Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 01. Feb. 2017 - 4 K 1758/16
Tenor
Der Bescheid des Landratsamts Lörrach vom 10.09.2015 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 25.07.2016 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 16.07.2015 auf Erteilung einer tierschutzrechtlichen Erlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Wer
- 1.
Wirbeltiere oder Kopffüßer, - a)
die dazu bestimmt sind, in Tierversuchen verwendet zu werden, oder - b)
deren Organe oder Gewebe dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden,
- 2.
Wirbeltiere zu den in § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 genannten Zwecken züchten oder halten, - 3.
Tiere in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung halten, - 4.
Tiere in einem Zoologischen Garten oder einer anderen Einrichtung, in der Tiere gehalten und zur Schau gestellt werden, halten, - 5.
Wirbeltiere, die nicht Nutztiere sind, zum Zwecke der Abgabe gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung in das Inland verbringen oder einführen oder die Abgabe solcher Tiere, die in das Inland verbracht oder eingeführt werden sollen oder worden sind, gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung vermitteln, - 6.
für Dritte Hunde zu Schutzzwecken ausbilden oder hierfür Einrichtungen unterhalten, - 7.
Tierbörsen zum Zwecke des Tausches oder Verkaufes von Tieren durch Dritte durchführen oder - 8.
gewerbsmäßig, außer in den Fällen der Nummer 1, - a)
Wirbeltiere, außer landwirtschaftliche Nutztiere und Gehegewild, züchten oder halten, - b)
mit Wirbeltieren handeln, - c)
einen Reit- oder Fahrbetrieb unterhalten, - d)
Tiere zur Schau stellen oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen, - e)
Wirbeltiere als Schädlinge bekämpfen oder - f)
für Dritte Hunde ausbilden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter anleiten
(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1
- 1.
das Nähere zu der Form und dem Inhalt des Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 1, - 2.
die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung der Erlaubnis, - 3.
den Inhalt der Erlaubnis, im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 nur, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, sowie - 4.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der für die Erlaubniserteilung wesentlichen Sachverhalte, einschließlich der Pflicht zur Anzeige solcher Änderungen,
(3) In Rechtsverordnungen nach § 2a Absatz 1 oder § 4b können, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, über die dort genannten Anforderungen hinaus Anforderungen an die Haltung von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder an das Töten von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 vorgeschrieben werden, insbesondere
- 1.
Anforderungen an innerbetriebliche Abläufe zum Zwecke der Vermeidung, Feststellung und Beseitigung von Mängeln, - 2.
Maßnahmen zum Zwecke der Gewöhnung und des Trainings solcher Tiere im Hinblick auf ihre Haltung und Verwendung und - 3.
Anforderungen an den Erwerb und die Aufrechterhaltung der für die Betreuung und Pflege und das Töten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten; hierbei kann auch vorgeschrieben werden, dass Aufzeichnungen über die Maßnahmen, die zum Zwecke des Erwerbs und der Aufrechterhaltung der Kenntnisse und Fähigkeiten ergriffen werden, zu machen, aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen sind.
(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Arten an wechselnden Orten zu beschränken oder zu verbieten, soweit die Tiere der jeweiligen Art an wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden gehalten oder zu den wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden befördert werden können. Eine Rechtsverordnung nach Satz 1
- 1.
darf nur erlassen werden, soweit den in Satz 1 bezeichneten erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden durch andere Regelungen, insbesondere solche mit Anforderungen an die Haltung oder Beförderung der Tiere, nicht wirksam begegnet werden kann, - 2.
muss vorsehen, dass Tiere, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung gehalten werden, von dem Verbot nur dann erfasst werden, wenn keine Möglichkeiten bestehen, die erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden bei diesen Tieren auf ein vertretbares Maß zu vermindern.
(5) Mit der Ausübung der Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 darf erst nach Erteilung der Erlaubnis begonnen werden. Die zuständige Behörde entscheidet schriftlich oder elektronisch über den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis innerhalb einer Frist von vier Monaten ab Eingang des Antrags. Die in Satz 2 genannte Frist kann von der zuständigen Behörde um bis zu zwei Monate verlängert werden, soweit der Umfang und die Schwierigkeit der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Erlaubnis dies rechtfertigen. Der Antragsteller ist über die Fristverlängerung vor Ablauf der in Satz 2 genannten Frist unter Angabe von Gründen zu unterrichten. Bei der Berechnung der Frist bleiben die Zeiten unberücksichtigt, während derer der Antragsteller trotz schriftlicher oder elektronischer Aufforderung der Behörde den Anforderungen in einer auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung nicht nachgekommen ist. Die zuständige Behörde soll demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen, der die Erlaubnis nicht hat.
(6) Wer gewerbsmäßig Gehegewild halten will, hat dies vier Wochen vor Aufnahme der Tätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen. Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- 1.
die Form und den Inhalt der Anzeige, - 2.
die Voraussetzungen, unter denen die Tätigkeit nach Satz 1 untersagt werden kann, und - 3.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der angezeigten Sachverhalte
(7) Die Ausübung der nach Absatz 5 Satz 6 oder auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 untersagten Tätigkeit kann von der zuständigen Behörde auch durch Schließung der Betriebs- oder Geschäftsräume verhindert werden.
(8) Wer Nutztiere zu Erwerbszwecken hält, hat durch betriebliche Eigenkontrollen sicherzustellen, dass die Anforderungen des § 2 eingehalten werden. Insbesondere hat er zum Zwecke seiner Beurteilung, dass die Anforderungen des § 2 erfüllt sind, geeignete tierbezogene Merkmale (Tierschutzindikatoren) zu erheben und zu bewerten.
Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
(1) Wer
- 1.
Wirbeltiere oder Kopffüßer, - a)
die dazu bestimmt sind, in Tierversuchen verwendet zu werden, oder - b)
deren Organe oder Gewebe dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden,
- 2.
Wirbeltiere zu den in § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 genannten Zwecken züchten oder halten, - 3.
Tiere in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung halten, - 4.
Tiere in einem Zoologischen Garten oder einer anderen Einrichtung, in der Tiere gehalten und zur Schau gestellt werden, halten, - 5.
Wirbeltiere, die nicht Nutztiere sind, zum Zwecke der Abgabe gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung in das Inland verbringen oder einführen oder die Abgabe solcher Tiere, die in das Inland verbracht oder eingeführt werden sollen oder worden sind, gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung vermitteln, - 6.
für Dritte Hunde zu Schutzzwecken ausbilden oder hierfür Einrichtungen unterhalten, - 7.
Tierbörsen zum Zwecke des Tausches oder Verkaufes von Tieren durch Dritte durchführen oder - 8.
gewerbsmäßig, außer in den Fällen der Nummer 1, - a)
Wirbeltiere, außer landwirtschaftliche Nutztiere und Gehegewild, züchten oder halten, - b)
mit Wirbeltieren handeln, - c)
einen Reit- oder Fahrbetrieb unterhalten, - d)
Tiere zur Schau stellen oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen, - e)
Wirbeltiere als Schädlinge bekämpfen oder - f)
für Dritte Hunde ausbilden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter anleiten
(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1
- 1.
das Nähere zu der Form und dem Inhalt des Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 1, - 2.
die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung der Erlaubnis, - 3.
den Inhalt der Erlaubnis, im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 nur, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, sowie - 4.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der für die Erlaubniserteilung wesentlichen Sachverhalte, einschließlich der Pflicht zur Anzeige solcher Änderungen,
(3) In Rechtsverordnungen nach § 2a Absatz 1 oder § 4b können, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, über die dort genannten Anforderungen hinaus Anforderungen an die Haltung von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder an das Töten von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 vorgeschrieben werden, insbesondere
- 1.
Anforderungen an innerbetriebliche Abläufe zum Zwecke der Vermeidung, Feststellung und Beseitigung von Mängeln, - 2.
Maßnahmen zum Zwecke der Gewöhnung und des Trainings solcher Tiere im Hinblick auf ihre Haltung und Verwendung und - 3.
Anforderungen an den Erwerb und die Aufrechterhaltung der für die Betreuung und Pflege und das Töten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten; hierbei kann auch vorgeschrieben werden, dass Aufzeichnungen über die Maßnahmen, die zum Zwecke des Erwerbs und der Aufrechterhaltung der Kenntnisse und Fähigkeiten ergriffen werden, zu machen, aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen sind.
(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Arten an wechselnden Orten zu beschränken oder zu verbieten, soweit die Tiere der jeweiligen Art an wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden gehalten oder zu den wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden befördert werden können. Eine Rechtsverordnung nach Satz 1
- 1.
darf nur erlassen werden, soweit den in Satz 1 bezeichneten erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden durch andere Regelungen, insbesondere solche mit Anforderungen an die Haltung oder Beförderung der Tiere, nicht wirksam begegnet werden kann, - 2.
muss vorsehen, dass Tiere, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung gehalten werden, von dem Verbot nur dann erfasst werden, wenn keine Möglichkeiten bestehen, die erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden bei diesen Tieren auf ein vertretbares Maß zu vermindern.
(5) Mit der Ausübung der Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 darf erst nach Erteilung der Erlaubnis begonnen werden. Die zuständige Behörde entscheidet schriftlich oder elektronisch über den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis innerhalb einer Frist von vier Monaten ab Eingang des Antrags. Die in Satz 2 genannte Frist kann von der zuständigen Behörde um bis zu zwei Monate verlängert werden, soweit der Umfang und die Schwierigkeit der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Erlaubnis dies rechtfertigen. Der Antragsteller ist über die Fristverlängerung vor Ablauf der in Satz 2 genannten Frist unter Angabe von Gründen zu unterrichten. Bei der Berechnung der Frist bleiben die Zeiten unberücksichtigt, während derer der Antragsteller trotz schriftlicher oder elektronischer Aufforderung der Behörde den Anforderungen in einer auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung nicht nachgekommen ist. Die zuständige Behörde soll demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen, der die Erlaubnis nicht hat.
(6) Wer gewerbsmäßig Gehegewild halten will, hat dies vier Wochen vor Aufnahme der Tätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen. Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- 1.
die Form und den Inhalt der Anzeige, - 2.
die Voraussetzungen, unter denen die Tätigkeit nach Satz 1 untersagt werden kann, und - 3.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der angezeigten Sachverhalte
(7) Die Ausübung der nach Absatz 5 Satz 6 oder auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 untersagten Tätigkeit kann von der zuständigen Behörde auch durch Schließung der Betriebs- oder Geschäftsräume verhindert werden.
(8) Wer Nutztiere zu Erwerbszwecken hält, hat durch betriebliche Eigenkontrollen sicherzustellen, dass die Anforderungen des § 2 eingehalten werden. Insbesondere hat er zum Zwecke seiner Beurteilung, dass die Anforderungen des § 2 erfüllt sind, geeignete tierbezogene Merkmale (Tierschutzindikatoren) zu erheben und zu bewerten.
Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
- 1.
muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, - 2.
darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, - 3.
muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Wer
- 1.
Wirbeltiere oder Kopffüßer, - a)
die dazu bestimmt sind, in Tierversuchen verwendet zu werden, oder - b)
deren Organe oder Gewebe dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden,
- 2.
Wirbeltiere zu den in § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 genannten Zwecken züchten oder halten, - 3.
Tiere in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung halten, - 4.
Tiere in einem Zoologischen Garten oder einer anderen Einrichtung, in der Tiere gehalten und zur Schau gestellt werden, halten, - 5.
Wirbeltiere, die nicht Nutztiere sind, zum Zwecke der Abgabe gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung in das Inland verbringen oder einführen oder die Abgabe solcher Tiere, die in das Inland verbracht oder eingeführt werden sollen oder worden sind, gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung vermitteln, - 6.
für Dritte Hunde zu Schutzzwecken ausbilden oder hierfür Einrichtungen unterhalten, - 7.
Tierbörsen zum Zwecke des Tausches oder Verkaufes von Tieren durch Dritte durchführen oder - 8.
gewerbsmäßig, außer in den Fällen der Nummer 1, - a)
Wirbeltiere, außer landwirtschaftliche Nutztiere und Gehegewild, züchten oder halten, - b)
mit Wirbeltieren handeln, - c)
einen Reit- oder Fahrbetrieb unterhalten, - d)
Tiere zur Schau stellen oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen, - e)
Wirbeltiere als Schädlinge bekämpfen oder - f)
für Dritte Hunde ausbilden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter anleiten
(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1
- 1.
das Nähere zu der Form und dem Inhalt des Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 1, - 2.
die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung der Erlaubnis, - 3.
den Inhalt der Erlaubnis, im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 nur, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, sowie - 4.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der für die Erlaubniserteilung wesentlichen Sachverhalte, einschließlich der Pflicht zur Anzeige solcher Änderungen,
(3) In Rechtsverordnungen nach § 2a Absatz 1 oder § 4b können, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, über die dort genannten Anforderungen hinaus Anforderungen an die Haltung von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder an das Töten von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 vorgeschrieben werden, insbesondere
- 1.
Anforderungen an innerbetriebliche Abläufe zum Zwecke der Vermeidung, Feststellung und Beseitigung von Mängeln, - 2.
Maßnahmen zum Zwecke der Gewöhnung und des Trainings solcher Tiere im Hinblick auf ihre Haltung und Verwendung und - 3.
Anforderungen an den Erwerb und die Aufrechterhaltung der für die Betreuung und Pflege und das Töten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten; hierbei kann auch vorgeschrieben werden, dass Aufzeichnungen über die Maßnahmen, die zum Zwecke des Erwerbs und der Aufrechterhaltung der Kenntnisse und Fähigkeiten ergriffen werden, zu machen, aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen sind.
(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Arten an wechselnden Orten zu beschränken oder zu verbieten, soweit die Tiere der jeweiligen Art an wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden gehalten oder zu den wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden befördert werden können. Eine Rechtsverordnung nach Satz 1
- 1.
darf nur erlassen werden, soweit den in Satz 1 bezeichneten erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden durch andere Regelungen, insbesondere solche mit Anforderungen an die Haltung oder Beförderung der Tiere, nicht wirksam begegnet werden kann, - 2.
muss vorsehen, dass Tiere, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung gehalten werden, von dem Verbot nur dann erfasst werden, wenn keine Möglichkeiten bestehen, die erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden bei diesen Tieren auf ein vertretbares Maß zu vermindern.
(5) Mit der Ausübung der Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 darf erst nach Erteilung der Erlaubnis begonnen werden. Die zuständige Behörde entscheidet schriftlich oder elektronisch über den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis innerhalb einer Frist von vier Monaten ab Eingang des Antrags. Die in Satz 2 genannte Frist kann von der zuständigen Behörde um bis zu zwei Monate verlängert werden, soweit der Umfang und die Schwierigkeit der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Erlaubnis dies rechtfertigen. Der Antragsteller ist über die Fristverlängerung vor Ablauf der in Satz 2 genannten Frist unter Angabe von Gründen zu unterrichten. Bei der Berechnung der Frist bleiben die Zeiten unberücksichtigt, während derer der Antragsteller trotz schriftlicher oder elektronischer Aufforderung der Behörde den Anforderungen in einer auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung nicht nachgekommen ist. Die zuständige Behörde soll demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen, der die Erlaubnis nicht hat.
(6) Wer gewerbsmäßig Gehegewild halten will, hat dies vier Wochen vor Aufnahme der Tätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen. Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- 1.
die Form und den Inhalt der Anzeige, - 2.
die Voraussetzungen, unter denen die Tätigkeit nach Satz 1 untersagt werden kann, und - 3.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der angezeigten Sachverhalte
(7) Die Ausübung der nach Absatz 5 Satz 6 oder auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 untersagten Tätigkeit kann von der zuständigen Behörde auch durch Schließung der Betriebs- oder Geschäftsräume verhindert werden.
(8) Wer Nutztiere zu Erwerbszwecken hält, hat durch betriebliche Eigenkontrollen sicherzustellen, dass die Anforderungen des § 2 eingehalten werden. Insbesondere hat er zum Zwecke seiner Beurteilung, dass die Anforderungen des § 2 erfüllt sind, geeignete tierbezogene Merkmale (Tierschutzindikatoren) zu erheben und zu bewerten.
(1) Längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 ist abweichend von § 5 Absatz 1 Satz 1 eine Betäubung nicht erforderlich für das Kastrieren von unter acht Tage alten männlichen Schweinen, sofern kein von der normalen anatomischen Beschaffenheit abweichender Befund vorliegt. Ist eine Betäubung nach Satz 1 nicht erforderlich, gilt § 5 Absatz 1 Satz 6 mit der Maßgabe entsprechend, dass insbesondere schmerzstillende Tierarzneimittel anzuwenden sind.
(1a) Bis zum 31. Mai 2019 wird dem Deutschen Bundestag eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums nach § 6 Absatz 6 zugeleitet. Die Zuleitung an den Deutschen Bundestag erfolgt vor der Zuleitung an den Bundesrat. Die Rechtsverordnung kann durch Beschluss des Deutschen Bundestages geändert oder abgelehnt werden. Der Beschluss des Deutschen Bundestages wird dem Bundesministerium zugeleitet. Hat sich der Deutsche Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang der Rechtsverordnung nicht mit ihr befasst, so wird die unveränderte Rechtsverordnung dem Bundesrat zugeleitet. Soweit die Rechtsverordnung auf Grund des Beschlusses des Bundesrates geändert wird, bedarf es keiner erneuten Zuleitung an den Bundestag.
(1b) Das Bundesministerium berichtet bis zum 30. Juni 2019 und dann mindestens alle sechs Monate dem zuständigen Fachausschuss des Deutschen Bundestages über die Umsetzungsfortschritte bei der Einführung alternativer Verfahren und Methoden zur betäubungslosen Ferkelkastration. Dabei soll das Bundesministerium unter anderem den Stand der arzneimittelrechtlichen Zulassung von Tierarzneimitteln für die Durchführung einer Betäubung bei der Ferkelkastration, den Stand der Technik bei Narkosegeräten, das entwickelte Schulungsmaterial und den Schulungserfolg darstellen.
(2) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2018 ist abweichend von § 5 Absatz 1 Satz 1 eine Betäubung nicht erforderlich für die Kennzeichnung von Pferden durch Schenkelbrand.
(3) (weggefallen)
(4) Die Erlaubnis nach § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 gilt demjenigen,
- 1.
der am 12. Juli 2013 eine im Sinne der vorgenannten Vorschriften erlaubnispflichtige Tätigkeit ausübt und - 2.
dem, soweit es sich dabei um eine nach diesem Gesetz in der bis zum 13. Juli 2013 geltenden Fassung erlaubnispflichtige Tätigkeit handelt, vor dem 13. Juli 2013 eine entsprechende Erlaubnis erteilt worden ist,
- 1.
wenn nicht bis zum 1. Januar 2014 die Erteilung einer endgültigen Erlaubnis beantragt wird oder - 2.
im Falle rechtzeitiger Antragstellung mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Antrag.
(4a) § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 ist ab dem 1. August 2014 anzuwenden.
(4b) § 11 Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe f ist ab dem 1. August 2014 anzuwenden.
(5) Bis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 11 Absatz 2 oder 6 Satz 2 ist § 11 Absatz 1 Satz 2 und 3, Absatz 2, 2a, 5 und 6 in der bis zum 13. Juli 2013 geltenden Fassung weiter anzuwenden mit der Maßgabe, dass
- 1.
auch derjenige, der Tierbörsen durchführt, ab dem 1. August 2014 die Anforderungen des § 11 Absatz 2 Nummer 1 in der vorstehend bezeichneten Fassung erfüllen muss und - 2.
derjenige, der gewerbsmäßig mit Wirbeltieren, außer landwirtschaftlichen Nutztieren, handelt, ab dem 1. August 2014 sicherzustellen hat, dass bei der erstmaligen Abgabe eines Wirbeltieres einer bestimmten Art an den jeweiligen künftigen Tierhalter mit dem Tier schriftliche Informationen über die wesentlichen Bedürfnisse des Tieres, insbesondere im Hinblick auf seine angemessene Ernährung und Pflege sowie verhaltensgerechte Unterbringung und artgemäße Bewegung, übergeben werden; dies gilt nicht bei der Abgabe an den Inhaber einer Erlaubnis nach § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe b in der vorstehend bezeichneten Fassung.
