustellen.
52Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Januar 1995 ‑ 3 S 3153/94 ‑, zitiert nach juris.
53In Anwendung dieser Grundsätze, sind von dem hier streitgegenständlichen Vorhaben nicht solche Immissionen zu erwarten, die in einem allgemeinen Wohngebiet nicht mehr hinzunehmen sind. Es handelt sich bei dem Vorhaben um eine reine Ausstellungsfläche für Kfz. Der Verkauf der Fahrzeuge und die jeweilige Abwicklung sollen ausweislich des Bauantrags und der weiteren Klarstellung des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht auf dem Vorhabengrundstück selbst, sondern auf dem Grundstück der Kfz-Werkstatt des Klägers stattfinden. Die Beklagte dringt auch nicht mit dem Argument durch, die Behauptung, auf dem Vorhabengrundstück fänden keine geschäftlichen Abwicklungen statt, sei lebensfremd. Denn für den Fall, dass über den Regelungsgehalt eines Vorbescheids bzw. einer sich daran anschließenden Baugenehmigung hinaus gleichwohl der Verkauf auf dem Vorhabengrundstück stattfindet, obliegt es der Beklagten, hiergegen ordnungsbehördlich einzuschreiten.
54Für die Annahme, dass das Vorhaben sich ausnahmsweise als nicht störender Gewerbebetrieb in ein allgemeines Wohngebiet einfügt, spricht auch, dass die Fahrzeuge nicht mittels Sattelschlepper oder Anhänger auf das Grundstück an- und abgeliefert werden sollen, sondern mit einem roten Kennzeichen von dem Grundstück des Klägers in der F.------straße aus überführt werden. Es kommt damit nur zu einzelnen Fahrzeugbewegungen und nicht zum gleichzeitigen und damit besonders immissionsträchtigen regelmäßigen Austausch aller Fahrzeuge.
55Zudem ist die Größe der Ausstellungsfläche, nach der Konkretisierung der Voranfrage durch den Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung, so bemessen, dass maximal 20 Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen gleichzeitig ausgestellt werden können. Die reine Abstellfläche ist damit hinsichtlich ihrer Störwirkungen mit der Stellplatzanlage eines Mehrfamilien-Wohnhauses vergleichbar.
56Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29. Juli 2013 – 1 LA 49/13 -; zitiert nach juris.
57Auch die Öffnungszeiten lassen keine gebietsunverträglichen Immissionen erwarten. So können Interessenten das Grundstück wochentags von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr und samstags von 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr betreten. Diese Zeiten entsprechen in etwa auch den Zeiten, in denen die durch An- und Abfahrtverkehr der Schulen im C. 33 hervorgerufenen Immissionen in das Wohngebiet drängen. Von einer wesentlichen Steigerung der Lärmimmissionen durch den zu erwartenden Kundenverkehr ist daher nicht auszugehen.
58Schließlich spricht für die Annahme eines nicht störenden Gewerbebetriebes im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO auch der Umstand, dass der Bereich, in dem die Kfz-Ausstellungsfläche errichtet werden soll, ohnehin stark durch Kraftfahrzeugverkehr vorbelastet ist. Entlang des Grundstücks führt in beide Richtungen die Buslinie von und nach L. . Die Straße unmittelbar vor dem Grundstück ist dreispurig, durch eine schmale Verkehrsinsel davon getrennt ist die an dieser Stelle vierspurige H. Straße. Die Belastungen durch den An- und Abfahrtverkehr zum klägerischen Vorhaben werden demnach kaum von der Lärmkulisse von der H. Straße sowie der T. zu unterscheiden sein, so dass sie für das allgemeine Wohngebiet nicht als störend oder unzumutbar erfasst werden.
59Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29. Juli 2013 – 1 LA 49/13 -; zitiert nach juris.
60Entgegen der Ansicht des Beigeladenen ist auch keine Verschärfung der verkehrlich bereits angespannten Situation in der T. zu erwarten. Das Verkehrsaufkommen in der T. spricht bereits dafür, dass es sich in dieser Umgebung ohnehin um keinen beruhigten und lärmimmissionsfreien Raum handelt. Der Befürchtung, Interessenten könnten ihre Fahrzeuge in unzulässiger Weise auf den Bürgersteigen parken und damit den Verkehr behindern, kann durch ordnungsbehördlichen Maßnahmen begegnet werden, führt aber nicht zur planungsrechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens.
61Die Errichtung der Kfz-Ausstellungsfläche auf dem Grundstück des Klägers verstößt schließlich auch nicht gegen das in § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltene nachbarschützende Rücksichtnahmegebot. Das Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtung der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn zumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, aneinander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellen dessen sind, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
62Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 – 4 C 59.79 ‑, vom 28. Oktober 1993 – 4 C 5.93 ‑ und vom 23. September 1999 ‑ 4 C 6.98 ‑, jeweils zitiert nach juris.
63In Anwendung dieser Grundsätze ergibt die rechtliche Würdigung in einer Gesamtschau der maßgeblichen Umstände nicht, dass der Beigeladene durch die Kfz-Ausstellungsfläche auf dem Grundstück des Klägers im dargestellten Sinne rücksichtslos beeinträchtigt wird. Wie bereits dargelegt, ist das Vorhaben des Klägers hinsichtlich seiner Störwirkungen mit der Stellplatzanlage eines Mehrfamilien-Wohnhauses vergleichbar. Aufgrund der geringen Größe der Ausstellungsfläche sowie die Begrenzung aus maximal 20 ausgestellte Fahrzeuge sind häufige Fahrzeugbewegungen nicht zu erwarten, zumal nur maximal drei Fahrzeuge pro Woche angeliefert werden. Eine andere Bewertung folgt auch nicht daraus, dass das Grundstück des Beigeladenen im besonders geschützten rückwärtigen Gartenbereich an das Vorhabengrundstück grenzt. Denn aufgrund der zu errichtenden Mauer wird ersichtlich, dass der hintere Grundstücksteil ungenutzt bleiben soll und damit selbst die ohnehin nicht intensiv störenden Lärmimmissionen von dem Grundstück des Beigeladenen abgehalten werden. Zudem soll entlang der gesamten Grundstücksgrenze ein Pflanzstreifen errichtet werden, der zusätzlich Störungen von den Nachbargrundstücken abhält.
64Die von Seiten des Beigeladenen aufgeworfenen bauordnungsrechtlichen Fragen, insbesondere zu der Anzahl der notwendigen Stellplätze, deren Zufahrtsmöglichkeit und Anordnung nach § 51 Abs. 7 BauO NRW, sind nicht Gegenstand des hier beantragten bauplanungsrechtlichen Vorbescheides, sondern werden im Rahmen eines etwaigen Verfahrens auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Prüfung stehen. Hieraus folgende Beeinträchtigungen zu Lasten des Beigeladenen, die auch im Verfahren auf Erteilung eines planungsrechtlichen Vorbescheides im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu berücksichtigen sind, sind jedenfalls schon unter dem Gesichtspunkt nicht erkennbar, dass die Zufahrt zum Grundstück des Beigeladenen über die Straße C. erfolgt und er damit durch die Stellplatzsituation auf der T. in keinster Weise beeinträchtigt wird.
65Die Erteilung einer Ausnahme nach § 4 Abs. 3 BauNVO steht grundsätzlich im Ermessen der Beklagten. Allerdings ist hier von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen, da das Vorhaben ein nicht störender Gewerbebetrieb im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist und ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht festzustellen ist. Die Beklagte kann daher im Rahmen ihres Ermessens auf keine sachgerechten Kriterien abstellen, die zur Unzulässigkeit des Vorhabens führen. Die von dem Beigeladenen aufgeworfene Frage der Vereinbarkeit des Vorhabens mit Bauordnungsrecht führt zu keiner anderen Ermessensentscheidung. Denn die Berücksichtigung entgegenstehenden Bauordnungsrechts im Rahmen des behördlichen Ermessens, kann im Verfahren zur Erteilung eines Vorbescheides nur dann zu dessen Ablehnung führen, wenn sich die landesrechtlichen Hindernisse „schlechthin nicht ausräumen lassen“.
66Vgl. Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, 11. Auflage 2008, § 71 Rn. 8a mit Verweis auf BVerwG, Urteile vom 23. Mai 1975 – IV C 28.72 – und vom 24. Oktober 1980 – 4 C 3.78 -.
67Dafür, dass die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die Stellplatzpflicht im Baugenehmigungsverfahren offensichtlich nicht erfüllt werden könnte, ist nichts ersichtlich und liegen auch sonst keine Anhaltspunkte vor. Da die Sache spruchreif im Sinne des § 113 Abs. 5 VwGO ist, darf das Gericht die Beklagte verpflichten, den beantragten Vorbescheid zu erteilen.
68Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da er keinen Antrag gestellt hat und sich damit keinem Prozessrisiko ausgesetzt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3. VwGO.
69Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 1. und 2. auf der einen und die Antragsteller zu 3. und 4. auf der anderen Seite je zur Hälfte einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.
2. Der Streitwert beträgt 10.000 €.
1
Gründe:
2Der Antrag der Antragsteller,
3die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 5 K 5066/13 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 20. September 2013 zur Errichtung eines 8-Familienhauses mit Tiefgarage auf dem Grundstück M.--------weg 19 in C. -T. (Gemarkung T. , Flur 33, Flurstücke 332, 675) anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Hat eine Klage gegen einen Verwaltungsakt wie hier nach § 212 a des Baugesetzbuchs ‑ BauGB ‑ in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑ keine aufschiebende Wirkung, so kann das Gericht der Hauptsache deren aufschiebende Wirkung gem. § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen.
6In dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren hat es dabei nicht unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu prüfen, sondern zu untersuchen, ob das Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Dritten an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Gegenstand dieser Abwägung ist das Interesse des Nachbarn an der Aussetzung der Vollziehung auf der einen Seite und das Interesse des begünstigten Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung andererseits. Da sich beide Interessen im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen, orientiert sich die vor-zunehmende Abwägung vornehmlich an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache.
7Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfprogramms ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im baurechtlichen Nachbarstreit – und auch im Verfahren des zugehörigen vorläufigen Rechtsschutzes – keine Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vorzunehmen, sondern allein zu fragen ist, ob der angefochtene Verwaltungsakt den Rechtsbehelfsführer in seinen ihn schützenden subjektiven Rechten verletzt.
8Vorliegend geht die Interessenabwägung insgesamt zu Lasten der Antragsteller aus. Ihre Klage gegen die Baugenehmigung wird voraussichtlich keinen Erfolg haben. Es liegt kein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Baurechts vor.
9Dabei ist zunächst festzustellen, dass die Baugenehmigung vom 9. April 2013, mit der der Beigeladenen die Errichtung des 8-Familienhauses erlaubt worden war, bestandskräftig ist. Diese Baugenehmigung ist den Antragstellern mit Nachbarbenachrichtigung vom 4. September 2013, zugestellt am 6. bzw. 7. September 2013, bekanntgegeben worden. Hiergegen haben die Antragsteller Klage nicht erhoben. Die Klagefrist ist insoweit abgelaufen. Die Klage vom 13. Oktober 2013, bei Gericht eingegangen am 23. Oktober 2013, richtet sich allein gegen die Baugenehmigung vom 20. September 2013. Die hierin enthaltenen Änderungen gegenüber der ursprünglichen Baugenehmigung vom 9. April 2013 sind so geringfügig, dass sie keine über die bestandskräftige Baugenehmigung hinausgehenden Beeinträchtigungen für die Antragsteller enthält. Die Änderungen betreffen ganz überwiegend Maßnahmen im Inneren des Gebäudes wie die nachträgliche Anordnung von tragenden Wandscheiben und Stützen. Der Kubus des Gebäudes ist in keiner Weise verändert worden, die Fassade lediglich insoweit, als einzelne Fenster geringfügig verändert wurden; namentlich wurden einzelne Fenster im Untergeschoss auf der den Antragstellern zugewandten Nordseite verkleinert, wovon die Antragsteller kaum betroffen sind. Außerdem wurde das Betondach über dem Eingang durch ein Glasdach ausgetauscht, eine für die Antragsteller ebenso völlig unerhebliche Änderung.
10Soweit schließlich eine Abweichung von § 35 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen ‑ BauO NRW ‑ genehmigt wurde, sind die Antragsteller dadurch nicht in ihren Rechten beeinträchtigt. Denn die Vorschriften über die Bedachung sind lediglich insoweit nachbarschützend, als sie das Übergreifen von Feuer auf Nachbargrundstücke verhindern sollen.
11Vgl. Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel BauONRW § 74 Rdnr. 71.
12Da zwischen dem Grundstück der Antragsteller und dem Vorhabengrundstück aber die Straße verläuft, handelt es sich nicht um Nachbargrundstücke.
13Aber auch für den Fall, dass man in der Baugenehmigung vom 20. September 2013 eine vollständig neue Baugenehmigung, also ein aliud gegenüber der Baugenehmigung vom 9. April 2013 sehen wollte, hätte der Antrag keinen Erfolg. Denn sie verstößt auch umfassend betrachtet nicht gegen nachbarschützende Rechte.
14Die Kammer hat sich bereits mit dem Vorbescheid für das Vorhabengrundstück befasst und hierzu in den Urteilen vom 16. Dezember 2011 (5 K 1784/10 u.a.) ausgeführt:
15„Der Vorbescheid erweist sich hinsichtlich nachbarschützender Vorschriften auch in materiell-rechtlicher Hinsicht als rechtmäßig. Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im Streit stehenden Vorhabens nach § 34 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) richtet, da das Vorhabengrundstück – unstreitig – innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, jedoch nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt. Das Bauvorhaben der Beigeladenen fügt sich dabei hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein, da das geplante Gebäude ausschließlich Wohnzwecken dienen soll. Die weiteren Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB und damit vor allem die Frage der Erschließung sowie das Maß der baulichen Nutzung und die überbaubare Grundstückfläche sind demgegenüber regelmäßig – so auch hier – nicht nachbarschützender Natur. So ist es für Nachbarverfahren regelmäßig ohne Bedeutung, ob sich das streitige Vorhaben nach seinem Bauvolumen, der Zahl seiner Geschosse, der Höhe oder der Bebauungstiefe in die nähere Umgebung einfügt.
16St. Rspr., grundlegend Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Juni 1969 - IV C 234.65 -, BVerwGE 32, 173; vgl. auch Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen, Urteil vom 26. Februar 2008 - 6 K 1102/06 -, zitiert nach juris (Rdnr. 51), sowie Beschlüsse vom 23. Dezember 2008 - 5 L 1404/08 -, juris (Rdnr. 12), vom 23. April 2010 - 5 L 337/10 -, juris (Rdnr. 11), und vom 2. August 2011 - 5 L 579/11 -, juris (Rdnr. 9).
17Eine Verletzung von Nachbarrechten der Kläger in bauplanungsrechtlicher Hinsicht könnte daher allein aus einer Verletzung des im Merkmal des Sich-Einfügens nach § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Gebotes der Rücksichtnahme hergeleitet werden. Für einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme reicht es allerdings nicht aus, dass ein Vorhaben sich mitunter nicht in jeder Hinsicht innerhalb des Rahmens hält, der durch die Bebauung in der Umgebung gebildet wird.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -, zitiert nach juris.
19Das Gebot der Rücksichtnahme will vielmehr angesichts der gegenseitigen Verflechtung der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist.
20In diesem Sinne vermittelt es Nachbarschutz, wenn und soweit andernfalls durch die Ausführung oder Benutzung eines Vorhabens in konkrete, schutzwürdige Belange eines Dritten „rücksichtslos“ eingegriffen würde. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Einzelfall festzustellen, wobei dessen jeweilige Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - 4 C 22.75 -, sowie Beschluss vom 11. Januar 1999 - 4 B 128.98 -, jeweils zitiert nach juris.
22Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
23Ein derartig qualifizierter Verstoß ist hier nicht feststellbar. Dies gilt auch und insbesondere mit Blick auf die dem Vorhaben zuzurechnenden verkehrsbedingten Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen (a) als auch hinsichtlich des mit dem Bauvorhaben verbundenen erhöhten Verkehrsaufkommens in der Stichstraße des M1.---------weges (b). Derartige Beeinträchtigungen erweisen sich für die Kläger jedenfalls nicht als unzumutbare Belastungen.
24a) Von den zu erwartenden Verkehrsimmissionen, die unmittelbar bei der Zu- und Abfahrt zur geplanten Tiefgarage entstehen, werden die Kläger bereits aufgrund der räumlichen Distanz zwischen ihrem Grundstück und dem Vorhabengrundstück nicht mehr spürbar beeinträchtigt sein. Ihr Grundstück liegt mehr als 50 m von der geplanten Tiefgargagenzufahrt entfernt; zwischen dem klägerischen Grundstück und dem Vorhabengrundstück liegen überdies noch die bebauten Grundstücke M2.---------weg Nrn. 21 und 23. Hinzu kommt, dass die mit der Nutzung der Tiefgaragenzufahrt verbundenen Immissionen selbst gegenüber den unmittelbar an das Vorhabengrundstück angrenzenden Nachbarn eine Unzumutbarkeit nicht erkennen lassen (vgl. Urteile der Kammer vom 16. Dezember 2011 in den Parallelverfahren 5 K 1801/10 und 5 K 1807/10).
