Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 12. Feb. 2014 - 10 K 1643/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das keine Gerichtskosten erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der 2006 geborene Kläger, vertreten durch seinen Vater, begehrt mit der vorliegenden Klage die Übernahme der Kosten für seine Unterbringung in einer privaten Kindertagesstätte für den Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 6. Juli 2012.
3Mit Schreiben vom 18. Januar 2012, das der Vater des Klägers am 23. Januar 2012 der Beklagten übergab, machte der Kläger die Übernahme der Kosten für die Inanspruchnahme eines Platzes in einer privaten Kindertagesstätte für den vorgenannten Zeitraum geltend. In diesem Schreiben führte der Vater des Klägers wie folgt aus: Die Familie sei kurzfristig aus Spanien nach Deutschland gezogen und habe daher kurzfristig einen Kindergartenplatz für den Kläger benötigt. Er, d.h. der Vater des Klägers, habe am 18. und 19. August 2011 beim Jugendamt der Beklagten angerufen und mit verschiedenen Mitarbeitern telefoniert, um einen Platz für seinen Sohn, den Kläger, zu erhalten. In diesen Gesprächen sei ihm signalisiert worden, dass es hinsichtlich eines Platzes für den Kläger nicht gut aussehe. Da der Vater des Klägers jedoch auch einen Platz für den ganzen Tag gesucht habe, sei er gezwungen gewesen, einen privaten Kindergartenplatz anzunehmen. Die Mitarbeiterin der Beklagten hätte ihm sodann vorgeschlagen, eine Bedarfsmeldung oder Kostenübernahme anzumelden. In einem weiteren Telefonat am 23. August 2011 habe er eine Mitarbeiterin der Beklagten um Kostenübernahme gebeten und zugesagt, dass er nach Abschluss des Umzuges der Beklagten etwas Schriftliches zukommen lasse. Aufgrund zusätzlicher umzugsbedingter Tätigkeiten und gesundheitlicher Probleme der Söhne habe er sich nicht früher bei der Beklagten melden können.
4In einem mit der Beklagten am 31. Januar 2012 geführten Telefonat erklärte der Vater des Klägers, dass in Spanien, wo die Familie bislang gelebt habe, beide Eltern berufstätig gewesen seien und der Kläger einen Ganztageskindergarten besucht habe. Nach dem Umzug nach F1. habe der Kläger auch in F1. eine Kindertagesstätte mit einer Betreuungszeit von 45 Stunden besuchen sollen. Eine Ganztagsbeschäftigung der Mutter des Klägers sei geplant gewesen; bis heute sei sie allerdings nicht berufstätig.
5Mit Bescheid vom 17. Februar 2012 lehnte die Beklagte den geltend gemachten Erstattungsanspruch der Kosten, die für die Inanspruchnahme eines Platzes in einer privaten Kindertagesstätte angefallen waren, ab. Grundsätzlich stehe dem Kläger gemäß § 24 SGB VIII ein Anspruch auf den Besuch einer Tageseinrichtung zu. Das laufende Kindergartenjahr habe am 1. August begonnen; zu diesem Zeitpunkt seien aufgrund der hohen Nachfrage die Ganztagsplätze in der Regel bereits vergeben, die Platzvergabe durch die Kindertagesstätten sei bereits ab Februar 2011 erfolgt. Im Rahmen der mit dem Jugendamt geführten Telefonate sei der Vater des Klägers darauf hingewiesen worden, dass er bei der Suche nach einem geeigneten Kindergartenplatz unterstützt werden können; ihm sei diesbezüglich mitgeteilt worden, dass eine schriftliche Bedarfsmeldung einzureichen sei. Da der Vater des Klägers einen Rechtsanspruch nicht geltend gemacht habe, sei auch keine Platzvermittlung durch das Jungendamt erfolgt. Die von dem Vater des Klägers erfolgte Selbstbeschaffung eines Kindergartenplatzes in einer privaten Kindertagesstätte könne nicht dazu führen, dass die Kostenlast an die Behörde weitergegeben und diese somit einer nicht kalkulierbaren Belastung ausgesetzt werde. Es gelte der Vorrang des Primärrechtsschutzes. Vorliegend sei nicht zu erkennen, dass der Hilfebedarf so dringlich gewesen sei, dass ein Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung nicht hätte verlangt werden können. Der Bescheid wurde dem Vater des Klägers am 23. Februar 2012 zugestellt.
6Der Kläger hat am 22. März 2012 Klage erhoben.
7Mit Schreiben vom 30. März 2012 hat die Beklagten den Eltern des Klägers in der städtischen Kindertagesstätte F.---- einen Platz mit einer Betreuungszeit von 45 Stunden angeboten. Eine Reaktion der Eltern des Klägers hierauf ist nicht erfolgt.
8Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor, die Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 SGB VIII seien erfüllt. Seine Familie habe im August/September 2011 geplant, von Spanien nach Deutschland umzuziehen und deshalb einen ganztägigen Vorschulkindergartenplatz zum 1. September 2011 für ihn, d.h. den Kläger im Alter von fünf Jahren benötigt. In den vorherigen Monaten habe sich sein Vater bei mehreren öffentlichen und kirchlichen Einrichtungen bemüht, einen Kindergartenplatz zu bekommen. Die mit dem Jugendamt am 18. August 2011 geführten Telefonate hätten keinen Erfolg gebracht. Am selben Tag habe sein Vater einen privaten Kindergartenplatz gefunden. Dort sei ihm bedeutet worden, dass eine Entscheidung und Zusage schnell fallen sollte, da der Platz sonst an ein anderes Kind vergeben werden würde. Auch die weiteren Telefonate am 19. und 22. August 2011 mit dem Jugendamt der Beklagten hätten keinen Erfolg gebracht. In diesen Telefonaten habe sein Vater dem Jugendamt mitgeteilt, dass ein Kindergartenplatz in einer privaten Kindergarteneinrichtung frei sei und auf die Dringlichkeit einer Entscheidung aufmerksam gemacht. Seinem Vater sei sodann von dem Jugendamt vorgeschlagen worden, ihn, d.h. den Kläger, in dem privaten Kindergarten anzumelden und sodann, falls ein ganztätiger Kindergartenplatz in einer städtischen Einrichtung gefunden werden sollte, in diese zu wechseln. Für diesen Zeitraum müsse sein Vater sodann einen Antrag beim Jugendamt für die Kostenübernahme stellen. Aufgrund dieser Aussagen der Mitarbeiter des Jugendamtes habe sein Vater schon während der Telefonate am 19. und 22. August 2011 um eine Kostenübernahme gebeten. Am 22. August 2011 habe sein Vater sodann der Leiterin des privaten Kindergartens eine Zusage geben müssen. Hierüber habe sein Vater das Jugendamt der Beklagten dann am 23. August 2011 in einem Telefonat in Kenntnis gesetzt und seine Forderung hinsichtlich der Übernahme der Kosten durch die Beklagte wiederholt. Der von der Beklagten im März 2012 angebotenen Platz in einer städtischen Kindertagesstätte sei angesichts der Kündigungsfrist von drei Monaten in der privaten Kindertagesstätte nicht in Betracht gekommen. Er sehe das Jugendamt der Beklagten nicht als zentrale Vergabestelle von Kindertagesplätzen an. Jeder habe die Pflicht, sich in einer Gemeinschaft um seine Angelegenheiten selber zu kümmern. Den Platz in einer privaten Kindertagesstätte habe er angenommen, da das Jugendamt der Beklagten ihn telefonisch über die Möglichkeit der Kostenübernahme informiert habe. Die Hilfe, d.h. ein Kinder-tagesstättenplatz, sei dringend erforderlich gewesen. Einen Sinn, einen schriftlichen Antrag zu stellen, habe er nicht gesehen. Auch sei ihm kein Vorwurf zu machen, seine Bedarfsanmeldung nicht abgegeben zu haben, wenn dies dem Bedarf gar nicht entspreche. Im Übrigen sei er von dem Jugendamt zu keinem Zeitpunkt darüber informiert worden, dass eine Kostenübernahme nur dann erfolge, wenn zuvor eine schriftliche Bedarfsmeldung und Klage stattgefunden habe. Er sei in dem Glauben gelassen worden, eine Kostenübernahme erfolge. Schließlich seien nach Art. 3 des Grundgesetzes alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Er sei jedoch nicht in den Genuss einer kompletten Beitragsbefreiung als Kind im letzten Jahr vor der Schule gekommen, da er keinen Platz in einem öffentlichen Kindergarten erhalten habe. Kommunen müssten freie Plätze für verspätete Zugänge aufgrund von Umzügen etc. vorhalten. Sein Vater habe die Beklagte über den Bedarf eines ganztätigen Platzes ab voraussichtlich April 2011 am 18. Februar 2011 ordnungsgemäß in Kenntnis gesetzt. In diesem Zusammenhang legt der Vater des Klägers mit Schriftsatz vom 12. Juli 2013 einen von ihm unterzeichneten Anmeldebogen für Kindertageseinrichtungen in F. , die ebenfalls von ihm unterzeichnete Anmeldung oder Änderungsmitteilung, einen lediglich von dem Vater des Klägers unterzeichnen Aufnahmevertrag betreffend die Kindertagesstätte F.---- in F1. , einen Personalbogen für Kinder sowie eine nur von dem Vater des Klägers unterzeichnete Anmeldung für den Kindergarten St. N. vor. In diesen Anmeldebögen, die keinen Stempel der jeweiligen Kindertagesstätte aufweisen, ist jeweils angegeben, dass der Kläger voraussichtlich ab April 2011 in die Kindertagesstätte aufgenommen werden solle. Diese Unterlagen habe sein Vater persönlich am 18. Februar 2011 in der Kindertagestätte F.---- in F1. abgegeben. Zu diesem Zeitpunkt sei der Umzug noch für April 2011 geplant gewesen, dieser habe sich jedoch verzögert. Davon ausgehend habe sein Vater bereits ab Februar 2011 einen ganztägigen Bedarf angemeldet. Damit hätte die Beklagte über Anmeldung, Dringlichkeit und Art des Bedarfs ab Februar 2011 Kenntnis haben müssen. Sein Vater sei der Meinung, dass er, d.h. der Kläger, der vorzugsweise in der spanischen Sprache kommuniziere, die deutsche Sprache am besten lerne, indem er mit anderen gleichaltrigen Kindern ganztägig den Tag im Kindergarten gestalte, anstatt von seiner Mutter halbtags zuhause betreut zu werden, die ebenfalls die spanische Sprache beherrsche und mit ihm, d.h. dem Kläger, vorwiegend auf Spanisch kommuniziert hätte. Sein Vater lege den Bedarf fest, nicht die Beklagte. Dieser habe mit der privaten Kindertagesstätte im Vertrauen auf die Aussage der Mitarbeiter der Beklagten den Vertrag mit der privaten Kindertagesstätte unterzeichnet. Er sei davon ausgegangen, dass er den Betrag nur vorfinanzieren müsse und die Kosten würden sodann nachträglich auf Antrag erstattet. Die Beklagte habe die Organisation und das Handeln ihrer Erfüllungsgehilfen zu verantworten. Sie sei als übergeordneter Träger der Kindertagesstätten verantwortlich. Schließlich habe die Deckung des Bedarfs im August 2011 keinen weiteren zeitlichen Aufschub geduldet. Er sei aus einem spanisch sprechenden Umfeld gekommen und habe Anspruch auf eine Eingliederungshilfe und Ausbildungsunterstützung ohne weitere Verzögerungen. Die weiterführende Unterbringung in einer privaten Einrichtung sei wegen der vor dem Umzug ausgeübten und nach dem Umzug geplanten Berufstätigkeit beider Eltern und der damit verbundenen Unmöglichkeit der Betreuung tagsüber dringlich gewesen.
9Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
10die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 7.418,75 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 0,5 % je angefangenem Verzugsmonat zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
12die Klage abzuweisen.
