Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 09. Mai 2014 - 14 L 741/14
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage - 14 K 2217/14 -des Antragstellers gegen die Verbotsverfügung des Antragsgegners vom 9. Mai 2014 wird mit folgenden Auflagen wiederhergestellt:
a) Die Versammlung wird als Standkundgebung auf dem Platz an der N.------straße / Ecke N1.-----------straße (Platz vor der dortigen D. ) durchgeführt.
b) Das Skandieren von Parolen (insbesondere „Deutschland den Deutschen - Ausländer raus!“ oder „Ali, Mehmet, Mustafa - fahrt zurück nach Ankara!“), die dazu geeignet sind, als ein aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer aufgefasst zu werden, ist verboten.
c) Auflagen des Antragsgegners, die der geordneten Durchführung der Versammlung dienen, sind zu befolgen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der am heutigen Tag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sinngemäß gestellte und kurzfristig zu bescheidende Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers - 14 K 2217/14 - gegen die Verbotsverfügung des Antragsgegners vom heutigen Tage betreffend die Versammlung am Abend des 10. Mai 2014 in der Form eines Aufzuges mit rund 60 Teilnehmern, Anfangs- Zwischen- und Abschlusskundgebung mit dem Thema „Am 25. Mai ‚DIE RECHTE‘ in den Stadtrat und die Bezirksvertretung Innenstadt - Nord wählen!“ wiederherzustellen,
4hat nur mit den aus dem Tenor ersichtlichen Auflagen Erfolg.
5Zur Begründung wird zunächst auf die Gründe der Beschlüsse gleichen Rubrums vom 24. April 2014 - 14 L 641/14 - und 28. April 2014 - 14 L 663/14 - sowie den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein - Westfalen vom 28. April 2014 -5 B 474/14 - Bezug genommen.
6Ergänzend ist folgendes auszuführen:
7Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache lassen sich vorliegend nicht abschließend abschätzen, so dass eine Interessenabwägung durchzuführen ist. In diese ist einerseits einzustellen, dass wegen der Bedeutung der Art. 8 Abs. 1 und Art. 21 GG und aufgrund des Zusammenhangs der Versammlung mit dem Wahlkampf des Antragstellers als nicht verbotener Partei schon im Eilverfahren dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass der Sofortvollzug des Verbots aufgrund der zeitlichen Nähe des beabsichtigten Versammlungstermins zur Kommunalwahl zur endgültigen Verhinderung des Versammlungsanliegens führt. Andererseits ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner das Verbot der Versammlung auf Tatsachen gestützt hat, die es als hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen, dass auf der angemeldeten Versammlung in der Form eines Aufzugs nicht nur in einer dem Antragsteller zuzurechnenden Weise durch Teilnehmer gegen Strafgesetze, insbesondere § 130 StGB und damit gegen die öffentliche Sicherheit verstoßen wird, sondern auch die öffentliche Ordnung unmittelbar gefährdet ist.
8Bereits bei dem am 30. April 2014 als Wahlkampfveranstaltung durchgeführten Aufzug des Antragstellers ist es durch das Skandieren u.a. der im Tenor bezeichneten Parolen und das Verhalten der Versammlungsteilnehmer zu Situationen gekommen, die einen Verstoß gegen § 130 StGB als durchaus möglich erscheinen lassen. Obwohl die Versammlung am 30. April durch die Polizei wegen des Anfangsverdachts strafbarer Handlungen beendet wurde und die Personalien der Versammlungsteilnehmer mit dem Ziel der Strafverfolgung festgestellt wurden, kam es bei der als Aufzug durchgeführten Versammlung am 1. Mai erneut dazu, dass große Teile der Versammlungsteilnehmer die o.g. Parolen riefen und es zu wechselseitigen Drohgebärden von und gegenüber Gegendemonstranten gekommen ist. Auch der Antragsteller spricht von einer „aufgeheizten Stimmung“. Nach den Feststellungen des Antragsgegners haben Anwohner eingeschüchtert und verängstigt auf die Versammlung regiert. Ab einem gewissen Zeitpunkt sei jeder Anwohner mit vermutetem Migrationshintergrund an der Aufzugsstrecke aufs Übelste beschimpft worden; jeder Anwohner sei mit dem Klima der Gewalt, Aggression und Hass überzogen worden. Aufgrund der Kürze der Zeit ist eine Überprüfung dieser Feststellungen - etwa durch Anhörung der von dem Antragsgegner angeführten Zeugen - in diesem Verfahren nicht möglich. Es ist somit auch hinsichtlich der Versammlung am 1. Mai nicht ausgeschlossen, dass die von dem Antragsgegner angenommenen und den Strafverfolgungsbehörden angezeigten Verstöße gegen § 130 StGB tatsächlich vorlagen.