(6) § 11 Absatz 8 ist ab dem 1. Februar 2014 anzuwenden.
(6a) Das Bundesministerium berichtet bis zum 31. März 2023 dem zuständigen Fachausschuss des Deutschen Bundestages über den Stand der Entwicklung von Verfahren und Methoden zur Geschlechtsbestimmung im Hühnerei vor dem siebten Bebrütungstag.
(7) Vorbehaltlich des Satzes 3 und des Absatzes 8 sind die §§ 5, 6, 7, 7a, 8, 8a, 9, 10, 11, 15, 16, 16a und 18 in der sich jeweils aus Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes – Schutz von Versuchstieren – vom 18. Juni 2021 (BGBl. I S. 1828) ergebenden Fassung erst ab dem 1. Dezember 2021 anzuwenden. Bis zu dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt sind die dort genannten am 25. Juni 2021 geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. Soweit Vorschriften dieses Gesetzes zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, sind abweichend von Satz 1 die dort genannten Vorschriften in der dort genannten Fassung zum Zweck des Erlasses von Rechtsverordnungen ab dem 26. Juni 2021 anzuwenden.
(8) Im Falle von Tierversuchen nach § 7 Absatz 2 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2,
- 1.
deren Genehmigung vor dem 1. Dezember 2021 erteilt worden ist oder - 2.
deren Durchführung vor dem 1. Dezember 2021 nach den bis zu diesem Tag anzuwendenden Vorschriften dieses Gesetzes angezeigt und von der zuständigen Behörde nicht beanstandet worden ist,
(1) Wer
- 1.
Wirbeltiere oder Kopffüßer, - a)
die dazu bestimmt sind, in Tierversuchen verwendet zu werden, oder - b)
deren Organe oder Gewebe dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden,
- 2.
Wirbeltiere zu den in § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 genannten Zwecken züchten oder halten, - 3.
Tiere in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung halten, - 4.
Tiere in einem Zoologischen Garten oder einer anderen Einrichtung, in der Tiere gehalten und zur Schau gestellt werden, halten, - 5.
Wirbeltiere, die nicht Nutztiere sind, zum Zwecke der Abgabe gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung in das Inland verbringen oder einführen oder die Abgabe solcher Tiere, die in das Inland verbracht oder eingeführt werden sollen oder worden sind, gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung vermitteln, - 6.
für Dritte Hunde zu Schutzzwecken ausbilden oder hierfür Einrichtungen unterhalten, - 7.
Tierbörsen zum Zwecke des Tausches oder Verkaufes von Tieren durch Dritte durchführen oder - 8.
gewerbsmäßig, außer in den Fällen der Nummer 1, - a)
Wirbeltiere, außer landwirtschaftliche Nutztiere und Gehegewild, züchten oder halten, - b)
mit Wirbeltieren handeln, - c)
einen Reit- oder Fahrbetrieb unterhalten, - d)
Tiere zur Schau stellen oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen, - e)
Wirbeltiere als Schädlinge bekämpfen oder - f)
für Dritte Hunde ausbilden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter anleiten
(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1
- 1.
das Nähere zu der Form und dem Inhalt des Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 1, - 2.
die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung der Erlaubnis, - 3.
den Inhalt der Erlaubnis, im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 nur, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, sowie - 4.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der für die Erlaubniserteilung wesentlichen Sachverhalte, einschließlich der Pflicht zur Anzeige solcher Änderungen,
(3) In Rechtsverordnungen nach § 2a Absatz 1 oder § 4b können, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, über die dort genannten Anforderungen hinaus Anforderungen an die Haltung von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder an das Töten von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 vorgeschrieben werden, insbesondere
- 1.
Anforderungen an innerbetriebliche Abläufe zum Zwecke der Vermeidung, Feststellung und Beseitigung von Mängeln, - 2.
Maßnahmen zum Zwecke der Gewöhnung und des Trainings solcher Tiere im Hinblick auf ihre Haltung und Verwendung und - 3.
Anforderungen an den Erwerb und die Aufrechterhaltung der für die Betreuung und Pflege und das Töten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten; hierbei kann auch vorgeschrieben werden, dass Aufzeichnungen über die Maßnahmen, die zum Zwecke des Erwerbs und der Aufrechterhaltung der Kenntnisse und Fähigkeiten ergriffen werden, zu machen, aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen sind.
(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Arten an wechselnden Orten zu beschränken oder zu verbieten, soweit die Tiere der jeweiligen Art an wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden gehalten oder zu den wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden befördert werden können. Eine Rechtsverordnung nach Satz 1
- 1.
darf nur erlassen werden, soweit den in Satz 1 bezeichneten erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden durch andere Regelungen, insbesondere solche mit Anforderungen an die Haltung oder Beförderung der Tiere, nicht wirksam begegnet werden kann, - 2.
muss vorsehen, dass Tiere, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung gehalten werden, von dem Verbot nur dann erfasst werden, wenn keine Möglichkeiten bestehen, die erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden bei diesen Tieren auf ein vertretbares Maß zu vermindern.
(5) Mit der Ausübung der Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 darf erst nach Erteilung der Erlaubnis begonnen werden. Die zuständige Behörde entscheidet schriftlich oder elektronisch über den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis innerhalb einer Frist von vier Monaten ab Eingang des Antrags. Die in Satz 2 genannte Frist kann von der zuständigen Behörde um bis zu zwei Monate verlängert werden, soweit der Umfang und die Schwierigkeit der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Erlaubnis dies rechtfertigen. Der Antragsteller ist über die Fristverlängerung vor Ablauf der in Satz 2 genannten Frist unter Angabe von Gründen zu unterrichten. Bei der Berechnung der Frist bleiben die Zeiten unberücksichtigt, während derer der Antragsteller trotz schriftlicher oder elektronischer Aufforderung der Behörde den Anforderungen in einer auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung nicht nachgekommen ist. Die zuständige Behörde soll demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen, der die Erlaubnis nicht hat.
(6) Wer gewerbsmäßig Gehegewild halten will, hat dies vier Wochen vor Aufnahme der Tätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen. Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
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die Form und den Inhalt der Anzeige, - 2.
die Voraussetzungen, unter denen die Tätigkeit nach Satz 1 untersagt werden kann, und - 3.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der angezeigten Sachverhalte
(7) Die Ausübung der nach Absatz 5 Satz 6 oder auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 untersagten Tätigkeit kann von der zuständigen Behörde auch durch Schließung der Betriebs- oder Geschäftsräume verhindert werden.
(8) Wer Nutztiere zu Erwerbszwecken hält, hat durch betriebliche Eigenkontrollen sicherzustellen, dass die Anforderungen des § 2 eingehalten werden. Insbesondere hat er zum Zwecke seiner Beurteilung, dass die Anforderungen des § 2 erfüllt sind, geeignete tierbezogene Merkmale (Tierschutzindikatoren) zu erheben und zu bewerten.
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
- 1.
muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, - 2.
darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, - 3.
muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides ihres Oberbürgermeisters vom 28. Januar 2014 verpflichtet, über die Erteilung der von den Klägern am 18. Dezember 2013 beantragten Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Halten von Kangalfischen (Garra rufa) nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe a TierSchG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Im Ãœbrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte zu zwei Dritteln und die Kläger zu einem Drittel.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Tatbestand
2Am 18. Dezember 2013 stellten die Kläger bei der Beklagten gemeinsam einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe a Tierschutzgesetz (TierSchG) zum gewerblichen Halten von Kangalfischen (Garra rufa). Diese Fische kommen in verschiedenen Gewässern Eurasiens vor. Um sich zu ernähren, weiden sie den Biofilm von festen Oberflächen wie Steinen und Pflanzen ab. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie auch – ähnlich wie Putzerfische – als natürliche Verhaltensweise Hautschuppen von der Haut anderer Lebewesen abknabbern.
3Zweck des Genehmigungsantrags der Kläger ist die Eröffnung eines sogenannten Fisch-Spa, welches die Kläger künftig als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betreiben wollen. Ihrem Antrag fügten die Kläger ein von der Firma Q. erstelltes Betriebskonzept bei, das die Fisch-Spa-Behandlung sowie die technische Gestaltung des Vorhabens im Wesentlichen wie folgt beschreibt:
4Bei der Behandlung würden die Füße der Kunden in mit den Fischen besetzte Wasserbecken getaucht. Während der jeweils gebuchten Dauer knabberten die Fische dann Hautschuppen von den Füßen der Kunden ab. Es sei vorgesehen, in dem Fisch-Spa zehn bis fünfzehn Behandlungsbecken mit einem Volumen von zunächst ca. 337,5 Litern aufzustellen, in die, wie von den Klägern in der mündlichen Verhandlung klarstellend angegeben, jeweils 80 bis 100 Fische eingesetzt würden. Die Becken seien jeweils durch eine Schwarzglasscheibe in zwei Bereiche geteilt; der vordere Teil diene dem Aufenthalt der Fische und der Durchführung der Behandlung, der hintere sei für Filter und Pumpe vorgesehen. Die Filterung des Wassers in den Behandlungsbecken erfolge durch einen 3-Stufen-Biofilter. Dabei werde das Wasser zunächst aus dem Becken in die Filteranlage gepumpt. Anschließend gelange das durch den Filter gereinigte Wasser in einen 11-18 Watt starken UVC-Klärer, der ebenfalls den Keimgehalt des Wassers reduziere. Das hierin zusätzlich gereinigte Wasser werde dann wieder dem Becken zugeführt. Zusätzlich werde voraussichtlich eine Umkehrosmoseanlage verwendet, die Schwermetalle und Kalk aus dem Wasser filtere. Bei Bedarf könne ein Ozonisator zwischengeschaltet werden, der zusätzlich zu dieser Funktion die Gelbfärbung des Wassers durch Huminsäuren unterbinde. Um die Häufigkeit der notwendigen Wasserwechsel zu bestimmen, werde täglich u. a. der Nitritwert des Wassers gemessen. Darüber hinaus werde ein Wasserwertekontrollbuch über die genommenen wichtigsten Wasserwerte geführt. Ebenso werde ein Tierbestandskontrollbuch geführt, in das Tiereingänge und -ausgänge, Todesfälle und geschätzte Geburten eingetragen würden. In die Becken werde jeweils ein zur Hälfte mit Steinen befülltes sogenanntes Viertelröhrensystem aus Plexiglas eingebaut, das den Fischen als Rückzugsort, Schutz und Ablaichort diene. Die Fische würden ausschließlich in den Behandlungsbecken gehalten und erhielten mindestens acht Stunden lang Tageslicht bzw. im Winter entsprechendes künstliches Licht. Nachts würden die Fische für mindestens zwölf Stunden nicht gestört, jegliche Lichtquellen würden abgeschaltet. Die Becken würden nachts abgedeckt, um zu verhindern, dass die Fische herausspringen. Zur Vorbereitung der Behandlung nehme das Personal des Fisch-Spa bei den Kunden jeweils eine Reinigung und Desinfektion der Füße in der dafür vorgesehenen Anlage vor. Dabei würden die Füße gewaschen, desinfiziert und mit Klarwasser abgespült. Anschließend erhielten die Kunden OP-Überzieher oder Stofflatschen, um sich zu den Behandlungsbecken zu begeben. Die Behandlung werde ausschließlich zu Wellnesszwecken bzw. zu kosmetischen Zwecken an gesunder Haut erfolgen. Eine therapeutische Behandlung von Hautkrankheiten finde nicht statt. Kunden mit offenen Wunden oder sonstigen Krankheitssymptomen würden durch das in Krankheitsbildern geschulte Personal des Fisch-Spa von der Behandlung ausgeschlossen. Menschen mit Hautkrankheiten erhielten stattdessen die Möglichkeit, Fische zur Eigenbehandlung zu kaufen. Die Fische könnten – wie in der mündlichen Verhandlung von den Klägern klargestellt – bei dem Lieferanten der Kläger, der Firma Q. , gekauft werden. Mit dieser Firma bestehe auch eine Rücknahmevereinbarung für Fische, die aufgrund ihrer Größe nach spätestens vier bis fünf Jahren nicht mehr für die Behandlung eingesetzt werden könnten. Die Firma Q. werde diese anschließend zur Zucht einsetzen oder an Privatpersonen oder Vereine abgeben. Für die Übernahme der Fische berechne die Firma Q. den jeweils gültigen Tagespreis.
5Die Kläger fügten dem Antrag vom 18. Dezember 2013 außerdem Zeugnisse bei, die deren Teilnahme an einem Seminar für Fisch-Spa-Betreiber mit 16 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten bescheinigen. Der Kläger zu 1) legte zudem einen Sachkundenachweis in Süßwasseraquaristik vor.
6Mit an beide Kläger gerichtetem Bescheid vom 28. Januar 2014 lehnte die Beklagte die Erteilung der beantragten Genehmigung ab. Zur Begründung führte sie an, dass der Einsatz von Kangalfischen zu rein kosmetischen Zwecken vor dem Hintergrund eines ethisch geprägten Tierschutzes sowie der Staatszielbestimmung in Art. 20a GG eng beurteilt werden müsse und stützte sich vollumfänglich auf die Verfügung des Landes-amtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) vom 29. September 2011 (Az. 8.84-01.09.07.01). Danach sei die gewerbliche Haltung von Kangalfischen zur Durchführung von kosmetischen Behandlungen nicht nach dem TierSchG erlaubnisfähig. Die Beklagte wies darauf hin, dass das Vorhaben der Kläger auch unter hygienischen und arzneimittelrechtlichen Aspekten zu prüfen sei, wofür das hier entscheidende Umwelt- und Verbraucherschutzamt der Beklagten nicht zuständig sei. Zur Vermeidung gesundheitlicher Risiken für die Kunden sei ein nur einmaliger Einsatz der Fische notwendig. Diese Vorgehensweise sei aber wiederum tierschutzrechtlich zu beanstanden. Dabei müsse nämlich bereits nach kurzer Zeit eine große Anzahl von Fischen anderweitig untergebracht werden. In der zu erwartenden Größenordnung könnten die Kläger jedoch nicht gewährleisten, dass alle nicht mehr benötigten Fische Abnehmer fänden.
7Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides enthielt keinen Hinweis auf die Möglichkeit einer elektronischen Klageerhebung. Dem Bescheid fügte die Beklagte die folgenden drei Stellungnahmen zur Frage des gewerblichen Haltens von Kangalfischen bei:
8Stellungnahme von Herrn Dr. Kleingeld vom 23. Dezember 2010
9Schreiben von Prof. Dr. Rudolf Hoffmann vom 5. Oktober 2010
10Gutachten von Dr. Heidrich vom 28. April 2011
11In der von der Beklagten im Bescheid vom 28. Januar 2014 zitierten Verfügung des LANUV vom 29. September 2011 (Az. 8.84-01.09.07.01) nimmt dieses dahingehend Stellung, dass den Fischen durch die gewerbliche Haltung zur Durchführung kosmetischer Behandlungen unvermeidbare Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt würden, die nicht durch einen vernünftigen Grund gerechtfertigt seien. Es komme bei der Umsetzung der Fische von Haltungsbecken in Behandlungsbecken sowie durch das Hineinhalten von Armen und Beinen der Kunden in die Becken zwangsläufig zu Stresssituationen für die Fische. Das Wasser werde durch Rückstände von Kosmetika, Seifen und Parfums, Schweiß und Talg von der Haut der Kunden sowie Exkremente der Fische belastet. Nikotinabscheidungen von Kunden könnten sogar toxische Gefahren für die Fische verursachen. Lediglich bei Heilbehandlungen sei der Einsatz von Kangalfischen unter bestimmten Voraussetzungen erlaubnisfähig.
12Die Kläger haben am 28. Februar 2014 Klage erhoben. Zur Begründung machen sie geltend, dass weder für Heilbehandlungen noch zu kosmetischen Zwecken eine Erlaubnis beantragt worden sei. Die Fische würden lediglich aus Wellness-Gründen, also zur Entspannung und zum Genuss eingesetzt. Zum Ablauf der Behandlung ergänzen die Kläger, dass die Kunden eine Behandlungszeit von 20 oder 30 Minuten wählen könnten. Nach Ablauf der Behandlungszeit werde das Becken gereinigt und mit UV-Licht bestrahlt. Dies erfolge – so die Klarstellung der Kläger in der mündlichen Verhandlung – dauerhaft in dem jeweils abgetrennten Bereich der Becken, sodass die Fische nicht mit der Bestrahlung in Kontakt kommen. Anschließend sei das Becken quasi keimfrei. Wie ebenfalls in der mündlichen Verhandlung klargestellt, sei eine Taktung vorgesehen, bei der sich an eine 20-minütige Behandlungszeit eine Pause von 20 Minuten anschließe und dann wieder eine 20-minütige Behandlung stattfinde. Bereits die Verfügung des LANUV vom 29. September 2011, auf die sich die Beklagte in ihrem Bescheid vom 28. Januar 2014 stütze, sei ermessensfehlerhaft, da das LANUV im Rahmen der Rundverfügung von dem ihm eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht habe. Dies folge aus dem Wortlaut der Verfügung des LANUV, wonach eine gewerbsmäßige Haltung von Kangalfischen für die Durchführung kosmetischer Behandlungen „eindeutig“ nicht mit dem Tierschutzrecht vereinbar sei. Zudem habe das LANUV den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, weil es nicht alle ihm vorliegenden Sachverständigengutachten über die Belastung von Kangalfischen durch den Einsatz für kosmetische Behandlungen berücksichtigt habe. Auch der Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2014 leide an einem Ermessensnichtgebrauch, weil dieser die „Eindeutigkeit“ aus der Rundverfügung des LANUV übernehme. Darüber hinaus bestünden materiell-rechtlich keine Gründe für die Versagung der beantragten Genehmigung. Die Fische erlitten durch den von den Klägern geplanten Behandlungsablauf kein Leid. Sie seien nicht menschenscheu, sondern bewegten sich freiwillig auf Menschen bzw. deren Körperteile zu. Die Fische verhielten sich bei der Behandlung nicht anders als in ihrem natürlichen Lebensumfeld; es handele sich bei dem Anknabbern menschlicher Extremitäten ebenso wie bei dem Abweiden von Algen auf Steinen um ein angeborenes, instinktgesteuertes Verhalten. Dies sei insbesondere bei Jungfischen zu beobachten. Ein Versuch habe ergeben, dass die Fische das Knabbern sogar der Aufnahme von Futter vorzögen. Diejenigen Sachverständigengutachten, die eine Stresssituation der Fische annähmen, legten tatsächliche Umständen zugrunde, die nach dem Konzept der Kläger nicht bestünden. Insbesondere seien ausreichende Rückzugsmöglichkeiten für die Fische zur Stressvermeidung vorhanden. Es sei darüber hinaus ungeklärt, wie Stress der Tiere zu definieren sei und ob dieser – wenn er denn bestehe – auch tatsächlich mit einem Leiden der Fische einhergehe. Jedenfalls kurzzeitiger Stress sei nicht als Leiden zu qualifizieren. Es sei nach dem Konzept der Kläger gerade keine therapeutische Behandlung von Hautkrankheiten vorgesehen, weshalb von vornherein ein nur geringes Gesundheitsrisiko für die Kunden bestehe. Ungeachtet dessen seien gesundheitliche Fragen für die Erteilung einer tierschutzrechtlichen Erlaubnis nicht relevant. Eine einmalige Verwendung oder gar eine Tötung der Fische, auf die die Beklagte ihren Vortrag stütze, sei von den Klägern überhaupt nicht beabsichtigt. Zur Durchsetzung der tierschutzrechtlichen Zwecke sei der Beklagten die Erteilung einer Erlaubnis unter Auflagen möglich. Solche Auflagen habe die Beklagte gar nicht erst erwogen. Von der Erteilung der beantragten Erlaubnis hänge die wirtschaftliche Existenz der Kläger ab.