13Sie trägt vor, die Voraussetzungen des hier analog anzuwendenden § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII lägen nicht vor. Der Vater des Klägers habe „auf eigene Faust“ einen Kindergartenplatz für seinen Sohn, den Kläger, besorgt. Der Vater sage selbst, er habe sich telefonisch an das Jugendamt gewandt und ihm sei mitgeteilt worden, eine schriftliche Bedarfsmeldung einzureichen. Er habe den Rechtsanspruch jedoch nicht schriftlich geltend gemacht, so dass das Jugendamt auch keinen Platz habe vermitteln können. Vor einer Selbstbeschaffung hätte einstweiliger Rechtsschutz in Anspruch genommen werden müssen. Im Hinblick auf die Beitragsbefreiung im letzten Betreuungsjahr vor der Schule und die von dem Vater des Klägers angesprochene Ungleichbehandlung weist die Beklagte zudem darauf hin, dass sich die Landesregelung zur Beitragsfreiheit ausdrücklich nur auf Einrichtungen beschränke, die nach dem Kinderbildungsgesetz gefördert würden. Eine Berücksichtigung privater Kindertagesstätten sei nicht möglich. Der Vater des Klägers habe sie, d.h. die Beklagte, nicht rechtzeitig über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt, eine Möglichkeit der Prüfung habe für sie nicht bestanden. Ein Zeitraum von vier Tagen könne nicht als ein angemessener Zeitraum zwischen einer Bedarfsanmeldung und der Selbstbeschaffung für das Jugendamt angesehen werden. Hier gelte es auch, die Mitwirkungspflichten der Eltern zu berücksichtigen. Als angemessene Frist zur Realisierung des Rechtsanspruches könne ein Zeitraum von drei bis sechs Monaten angesehen werden. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Kindertagesstätten in den Sommerferien vom 25. Juli bis zum 6. September 2011 mindestens drei Wochen geschlossen seien. Das Jugendamt habe dem Vater des Klägers – entgegen seinen Ausführungen - nicht geraten, den Kläger in einer privaten Kindertagesstätte anzumelden und sodann den Kostenanspruch bei ihr, d.h. der Beklagten, geltend zu machen. Schließlich habe der Kläger auch keinen Anspruch auf einen Ganztagsplatz gehabt, da seine Mutter nicht berufstätig gewesen sei, eine Betreuung von 25 Stunden hätte ausgereicht. Die von dem Vater des Klägers vorgelegten Unterlagen über Anmeldungen in Kindertagesstätten im Februar 2011 könnten die für das Jugendamt erforderliche Bedarfsanmeldung nicht ersetzten. Anzumerken sei, dass der Vater des Klägers auf der Anmeldung für die Kindertagesstätte F.---- ausdrücklich die Weiterleitung der Daten an das Jugendamt ausgeschlossen habe. Dass die von ihm angesprochenen Kindertagesstätten die Anmeldung nicht an das Jugendamt weitergeleitet hätten, entspräche zudem dem üblichen Verfahren der Stadt F1. . Die Eltern suchten eigenständig einen Platz in einer Kindertagesstätte und gäben bei einer oder mehreren Einrichtungen eine Anmeldung ab. Sollte dies ohne Erfolg bleiben, meldeten die Eltern ihren Bedarf bei dem Jugendamt an. Hierauf werde auch im Internet verwiesen. Der Vater des Klägers habe, ohne die erforderliche Bedarfsanmeldung beim Jugendamt einzureichen, einen Betreuungsvertrag mit einer privaten Kindertagesstätte geschlossen. Eine Umdeutung der Anmeldung bei einer konkreten Kindertagesstätte in eine Bedarfsanmeldung an das Jugendamt sei nicht möglich. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass ein telefonischer Hinweis auf eine grundsätzlich mögliche Kostenerstattung auch nicht unter Verweis auf § 242 BGB die von dem Vater des Klägers begehrte Kostenübernahme rechtfertige.
14Das Gericht hat am 13. November 2013 einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll (Bl. 127, 128 der Gerichtsakte) verwiesen.
15Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
19Die Klage hat keinen Erfolg.
20Das Gericht legt das geltend gemachte Klagebegehren – auch unter Zugrundelegung des Schriftsatzes des Vaters des Klägers vom 12. November 2013 – dahingehend aus, dass Kläger das minderjährige Kind E. B. , vertreten durch seinen Vater, Herrn D. L. , ist und hat das Rubrum entsprechend berichtigt.
21Der mit der vorliegenden Klage geltend gemachte – sekundäre - Kostenanspruch steht ausschließlich dem Kind zu. Diesbezüglich ist auf den Anspruchsinhaber des Primäranspruchs abzustellen. Der Anspruch eines Kindes ab dem vollendeten dritten Lebensjahr auf den Besuch einer Tageseinrichtung ist in § 24 Abs. 1 SGB VIII in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung geregelt. Danach hat das Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf den Besuch einer Tageseinrichtung. Inhaber des Anspruchs auf Verschaffung eines Betreuungsplatzes ist danach allein das Kind
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 5 C 35.12 -, juris.
23Die so verstandene Leistungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
24Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Selbstbeschaffung eines Platzes in einer privaten Kindertagesstätte.
251.
26Ein solcher folgt zunächst nicht aus dem – auch von dem Vater des Klägers angeführten – Folgenbeseitigungsanspruch.
27Ein Folgenbeseitigungsanspruch setzt einen hoheitlichen Eingriff voraus, der ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt. Die Rechtsfolge des Folgenbeseitigungsanspruchs ist dadurch beschränkt, dass dieser allein auf die Beseitigung der rechtswidrigen Folgen eines Tuns oder Unterlassens der vollziehenden Gewalt gerichtet ist und nur einen Ausgleich in natura gewährt. Eine Restitution in Geld ist nur in besonderen Fallkonstellationen zuerkannt worden, die hier allerdings nicht vorliegen. Als Wiederherstellung des status quo ante kann danach nicht die Übernahme der Kosten für eine Ersatzbeschaffung verlangt werden. Darüber hinaus scheitert dieser Anspruch aber auch an der Begrenzung der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs. Es werden nicht diejenigen weiteren rechtswidrigen Folgen einer Amtshandlung erfasst, die erst infolge eines Verhaltens des Betroffenen eingetreten sind, das auf seiner eigenen Entscheidung beruht. Die Kosten, deren Übernahme hier in Frage steht, sind indessen erst durch das Verhalten der Personensorgeberechtigten des Klägers entstanden, eine Ersatzbeschaffung vorzunehmen und einen die Kosten auslösenden Vertrag mit der privaten Kindertagesstätte zu schließen.
28Vgl. hierzu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 7 A 10671/12 -, juris.
292.
30Ein Anspruch des Klägers auf Ersatz der Aufwendungen für den selbstbeschafften Platz in einer privaten Kindertagesstätte folgt auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII.
31Der Anspruch auf Übernahme der Kosten analog § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Bedarf rechtzeitig in Kenntnis gesetzt hat, die Vor-aussetzungen für die Gewährung der Leistung vorgelegen haben und die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.
32Vgl. zur analogen Anwendung des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII in diesen Fällen: BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 5 C 35.12 -, a.a.O..
33Zwar dürften die danach erforderlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung vorgelegen haben. Der Anspruch eines Kindes auf den Besuch einer Tageseinrichtung besteht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung für ein Kind ab dem vollendeten dritten Lebensjahr. Der Kläger, der 2006 geboren ist, hatte 2011 sein drittes Lebensjahr bereits vollendet. Die Frage, ob darüber hinaus der in § 24 Abs. 1 SGB VIII normierte Anspruch sich auch auf ein Ganztagesangebot erstreckt – wie der Vater des Klägers für diesen vorliegend begehrte – kann dahin gestellt bleiben.
34Denn jedenfalls fehlt es an der erforderlichen rechtzeitigen Antragstellung durch die Personensorgeberechtigten des Leistungsberechtigten. Der Vater des Klägers hat den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung nicht rechtzeitig über den Bedarf in Kenntnis gesetzt.
35Dieser hat – auch nach seinem eigenen Vortrag - das Jugendamt der Beklagten, d.h. den Träger der öffentlichen Jugendhilfe, erstmals am 18. August 2011 telefonisch über den Wunsch zur Aufnahme des Klägers in einer Kindertagesstätte informiert. Bereits am 22. August 2011 schloss der Vater des Klägers mit einer privaten Kindertagesstätte einen Betreuungsvertrag betreffend den Kläger ab dem 1. September 2011 und informierte die Beklagte hierüber am 23. August 2011. Diese Zeitspanne von noch nicht einmal einer Woche stellt keinen hinreichenden Zeitraum dar, um von einer rechtzeitigen Information des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe durch den Leistungsberechtigten im Sinne des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII sprechen zu können. Wie lang dieser Zeitraum beschaffen sein muss, um eine rechtzeitige Information bejahen zu können, muss vorliegend nicht entschieden werden. Denn jedenfalls ist die dem Beklagten hier zur Verfügung stehende Zeit als zu kurz zu qualifizieren. Innerhalb von weniger als einer Woche ist es dem Jugendamt als Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht ernsthaft zuzumuten, einen – ganztägigen - Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte ausfindig zu machen, zumal es sich um die Zeit der Sommerferien gehandelt hat.
36Der erstmals mit Schriftsatz des Vaters des Klägers vom 12. Juli 2013 erfolgte Vortrag, sein Vater habe bereits im Februar 2011 bei einzelnen Kindertagesstätten seinen Bedarf geltend gemacht, rechtfertigt keine andere Bewertung. Zunächst ist festzuhalten, dass sich aus sämtlichen von dem Vater des Klägers insofern vorgelegten Unterlagen ergibt, dass der Kläger voraussichtlich ab April 2011 eine Kindertagesstätte in F1. besuche sollte. Wie der Vater des Klägers selbst vorträgt, erfolgte der geplante Umzug dann aber nicht im April 2011, sondern erst im August/September 2011. Inwiefern danach ein Bedarf ab September 2011 dargelegt worden sein soll, erschließt sich dem Gericht nicht.
37Unabhängig davon hat der Vater des Klägers im Februar 2011 ausgehend von den von ihm vorgelegten Unterlagen und von seinem Vorbringen den Bedarf – zu welchem Zeitpunkt auch immer – lediglich gegenüber zwei Kindertagesstätten im Stadtgebiet der Beklagten angezeigt und geltend gemacht. Es wäre jedoch erforderlich gewesen, den Erfüllungsanspruch gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe geltend zu machen. Leistungen der Jugendhilfe werden von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe erbracht; Leistungsverpflichtungen, die durch das SGB VIII begründet werden, richten sich an den Träger der öffentlichen Jugendhilfe, vgl. § 3 Abs. 2 SGB VIII. Der Erfüllungsanspruch besteht danach nicht im Hinblick auf eine bestimmte Einrichtung und wird als solcher nicht gegenüber einem Einrichtungsträger unmittelbar geltend gemacht.
38Vgl. hierzu OVG Rheinlang-Pfalz, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 7 A 10671/12 -, a.a.O.; Schübel-Pfister, NVwZ 2013, 385.
39Der Kläger irrt, wenn er insofern meint, dass die Beklagte die Organisation und das Handeln ihrer Erfüllungsgehilfen zu verantworten habe. Die Anmeldung eines Platzes bei einer oder mehreren bestimmten Kindertagesstätten im Stadtgebiet der Beklagten, ohne das Jugendamt, d.h. den Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu informieren, genügt nicht, um das erforderliche in Kenntnissetzen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe bejahen zu können.
40Das SGB VIII weist dem Jugendamt als Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Funktion eines Leistungsträgers zu, der die Kosten grundsätzlich nur dann trägt, wenn er selbst vorab auf der Grundlage des SGB VIII und dem dort vorgesehenen Verfahren über die Eignung und Notwendigkeit der Hilfe entschieden hat. Der Vorschrift des § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII liegt der Gedanke zugrunde, dass es nicht dem gesetzlichen Auftrag des Jugendhilfeträgers entspricht, nur „Zahlstelle“ zu sein. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist Leistungs- und nicht bloßer Kostenträger. Die Notwendigkeit, den Träger von Anfang an mit einzubeziehen, wird daraus hergeleitet, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe nur in diesem Fall ihre aus § 79 Abs. 1 SGB VIII folgende Gesamtverantwortung für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben wie auch ihre Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VIII nicht nur institutionell, sondern auch durch die Hilfegestaltung im individuellen Einzelfall wahrnehmen. Nur wenn die Eltern bzw. der Hilfeempfänger grundsätzlich den Träger der Jugendhilfe von Anfang an in den Entscheidungsprozess einbeziehen, kann dieser seine aus § 36a Abs. 1, § 79 Abs. 1 SGB VIII folgende Gesamtverantwortung für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben und die Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VIII wahrnehmen.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 5 C 35.12 -, a.a.O..
42Schließlich scheitert der Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten auch an dem geforderten zeitlichen Moment; die Deckung des Bedarfs hätte keinen zeitlichen Aufschub dulden dürfen.
43Die Frage, ob insofern der Kostenübernahmeanspruch bereits ausgeschlossen ist, weil der Vater des Klägers es versäumt hat, den Verschaffungsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz im Wege eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO durchzusetzen, kann hier dahin gestellt bleiben.
44Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 5 C 35.12 -, a.a.O..
45Jedenfalls fehlt es vorliegend an der erforderlichen Dringlichkeit für einen Ganztagsplatz ab dem 1. September 2011, weil die Mutter des Klägers nach den eigenen Angaben seines Vaters in der Zeit nach dem Umzug nach Deutschland nicht berufstätig war und damit eine anderweitige Betreuung des Kindes – zumindest zunächst – hätte sichergestellt werden können.
463.
47Ein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten der Selbstbeschaffung eines Platzes in einer privaten Kindertagesstätte folgt ferner nicht aus den von dem Vater des Klägers vorgetragenen Äußerungen der Mitarbeiter der Beklagten in den im August 2011 geführten Telefonaten.