9Selbst wenn die Grenze der Strafbarkeit durch die Äußerungen und das Auftreten der Versammlung noch nicht überschritten sein sollte, spricht Überwiegendes dafür, dass diese beiden Versammlungen einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung darstellten, weil die Teilnehmer ein aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten an den Tag gelegt haben, das über die bloße Kundgabe einer ausländerfeindlichen Meinung weit hinausging. Da die Parolen durch den bei der Versammlung eingesetzten Lautsprecherwagen „vorgegeben“ und dann von den Versammlungsteilnehmern aufgenommen wurden und des weiteren die eingesetzten Ordner gegen provozierendes und bedrohliches Verhalten der Versammlungsteilnehmer offenbar nicht eingeschritten sind, ist dieses Erscheinungsbild der Versammlung dem Antragsteller auch zuzurechnen.
10Obwohl nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass es auf jeder Versammlung des Antragstellers zu Straftaten oder Verstößen gegen die öffentliche Ordnung kommen muss, nur weil dies in der Vergangenheit der Fall war, sprechen vorliegend jedoch tatsachengestützte Anhaltspunkte dafür, dass der von dem Antragsteller für den 10. Mai 2014 angemeldete Aufzug einen gleichartigen Verlauf nehmen wird. Die kurzfristig angemeldete Versammlung verläuft durch einen Stadtteil mit einem hohen Migrantenanteil in der Bevölkerung. Das Thema der Versammlung ist nahezu identisch mit dem Thema der Wahlkampfversammlung am 30. April 2014. Der Teilnehmerkreis dürfte mit dem der Versammlung am 30. April 2014 weitestgehend identisch sein. Der Antragsteller hat in seiner Antragsschrift des weiteren deutlich gemacht, dass er das Verhalten der Versammlungsteilnehmer an den beiden vorgenannten Versammlungen insgesamt für rechtmäßig hält, so dass nicht zu erwarten steht, dass er ein solches Verhalten bei der angemeldeten Versammlung unterbinden würde.
11Ob diese Umstände und Tatsachen das vollständige Verbot der hier streitgegenständlichen Versammlung rechtfertigen würden, lässt sich im Rahmen der hier aufgrund der Dringlichkeit der Entscheidung nur möglichen summarischen Prüfung nicht abschließend feststellen.
12Unstreitig ist es bei drei Veranstaltungen des Antragstellers am 3. Mai 2014, die als Standkundgebungen durchgeführt wurden, zu keinen Zwischenfällen der oben genannten Art gekommen.
13Im Rahmen der Interessenabwägung erscheint es daher erforderlich, aber auch ausreichend, die aufschiebende Wirkung der Klage mit den aus dem Tenor ersichtlichen Auflagen im Sinne des § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO wiederherzustellen.
14Die örtliche Beschränkung trägt der Stellungnahme des Antragsgegners Rechnung. Aufgrund der aktuellen Einsatzlage (Bundesliga - Spieltag, Störungsaufrufe aus der linken Szene) sind nach dessen Angaben die von dem Antragsteller gewählten Kundgebungsorte polizeilich nicht beherrschbar, so dass es - auch zum Schutz der Versammlung des Antragstellers vor gewalttätigen Übergriffen - geboten erscheint, die Versammlung auf den aus dem Tenor ersichtlichen Standort in unmittelbarer Nähe zu dem Ort der vorgesehenen Auftaktkundgebung zu beschränken.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
16Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes und geht wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache vom vollen Auffangstreitwert aus.
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage - 14 K 1903/14 -des Antragstellers gegen die Verbotsverfügung des Antragsgegners vom 14. April 2014 wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der kurzfristig zu bescheidende Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage VG Gelsenkirchen -14 K 1903/14 - des Antragstellers gegen die Verbotsverfügung des Antragsgegners vom 14. April 2014 wiederherzustellen,
4hat Erfolg.
5Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Interessenabwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus.
6Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht in den Fällen, in denen eine Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt abweichend von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung entfaltet, weil dessen sofortige Vollziehbarkeit durch die erlassende Behörde angeordnet wurde, auf Antrag des Betroffenen die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherstellen.Dies kommt nur in Betracht, wenn das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gegenüber dem Interesse des Antragstellers, von Vollziehungsmaßnahmen vorläufig verschont zu bleiben, nicht überwiegt. Bei der insoweit gebotenen Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren mit zu berücksichtigen.Bei Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, müssen die Verwaltungsgerichte wegen der Bedeutung des Art. 8 Abs. 1 GG schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlungen in der beabsichtigten Form führt.
7Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 und vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, S. 2069.
8Vorliegend überwiegt das Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des verfügten Versammlungsverbots vorläufig verschont zu bleiben, das vom Antragsgegner herangezogene öffentliche Vollziehungsinteresse, weil sich die im wesentlichen auf § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz (VersG) gestützte Verbotsverfügung bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als voraussichtlich rechtswidrig darstellt und am Vollzug rechtswidriger Verwaltungsakte kein öffentliches Interesse bestehen kann.
9Nach § 15 VersG kann die zuständige Behörde - hier der Antragsgegner - eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung zu erkennenden Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
10Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
11Der Antragsgegner hat seine Verfügung vorrangig auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gemäß § 15 VersG gestützt, weil die vom Antragsteller in Dortmund angemeldete Versammlung in Form eines Aufzuges mit dem Thema „Heraus zum 1. Mai“ primär dem Zweck diene, den organisatorischen Zusammenhalt der verbotenen Vereinigung „Nationaler Widerstand Dortmund“ zu unterstützen und damit den Straftatbestand des § 20 Vereinsgesetz (VereinsG) erfülle.
12Diese in der angefochtenen Verfügung getroffene und durch die vom Antragsgegner in der Verfügung - auf die insoweit wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird - bezeichneten Erkenntnisse, auch zur Wahrnehmung der „Rechten Szene“ durch die Dortmunder Bevölkerung, gestützte Prognose trägt das verfügte Verbot nicht.
13Die vom Antragsgegner in der Verfügung angeführten Argumente für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sind im Kern identisch mit den Erwägungen, die der Verbotsverfügung für eine vom Antragsteller unter dem gleichen Motto angemeldeten Versammlung am 1. Mai 2013 zu Grunde gelegen haben. Die, wenn auch umfangreiche, und teilweise auf neu zusammengetragene Tatsachen gestützte Begründung der streitgegenständlichen Verbotsverfügung lässt nicht erkennen, dass die vom Antragsteller angemeldete Versammlung für einen unbefangenen Betrachter als Aktion unmittelbar zu Gunsten der verbotenen Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund" erscheint, die nach § 20 Abs. 1 VereinsG strafbar ist. Hierfür ist vorausgesetzt, dass dem beabsichtigten Verhalten eine hinreichende Außenwirkung zukommt, aus der ein objektiver Bezug zur Tätigkeit des Vereins erkennbar wird. Aus Inhalt und äußerer Form des Auftretens muss eindeutig ersichtlich sein, dass für die verbotene Organisation gehandelt wird. Hierfür genügt es nicht, dass sich jemand für Ziele einsetzt, die ebenfalls von der verbotenen Organisation verfolgt werden bzw. wurden. Danach kann eine unzulässige Fortführung oder Förderung einer verbotenen Vereinigung nicht schon deshalb angenommen werden, weil sich - wie hier - eine neu gegründete nicht verbotene Vereinigung / Partei im eigenen Namen ebenso wie eine verbotene Vereinigung mit vergleichbaren Zielsetzungen überhaupt der Ausdrucksform einer Versammlung bedient.
14Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. April 2013 - 5 B 467/13 -, vorgehend Beschluss der Kammer vom 25. April 2013 - 14 L 474/13 -, beide veröffentlicht unter www.nrwe.de
15Der Antragsgegner hat keine hinreichenden Tatsachen für die Annahme benannt, dass sich für einen unbefangenen Betrachter der Eindruck ergibt, bei der angemeldeten Versammlung zum 1. Mai 2014 handele es sich um eine Aktion unmittelbar zugunsten der verbotenen Vereinigung und nicht um eine solche des Antragstellers als einer nicht verbotenen politischen Partei. Ein hinreichender objektiver Bezug zur Tätigkeit der verbotenen Vereinigung ist nicht belegt. Tatsachen, aus denen mit der erforderlichen Eindeutigkeit eine konkrete Eignung für eine für die verbotene Vereinstätigkeit vorteilhafte, vereinsfördernde oder -unterstützende Zielrichtung erkennbar würde, sind nicht angeführt worden. Vornehmlich belegen auch die im Vergleich zum Vorjahr ergänzend angeführten Erkenntnisse nicht hinreichend, dass mit der in Rede stehenden Versammlung zum 1. Mai eine spezifische, besondere identitätsstiftende Tätigkeit der verbotenen Vereinigung lediglich unter einem anderen Namen fortgeführt werden soll. Dies insbesondere deshalb nicht, weil der „Nationale Widerstand Dortmund“ schon in den Jahren vor 2013 in Dortmund zum 1. Mai gerade nicht präsent war und an diesem Tag keine besondere Veranstaltungsform traditionsbildend etabliert hat, deren Fortführung für einen unbefangen Betrachter mit der erforder-lichen Eindeutigkeit an die frühere Vereinstätigkeit anknüpfen würde. Für die diesjährige Versammlung gilt nichts anderes.