25Die Kläger werden auch nicht durch die Geräusche und Abgase des durch das Bauvorhaben ausgelösten An- und Abfahrtsverkehrs, der an ihrem Haus über die Stichstraße des M3.--------wegs vorbeiführen wird, unzumutbar belastet. Zwar kann in einem solchen Sinne unter besonderen Umständen auch die Zunahme von Verkehrsgeräuschen aufgrund einer dem Vorhaben zuzurechnenden Verstärkung des Zu- und Abgangsverkehrs in der weiteren Nachbarschaft zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot führen.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1988 - 4 C 6. u. 7.85 -, zitiert nach juris (Kundenverkehr zu einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb); Urteil vom 27. August 1998 - 4 C 5/98 -, juris (Zu- und Abfahrtsverkehr zu einem „Kurhaus“ mit einer Gesamtbesucherkapazität von 1.231); Beschluss vom 20. Januar 1998 - 4 B 116.88 -, juris (zum Verladen von Ware und Leergut auf der Straße vor einem Getränkemarkt).
27In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist insoweit allerdings geklärt, dass der unter Inanspruchnahme einer öffentlichen Straße abgewickelte Zu- und Abgangsverkehr einer baulichen Anlage, durch deren Nutzung er ausgelöst wird, dieser nur zuzurechnen ist, sofern er vom übrigen Straßenverkehr unterscheidbar ist.
28Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Juli 1992 - 7 B 103.92 -, und vom 6. Mai 1998 - 7 B 437.97 -, jeweils zitiert nach juris.
29Hier ist schon nicht zu erkennen, warum der durch das Vorhaben ausgelöste Verkehrslärm von dem „normalen“ Straßenverkehrslärm unterscheidbar und daher dem Vorhaben zurechenbar sein sollte. Vielmehr wird auch das Bauvorhaben – wie die übrigen in der Stichstraße gelegenen Grundstücke – ausnahmslos mit Pkw im Rahmen der Wohnnutzung angefahren werden, so dass hinsichtlich Art und Qualität des zusätzlichen Verkehrslärms keine Unterscheidung zu der bisherigen straßenverkehrlichen Nutzung der Stichstraße des M4.--------weges gegeben sein wird. Die Inanspruchnahme der – dem ö f f e n t l i c h e n Straßenverkehr gewidmeten – Stichstraße des M4.--------weges zum Zwecke der verkehrsmäßigen Erschließung steht dem Bauvorhaben gleichermaßen zu, wie allen anderen Anliegern in jener Stichstraße auch.
30Darüber hinaus ist nicht einmal im Ansatz festzustellen, dass bei dem hier in Rede stehenden Bauvorhaben mit insgesamt neun Wohneinheiten ein solche Verstärkung des Zu- und Abgangsverkehrs zu befürchten wäre, dass dadurch die Verkehrsimmissionen in der Stichstraße des M4.--------weges die Zumutbarkeitsschwelle überschreiten könnten. Dies gilt für das Grundstück der Kläger bereits insofern, als dieses aufgrund seiner Lage ohnehin entsprechend vorbelastet ist; denn das klägerische Grundstück liegt nicht ausschließlich im Bereich der Stichstraße, sondern an der Stichstraßeneinmündung und insoweit an dem – fraglos stärker befahrenen – M5.---------weg als solchem. Abgesehen davon können sich die Kläger auch nicht darauf berufen, dass das Vorhabengrundstück bislang nicht bzw. nur mit einem Einfamilienhaus bebaut war und es dementsprechend bislang kaum Zu- und Abgangsverkehr zu eben diesem Grundstück gab. Denn bei dem Vorhabengrundstück mit einer Gesamtfläche von immerhin fast 2.500 m2 musste jederzeit mit einem auch größeren Wohnbauvorhaben gerechnet werden. Dass das Grundstück bislang nicht bzw. nur mit einem Einfamilienhaus bebaut ist, mag für die Kläger insoweit bislang allenfalls ein faktischer Lagevorteil gewesen sein.
31Ob im Übrigen durch die zusätzlichen Verkehrsimmissionen in der Stichstraße des M4.--------weges die Immissionsrichtwerte für ein reines Wohngebiet eingehalten werden, ist für die Beurteilung der Frage der Rücksichtslosigkeit nicht entscheidend. Technisch-rechnerisch ermittelte Immissionswerte sind in diesem Kontext für die Beurteilung der Zumutbarkeit nicht ausschlaggebend.
32b) Auch im Übrigen wird aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens in der Stichstraße die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten. Dies gilt sowohl mit Blick auf die von den Klägern erwarteten „Parkplatzprobleme“ als auch hinsichtlich der befürchteten „Verkehrsgefährdungen“.
33Zwar kann sich ein Mangel an Stellplätzen eines Bauvorhabens gegenüber den Eigentümern der vom parkenden Verkehr und vom Parksuchverkehr betroffenen Wohngrundstücke im Einzelfall ausnahmsweise als rücksichtslos erweisen, falls die Verletzung der Pflicht zur Schaffung ausreichenden Parkraums für die Nutzer eines Bauvorhabens geeignet ist, die bestimmungsgemäße Nutzung der benachbarten Grundstücke zu beeinträchtigen. Davon kann vorliegend jedoch keine Rede sein.
34Die in den Bauvorlagen vorgesehene Herstellung von 12 Stellplätzen ist für das Vorhaben der Beigeladenen ausreichend bemessen (vgl. Nr. 51.11 VV BauO NRW sowie Ziffer 1.1 der Richtzahlen für den Stellplatzbedarf). Die Richtzahlen für den Stellplatzbedarf sind Verwaltungsvorschriften und deshalb für das Gericht nicht bindend. Sie sind jedoch als auf gesicherter Erfahrungsgrundlage beruhende Anhaltspunkte bzw. als sachverständig festgestellte Erfahrungswerte – nach wie vor – von Bedeutung.
35Vgl. u. a. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 9. März 2007 - 10 B 2675/06 -, und vom 19. Januar 2009 - 10 B 1687/08 -, jeweils zitiert nach juris.
36Orientiert man sich an den als sachverständig festgestellten Erfahrungswerten der Richtzahlen für den Stellplatzbedarf, so ergibt sich daraus die Notwendigkeit der Errichtung eines Stellplatzes je Wohnung. Das Gericht sieht keinen Anlass, dass für das vorliegende Vorhaben von diesen Erfahrungswerten abzuweichen wäre.
37Entgegen der Auffassung der Kläger ist auch nicht etwa zu befürchten, dass die künftigen Bewohner des Vorhabens statt der Tiefgarage den öffentlichen Verkehrsraum in Anspruch nehmen werden. Zwar mag eine Tiefgarage mittels Aufzugsanlage oder ein sog. „Parklift“ bei öffentlichen Einrichtungen im Einzelfall untauglich sein, um den Stellplatzbedarf zu befriedigen.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.08.1990 - 11 A 2085/88 -, zum Stellplatzbedarf einer Spielhalle, sowie Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 29. September 1999 - 3 S 1163/99 -, zum Stellplatzbedarf für ein Islamisches Zentrum, jeweils zitiert nach juris.
39Dies gilt indes nicht für ein Wohnbauvorhaben mit 12 Tiefgaragenstellplätzen. Insoweit gilt es zu bedenken, dass die – ausnahmslos dem Mehrfamilienhaus zugeordneten – Tiefgaragenstellplätze nur im Rahmen der Wohnnutzung angefahren werden; dies lässt erfahrungsgemäß den Schluss zu, dass es lediglich zu wenigen Fahrzeugbewegungen im Verlaufe eines Tages kommen wird. Anders als bei öffentlichen Einrichtungen mit regem Besucherverkehr ist daher hier mit etwaigen Rückstaus o. ä. nicht zu rechnen, so dass auch nicht zu befürchten ist, dass die Tiefgarage nicht von den Bewohnern in Anspruch genommen werden könnte.
40Hinzu kommt, dass die bisherigen Anlieger in der Stichstraße des M4.--------weges nahezu allesamt über eigene Stellplätze oder Garagen verfügen. Außerdem kann nach Maßgabe der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) nicht nur die Stichstraße, sondern auch der Bereich des M3.--------wegs , der vor der Einmündung in die Stichstraße liegt, ohne weiteres zum Parken genutzt werden.
