Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 21. Aug. 2014 - 14 L 1245/14


Gericht
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird
abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag,
3dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu untersagen,
41. eine vom Landesverband NRW der Partei DIE RECHTE für Sonnabend, den 28. August 2014, angemeldete öffentliche Kundgebung unter freiem Himmel in E. aufzulösen, wenn bzw. weil Teilnehmer derselben gelbe T-Shirts mit Aufdruck “Weg mit dem NWDO-Verbot“ oder „Die Rechte Stadtschutz“ (so genannte Motto - Hemden) tragen,
52. die Kundgebung dadurch zu behindern, dass Teilnehmer oder teilnahmewillige Personen, die T - Shirts der oben beschriebenen Art tragen, durch strafprozessuale Maßnahmen wie Verbringung zu einer Polizeiwache zur Personenfeststellung, vorläufige Festnahme o.ä. oder aber auch durch vor Ort kurzfristig erlassene Auflagen, die das Tragen solcher T-Shirts untersagen, an der Teilnahme gehindert werden,
6ist bereits unzulässig.
7Die vorliegend auf vorbeugenden Rechtsschutz gerichtete einstweilige Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn es dem Rechtsschutzsuchenden nicht zumutbar ist, den Erlass des Verwaltungsaktes bzw. die Rechtsverletzung abzuwarten und sodann Rechtsbehelfe und Rechtsmittel der Verwaltungsgerichtsordnung auszuschöpfen. Nach der Rechtsprechung ist dies anzunehmen, wenn es darum geht, der Schaffung vollendeter, später nicht mehr rückgängig zu machender Tatsachen zuvorzukommen und wenn anders dem Antragsteller eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten droht, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann.
8Vgl. Finkelnburg/Domberg/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage, Rnr. 104.
9Ein solch qualifiziertes Rechtsschutzinteresse vermag die Kammer nicht zu erkennen.
10Den von dem Antragsteller angegriffenen Ausführungen des Antragsgegners unter Ziffer 1. und 3. auf Seite 6 und 8 des Bescheides vom 18. August 2014 zum Tragen von gelben Mottohemden mit der Aufschrift „Die Rechte Stadtschutz E. “ und „Weg mit dem NWDO-Verbot“ kommt kein Regelungscharakter mit Verwaltungsaktqualität und insoweit Eingriffsqualität zu. Es handelt sich vielmehr um zwei von insgesamt sieben „rechtlichen Hinweisen“, die der Antragsteller seinen acht Auflagen angefügt hat. Diese geben unter Würdigung der Sachlage lediglich die Rechtsauffassung des Antragsgegners wieder.
11Nach § 21 VereinsG, § 86 StGB u.a. ist das Verbreiten von Propagandamitteln der verbotenen Organisation „Nationaler Widerstand E. “ strafbewehrt und ebenso nach § 3 Abs. 1 VersG das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder gleichartigen Kleidungsstücken als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung verboten. Zu solch gleichartigen Kleidungsstücken zählen nach Auffassung des Antragsgegners, für deren Richtigkeit nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der entsprechenden Ausführungen und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
12vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. April 1982 –I BVR 1138/81-,
13juris,
14im konkreten Fall überwiegendes spricht, auch die „Motto - Hemden“ mit der Aufschrift „Die Rechte Stadtschutz E. “. Die endgültige Prüfung einer Strafbarkeit obliegt allerdings den Strafverfolgungsbehörden. Dass mit diesen, von mehreren Personen zeitgleich und in der Gruppe getragenen Hemden eine gemeinsame politische Gesinnung mit präsenter Gewaltbereitschaft einhergeht, die gegebenenfalls bedroht und einschüchtert, liegt unter Berücksichtigung der Zielrichtung und Selbstdarstellung der „Arbeitsgruppe“ im Internet,
15vgl. http://www.dortmundecho.org/2014/08/rechter-stadtschutz-E. -nationale-solidaritaet-organisieren, Stand 21. August 2014, 10.45 Uhr,
16nahe. Bereits das gemeinsame Tragen der Hemden mit dem Schriftzug „Die Rechte“ dürfte eine gemeinsame, identitätsstiftende Gesinnung verlangen. Mit dem in dem Internet - Auftritt dargestellten „Modell einer funktionierenden Volksgemeinschaft“, das nur „noch in der Erinnerung älterer Volksgenossen“ lebt, werden mindestens auch Strukturen des 3. Reiches angestrebt. Somit ergibt sich auch aus dem Schutzgedanken (Stadt„schutz“) für Personen und Objekte „nach individuellen Gefahrenprognosen“ für „gefährdete Bürger“ ein Einschüchterungs- und Bedrohungsszenario mit Agressionspotential.
17Die „Hinweise“ des Antragsgegners unter Ziffer 1. und 3.begründen auch deshalb kein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse im oben dargestellten Sinn, weil keinerlei Hinweise dafür vorliegen, der Antragsgegner würde beim Tragen entsprechender Hemden von Versammlungsteilnehmern automatisch, also ohne Ermessensbetätigung die Kundgebung auflösen oder Maßnahmen gegen einzelne Teilnehmer ergereifen. Vielmehr ist zu erwarten, dass er auch hier den Umständen entsprechend sowohl das Entschließungsermessen, d.h. die Entscheidung über das „Ob“ des Einschreitens als auch das Auswahlermessen, d.h. die Entscheidung über das geeignete Mittel, unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit und ggf. über die Störerauswahl etwaige Verstöße prüfen und erst dann zulässige Maßnahmen in den Blick nehmen wird. Einen solchen Abwägungsprozess, zudem noch auf ungesicherter Tatsachengrundlage kann und darf das Gericht nicht vorwegnehmen, da ansonsten ein unzulässiger Eingriff in die Kompetenz der Ordnungs- und Strafverfolgungsbehörde vorläge.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
19Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes und geht wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache vom vollen Auffangstreitwert aus.

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Vorschrift einer nach § 19 Nr. 4 erlassenen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, wenn die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zweitausend Deutsche Mark geahndet werden.
(1) Wer Propagandamittel
- 1.
einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei oder einer Partei oder Vereinigung, von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen Partei ist, - 2.
einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist, - 3.
einer Regierung, Vereinigung oder Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, die für die Zwecke einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen tätig ist, oder - 4.
die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen,
(2) Ebenso wird bestraft, wer Propagandamittel einer Organisation, die im Anhang der Durchführungsverordnung (EU) 2021/138 des Rates vom 5. Februar 2021 zur Durchführung des Artikels 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1128 (ABl. L 43 vom 8.2.2021, S. 1) als juristische Person, Vereinigung oder Körperschaft aufgeführt ist, im Inland verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt.
(3) Propagandamittel im Sinne des Absatzes 1 ist nur ein solcher Inhalt (§ 11 Absatz 3), der gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist. Propagandamittel im Sinne des Absatzes 2 ist nur ein solcher Inhalt (§ 11 Absatz 3), der gegen den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation oder gegen die Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland gerichtet ist.
(4) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.
(5) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.