Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 01. Juni 2016 - 14 L 1284/16
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag,
3dem Antragsgegner im Wege der - vorsorglichen - einstweiligen Anordnung zu untersagen, auf der von der Antragstellerin für Samstag, den 4. Juni 2016 in E. angemeldeten Demonstration einem oder mehreren Rednern den Auftritt als Redner nur deshalb zu untersagen, weil dieser oder diese bei früheren Redeauftritten im Zusammenhang mit einer öffentlichen Versammlung ein Delikt gem. § 130 StGB (Volksverhetzung) begangen hat und deshalb gerichtlich verurteilt worden ist, bzw. sind,
4hat keinen Erfolg.
5Dabei hat die Kammer die seitens des Antragstellers gemachte beschränkende Klarstellung des Antrags, dass das Vorgehen nach Maßgabe der Strafprozessordnung für den Fall, dass einer oder mehrere Redner bei der aktuellen Versammlung Delikte gemäß § 130 StGB begehen, von dem Antrag nicht erfasst sein sollen, berücksichtigt.
6Die vorliegend auf vorbeugenden Rechtsschutz gerichtete einstweilige Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kommt nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn es dem Rechtsschutzsuchenden nicht zumutbar ist, den Erlass des Verwaltungsaktes bzw. die Rechtsverletzung abzuwarten und sodann Rechtsbehelfe und Rechtsmittel der Verwaltungsgerichtsordnung auszuschöpfen. Nach der Rechtsprechung ist dies anzunehmen, wenn es darum geht, der Schaffung vollendeter, später nicht mehr rückgängig zu machender Tatsachen zuvorzukommen und wenn anders dem Antragsteller eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten droht, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann.
7Vgl. Finkelnburg/Domberg/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage, Rnr. 104.
8Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass ein derartiges Rechtsschutzbedürfnis bestehen kann, wenn eine Versammlungsbehörde bei der Bestätigung einer angemeldeten Versammlung, wie hier ursprünglich in der Versammlungsbestätigung vom 18. Mai 2016, den rechtlichen Hinweis erteilt:
9„Solchen Personen, die in der Vergangenheit im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen volksverhetzende Äußerungen kundgetan haben und deshalb von einem Gericht gemäß § 130 StGB verurteilt wurden, werde ich verbieten, im Rahmen der von Ihnen angemeldeten Versammlung eine Rede zu halten.
10In diesem Zusammenhang wird Ihnen die Möglichkeit gegeben, Personen vorab als Redner zu benennen. Die Wahrnehmung dieser Möglichkeit dürfte Ihren versammlungsorganisatorischen Interessen entsprechen. Die Prüfung, in welchen Personen die Voraussetzungen erfüllt sind, findet darüber hinaus gegenwärtig statt.“
11Anders als ein rechtlicher Hinweis auf das versammlungsrechtliche Uniformverbot und die Absicht der Versammlungsbehörde, bei einem Verstoß gegen dieses Verbot die Versammlung aufzulösen, kann der hier ursprünglich streitgegenständliche Hinweis durchaus bereits einen Eingriff in die grundgesetzlich durch Art. 8 GG geschützte Versammlungsfreiheit und die auch dem Schutzbereich des Art. 5 GG unterfallende Meinungskundgabe der Versammlung darstellen.
12Der Hinweis auf das Uniformverbot und mögliche rechtliche Konsequenzen eines Verstoßes stellt in der Regel die Äußerung einer Rechtsauffassung dar, die zukünftige, lediglich auf der äußeren Form der mit der Versammlung bezweckten Meinungskundgabe beruhende Maßnahmen ankündigt. Die Kammer hat einem solchen Hinweis keine Eingriffsqualität zugemessen.
13Vgl. Beschl. der Kammer vom 21. August 2014- 14 L 1245/14 -, www.nrwe.de.