48Selbst wenn die von dem Vater des Klägers angeführten und von der Beklagten bestrittenen Äußerungen der Mitarbeiter der Beklagten getätigt worden sein sollen, wären diese nicht als Zusage zu werten, die entstehenden Kosten zu übernehmen. Derartige Erklärungen sind als Zusicherung unwirksam, weil eine Zusicherung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Schriftform bedarf. Sie begründen auch kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, der Träger der öffentlichen Jugendhilfe werde die Kosten der Selbstbeschaffung übernehmen. Denn falls eine unwirksame Zusicherung ohne das Hinzutreten besonderer Umstände, die hier nicht ersichtlich sind, ein solches schutzwürdiges Vertrauen begründen könnten, bedeutete dies eine unzulässige Umgehung der Wirksamkeitsvoraussetzungen von Zusicherungen des § 34 SGB X.
49Andere Anspruchsgrundlagen, die den geltend gemachten Kostenanspruch tragen könnten, sind nicht ersichtlich.
50Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
51Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 12. Feb. 2014 - 10 K 1643/12 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn
- 1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder - 2.
die Erziehungsberechtigten - a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind, - b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder - c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.
(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.
(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.
(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn
- 1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder - 2.
die Erziehungsberechtigten - a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind, - b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder - c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.
(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.
(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.
(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Klägerinnen erstreben den Ausgleich der Kosten für den Platz für die Klägerin zu 2), den diese in der Krippe der privaten Elterninitiative "B. e.V." für den Zeitraum vom 8. April 2011 bis 15. Oktober 2011 in Anspruch genommen hat. Es handelt sich dabei um den Zeitraum ab Vollendung des zweiten Lebensjahres der am … 2009 geborenen Klägerin zu 2) bis zum Zurverfügungstellen eines Kindergartenplatzes durch die Beklagte ab Mitte Oktober 2011 nach Einleitung eines Klageverfahrens beim Verwaltungsgericht Mainz. Die monatlichen Kosten beliefen sich auf 347,00 € zuzüglich 50,00 € Verpflegungskosten, ab Oktober 2011 auf 397,00 € pro Monat.
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Die Klägerin zu 1) hatte bereits erstmals am 4. Dezember 2009 bei der Beklagten die Zuteilung eines Krippen- bzw. Kindergartenplatzes beansprucht. Ab dem 12. Juli 2010 brachte sie ihr Kind in der genannten privaten Einrichtung in M. unter, da sie bis dahin keine Reaktion von der Beklagten erhalten hatte. Einen Antrag vom 14. Oktober 2010 auf Übernahme des Betrags für die Unterbringung in der privaten Krippe lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Juli 2011 ab, weil das Einkommen der Eltern über den maßgeblichen Einkommensgrenzen gelegen habe und im Übrigen auch keine Einrichtung im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII besucht worden sei. Der Bescheid wurde nicht mit Rechtsbehelfen angefochten.
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Mit am 22. September 2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin zu 1) Klage auf Zuweisung eines Kindergartenplatzes sowie Kostenerstattung der für die Unterbringung in der Elterninitiative aufgewendeten Kosten ab dem 8. April 2011 erhoben. Nachdem sich die Klage auf Zurverfügungstellung eines Kindergartenplatzes infolge der Zuteilung durch die Beklagte erledigt hatte, beschränkte die Klägerin zu 1) ihr Begehren auf die Übernahme der Kosten der privaten Einrichtung für die Zeit ab der Versäumung der Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz. Die weiterführende Unterbringung in der privaten Einrichtung sei wegen der Berufstätigkeit der Eltern erforderlich und dringlich gewesen, wie sie insbesondere auch mit Schreiben vom 26. Februar und 1. März 2011 nochmals klargestellt habe.
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In die Klage ist zusätzlich die Klägerin zu 2) mit Einwilligung der Beklagten einbezogen worden.
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Die Klägerinnen haben beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, an sie einen Betrag in Höhe von 2.244,34 € zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist dem geltend gemachten Anspruch mit rechtlichen Erwägungen zu denk-baren Anspruchsgrundlagen entgegengetreten.
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Ein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für eine Maßnahme zur Selbstbeschaffung einer Jugendhilfeleistung gemäß § 36a Abs. 3 SGB VIII scheide aus, weil die Bestimmung sich aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nur auf Leistungen nach dem Vierten Abschnitt des Zweiten Kapitels des SGB VIII beschränke, nämlich Maßnahmen der Hilfe zur Erziehung und Eingliederungshilfen; dazu gehöre die Inanspruchnahme des Rechtsanspruchs auf den Besuch von Kindertageseinrichtungen nach § 24 Abs. 1 SGB VIII nicht.
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Eine analoge Anwendung der Bestimmung komme aus systematischen Gründen nicht in Betracht, weil keine Regelungslücke bestehe und der Bundesgesetzgeber bei der Novelle des Sozialgesetzbuches Achtes Buch durch Gesetz vom 8. September 2005 in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Notkompetenz in § 36a SGB VIII auf die in diesem Abschnitt geregelten Fallgestaltungen beschränkt habe. Im Übrigen sei es nach § 24 Abs. 6 SGB VIII insoweit Sache der Länder, nähere Regelungen im Bereich der Kindertagesstätten zu treffen. Auch eine gewohnheitsrechtliche Regel für einen solchen Aufwendungsersatz sei daher nicht anzuerkennen.
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Der richterrechtlich anerkannte Folgenbeseitigungsanspruch gebe eine entsprechende Rechtsfolge nicht her, da danach bloß im Wege der Restitution in natura der status quo ante wiederherzustellen sei; Geldersatz komme nur in Betracht, wenn die Statusverletzung des Betroffenen gerade in einem finanziellen Verlust bestehe. Vorliegend sei auch das sogenannte Unmittelbarkeitserfordernis für den Folgenbeseitigungsanspruch nicht erfüllt, da die Aufwendungen nicht durch die Versagung des Anspruchs selbst entstanden seien, sondern mittelbar erst durch den Vertragsabschluss der Eltern mit der privaten Elterninitiative. Hoheitliches Unterlassen mit Blick auf die Versagung eines sozialrechtlichen Leistungsanspruchs könne im Übrigen einen Folgenbeseitigungsanspruch nicht auslösen; ein Entschädigungsanspruch als Kompensation sei der Folgenbeseitigung nicht immanent, weil sonst die Grenzen zu einem in Betracht kommenden, indessen vom Verschulden abhängigen Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. § 34 GG verwischt würden.
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Das Verwaltungsgericht Mainz hat der Klage mit Urteil vom 10. Mai 2012 in Höhe von 2.187,77 € stattgegeben und dabei dem Klageantrag entsprochen, soweit nicht Verpflegungskosten betroffen waren. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei im Blick auf beide Klägerinnen zulässig, insbesondere sei auch der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet, da ein Folgenbeseitigungsanspruch geltend gemacht werde, der im allgemeinen Verwaltungsrecht wurzele. Im Hinblick auf beide Klägerinnen liege ein Eingriff in ihre subjektiv-öffentlichen Rechte durch die Versagung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 KitaG) vor; deshalb könnten sie im Wege der Geltendmachung von sekundärrechtlichen Ansprüchen Folgenbeseitigung in der Form einer Geldentschädigung verlangen, die der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes entspreche. Wenn dieser im Wege des Primärrechtsschutzes nicht mehr gewährleistet werden könne, greife der Ersatzanspruch in der Form der Gewährleistung eines Kompensationsanspruchs als Geldentschädigung ein. Die Gewährleistungspflicht des Trägers der Jugendhilfe folge dem Kind gegenüber aus §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 1 KitaG und wegen der Beitragsfreiheit für die Eltern ihnen gegenüber aus § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 sowie Abs. 3 Satz 5 KitaG. Wenn der Folgenentschädigungsanspruch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Unzumutbarkeit der Wiederherstellung anerkannt werde, so müsse dies erst recht gelten, wenn wie hier infolge Zeitablaufs die Zuerkennung eines rechtzeitig zu gewährenden Kindertagesstättenplatzes unmöglich geworden sei. Der Anspruch umfasse die aufgewandten Kosten für einen ersatzweise in Anspruch genommenen Platz in der privaten Elterninitiative, nicht aber wegen der gesetzlich ohnehin vorgesehenen gesonderten Belastung der Eltern mit den Kosten des Mittagessens (gesonderter Beitrag nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KitaG) auch die Verpflegungskosten.
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Mit der dagegen vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung hält die Beklagte an ihrer Rechtsauffassung fest, dass den Klägerinnen kein im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgender Anspruch auf Entschädigung wegen der Vorenthaltung eines Kindertagesstättenplatzes zustehe. Gegen die Heranziehung eines Folgenentschädigungsanspruchs bestünden insoweit erhebliche rechtliche Bedenken, weil das Verwaltungsgericht damit weit über die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannten Fallgruppen des Folgenbeseitigungs- bzw. Folgenentschädigungsanspruchs hinausgehe und im Gegensatz zu dieser Rechtsprechung einen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch im Wege richterrechtlicher Rechtsfortbildung schaffe. Es bestünden im übrigen Recht der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen keine unzumutbaren Regelungslücken, wenn gegebenenfalls auf im Zivilrechtsweg zu verfolgende Amtshaftungsansprüche verwiesen werde. Es fehle aber auch schon an einem Eingriff in eine subjektiv rechtliche Rechtsposition der Klägerinnen durch Unterlassen, weil die Klägerin zu 2) gerade vorher nicht im Besitz eines Kindergartenplatzes gewesen sei. Die Kosten für einen Ersatzplatz stellten schließlich auch keine unmittelbaren Folgen der Versagung des Rechtsanspruchs dar, weil sie auf weiteren Handlungen Dritter, nämlich der Ersatzbeschaffung durch die Eltern beruhten. Eine Versagung einer sozialrechtlichen Leistung sei noch kein Eingriff im Sinne des Folgenbeseitigungsanspruchs. Aufwendungsersatz für eine solche Selbstbeschaffung werde gesetzlich nicht gewährleistet, weil entsprechende Regelungen im Jugendhilferecht nach § 36a SGB VIII ausdrücklich auf die Hilfen nach dem Vierten Abschnitt des Zweiten Kapitels des Gesetzes begrenzt seien.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 10. Mai 2012 die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
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Die Klägerinnen beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie treten der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts bei und machen ergänzend geltend, die Beklagte habe trotz Anmeldung des Kindes 1 1/2 Jahre vor dem Entstehen des Rechtsanspruchs nie einen Platz angeboten, im Übrigen auch deutlich gemacht, dass sie infolge Platz- und Personalmangels nicht in der Lage gewesen sei, sämtliche angemeldeten Kinder aufzunehmen; erst einige Zeit nach Erhebung der Untätigkeitsklage sei ein Platz zur Verfügung gestellt worden. Die Aufwendungen für den Besuch der privaten Ersatzeinrichtung seien auch als unmittelbare Folgenbeseitigung anzusehen. Es müsse mit praktischen und rechtlichen Konsequenzen verbunden sein, wenn der Primäranspruch nicht rechtzeitig erfüllt werde. Im Übrigen anerkenne die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Jugendhilferecht seit jeher im Falle des sogenannten Systemversagens und einer Eilbedürftigkeit sowie rechtzeitiger Geltendmachung des Anspruchs die Übernahme der Kosten für die Selbstbeschaffung. Dies werde auch in der Literatur bei Versagung des Rechtsanspruchs auf einen Kindertagesstättenplatz befürwortet. § 36a SGB VIII stelle insoweit keine diese Rechtsprechung verdrängende gesetzliche Regelung dar, sondern betreffe nur den engeren Bereich der im Vierten Abschnitt des Zweiten Kapitels geregelten Ansprüche.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
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Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Klägerinnen einen Anspruch darauf zuerkannt, dass die Beklagte die ab dem Zeitpunkt der Vollendung des zweiten Lebensjahres der Klägerin zu 2) entstandenen Kosten für den Besuch des Kindes in einer privaten Elterninitiative übernimmt. Der Anspruch kann auch neben dem Kind zugleich von der Mutter als Personensorgeberechtigter geltend gemacht werden.
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1. Der vom Verwaltungsgericht herangezogene sogenannte Folgenbeseitigungsanspruch in der Form eines Folgenentschädigungsanspruchs trägt allerdings nach Auffassung des Senats die Klageforderung nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 26. August 1993, 4 C 24.91, NVwZ 1994, 275) muss ein hoheitlicher Eingriff vorliegen, der ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt. Für den Betroffenen muss dadurch ein rechtswidriger Zustand entstanden sein, der andauert. Dabei kommt es nicht nur auf die Vollzugsfolgen eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes an, vielmehr kann der Anspruch bei allen Amtshandlungen bestehen, die rechtswidrige Folgen nach sich gezogen haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juli 1984, 3 C 81.82, NJW 1985, 817, 818). Allerdings ist die Rechtsfolge des Anspruchs dadurch beschränkt, dass der Folgenbeseitigungsanspruch allein auf die Beseitigung der rechtswidrigen Folgen eines Tuns oder Unterlassens der vollziehenden Gewalt gerichtet ist und nur einen Ausgleich in natura gewährt, die vollziehende Gewalt mithin zur Herstellung des Zustands verpflichtet ist, der bestünde, wenn sie die rechtswidrigen Folgen nicht herbeigeführt hätte. Eine Restitution in Geld ist bei dieser Ausgangslage nur in besonderen Fallkonstellationen zuerkannt worden, etwa wenn die rechtswidrige Folge unmittelbar in einem Geldverlust besteht, bei Unzumutbarkeit der anderweitigen Wiederherstellung des status quo ante bzw. bei der Unmöglichkeit einer anderen Quotierung als in Geld wegen Unteilbarkeit der Leistung (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juli 1984, a.a.O.; BVerwGE 1994, 100, 104 = NVwZ 1994, 275; BVerwGE 140, 34, 37 = NVwZ 2011, 1388, 1389).