41Nach alledem führt das Vorhaben der Beigeladenen im Bereich der Stichstraße auch nicht zu einer Verschärfung der Verkehrssituation, mit der zwingend oder typischerweise eine erhöhte (Verkehrs-)Gefährdung einhergehen könnte. Bei der Straße handelt es sich um eine Sackgasse ohne Durchgangsverkehr; für Fußgänger ist an der südlichen Straßenseite ein befestigter Bürgersteig vorhanden. Die Stichstraße ist – ausweislich des Eindrucks, den der Einzelrichter im Rahmen des Ortstermins gewonnen hat – weder besonders eng noch besonders unübersichtlich. Dies gilt auch für den Einmündungsbereich in die Stichstraße wie für den Bereich des Wendehammers. Schließlich ist auch nicht festzustellen, dass die Ein- oder Ausfahrtsvorgänge über die Tiefgaragenzufahrt zu einer besonderen Gefährdung des öffentlichen Verkehrs führen könnten, da sich – soweit anhand des angefochtenen Vorbescheides abgeschätzt werden kann – die Zufahrt ohne Rangiervorgänge oder besondere Fahrmanöver befahren lassen dürfte.“
42Diese Ausführungen gelten hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Baugenehmigung in gleicher Weise. Die Änderungen, die das der Baugenehmigung zugrunde liegende Vorhaben gegenüber dem mit Vorbescheid genehmigten Vorhaben erfahren hat, sind im Hinblick auf die Verletzung von Nachbarrechten der Kläger unerheblich. Das gilt zum einen in Bezug auf die Änderung des Gebäudekubus‘, die lediglich das Maß der baulichen Nutzung betrifft, das keinen Nachbarschutz begründet. Das betrifft aber insbesondere die Änderungen hinsichtlich der Anlage der Zufahrt zur Tiefgarage, die nunmehr nicht mehr wie ursprünglich geplant über eine Rampe parallel zur Straße erfolgt, sondern über einen Aufzug, der direkt von der Straße angefahren wird. Dadurch wird die Belästigung der Anwohner in erheblichem Umfang reduziert. Auch soweit die Zahl der Stellplätze in der Tiefgarage von 12 auf 15 erhöht wurde, obwohl statt neun nunmehr nur noch acht Wohnungen gebaut werden, kommt dies den Bedenken der Antragsteller hinsichtlich der zu knapp bemessenen Stellplätze entgegen.
43Der Antrag ist deshalb abzulehnen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Es entspricht der Billigkeit nach § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
44Die Streitwertfestsetzung berücksichtigt das Interesse der Eigentümer von zwei Grundstücken an der Verhinderung des Vorhabens. Pro Grundstück hat die Kammer 10.000 € zugrunde gelegt, wobei der Wert im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens halbiert wurde.
Tenor
1 Die aufschiebende Wirkung der Klage 6 K 2117/13 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 8. April 2013 in der Gestalt der Nachtragsbaugenehmigung vom 11. Juni 2013 zur Errichtung eines rückwärtigen Anbaus an das bestehende Wohnhaus F.---straße 61 in H. wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
2 Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Der Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seiner Klage 6 K 2117/13 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 8. April 2013 in der Gestalt der Nachtragsbaugenehmigung vom 11. Juni 2013 zur Errichtung eines rückwärtigen Anbaus an das bestehende Wohnhaus F.---straße 61 in H. anzuordnen,
4ist zulässig und begründet.
5Hat eine Klage gegen den einen Dritten begünstigenden Verwaltungsakt – wie hier nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 212 a Baugesetzbuch (BauGB) – keine aufschiebende Wirkung, so kann das Gericht der Hauptsache ihre aufschiebende Wirkung gem. § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen. In dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren hat es dabei nicht unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts zu prüfen, sondern zu untersuchen, ob das Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Gegenstand dieser Abwägung sind das Interesse des Nachbarn an der Aussetzung der Vollziehung auf der einen Seite und das Interesse des begünstigten Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung andererseits. Da sich beide Interessen im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen, orientiert sich die vorzunehmende Abwägung vornehmlich an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache.
6Vorliegend geht die Interessenabwägung insgesamt zu Gunsten des Antragstellers aus. Seine Klage gegen die Baugenehmigung wird voraussichtlich Erfolg haben. Es liegt ein aller Voraussicht nach zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Baugenehmigung führender Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts vor. Das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen verstößt gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme.
7Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im Streit stehenden Vorhabens richtet sich nach § 34 BauGB, da das Grundstück der Beigeladenen - unstreitig - innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, jedoch nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt.
8Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
9Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, BauR 1983, 449, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 -, DVBl. 1994, 697, und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -, DVBl. 2000, 192; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -, NVwZ 1999, 1360.
10Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit. Ein qualifizierter Verstoß ist hier mit dem Verlust des Doppelhauscharakters festzustellen.
11Die - ausweislich des vorliegenden Karten- und Bildmaterials - überwiegend durch Einzel- und Doppelhäuser in offener Bauweise geprägte Umgebung des Baugrundstücks und damit auch und gerade die auf den Grundstücken des Antragstellers und der Beigeladenen bereits vorhandene offene Bauweise in Form eines Doppelhauses hat nach gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung drittschützenden Charakter.
12Grundlegend BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, juris.
13Für die nachbarschützende Wirkung ist dabei ohne Belang, ob sich die planungsrechtliche Grundlage für die Doppelhausbebauung aus den Festsetzungen eines Bebauungsplanes oder - wie hier - aus der Planersatzvorschrift des § 34 BauGB ergibt. Sofern durch ein Vorhaben im nicht beplanten Innenbereich das durch eine Doppelhausbebauung begründete nachbarschaftliche Austauschverhältnis einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht wird, liegt darin ein Verstoß gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB im Begriff des "Einfügens" verankerte Gebot der Rücksichtnahme in Bezug auf die Bauweise.
14OVG NRW, Urteil vom 19. April 2012 - 10 A 1035/10 -, juris.
15Die sich damit auch im unbeplanten Bereich hinsichtlich der Bauweise stellenden Anforderungen gelten nicht nur für den Neubau von Doppelhaushälften, sondern ebenso für Erweiterungs- oder Umbauvorhaben von bereits errichteten Doppelhaushälften.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2007 - 10 B 1090/07 -, juris.
17Dementsprechend muss sich der Bauherr bei Erweiterungs- oder Umbauvorhaben an einer bereits errichteten Doppelhaushälfte an der bestehenden Grenzstellung der anderen Gebäudehälfte orientieren; die insoweit einmal vorhandenen baulichen Gegebenheiten können daher - auch und gerade für Um- und Ausbaumaßnahmen - als maßstabsbildende "Vorbelastung" wirken.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, juris.
19Das hier genehmigte Vorhaben ist daher nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich der Bauweise nur zulässig, wenn das geänderte Gebäude der Beigeladenen insgesamt zusammen mit dem benachbarten Wohnhaus des Antragstellers (weiterhin) ein Doppelhaus in offener Bauweise im bauplanungsrechtlichen Sinne bildet; denn aufgrund der bereits existenten grenzständigen Giebelwand des bisherigen Hauses, die erhalten bleiben soll, kann das Gebäude der Beigeladenen in der hier prägenden maßgeblichen offenen Bauweise (weiterhin) nur als Doppelhaushälfte zulässig sein. Verliert eine Gebäudehälfte infolge eines Um- oder Ausbaus seinen Doppelhauscharakter, ist der Um- oder Ausbau bauplanungsrechtlich insoweit nicht zulässig.
20Die Annahme eines Doppelhauses in offener Bauweise im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO setzt voraus, dass die Gebäudehälften an einer Seite grenzständig zusammengebaut sind und im Übrigen den seitlichen Grenzabstand einhalten.
21Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Loseblatt-Kommentar (Stand: Januar 2013), Bd. 5, § 22 BauNVO RdNr. 26.
22In Konkretisierung dieser Vorgaben des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO verlangt das Bundesverwaltungsgericht zum einen, dass die Gebäudehälften, um ein Doppelhaus zu bilden, nicht irgendwie zusammengebaut sein dürfen, sondern durch das Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit ("Gesamtkörper") zusammengefügt werden müssen. Kein Doppelhaus bilden daher zwei Gebäude, die sich zwar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch berühren, aber als zwei selbständige - praktisch allseitig freistehende - Baukörper erscheinen ("quantitatives Element").
23BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, juris.
24Damit allein ist der bauplanungsrechtliche Begriff des Doppelhauses aber noch nicht erfüllt. Die bauplanungsrechtliche Festsetzung als Doppelhaus verlangt nämlich ferner, dass die beiden „Haushälften“ in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut werden. Insoweit enthält das Erfordernis einer baulichen Einheit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein “qualitatives Element“.
25BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, juris.