13Die Kläger beantragen,
14die Beklagte unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 28. Januar 2014 zu verpflichten, den Klägern die am 18. Dezember 2013 beantragte Erlaubnis zu erteilen, Wirbeltiere – namentlich Garra Rufa-Fische – gewerblich zu halten.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, dass auf der Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen und Gutachten davon ausgegangen werden müsse, dass die Fische durch das Ein- und Aussteigen der Kunden in die Becken zumindest kurzfristigem Stress ausgesetzt seien. Die von den Klägern geplanten Rückzugsmöglichkeiten für die Tiere genügten nicht, um das Entstehen von Stress auszuschließen. Diese Stresssituationen seien geeignet, Leiden der Fische im Sinne des § 2 Nr. 1 TierSchG hervorzurufen; auch Fische seien schmerzwahrnehmungsfähig. Ein vernünftiger Grund für diese Leiden bestehe nicht, weil die Behandlung der Kunden lediglich Wellness- und kosmetischen Zwecken dienen solle. Es sei ausschließlich der Einsatz der Fische zu Heilungszwecken nachvollziehbar und sinnvoll. Die Tierethik im Sinne des § 1 Satz 1 TierSchG verbiete es, Tiere zum bloßen Mittel für die menschliche Bedürfnisbefriedigung herabzustufen. Da es Hinweise darauf gebe, dass die Fische mit zunehmendem Alter mehr Raum benötigten und auch deren Knabberverhalten abnehme, sei der mögliche Einsatz ausgewachsener Fische mit steigendem Alter stark limitiert. Weil für eine Behandlung eine große Anzahl von Fischen benötigt werde, entstehe bei den Klägern schnell ein erhöhter Platzbedarf. Die Kläger könnten den entsprechend mit der Zeit ansteigenden Anforderungen an eine verhaltensgerechte Unterbringung der Tiere nicht gerecht werden. Der Vortrag der Kläger, demzufolge alle für den Einsatz bei der Behandlung zu groß bzw. zu alt gewordenen Fische vollständig von dem Züchter zurückgekauft würden, sei nicht nachvollziehbar. Die gesundheitlich-hygienischen Risiken für die Kunden seien auch im Rahmen der tierschutzrechtlichen Genehmigung zu berücksichtigen, weil diese in Zusammenhang mit der weiteren Verwendbarkeit der Fische nach erfolgter Behandlung stünden. Die Gefahren für Kunden seien nur dadurch zu verringern, dass die Fische zwischen zwei Behandlungen entweder einer Quarantäne unterzogen oder – und dies sei das effektivere Mittel – nach einer Behandlung getötet würden. Eine Tötung der Fische entbehre jedoch der Rechtfertigung durch einen vernünftigen Grund. Es sei hier die „Grundfrage“ zu klären, „ob nachweislich sichergestellt werden kann, dass die Fische nicht doch vorzeitig aufgrund ihrer erreichten Größe und des Einstellens der Knabbertätigkeit getötet werden“. Der Rundverfügung des LANUV vom 29. September 2011 liege eine Ermessensbetätigung zugrunde, weil zwischen den verschiedenen Zweckbestimmungen der Behandlungen unterschieden worden sei. Diese Rundverfügung stelle eine Ermessensleitlinie für die zuständigen Erlaubnisbehörden dar. Die Beklagte habe in ihrem Bescheid vom 28. Januar 2014 ebenfalls Ermessen ausgeübt, weil sie eine Abwägung zwischen den Interessen der Kläger und dem Tierschutz angestellt habe. Das LANUV halte an seiner Rundverfügung fest, an die sich die Beklagte gebunden sehe. Die Beklagte macht sich den Inhalt der Stellungnahme des LANUV vom 14. November 2014 zu Eigen. Danach sei der Schutzgedanke des § 1 Satz 1 TierSchG als Auslegungsgrundsatz für die übrigen Vorschriften zu verstehen. Der Schutz der Tiere durch Art. 20a GG stelle einen Gemeinwohlbelang von hohem Rang dar. Es sei mit diesem Staatsziel nicht zu vereinbaren, dass durch den Einsatz der Kangalfische zu rein kosmetischen Zwecken deren Wohlbefinden im Sinne von § 1 Abs. 1 TierSchG gestört werde. Die Belastung der Fische sei nicht erforderlich. Der durch die kosmetische Behandlung mit den Fischen eintretende Effekt lasse sich mit weniger belastenden Mitteln – etwa der Benutzung einer Bürste – mindestens ebenso gut erzielen. Die Tierschutzbehörden könnten daher nicht umhin, die Erlaubnis eines gewerblichen Einsatzes der Fische zu rein kosmetischen Zwecken aus ethischen Gründen zu versagen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Die Klage ist als Verpflichtungsklage gem. § 42 Abs. 1, 2. Var. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht innerhalb der Jahresfrist gem. § 58 Abs. 2 VwGO erhoben worden. Diese Frist gilt, weil die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides der Beklagten vom 28. Januar 2014 fehlerhaft war. Sie entsprach nicht den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO. Mangels Hinweises auf die bestehende Möglichkeit der elektronischen Klageerhebung war die Rechtsbehelfsbelehrung geeignet, die Kläger von einer rechtzeitigen Klageerhebung abzuhalten.
21Zum Maßstab vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 21. März 2002 – 4 C 2.01 –, juris.
22Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Mangels Spruchreife der Klage haben die Kläger jedoch nur einen Anspruch auf erneute Bescheidung ihres Antrags, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Dieser Anspruch folgt aus § 11 Satz 1 Nr. 8 Buchstabe a des Tierschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. Juli 2014, (BGBl. I S. 1308) (im Folgenden: TierSchG n. F.). Zum für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gilt diese Fassung des Gesetzes.
23Nach § 11 Satz 1 Nr. 8 Buchstabe a TierSchG n. F. bedarf unter anderem einer Erlaubnis der zuständigen Behörde, wer gewerbsmäßig Wirbeltiere züchten oder halten will. Die Kläger wollen in ihrem Fisch-Spa Kangalfische, also Wirbeltiere, jedenfalls zu gewerblichen Zwecken halten. Der Erlaubnispflicht steht es ungeachtet dessen, dass die Erlaubnis von den Klägern als jeweils natürlichen Personen beantragt wurde, nicht entgegen, dass die Kläger das Fisch-Spa in Form einer GbR betreiben wollen. Auch juristische Personen - und damit ggf. auch eine GbR - können Träger einer Erlaubnis nach § 11 TierSchG n. F. sein.
24Vgl. die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes vom 9. Februar 2000, Ziff. 12.1.6.
25Die Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung sind § 11 Satz 1 Nr. 8 Buchstabe a TierSchG n. F. selbst nicht zu entnehmen. Das zuständige Bundesministerium wird in § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TierSchG n. F. dazu ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung der Erlaubnis zu regeln. Weil von dieser Ermächtigung bislang kein Gebrauch gemacht worden ist, findet die Übergangsregelung des § 21 Abs. 5 Satz 1 TierSchG n. F. Anwendung. Danach ist bis zum Erlass einer Rechtsverordnung im Sinne des § 11 Abs. 2 TierSchG n. F. für die materiellen Voraussetzungen einer Erlaubnis die Vorschrift des § 11 Abs. 2 TierSchG in der bis zum 13. Juli 2013 geltenden Fassung (im Folgenden: TierSchG a. F.) weiter anzuwenden. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 - 4 TierSchG a. F. darf eine Erlaubnis nur erteilt werden, wenn die dort genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Werden die Voraussetzungen erfüllt, so ist die beantragte Erlaubnis zu erteilen; die Entscheidung über die Erlaubniserteilung ist eine gebundene Entscheidung.
26Verwaltungsgericht (VG) Meiningen, Urteil vom 30. Juni 2015 – 2 K 143/15 Me –, juris Rn. 22; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Mai 2014 – 16 K 5116/12 –, juris Rn. 43; Lorz/Metzger, TierSchG, 6. Aufl. 2008, § 11 Rn. 35; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl. 2007, § 11 Rn. 21; Goetschel, in: Kluge, TierSchG, 2002, § 11 Rn. 16.
27Bei dieser Entscheidung ist Folgendes zu berücksichtigen: Das in § 11 Abs. 1 TierSchG n. F. geregelte präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt betrifft überwiegend Tätigkeiten, die im Rahmen eines Berufes ausgeübt werden. Die Voraussetzungen einer entsprechenden Erlaubnis gem. § 11 Abs. 2 TierSchG a. F. dürfen nicht so interpretiert werden, dass die Gewährleistung der Berufsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungswidrig verkürzt wird. Bei der Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Erlaubniserteilung nach § 11 Abs. 2 TierSchG a. F. ist nicht ausschließlich der Tierschutz zu berücksichtigen. Vielmehr sind bei der Entscheidung über eine tierschutzrechtliche Erlaubnis der in Art. 20a GG als Staatszielbestimmung verankerte Tierschutz und das Freiheitsgrundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG in einen verfassungskonformen Ausgleich zu bringen. Bei dieser Abwägung hat die Erlaubnisbehörde die Möglichkeit der Erlaubniserteilung unter Beifügung von Nebenbestimmungen gem. § 11 Abs. 2a TierSchG a. F. in Erwägung zu ziehen. Nur wenn Zweifel am Vorliegen der Erlaubnisvoraussetzungen unter Beachtung der Berufsfreiheit eines Antragstellers nicht durch Nebenbestimmungen im Sinne des § 11 Abs. 2a TierSchG a. F. ausgeräumt werden können, ist die Erlaubnis zu versagen.
28Jedenfalls das pauschale Berufsverbot, welches das LANUV in seiner Rundverfügung vom 29. September 2011 für Betreiber von ausschließlich kosmetische Behandlungen anbietenden Fisch-Spas ausgesprochen hat und dem sich die Beklagte angeschlossen hat, lässt jegliche Auseinandersetzung mit der Berufsfreiheit der Tierhalter aus Art. 12 Abs. 1 GG vermissen. Eine solche ist jedoch gerade deshalb geboten, weil das tierschutzrechtliche Verbot als eine objektive Berufszulassungsregelung für alle Fisch-Spa-Betreiber die stärkste Form eines Eingriffs in die Berufsfreiheit darstellt. Das durch das LANUV in seiner Rundverfügung ausgesprochene Berufsverbot ist zudem eine für die Grundrechtsausübung potentieller Fisch-Spa-Betreiber so wesentliche Entscheidung, die nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Wesentlichkeitstheorie ohnehin nur der Gesetzgeber durch ein Parlamentsgesetz treffen darf. Das alleinige Berufen der Beklagten (des LANUV) auf den ethischen Tierschutz kann schon vor diesem Hintergrund die Versagung der Erlaubnis nicht tragen.
29Nach diesem Maßstab ist das Vorhaben der Kläger vielmehr grundsätzlich nach § 11 Abs. 2 TierSchG a. F. erlaubnisfähig.
30Die Kläger werden den Anforderungen in § 11 Abs. 2 Nr. 1 und 2 TierSchG a. F. gerecht. Danach muss die verantwortliche Person die für die Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten (Nr. 1) und Zuverlässigkeit (Nr. 2) haben. Beide Kläger haben gem. § 11 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG a. F. ihre fachlichen Kenntnisse über den Umgang mit Fischen durch die Vorlage der Zeugnisse über ein Seminar für Fisch-Spa-Betreiber bei der Firma Q. nachgewiesen. Der Kläger zu 1) verfügt zusätzlich über einen Sachkundenachweis in Süßwasseraquaristik. Das Gericht sieht ebenso wie die Beklagte keine Veranlassung dazu, an der Zuverlässigkeit der Kläger, die die für das Vorhaben die verantwortlichen Personen gem. § 11 Abs. 2 Nr. 2 TierSchG a. F. sind, zu zweifeln.
31Nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 TierSchG a. F. müssen zudem die der Tätigkeit dienenden Räume und Einrichtungen eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Ernährung, Pflege und Unterbringung der Tiere ermöglichen. Gem. § 2 Nr. 1 TierSchG muss ein Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht werden. Nach § 2 Nr. 2 TierSchG kann die Möglichkeit eines Tieres zu artgemäßer Bewegung als einziges seiner Bedürfnisse weitergehend eingeschränkt werden.
32vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 6. Juli 1999 –2 BvF 3/90 – Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 101, 1 (36 f.), juris Rn. 139.
33Im Verhältnis hierzu schützt § 2 Nr. 1 TierSchG die übrigen Grundbedürfnisse eines Tieres stärker. Ein Verstoß gegen das Verbot dieser Vorschrift liegt nicht erst vor, wenn einem Tier durch Einschränkungen seiner von der Norm geschützten Grundbedürfnisse Schmerzen, vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Auch wenn eine Unterbringung diese Grenzen noch nicht überschreitet, kann sie hinter den Anforderungen einer angemessenen Ernährung, Pflege bzw. Unterbringung im Sinne des § 2 Nr. 1 TierSchG zurückbleiben. Im Rahmen dieser Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob entsprechende Mängel bei der Ernährung, Pflege bzw. Unterbringung eines Tieres diesem Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt, sondern darauf, ob Ernährung, Pflege und Unterbringung eines Tieres angemessen verhaltensgerecht ausgestaltet sind.
34VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Mai 2014 – 16 K 5116/12 –, juris Rn. 47; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl. 2007, § 2 Rn. 30.
35Es bestehen – auch bei der Beklagten – keine Zweifel daran, dass die Kläger die Fische im Sinne des § 2 Nr. 1 TierSchG art- und bedürfnisgerecht ernähren und pflegen werden.
36Gemessen an den vorstehenden Ausführungen können die Voraussetzungen des § 2 Nr. 1 TierSchG hinsichtlich der Unterbringung auch dann erfüllt sein, wenn Kangalfische zur Durchführung rein kosmetischer und nicht therapeutischer Behandlungen eingesetzt werden. Auch unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks gem. § 1 TierSchG, der nach Art. 20a GG Verfassungsrang hat, ist im Rahmen der tierschutzrechtlichen Erlaubniserteilung ausschließlich entscheidend, ob die Haltungsbedingungen der Kangalfische angemessen art- und bedürfnisgerecht sind. Eine von den tatbestandlichen Erfordernissen losgelöste „Qualitätskontrolle“ des erlaubnispflichtigen Vorhabens, wie sie der Verfügung des LANUV vom 29. September 2011 und dessen Stellungnahme vom 14. November 2014 zu entnehmen ist, gehört nicht zum Prüfungsprogramm des § 2 Nr. 1 TierSchG. Eine wertende Unterscheidung zwischen einem Einsatz der Fische für therapeutische Behandlungen und einem Einsatz für rein kosmetische Behandlungen gibt die Vorschrift des § 2 Nr. 1 TierSchG schon deshalb nicht vor, weil es im Rahmen dieser Norm nicht auf die Prüfung eines vernünftigen Grundes ankommt.
37Die Unterbringung eines Tieres erfolgt angemessen entsprechend seiner Art und seinen Bedürfnissen, wenn diese es dem Tier ermöglicht, seine artgemäßen, unter natürlichen bzw. naturnahen Bedingungen bestehenden Grundbedürfnisse auszuüben. Maßgeblich hierfür ist das Normalverhalten von Tieren gleicher Art, Rasse und gleichen Alters.
38Hirt/Maisack/Moritz TierSchG, 2. Aufl. 2007, § 2 Rn. 9; von Loeper, in: Kluge, TierSchG, 2002, § 2 Rn 35.
39Zur Beurteilung der Frage, welche Bedürfnisse und Besonderheiten von Kangalfischen bei deren Unterbringung zu berücksichtigen sind, hat das Gericht folgende Gutachten und Stellungnahmen zugrunde gelegt:
40Stellungnahme von Herrn Dr. Michael Marahrens und Frau Dr. Inga Schwarzlose zum möglichen Schmerzempfinden von Fischen, 19. Dezember 2013
41Gutachten von Herrn Dr. Stefan Heidrich, „Die Haltung von Kangalfischen (Garra rufa) und deren Verwendung zu kosmetischen Zwecken unter Tierschutzgesichtspunkten“, 28. April 2011
42Stellungnahme von Herrn Dr. Kleingeld zur Frage, ob der gewerbliche Einsatz von Kangalfischen (Garra rufa) zu Wellnesszwecken mit den Grundsätzen des Tierschutzes vereinbar sein kann, 23. Dezember 2010
43Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. Rudolf Hoffmann zum Thema „Kangalfische in Kosmetikstudios“, 5. November 2010
44Stellungnahme von Veterinäroberrätin Dr. Moritz vom 28. Februar 2002 zur Haltung von rötlichen Saugbarben zum therapeutischen Einsatz
45Die Sachverständigen sehen übereinstimmend die Wasserqualität als entscheidend für das Wohlbefinden der Kangalfische an. Hierzu zählt insbesondere die Sauberkeit des Wassers, in dem die Fische gehalten werden. Diese ist nach dem Konzept der Kläger grundsätzlich gewährleistet. Das Wasser in den Behandlungsbecken wird ständig, also täglich 24 Stunden lang, durch einen jeweils im abgetrennten Bereich der Becken eingebauten 3-Stufen-Biofilter sowie durch einen UVC-Klärer gereinigt. Beide Geräte reduzieren durch unterschiedliche Mechanismen den Keimgehalt des Wassers. Durch den Einsatz der Geräte, insbesondere des mit UV-Licht arbeitenden UVC-Klärers, werden die Fische nicht gefährdet, weil sie hiermit nicht in Kontakt kommen. Das Wasser wird, wie die Kläger in der mündlichen Verhandlung erläutert haben, pro Stunde drei- bis viermal vollständig durch die Filter gepumpt. Zudem werden die Wasserwerte in den Becken täglich gemessen und ggf. erforderliche Wasserwechsel vorgenommen.
46Dr. Kleingeld (S. 5 f.), Prof. Dr. Hoffmann und Dr. Heidrich (S. 10) kommen darüber hinaus zu dem übereinstimmenden Ergebnis, dass biologische und chemische Belastungen des Wassers bei der Behandlung durch Schweiß und Talg sowie Seifenreste, Kosmetika und Parfums auf der Haut der Kunden entstehen können. Diese Belastungen könnten sich auf die Fische nachteilig auswirken. Diese Gefahren treten im Fisch-Spa der Kläger – wenn überhaupt – nur in äußerst geringem Maße auf, weil dort die zu behandelnden Hautstellen der Kunden von den Mitarbeitern der Kläger vor der Behandlung aufwändig gereinigt und desinfiziert werden; dies wurde seitens der Beklagten weder gewürdigt noch in Frage gestellt. Damit können höchstens sehr geringfügige Rückstände von Seifen, Kosmetika, Parfums, Talg oder Schweiß in das Wasser der Behandlungsbecken gelangen. Diese – eventuell bestehenden – äußerst geringen Risiken für die Fische führen allein jedoch nicht zu der Annahme, dass die Unterbringung der Fische nicht angemessen art- und bedürfnisgerecht im Sinne des § 2 Nr. 1 TierSchG erfolgt.
47Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Mai 2014 – 16 K 5116/12 –, juris Rn. 62.