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Es spricht daher bereits vieles dagegen, dass bei bloßer Versagung eines sozialrechtlichen Primäranspruchs auf die Leistungen der Jugendhilfe im Sinne des Zweiten Kapitels des SGB VIII (hier: Bereitstellung eines Kindertagesstättenplatzes) als Wiederherstellung des status quo ante die Übernahme der Kosten für eine Ersatzbeschaffung verlangt werden kann. Der Anspruch scheitert aber schon daran, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. Juli 1984, a.a.O.) nicht diejenigen weiteren rechtswidrigen Folgen einer Amtshandlung erfasst werden, die erst infolge eines Verhaltens des Betroffenen eingetreten sind, das auf seiner eigenen Entscheidung beruht. Die Kosten, deren Übernahme hier in Frage steht, sind indessen erst durch das Verhalten der Personensorgeberechtigten entstanden, eine Ersatzbeschaffung vorzunehmen und einen die Kosten auslösenden Vertrag mit der privaten Elterninitiative zu schließen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die entsprechende Begrenzung der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs damit begründet, dass die Ausdehnung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf solche Folgen sich schwerlich aus der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) herleiten lasse und durch die Begrenzung eine sonst nicht mehr eindämmbare Ausuferung des Folgenbeseitigungsanspruchs vermieden werde, die zugleich zu einer Verwischung der Abgrenzung dieses Anspruchs von dem vom Verschulden abhängigen Schadensersatzanspruch aus § 839 BGB, Art. 34 GG führen würde.
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2. Der hier streitige Anspruch ist allerdings auf spezieller sozialrechtlicher Grundlage herzuleiten, die den Gedanken der Folgenbeseitigung in bereichsspezifischer Weise durch Übernahme von Kosten der Selbstbeschaffung verwirklicht (vgl. zu weiteren bereichsspezifischen Ausprägungen des rechtsstaatlichen Kompensationsgedankens im Sozialrecht BVerwGE 140, 103, 108 - sozialrechtlicher Herstellungsanspruch). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Jugendwohlfahrts- und Jugendhilferecht ist seit jeher anerkannt, dass die Kostenübernahme vom Jugendhilfeträger verlangt werden kann, wenn die Leistung zu Recht verlangt werden konnte und ohne Vermittlung des Jugendhilfeträgers in Anspruch genommen werden musste. In dem Beschluss vom 25. August 1987, 5 B 50.87, NVwZ-RR 1989, 252, heißt es insoweit: "… auch die … aufgeworfene Frage, ob sich aus dem Jugendwohlfahrtsgesetz Ansprüche auf Übernahme der Kosten bereits anderweitig gewährter erzieherischer Hilfe ergeben könne, ist zu bejahen. Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung sowohl zum Jugendhilferecht (vgl. BVerwGE 74, 206 = NJW-RR 1987, 581) als auch zum Sozialhilferecht (vgl. BVerwGE 35, 287; 70, 121; BVerwG, Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr. 3 und BVerwG, NVwZ 1987, 412 = Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr. 5) stets zugrunde gelegt, dass der Jugendhilfe- oder Sozialhilfeträger zur Übernahme der Kosten bereits durchgeführter Hilfemaßnahmen verpflichtet sein kann. Der vom Berufungsgericht angeführte Charakter des Jugendwohlfahrtsgesetzes als Erziehungsgesetz hat nicht zur Folge, dass die Leistungen der Jugendhilfe auf erzieherische Hilfen in der Form von Sachleistungen beschränkt wären. Zwar sind die Jugendämter in erster Linie gehalten, die erforderlichen Hilfen … 'originär' zu gewähren. … Lagen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung öffentlicher Jugendhilfe vor, kann und muss der Jugendhilfeträger vielmehr noch nachträglich diese Hilfe leisten, indem er die Kosten der bereits durchgeführten Maßnahme übernimmt. … Hierdurch wird nicht die Gefahr geschaffen, dass der Jugendhilfeträger von den Personensorgeberechtigten vor vollendete Tatsachen gestellt werden könnte und auf diese Weise Maßnahmen finanzieren müsste, für die er sonst nicht aufzukommen hätte. Denn der Anspruch auf die Übernahme der Kosten bereits durchgeführter Hilfe ist in derselben Weise vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen abhängig wie die primäre Verpflichtung des Jugendamtes …".
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Nach dieser Rechtsprechung setzt sich die "Primärverantwortung" des für die Gewährleistung verantwortlichen Jugendhilfeträgers "sekundär" in der Verantwortung für die Übernahme der Kosten fort, wenn die geschuldete Leistung anderweitig beschafft werden musste.
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Der Rechtsgedanke ist in der weiteren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufrechterhalten worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 1991, 5 C 27.88, NJW 1991, 3165, 3166), wenn er auch mit Blick auf besondere Entwicklungen in speziellen Bereichen eine weitere Ausformung erfahren hat. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. September 2000, 5 C 29.99, BVerwGE 112, 98, NJW-RR 2001, 763, nimmt die genannte Rechtsprechung ausdrücklich in Bezug und ergänzt insoweit lediglich, dass die Auffassung der Vorinstanz zurückzuweisen sei, dass die Leistungsverpflichtung des Trägers der Jugendhilfe nicht einen Hilfeantrag des Leistungsberechtigten vor Beginn der auf den Hilfebedarf gerichteten Maßnahme voraussetze. Das SGB VIII, das insoweit keine ausdrückliche Regelung treffe, enthalte nicht wie § 5 BSHG eine Vorschrift über eine schon aufgrund der Kenntnis der Behörde antragsunabhängig einsetzende Hilfe.
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Insbesondere sind - anders als die Beklagte annehmen will - die aufgezeigten Rechtsgrundsätze auch nicht durch später erfolgte Gesetzgebung in Frage gestellt worden. Zwar ist ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 36a SGB VIII durch das Gesetz vom 8. September 2005 auf diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Bezug genommen worden (vgl. BR-Drs. 586/04). Dort heißt es (S. 45): "Zum anderen versuchen auch manche Eltern durch unmittelbare Kontaktaufnahme mit Leistungserbringern die Entscheidungszuständigkeit der Jugendämter zu unterlaufen und sie zu einem bloßen 'Kostenträger' zu reduzieren. Dies gilt in besonderer Weise für die Inanspruchnahme von Hilfen nach § 35a SGB VIII. … Eine solche Verfahrensweise steht jedoch nicht im Einklang mit den Prinzipien des Sozialleistungsrechts. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in Abkehr von der früheren Rechtsprechung betont, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Leistungs- und nicht bloßer Kostenträger ist (BVerwGE 112, 98); … gleichzeitig hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung Fallgruppen entwickelt, in denen eine sogenannte Selbstbeschaffung zulässig ist. Diese Rechtsprechung soll nunmehr im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit eine positiv-rechtliche Grundlage erfahren."
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In der Einzelbegründung (dort S. 67) heißt es zu Nr. 13 (§ 36a): "Diese Praxis … (Anmerkung: der Inanspruchnahme des Jugendsamtes als bloße Zahlstelle) steht im Widerspruch zur Systematik des SGB VIII, das dem Jugendamt die Funktion eines Leistungsträgers zuweist, der die Kosten grundsätzlich nur dann trägt, wenn er selbst vorab auf der Grundlage des SGB VIII und dem dort vorgesehenen Verfahren über die Eignung und Notwendigkeit der Hilfe entschieden hat (vgl. auch BVerwGE, 112, 98). Um diesem Prinzip praktisch Geltung zu verschaffen und dem Jugendamt wieder zu seinem Entscheidungsprimat zu verhelfen, erscheint eine klarstellende Regelung im SGB VIII notwendig. … Um aber auch künftig bei ambulanten Hilfen wie insbesondere der Erziehungsberatung den niedrigschwelligen Zugang zu erhalten, kann der örtliche Träger in Vereinbarung mit den betroffenen Diensten, in denen die Voraussetzungen zu regeln sind, die unmittelbare Inanspruchnahme zulassen."
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Dementsprechend heißt es auch in dem Ausschussbericht (BT-Drs. 15/5610) zu Nr. 15: "… in vielen Stellungnahmen der kommunalen Praxis … sowie dem Bericht des Landes Rheinland-Pfalz zur Praxis der Umsetzung von § 35a SGB VIII wird beklagt, dass die Jugendämter … als bloße Zahlstelle für von dritter Seite angeordnete oder selbst verschaffte Leistungen missbraucht werden … Diese Praxis steht im Widerspruch zur Systematik des SGB VIII. … Nur in bestimmten von der Rechtsprechung vorgegebenen Ausnahmefällen, die in Absatz 3 geregelt sind, kann der Leistungsberechtigte vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Übernahme seiner Aufwendungen für von ihm selbst beschaffte Leistungen verlangen. Die Möglichkeit der unmittelbaren Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere Erziehungsberatung, ist durch die Regelung in Absatz 2 sichergestellt".
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Daraus ergibt sich, dass an eine einschränkende Voraussetzung vor allem im Hinblick auf die im Vierten Abschnitt des Zweiten Kapitels des SGB VIII geregel-ten und sonstige Hilfen gedacht war, die dadurch besonders gekennzeichnet sind, dass der Hilfegewährung die Antragstellung sowie ein durch komplexe Erwägungen interdisziplinärer Art gekennzeichnetes Planungsverfahren (z.B. Hilfeplan nach § 36 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII) vorausgehen. Für davon nicht erfasste "niedrigschwellige" Leistungen gelten solche Erwägungen ausweislich der Gesetzesbegründung nicht. Die Auffassung der Beklagten, die Regelung im Vierten Abschnitt des Zweiten Kapitels des Gesetztes sei eine gesetzliche Regelung, die den Grundsatz der Kostenübernahme bei Selbstbeschaffung mit der Wirkung regele, dass außerhalb von Leistungen dieses Abschnitts die Selbstbeschaffung gänzlich ausgeschlossen werde, vermag vor dem Entstehungshintergrund der gesetzlichen Regelung sowie der systematischen Stellung der Vorschrift des § 36a SGB VIII nicht zu überzeugen. Vielmehr liegt es danach eher nahe, anzunehmen, dass vor dem Hintergrund der besonderen Problemstellung des komplexen Hilfeplanverfahrens eine Sonderregelung für die Hilfen des Vierten Abschnitts und vergleichbare Hilfen geschaffen werden sollte, während im Übrigen, insbesondere bei niedrigschwelligen Angeboten sowie für solche Angebote, die als Rechtsanspruch ausgestaltet sind und keine Fragen eines Ermessens- oder Beurteilungsspielraums aufwerfen, die in der Rechtsprechung herausgestellten Grundsätze nicht berührt werden. Im Übrigen spricht gegen eine entsprechende Ausschlusswirkung auch die rechtssystematische Überlegung, dass die Einschränkungen der Selbstbeschaffung, wie sie in § 36a SGB VIII geregelt sind, die hergebrachten Grundsätze nur verhältnismäßig geringfügig berühren, indem hauptsächlich der bereits in der Rechtsprechung postulierte Grundsatz gesetzlich verankert wird, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt wird (§ 36a Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII). § 36 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII betont lediglich die anerkannte Voraussetzung, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorgelegen haben müssen, das heißt ein Anspruch auf die Gewährung bestand. Zusätzlich erforderlich ist im Sinne des § 36a Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII lediglich eine gewisse Dringlichkeit, gegebenenfalls dass die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.
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Dass es angesichts dieser verhältnismäßig geringfügigen gesetzgeberischen Eingriffe in die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Rechtsgrundsätze Wille des Gesetzgebers gewesen wäre, für die übrigen Gebiete der Leistungen der Jugendhilfe außerhalb des Vierten Abschnitts des Zweiten Kapitels des Sozialgesetzbuches Achtes Buch, gar in Fällen von Angeboten, für die ein Rechtsanspruch gegeben ist, die in der Rechtsprechung entwickelten Kompensationsansprüche in der Form der Kostenübernahme ersatzlos zu streichen, kann nicht angenommen werden. Dafür spricht im Übrigen auch, dass im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. September 2000, das gleichsam mit Auslöser für die Gesetzesänderung war, im Blick auf die Herleitung einschränkender Kriterien zwar auch (a.a.O. juris Rn. 13) von der Selbstbeschaffung eines Kinderkrippenplatzes die Rede ist, indessen bei der dort in Bezug genommenen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2000, 5 C 19.99, DVBl. 2000, 1212) explizit auf den Unterschied zwischen einer Planung nach Bedarf nach Einschätzung des verantwortlichen Trägers der Jugendhilfe und einem im Gegensatz dazu stehenden, der Bedarfsplanung nicht zugänglichen "subjektiven" Anspruch eines Kindes auf ein bestimmtes Angebot wie im Falle des Anspruchs auf den Besuch einer Kindertagesstätte nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII unterschieden wird.