26Aufeinander abgestimmt sind die Hälften eines Doppelhauses, wenn sie sich in ihrer Grenzbebauung noch als "gleichgewichtig" und "im richtigen Verhältnis zueinander" und daher als harmonisches Ganzes darstellen, ohne disproportional, als zufällig an der Grundstücksgrenze zusammengefügte Einzelhäuser ohne hinreichende räumliche Verbindung zu erscheinen. Denn kennzeichnend für die offene Bauweise ist der seitliche Grenzabstand der Gebäude; die Hälften des Doppelhauses müssen folglich gemeinsam als ein Gebäude in Erscheinung treten. Dementsprechend muss ein Haus, soll es Teil eines Doppelhauses sein, ein Mindestmaß an Übereinstimmung mit dem zugehörigen Nachbarhaus aufweisen, indem es zumindest einen Teil der ihm Proportionen und Gestalt gebenden baulichen Elemente aufgreift. Anderenfalls wäre der die Hausform kennzeichnende Begriff der baulichen Einheit sinnentleert. Allgemeingültige Kriterien lassen sich jedoch insoweit mit Blick auf die von § 22 Abs. 2 BauNVO verfolgten städtebaulichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- oder Stadtbildes-, die keine einheitliche Gestaltung erfordern, nicht aufstellen. Regelmäßig geben Höhe, Breite und Tiefe, sowie die Zahl der Geschosse und die Dachform einem Haus seine maßgebliche Gestalt. Diese Kriterien können daher im Einzelfall Anhaltspunkte für die Beurteilung des wechselseitigen Abgestimmtseins geben. Auch Übereinstimmungen oder Abweichungen in der Kubatur der Häuser infolge hervortretender Bauteile, wie Dachterrassen, Gauben oder Anbauten können mitentscheidend für die Beantwortung der Frage sein, ob noch von einer baulichen Einheit und damit von einem Doppelhaus oder einer Hausgruppe die Rede sein kann. Insoweit erfährt ein geplantes Haus durch die bereits vorhandene Grenzbebauung eine das Baugeschehen beeinflussende Vorprägung. Umgekehrt trägt der Erstbauende das Risiko, dass die spätere Nachbarbebauung den planerisch eröffneten Freiraum stärker ausschöpft als er selbst. Er kann nicht erwarten, dass die später errichtete Doppelhaushälfte die überbaubare Grundstücksfläche nur in demselben Umfang ausnutzt wie er es getan hat.
27OVG NRW Urteile vom 19. April 2012 – 10 A 1035/10-, juris, vom 28. Febraur 2012 -7 A 2444/09-, juris, und vom 16. August 2011 – 10 A 1224/09-, juris.
28Nach diesen Grundsätzen wird der Rahmen der wechselseitigen Grenzbebauung durch den genehmigten Um- und Anbau überschritten. Das Wohnhaus des Beigeladenen vermittelt nach der Umsetzung der Baugenehmigung den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus. Der streitgegenständliche Anbau tritt nach dem Umbau mit 5,25 m über mehr als die Hälfte der Tiefe beider Doppelhaushälften vor die bislang gemeinsame rückwärtige Außenwand und dies auf einer Breite von 9,38 m bei einer Gesamtbreite der Doppelhaushälfte der Beigeladenen von „nur“ 11,45 m. Hinzu kommt, obwohl es sich nur um einen eingeschossigen Anbau handelt, seine Gesamthöhe von 3,55 m oberhalb des Terrassenniveaus des Antragstellers. Damit erscheint der Anbau im Vergleich zum Nachbargebäude als massives einseitig in den Gartenbereich vorspringendes Bauteil. Dieser Eindruck wird noch erheblich dadurch verstärkt, das auch die Wohnfläche im Obergeschoss durch eine auf den Anbau aufgesetzte Dachterrasse, wenn auch mit einem Abstand von ca. 4,33 m zur gemeinsamen Grundstücksgrenze, erweitert wird. Das Geländer der Dachterrasse ist nochmal 75 cm höher als der Anbau und erstreckt sich fast über die Hälfte der Grundfläche desselben. Auch die ganz erhebliche Abgrabung auf einer Breite von 7,28 m und einer Tiefe von ca. 1,90 m im Bereich des Kellergeschosses, zur Belichtung und Belüftung sowie Schaffung eines zweiten Rettungsweges der im Kellergeschoss neu zu schaffenden Aufenthaltsräume, verstärkt den Eindruck der Massivität des Anbaus. Darüber hinaus verfügt das Gebäude der Beigeladenen gartenseitig über eine Gaube mit vier Fenstern, die eine Breite von mehr als der Hälfte der darunterliegenden Gebäudewand aufweist. Damit ordnet sich das Wohnhaus der Beigeladenen insgesamt in seinem Dimensionen nicht mehr dem Gesamtbaukörper unter, sondern dominiert die rückwärtige Gebäudefront mit der Folge, dass von einem wechselseitigen Abgestimmtsein des Wohnhauses des Beigeladenen mit dem Wohnhaus des Antragstellers nicht mehr ausgegangen werden kann. Angesichts der vorbeschriebenen grundlegenden Veränderung, die der vor die rückwärtige Außenwand tretende Anbau, der die Grundfläche des bisher Vorhandenen um etwas weniger als die Hälfte erweitert, für den Gesamtbaukörper mit sich bringt, genügt auch die Einheitlichkeit der straßenseitigen Gebäudefront nicht, um Gegenteiliges annehmen zu können. Während das Doppelhaus zuvor nahezu gleichgewichtige und harmonisch abgestimmte Haushälften aufwies, ist durch den genehmigten Anbau an die südliche Haushälfte ein disproportionales Ungleichgewicht entstanden.
29Ob die Verschlechterung der Belichtungs- und Besonnungssituation auf dem Grundstück des Antragstellers durch die Erweiterung des Nachbarwohnhauses bereits für sich genommen zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot führt, kann daher offen bleiben.
30Ob das streitgegenständliche Vorhaben darüber hinaus auch gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts verstößt, wie der Antragsteller meint, kann die Kammer ebenfalls offen lassen. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass der Antragsteller nicht mit Erfolg geltend machen kann, die Baugenehmigung verstoße wegen einer möglichen Standsicherheitsgefahr für den gemeinsamen Giebel gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts. Nach § 15 Abs. 1 BauO NRW muss jede bauliche Anlage im Ganzen und in ihren Teilen sowie für sich allein standsicher sein. Die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes des Nachbargrundstücks dürfen nicht gefährdet werden. Drittschützende Wirkung ist nur Satz 2 der Vorschrift beizumessen, der anders als Satz 1 auch dem Interesse des Nachbarn an dem Erhalt von Sachwerten und der Vermeidung von Personenschäden dient.
31OVG NRW Beschlüsse vom 28. Januar 2005 -10 B 2827/04-, juris und vom 9. Juli 2003 - 7 B 949/03 -, BRS 66 Nr. 138.
32Dass die von dem Antragsteller angesprochene Gefahr eines Absinkens des gemeinsamen Giebels durch Schaffung weiterer Wohnräume besteht, deren Fundament unterhalb der bisher vorhandenen Kellersohle zur Ausführung kommen soll, erscheint angesichts der von der Architektin im Ortstermin geschilderten Sicherungsmaßnahmen durch Schaffung einer Stahlstütze im kritischen Bereich wenig naheliegend, dies kann jedoch dahingestellt bleiben.
33Denn der Antragsteller kann sich auf eine mögliche Verletzung von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW im vorliegenden Verfahren nicht berufen. Insoweit treffen die im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 68 BauO NRW erteilten Baugenehmigungen nämlich keine Regelung. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW prüft die Bauaufsichtsbehörde im vereinfachten Genehmigungsverfahren –wie hier- nur die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den in den Nrn. 1 bis 4 aufgeführten Vorschriften. § 15 BauO NRW zählt nicht hierzu.
34Offen lassen kann die Kammer auch die Frage, ob die angefochtene Baugenehmigung, die die Herstellung der nördlichen Stützmauer bis ca. 11 cm oberhalb des natürlichen Geländes und in einem Abstand von 80 cm zur gemeinsamen Grundstücksgrenze gestattet, wegen eines Verstoßes gegen § 6 BauO NRW rechtswidrig ist. Die Frage ist in Abhängigkeit davon zu beantworten, ob diese Stützmauer als Bauteil des Gebäudes und damit nach § 6 Abs. 1 BauO NRW oder als eigenständige bauliche Anlage nach § 6 Abs. 10 BauO NRW zu beurteilen ist. Das dürfte davon abhängen, ob es sich bei dieser Stützwand um einen bautechnisch und funktional untrennbaren Gebäudeteil des Wohnhausanbaus handelt.
35Vgl. zu dieser Abgrenzung OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 2010 -7 A 3199/08-, juris, und Beschluss vom 19. Januar 1999 – 10 B 1/99-, juris.
36Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entsprach dabei nicht der Billigkeit nach § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Antrag gestellt, sich damit nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
37Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und orientiert sich an dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage im Rahmen des bei sog. Nachbarstreitigkeiten regelmäßig in Ansatz zu bringenden Rahmens von 1.500,- EUR bis 15.000,- EUR und unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters dieses Verfahrens.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Eigentümer des Hauses K.-----str . 13 in F. . Das 3-geschossige Wohnhaus mit Satteldach steht in geschlossener Bauweise zusammen mit vier benachbarten Häusern in der K1.------straße zwischen den Einmündungen D.------straße und T.-----straße auf. Die östlich angrenzenden Häuser K.-----str . 11 und T1. . 2 sind ebenfalls 3-geschossig mit Satteldach, die östlich angrenzenden Häuser K.-----str . 15 und D1. . 41 dagegen 4-geschossig mit Satteldach, wobei das Haus Nr. 15 ein zum Haus des Klägers abgewalmtes Dach aufweist. Der Durchführungsplan Nr. 112 „I. “ sieht für das Haus Nr. 15 sowie die westlich angrenzenden Häuser 4 Vollgeschosse und für Nr. 13 sowie die östlich angrenzenden Häuser 3 Vollgeschosse vor. Das Haus des Klägers verfügt über eine Gebäudetiefe von 11 m. An seiner Rückseite sind im 1. und 2. Obergeschoss etwa 8 m breite und 1,30 m tiefe Balkone angebracht, die bis in eine Entfernung von 1,70 m an die Grundstücksgrenze zum Nachbarhaus Nr. 15 heranreichen.