48Prof. Dr. Hoffmann warnt zudem vor Gefahren für die Fische durch toxische Belastungen des Wassers, die durch Nikotinabscheidungen von den Fingern bei rauchenden Kunden entstehen könnten. Diese Gefahren bestehen jedoch bei dem Vorhaben der Kläger – wenn überhaupt – nur in äußerst geringem Maße, weil hier lediglich die Füße der Kunden behandelt werden sollen. Ein Risiko der Erkrankung der Fische dadurch, dass bei den Behandlungen menschliche Krankheitserreger in das Wasser gelangen könnten, besteht ebenfalls nicht. Diese Auffassung stützt das Gericht auf die Stellungnahme der Veterinäroberrätin Dr. Moritz, nach der im Zusammenhang mit Hauterkrankungen in Erscheinung tretende menschliche Keime bisher nicht als Krankheitserreger für Fische bekannt geworden seien.
49Dem Gutachten von Dr. Heidrich (S. 4) zufolge reagieren Kangalfische empfindlich auf Sauerstoffmangel, weshalb – insbesondere bei höheren Besatzdichten – eine gute Wasserumwälzung erforderlich ist. Eine angemessene bedürfnisgerechte Sauerstoffzufuhr in den Becken ist im Vorhaben der Kläger grundsätzlich sichergestellt. Nach deren Konzept entsteht bereits durch das ständige Umwälzen des Wassers eine starke Strömung. Bei Bedarf können zusätzlich Ozongeräte in die Becken eingebaut werden, die zum einen das Wasser mit Sauerstoff versorgen und zum anderen zusätzlich den Keimgehalt des Wassers reduzieren. Etwaige Zweifel an einer angemessen bedürfnisgerechten Sauerstoffversorgung der Kangalfische hat die Beklagte unabhängig davon auch nicht geäußert.
50Die dem Gericht vorliegenden Gutachten benennen zudem verschiedene Stressfaktoren für die Fische, die durch deren Einsatz für kosmetische Behandlungen entstehen können:
51So wird die Besatzdichte in den Becken, also das Verhältnis von Wassermenge zu der Anzahl der eingesetzten Fische, als möglicher Stressfaktor diskutiert. Denn die Ausscheidungen der Fische wirken sich auf die Sauberkeit des Wassers aus, so Dr. Kleingeld (S. 2) und Prof. Dr. Hoffmann (S. 1). Dieser Umstand ist in Zusammenhang mit den anderen Besonderheiten der Kangalfische zu setzen. Kangalfische sind laut Gutachten von Dr. Kleingeld (S. 10) und Dr. Heidrich (S. 5) Schwarmfische, weshalb grundsätzlich eine Haltung mit mehreren Fischen gemeinsam erforderlich ist. Konkrete Vorgaben für die Besatzdichte in Haltungsbecken für Kangalfische gibt es nicht. Dementsprechend werden verschiedene Vorschläge für ein angemessenes Verhältnis von Wasservolumen und Fischanzahl gemacht. So empfiehlt Dr. Kleingeld (S. 10) ein Verhältnis von maximal einem Zentimeter Fisch pro Liter Wasser, Prof. Dr. Hoffmann (S. 1) den Einsatz von zehn Litern pro Fisch vor. Dr. Heidrich hingegen schlägt in seinem Gutachten (S. 12) vor, die Besatzdichte nicht an fixen Zahlen auszurichten, sondern diese danach anzupassen, wie sich die Tiere verhalten. Bei Kangalfischen ist bei erhöhter Besatzdichte den Gutachten von Dr. Heidrich (S. 7), Dr. Kleingeld (S. 6) und Prof. Dr. Hoffmann (S. 1) zufolge der sogenannte „crowding effect“ zu beobachten. Dieser Begriff umschreibt den Umstand, dass die intraspezifische Aggressivität von Kangalfischen bei hoher Besatzdichte herabgesenkt wird, weil sie sich weniger für die einzelnen Artgenossen interessieren. Nach dem Gutachten von Dr. Heidrich (S. 7) ist dies ein typisches Schwarmverhalten. Dr. Kleingeld (S. 6) zufolge ist dieser Effekt nicht zwangsläufig mit Schmerzen, Leiden oder Schäden der Fische verbunden. Prof. Dr. Hoffmann (S. 1) nimmt hingegen an, dass die Aggressionshemmung zu einer hohen Stressbelastung bei den Fischen führt. Das Gericht ist hingegen davon überzeugt, dass der „crowding effect“ nicht dazu zwingt, die Fische nur in möglichst geringer Besatzdichte unterzubringen. Aus den übereinstimmenden und schlüssigen Ausführungen von Dr. Heidrich und Dr. Kleingeld folgt, dass sich Kangalfische aufgrund ihrer Eigenschaft als Schwarmfische bei einer hohen Anzahl von Artgenossen eher der Vielzahl der anderen Fische anpassen. Eine besonders geringe Besatzdichte wird den artgemäßen Eigenschaften der Kangalfische konsequenterweise weniger gerecht. Worauf die Annahme einer hohen Stressbelastung durch den „crowding effect“ basiert, ist in der Stellungnahme von Prof. Dr. Hoffmann nicht ansatzweise dargelegt; diese ist angesichts der Tatsache, dass Kangalfische in der Natur in Schwärmen leben, auch nicht nachvollziehbar. Für die Beurteilung, welches Verhältnis für eine angemessen art- und bedürfnisgerechte Unterbringung der Kangalfische herzustellen ist, sind die Vorteile einer möglichst geringen Besatzdichte mit den Vorteilen einer möglichst kurzen Behandlungsdauer für die Fische abzuwägen. Je weniger Fische sich in den Behandlungsbecken befinden, desto länger dauert eine effektive bzw. sinnvolle kosmetische Behandlung der Füße der Kunden. Vor dem Hintergrund, dass die Fische durch die Behandlung gestört werden könnten, ist es von Vorteil für die Fische, wenn eine Behandlung zügig durchgeführt werden kann. Laut Gutachten von Dr. Heidrich (S. 8) knabbern nicht alle Fische ohne Unterbrechung an Extremitäten von Menschen, was für die Behandlung eine Mindestanzahl der Fische in den Becken erforderlich macht. Welche Anzahl für eine kosmetische Behandlung von Füßen benötigt wird, steht nicht fest. Dr. Heidrich (S. 8) berichtet aus der Praxis von verschiedenen Zahlen von Fischen, die für eine Behandlung im Allgemeinen erforderlich sein sollen:
52- zwischen 10 und 50 Fische, die mind. 4-7 cm groß sind
53- 50 Fische pro 200 Liter Wasser
54- 150 Fische in einer Wanne
55- 50 Fische in einem 170-Liter-Becken
56- zu wenig: 10 Fische in einem 100-Liter-Becken
57Vor dem Hintergrund dieser Zahlen geht das Gericht davon aus, dass die von den Klägern mindestens vorgesehenen 80 Fische in einem zumindest 337,5-Liter fassenden Becken ausreichen, um eine Behandlung der Füße eines Kunden effektiv und zügig durchzuführen. Legt man die von den Klägern geplante Höchstzahl von 100 Fischen pro Becken zugrunde, entspricht dies einem Verhältnis von ca. 3,37 Litern Wasser pro Fisch. Bei einer Besetzung mit nur 80 Fischen sind dies ca. 4,21 Liter Wasser pro Fisch. Unter Abwägung mit den Vorteilen einer möglichst zügigen Behandlung und angesichts der Tatsache, dass es für das Verhältnis von Fischen und Wassermenge keine konkrete Vorgabe gibt, wird diese von den Klägern geplante Besatzdichte einer angemessen art- und bedürfnisgerechten Unterbringung der Kangalfische grundsätzlich gerecht. Im Übrigen haben weder die Beklagte noch das LANUV die von den Klägern geplante Besatzdichte beanstandet.
58Dies gilt auch im Hinblick auf das Wachstum der Fische: Dr. Kleingeld (S. 2) geht davon aus, dass die Fische mit steigendem Alter und damit steigender Größe mehr Platz benötigen. Selbst wenn man dieser Ansicht folgte, führte dies nicht dazu, dass das Unterbringungskonzept der Kläger nicht die Voraussetzungen des § 2 Nr. 1 TierSchG erfüllte. Gleiches gilt für den Umstand, dass sich die Fische in den Becken vermehren. Denn den Klägern ist es jederzeit möglich, die Besatzdichte wieder zu reduzieren, indem sie von der in der mündlichen Verhandlung eingehend dargelegten und seitens der Beklagten nicht mehr in Frage gestellten Rücknahmevereinbarung mit der Firma Q. Gebrauch machen. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass sich die Besatzdichte auch auf natürliche Weise verringert, etwa weil nicht alle Fische die ersten Jahre überleben bzw. schwache Fische von anderen gefressen werden.
59Die Fische sind nach dem Konzept der Kläger von vornherein keinem Stress ausgesetzt, der durch das Umsetzen zwischen Haltungs- und Behandlungsbecken ausgelöst wird. Nach Ansicht von Dr. Kleingeld (S. 5), Dr. Heidrich (S. 11) und Prof. Dr. Hoffmann (S. 1) führt ein solches Umsetzen zu Stresssituationen für die Tiere. Hierzu kommt es bei den Klägern aber nicht, weil bei ihnen die Fische dauerhaft ausschließlich in den Behandlungsbecken gehalten werden.
60Die von den Klägern geplante Haltung wird auch dem natürlichen Ruheverhalten der Kangalfische gerecht. In diesem Zusammenhang weisen Dr. Heidrich (S. 10 f.) und Dr. Kleingeld (S. 10) darauf hin, dass in den Haltungsbecken ausreichend Rückzugsmöglichkeiten für die Kangalfische zur Verfügung stehen müssen. Bei dem Vorhaben der Kläger ist grundsätzlich gewährleistet, dass die Fische sich in ausreichendem Maße zurückziehen können. Im jeweils hinteren Bereich wird ein Viertelröhrensystem in jedes Becken eingebaut. Dieses System besteht aus einem Viertel einer Plexiglasröhre, die zur Hälfte mit Steinen gefüllt wird. Die Röhre ist zu beiden Seiten hin geöffnet und erstreckt sich jeweils fast über die gesamte Breite eines Beckens. An den Seiten wird zum Beckenrand Platz gelassen, damit die Fische in die Röhre hineinschwimmen und sich darin verstecken können. Dort sind sie sowohl vor anderen Fischen als auch vor den Beinen und Füßen der Kunden geschützt. Auch die Steine bleiben auf diese Weise stabil, weil die Kunden nicht an die Steine stoßen können. Angesichts der Größe der Plexiglasröhre bietet diese grundsätzlich ausreichenden Schutz für die in die Becken eingesetzten Fische. Die Beklagte hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen dieses System keine ausreichende Rückzugsmöglichkeit für die Fische darstellen soll. Insbesondere hat sie – auch in Kenntnis der eingehenden Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung – weder konkrete Defizite des Systems noch Mindestanforderungen an eine angemessen art- und bedürfnisgerechte Rückzugsmöglichkeit benannt.
61Das Gericht ist der Auffassung, dass die Plexiglasröhren für die Fische auch während einer Behandlung eine ausreichende Rückzugsmöglichkeit bieten. Dr. Kleingeld (S. 10 f.) geht als einziger der Gutachter davon aus, dass bei einer Haltung ausschließlich in den Behandlungsbecken die Bedürfnisse der Fische, sich verstecken zu können, während der Behandlungsphase nicht oder nur unzureichend berücksichtigt werden können. Dieser Ansicht schließt sich das Gericht nicht an. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb sich die Fische, die sich auch während einer Behandlungsphase in ihrer gewohnten Umgebung befinden, allein wegen des Eintauchens menschlicher Körperteile nicht in den ihnen bekannten Rückzugsmöglichkeiten verstecken sollten. Dies wird in dem Gutachten von Dr. Kleingeld auch nicht erläutert.
62Das Ruheverhalten der Fische wird auch dann nicht unangemessen gestört, wenn sie sich wie hier dauerhaft in den Behandlungsbecken aufhalten. Das Eintauchen menschlicher Füße und Beine in die Becken bei den Behandlungen löst für sich genommen keinen permanenten Stress für die Fische aus. Dies schließt das Gericht aus den insoweit überzeugenden Ausführungen im Gutachten von Dr. Heidrich (S. 5 f., 8, 10). Er erläutert (S. 8), dass Kangalfische nicht menschenscheu sind, sich freiwillig auf menschliche Körperteile zubewegen und an diesen knabbern, wie sie es sonst mit algenbewachsenen Steinen tun. Besonders Jungfische seien nach Aussage eines Diplombiologen und Zierfischspezialisten geradezu versessen, zu putzen und Algen zu fressen. Bei dem Knabbern handele es sich um ein angeborenes Verhalten, das auch durch verschiedene Halter von Kangalfischen bestätigt werde. Dieses Verhalten habe sich auch bei einem Wahlversuch gezeigt, bei dem der Großteil der Kangalfische das Knabbern der Aufnahme von Futter bevorzugt hätte. Zum gegenteiligen Ergebnis kommt ausschließlich Prof. Dr. Hoffmann (S. 2), der davon ausgeht, dass die menschlichen Körperteile in den Behandlungsbecken von den Fischen als potentielle Fressfeinde und damit als eine dauerhafte Bedrohung wahrgenommen würden. Diese Auffassung teilt Dr. Kleingeld (S. 5) ausdrücklich nicht. Das Gericht schließt sich der Annahme von Prof. Dr. Hoffmann ebenfalls nicht an. Im Gegensatz zu den Ausführungen von Dr. Heidrich, der für seine schlüssig und detailliert dargelegten Annahmen Quellen aus Wissenschaft und Praxis zitiert und diese zusätzlich durch Hinweis auf einen entsprechenden Wahlversuch untermauert, stellt Prof. Dr. Hoffmann lediglich die These auf, menschliche Körperteile würden als Fressfeinde wahrgenommen, ohne sie zu belegen. Es ist auch nicht logisch nachvollziehbar, dass sich die Fische – selbst wenn sie die menschlichen Körperteile als Fressfeinde wahrnähmen – diesen nicht durch Verstecken entziehen könnten.
63Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Mai 2014 – 16 K 5116/12 –, juris Rn. 65.
64Auch die Eintauchbewegungen oder sonstigen Bewegungen der Kunden während einer Behandlung führen nicht zu einem Verstoß der Haltung gegen § 2 Nr. 1 TierSchG. Dr. Kleingeld (S. 5) und Prof. Dr. Hoffmann (S. 2) gehen übereinstimmend davon aus, dass jedenfalls hektische Bewegungen der Beine und Füße der Kunden während der Behandlung kurzfristigen Stress bei den Kangalfischen auslösen.
65So auch die Annahme des VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Mai 2014 – 16 K 5116/12 –, juris Rn. 65.
66Dieser akute Stress wird bei den Fischen nach Auffassung von Dr. Kleingeld (S. 5) jedoch schon innerhalb kurzer Zeit wieder abgebaut. Diese Auffassung ist nachvollziehbar ist und wird von den anderen Sachverständigen nicht widerlegt. Ein möglicherweise von den Fischen aufgrund hektischer Bewegungen der Kunden empfundener, akuter Stress kann dadurch kompensiert werden, dass den Fischen angemessen lange Pausen zwischen den Behandlungen gewährt werden. Nach dem Konzept der Kläger ist daher die folgende Taktung vorgesehen: 20 Minuten Behandlung – 20 Minuten Pause – 20 Minuten Behandlung. Zu bedenken ist hierbei auch, dass ein einzelnes Behandlungsbecken während der Geschäftszeiten nicht dauerhaft in diesem Rhythmus von Kunden genutzt wird, weil voraussichtlich nicht entsprechend viele Kunden das Fisch-Spa besuchen werden. Der Vertreter der Firma Q. , der nach eigenen Angaben deutschlandweit ca. 70 Fisch-Spas betreut, hat in der mündlichen Verhandlung berichtet, dass nach seinen Erfahrungswerten in Fisch-Spas oftmals nur etwa 25% der Becken täglich voll ausgelastet sind. Die Kläger planen, den Behandlungstakt möglichst dadurch zu strecken, dass sie die Kunden auf verschiedene freie Becken verteilen. Auf diese Weise ist grundsätzlich gewährleistet, dass sich die Fische durch ausreichende Pausen zwischen zwei Behandlungen erholen können. Das mögliche Stressniveau der Tiere kann zudem auch durch entsprechende Anweisungen gegenüber Kunden von vorherein gering gehalten werden. Das Vorhaben der Kläger sieht dementsprechend vor, dass das Personal vor jeder Behandlung die Kunden anweist, sich während der Behandlung ruhig zu verhalten.
67Die Unterbringung der Tiere im Sinne des § 2 Nr. 1 TierSchG wird nach dem Konzept der Kläger grundsätzlich auch für diejenigen Fische gewährleistet, die für die Behandlungen aufgrund ihres Alters nicht mehr eingesetzt werden können. Die Kläger haben mit ihrem Lieferanten, der Firma Q. , eine Rücknahmevereinbarung für diese Fische geschlossen. Es bestehen aus tierschutzrechtlicher Sicht keine Bedenken hinsichtlich dieser Vorgehensweise. Dass eine solche Rücknahmevereinbarung besteht, ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus wirtschaftlichen Gründen anzuzweifeln. Die Kläger zahlen der Firma für die Rücknahme pro Fisch den jeweils geltenden Tagespreis. Wie die Tiere in der Folge bei der Firma Q. untergebracht werden, ist nicht im Rahmen der Erlaubniserteilung für die Kläger zu berücksichtigen. Auch insoweit bestehen für das Gericht jedoch keine Zweifel. Der Inhaber der Firma Q. hat in der mündlichen Verhandlung eingehend dargelegt, dass die Rücknahme und weitere Unterbringung der Fische tierschutzgerecht ist. Zudem existiert nach Erkenntnissen des Gerichts auch ein Markt für ältere Kangalfische. Auch ein ggf. tierschutzrechtlich relevantes Töten nicht mehr einsatzfähiger Fische beabsichtigen die Kläger – wie sie mehrfach betont haben – nicht.
68Auch den Erfordernissen des § 2 Nr. 2 TierSchG wird die von den Klägern geplante Haltung der Kangalfische grundsätzlich gerecht. Nach dieser Vorschrift darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränkt werden, dass dem Tier Schmerzen, vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Aufgrund der überzeugenden Erläuterungen in der Stellungnahme von Dr. Michael Marahrens und Frau Dr. Inga Schwarzlose geht das Gericht davon aus, dass Fische – auch Kangalfische – in der Lage sind, Schmerzen bzw. Leiden zu empfinden, sodass die Vorschrift des § 2 Nr. 2 TierSchG auch auf Kangalfische Anwendung finden kann.
69Die Kangalfische werden bereits durch das Halten in den Becken in ihrer Bewegungsfreiheit beeinträchtigt. Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass allein dadurch Schmerzen bzw. vermeidbare Leiden oder Schäden bei den Fischen hervorgerufen werden.
70Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Mai 2014 – 16 K 5116/12 –, juris Rn. 68.
71Auch die besonderen Umstände, die sich durch den Einsatz der Fische zu kosmetischen Behandlungen ergeben, könnten eine Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit der Fische darstellen. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn besonders viele Fische dauerhaft in ein Behandlungsbecken eingesetzt würden. Dies ist – wie bereits ausgeführt – bei dem Vorhaben der Kläger nicht der Fall. Es ist grundsätzlich auch denkbar, dass sich die Fische weniger frei bewegen können, wenn Kunden ihre Füße und Beine in die Becken halten. Ob der hierdurch möglicherweise entstehende akute Stress der Fische überhaupt auf einer Bewegungsbeeinträchtigung beruht oder Leiden oder Schäden im Sinne des § 2 Nr. 2 TierSchG darstellt, kann dahinstehen, weil keiner der Gutachter die kurzzeitigen Stresssituationen als Schmerzen wertet und entsprechende Leiden oder Schäden der Fische jedenfalls unvermeidbar im Sinne des § 2 Nr. 2 TierSchG sind. Diese Vorschrift regelt ein absolutes Verbot der Zufügung von Schmerzen und ein eingeschränktes Verbot der Zufügung von Leiden oder Schäden. Verursacht die Bewegungsbeschränkung Leiden oder Schäden bei einem Tier, so ist dies nur verboten, wenn diese Leiden oder Schäden vermeidbar sind.
72Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 2. Aufl. 2007, § 2 Rn. 38 f.
73Leiden oder Schäden eines Tieres sind vermeidbar, wenn es für deren Verursachung keinen vernünftigen Grund gibt, die Verursachung von Leiden oder Schäden also nicht verhältnismäßig ist. Verfassungslegitimer Zweck (Art. 12 Abs. 1 GG) des Vorhabens der Kläger ist der Betrieb eines Fisch-Spas, in dem die Kunden ihre Füße kosmetisch behandeln lassen können. Auch wenn nach dem Konzept der Kläger keine Heilbehandlungserfolge durch die Behandlung erzielt werden, ist der Zweck des Betriebes nicht etwa von vornherein als sittenwidrig oder sonst unterwertig zu qualifizieren.
74So bereits VG Meiningen, Urteil vom 30. Juni 2015 – 2 K 143/15 Me –, juris Rn. 41; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Mai 2014 – 16 K 5116/12 –, juris Rn. 72.
75Die Kangalfische werden durch die Kläger als Nutztiere eingesetzt und nicht – wie die Beklagte meint – zur bloßen Bedürfnisbefriedigung von Menschen herabgestuft. Dies wird aus dem professionell gestalteten Konzept der Kläger deutlich. Weil die Kläger mit dem Betrieb des Fisch-Spas einen Beruf ausüben wollen, ist der Zweck verfassungsrechtlich durch die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Zweifel an der Geeignetheit der gewerblichen Haltung von Kangalfischen zur Eröffnung eines Betriebs, in dem kosmetische Behandlungen mit den Fischen angeboten werden, bestehen nicht. Die von den Klägern geplante gewerbliche Haltung der Fische ist auch erforderlich. Dies ist im Rahmen des § 2 Nr. 2 TierSchG der Fall, wenn es keine andere zur Zweckerreichung gleich effektive Maßnahme gibt, die ein Tier weniger belastet. Tierschonendere Handlungsalternativen kommen hier insofern in Betracht, als bestimmte Haltungsbedingungen zugunsten der Fische verändert werden können. Dies kann durch entsprechende Nebenbestimmungen zu einer Erlaubnis gem. § 11 Abs. 2a TierSchG a. F. sichergestellt werden, rechtfertigt jedoch keine pauschale Versagung der Erlaubnis. Die Haltung der Fische ist auch angemessen. Der verfassungsrechtlich verankerte Tierschutz wird durch das Vorhaben der Kläger nicht in einer Weise beeinträchtigt, die ein Berufsverbot für die Kläger rechtfertigen könnte.
76Die Voraussetzungen des § 2 Nr. 3 TierSchG werden durch die Kläger ebenfalls erfüllt. Aus den vorgelegten Nachweisen über ein Fisch-Spa-Seminar sowie über die Sachkunde in Süßwasseraquaristik geht hervor, dass die Kläger über die Kenntnisse und Fähigkeiten im Sinne des § 2 Nr. 3 TierSchG verfügen.
77Die Erlaubnis nach § 11 Satz 1 Nr. 8 Buchstabe a TierSchG n. F. ist an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Insbesondere sind eventuell bestehende gesundheitliche Risiken durch die Fisch-Spa-Behandlungen für die Kunden nicht im Rahmen der tierschutzrechtlichen Erlaubniserteilung zu berücksichtigen. Sie spielen für die Erlaubnis zum gewerblichen Halten der Kangalfische auch nicht mittelbar – wie die Beklagte meint – eine Rolle. Es ist keineswegs geboten, wegen der möglicherweise bestehenden Gesundheitsgefahren für Menschen darauf zu schließen, dass die Kläger die Fische nur einmal für Behandlungen einsetzen. Sie haben mehrfach vorgetragen, die Fische dauerhaft für eine Vielzahl von Behandlungen halten zu wollen.
78Das Gericht konnte die Beklagte jedoch nicht dazu verpflichten, den Klägern die beantragte Erlaubnis zu erteilen, weil die Sache noch nicht spruchreif ist, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Die noch bestehenden Unsicherheiten darüber, ob das Vorhaben der Kläger alle Erlaubnisvoraussetzungen erfüllt – insbesondere diejenigen nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 TierSchG a. F. i. V. m. § 2 TierSchG –, kann und ggf. muss (Art. 12 Abs. 1 GG) die Beklagte dadurch ausräumen, dass sie zum Schutz der Tiere Nebenbestimmungen zu einer Erlaubnis gem. § 11 Abs. 2a TierSchG a. F. erlässt. Von dem ihr nach dieser Vorschrift eingeräumten Ermessen hat die Beklagte bisher noch keinen Gebrauch gemacht. Die Beklagte hat Befristungen, Bedingungen oder Auflagen zu einer tierschutzrechtlichen Erlaubnis für das Vorhaben der Kläger nicht in Erwägung gezogen.
79Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
80Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
81Anlass, die Berufung gem. § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, bestand nicht, weil keiner der Gründe gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 4 VwGO vorliegt.
(1) Wer
- 1.
Wirbeltiere oder Kopffüßer, - a)
die dazu bestimmt sind, in Tierversuchen verwendet zu werden, oder - b)
deren Organe oder Gewebe dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden,
- 2.
Wirbeltiere zu den in § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 genannten Zwecken züchten oder halten, - 3.
Tiere in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung halten, - 4.
Tiere in einem Zoologischen Garten oder einer anderen Einrichtung, in der Tiere gehalten und zur Schau gestellt werden, halten, - 5.
Wirbeltiere, die nicht Nutztiere sind, zum Zwecke der Abgabe gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung in das Inland verbringen oder einführen oder die Abgabe solcher Tiere, die in das Inland verbracht oder eingeführt werden sollen oder worden sind, gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung vermitteln, - 6.
für Dritte Hunde zu Schutzzwecken ausbilden oder hierfür Einrichtungen unterhalten, - 7.
Tierbörsen zum Zwecke des Tausches oder Verkaufes von Tieren durch Dritte durchführen oder - 8.
gewerbsmäßig, außer in den Fällen der Nummer 1, - a)
Wirbeltiere, außer landwirtschaftliche Nutztiere und Gehegewild, züchten oder halten, - b)
mit Wirbeltieren handeln, - c)
einen Reit- oder Fahrbetrieb unterhalten, - d)
Tiere zur Schau stellen oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen, - e)
Wirbeltiere als Schädlinge bekämpfen oder - f)
für Dritte Hunde ausbilden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter anleiten
(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1
- 1.
das Nähere zu der Form und dem Inhalt des Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 1, - 2.
die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung der Erlaubnis, - 3.
den Inhalt der Erlaubnis, im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 nur, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, sowie - 4.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der für die Erlaubniserteilung wesentlichen Sachverhalte, einschließlich der Pflicht zur Anzeige solcher Änderungen,
(3) In Rechtsverordnungen nach § 2a Absatz 1 oder § 4b können, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, über die dort genannten Anforderungen hinaus Anforderungen an die Haltung von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder an das Töten von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 vorgeschrieben werden, insbesondere
- 1.
Anforderungen an innerbetriebliche Abläufe zum Zwecke der Vermeidung, Feststellung und Beseitigung von Mängeln, - 2.
Maßnahmen zum Zwecke der Gewöhnung und des Trainings solcher Tiere im Hinblick auf ihre Haltung und Verwendung und - 3.
Anforderungen an den Erwerb und die Aufrechterhaltung der für die Betreuung und Pflege und das Töten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten; hierbei kann auch vorgeschrieben werden, dass Aufzeichnungen über die Maßnahmen, die zum Zwecke des Erwerbs und der Aufrechterhaltung der Kenntnisse und Fähigkeiten ergriffen werden, zu machen, aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen sind.
(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Arten an wechselnden Orten zu beschränken oder zu verbieten, soweit die Tiere der jeweiligen Art an wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden gehalten oder zu den wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden befördert werden können. Eine Rechtsverordnung nach Satz 1
- 1.
darf nur erlassen werden, soweit den in Satz 1 bezeichneten erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden durch andere Regelungen, insbesondere solche mit Anforderungen an die Haltung oder Beförderung der Tiere, nicht wirksam begegnet werden kann, - 2.
muss vorsehen, dass Tiere, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung gehalten werden, von dem Verbot nur dann erfasst werden, wenn keine Möglichkeiten bestehen, die erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden bei diesen Tieren auf ein vertretbares Maß zu vermindern.
(5) Mit der Ausübung der Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 darf erst nach Erteilung der Erlaubnis begonnen werden. Die zuständige Behörde entscheidet schriftlich oder elektronisch über den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis innerhalb einer Frist von vier Monaten ab Eingang des Antrags. Die in Satz 2 genannte Frist kann von der zuständigen Behörde um bis zu zwei Monate verlängert werden, soweit der Umfang und die Schwierigkeit der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Erlaubnis dies rechtfertigen. Der Antragsteller ist über die Fristverlängerung vor Ablauf der in Satz 2 genannten Frist unter Angabe von Gründen zu unterrichten. Bei der Berechnung der Frist bleiben die Zeiten unberücksichtigt, während derer der Antragsteller trotz schriftlicher oder elektronischer Aufforderung der Behörde den Anforderungen in einer auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung nicht nachgekommen ist. Die zuständige Behörde soll demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen, der die Erlaubnis nicht hat.
(6) Wer gewerbsmäßig Gehegewild halten will, hat dies vier Wochen vor Aufnahme der Tätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen. Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- 1.
die Form und den Inhalt der Anzeige, - 2.
die Voraussetzungen, unter denen die Tätigkeit nach Satz 1 untersagt werden kann, und - 3.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der angezeigten Sachverhalte
(7) Die Ausübung der nach Absatz 5 Satz 6 oder auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 untersagten Tätigkeit kann von der zuständigen Behörde auch durch Schließung der Betriebs- oder Geschäftsräume verhindert werden.
(8) Wer Nutztiere zu Erwerbszwecken hält, hat durch betriebliche Eigenkontrollen sicherzustellen, dass die Anforderungen des § 2 eingehalten werden. Insbesondere hat er zum Zwecke seiner Beurteilung, dass die Anforderungen des § 2 erfüllt sind, geeignete tierbezogene Merkmale (Tierschutzindikatoren) zu erheben und zu bewerten.
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
- 1.
muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, - 2.
darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, - 3.
muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
- 1.
muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, - 2.
darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, - 3.
muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
(1) Wer
- 1.
Wirbeltiere oder Kopffüßer, - a)
die dazu bestimmt sind, in Tierversuchen verwendet zu werden, oder - b)
deren Organe oder Gewebe dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden,
- 2.
Wirbeltiere zu den in § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 genannten Zwecken züchten oder halten, - 3.
Tiere in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung halten, - 4.
Tiere in einem Zoologischen Garten oder einer anderen Einrichtung, in der Tiere gehalten und zur Schau gestellt werden, halten, - 5.
Wirbeltiere, die nicht Nutztiere sind, zum Zwecke der Abgabe gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung in das Inland verbringen oder einführen oder die Abgabe solcher Tiere, die in das Inland verbracht oder eingeführt werden sollen oder worden sind, gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung vermitteln, - 6.
für Dritte Hunde zu Schutzzwecken ausbilden oder hierfür Einrichtungen unterhalten, - 7.
Tierbörsen zum Zwecke des Tausches oder Verkaufes von Tieren durch Dritte durchführen oder - 8.
gewerbsmäßig, außer in den Fällen der Nummer 1, - a)
Wirbeltiere, außer landwirtschaftliche Nutztiere und Gehegewild, züchten oder halten, - b)
mit Wirbeltieren handeln, - c)
einen Reit- oder Fahrbetrieb unterhalten, - d)
Tiere zur Schau stellen oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen, - e)
Wirbeltiere als Schädlinge bekämpfen oder - f)
für Dritte Hunde ausbilden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter anleiten
(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1
- 1.
das Nähere zu der Form und dem Inhalt des Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 1, - 2.
die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung der Erlaubnis, - 3.
den Inhalt der Erlaubnis, im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 nur, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, sowie - 4.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der für die Erlaubniserteilung wesentlichen Sachverhalte, einschließlich der Pflicht zur Anzeige solcher Änderungen,
(3) In Rechtsverordnungen nach § 2a Absatz 1 oder § 4b können, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, über die dort genannten Anforderungen hinaus Anforderungen an die Haltung von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder an das Töten von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 vorgeschrieben werden, insbesondere
- 1.
Anforderungen an innerbetriebliche Abläufe zum Zwecke der Vermeidung, Feststellung und Beseitigung von Mängeln, - 2.
Maßnahmen zum Zwecke der Gewöhnung und des Trainings solcher Tiere im Hinblick auf ihre Haltung und Verwendung und - 3.
Anforderungen an den Erwerb und die Aufrechterhaltung der für die Betreuung und Pflege und das Töten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten; hierbei kann auch vorgeschrieben werden, dass Aufzeichnungen über die Maßnahmen, die zum Zwecke des Erwerbs und der Aufrechterhaltung der Kenntnisse und Fähigkeiten ergriffen werden, zu machen, aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen sind.
(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Arten an wechselnden Orten zu beschränken oder zu verbieten, soweit die Tiere der jeweiligen Art an wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden gehalten oder zu den wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden befördert werden können. Eine Rechtsverordnung nach Satz 1
- 1.
darf nur erlassen werden, soweit den in Satz 1 bezeichneten erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden durch andere Regelungen, insbesondere solche mit Anforderungen an die Haltung oder Beförderung der Tiere, nicht wirksam begegnet werden kann, - 2.
muss vorsehen, dass Tiere, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung gehalten werden, von dem Verbot nur dann erfasst werden, wenn keine Möglichkeiten bestehen, die erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden bei diesen Tieren auf ein vertretbares Maß zu vermindern.
(5) Mit der Ausübung der Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 darf erst nach Erteilung der Erlaubnis begonnen werden. Die zuständige Behörde entscheidet schriftlich oder elektronisch über den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis innerhalb einer Frist von vier Monaten ab Eingang des Antrags. Die in Satz 2 genannte Frist kann von der zuständigen Behörde um bis zu zwei Monate verlängert werden, soweit der Umfang und die Schwierigkeit der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Erlaubnis dies rechtfertigen. Der Antragsteller ist über die Fristverlängerung vor Ablauf der in Satz 2 genannten Frist unter Angabe von Gründen zu unterrichten. Bei der Berechnung der Frist bleiben die Zeiten unberücksichtigt, während derer der Antragsteller trotz schriftlicher oder elektronischer Aufforderung der Behörde den Anforderungen in einer auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung nicht nachgekommen ist. Die zuständige Behörde soll demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen, der die Erlaubnis nicht hat.
(6) Wer gewerbsmäßig Gehegewild halten will, hat dies vier Wochen vor Aufnahme der Tätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen. Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- 1.
die Form und den Inhalt der Anzeige, - 2.
die Voraussetzungen, unter denen die Tätigkeit nach Satz 1 untersagt werden kann, und - 3.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der angezeigten Sachverhalte
(7) Die Ausübung der nach Absatz 5 Satz 6 oder auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 untersagten Tätigkeit kann von der zuständigen Behörde auch durch Schließung der Betriebs- oder Geschäftsräume verhindert werden.
(8) Wer Nutztiere zu Erwerbszwecken hält, hat durch betriebliche Eigenkontrollen sicherzustellen, dass die Anforderungen des § 2 eingehalten werden. Insbesondere hat er zum Zwecke seiner Beurteilung, dass die Anforderungen des § 2 erfüllt sind, geeignete tierbezogene Merkmale (Tierschutzindikatoren) zu erheben und zu bewerten.
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
- 1.
muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, - 2.
darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, - 3.
muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen wurde.
Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 19. Dezember 2013 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/4 und der Beklagte zu 3/4.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Untersagung der Tötung männlicher, nicht zur Schlachtung geeigneter Eintagsküken im Betrieb der Klägerin.
3Die Klägerin betreibt seit den sechziger Jahren in T. u. a. eine Brüterei. Im Zusammenhang mit der Geflügelzucht werden im Betrieb der Klägerin circa 2 Millionen Küken, davon 50 Prozent Hennen und 50 Prozent Hahnenküken ausgebrütet. Die Bruteier stammen von Hennen aus Zuchtlinien, die auf hohe Legeleistung ausgerichtet sind. Die männlichen Tiere dieser Zuchtlinien sind für die Fleischerzeugung deutlich weniger geeignet als diejenigen aus hierfür spezialisierten Mastlinien. Der Ablauf des Betriebs der Brüterei der Klägerin ist daher, ebenso wie der Ablauf in vergleichbaren Betrieben in Deutschland, Europa und weltweit so organisiert, dass die männlichen Küken nach dem Schlüpfen als sogenannte Eintagsküken getötet werden. In Deutschland betraf das im Jahr 2012 etwa 45 Millionen männliche Küken, wovon auf die 12 Brütereien in Nordrhein-Westfalen etwa 5,4 Prozent entfielen.
4Im Juni 2013 stellte die Staatsanwaltschaft Münster ein wegen der Tötung männlicher Eintagsküken geführtes Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer der L. -H. der Klägerin gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, weil aufgrund der jahrelangen Duldung der Tötung durch die Verwaltungsbehörden von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum des Beschuldigten auszugehen sei. Der Beschuldigte wurde jedoch mit Schreiben vom 10. Juli 2013 unmissverständlich darauf hingewiesen, dass das fragliche Verhalten nach Auffassung der Staatsanwaltschaft den Straftatbestand des § 17 TierSchG erfülle und das Verfahren nur deswegen eingestellt wurde, weil er dieses aufgrund der Duldung durch die Verwaltungsbehörde nicht habe erkennen können.
5Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung forderte das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV) das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) mit Erlass vom 26. September 2013 auf, die Kreisordnungsbehörden des Landes anzuweisen, die übliche Praxis des Tötens männlicher Eintagsküken zu untersagen. Hierzu erstellten das MKULNV und das LANUV in der Folgezeit eine Musterverfügung.
6Der Beklagte gab der Klägerin unter dem 14. Oktober 2013 Gelegenheit, zur beabsichtigten Untersagung der Tötung der männlichen Küken Stellung zu nehmen.
7Mit Ordnungsverfügung vom 19. Dezember 2013 untersagte der Beklagte der Klägerin ab dem 1. Januar 2015 die Tötung männlicher, nicht zur Schlachtung geeigneter Küken (Ziffer 1.). Von diesem Verbot nahm er die Tötung männlicher Küken aus (Ziffer 2.), die nicht schlupffähig sind (a), die aufgrund einer Erkrankung nicht ohne erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden weiterleben können (b) oder bei denen zum Zeitpunkt der Tötung nachweislich feststeht, dass die Tierkörper an solche Tiere verfüttert werden, deren artgerechte Ernährung die Fütterung ganzer Tierkörper in dieser Größe zwingend erfordert (c). Der Beklagte drohte der Klägerin für den Fall, dass sie die in Nummer 1 getroffene Anordnung nicht befolgen sollte, ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro an. Er begründete seine auf § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG gestützte Untersagung mit einem Verstoß gegen § 1 Satz 2 TierSchG, wonach niemand ohne vernünftigen Grund einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen dürfe. Rein ökonomische Gründe, wie sie der Tötung männlicher Eintagsküken zugrunde lägen, genügten als vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes nicht. Der Hauptzweck der Tötung sei die Vernichtung als ökonomisch unrentabel angesehenen Lebens, das aufgrund der einseitigen Ausrichtung des Betriebes auf die Produktion von Legehennen/-​küken und der damit verbundenen verminderten Fleischansatzleistung nicht für Mastzwecke geeignet sei. Die seit Jahrzehnten praktizierte Tötung von ökonomisch nicht verwertbaren Eintagsküken sei vor dem Hintergrund des gewandelten öffentlichen Bewusstseins für Tierschutzangelegenheiten nicht mehr zu rechtfertigen. Die Untersagung sei geeignet, erforderlich und im Hinblick auf den grundgesetzlichen Schutzauftrag in Art. 20a GG angemessen. Dem wirtschaftlichen Betrieb der Klägerin werde die Existenzgrundlage nicht entzogen. Im Hinblick auf den betrieblichen Umstellungsbedarf werde die Tötung männlicher Küken erst ab dem 1. Januar 2015 untersagt.