16Aufgrund der inhaltlichen Vergleichbarkeit der Argumentation des Antragsgegners, kann zur Vermeidung von Wiederholungen zur weiteren Begründung auf die oben zitierten Beschlüsse der Kammer und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein - Westfalen Bezug genommen werden. Das Oberverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich hervorgehoben, dass die Teilnahme an verschiedenen rechtsextremistischen Demonstrationen in anderen Städten zwar den Zusammenhalt innerhalb der Kameradschaft gestärkt haben mag, jedoch nach Gründung der Partei "Die Rechte" deren - auch szenetypische - Versammlungen nicht schon deshalb als verbotene Fortführung oder Förderung der Tätigkeit der Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund" angesehen werden können, weil bereits die Kameradschaft die Teilnahme an ähnlichen Demonstrationen - auch am 1. Mai - zur Stärkung ihres Zusammenhalts eingesetzt hat und zahlreiche frühere Mitglieder der neuen Partei beigetreten sind. Das Vereinsverbot beziehe sich nicht auf die rechtsextreme Szene insgesamt, sondern auf die Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund".
17Diesen Ausführungen folgt die Kammer in Ansehung der ergänzenden Ausführungen des Antragsgegners auch für die vorstehende Versammlung des Antragstellers zum 1. Mai 2014. Darauf, ob die Versammlung, wie in der Antragsbegründung geltend gemacht wird, als zentrale Wahlkampfveranstaltung zu beurteilen ist - woran gewichtige Zweifel bestehen -, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
18Auch soweit der Antragsgegner das Versammlungsverbot in der streitgegenständlichen Verfügung auf eine Gefahr für die öffentliche Ordnung stützt, sind die Voraussetzungen für ein Versammlungsverbot nicht erfüllt.
19Unter öffentlicher Ordnung wird die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln verstanden, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird. Mehrheitsanschauungen allein reichen zur Bestimmung des Gehalts der öffentlichen Ordnung nicht. Art. 8 GG ist für die Freiheitlichkeit der demokratischen Ordnung besonders wichtig als Minderheitenschutzrecht. Die Ausstrahlungswirkung des Art. 8 GG ist daher auch bei der Bestimmung der Reichweite des Begriffs der öffentlichen Ordnung zu berücksichtigen. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es hiernach, dass § 15 VersG gemäß § 20 VersG Beschränkungen der Versammlungsfreiheit, darunter auch zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Ordnung, erlaubt, vorausgesetzt, dass diese nicht aus dem Inhalt der Äußerungen, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung folgen. So sind Beschränkungen der Versammlungsfreiheit verfassungsrechtlich unbedenklich, die ein aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer verhindern sollen, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird.
20Grundsätzlich kann die öffentliche Ordnung auch verletzt sein, wenn Rechtsextremisten, vornehmlich an Tagen mit gewichtiger Symbolkraft, einen Aufzug so durchführen, dass von seiner Art und Weise Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger erheblich beeinträchtigen. Gleiches gilt, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert.
21Vgl. BVerfG, einstweilige Anordnung vom 27. Januar 2012 - 1 BvQ 4/12 -, Juris.
22Es ist schon in hohem Maße zweifelhaft, ob ein Aufmarsch Rechtsextremer am 1. Mai dazu geeignet ist, eine solche Provokation zu begründen.
23Der Antragsgegner hat zudem nicht hinreichend dargelegt, dass aus der Art der Durchführung der Versammlung aufgrund ihrer Prägung Gefahren für die öffentliche Ordnung im oben dargestellten Sinn ausgehen.
24In solchen Fällen ist außerdem unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit jedenfalls zu klären, durch welche Maßnahmen die Gefahr abgewehrt werden kann. Dafür kommen in erster Linie Auflagen in Betracht. Erst wenn sie zur Gefahrenabwehr nicht ausreichen, kann die Versammlung verboten werden.