3Das benachbarte Haus Nr. 15 des Beigeladenen weist mit seinem hinteren Erker ebenfalls eine Gebäudetiefe von ca. 11 m auf, rechts und links des Erkers springt die Gebäuderückwand allerdings um etwa 1,40 m zurück, zum Haus des Klägers auf einer Breite von 4,335 m.
4Mit Bauantrag vom 19. Juni 2012, geändert durch Schreiben vom 13. August 2012 und nochmals geändert im Oktober 2012, stellte der Beigeladene einen Bauantrag für den Umbau des Hauses Nr. 15: Im 1.-3. Obergeschoss sollten drei Balkone (Altane) angebaut werden, außerdem war für das Dachgeschoss der Einbau einer Loggia vorgesehen. Des Weiteren sollte das Dach umgebaut werden: An die Stelle der Abwalmung sollte das Satteldach bis zur Grundstücksgrenze zum Grundstück des Klägers durchgebaut werden, wobei die Brandwand bis 30 cm über das Dach ausgeführt werden sollte; außerdem sollten zur Straßen- und zur Gartenseite jeweils eine Dachgaube eingebaut werden. Die Balkone sollten dabei in die Nische zwischen dem Erker an der Rückseite des Hauses Nr. 15 und dem Haus des Klägers errichtet werden und eine Tiefe von 3 m erhalten. Zur Seite des Klägers waren jeweils Sichtschutzwände von 2 m Höhe vorgesehen. Durch den Ausbau des Dachgeschosses würde dieses zu einem weiteren (5.) Vollgeschoss. Deshalb beantragte der Kläger insoweit die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans.
5Der Eigentümer des südlich gelegenen Flurstücks 234, auf das Teile der Abstandfläche fallen, die durch die geplanten Balkone ausgelöst würden, erklärte sich am 14. September 2012 mit der Planung einverstanden.
6Der Kläger dagegen widersprach der Planung mit Schreiben vom 10. September 2012. Es liege ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor. Es sollten Balkone errichtet werden, die mit einer Größe von jeweils ca. 12,5 m² die übliche Balkongröße in der Umgebung erheblich überschritten. Es sei eine Verschattung sowie ein Helligkeitsverlust durch die Balkone und Sichtschutze zu befürchten. Außerdem komme es zu Einsichtsmöglichkeiten von Balkonen in die Fenster des klägerischen Hauses. Die Balkone am Haus des Klägers seien 1,70 m von der Grundstücksgrenze entfernt, so dass es keine Einsichtsmöglichkeiten in die umgekehrte Richtung gebe. Es werde angeregt, die Balkone so zu begrenzen, dass sie in die vorhandene Außenwandnische von 1,50 m x 4,16 m eingepasst würden. Darüber hinaus wünsche der Kläger, am Baugenehmigungsverfahren beteiligt zu werden.
7Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass die zulässige Bebauungstiefe von 14 m eingehalten werde, an der Grundstücksgrenze seien Sichtschutzwände in Höhe von 2 m vorgesehen. Deshalb seien nachbarliche Belange nicht berührt. Grenzständig errichtete Balkone lösten in der geschlossenen Bebauung keine Abstandflächen aus.
8Der Kläger hielt auch nach Einsichtnahme in die Genehmigungsvorgänge an seinem Widerspruch fest. Der Sichtschutz sei in den Plänen mit 1,30 m breit so eingezeichnet worden, als sei er auf weniger als der Hälfte der Anlagentiefe der Balkone vorgesehen. Tatsächlich betrage die Versatztiefe der Häuser Nr. 13 und 15 1,50 m. Der 3 m tiefe Balkon krage deshalb mindestens 1,50 m vor, unter Berücksichtigung von Eckpfosten und Wärmedämmung wahrscheinlich sogar um 1,90 m. Die Sichtschutzbreite sei deshalb zu klein. In dem gesamten Straßenkarree gebe es keinen vergleichbaren Balkon, der an die Grundstücksgrenze heranreicht und nur 50 cm von dem benachbarten Wohnzimmerfenster entfernt ist. Außerdem werde gerügt, dass das Dach des Hauses Nr. 15 komplett umgestaltet werden solle. An die Stelle des vorhandenen Walmdaches solle ein Satteldach treten, infolgedessen die Giebelwand an der Grundstücksgrenze aufgestockt werde, die das Haus des Klägers erdrücke. Auch füge sich die Änderung der Dachform nicht in die Umgebung ein. Der Kläger wandte sich auch gegen die beabsichtigte Erteilung einer Abweichung im Hinblick darauf, dass die hintere Abstandfläche der Balkone aufgrund des leicht schrägen Grenzverlaufs der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken von Kläger und Beigeladenem geringfügig auf dem Grundstück des Klägers zu liegen komme.
9Mit Bescheid vom 13. Februar 2013 ließ die Beklagte eine Abweichung von § 6 BauO NRW im Hinblick auf die Nichteinhaltung der hinteren Abstandfläche zum Grundstück des Klägers durch den Balkonanbau zu. Die Baugenehmigung erteilte die Beklagte mit Bauschein vom 14. Februar 2013. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 20. Februar 2013 von der Baugenehmigung unterrichtet.
10Er hat gegen die Baugenehmigung am 15. März 2013 Klage erhoben. Er trägt zur Begründung vor, dass das um ein Geschoss niedrigere Haus des Klägers durch die geplante Änderung des geschosshöheren Gebäudes des Beigeladenen erdrückt werde, insbesondere auch durch die Änderung der Dachkonstruktion. Für die Balkonanlage liege keine Wohngebietsverträglichkeit vor, sie füge sich nicht in die Umgebung des Wohnquartiers ein. Sie widerspreche der gebietstypischen Nutzung und verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Zu Unrecht habe die Beklagte eine Lösung mit einem nach § 6 Abs. 7 BauO NRW privilegierten Balkon überhaupt nicht in Erwägung gezogen.
11Darüber hinaus liege ein Abstandflächenverstoß vor.
12Es werde gerügt, dass dem Kläger keine detaillierten Unterlagen zu der Ausführung der Balkonanlage im Einzelnen zur Verfügung gestellt worden seien.
13Die Balkone ragten 1,90 m über die rückseitige Außenwand des Klägerhauses hinaus. Denn die Balkone würden vor die noch aufzubringende Außendämmung von mindestens 20 cm aufgebracht.
14Durch die Sichtblenden könnten Einsichtnahmen nicht hinreichend verhindert werden, da um sie ohne Weiteres herumgeblickt werden könnte; allein die Möglichkeit sei ausreichend.
15Der Kläger weist außerdem darauf hin, dass die Wärmedämmung an seinem Hause 10 cm auf das Grundstück des Beigeladenen übergreife. Wenn die Altane in die Nische gestellt würden, befänden sie sich deshalb nicht vollständig grenzständig zum Grundstück des Klägers.
16Nachdem der Kläger im Juli 2013 Kenntnis von der Erteilung einer Abweichung erlangt hatte, hat er auch gegen den Bescheid vom 13. Februar 2013 Klage erhoben (5 K 3453/13).
17Der Kläger beantragt,
18die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 14. Februar 2013 und den Bescheid über die Erteilung einer Abweichung vom 13. Februar 2013 aufzuheben.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie ist der Auffassung, das Bauvorhaben des Beigeladenen verstoße nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Baurechts. Es entspreche den Festsetzungen des Durchführungsplanes Nr. 112 „I. “. Auch auf der Grundlage des § 34 BauGB sei das Vorhaben zulässig. Es füge sich nach der überbaubaren Grundstücksfläche ein; in der näheren Umgebung seien Bebauungstiefen von 9,5 bis 14,5 m anzutreffen, so dass das Vorhaben mit einer Tiefe von 12,7 m im Rahmen liege. Was die Änderung der Dachform angehe, so werde durch die Auflösung des Walmdaches ein zufriedenstellender Übergang zum Nachbargebäude geschaffen. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht erkennbar. Von Balkonen, die 1,60 m über die Rückwand des Klägers hinausgehen, könne eine erdrückende Wirkung nicht ausgehen. Eine Wärmedämmung sei nicht Gegenstand der Baugenehmigung; wenn eine solche doch noch aufgebracht werden sollte, dann würde dies nicht zu einem weiteren Herauskragen der Balkonanlage führen, da das Gerüst der Balkonanlage in diesem Fall in die Wärmedämmung integriert werden müsste. Einsichtsmöglichkeiten seien durch die Sichtschutzelemente ausgeschlossen. Eine unzumutbare Beeinträchtigung durch Verschattung sei im Hinblick auf die Ausrichtung beider Gebäude nach Süden nicht zu erwarten. Ein Anspruch des Klägers auf Beibehaltung der Dachform bestehe nicht.