8Am 6. November 2015 erhob die Staatsanwaltschaft Münster (Az.: 540 Js 290/15) Anklage gegen den Geschäftsführer der L. -H. der Klägerin wegen Verstoßes gegen § 17 Nr. 1 TierSchG. Ihm wurde die Tötung der männlichen Küken im Betrieb der Klägerin vorgeworfen.
9Mit Beschluss vom 7. März 2016 - 2 KLs-​540 Js 290/15-​7/15 lehnte das Landgericht Münster den Antrag der Staatsanwaltschaft Münster auf Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Geschäftsführer der L. -H. der Klägerin wegen einer Straftat nach § 17 Nr. 1 TierSchG, verübt durch das Töten männlicher Eintagsküken, aus rechtlichen Gründen ab. Zur Begründung stützte es sich im Wesentlichen darauf, dass eine Auslegung des § 17 TierSchG, die das Verhalten des Angeschuldigten unter Strafe stelle, gegen Art. 103 GG verstoße. Wenn der Gesetzgeber meine, dass das zunächst für nicht strafbar befundene und jahrzehntelang geduldete Verhalten des Angeschuldigten nun strafbar sein solle, müsse er dies gesetzgeberisch klarstellen. Die gegen den Beschluss des Landgerichts gerichtete sofortige Beschwerde wurde durch das Oberlandesgericht Hamm (Az.: III – 4 Ws 113/16) als unbegründet verworfen.
10Gegen die Ordnungsverfügung vom 19. Dezember 2013 hat die Klägerin bereits am 14. Januar 2014 Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage bringt die Klägerin im Wesentlichen vor:
11Es fehle bereits an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage für den Erlass der Verfügung. Ein Rückgriff auf die tierschutzrechtliche Generalklausel des § 16a Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG sei nicht zulässig. Angesichts der seit Jahrzehnten praktizierten und nicht beanstandeten Tötung von Eintagsküken sei ausgehend von den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen eine spezialgesetzliche Grundlage für deren Verbot zu fordern und ein Rückgriff auf die tierschutzrechtliche Generalklausel unzulässig. Es handele sich bei dem Verbot der Tötung männlicher Eintagsküken nämlich um eine politische Richtungsentscheidung großer Tragweite für die Lebensmittelproduktion, die vom europäischen und deutschen Gesetz- und Verordnungsgeber zu treffen sei. Durch die Instrumente des Straf- und Ordnungsrechts wolle das Ministerium die Brütereien hingegen zwingen, durch Musterprozesse den politischen Kampf des Verbraucherministeriums gegen die Fortsetzung der bislang unbeanstandeten Produktion von Legehennen zu befördern.
12Die Ordnungsverfügung sei auch nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Weder seien die in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung enthaltenen Begriffe „Küken“ und „nicht zur Schlachtung geeignet“ noch die in Ziffer 2 c vorgesehene Einschränkung des Verbots aus Ziffer 1 hinreichend bestimmt. Eine eindeutige Begriffsbestimmung sei nicht vorgenommen worden.
13Insbesondere aber verstoße die Tötung männlicher Eintagsküken nicht gegen § 1 Satz 2 TierSchG, weil dafür ein vernünftiger Grund vorliege. Zur Feststellung eines solchen Grundes sei eine Interessenabwägung geboten. Dabei seien auch rein wirtschaftliche Gesichtspunkte beachtlich. Die Küken würden bei der Erzeugung von Hennenküken zur Eierproduktion unvermeidbar mit ausgebrütet. Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei befänden sich noch im Forschungsstadium und seien noch nicht praxistauglich. Für die Mast seien die männlichen Küken ungeeignet. Es gebe bei Geflügelmästern keine Nachfrage nach ihnen und keine Absatzmöglichkeiten für sie. Versuche, sie an Mastbetriebe abzugeben, seien gescheitert. Die Aufzucht der Küken führe daher zu einem widersinnigen Einsatz finanzieller Mittel und einem ökologisch unvertretbaren Verbrauch von Futter, Energie und Stallflächen sowie zum Entstehen vermeidbarer Emissionen. Im Fall der Aufzucht der Küken zu Mastzwecken würden die Tiere lediglich später und aus einem anderen Grund getötet. Die Zucht eines marktfähigen Zweinutzungshuhns sei noch nicht gelungen. Bislang gebe es für derartige Hühner und für Masthähnchen aus Legelinien nur ganz kleine Marktnischen. Auch für eine Vermarktung als Stubenküken gebe es keine tragfähige Nachfrage. Die Tötung der Küken sei deshalb Teil der nachfragegerechten Produktion von Eiern und sichere im öffentlichen Interesse die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung. Zudem diene sie der Erzeugung von Tierfutter. Sie sei seit Jahrzehnten bundesweit und international üblich. Den Behörden sei sie seit langem bekannt und werde in anderen Bundesländern sowie dem europäischen Ausland nach wie vor nicht beanstandet. Auch die Bundesregierung gehe von einem vernünftigen Grund für die Tötung der Küken aus. Ferner werde die Tötung der Küken sinngemäß durch Vorschriften der Tierschutz-Schlachtverordnung und der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates zugelassen oder zumindest als zulässig vorausgesetzt. Die Untersagung der Tötung der Küken beeinträchtige die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit der Brutbetriebe und, würden die Kosten der Aufzucht der Küken über den Verkauf der Eier finanziert, auch der Legehennenbetriebe. Sie führe lediglich zu einer Verlagerung der Bruttätigkeit in Brütereien in anderen Bundesländern oder im Ausland. Dem Tierschutz sei damit nicht gedient. Der Beklagte blende die wirtschaftlichen Zusammenhänge und die arbeitsteilige Produktion von Hühnern sowie Eiern ebenso aus wie das Verbraucherinteresse an kostengünstigen tierischen Produkten. Er verkenne die Verfügbarkeit der spezialisierten Zuchtlinien innerhalb der internationalen Geflügelproduktion als den Kern des Problems. Sie, die Klägerin, habe auf die Spezialisierung der Zuchtlinien und auf die Nachfrage nach Legehennen und Masthähnchen der jeweiligen spezialisierten Rassen keinen Einfluss. Sie verfüge auch nicht über die finanziellen Mittel und die Ställe für die Aufzucht der männlichen Küken. Für sie sei deren Aufzucht mit unlösbaren Problemen und existenzvernichtenden Mehrkosten verbunden, welche zwangsläufig zur Aufgabe des Brütereibetriebes führen würden.
14Zudem habe der Beklagte sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Er habe auf Weisung gehandelt und die wesentlichen Umstände nicht richtig und vollständig erkannt sowie berücksichtigt. Dabei habe er insbesondere die wirtschaftlichen Folgen der Untersagungsanordnung für sie, die Klägerin, nicht ausreichend aufgeklärt und berücksichtigt. Die ministeriellen Ermessenserwägungen seien ebenfalls fehlerhaft. Die eingeräumte Übergangsfrist sei zu kurz bemessen. Das angedrohte Zwangsgeld sei überhöht.
15Die Klägerin hat einen ursprünglich gestellten Feststellungsantrag zurückgenommen und beantragt schriftsätzlich,
16die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 19. Dezember 2013 aufzuheben.
17Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
18die Klage abzuweisen.
19Zur Begründung trägt er vor: Die Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit der Untersagungsanordnung seien gewahrt. Für die Untersagung der Tötung der Küken bedürfe es keiner spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage. § 1 Satz 2 TierSchG stelle eine ausreichende Grundentscheidung des Gesetzgebers zur Tötung von Tieren dar. In der Vergangenheit sei die Tötung der männlichen Küken behördlich lediglich geduldet worden. Das habe keine Legalisierung der Tötung und keine Selbstbindung bewirkt. Für die Tötung gebe es keinen vernünftigen Grund. Die mit ihr verfolgten Interessen wögen weniger schwer als der hierdurch hervorgerufene Schaden an den Tieren. Zwar diene die Tötung dem objektiv legitimen Zweck der Vermeidung der Aufzuchtkosten und sei insofern möglicherweise auch erforderlich. Sie sei jedoch nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Als mildere Alternativen zur Tötung der Küken kämen die Geschlechtsbestimmung im Ei mit nachfolgender Verwertung der Eier mit männlicher DNA, die Verwendung von Zweinutzungshühnern, die Mast der Küken zur Verwertung im Rahmen eines Projekts wie etwa der Bruderhahn Initiative oder zur Vermarktung als Stubenküken und die längere Nutzung von Legehennen in Betracht. Gerade für Betriebe in der Größe der Klägerin biete es sich an, die genannten Vermarktungsnischen stärker zu besetzen. Bestrebungen der Klägerin, einen Markt für den Absatz der Küken zu erschließen, seien jedoch nicht erkennbar. Die Klägerin könne die Küken in den vorhandenen Ställen aufziehen. Ihre Angaben zur Notwendigkeit der Aufgabe der Brütereisparte seien nicht genügend substantiiert. Die Klägerin sei darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, aus denen sie ein Recht zur Tötung der Küken herleiten wolle. Zumindest bis zur Etablierung der Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei oder zur Verwendung von Zweinutzungsrassen sei ihr der Aufwand für die Aufzucht und Vermarktung der Küken nach dem Konzept etwa der Bruderhahn Initiative zuzumuten. Die Vermarktung der Küken biete die Gelegenheit zur Kompensation von mit der Aufzucht verbundenen wirtschaftlichen Einbußen. Selbst wenn aber die Alternativen zur Tötung der Küken nicht genügend effektiv seien, sei die Tötung nicht angemessen. Das ergebe sich aus dem Rechtsgedanken von § 7a Abs. 2 Nr. 4 TierSchG. Die Tötung sei der größtmögliche Schaden für die Küken und betreffe etwa jedes zweite Küken der Legerasse. Das sei unvereinbar mit den mehrheitlich konsensfähigen Anschauungen der Bevölkerung und der rechtlichen Entwicklung des Tierschutzrechts unter anderem durch die Normierung des hierauf bezogenen Staatsziels. Die Tötung verstoße gegen den Grundgedanken der Mitgeschöpflichkeit von Tieren. Bei einem rein ökonomischen Maßstab für das Vorliegen eines vernünftigen Grundes bestehe die Gefahr der Aushöhlung der Grundkonzeption des Tierschutzgesetzes als ethisch ausgerichteten Tierschutzes. Eingriffe in vitale Interessen von Tieren dürften allein zur Wahrung vergleichbar lebenswichtiger menschlicher Interessen vorgenommen werden. Auch das Verbraucherinteresse an der kostengünstigen Produktion von Lebensmitteln werde durch das Tierschutzrecht begrenzt. Die Vorschriften zum Schlachten von Tieren regelten lediglich die Art und Weise der Tötung von Küken.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22Die Klage, über die das Gericht mit Zustimmung der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
231.
24Soweit die Klägerin ihren Antrag, festzustellen, dass die mit der Ordnungsverfügung des Beklagten vom 19. Dezember 2013 untersagte Tötung männlicher Eintagsküken nicht gegen § 17 TierSchG verstößt, zurückgenommen hat, war das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
252.
26Im Übrigen hat die Klage Erfolg. Sie ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Alternative VwGO zulässig und auch begründet. Denn die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 19. Dezember 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zur Begründung verweist das Gericht auf die zutreffenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in dem Urteil vom 20. Mai 2016 - 20 A 488/15 -. Das OVG NRW hat in diesem Urteil, welches ebenfalls die Untersagung der Tötung männlicher Eintagsküken durch eine Brüterei zum Gegenstand hatte, insbesondere das Vorliegen eines vernünftigen Grundes für die Tötung der Eintagsküken bejaht und Folgendes ausgeführt:
27„Als Rechtsgrundlage für die unter Nr. 1 der Ordnungsverfügung angeordnete und durch die Ausnahmen unter Nr. 2 der Ordnungsverfügung eingegrenzte Untersagung der Tötung der männlichen, nicht zur Schlachtung geeigneten Küken kommt allein § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG in Betracht. Danach trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen.
28Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung anhand dieser Vorschrift ist die im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats geltende Sach- und Rechtslage maßgeblich. Die Untersagungsanordnung erschöpft sich nicht in einer einmaligen Verpflichtung des Klägers, sondern begründet ein auf Dauer gerichtetes Verbot. Bei der Anfechtungsklage gegen einen solchen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kommt es grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts an.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2013 ‑ 3 C 15.12 -, BVerwGE 148, 28, und Beschluss vom 5. Januar 2012 - 8 B 62.11 -, NVwZ 2012, 510.
30Auf die hier angefochtene Ordnungsverfügung findet keine von diesem Grundsatz abweichende gesetzliche Bestimmung Anwendung.
31§ 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG ist eine taugliche Rechtsgrundlage für den Erlass der Untersagungsanordnung. Die Vorschrift bildet die allgemeine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass behördlicher Anordnungen zur Durchsetzung des Tierschutzrechts. Sie begründet nach ihrem Wortlaut sowie ihrem Sinn und Zweck für die zuständige Behörde die generelle Befugnis, durch Verwaltungsakt vorbehaltlich spezieller Vorschriften Regelungen zur Einhaltung des Tierschutzrechts zu treffen. Die Befugnis wird durch § 16a Abs. 1 Satz 2 TierSchG für beispielhaft genannte Fallgruppen ("insbesondere"), in denen die Behörde im Einzelnen beschriebene Anordnungen erlassen bzw. Maßnahmen ergreifen darf, konkretisiert und für weitere Konstellationen unter anderem durch § 16a Abs. 2 und 3 TierSchG ergänzt. Das entspricht dem Regelungskonzept von § 69 AMG, dem § 16a Abs. 1 TierSchG nachgebildet ist
32- vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 12. Januar 2012 - 7 C 5.11 -, NVwZ 2012, 1184 -
33und der als generelle Ermächtigung zur Beseitigung begangener oder zur Verhütung bevorstehender Verstöße gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften anerkannt ist.
34Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Oktober 2012 ‑ 3 C 25.11 -, BVerwGE 144, 355, und vom 19. Oktober 1989 - 3 C 35.87 -, NJW 1990, 2948.
35Die umfassende Ermächtigung der Behörde, festgestellten und künftigen Verstößen durch notwendige Anordnungen zu begegnen, genügt höherrangigem Recht. Insbesondere ist das im Rechtsstaats- und Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) wurzelnde Erfordernis gewahrt, dass das Parlament in grundlegenden normativen Bereichen, vor allem im Bereich der Grundrechtsausübung, die wesentlichen Fragen selbst entscheiden muss.
36Vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 -, BVerfGE 108, 282 (311 f.), und Beschluss vom 8. August 1978 - 2 BvL 8/77 -, BVerfGE 49, 89 (126 f.).
37Das gilt ungeachtet dessen, dass sich die Ermächtigung nach § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG, klammert man ihre Verdrängung im Anwendungsbereich spezieller Bestimmungen aus, in der Art einer Generalklausel auf sämtliche Verstöße gegen das Tierschutzrecht bezieht und auf der Rechtsfolgenseite der Vorschrift mit dem Begriff der "notwendigen Anordnungen" ein weiter und einzelfallbezogen näher ausfüllungsbedürftiger Rahmen abgesteckt ist. Damit werden von der Ermächtigung zwar neben Verstößen, die etwa bei einem der bloßen Freizeitgestaltung dienenden Umgang mit einzelnen Tieren auftreten, auch solche erfasst, die beim Halten von landwirtschaftlichen Nutztieren zu Erwerbszwecken oder bei der Durchführung von Tierversuchen zu wissenschaftlichen Zwecken begangen werden und dementsprechend in engem Zusammenhang stehen mit durch Grundrechte besonders geschützten Betätigungen. Das führt jedoch auf der Ebene der für die Handlungsfähigkeit der Behörden wichtigen Ermächtigung zur Durchsetzung des Tierschutzrechts nicht zu Anforderungen, die von § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG nicht erfüllt werden.
38Das Eingreifen der Ermächtigung ist bedingt durch Verstöße gegen verbindliche Anforderungen, die ihrerseits in den wesentlichen Umrissen durch einschlägige tierschutzrechtliche Regelungen festzulegen sind. Die Anforderungen müssen, sieht man von unmittelbar geltenden europarechtlichen Bestimmungen ab, entweder direkt im parlamentarisch erlassenen Tierschutzgesetz oder in den auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen geregelt sein. Zweifelsfragen, ob ein bestimmtes Verhalten gegen derartige Vorschriften verstößt oder nicht, sind anhand ihres jeweiligen Regelungsgehalts zu beantworten, der wiederum mit höherrangigem Recht im Einklang stehen muss. Dementsprechend kommt es für die inhaltliche Reichweite der Ermächtigung durch § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG entscheidend auf die anderweitig vorgegebenen und, soweit sie aus nationalem Recht folgen, in den "wesentlichen" Punkten gesetzlich bestimmten Maßstäbe für ein in Übereinstimmung mit Tierschutzrecht stehendes Verhalten an.
39Die auf der Rechtsfolgenseite der Ermächtigung angeordnete Beschränkung auf die notwendigen Anordnungen bringt, übereinstimmend mit der durch die ordnungsbehördliche Generalklausel (§ 14 Abs. 1 OBG NRW) zugestandenen Befugnis, zur Gefahrenabwehr die notwendigen Maßnahmen zu treffen, und der vergleichbaren Befugnis nach § 69 Abs. 1 AMG als ausschlaggebenden Maßstab für das behördliche Einschreiten den im Verwaltungsrecht generell geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zum Ausdruck. Dieser Maßstab ist unter anderem im Ordnungsrecht, zu dem das Tierschutzrecht in den vorliegend entscheidungserheblichen Regelungen gehört, seit langem gebräuchlich und wird in den einzelnen Anforderungen inhaltlich durch die allgemein anerkannten Kriterien der Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (vgl. § 15 OBG NRW) hinreichend konkretisiert. Die Anordnung muss zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sein und bei der Abwägung zwischen der Schwere der Belastung des Betroffenen sowie dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit wahren. Das wird durch die in § 16a Abs. 1 Satz 2 TierSchG beispielhaft näher ausgeformten behördlichen Befugnisse noch weiter verdeutlicht.
40Die Untersagungsanordnung steht indessen nicht im Einklang mit § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG.
41Die untersagte Tötung der männlichen, nicht zur Schlachtung geeigneten Küken verstößt nicht gegen tierschutzrechtliche Vorschriften.
42Ein solcher Verstoß ist allein in Bezug auf § 1 Satz 2 TierSchG in Erwägung zu ziehen. Danach darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
43§ 1 Satz 2 TierSchG ist zur Beurteilung der Übereinstimmung der Tötung der männlichen Küken mit dem Tierschutzrecht heranzuziehen. Die Vorschrift beinhaltet ein rechtswirksames Verbot. Sie scheidet auch nicht als Anknüpfungspunkt für eine Anordnung nach § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG deswegen aus, weil es im Hinblick auf ihren Regelungsgehalt und dessen Auswirkungen einer besonderen gesetzlichen Regelung bedürfte. § 1 Satz 2 TierSchG legt mit den Begriffen der Schmerzen, Leiden oder Schäden das Schutzniveau für die Tiere und mit dem Begriff des vernünftigen Grundes die Voraussetzungen für einen Eingriff in das Schutzgut in einer Weise fest, die dem parlamentarisch zu regelnden Wesentlichen genügt. Das gilt auch im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Vorschrift auf die Tötung von männlichen Küken der Legehennenrassen.