14Der Hinweis in der oben wiedergegebenen ursprünglichen Fassung, bestimmte, möglicherweise bei der Versammlung auftretende Redner von vorneherein daran zu hindern an der Meinungskundgabe der Versammlung mitzuwirken, ist jedoch dazu geeignet, nicht nur auf die äußere Gestaltung der Meinungskundgabe schon im Vorfeld der Versammlung Einfluss zu nehmen. Er ist dazu geeignet, den Anmelder einer Versammlung dazu zu veranlassen, auch den Inhalt seiner Meinungskundgabe durch eine Beschränkung oder Veränderung der Liste der auftretenden Redner zu verändern. Allein die Ankündigung solcher Maßnahmen kann daher bereits im Vorfeld der Versammlung und ohne dass es schon zu konkreten Auflagen oder Maßnahmen des Antragsgegners gekommen ist, einen Eingriff in die Grundrechte aus Art. 8 GG und möglicherweise auch Art. 5 GG darstellen. Sie dürfte daher grundsätzlich dazu geeignet sein, das erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse auch für vorbeugenden Rechtsschutz zu begründen. Dies gilt vorliegend insbesondere deshalb, weil der Antragsgegner in dem oben wiedergegebenen Hinweis ein Einschreiten angekündigt hat, ohne dass er neben der Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung des Redners auf eine konkrete, auf tatsachengestützte Anhaltspunkte begründete Gefahrenprognose abstellen will, in deren Rahmen festzustellen wäre, dass der Auftritt dieser Redner auf der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung zu einer versammlungsrechtlich relevanten Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen wird. Es spricht viel dafür, dass ein solches Einschreiten rechtswidrig wäre.
15Dieses möglicherweise bestehende Rechtsschutzinteresse, dem Antragsgegner im Wege vorbeugenden Rechtsschutzes bestimmte Handlungsweisen und Maßnahmen im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, ist jedoch entfallen, nachdem der Antragsgegner seinen Hinweis durch den Antragserwiderungsschriftsatz vom 31. Mai 2016, der am heutigen Tag um 09.39 Uhr bei Gericht einging und dem Antragsteller um 11.00 Uhr durch das Gericht per Telefax mit der Gelegenheit zur Stellungnahme bis 13.00 Uhr zugeleitet wurde, geändert hat.
16Der Antragsteller hat durch Telefax vom heutigen Tage um 11.54 Uhr angekündigt, den Antrag für erledigt zu erklären, wenn der rechtliche Hinweis (vom Antragsgegner ) zurückgenommen werde. Unabhängig davon, ob eine unter einer Bedingung abgegebene Erledigungserklärung überhaupt eine wirksame Prozesserklärung sein kann, ist vorliegend die vom Antragsteller gestellte Bedingung nicht eingetreten. Der Antragsgegner hat den Hinweis nämlich nicht zurückgenommen oder aufgehoben, sondern lediglich modifiziert, so dass die Kammer über den Antrag auf vorbeugenden Rechtsschutz unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zum Entscheidungszeitpunkt zu beschließen hat, weil seitens des Antragstellers keine Erledigungserklärung abgegeben wurde.
17Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt hat der Antrag keinen Erfolg, denn er ist jedenfalls unbegründet, da weder der Hinweis noch die darin angekündigten zukünftigen Maßnahmen auf eine (künftige) Rechtsverletzung des Antragstellers schließen lassen, die nur durch den Erlass einer vorbeugenden einstweiligen Anordnung verhindert werden kann.
18Der Hinweis hat nunmehr folgenden Wortlaut erhalten:
19„Ich beabsichtige, solchen Personen zu verbieten eine Rede zu halten, die im Vorfeld oder während Ihrer angemeldeten Versammlung konkrete Anhaltspunkte dafür bieten, dass sie in einer Rede strafrechtlich relevante Redeinhalte verwenden werden. Diese Gefahrenprognose wird insbesondere gestützt durch Verurteilungen der betroffenen Personen nach § 130 StGB.“
20Aus diesem geänderten Hinweis wird deutlich, dass der Antragsgegner nicht allein aufgrund einer Vorstrafe der jeweiligen Redner vorgehen, sondern sein Einschreiten von einer konkreten Gefahrenprognose abhängig machen will. Ein solches Vorgehen wäre rechtlich nicht zu beanstanden und rechtfertigt daher den Erlass einer (vorbeugenden) einstweiligen Anordnung nicht.