25Vorliegend hat der Antragsgegner seine Begründung, den von der Art und Weise der Durchführung der Versammlung ausgehenden Gefahren könne nicht durch Auflagen begegnet werden, nicht substantiiert. Es ist nicht ersichtlich, warum nicht durch Auflagen zur Durchführung der Versammlung - etwa durch Regelungen zur Verhinderung eines „schwarzen Blocks“ oder zum Versammlungsweg - hinreichend sichergestellt werden kann, dass von der Prägung der Versammlungsdurchführung keine Gefahren für die öffentliche Ordnung ausgehen.
26Soweit die Prognose des Antragsgegners nicht nur auf das Gepräge der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung gestützt wird, sondern an die mit der Versammlung verbundenen vermuteten Meinungsäußerungen, insbesondere der zu erwartenden Redner anknüpft, trägt sie das Verbot ebenfalls nicht.
27Soweit Beschränkungen - wie hier - mit dem Inhalt der die Versammlung betreffenden Meinungsäußerungen begründet werden, ist die besondere Gewährleistung der Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG zu berücksichtigen.
28Der Inhalt von Meinungsäußerungen, der im Rahmen des Art. 5 GG nicht unterbunden werden darf, kann auch nicht zur Rechtfertigung von Maßnahmen herangezogen werden, die das Grundrecht des Art. 8 GG beschränken. Unerheblich ist, ob die Meinungsäußerung „wertvoll“ oder „wertlos“, „richtig“ oder „falsch“, emotional oder rational begründet ist. Geschützt sind - in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG - auch rechtsextreme Aussagen Der Gesetzgeber hat in den allgemeinen Gesetzen i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG, insbesondere den Strafgesetzen, Beschränkungen von Meinungsäußerungen an nähere tatbestandliche Voraussetzungen gebunden; eine Berufung auf das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Ordnung ist insofern nicht vorgesehen. Die Strafrechtsordnung ermöglicht die Bekämpfung solcher Rechtsgutverletzungen, die etwa durch antisemitische oder rassistische Äußerungen erfolgen. Werden die entsprechenden Strafgesetze durch Meinungsäußerungen missachtet, so liegt darin eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit; eine so begründete Gefahr kann deshalb durch die Ordnungsbehörden abgewehrt werden, und zwar auch mit Auswirkungen auf Versammlungen.
29Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233, 341/81 -, BVerfGE 69, 315 ff (Brokdorf), Beschluss vom 26. Januar 2001 - 1 BvQ 9/01 -, DVBl 2001, S. 558, Beschluss vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, S. 2069 <2071>; Beschluss vom 7. April 2001 - 1 BvQ 17/01 und 1 BvQ 18/01 -, NJW 2001, S. 2072 <2074>; Beschluss vom 5. September 2003 - 1 BvQ 32/03 -, NVwZ 2004, S. 90 <91>, Beschluss des 1. Senats vom 23. Juni 2004 - 1 BvQ 19/04 - NJW 2004, 2814 und Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2793/04 -, Juris, BVerfG, Beschluss vom 7. November 2008 - 1 BvQ 43/08 -, Juris.
30Die von der Behörde oder den befassten Gerichten anzustellende Gefahrenprognose erfordert zudem - angesichts der Schwere des Eingriffs durch ein Verbot - tatsächliche Anhaltspunkte, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben. Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen für sich allein nicht aus.
31Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. September 2010, - 1 BvR 2298/10 -, Juris.
32Tatsachen, die mit der erforderlichen Sicherheit darauf schließen lassen, dass durch Meinungsäußerungen Straftaten von der für den 1. Mai angemeldeten Versammlung ausgehen, lassen sich weder der Verbotsverfügung noch der Antragserwiderung entnehmen.
33Auch die Übrigen angeführten Gründe (z.B. Straftaten Einzelner bei in der Vergangenheit durchgeführten Versammlungen des „rechten Spektrums“ sowie Straftaten von Führungsmitgliedern des Antragstellers außerhalb von Versammlungen) belegen nicht hinreichend tatsachengestützt eine von der hier in Rede stehenden Versammlung ausgehende und deren Verbot rechtfertigende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
35Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes und geht wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache vom vollen Auffangstreitwert aus.
(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.
(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.
(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.
(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
- 1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder - 2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der - a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt, - b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder - c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
- 2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.
(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).
(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.
(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.