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Damit schlägt für den Fall, dass der für die Gewährleistung des Rechtsanspruchs verantwortliche Jugendhilfeträger - wie hier die Beklagte - nach Antragstellung den Anspruch nicht rechtzeitig erfüllt, seine Primärverantwortung in die sekundäre Verantwortung um, die Kosten für eine Ersatzbeschaffung zu übernehmen (vgl. dazu auch Rixen, NJW 2012, 2839, 2843).
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3. Die im Einzelnen für einen solchen Übernahmeanspruch erforderlichen Voraussetzungen sind vorliegend des Weiteren gegeben.
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An der entsprechenden Antragstellung fehlt es hier nicht. Die Anmeldung gegenüber dem Jugendamt für den Wunsch zur Aufnahme des Kindes in eine Kindertagesstätte erfolgte bereits im Dezember 2009. Soweit es sich zu diesem Zeitpunkt indessen noch nicht um die Geltendmachung eines Rechtsanspruchs handelte, weil ihr Kind noch keine zwei Jahre alt war, wurde spätestens mit erneuten Schreiben der Klägerin zu 1) als Personensorgeberechtigter vom 26. Februar und 1. März 2011 klargestellt, dass nunmehr die Erfüllung des Rechtsanspruchs angestrebt werde. Der Erfüllungsanspruch besteht zwar nicht im Hinblick auf eine bestimmte Einrichtung und wird als solcher auch nicht gegenüber einem Einrichtungsträger unmittelbar geltend gemacht, sondern besteht in einem Verschaffungsanspruch durch den für die Gewährleistung verantwortlichen Träger der Jugendhilfe, der Einrichtungen gewöhnlich nicht selbst unterhält, sondern lediglich die Aufgabe der Planung und Förderung wahrnimmt. Die Geltendmachung eines Anspruchs ist vorliegend dann auch nicht lediglich gegenüber der Beklagten als Träger bestimmter Kindertagesstätten, sondern gegenüber dem Jugendamt in der genannten Verantwortung geltend gemacht worden.
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Der Anspruch besteht auf einen Platz für das Kind ab Vollendung des zweiten Lebensjahres "in zumutbarer Entfernung" (§ 5 Abs. 1 KitaG). Nach Absatz 2 der Bestimmung erstreckt sich die Verpflichtung und damit der Anspruch auf ein Angebot vor- und nachmittags. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die angemeldeten Wünsche der Personensorgeberechtigten vorliegend außerhalb dieses zeitlichen und örtlichen Rahmens bewegt hätten, da die Klägerin zu 1) mehrere Einrichtungen der Beklagten in Innenstadtnähe akzeptiert hatte, indessen wegen zu großer Entfernung periphere Einrichtungen in vertretbarer Weise abgelehnt hatte.
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Der Anspruch kann im Übrigen nicht deshalb in Abrede gestellt werden, weil die Sorgeberechtigten nicht von Anfang an versucht haben, die Ansprüche im Verwaltungsrechtsweg "primär" durchzusetzen. Zwar gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass Primäransprüche an sich vorrangig vor Sekundäransprüchen geltend zu machen sind. Dies gilt indessen nur, soweit die Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz als zumutbar angesehen werden kann, insbesondere eine Abhilfe dadurch überhaupt erwartet werden kann (vgl. BGHZ, 128, 346, 357 = NJW 1995, 365, 368). Dies ist hier nicht der Fall. Da der für die Inanspruchnahme auch im Hinblick auf den Primärrechtsschutz zuständige Träger der Jugendhilfe als solcher gewöhnlich nicht über die Plätze in den Einrichtungen verfügt, könnte selbst im Fall des Obsiegens in einem Eilverfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Verschaffensverpflichtung) nicht abzusehen sein, wann die Erfüllung tatsächlich möglich ist, insbesondere wenn wie vorliegend die Erfüllung abgelehnt wird, weil kein Platz verfügbar sei.
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Die Kostenübernahme kann auch nicht in Frage gestellt werden, weil der in Anspruch genommene Dienst nicht dem Leistungsinhalt des Rechtsanspruchs entsprochen hätte. Der Senat kann insoweit dahingestellt sein lassen, welche qualitativen Voraussetzungen insoweit bei der Inanspruchnahme eines Krippenplatzes in einer privaten Elterninitiative (§ 25 SGB VIII) erforderlich wären. Die Geeignetheit der vorliegend für die Ersatzbeschaffung herangezogenen Einrichtung kann schon deswegen nicht in Frage gestellt werden, da die Beklagte die Inanspruchnahme solcher Plätze selbst mit einem den Elternbeiträgen entsprechenden Betrag pro Monat gefördert hat.
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Schließlich kann offen bleiben, ob analog der Regelung in § 36a Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII erforderlich war, dass die Selbstbeschaffung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat, denn an einer solchen Dringlichkeit fehlte es bis zur Abhilfeentscheidung auf das von der Klägerin zu 1) ergriffene Rechtsmittel der Untätigkeitsklage hin nicht. Die Deckung des Bedarfs duldete keinen Aufschub, weil die Eltern beide berufstätig waren und eine anderweitige Betreuung des Kindes nicht sichergestellt werden konnte.
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Die Höhe der Kosten für den in Anspruch genommenen Ersatzplatz in der Elterninitiative war schließlich nicht unangemessen, wobei zu berücksichtigen ist, dass Maßstab nicht der Elternbeitrag für ein Kindergartenplatz sein kann, sondern die hohen Subventionskosten für einen solchen Platz im Blick auf Investitionen für die Einrichtung sowie die Personalkosten (vgl. zum Kostenvergleich Schindler, in Kunkel [Herausgeber], SGB VIII, 4. Auflage, § 5 Rn. 12). Über den sogenannten Mehrkostenvorbehalt hinaus ist bei der Angemessenheit hier ohnehin zu berücksichtigen, dass es nicht um die Berücksichtigung eines besonderen Wunsches der Sorgeberechtigten geht, sondern die Verweigerung der Erfüllung des Rechtsanspruchs mit ihren Folgen abgewendet wird.
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4. Der Kostenanspruch steht neben dem Kind, der Klägerin zu 2), auch der sorgeberechtigten Klägerin zu 1) zu. Es ist auf den Anspruchsinhaber des Primäranspruchs abzustellen. Nach der gesetzlichen Lage steht der Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz zunächst dem Kind zu, wie sich aus dem Wortlaut in § 24 Abs. 1 SGB VIII und § 5 Abs. 1 KitaG ergibt ("Kinder haben vom vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung im Kindergarten"). Der Anspruch steht nach der gesetzlichen Konzeption nach Auffassung des Senats aber ebenso auch den Sorgeberechtigten zu. Zwar dürfte dafür nicht der vom Verwaltungsgericht herausgestellt Umstand ausschlaggebend sein, dass nach § 13 Abs. 3 KitaG ab dem 1. August 2010 in Rheinland-Pfalz der Besuch des Kindergartens für Kinder vom vollendeten zweiten Lebensjahr an beitragsfrei ist. Eine solche Entlastung kommt zwar den Eltern zusätzlich zugute. Im Vordergrund ihrer Begünstigung steht aber ohnehin nicht die Befreiung von dem verhältnismäßig geringen Anteil an den Personalkosten in der Form des Elternbeitrags (§ 13 Abs. 2 KitaG, 17,5 v.H.), sondern die Begünstigung durch die Inanspruchnahme einer durch öffentliche Mittel hochsubventionierten Einrichtung. Für die zugleich gesetzlich beabsichtigte Förderung der Eltern und nicht nur für eine reflexhafte Begünstigung spricht der in verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommende Förderungszweck. Zwar gilt die "Erziehung und Bildung" im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 KitaG den Kindern selbst. Der Zweck der "Betreuung" begünstigt aber zugleich die Sorgeberechtigten, die insoweit zum Teil entlastet werden. Im Übrigen spricht auch § 24 Abs. 4 SGB VIII davon, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Eltern, die Leistungen unter anderem nach § 24 Abs. 1 "in Anspruch nehmen wollen", zu informieren und zu beraten hat. Schließlich hat der Gesetzgeber die Ziele und Zwecke der Jugendhilfeplanung, die für die Gewährleistung des vorliegend fraglichen Angebots verantwortlich ist, in § 80 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII dahin bestimmt, dass "Einrichtungen und Dienste" so geplant werden sollen, dass insbesondere (u.a. Nr. 4) "Mütter und Väter Aufgaben in der Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander vereinbaren können". Darin kommt zum Ausdruck, dass es angesichts der heutigen Lebensverhältnisse und der demografischen Entwicklung lebensfremd wäre, anzunehmen, der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz diene nicht zuletzt auch der beruflichen Entfaltung der Eltern und der Vereinbarkeit von beruflicher Betätigung mit der Wahrnehmung der Elternverantwortung in der Familie.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
- 43
Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, insbesondere weil sie dem Revisionsgericht Gelegenheit zur Fortentwicklung seiner Rechtsprechung im Hinblick auf die Kostenübernahme bei der Selbstbeschaffung von Jugendhilfeleistungen gibt.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn
- 1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder - 2.
die Erziehungsberechtigten - a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind, - b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder - c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.
(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.
(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.
(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
(1) Die Jugendhilfe ist gekennzeichnet durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierungen und die Vielfalt von Inhalten, Methoden und Arbeitsformen.
(2) Leistungen der Jugendhilfe werden von Trägern der freien Jugendhilfe und von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe erbracht. Leistungsverpflichtungen, die durch dieses Buch begründet werden, richten sich an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe.
(3) Andere Aufgaben der Jugendhilfe werden von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe wahrgenommen. Soweit dies ausdrücklich bestimmt ist, können Träger der freien Jugendhilfe diese Aufgaben wahrnehmen oder mit ihrer Ausführung betraut werden.
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Klägerinnen erstreben den Ausgleich der Kosten für den Platz für die Klägerin zu 2), den diese in der Krippe der privaten Elterninitiative "B. e.V." für den Zeitraum vom 8. April 2011 bis 15. Oktober 2011 in Anspruch genommen hat. Es handelt sich dabei um den Zeitraum ab Vollendung des zweiten Lebensjahres der am … 2009 geborenen Klägerin zu 2) bis zum Zurverfügungstellen eines Kindergartenplatzes durch die Beklagte ab Mitte Oktober 2011 nach Einleitung eines Klageverfahrens beim Verwaltungsgericht Mainz. Die monatlichen Kosten beliefen sich auf 347,00 € zuzüglich 50,00 € Verpflegungskosten, ab Oktober 2011 auf 397,00 € pro Monat.
- 2
Die Klägerin zu 1) hatte bereits erstmals am 4. Dezember 2009 bei der Beklagten die Zuteilung eines Krippen- bzw. Kindergartenplatzes beansprucht. Ab dem 12. Juli 2010 brachte sie ihr Kind in der genannten privaten Einrichtung in M. unter, da sie bis dahin keine Reaktion von der Beklagten erhalten hatte. Einen Antrag vom 14. Oktober 2010 auf Übernahme des Betrags für die Unterbringung in der privaten Krippe lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Juli 2011 ab, weil das Einkommen der Eltern über den maßgeblichen Einkommensgrenzen gelegen habe und im Übrigen auch keine Einrichtung im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII besucht worden sei. Der Bescheid wurde nicht mit Rechtsbehelfen angefochten.
- 3
Mit am 22. September 2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin zu 1) Klage auf Zuweisung eines Kindergartenplatzes sowie Kostenerstattung der für die Unterbringung in der Elterninitiative aufgewendeten Kosten ab dem 8. April 2011 erhoben. Nachdem sich die Klage auf Zurverfügungstellung eines Kindergartenplatzes infolge der Zuteilung durch die Beklagte erledigt hatte, beschränkte die Klägerin zu 1) ihr Begehren auf die Übernahme der Kosten der privaten Einrichtung für die Zeit ab der Versäumung der Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz. Die weiterführende Unterbringung in der privaten Einrichtung sei wegen der Berufstätigkeit der Eltern erforderlich und dringlich gewesen, wie sie insbesondere auch mit Schreiben vom 26. Februar und 1. März 2011 nochmals klargestellt habe.
- 4
In die Klage ist zusätzlich die Klägerin zu 2) mit Einwilligung der Beklagten einbezogen worden.
- 5
Die Klägerinnen haben beantragt,
- 6
die Beklagte zu verpflichten, an sie einen Betrag in Höhe von 2.244,34 € zu zahlen.
- 7
Die Beklagte hat beantragt,
- 8
die Klage abzuweisen.