44Die Vorschrift ist nach ihrem eindeutigen Wortlaut unmissverständlich als ein für alle Tiere und alle Menschen in allen Lebensbereichen geltendes Verbot zu verstehen, ohne vernünftigen Grund einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Das Verbot soll Menschen umfassend davon abhalten, ohne vernünftigen Grund auch nur ein einzelnes Tier einer derartigen Beeinträchtigung auszusetzen. Es ist trotz des direkten systematischen Zusammenhangs mit der Bezeichnung des Zwecks des Tierschutzgesetzes (§ 1 Satz 1 TierSchG) als generalklauselartige Regelung zur Verhinderung von Schmerzen, Leiden oder Schäden verursachendem menschlichem Verhalten und nicht als eine programmatische Leitlinie für die Anwendung der nachfolgenden Bestimmungen konzipiert. § 1 Satz 2 TierSchG ist dazu bestimmt, unmittelbar und aus sich heraus das Wohlbefinden der Tiere im Sinne des Freiseins von Schmerz und Leid sowie die Unversehrtheit im Sinne des Freiseins von Schaden sowie das Leben der Tiere schlechthin zu schützen.
45Vgl. BT-Drucks. VI/2559, S. 9; zu BT-Drucks. VI/3556 (Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ‑ 9. Ausschuss -), S. 1 f.; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl., § 1 Rn. 9.
46Die funktionale Ausgestaltung von § 1 Satz 2 TierSchG als unmittelbar geltendes Verbot wird bestätigt durch Straf- und Bußgeldvorschriften. Das Töten eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund steht unter Strafandrohung (§ 17 Nr. 1 TierSchG). Das Zufügen erheblicher Schmerzen, Leiden oder Schäden ohne vernünftigen Grund ist bei Wirbeltieren für einen bestimmten Personenkreis bußgeldbewehrt (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 TierSchG). Die Tathandlungen setzen voraus, dass sie tierschutzrechtlich verboten sind, und knüpfen mit dem Merkmal des vernünftigen Grundes erkennbar an § 1 Satz 2 TierSchG an.
47Gegenstand und Reichweite des Verbots lassen sich auch vor dem Hintergrund der sich aus der Sanktionierung von Verstößen ergebenden besonderen Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) mit Hilfe der allgemeinen Auslegungsregeln so konkret erschließen, dass die Handhabung des Verbots nicht der Verwaltung überlassen ist und der jeweilige Betroffene die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung erkennen und sein Verhalten danach ausrichten kann.
48Vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, Beschlüsse vom 4. Juni 2012 - 2 BvL 9/08 u. a. -, BVerfGE 131, 88 (121 ff.), und vom 2. Juni 2008 - 1 BvR 349/04 u. a. -, NVwZ 2008, 1229; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, 3. Aufl., Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 113 ff.
49Zwar richten sich die konkreten Anforderungen an die Regelungsdichte parlamentarischer Vorschriften nicht zuletzt nach der Eigenart des jeweiligen Regelungsgegenstandes, also unter anderem nach der Tragweite der Regelung für den Betroffenen und der Grundrechtsrelevanz der behördlichen Maßnahme. Ferner stehen bei einer Verbotsregelung, die - wie hier - (auch) erwerbswirtschaftlich ausgerichtete Betätigungen in Bezug auf landwirtschaftliche Nutztiere erfasst, typischerweise berufsbezogene Auswirkungen in Rede, die für den Betroffenen wegen der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG von ganz beträchtlichem Gewicht sein können. Das gilt umso mehr dann, wenn, was hier im Raum steht, das Verbot die wirtschaftlichen Grundlagen der Berufsausübung so stark beschneidet, dass es, obwohl es auf die Berufsausübung abzielt, in seinen Wirkungen einer Regelung der Berufswahl nahekommt. Daneben können von § 1 Satz 2 TierSchG die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) und weitere Grundrechte berührt sein. Auch ist der Tierschutz ein im Grundgesetz verankerter Gemeinwohlbelang (Art 20a GG).
50Das schließt aber nicht die Verwendung unbestimmter und damit auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe aus. Gegen die Verwendung unbestimmter, also konkretisierungsbedürftiger, Rechtsbegriffe bestehen wegen der auf der Ebene des Gesetzes zu bedenkenden Vielgestaltigkeit der Lebenswirklichkeit selbst im Fall erhöhter Anforderungen an die Bestimmtheit von Vorschriften keine Bedenken, wenn sich mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt.
51Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2013 ‑ 2 BvR 2302/11 u. a. -, BVerfGE 134, 33 (81 f.).
52Das trifft bezogen auf § 1 Satz 2 TierSchG zu. Die grundlegenden Aussagen zu der dort festgelegten Verbotsschwelle sind der Vorschrift im Wege der Auslegung mit genügender Klarheit zu entnehmen.
53Mit den Begriffen Schmerzen, Leiden oder Schäden werden die verbotenen Beeinträchtigungen der Tiere in einer Weise bezeichnet, die angesichts des Zwecks des Gesetzes nach § 1 Satz 1 TierSchG, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen, und der Verwendung der Begriffe auch zur Festlegung von Anforderungen an die Haltung von Tieren (u. a. § 2 Nr. 2 TierSchG) sowie von speziellen Verboten (u. a. § 3 Satz 1 Nr. 11 TierSchG) und von Voraussetzungen für eigenständig geregelte Eingriffsbefugnisse (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG) mit genügender Deutlichkeit erkennen lässt, was als nachteilige Beeinflussung des Wohlbefindens und der Unversehrtheit der Tiere zu unterbleiben hat. Aus dem Schutzgut des Verbots, dem durch dieselben Begriffe in Bezug auf speziell geregelte Sachverhalte vorgegebenen Schutzniveau und dem allgemeinen Sprachgebrauch ergibt sich eine hinreichend bestimmte Grundlage für die Konkretisierung der fraglichen Beeinträchtigungen. Diese Konkretisierung wird in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem vorgenommen. Sie hat im Zuge der Rechtsanwendung zu einem gefestigten sowie eindeutigen Verständnis vom Aussagegehalt der einzelnen Begriffe geführt.
54Vgl. Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., § 1 Rn. 12 ff.; Lorz/Metzger, TierSchG, 6. Aufl., § 1 Rn. 19 ff.
55Hinsichtlich des Begriffs des vernünftigen Grundes ist die Reichweite des Verbots ebenfalls genügend klar abgegrenzt. Allerdings ist gesetzlich nicht im Einzelnen festgelegt, was als vernünftiger Grund anzusehen ist. Vielmehr handelt es sich (auch) hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der wegen der uneingeschränkten Erstreckung des Verbots auf jedermann und jedes Tier auf sehr unterschiedliche Sachverhalte Anwendung finden kann. Dennoch bildet der "vernünftige Grund" einen Maßstab für die Ermittlung des Verbotenen, der dem Gegenstand der Regelung und der von ihr ausgehenden Begrenzung von im Ausgangspunkt grundrechtlich geschützten menschlichen Betätigungen hinreichend angepasst ist.
56§ 1 Satz 2 TierSchG ist systematisch eng verknüpft mit dem in § 1 Satz 1 TierSchG genannten Zweck des Tierschutzgesetzes insgesamt. Dieser zielt, wie vor allem aus der Hervorhebung der menschlichen Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf folgt, auf die Sicherstellung eines ethisch ausgerichteten Tierschutzes. Die Ziele des ethisch begründeten Schutzes von Tieren und menschliche Interessen sollen miteinander in Einklang gebracht werden.
57Vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 ‑ 2 BvF 3/90 -, BVerfGE 101, 1 (37), und Beschluss vom 20. Juni 1978 - 1 BvL 14/77 -, BVerfGE 48, 376 (389); BVerwG, Urteil vom 27. August 1981 - 3 C 37.80 -, BVerwGE 64, 46; Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., § 1 Rn. 30 ff.
58Der Begriff des vernünftigen Grundes dient dazu, diesen Ausgleich unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für die Sachverhalte herbeizuführen, die keiner gegenüber § 1 Satz 2 TierSchG speziellen Regelung unterworfen werden. Gefordert wird eine Abwägung zwischen dem Schutz des Lebens und des Wohlbefindens des Tieres einerseits sowie gegenläufigen menschlichen Belangen andererseits. Im Gesetzgebungsverfahren ist ausdrücklich auf das Zusammentreffen wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und ethischer Forderungen auf dem Gebiet des Tierschutzrechts hingewiesen sowie als eine zentrale Zielsetzung des Tierschutzgesetzes die Herbeiführung eines Kompromisses zwischen dem ethisch ausgerichteten Tierschutz auf der einen und den Erfordernissen der - als gegeben und ernährungswirtschaftlich notwendig betrachteten - Massentierhaltung auf der anderen Seite hervorgehoben worden.
59Vgl. BT-Drucks. VI/2559, S. 9; zu BT-Drucks. VI/3556, S. 1.
60Ausgehend von Gegenstand und Funktion der Abwägung ist als vernünftig im Sinne von § 1 Satz 2 TierSchG ein Grund anzusehen, dem nach den Umständen des Einzelfalls als Ergebnis der Gegenüberstellung und Bewertung der relevanten Gesichtspunkte der Vorrang vor dem Schutz der Tiere einzuräumen ist. Er muss auf einem anerkennenswerten menschlichen Interesse beruhen sowie unter den konkreten Umständen nach seinem objektiven Gewicht schwerer wiegen als das Interesse am Schutz der Unversehrtheit des Tieres.
61Vgl. hierzu Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., § 1 Rn. 32 f.
62Die für eine solche Schlussfolgerung erforderliche Bewertung ist hinsichtlich bestimmter Einwirkungen auf Tiere vom Gesetzgeber durch spezielle Regelungen (u. a. §§ 3, 5, 6, 7 ff. TierSchG) selbst vorgenommen worden. Sinn und Zweck von § 1 Satz 2 TierSchG ist es vor dem Hintergrund dieser Regelungen, angesichts der erheblichen Bandbreite und Vielschichtigkeit der verbleibenden potenziell tierschutzrelevanten Sachverhalte sowie der daraus folgenden faktischen Unmöglichkeit, den am Schutzgedanken orientierten Handlungsbedarf vollständig und im Einzelnen vorauszusehen sowie katalogartig zu regeln, die behördliche Handlungsfähigkeit zu gewährleisten. Hierfür bietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in dessen Konkretisierung durch langjährige Anwendung
63- vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 ‑ 1 BvR 370/07 u. a. -, BVerfGE 120, 274 (318 ff.), und Beschluss vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 -, BVerfGE 115, 320 (345 ff.) -
64auch im Hinblick auf grundrechtlich geschützte Betätigungen mit Bezug zum Tierschutzrecht hinreichend konkrete Kriterien.
65Vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 15. Januar 2002 - 1 BvR 1783/99 -, BVerfGE 104, 337 (347 ff.); BVerwG, Urteile vom 23. November 2006 ‑ 3 C 30.05 -, BVerwGE 127, 183, und vom 27. August 1981 - 3 C 37.80 -, a. a. O.
66Die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfordert zwar Feststellungen und Wertungen, die jeweils für sich und in ihrem Zusammenwirken nicht in jeder Hinsicht durch zwingende normative Vorgaben vorgezeichnet sind. Parlamentarisch unerlässlich festzulegen sind aber nur die für die jeweilige Rechtsanwendung wesentlichen Gesichtspunkte. Das belässt auch dann, wenn grundrechtsrelevante Bereiche berührt sind, notwendig Abgrenzungsfragen, die mit den Mitteln der Auslegung sachgerecht bewältigt werden müssen. Dabei führt auch der Umstand, dass eine Frage - wie hier - politisch umstritten ist, nicht notwendig dazu, dass ihre Regelung als grundlegend und damit wesentlich einzustufen ist.
67Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 -, a. a. O.
68Die bisherige Auslegung und Anwendung des Merkmals des vernünftigen Grundes zeigt bezogen auf seine Verwendung sowohl in § 1 Satz 2 TierSchG
69- vgl. hierzu etwa OVG NRW, Urteil vom 10. August 2012 - 20 A 1240/11 -, NWVBl. 2013, 74; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Mai 1998 - 12 A 10020/96 -, juris; nachfolgend BVerwG, Urteil vom 18. Januar 2000 - 3 C 12.99 -, DVBl. 2000, 1061; Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., § 17 Rn. 9 ff. -
70als auch in § 17 Nr. 1 TierSchG
71- vgl. hierzu etwa OLG Hamm, Beschluss vom 10. Mai 2016 - III - 4 Ws 113/16 -; OLG Sachsen- Anhalt, Urteil vom 28. Juni 2011 ‑ 2 Ss 82/11-, juris; KG Berlin, Beschluss vom 24. Juli 2009 - (4) 1 Ss 235/09 (150/09) -, juris -
72dass die damit potenziell im Einzelfall verbundenen Schwierigkeiten sich in der Regel in Grenzen halten und mittels handhabbarer Kriterien zu bewältigen sind. Meinungsverschiedenheiten und etwaige klärungsbedürftige Aspekte hinsichtlich der Bedeutung einzelner Wertungskriterien und ihres Gewichts stellen das nicht in Frage. Die Abwägung ist gerade angelegt auf die Berücksichtigung sämtlicher entscheidungserheblicher Belange und die Lösung von Konflikten zwischen gegenläufigen Interessen. Das gilt auch bei einer Bewertung überkommener und kontrovers beurteilter Praktiken des Umgangs mit Tieren. Die Feststellung eines vernünftigen Grundes im Sinne des § 1 Satz 2 TierSchG bezieht sich notwendigerweise auf die im Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte. Mit diesem zeitlichen Bezug geht einher, dass Veränderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten Anlass zu einer erneuten und im Ergebnis abweichenden Bewertung geben können. Insbesondere können neue Erkenntnisse oder sonstige Entwicklungen zu Verschiebungen des Gewichts einzelner relevanter Aspekte führen. Die richtige Einschätzung der Tragweite derartiger Veränderungen und ihrer Auswirkungen auf die Rechtfertigung einer tierschutzrelevanten Beeinträchtigung von Tieren ist eine Frage der sachgerechten Zusammenstellung und Gewichtung der Belange.
73Vgl. bezogen auf die Tötung von Eintagsküken: OLG Hamm, Beschluss vom 10. Mai 2016 ‑ III ‑ 4 Ws 113/16 -; LG Münster, Beschluss vom 7. März 2016 - 2 KLs -540 Js 290/15 - 7/15 -, AuR 2016, 143.
74Nichts anderes ergibt sich aus den der Anwendbarkeit der allgemeinen ordnungsbehördlichen Generalklausel gezogenen Grenzen, die zu beachten sind im Fall einer verwickelten, in das Gebiet der Weltanschauungen hineinreichenden, abwägenden Wertung einer Mehrzahl verschiedener Schutzinteressen vor allem bei neu aufgekommenen Sachverhalten
75- vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 6 C 3.01 -, BVerwGE 115, 189, und Urteil vom 23. Februar 1960 ‑ I C 240.58 -, BVerwGE 10, 164 -
76oder bei der Durchführung in der ordnungsbehördlichen Praxis häufig vorkommender Maßnahmen eines einheitlichen neuen Typs.
77Vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 8. November 2012 - 1 BvR 22/12 -, DVBl. 2013, 169; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 ‑ 6 C 39.06 -, BVerwGE 129, 142.
78Eine solche oder ihr nahekommende Konstellation steht vorliegend nicht in Rede. Vielmehr geht es ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzrechts um eine Abwägung widerstreitender Interessen bei der Anwendung einer auf unterschiedliche Konstellationen zugeschnittenen Verbotsregelung auf die konkrete Situation der in Brütereien zur Erzeugung von Legehennenküken seit langem geübten und gängigen Praxis der Tötung männlicher Küken. Die diesbezüglich aktuell stattfindende Diskussion im politischen Raum
79- vgl. BT-Drucks. 18/6663 und 18/7726; BT-Prot. 18/94 (S. 9008 ff.) und 18/161 (S. 15919 ff.) -
80und die Stellungnahmen in der juristischen Literatur
81- vgl. Bender, NWVBl. 2015, 212; Binder, NuR 2007, 806; Hager, NuR 2016, 108; Ort, NuR 2010, 853; Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., § 17 Rn. 70 f., m. w. N. -
82bringen ebenso wie das Vorbringen der Beteiligten die tierschutzrechtliche Problematik dieser Praxis und deren Komplexität zum Ausdruck. Ein Konflikt zwischen mehreren gleichermaßen zu berücksichtigenden Interessen und Gesichtspunkten ist aber die typische Ausgangssituation für die Abwägung. Die Abwägung ist ein Instrument zur einzelfallbezogenen Lösung von Konflikten und Behebung der mit ihnen verbundenen Rechtsunsicherheit. Sie ermöglicht und gebietet die Berücksichtigung sämtlicher relevanter Belange entsprechend ihrer objektiven Gewichtigkeit und der hierbei einzubeziehenden gesetzlichen Wertungen. Das schließt die schutzwürdigen und schutzbedürftigen Belange der Menschen ebenso ein wie den Schutz der Tiere und das Bestehen von Alternativen. Die in Rede stehende rechtliche (Neu-)Bewertung eines einzelnen Aspekts beim erwerbswirtschaftlichen Umgang mit landwirtschaftlichen Nutztieren ist hiervon nicht ausgenommen. Das Bestehen eines Bedürfnisses nach einer spezifischen gesetzlichen Regelung der Tötung der männlichen Küken ist denn auch im Bundestag angesichts der bestehenden Vorschriften noch in jüngster Vergangenheit mehrheitlich nicht bejaht worden.
83Vgl. BT-Prot. 18/161 (S. 15919 ff.).
84Die Voraussetzungen des hiernach anwendbaren Verbots nach § 1 Satz 2 TierSchG sind nicht erfüllt. Die durch die Ordnungsverfügung untersagte Tötung der männlichen Küken erfolgt nicht ohne vernünftigen Grund im Sinne dieser Vorschrift. Den für die Tötung der Küken sprechenden Gesichtspunkten kommt bei der Abwägung aller relevanten Aspekte der Vorrang vor dem Schutz der Küken zu. Auf Seiten des Tierschutzes fällt dabei besonders ins Gewicht, dass den Küken durch die Tötung unumkehrbar der größtmögliche Schaden für ihre körperliche Unversehrtheit zugefügt wird. Sie werden, obwohl sie Mitgeschöpfe des Menschen sind, ganz zu Beginn ihres Lebens als anders nicht nutzbringend getötet. Dem stehen auf Seiten des Klägers vor allem wirtschaftliche Interessen gegenüber. Diese wiegen jedenfalls wegen der grundgesetzlich gewährleisteten Berufsfreiheit besonders schwer, weil die Küken im Rahmen des erwerbswirtschaftlichen Betriebs der Brüterei getötet werden. Nach gegenwärtigem Stand haben die Belange des Klägers größeres Gewicht.