22Die Erteilung einer Abweichung sei berechtigt, weil der Beigeladene durch den leicht schrägen Grenzverlauf benachteiligt sei. Im Hinblick auf diese atypische Grundstückssituation würde jede neue Bebauung an der Grundstücksgrenze unweigerlich zu einem Verstoß gegen § 6 BauO NRW führen. Es handele sich nur um einen geringfügigen Verstoß, da lediglich eine bis zu 7 cm breite und 3,82 m lange Abstandfläche auf dem Grundstück des Klägers liege.
23Im November 2013 ließ der Beigeladene den Balkon-/Altananbau anbringen. Der Kläger behauptet, der über die Fassade des Hauses Nr. 13 um 1,50 m vorkragende Teil des Altans befinde sich nicht unmittelbar an der Grundstücksgrenze. Die Wärmedämmung auf der Giebelwand des Hauses des Klägers sei 10 cm stark; sie beginne erst über der Tordurchfahrtshöhe, etwa 2,5 m über dem Erdniveau. Von dieser Dämmung seien die Balkonbodenplatten 5 cm entfernt angebracht, so dass die Balkonanlage insgesamt in einem Abstand von 15 cm von der Grundstücksgrenze entfernt sei.
24Demgegenüber weist die Beklagte darauf hin, dass die Balkonanlage entsprechend der Baugenehmigung in einer Tiefe von 3,00 m ausgeführt worden sei. Da das mit einer Wärmedämmung versehene Gebäude des Klägers die Grundstücksgrenze überbaue, sei die Breite der Anlage von 4,335 m auf 4,02 m reduziert worden. Da aufgrund der Konstruktion der Balkonanlage die Brüstungselemente vor die Bodenplatten gesetzt worden seien und das Brüstungselement selbst bis an die Außenwand der klägerischen Gebäudes herangeführt sei, sei die Anlage als grenzständig zu betrachten. Allerdings sei der Sichtschutz abweichend von der Baugenehmigung nur in einer Höhe von 1,80 m errichtet worden; der Beigeladene sei deshalb aufgefordert worden, den Sichtschutz in einer Höhe von 2,00 m herzustellen.
25Der Beigeladene hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Er stellt keinen Antrag.
26Das Gericht hat mit Beschluss vom 30. Oktober 2014 das Verfahren 5 K 3453/13 mit dem vorliegenden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe:
28Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
29Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der von der Beklagten erteilten Baugenehmigung vom 14. Februar 2013 und des Bescheides über die Erteilung einer Abweichung, da diese nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts verstoßen und den Kläger daher nicht in seinen eigenen Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑.
30Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfprogramms ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im baurechtlichen Nachbarstreit keine Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vorzunehmen, sondern allein zu fragen ist, ob der angefochtene Verwaltungsakt den Rechtsbehelfsführer (subjektiv) in seinen Rechten verletzt.
31Die angefochtene Baugenehmigung verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
32Zwar besteht ein Verstoß gegen den Durchführungsplan Nr. 112 „I. “ hinsichtlich der Geschosszahl: Der Plan sieht eine 4-geschossige Bebauung vor, während durch das genehmigte Vorhaben das Haus des Beigeladenen 5-geschossig wird. Indes ist die Geschossigkeit wie das Maß der baulichen Nutzung insgesamt nicht nachbarschützender Natur. Ansonsten enthält der Plan keine entgegenstehenden Festsetzungen.
33Soweit in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten erwähnt wird, dass der Durchführungsplan Nr. 112 von einem Gericht ‑ in Teilen ‑ für unwirksam erklärt worden sei, braucht die Kammer dieser Frage nicht weiter nachzugehen. Denn selbst wenn sich der Plan als unwirksam herausstellen sollte, könnte eine Verletzung planungsrechtlicher Vorschriften nicht festgestellt werden. In diesem Falle wäre das Vorhaben anhand der Regelung des § 34 Abs. 1 des Baugesetzbuchs ‑ BauGB ‑ zu beurteilen, da die Grundstücke von Kläger und Beigeladenem innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen, für den ein Bebauungsplan nicht existiert. Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
34Das Vorhaben fügt sich hinsichtlich der Art der Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Auch der Anbau von mehreren Balkonen dient einzig der Wohnnutzung und damit einer Nutzung, die in der näheren Umgebung des Vorhabens vorherrschend ist.
35Soweit sich der Kläger darauf beruft, das Vorhaben füge sich in den Ausmaßen der Balkonanlage nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, handelt es sich dabei um ein Kriterium, welches das Maß der baulichen Nutzung betrifft und damit um ein solches, das regelmäßig nicht nachbarschützender Natur ist; das Gleiche gilt für die geänderte Dachgestaltung. Demgemäß sind im Rahmen eines Baunachbarstreits die Fragen danach, ob sich das Vorhaben nach seinem Volumen, der Zahl seiner Geschosse, der Höhe oder der Bebauungstiefe nach in die nähere Umgebung einfügt, ohne Bedeutung.
36Vgl. grundlegend Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Juni 1969 – IV C 234.65 -; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 27. August 2012 – 5 K 5326/10 – und vom 26. Februar 2008 – 6 K 1102/06 – sowie Beschluss vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 - ; jeweils zitiert nach juris.
37Das genehmigte Bauvorhaben des Beigeladenen verstößt auch nicht gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme.
38Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
39Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 - und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -; jeweils zitiert nach juris; sowie zuletzt VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Juli 2014 – 5 K 3060/13 -.
40Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
41Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 – und vom 23. August 2013 – 6 L 737/13 - sowie Urteil vom 2. Januar 2014 – 5 K 1658/13 -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 12. Juli 2012 – 2 B 12.1211 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2012 – 2 S 50.10 -; jeweils zitiert nach juris.
42Hiervon ausgehend vermag die Kammer eine unzumutbare Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers nicht zu erkennen. Zunächst kann eine erdrückende Wirkung nicht festgestellt werden. Eine erdrückende Wirkung wird angenommen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich "die Luft nimmt", wenn für den Nachbarn das Gefühl des "Eingemauertseins" entsteht oder wenn die Größe des "erdrückenden" Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls - und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen - derartig übermächtig ist, dass das "erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem "herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird.
43Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. Juli 2013 ‑ 7 B 477/13 ‑, juris-Dokument.
44Davon kann vorliegend nicht annähernd die Rede sein. Auch von der jetzt geplanten Giebelwand geht keine erdrückende Wirkung aus, zumal sie aus dem Hause des Klägers heraus gar nicht wahrnehmbar ist.
45Auch die befürchtete Einschränkung des Lichteinfalls und Verschattung des Gebäudes des Klägers sowie der Aussichtsmöglichkeiten erreicht nicht das Ausmaß einer unzumutbaren Beeinträchtigung. Die Situation wird für die Bewohner des Hauses des Klägers durch den Balkon-/Altananbau sicherlich nicht besser, sie verschlechtert sich. Dies führt jedoch nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass es sich um eine westliche Bebauung handelt, so dass das Kriterium der eingeschränkten Belichtung von vornherein nur in den späten Nachmittags- und Abendstunden greifen kann, bis dahin jedoch eine Beeinträchtigung gänzlich ausgeschlossen ist.
46Zudem muss in einem bebauten innerstädtischen Wohngebiet - und nicht nur in Innenstadtlagen - immer damit gerechnet werden, dass Nachbargrundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es durch eine Bebauung zu einer Verschattung des eigenen Grundstücks beziehungsweise von Wohnräumen kommt.
47Vgl. OVG NRW, Urteile vom 26. Juni 2014 – 7 A 2057/12 – und vom 9. Juni 2011 – 7 A 1494/09 – sowie Beschlüsse vom 16. Januar 2014 – 7 A 1776/13 – und vom 9. Februar 2009 – 10 B 1713/08 -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. Juni 2012 – 5 K 2317/10 -; jeweils zitiert nach juris.
48Insofern trägt der Eigentümer des Grundstücks im unbeplanten Innenbereich typischerweise das Risiko, dass eine spätere Nachbarbebauung den baurechtlich eröffneten Freiraum stärker ausschöpft als er selbst. Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes ‑ GG ‑ garantiert jedem Eigentümer eines Grundstücks das Recht, dieses baulich im Rahmen der Gesetze so zu nutzen, wie es den eigenen Vorstellungen entspricht. Dieses Recht kann auch der Kläger für sich beanspruchen. Hält sich die Bebauung innerhalb des durch die Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Baurechts vorgegebenen Rahmens, stehen die schutzwürdigen Interessen des Bauherrn und die Belange des Nachbarn und der Allgemeinheit in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander.
49Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 29. November 2013 – 5 L 1032/13 – mit Verweis auf OVG NRW, Beschluss vom 5. November 2013 – 10 A 2686/12 -.
50Einsichtsmöglichkeiten von den vorkragenden Balkonen sind durch die Sichtblenden weitgehend ausgeschlossen. Soweit die Sichtblenden zunächst nur in 1,80 m Höhe ausgeführt wurden, entsprach dies nicht der Baugenehmigung, die nur Verfahrensgegenstand ist, und soll offensichtlich nachgebessert werden.
51Das genehmigte Vorhaben verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Regelungen des Bauordnungsrechts. Zunächst ist der Kläger nicht bereits wegen Verstoßes der Baugenehmigung gegen das Bestimmtheitsgebot des § 37 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Nordrhein-Westfalen ‑ VwVfG ‑ in seinen Rechten verletzt. Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot ist nicht festzustellen. Namentlich sind Breite und Tiefe der Balkonanlage hinreichend genau bemaßt; sie ist 3 m tief, die Nische von 4,335 m ausfüllend. Die Bedenken des Klägers hinsichtlich der Sichtschutzwände sind nicht nachvollziehbar. Aus den Grundriss- sowie den Schnittzeichnungen ist deutlich erkennbar, dass die Sichtschutzwände an dem gesamten vorkragenden Teil der Balkone anzubringen sind.
52Die Regelungen des § 6 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen ‑ BauO NRW ‑ sind jedenfalls unter Berücksichtigung der erteilten Abweichung eingehalten. Die Einhaltung seitlicher Abstandflächen ist vorliegend nicht erforderlich. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a BauO NRW ist innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche eine Abstandfläche nicht erforderlich gegenüber Grundstücksgrenzen, gegenüber denen nach planungsrechtlichen Vorschriften ohne Grenzabstand gebaut werden muss. Hier besteht geschlossene Bauweise, in der nach § 22 Abs. 3 der Baunutzungsverordnung ‑ BauNVO ‑ Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet werden. Der Verzicht auf den seitlichen Grenzabstand erstreckt sich auch auf Anbauten und Balkone. Daher sind vorliegend grenzständige Balkone grundsätzlich zulässig. Eine Einschränkung ergibt sich allerdings aus der Formulierung in § 6 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a) BauO NRW, wonach Abstandflächen lediglich innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche nicht erforderlich sind. Die maßgebliche nähere Umgebung für die Bestimmung der überbaubaren Grundstücksfläche wird dadurch ermittelt, dass in zwei Richtungen, nämlich in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung und in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst.
53Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -, BRS 33 Nr. 36.
54Die nähere Umgebung ist für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Merkmale gesondert zu ermitteln, weil diese jeweils eine Prägung mit ganz unterschiedlicher Reichweite und Gewichtung entfalten können; bezüglich des hier in Rede stehenden Merkmals der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, mit dem die konkrete Größe der Grundfläche der baulichen Anlage und ihre räumliche Lage innerhalb der vorhandenen Bebauung gemeint ist, wird die nähere Umgebung im Regelfall enger als z.B. bei dem Merkmal der Art der baulichen Nutzung zu bemessen sein. Denn die von den überbauten Grundflächen ausgehende Prägung bleibt in ihrer Reichweite im Allgemeinen hinter den von der Art der baulichen Nutzung ausgehenden Wirkungen zurück. Maßgeblich ist, wie weit die wechselseitigen Auswirkungen im Verhältnis von Vorhaben und Umgebung im Einzelfall reichen. Bei der Bestimmung des Rahmens der näheren Umgebung ist zunächst die vorhandene Bebauung in den Blick zu nehmen. Sodann muss die Betrachtung anschließend auf das Wesentliche zurückgeführt werden, d.h. es muss alles außer Acht gelassen werden, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in ihr als Fremdkörper erscheint. Baulichkeiten, die als Fremdkörper erscheinen, sind aber nur dann außer Betracht zu lassen, wenn sie wegen ihrer Andersartigkeit bzw. Einzigartigkeit den Charakter der Umgebung nicht zu beeinflussen vermögen, was dann schließlich bei wertender Betrachtung der Gegebenheiten des Einzelfalls zu ermitteln ist.
55Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19.07.2010 ‑ 7 A 44/09 ‑, juris-Dokument.
56Hiervon ausgehend erfasst die maßgebliche nähere Umgebung neben den benachbarten Häusern an der K1.------straße auch die Häuser an der T.-----straße jedenfalls bis Haus-Nr. 10/12 sowie der D2.-----straße bis Haus-Nr. 49, denn die Bebauung dieser Grundstücke ist geeignet, prägende Wirkung auf das streitgegenständliche Grundstück auszuüben; denn jedenfalls insoweit sind wechselseitige Sichtbeziehungen gegeben. Dann aber wird die überbaubare Grundstücksfläche jedenfalls auch durch das Haus T1. . 12 geprägt, das über eine Bebauungstiefe von 14 m verfügt. Ob das Grundstücks D1. . 49 mit seiner Bebauungstiefe von 17,50 m insoweit auch noch zu berücksichtigen ist oder wegen des hier abknickenden Straßenverlaufs nicht, mag hier offen bleiben. Denn mit der Bebauungstiefe von 14 m beim Haus T1. . 12 ist jedenfalls ein Vorbild für die hier angestrebte Bebauungstiefe von 12,67 m gegeben.
57Soweit die genehmigte Balkon-/Altananlage auch nach hinten Abstandflächen auslöst, gilt für sie der Verzicht auf deren Einhaltung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW nicht. Die hintere Abstandfläche der Balkone liegt in einem Umfang von 0,13 m² auf dem Grundstück des Klägers und verstößt deshalb grundsätzlich gegen Rechte des Klägers. Diesen Rechtsverstoß hat die Beklagte jedoch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise durch die Erteilung der Abweichung nach § 73 BauO NRW geheilt. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW kann die Genehmigungsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen dieses Gesetzes zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Die Regelungen des § 73 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BauO NRW setzen einen Sachverhalt voraus, der von dem der gesetzlichen Regelung der Abstandflächen zugrunde liegenden Normalfall - dichte innerstädtische Bebauung bei ungünstigen Grundstückszuschnitten - in so deutlichem Maß abweicht, dass die strikte Anwendung des Gesetzes zu Ergebnissen führt, die der Zielrichtung der Norm nicht entsprechen. Dabei muss es sich um eine grundstücksbezogene Atypik handeln. § 73 BauO NRW ist kein Instrument zur Legalisierung gewöhnlicher Rechtsverletzungen.
58Vgl. OVG NRW Beschluss vom 19. Juli 2013 ‑ 2 A 2056/12 ‑, juris-Dokument unter Hinweis auf die st. Rspr. der Bausenate des OVG NRW.
59Eine solche Atypik ist im vorliegenden Fall aufgrund des leicht schrägen Verlaufs der gemeinsamen Grundstücksgrenze anzunehmen. Würde die Grundstücksgrenze, wie es in vergleichbaren Situationen der Normalfall ist, in einem rechten Winkel zur Straße bzw. zur vorderen und hinteren Grundstücksgrenze verlaufen, würde ein rückwärtiger Anbau keine hinteren Abstandflächen auf das benachbarte Grundstück auslösen; lediglich aufgrund des leicht abgeschrägten Grenzverlaufs ist dies überhaupt der Fall. Da die Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers mit 0,13 m² außerordentlich gering ist und damit nachbarliche Interessen des Klägers nur unwesentlich stärker betroffen sind, als bei einer Bebauung, die nach § 6 BauO NRW zulässig wäre (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW), erscheint der Abstandflächenverstoß auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen hinnehmbar. Die Abweichung ist daher zu Recht erteilt worden.
60Weitere Verstöße der Baugenehmigung gegen nachbarschützende Regelungen sind nicht erkennbar. Namentlich sind die genehmigten Dachgauben mindestens 1,25 m von der Gebäudetrennwand entfernt (vgl. § 35 Abs. 6 BauO NRW)
61Soweit der Kläger rügt, dass die tatsächliche Bebauung nicht der Baugenehmigung entspricht, kann dies im Verfahren gegen die Baugenehmigung nicht geltend gemacht werden, denn nur diese ist Verfahrensgegenstand.
62Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da er keinen Antrag gestellt und sich somit dem Prozessrisiko nicht ausgesetzt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
63Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
- 1.
Wohngebäude, - 2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe, - 3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. Juli 2015 - 5 K 2028/15 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtliche Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert wird unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts sowohl für das erstinstanzliche Verfahren als auch das Beschwerdeverfahren auf je 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
|
| ||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
|
(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
- 1.
Wohngebäude, - 2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe, - 3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
Tenor
Die Anträge werden abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Gründe
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
| |||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
- 1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes, - 2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.