21Der bereits vor der Versammlung erteilte Hinweis ist in der jetzt vorliegenden Form nicht von vornherein unzulässig, auch wenn er möglicherweise aufgrund der oben dargestellten Überlegungen einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit begründen kann. Es ist allgemein anerkannt, dass die Versammlungsbehörde durch Auflagen und Nebenbestimmungen nach dem Versammlungsgesetz sicherstellen kann, dass von der Versammlung keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen. Erst recht muss es der Versammlungsbehörde daher möglich sein, auch im Vorfeld einer Versammlung - unterhalb der Schwelle einer Nebenbestimmung oder Auflage - rechtliche Hinweise zu erteilen und künftige (rechtmäßige) Maßnahmen anzukündigen.
22Soweit der Antragsgegner in seinem Antragserwiderungsschriftsatz vom 31. Mai 2016 erläutert, dass er bereits jetzt hinreichende konkrete Anhaltspunkte dafür sieht, dass ein Auftritt des stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Partei „E1. S. “, D. E2. , zu einer versammlungsrechtlich relevanten Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen werde, sieht die Kammer keinen Anlass zum Erlass einer vorbeugenden einstweiligen Anordnung.
23Der Antragsteller hat bislang weder vorgetragen noch belegt, dass Herr E2. bei der Versammlung als Redner überhaupt auftreten soll. Unabhängig davon hat der Antragsgegner seine geäußerten Bedenken hier ausdrücklich auf eine Tatsachen gestützt und zudem angekündigt, am Einsatztag die Lage unter Beachtung der Gesamtsituation und des Verhaltens der Versammlungsteilnehmer zu beurteilen und für jeden Redner eine einzelfallbezogene Prüfung vorzunehmen.
24Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Erlass einer vorbeugenden einstweiligen Anordnung zur Wahrung der Rechte des Antragstellers überhaupt erforderlich ist.
25Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
26Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes und geht wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache vom vollen Auffangstreitwert aus.
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(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
- 1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder - 2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der - a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt, - b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder - c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
- 2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.
(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).
(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.
(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
- 1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder - 2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der - a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt, - b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder - c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
- 2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.
(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).
(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.
(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird
abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag,
3dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu untersagen,
41. eine vom Landesverband NRW der Partei DIE RECHTE für Sonnabend, den 28. August 2014, angemeldete öffentliche Kundgebung unter freiem Himmel in E. aufzulösen, wenn bzw. weil Teilnehmer derselben gelbe T-Shirts mit Aufdruck “Weg mit dem NWDO-Verbot“ oder „Die Rechte Stadtschutz“ (so genannte Motto - Hemden) tragen,
52. die Kundgebung dadurch zu behindern, dass Teilnehmer oder teilnahmewillige Personen, die T - Shirts der oben beschriebenen Art tragen, durch strafprozessuale Maßnahmen wie Verbringung zu einer Polizeiwache zur Personenfeststellung, vorläufige Festnahme o.ä. oder aber auch durch vor Ort kurzfristig erlassene Auflagen, die das Tragen solcher T-Shirts untersagen, an der Teilnahme gehindert werden,
6ist bereits unzulässig.
7Die vorliegend auf vorbeugenden Rechtsschutz gerichtete einstweilige Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn es dem Rechtsschutzsuchenden nicht zumutbar ist, den Erlass des Verwaltungsaktes bzw. die Rechtsverletzung abzuwarten und sodann Rechtsbehelfe und Rechtsmittel der Verwaltungsgerichtsordnung auszuschöpfen. Nach der Rechtsprechung ist dies anzunehmen, wenn es darum geht, der Schaffung vollendeter, später nicht mehr rückgängig zu machender Tatsachen zuvorzukommen und wenn anders dem Antragsteller eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten droht, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann.
8Vgl. Finkelnburg/Domberg/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage, Rnr. 104.
9Ein solch qualifiziertes Rechtsschutzinteresse vermag die Kammer nicht zu erkennen.