- 9
Sie ist dem geltend gemachten Anspruch mit rechtlichen Erwägungen zu denk-baren Anspruchsgrundlagen entgegengetreten.
- 10
Ein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für eine Maßnahme zur Selbstbeschaffung einer Jugendhilfeleistung gemäß § 36a Abs. 3 SGB VIII scheide aus, weil die Bestimmung sich aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nur auf Leistungen nach dem Vierten Abschnitt des Zweiten Kapitels des SGB VIII beschränke, nämlich Maßnahmen der Hilfe zur Erziehung und Eingliederungshilfen; dazu gehöre die Inanspruchnahme des Rechtsanspruchs auf den Besuch von Kindertageseinrichtungen nach § 24 Abs. 1 SGB VIII nicht.
- 11
Eine analoge Anwendung der Bestimmung komme aus systematischen Gründen nicht in Betracht, weil keine Regelungslücke bestehe und der Bundesgesetzgeber bei der Novelle des Sozialgesetzbuches Achtes Buch durch Gesetz vom 8. September 2005 in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Notkompetenz in § 36a SGB VIII auf die in diesem Abschnitt geregelten Fallgestaltungen beschränkt habe. Im Übrigen sei es nach § 24 Abs. 6 SGB VIII insoweit Sache der Länder, nähere Regelungen im Bereich der Kindertagesstätten zu treffen. Auch eine gewohnheitsrechtliche Regel für einen solchen Aufwendungsersatz sei daher nicht anzuerkennen.
- 12
Der richterrechtlich anerkannte Folgenbeseitigungsanspruch gebe eine entsprechende Rechtsfolge nicht her, da danach bloß im Wege der Restitution in natura der status quo ante wiederherzustellen sei; Geldersatz komme nur in Betracht, wenn die Statusverletzung des Betroffenen gerade in einem finanziellen Verlust bestehe. Vorliegend sei auch das sogenannte Unmittelbarkeitserfordernis für den Folgenbeseitigungsanspruch nicht erfüllt, da die Aufwendungen nicht durch die Versagung des Anspruchs selbst entstanden seien, sondern mittelbar erst durch den Vertragsabschluss der Eltern mit der privaten Elterninitiative. Hoheitliches Unterlassen mit Blick auf die Versagung eines sozialrechtlichen Leistungsanspruchs könne im Übrigen einen Folgenbeseitigungsanspruch nicht auslösen; ein Entschädigungsanspruch als Kompensation sei der Folgenbeseitigung nicht immanent, weil sonst die Grenzen zu einem in Betracht kommenden, indessen vom Verschulden abhängigen Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. § 34 GG verwischt würden.
- 13
Das Verwaltungsgericht Mainz hat der Klage mit Urteil vom 10. Mai 2012 in Höhe von 2.187,77 € stattgegeben und dabei dem Klageantrag entsprochen, soweit nicht Verpflegungskosten betroffen waren. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei im Blick auf beide Klägerinnen zulässig, insbesondere sei auch der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet, da ein Folgenbeseitigungsanspruch geltend gemacht werde, der im allgemeinen Verwaltungsrecht wurzele. Im Hinblick auf beide Klägerinnen liege ein Eingriff in ihre subjektiv-öffentlichen Rechte durch die Versagung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 KitaG) vor; deshalb könnten sie im Wege der Geltendmachung von sekundärrechtlichen Ansprüchen Folgenbeseitigung in der Form einer Geldentschädigung verlangen, die der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes entspreche. Wenn dieser im Wege des Primärrechtsschutzes nicht mehr gewährleistet werden könne, greife der Ersatzanspruch in der Form der Gewährleistung eines Kompensationsanspruchs als Geldentschädigung ein. Die Gewährleistungspflicht des Trägers der Jugendhilfe folge dem Kind gegenüber aus §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 1 KitaG und wegen der Beitragsfreiheit für die Eltern ihnen gegenüber aus § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 sowie Abs. 3 Satz 5 KitaG. Wenn der Folgenentschädigungsanspruch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Unzumutbarkeit der Wiederherstellung anerkannt werde, so müsse dies erst recht gelten, wenn wie hier infolge Zeitablaufs die Zuerkennung eines rechtzeitig zu gewährenden Kindertagesstättenplatzes unmöglich geworden sei. Der Anspruch umfasse die aufgewandten Kosten für einen ersatzweise in Anspruch genommenen Platz in der privaten Elterninitiative, nicht aber wegen der gesetzlich ohnehin vorgesehenen gesonderten Belastung der Eltern mit den Kosten des Mittagessens (gesonderter Beitrag nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KitaG) auch die Verpflegungskosten.
- 14
Mit der dagegen vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung hält die Beklagte an ihrer Rechtsauffassung fest, dass den Klägerinnen kein im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgender Anspruch auf Entschädigung wegen der Vorenthaltung eines Kindertagesstättenplatzes zustehe. Gegen die Heranziehung eines Folgenentschädigungsanspruchs bestünden insoweit erhebliche rechtliche Bedenken, weil das Verwaltungsgericht damit weit über die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannten Fallgruppen des Folgenbeseitigungs- bzw. Folgenentschädigungsanspruchs hinausgehe und im Gegensatz zu dieser Rechtsprechung einen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch im Wege richterrechtlicher Rechtsfortbildung schaffe. Es bestünden im übrigen Recht der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen keine unzumutbaren Regelungslücken, wenn gegebenenfalls auf im Zivilrechtsweg zu verfolgende Amtshaftungsansprüche verwiesen werde. Es fehle aber auch schon an einem Eingriff in eine subjektiv rechtliche Rechtsposition der Klägerinnen durch Unterlassen, weil die Klägerin zu 2) gerade vorher nicht im Besitz eines Kindergartenplatzes gewesen sei. Die Kosten für einen Ersatzplatz stellten schließlich auch keine unmittelbaren Folgen der Versagung des Rechtsanspruchs dar, weil sie auf weiteren Handlungen Dritter, nämlich der Ersatzbeschaffung durch die Eltern beruhten. Eine Versagung einer sozialrechtlichen Leistung sei noch kein Eingriff im Sinne des Folgenbeseitigungsanspruchs. Aufwendungsersatz für eine solche Selbstbeschaffung werde gesetzlich nicht gewährleistet, weil entsprechende Regelungen im Jugendhilferecht nach § 36a SGB VIII ausdrücklich auf die Hilfen nach dem Vierten Abschnitt des Zweiten Kapitels des Gesetzes begrenzt seien.
- 15
Die Beklagte beantragt,
- 16
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 10. Mai 2012 die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
- 17
Die Klägerinnen beantragen,
- 18
die Berufung zurückzuweisen.
- 19
Sie treten der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts bei und machen ergänzend geltend, die Beklagte habe trotz Anmeldung des Kindes 1 1/2 Jahre vor dem Entstehen des Rechtsanspruchs nie einen Platz angeboten, im Übrigen auch deutlich gemacht, dass sie infolge Platz- und Personalmangels nicht in der Lage gewesen sei, sämtliche angemeldeten Kinder aufzunehmen; erst einige Zeit nach Erhebung der Untätigkeitsklage sei ein Platz zur Verfügung gestellt worden. Die Aufwendungen für den Besuch der privaten Ersatzeinrichtung seien auch als unmittelbare Folgenbeseitigung anzusehen. Es müsse mit praktischen und rechtlichen Konsequenzen verbunden sein, wenn der Primäranspruch nicht rechtzeitig erfüllt werde. Im Übrigen anerkenne die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Jugendhilferecht seit jeher im Falle des sogenannten Systemversagens und einer Eilbedürftigkeit sowie rechtzeitiger Geltendmachung des Anspruchs die Übernahme der Kosten für die Selbstbeschaffung. Dies werde auch in der Literatur bei Versagung des Rechtsanspruchs auf einen Kindertagesstättenplatz befürwortet. § 36a SGB VIII stelle insoweit keine diese Rechtsprechung verdrängende gesetzliche Regelung dar, sondern betreffe nur den engeren Bereich der im Vierten Abschnitt des Zweiten Kapitels geregelten Ansprüche.
- 20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
- 21
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
- 22
Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Klägerinnen einen Anspruch darauf zuerkannt, dass die Beklagte die ab dem Zeitpunkt der Vollendung des zweiten Lebensjahres der Klägerin zu 2) entstandenen Kosten für den Besuch des Kindes in einer privaten Elterninitiative übernimmt. Der Anspruch kann auch neben dem Kind zugleich von der Mutter als Personensorgeberechtigter geltend gemacht werden.
- 23
1. Der vom Verwaltungsgericht herangezogene sogenannte Folgenbeseitigungsanspruch in der Form eines Folgenentschädigungsanspruchs trägt allerdings nach Auffassung des Senats die Klageforderung nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 26. August 1993, 4 C 24.91, NVwZ 1994, 275) muss ein hoheitlicher Eingriff vorliegen, der ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt. Für den Betroffenen muss dadurch ein rechtswidriger Zustand entstanden sein, der andauert. Dabei kommt es nicht nur auf die Vollzugsfolgen eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes an, vielmehr kann der Anspruch bei allen Amtshandlungen bestehen, die rechtswidrige Folgen nach sich gezogen haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juli 1984, 3 C 81.82, NJW 1985, 817, 818). Allerdings ist die Rechtsfolge des Anspruchs dadurch beschränkt, dass der Folgenbeseitigungsanspruch allein auf die Beseitigung der rechtswidrigen Folgen eines Tuns oder Unterlassens der vollziehenden Gewalt gerichtet ist und nur einen Ausgleich in natura gewährt, die vollziehende Gewalt mithin zur Herstellung des Zustands verpflichtet ist, der bestünde, wenn sie die rechtswidrigen Folgen nicht herbeigeführt hätte. Eine Restitution in Geld ist bei dieser Ausgangslage nur in besonderen Fallkonstellationen zuerkannt worden, etwa wenn die rechtswidrige Folge unmittelbar in einem Geldverlust besteht, bei Unzumutbarkeit der anderweitigen Wiederherstellung des status quo ante bzw. bei der Unmöglichkeit einer anderen Quotierung als in Geld wegen Unteilbarkeit der Leistung (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juli 1984, a.a.O.; BVerwGE 1994, 100, 104 = NVwZ 1994, 275; BVerwGE 140, 34, 37 = NVwZ 2011, 1388, 1389).
- 24
Es spricht daher bereits vieles dagegen, dass bei bloßer Versagung eines sozialrechtlichen Primäranspruchs auf die Leistungen der Jugendhilfe im Sinne des Zweiten Kapitels des SGB VIII (hier: Bereitstellung eines Kindertagesstättenplatzes) als Wiederherstellung des status quo ante die Übernahme der Kosten für eine Ersatzbeschaffung verlangt werden kann. Der Anspruch scheitert aber schon daran, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. Juli 1984, a.a.O.) nicht diejenigen weiteren rechtswidrigen Folgen einer Amtshandlung erfasst werden, die erst infolge eines Verhaltens des Betroffenen eingetreten sind, das auf seiner eigenen Entscheidung beruht. Die Kosten, deren Übernahme hier in Frage steht, sind indessen erst durch das Verhalten der Personensorgeberechtigten entstanden, eine Ersatzbeschaffung vorzunehmen und einen die Kosten auslösenden Vertrag mit der privaten Elterninitiative zu schließen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die entsprechende Begrenzung der Rechtsfolgen des Folgenbeseitigungsanspruchs damit begründet, dass die Ausdehnung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf solche Folgen sich schwerlich aus der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) herleiten lasse und durch die Begrenzung eine sonst nicht mehr eindämmbare Ausuferung des Folgenbeseitigungsanspruchs vermieden werde, die zugleich zu einer Verwischung der Abgrenzung dieses Anspruchs von dem vom Verschulden abhängigen Schadensersatzanspruch aus § 839 BGB, Art. 34 GG führen würde.