10Den von dem Antragsteller angegriffenen Ausführungen des Antragsgegners unter Ziffer 1. und 3. auf Seite 6 und 8 des Bescheides vom 18. August 2014 zum Tragen von gelben Mottohemden mit der Aufschrift „Die Rechte Stadtschutz E. “ und „Weg mit dem NWDO-Verbot“ kommt kein Regelungscharakter mit Verwaltungsaktqualität und insoweit Eingriffsqualität zu. Es handelt sich vielmehr um zwei von insgesamt sieben „rechtlichen Hinweisen“, die der Antragsteller seinen acht Auflagen angefügt hat. Diese geben unter Würdigung der Sachlage lediglich die Rechtsauffassung des Antragsgegners wieder.
11Nach § 21 VereinsG, § 86 StGB u.a. ist das Verbreiten von Propagandamitteln der verbotenen Organisation „Nationaler Widerstand E. “ strafbewehrt und ebenso nach § 3 Abs. 1 VersG das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder gleichartigen Kleidungsstücken als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung verboten. Zu solch gleichartigen Kleidungsstücken zählen nach Auffassung des Antragsgegners, für deren Richtigkeit nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der entsprechenden Ausführungen und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
12vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 1982 –I BVR 1138/81-,
13juris,
14im konkreten Fall überwiegendes spricht, auch die „Motto - Hemden“ mit der Aufschrift „Die Rechte Stadtschutz E. “. Die endgültige Prüfung einer Strafbarkeit obliegt allerdings den Strafverfolgungsbehörden. Dass mit diesen, von mehreren Personen zeitgleich und in der Gruppe getragenen Hemden eine gemeinsame politische Gesinnung mit präsenter Gewaltbereitschaft einhergeht, die gegebenenfalls bedroht und einschüchtert, liegt unter Berücksichtigung der Zielrichtung und Selbstdarstellung der „Arbeitsgruppe“ im Internet,
15vgl. http://www.dortmundecho.org/2014/08/rechter-stadtschutz-E. -nationale-solidaritaet-organisieren, Stand 21. August 2014, 10.45 Uhr,
16nahe. Bereits das gemeinsame Tragen der Hemden mit dem Schriftzug „Die Rechte“ dürfte eine gemeinsame, identitätsstiftende Gesinnung verlangen. Mit dem in dem Internet - Auftritt dargestellten „Modell einer funktionierenden Volksgemeinschaft“, das nur „noch in der Erinnerung älterer Volksgenossen“ lebt, werden mindestens auch Strukturen des 3. Reiches angestrebt. Somit ergibt sich auch aus dem Schutzgedanken (Stadt„schutz“) für Personen und Objekte „nach individuellen Gefahrenprognosen“ für „gefährdete Bürger“ ein Einschüchterungs- und Bedrohungsszenario mit Agressionspotential.
17Die „Hinweise“ des Antragsgegners unter Ziffer 1. und 3.begründen auch deshalb kein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse im oben dargestellten Sinn, weil keinerlei Hinweise dafür vorliegen, der Antragsgegner würde beim Tragen entsprechender Hemden von Versammlungsteilnehmern automatisch, also ohne Ermessensbetätigung die Kundgebung auflösen oder Maßnahmen gegen einzelne Teilnehmer ergereifen. Vielmehr ist zu erwarten, dass er auch hier den Umständen entsprechend sowohl das Entschließungsermessen, d.h. die Entscheidung über das „Ob“ des Einschreitens als auch das Auswahlermessen, d.h. die Entscheidung über das geeignete Mittel, unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit und ggf. über die Störerauswahl etwaige Verstöße prüfen und erst dann zulässige Maßnahmen in den Blick nehmen wird. Einen solchen Abwägungsprozess, zudem noch auf ungesicherter Tatsachengrundlage kann und darf das Gericht nicht vorwegnehmen, da ansonsten ein unzulässiger Eingriff in die Kompetenz der Ordnungs- und Strafverfolgungsbehörde vorläge.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
19Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes und geht wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache vom vollen Auffangstreitwert aus.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
- 1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder - 2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der - a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt, - b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder - c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
- 2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.
(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).
(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.
(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.