- 25
2. Der hier streitige Anspruch ist allerdings auf spezieller sozialrechtlicher Grundlage herzuleiten, die den Gedanken der Folgenbeseitigung in bereichsspezifischer Weise durch Übernahme von Kosten der Selbstbeschaffung verwirklicht (vgl. zu weiteren bereichsspezifischen Ausprägungen des rechtsstaatlichen Kompensationsgedankens im Sozialrecht BVerwGE 140, 103, 108 - sozialrechtlicher Herstellungsanspruch). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Jugendwohlfahrts- und Jugendhilferecht ist seit jeher anerkannt, dass die Kostenübernahme vom Jugendhilfeträger verlangt werden kann, wenn die Leistung zu Recht verlangt werden konnte und ohne Vermittlung des Jugendhilfeträgers in Anspruch genommen werden musste. In dem Beschluss vom 25. August 1987, 5 B 50.87, NVwZ-RR 1989, 252, heißt es insoweit: "… auch die … aufgeworfene Frage, ob sich aus dem Jugendwohlfahrtsgesetz Ansprüche auf Übernahme der Kosten bereits anderweitig gewährter erzieherischer Hilfe ergeben könne, ist zu bejahen. Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung sowohl zum Jugendhilferecht (vgl. BVerwGE 74, 206 = NJW-RR 1987, 581) als auch zum Sozialhilferecht (vgl. BVerwGE 35, 287; 70, 121; BVerwG, Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr. 3 und BVerwG, NVwZ 1987, 412 = Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr. 5) stets zugrunde gelegt, dass der Jugendhilfe- oder Sozialhilfeträger zur Übernahme der Kosten bereits durchgeführter Hilfemaßnahmen verpflichtet sein kann. Der vom Berufungsgericht angeführte Charakter des Jugendwohlfahrtsgesetzes als Erziehungsgesetz hat nicht zur Folge, dass die Leistungen der Jugendhilfe auf erzieherische Hilfen in der Form von Sachleistungen beschränkt wären. Zwar sind die Jugendämter in erster Linie gehalten, die erforderlichen Hilfen … 'originär' zu gewähren. … Lagen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung öffentlicher Jugendhilfe vor, kann und muss der Jugendhilfeträger vielmehr noch nachträglich diese Hilfe leisten, indem er die Kosten der bereits durchgeführten Maßnahme übernimmt. … Hierdurch wird nicht die Gefahr geschaffen, dass der Jugendhilfeträger von den Personensorgeberechtigten vor vollendete Tatsachen gestellt werden könnte und auf diese Weise Maßnahmen finanzieren müsste, für die er sonst nicht aufzukommen hätte. Denn der Anspruch auf die Übernahme der Kosten bereits durchgeführter Hilfe ist in derselben Weise vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen abhängig wie die primäre Verpflichtung des Jugendamtes …".
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Nach dieser Rechtsprechung setzt sich die "Primärverantwortung" des für die Gewährleistung verantwortlichen Jugendhilfeträgers "sekundär" in der Verantwortung für die Übernahme der Kosten fort, wenn die geschuldete Leistung anderweitig beschafft werden musste.
- 27
Der Rechtsgedanke ist in der weiteren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufrechterhalten worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 1991, 5 C 27.88, NJW 1991, 3165, 3166), wenn er auch mit Blick auf besondere Entwicklungen in speziellen Bereichen eine weitere Ausformung erfahren hat. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. September 2000, 5 C 29.99, BVerwGE 112, 98, NJW-RR 2001, 763, nimmt die genannte Rechtsprechung ausdrücklich in Bezug und ergänzt insoweit lediglich, dass die Auffassung der Vorinstanz zurückzuweisen sei, dass die Leistungsverpflichtung des Trägers der Jugendhilfe nicht einen Hilfeantrag des Leistungsberechtigten vor Beginn der auf den Hilfebedarf gerichteten Maßnahme voraussetze. Das SGB VIII, das insoweit keine ausdrückliche Regelung treffe, enthalte nicht wie § 5 BSHG eine Vorschrift über eine schon aufgrund der Kenntnis der Behörde antragsunabhängig einsetzende Hilfe.
- 28
Insbesondere sind - anders als die Beklagte annehmen will - die aufgezeigten Rechtsgrundsätze auch nicht durch später erfolgte Gesetzgebung in Frage gestellt worden. Zwar ist ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 36a SGB VIII durch das Gesetz vom 8. September 2005 auf diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Bezug genommen worden (vgl. BR-Drs. 586/04). Dort heißt es (S. 45): "Zum anderen versuchen auch manche Eltern durch unmittelbare Kontaktaufnahme mit Leistungserbringern die Entscheidungszuständigkeit der Jugendämter zu unterlaufen und sie zu einem bloßen 'Kostenträger' zu reduzieren. Dies gilt in besonderer Weise für die Inanspruchnahme von Hilfen nach § 35a SGB VIII. … Eine solche Verfahrensweise steht jedoch nicht im Einklang mit den Prinzipien des Sozialleistungsrechts. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in Abkehr von der früheren Rechtsprechung betont, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Leistungs- und nicht bloßer Kostenträger ist (BVerwGE 112, 98); … gleichzeitig hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung Fallgruppen entwickelt, in denen eine sogenannte Selbstbeschaffung zulässig ist. Diese Rechtsprechung soll nunmehr im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit eine positiv-rechtliche Grundlage erfahren."
- 29
In der Einzelbegründung (dort S. 67) heißt es zu Nr. 13 (§ 36a): "Diese Praxis … (Anmerkung: der Inanspruchnahme des Jugendsamtes als bloße Zahlstelle) steht im Widerspruch zur Systematik des SGB VIII, das dem Jugendamt die Funktion eines Leistungsträgers zuweist, der die Kosten grundsätzlich nur dann trägt, wenn er selbst vorab auf der Grundlage des SGB VIII und dem dort vorgesehenen Verfahren über die Eignung und Notwendigkeit der Hilfe entschieden hat (vgl. auch BVerwGE, 112, 98). Um diesem Prinzip praktisch Geltung zu verschaffen und dem Jugendamt wieder zu seinem Entscheidungsprimat zu verhelfen, erscheint eine klarstellende Regelung im SGB VIII notwendig. … Um aber auch künftig bei ambulanten Hilfen wie insbesondere der Erziehungsberatung den niedrigschwelligen Zugang zu erhalten, kann der örtliche Träger in Vereinbarung mit den betroffenen Diensten, in denen die Voraussetzungen zu regeln sind, die unmittelbare Inanspruchnahme zulassen."
- 30
Dementsprechend heißt es auch in dem Ausschussbericht (BT-Drs. 15/5610) zu Nr. 15: "… in vielen Stellungnahmen der kommunalen Praxis … sowie dem Bericht des Landes Rheinland-Pfalz zur Praxis der Umsetzung von § 35a SGB VIII wird beklagt, dass die Jugendämter … als bloße Zahlstelle für von dritter Seite angeordnete oder selbst verschaffte Leistungen missbraucht werden … Diese Praxis steht im Widerspruch zur Systematik des SGB VIII. … Nur in bestimmten von der Rechtsprechung vorgegebenen Ausnahmefällen, die in Absatz 3 geregelt sind, kann der Leistungsberechtigte vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Übernahme seiner Aufwendungen für von ihm selbst beschaffte Leistungen verlangen. Die Möglichkeit der unmittelbaren Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere Erziehungsberatung, ist durch die Regelung in Absatz 2 sichergestellt".
- 31
Daraus ergibt sich, dass an eine einschränkende Voraussetzung vor allem im Hinblick auf die im Vierten Abschnitt des Zweiten Kapitels des SGB VIII geregel-ten und sonstige Hilfen gedacht war, die dadurch besonders gekennzeichnet sind, dass der Hilfegewährung die Antragstellung sowie ein durch komplexe Erwägungen interdisziplinärer Art gekennzeichnetes Planungsverfahren (z.B. Hilfeplan nach § 36 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII) vorausgehen. Für davon nicht erfasste "niedrigschwellige" Leistungen gelten solche Erwägungen ausweislich der Gesetzesbegründung nicht. Die Auffassung der Beklagten, die Regelung im Vierten Abschnitt des Zweiten Kapitels des Gesetztes sei eine gesetzliche Regelung, die den Grundsatz der Kostenübernahme bei Selbstbeschaffung mit der Wirkung regele, dass außerhalb von Leistungen dieses Abschnitts die Selbstbeschaffung gänzlich ausgeschlossen werde, vermag vor dem Entstehungshintergrund der gesetzlichen Regelung sowie der systematischen Stellung der Vorschrift des § 36a SGB VIII nicht zu überzeugen. Vielmehr liegt es danach eher nahe, anzunehmen, dass vor dem Hintergrund der besonderen Problemstellung des komplexen Hilfeplanverfahrens eine Sonderregelung für die Hilfen des Vierten Abschnitts und vergleichbare Hilfen geschaffen werden sollte, während im Übrigen, insbesondere bei niedrigschwelligen Angeboten sowie für solche Angebote, die als Rechtsanspruch ausgestaltet sind und keine Fragen eines Ermessens- oder Beurteilungsspielraums aufwerfen, die in der Rechtsprechung herausgestellten Grundsätze nicht berührt werden. Im Übrigen spricht gegen eine entsprechende Ausschlusswirkung auch die rechtssystematische Überlegung, dass die Einschränkungen der Selbstbeschaffung, wie sie in § 36a SGB VIII geregelt sind, die hergebrachten Grundsätze nur verhältnismäßig geringfügig berühren, indem hauptsächlich der bereits in der Rechtsprechung postulierte Grundsatz gesetzlich verankert wird, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt wird (§ 36a Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII). § 36 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII betont lediglich die anerkannte Voraussetzung, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorgelegen haben müssen, das heißt ein Anspruch auf die Gewährung bestand. Zusätzlich erforderlich ist im Sinne des § 36a Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII lediglich eine gewisse Dringlichkeit, gegebenenfalls dass die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.
- 32
Dass es angesichts dieser verhältnismäßig geringfügigen gesetzgeberischen Eingriffe in die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Rechtsgrundsätze Wille des Gesetzgebers gewesen wäre, für die übrigen Gebiete der Leistungen der Jugendhilfe außerhalb des Vierten Abschnitts des Zweiten Kapitels des Sozialgesetzbuches Achtes Buch, gar in Fällen von Angeboten, für die ein Rechtsanspruch gegeben ist, die in der Rechtsprechung entwickelten Kompensationsansprüche in der Form der Kostenübernahme ersatzlos zu streichen, kann nicht angenommen werden. Dafür spricht im Übrigen auch, dass im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. September 2000, das gleichsam mit Auslöser für die Gesetzesänderung war, im Blick auf die Herleitung einschränkender Kriterien zwar auch (a.a.O. juris Rn. 13) von der Selbstbeschaffung eines Kinderkrippenplatzes die Rede ist, indessen bei der dort in Bezug genommenen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2000, 5 C 19.99, DVBl. 2000, 1212) explizit auf den Unterschied zwischen einer Planung nach Bedarf nach Einschätzung des verantwortlichen Trägers der Jugendhilfe und einem im Gegensatz dazu stehenden, der Bedarfsplanung nicht zugänglichen "subjektiven" Anspruch eines Kindes auf ein bestimmtes Angebot wie im Falle des Anspruchs auf den Besuch einer Kindertagesstätte nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII unterschieden wird.
- 33
Damit schlägt für den Fall, dass der für die Gewährleistung des Rechtsanspruchs verantwortliche Jugendhilfeträger - wie hier die Beklagte - nach Antragstellung den Anspruch nicht rechtzeitig erfüllt, seine Primärverantwortung in die sekundäre Verantwortung um, die Kosten für eine Ersatzbeschaffung zu übernehmen (vgl. dazu auch Rixen, NJW 2012, 2839, 2843).
- 34
3. Die im Einzelnen für einen solchen Übernahmeanspruch erforderlichen Voraussetzungen sind vorliegend des Weiteren gegeben.
- 35
An der entsprechenden Antragstellung fehlt es hier nicht. Die Anmeldung gegenüber dem Jugendamt für den Wunsch zur Aufnahme des Kindes in eine Kindertagesstätte erfolgte bereits im Dezember 2009. Soweit es sich zu diesem Zeitpunkt indessen noch nicht um die Geltendmachung eines Rechtsanspruchs handelte, weil ihr Kind noch keine zwei Jahre alt war, wurde spätestens mit erneuten Schreiben der Klägerin zu 1) als Personensorgeberechtigter vom 26. Februar und 1. März 2011 klargestellt, dass nunmehr die Erfüllung des Rechtsanspruchs angestrebt werde. Der Erfüllungsanspruch besteht zwar nicht im Hinblick auf eine bestimmte Einrichtung und wird als solcher auch nicht gegenüber einem Einrichtungsträger unmittelbar geltend gemacht, sondern besteht in einem Verschaffungsanspruch durch den für die Gewährleistung verantwortlichen Träger der Jugendhilfe, der Einrichtungen gewöhnlich nicht selbst unterhält, sondern lediglich die Aufgabe der Planung und Förderung wahrnimmt. Die Geltendmachung eines Anspruchs ist vorliegend dann auch nicht lediglich gegenüber der Beklagten als Träger bestimmter Kindertagesstätten, sondern gegenüber dem Jugendamt in der genannten Verantwortung geltend gemacht worden.
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Der Anspruch besteht auf einen Platz für das Kind ab Vollendung des zweiten Lebensjahres "in zumutbarer Entfernung" (§ 5 Abs. 1 KitaG). Nach Absatz 2 der Bestimmung erstreckt sich die Verpflichtung und damit der Anspruch auf ein Angebot vor- und nachmittags. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die angemeldeten Wünsche der Personensorgeberechtigten vorliegend außerhalb dieses zeitlichen und örtlichen Rahmens bewegt hätten, da die Klägerin zu 1) mehrere Einrichtungen der Beklagten in Innenstadtnähe akzeptiert hatte, indessen wegen zu großer Entfernung periphere Einrichtungen in vertretbarer Weise abgelehnt hatte.
- 37
Der Anspruch kann im Übrigen nicht deshalb in Abrede gestellt werden, weil die Sorgeberechtigten nicht von Anfang an versucht haben, die Ansprüche im Verwaltungsrechtsweg "primär" durchzusetzen. Zwar gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass Primäransprüche an sich vorrangig vor Sekundäransprüchen geltend zu machen sind. Dies gilt indessen nur, soweit die Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz als zumutbar angesehen werden kann, insbesondere eine Abhilfe dadurch überhaupt erwartet werden kann (vgl. BGHZ, 128, 346, 357 = NJW 1995, 365, 368). Dies ist hier nicht der Fall. Da der für die Inanspruchnahme auch im Hinblick auf den Primärrechtsschutz zuständige Träger der Jugendhilfe als solcher gewöhnlich nicht über die Plätze in den Einrichtungen verfügt, könnte selbst im Fall des Obsiegens in einem Eilverfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Verschaffensverpflichtung) nicht abzusehen sein, wann die Erfüllung tatsächlich möglich ist, insbesondere wenn wie vorliegend die Erfüllung abgelehnt wird, weil kein Platz verfügbar sei.
- 38
Die Kostenübernahme kann auch nicht in Frage gestellt werden, weil der in Anspruch genommene Dienst nicht dem Leistungsinhalt des Rechtsanspruchs entsprochen hätte. Der Senat kann insoweit dahingestellt sein lassen, welche qualitativen Voraussetzungen insoweit bei der Inanspruchnahme eines Krippenplatzes in einer privaten Elterninitiative (§ 25 SGB VIII) erforderlich wären. Die Geeignetheit der vorliegend für die Ersatzbeschaffung herangezogenen Einrichtung kann schon deswegen nicht in Frage gestellt werden, da die Beklagte die Inanspruchnahme solcher Plätze selbst mit einem den Elternbeiträgen entsprechenden Betrag pro Monat gefördert hat.
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Schließlich kann offen bleiben, ob analog der Regelung in § 36a Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII erforderlich war, dass die Selbstbeschaffung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat, denn an einer solchen Dringlichkeit fehlte es bis zur Abhilfeentscheidung auf das von der Klägerin zu 1) ergriffene Rechtsmittel der Untätigkeitsklage hin nicht. Die Deckung des Bedarfs duldete keinen Aufschub, weil die Eltern beide berufstätig waren und eine anderweitige Betreuung des Kindes nicht sichergestellt werden konnte.
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Die Höhe der Kosten für den in Anspruch genommenen Ersatzplatz in der Elterninitiative war schließlich nicht unangemessen, wobei zu berücksichtigen ist, dass Maßstab nicht der Elternbeitrag für ein Kindergartenplatz sein kann, sondern die hohen Subventionskosten für einen solchen Platz im Blick auf Investitionen für die Einrichtung sowie die Personalkosten (vgl. zum Kostenvergleich Schindler, in Kunkel [Herausgeber], SGB VIII, 4. Auflage, § 5 Rn. 12). Über den sogenannten Mehrkostenvorbehalt hinaus ist bei der Angemessenheit hier ohnehin zu berücksichtigen, dass es nicht um die Berücksichtigung eines besonderen Wunsches der Sorgeberechtigten geht, sondern die Verweigerung der Erfüllung des Rechtsanspruchs mit ihren Folgen abgewendet wird.
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4. Der Kostenanspruch steht neben dem Kind, der Klägerin zu 2), auch der sorgeberechtigten Klägerin zu 1) zu. Es ist auf den Anspruchsinhaber des Primäranspruchs abzustellen. Nach der gesetzlichen Lage steht der Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz zunächst dem Kind zu, wie sich aus dem Wortlaut in § 24 Abs. 1 SGB VIII und § 5 Abs. 1 KitaG ergibt ("Kinder haben vom vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung im Kindergarten"). Der Anspruch steht nach der gesetzlichen Konzeption nach Auffassung des Senats aber ebenso auch den Sorgeberechtigten zu. Zwar dürfte dafür nicht der vom Verwaltungsgericht herausgestellt Umstand ausschlaggebend sein, dass nach § 13 Abs. 3 KitaG ab dem 1. August 2010 in Rheinland-Pfalz der Besuch des Kindergartens für Kinder vom vollendeten zweiten Lebensjahr an beitragsfrei ist. Eine solche Entlastung kommt zwar den Eltern zusätzlich zugute. Im Vordergrund ihrer Begünstigung steht aber ohnehin nicht die Befreiung von dem verhältnismäßig geringen Anteil an den Personalkosten in der Form des Elternbeitrags (§ 13 Abs. 2 KitaG, 17,5 v.H.), sondern die Begünstigung durch die Inanspruchnahme einer durch öffentliche Mittel hochsubventionierten Einrichtung. Für die zugleich gesetzlich beabsichtigte Förderung der Eltern und nicht nur für eine reflexhafte Begünstigung spricht der in verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommende Förderungszweck. Zwar gilt die "Erziehung und Bildung" im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 KitaG den Kindern selbst. Der Zweck der "Betreuung" begünstigt aber zugleich die Sorgeberechtigten, die insoweit zum Teil entlastet werden. Im Übrigen spricht auch § 24 Abs. 4 SGB VIII davon, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Eltern, die Leistungen unter anderem nach § 24 Abs. 1 "in Anspruch nehmen wollen", zu informieren und zu beraten hat. Schließlich hat der Gesetzgeber die Ziele und Zwecke der Jugendhilfeplanung, die für die Gewährleistung des vorliegend fraglichen Angebots verantwortlich ist, in § 80 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII dahin bestimmt, dass "Einrichtungen und Dienste" so geplant werden sollen, dass insbesondere (u.a. Nr. 4) "Mütter und Väter Aufgaben in der Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander vereinbaren können". Darin kommt zum Ausdruck, dass es angesichts der heutigen Lebensverhältnisse und der demografischen Entwicklung lebensfremd wäre, anzunehmen, der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz diene nicht zuletzt auch der beruflichen Entfaltung der Eltern und der Vereinbarkeit von beruflicher Betätigung mit der Wahrnehmung der Elternverantwortung in der Familie.
- 42
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
- 43
Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, insbesondere weil sie dem Revisionsgericht Gelegenheit zur Fortentwicklung seiner Rechtsprechung im Hinblick auf die Kostenübernahme bei der Selbstbeschaffung von Jugendhilfeleistungen gibt.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben für die Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung.
(2) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen gewährleisten, dass zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch
- 1.
die erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen; hierzu zählen insbesondere auch Pfleger, Vormünder und Pflegepersonen; - 2.
die nach Nummer 1 vorgehaltenen Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen dem nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelten Bedarf entsprechend zusammenwirken und hierfür verbindliche Strukturen der Zusammenarbeit aufgebaut und weiterentwickelt werden; - 3.
eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung nach Maßgabe von § 79a erfolgt.
(3) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben für eine ausreichende Ausstattung der Jugendämter und der Landesjugendämter einschließlich der Möglichkeit der Nutzung digitaler Geräte zu sorgen; hierzu gehört auch eine dem Bedarf entsprechende Zahl von Fachkräften. Zur Planung und Bereitstellung einer bedarfsgerechten Personalausstattung ist ein Verfahren zur Personalbemessung zu nutzen.
(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben im Rahmen ihrer Planungsverantwortung
- 1.
den Bestand an Einrichtungen und Diensten festzustellen, - 2.
den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Erziehungsberechtigten für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln und - 3.
die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Vorhaben rechtzeitig und ausreichend zu planen; dabei ist Vorsorge zu treffen, dass auch ein unvorhergesehener Bedarf befriedigt werden kann.
(2) Einrichtungen und Dienste sollen so geplant werden, dass insbesondere
- 1.
Kontakte in der Familie und im sozialen Umfeld erhalten und gepflegt werden können, - 2.
ein möglichst wirksames, vielfältiges, inklusives und aufeinander abgestimmtes Angebot von Jugendhilfeleistungen gewährleistet ist, - 3.
ein dem nach Absatz 1 Nummer 2 ermittelten Bedarf entsprechendes Zusammenwirken der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien sichergestellt ist, - 4.
junge Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte junge Menschen mit jungen Menschen ohne Behinderung gemeinsam unter Berücksichtigung spezifischer Bedarfslagen gefördert werden können, - 5.
junge Menschen und Familien in gefährdeten Lebens- und Wohnbereichen besonders gefördert werden, - 6.
Mütter und Väter Aufgaben in der Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander vereinbaren können.
(3) Die Planung insbesondere von Diensten zur Gewährung niedrigschwelliger ambulanter Hilfen nach Maßgabe von § 36a Absatz 2 umfasst auch Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung.
(4) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe in allen Phasen ihrer Planung frühzeitig zu beteiligen. Zu diesem Zwecke sind sie vom Jugendhilfeausschuss, soweit sie überörtlich tätig sind, im Rahmen der Jugendhilfeplanung des überörtlichen Trägers vom Landesjugendhilfeausschuss zu hören. Das Nähere regelt das Landesrecht.
(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen darauf hinwirken, dass die Jugendhilfeplanung und andere örtliche und überörtliche Planungen aufeinander abgestimmt werden und die Planungen insgesamt den Bedürfnissen und Interessen der jungen Menschen und ihrer Familien Rechnung tragen.
(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.
(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.
(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn
- 1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, - 2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und - 3.
die Deckung des Bedarfs - a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder - b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben für die Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung.
(2) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen gewährleisten, dass zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch
- 1.
die erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen; hierzu zählen insbesondere auch Pfleger, Vormünder und Pflegepersonen; - 2.
die nach Nummer 1 vorgehaltenen Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen dem nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelten Bedarf entsprechend zusammenwirken und hierfür verbindliche Strukturen der Zusammenarbeit aufgebaut und weiterentwickelt werden; - 3.
eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung nach Maßgabe von § 79a erfolgt.
(3) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben für eine ausreichende Ausstattung der Jugendämter und der Landesjugendämter einschließlich der Möglichkeit der Nutzung digitaler Geräte zu sorgen; hierzu gehört auch eine dem Bedarf entsprechende Zahl von Fachkräften. Zur Planung und Bereitstellung einer bedarfsgerechten Personalausstattung ist ein Verfahren zur Personalbemessung zu nutzen.
(1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben im Rahmen ihrer Planungsverantwortung
- 1.
den Bestand an Einrichtungen und Diensten festzustellen, - 2.
den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Erziehungsberechtigten für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln und - 3.
die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Vorhaben rechtzeitig und ausreichend zu planen; dabei ist Vorsorge zu treffen, dass auch ein unvorhergesehener Bedarf befriedigt werden kann.
(2) Einrichtungen und Dienste sollen so geplant werden, dass insbesondere
- 1.
Kontakte in der Familie und im sozialen Umfeld erhalten und gepflegt werden können, - 2.
ein möglichst wirksames, vielfältiges, inklusives und aufeinander abgestimmtes Angebot von Jugendhilfeleistungen gewährleistet ist, - 3.
ein dem nach Absatz 1 Nummer 2 ermittelten Bedarf entsprechendes Zusammenwirken der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien sichergestellt ist, - 4.
junge Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte junge Menschen mit jungen Menschen ohne Behinderung gemeinsam unter Berücksichtigung spezifischer Bedarfslagen gefördert werden können, - 5.
junge Menschen und Familien in gefährdeten Lebens- und Wohnbereichen besonders gefördert werden, - 6.
Mütter und Väter Aufgaben in der Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander vereinbaren können.
(3) Die Planung insbesondere von Diensten zur Gewährung niedrigschwelliger ambulanter Hilfen nach Maßgabe von § 36a Absatz 2 umfasst auch Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung.
(4) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe in allen Phasen ihrer Planung frühzeitig zu beteiligen. Zu diesem Zwecke sind sie vom Jugendhilfeausschuss, soweit sie überörtlich tätig sind, im Rahmen der Jugendhilfeplanung des überörtlichen Trägers vom Landesjugendhilfeausschuss zu hören. Das Nähere regelt das Landesrecht.
(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen darauf hinwirken, dass die Jugendhilfeplanung und andere örtliche und überörtliche Planungen aufeinander abgestimmt werden und die Planungen insgesamt den Bedürfnissen und Interessen der jungen Menschen und ihrer Familien Rechnung tragen.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Ist vor dem Erlass des zugesicherten Verwaltungsaktes die Anhörung Beteiligter oder die Mitwirkung einer anderen Behörde oder eines Ausschusses auf Grund einer Rechtsvorschrift erforderlich, darf die Zusicherung erst nach Anhörung der Beteiligten oder nach Mitwirkung dieser Behörde oder des Ausschusses gegeben werden.
(2) Auf die Unwirksamkeit der Zusicherung finden, unbeschadet des Absatzes 1 Satz 1, § 40, auf die Heilung von Mängeln bei der Anhörung Beteiligter und der Mitwirkung anderer Behörden oder Ausschüsse § 41 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 sowie Abs. 2, auf die Rücknahme §§ 44 und 45, auf den Widerruf, unbeschadet des Absatzes 3, §§ 46 und 47 entsprechende Anwendung.
(3) Ändert sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen, ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.