85Allein der ethische Wert der Küken als Lebewesen entzieht ihr (Weiter-)Leben nicht der Abwägung mit Aspekten der Brauchbarkeit für menschliche Zwecke und der Wirtschaftlichkeit. Tiere stehen trotz ihrer rechtlichen Einstufung als Mitgeschöpfe des Menschen in der gesetzlichen Wertordnung nicht auf einer Stufe mit dem Menschen. Der Tierschutz geht auf ethische Beweggründe zurück und dient ethischen Zielen. Das heißt allerdings nicht, dass die Abwägung auf ethische Aspekte beschränkt ist oder derartige Aspekte bei der nach rechtlichen Kriterien vorzunehmenden Abwägung gemäß § 1 Satz 2 TierSchG auf einer abstrakten Wertungsebene generell einen höheren Rang einnehmen als Interessen an einem aus allein ethischer Sicht "lediglich" wirtschaftlichen Umgang mit Tieren. Namentlich sind wirtschaftliche Gründe, die - wie hier - bei einer auf die Produktion tierischer Lebensmittel ausgerichteten Tätigkeit hinsichtlich der für diese Zwecke ungeeigneten Tiere auftreten und sich zu Lasten des Wohlbefindens oder Lebens der Tiere auswirken, rechtlich nicht von vornherein nachrangig. Die Tierversuche betreffende Regelung des § 7a Abs. 2 Nr. 4 TierSchG, wonach Tieren Schmerzen, Leiden oder Schäden nicht aus Gründen der Arbeits-, Zeit- oder Kostenersparnis zugefügt werden dürfen, besagt, bezieht man diesen Gedanken nicht allein auf die Behandlung der Tiere während ihres Lebens, sondern auch auf ihre Tötung, nichts Gegenteiliges. Die Regelung zielt darauf, das Maß der durch die Nutzung der Tiere - für Zwecke des Tierversuchs - hervorgerufenen Schmerzen, Leiden und Schäden auf das für den verfolgten und als solchen legitimen Zweck Unerlässliche zu beschränken. Das entspricht auch der Funktion von § 1 Satz 2 TierSchG für andere Formen der menschlichen Verwendung von Tieren. Daraus folgt aber nicht, dass Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit bezogen auf § 1 Satz 2 TierSchG schon im Ausgangspunkt gegenüber dem ethischen Wert der Unversehrtheit der Tiere zurücktreten. In die Abwägung zur Beurteilung des Vorliegens eines vernünftigen Grundes sind alle relevanten Aspekte einzustellen. Das schließt, wie in der Rechtsprechung anerkannt ist
86- vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 - 2 BvF 3/90 -, a. a. O. (37) -,
87Erwägungen der Wirtschaftlichkeit der Tierhaltung ein. Das Leben der in der vorliegend betroffenen Ernährungswirtschaft eingesetzten Tiere ist seit der Domestizierung der Haus- und Nutztiere gänzlich ausgerichtet auf ihre Nützlichkeit für den Menschen. Es wird zielgerichtet durch planmäßige Vermehrung der Tiere für bestimmte Zwecke herbeigeführt und, dienen die Tiere der menschlichen Ernährung, nach Erreichen von am Maßstab menschlicher Zweckmäßigkeit festgelegten körperlichen Merkmalen durch Tötung - in Form des Schlachtens - beendet. Nutztiere werden zweckgerichtet für ihre Verwendung auf dem Markt erzeugt, gehalten und getötet. Damit gehen am Maßstab der Nützlichkeit für Menschen ausgerichtete Unterscheidungen zwischen den Tieren notwendig einher. Bei der erwerbswirtschaftlichen Erzeugung tierischer Lebensmittel werden diese Abgrenzungen anhand der unterschiedlichen Effektivität alternativer Maßnahmen getroffen. Das ist kein Mangel an Achtung der Tiere in ihrer Mitgeschöpflichkeit, sondern wird als solches angesichts der hergebrachten und nach wie vor weithin verbreiteten sowie rechtlich und gesellschaftlich akzeptierten Ernährung von Menschen durch tierische Lebensmittel von vernünftigen Gründen im Sinne von § 1 Satz 2 TierSchG getragen. Unter anderem Hühner werden von Menschen seit Jahrtausenden als Nutztiere zur Gewinnung von Nahrungsmitteln - in Gestalt von Eiern und Fleisch - gehalten. Der Beklagte zieht selbst nicht in Zweifel, dass sie, werden sie getötet und anschließend von Menschen verzehrt, mit vernünftigem Grund getötet werden. Er verweist den Kläger als Alternative zu der untersagten Tötung der Küken unter anderem auf ihre Haltung bis zu einem Zeitpunkt, in dem sie so viel Fleisch angesetzt haben, dass sie als menschliche Nahrung in Frage kommen, und damit auf eine nutzbringende Verwendung.
88Die Auffassung, eine Tötung von Tieren sei ausschließlich zur Erreichung von für das Leben von Menschen existenziellen Zwecken gerechtfertigt, findet, versteht man sie dahin, dass jedes getötete Tier unmittelbar einem derartigen Zweck dienen muss, in dem Abwägungserfordernis nach § 1 Satz 2 TierSchG keine tragfähige Grundlage. Ein starres Rangverhältnis menschlicher Interessen und der Belange des Tierschutzes ist der Vorschrift, in der die potenziell als "vernünftig" in Betracht kommenden Gründe für die Zufügung von Beeinträchtigungen gerade nicht katalogartig festgelegt sind, nicht zu entnehmen. Das kommt bezogen auf die als "vernünftig" anerkannte Tötung von Tieren zu Nahrungszwecken darin zum Ausdruck, dass es jedem einzelnen überlassen bleibt, ob und in welchen Mengen er welche tierischen Lebensmittel für sich nutzt, und im Zeitpunkt der Tötung wegen der wechselnden Marktverhältnisse vielfach ungewiss ist, ob und inwieweit die Tiere tatsächlich zur menschlichen Ernährung verwendet werden. Ferner sind auch die Anforderungen an die Haltung von Tieren (§ 2 TierSchG) unverkennbar daran ausgerichtet, gegenläufige Belange in einen Ausgleich zu bringen; bei der Haltung von Nutztieren in der Marktwirtschaft gehören dazu wirtschaftliche Gesichtspunkte. Schließlich kommen dem existenziellen menschlichen Erhaltungsinteresse nicht allein die Tiere zugute, deren Produkte und/oder Körper verzehrt werden, sondern, weil die Gesamtkosten der Erzeugung mit dem für diese Produkte und/oder Tiere erzielten Entgelt finanziert werden, auch die Beschränkung der Tierhaltung auf die bei wirtschaftlicher Betrachtung leistungsfähigen und jedenfalls kostendeckend zu haltenden Tiere.
89Das gilt auch angesichts dessen, dass der Tierschutz nach Art. 20a GG Verfassungsrang hat. Die Verankerung des Tierschutzes als Staatsziel verschafft diesem den Rang eines Schutzgutes, das mit anderen verfassungsrechtlichen Schutzgütern im Konfliktfall in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen ist. Die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in das Grundgesetz dient der Angleichung der rechtlichen Ebenen für eine Abwägung zwischen den Interessen der Tiernutzung und dem Schutz der Tiere.
90Vgl. BT-Drucks. 14/8860, S. 1, 3.
91Der Tierschutz ist dementsprechend grundsätzlich geeignet, die Einschränkung anderer Belange von verfassungsrechtlichem Gewicht, also etwa von Grundrechten, zu rechtfertigen.
92Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2010 - 2 BvF 1/07 -, BVerfGE 127, 293 (328); BVerwG, Urteil vom 23. November 2006 - 3 C 30.05 -, BVerwGE 127, 183.
93Damit ist nicht gesagt, dass er sich gegenüber diesen Belangen auch durchsetzt. Im Anwendungsbereich von § 1 Satz 2 TierSchG beurteilt sich anhand einer Abwägung sämtlicher Belange, ob der Tierschutz Vorrang vor konkurrierenden Belangen genießt.
94Die vom Beklagten hervorgehobene Gefahr der Aushöhlung des Tierschutzes im Fall der Berücksichtigung wirtschaftlicher Gründe bei der Abwägung rechtfertigt es nicht, wirtschaftlichen Gesichtspunkten im Rahmen der Abwägung die Berechtigung abzusprechen oder ihnen von vornherein ein allenfalls geringes Gewicht beizulegen. § 1 TierSchG entzieht auch die Ernährungswirtschaft, die auf der Erzeugung und Verwendung von Tieren beruht, nicht den strukturellen ökonomischen Grundbedingungen, die nach den gegebenen staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen die Voraussetzung sind für eine Teilhabe am funktionierenden Wirtschaftsleben. Die Vorschrift setzt den Möglichkeiten der wirtschaftlichen Optimierung mit den Anforderungen an den Tierschutz Grenzen auch hinsichtlich der Erzeugung tierischer Lebensmittel, verleiht dem Tierschutz aber keinen prinzipiell höheren Wert als den Grundstrukturen der marktwirtschaftlichen Ernährungswirtschaft. Das vom Endverbraucher für das zur menschlichen Ernährung erworbene Endprodukt zu leistende Entgelt bildet, nicht anders als in anderen Wirtschaftszweigen, die finanzielle Grundlage für den gesamten Produktionsprozess. Wirtschaftliche Vor- und Nachteile eines bestimmten Verhaltens gehören bei zu Erwerbszwecken ausgeübten Tätigkeiten zu den ausschlaggebenden Faktoren. Der Nutzen von Nutztieren besteht für den Menschen nicht allein in ihrer Verwendung als Nahrungsmittel zur Sicherung der biologischen Existenz, sondern, sofern sie nicht zur Selbstversorgung gehalten werden, darin, dass sie die wirtschaftliche Grundlage für den Erwerb der innerhalb der Produktionskette Tätigen darstellen. Die Begrenzung der Verfolgung der Erwerbsinteressen durch § 1 Satz 2 TierSchG bedeutet, dass nicht jede Erwägung der Wirtschaftlichkeit der Tierhaltung aus sich heraus ein vernünftiger Grund im Sinne von § 1 Satz 2 TierSchG sein kann. Vielmehr ist auch bei wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein Ausgleich zwischen den konkurrierenden Belangen erforderlich.
95Vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 - 2 BvF
963/90 -, a. a. O. (37).
97Die Anerkennung des erwerbswirtschaftlichen Aspekts beim Umgang mit Tieren kommt zudem klar in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zum Ausdruck, die speziell für das Halten von Nutztieren zu Erwerbszwecken gilt und unter Nutztieren unter anderem Tiere versteht, die zur Erzeugung von Nahrungsmitteln gehalten werden (§ 1, § 2 Nr. 1). Ebenso wenig wird durch § 1 TierSchG der modernen Massentierhaltung in ihrer Ausrichtung auf effektive und damit nicht zuletzt erwerbswirtschaftlich geprägte Produktionsziele die Anerkennung versagt. Die Massentierhaltung wird vielmehr als real bestehende Methode der Haltung von Tieren, vor allem von landwirtschaftlichen Nutztieren, vorausgesetzt.
98Vgl. BT-Drucks. VI/2559, S. 9; zu BT-Drucks. VI/3556, S. 1.
99Ferner gehört es zu den durch das Tierzuchtgesetz festgelegten und mithin als gesetzliche Wertung bei der Abwägung zu bedenkenden Zuchtzielen, die Erzeugung der Tiere so zu fördern, dass die Leistungsfähigkeit der Tiere unter Berücksichtigung der Tiergesundheit erhalten und verbessert wird sowie die Wirtschaftlichkeit, insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit, der tierischen Erzeugung verbessert wird (§ 1 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 TierZG). Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der Tiere schlagen sich im wirtschaftlichen Nutzen ihrer Haltung nieder. Es liegt in der Konsequenz derartiger Ziele, die entsprechenden Zuchterfolge in der Praxis der Tierhaltung umzusetzen. Geschieht dies nicht, wird der Sinn der Zucht als gezielte Auswahl von für menschliche Zwecke vorteilhaften Eigenschaften verfehlt und bleibt die Tierhaltung, geht es um eine bessere Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit, hinter derjenigen anderer, konkurrierender Tierhaltungen notwendig zurück. Das gilt auch für Tierarten, deren Zucht - wie bei Hühnern - nicht dem Tierzuchtgesetz unterfällt.
100Bei der danach auf der Grundlage der vorstehenden Maßstäbe gebotenen Abwägung aller relevanten Belange überwiegen derzeit die für eine Tötung der männlichen Küken sprechenden Gesichtspunkte.
101Maßgebender Grund für die Tötung der männlichen Küken ist, dass sie nach dem Schlüpfen nicht sich selbst überlassen werden dürfen (§ 2 TierSchG), jedoch wegen ihres Geschlechts nicht zur Produktion von Eiern genutzt werden können und wegen ihrer Rasseeigenschaften nicht für die Produktion von Fleisch verwendet werden. Zur erwerbswirtschaftlichen Erzeugung von Lebensmitteln durch Hühner werden ganz überwiegend Tiere aus spezialisierten Zuchtlinien genutzt, deren Zuchtziele entweder auf die Legeleistung oder auf die Mastleistung der Tiere ausgerichtet sind. Zur Erzeugung von Eiern werden Legehennen aus Legelinien eingesetzt. Die aus den Legelinien stammenden männlichen Tiere, um deren Tötung es geht, sind für Mastzwecke wegen ihrer körperlichen Eigenschaften beim Ansatz von Fleisch erheblich weniger geeignet als die züchterisch speziell für die Erzeugung von Fleisch vorgesehenen Tiere aus den Mastlinien. Die männlichen Tiere aus den Legelinien finden daher lediglich zu einem ganz geringen Anteil Verwendung für die Fleischerzeugung. Beim Ausbrüten von Eiern aus Legelinien schlüpfen aber, weil die Eier teilweise weibliche und teilweise männliche DNA enthalten, neben weiblichen Küken zwangsläufig in etwa demselben Umfang männliche Küken.
102Die getöteten männlichen Küken können zwar, auch sofern sie nicht durch Nr. 2 Buchstabe c der Ordnungsverfügung mit Blick auf die artgerechte Fütterung von Tieren mit ganzen Tierkörpern von der Untersagungsanordnung ausgenommen werden, als Futtermittel für andere Tiere verwendet und so innerhalb der tierischen Ernährungskette einem sinnvollen Zweck zugeführt werden. Die Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 (ABl. 2009 L 300/1) erfasst die aus kommerziellen Gründen getöteten Eintagsküken ausdrücklich und ordnet sie der Kategorie tierischer Nebenprodukte zu, die unter anderem zur Herstellung von Futtermitteln für Heimtiere gebraucht werden können (Art. 3 Nr. 1, Art. 10 Buchstabe k Unterbuchstaben iii, Art. 14 Buchstabe d und e). Außerdem mögen mit der Abgabe der getöteten Küken zur Futtermittelgewinnung Einnahmen erzielt werden und mag die Verwendung als Futtermittel bei wertender Betrachtung vorzugswürdig sein gegenüber Maßnahmen, die äußerlich als bloße Beseitigung der Tierkörper erscheinen. Das gibt jedoch über den im Rahmen von § 1 Satz 2 TierSchG entscheidenden Grund für die Tötung der männlichen Küken keinen Aufschluss. Diese Küken werden nicht zur Verwendung als Futtermittel für andere Tiere erzeugt, sondern getötet, weil sie nicht das Ziel des Erzeugungsprozesses bilden und lebend keinem anderen wirtschaftlich lohnenden Zweck förderlich sind. Die Abgabe der Körper der Küken zur Futtermittelgewinnung ist nicht der Zweck der Tötung, sondern ihre Folge.
103Das Halten der männlichen Küken und ihre Aufzucht stehen im Widerspruch zum erreichten Stand der Hühnerzucht und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Der Aufwand für das Halten der Tiere ist mangels einer durch die Vermarktung der Küken bzw. der aufgezogenen Tiere zu erzielenden auch nur annähernd adäquaten wirtschaftlichen Gegenleistung ökonomisch sinnlos.
104Durch die Tötung der männlichen Küken wird der sonst mit ihrem Halten verbundene Aufwand vermieden. Das Vermeiden dieses Aufwands ist ökonomisch sinnvoll. Es steht im Einklang damit, dass die Küken das dem Ausbrüten der Bruteier zugrunde liegende Ziel der Erzeugung von Legehennenküken verfehlen und für eine alternative Verwendung als Nahrungsmittel wegen der Verfügbarkeit der insoweit besser geeigneten Küken aus Mastlinien praktisch ausscheiden.
105Der Aufwand für das Halten der männlichen Küken geht wirtschaftlich zumindest ganz überwiegend ins Leere. Den Aufwand zu leisten, widerspricht den als solchen legitimen Zuchtzielen und dem Stand der Zucht. Durch Vermarktungserlöse nach vorangegangener Mast ist der Aufwand wegen der, gemessen an Hühnern/Hähnen der spezialisierten Mastlinien, zu hohen Erzeugungskosten und zu niedrigen Fleischleistung sowie der daraus folgenden Absatznachteile nicht zu decken. Das wirtschaftliche Eigeninteresse der in der Branche der Eier- und Geflügelfleischerzeugung arbeitsteilig in aufeinander folgenden Produktionsschritten funktional miteinander verbundenen Betriebe und die langjährige internationale Praxis der Tötung der männlichen Küken aus Legelinien tragen den Schluss, dass von den durch die spezialisierte Zucht eröffneten Nutzungsmöglichkeiten allgemein Gebrauch gemacht wird und der wirtschaftliche Wettbewerb eben das erfordert. Im Bericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) für die Amtschef- und Agrarministerkonferenz vom 2. bis 4. April 2014, in dem das Verbot der Tötung der männlichen Eintagsküken unter Darstellung der gegebenen Verhältnisse und möglicher Alternativen eingehend erörtert wird, wird diesen Küken die Eignung für die Mast abgesprochen und eine Absatzmöglichkeit ausschließlich als Nischenprodukt erwogen. Im Einklang damit macht der Beklagte geltend, die Küken seien wegen der Ausrichtung auf die Produktion von Legehennenküken und der damit verbundenen verminderten Fleischansatzleistung nicht für Mastzwecke geeignet. Soweit er die Mast der Küken gleichwohl als Alternative zu ihrer Tötung benennt und hierbei beispielhaft auf das Projekt der Bruderhahn Initiative verweist, räumt er gleichzeitig ein, dass die Kosten für die Aufzucht und Vermarktung dieser Tiere anteilig über einen Zuschlag zum Preis der Eier finanziert werden. Die Querfinanzierung belegt, dass sich die Mast der männlichen Tiere wirtschaftlich bei weitem nicht selbst trägt. Legt man die vom Beklagten angegebenen Zahlen für die in sehr überschaubarer Größenordnung von einigen 10.000 Tieren aufgestallten Bruderhähne, die zu deren Mitfinanzierung verkauften mehreren Millionen Eier und den Zuschlag von vier Cent pro Ei zugrunde, erfordert das Halten jedes Hahns einen überaus namhaften "Zuschuss". Das lässt angesichts dessen, dass nach den Angaben des Beklagten gleichzeitig jährlich ca. 700 Millionen Mastküken allein in konventionell arbeitenden Betrieben eingestallt werden, die nach kurzer Mast kostengünstig angeboten werden, und dass nach dem vorerwähnten Bericht des BMEL jährlich etwa 45 Millionen männliche Küken aus Legelinien ausgebrütet werden, wovon nach dem Protokoll der am 2. Oktober 2013 unter Beteiligung des MKULNV und des LANUV geführten Telefonkonferenz etwa 5,4 %, also ca. 2,5 Millionen Tiere, auf Nordrhein-Westfalen entfallen, nicht annähernd die Annahme zu, es bestehe bei einer realistischen Prognose eine wirtschaftlich aussichtsreiche Chance einer derartigen Vermarktung für die in der Brüterei des Klägers erzeugten immerhin ca. 100.000 männlichen Küken jährlich. Die Zahl der Küken übersteigt diejenige der bislang in Deutschland vermarkteten Bruderhähne um ein Vielfaches.
106Darüber hinaus kommt es für die Abwägung zur Beurteilung des Vorliegens eines vernünftigen Grundes maßgeblich auf die individuelle Situation des Klägers an, nicht auf die Handlungsmöglichkeiten der gesamten Branche der Erzeugung und Vermarktung von Eiern sowie Geflügelfleisch. Der Kläger ist mit seiner Brüterei als Erzeuger von Küken tätig und bedient mit den Küken eine Nachfrage. Er steuert Art und Umfang dieser Nachfrage nicht und entscheidet nicht über die Vermarktung alternativer Produkte. Die Querfinanzierung der Aufzucht der männlichen Küken und ihre Vermarktung setzen ein Zusammenwirken oder ein Überwinden der einzelnen Stufen der Erzeugung der Küken bis hin zum Absatz der Eier bzw. des Fleisches an Endverbraucher voraus. Das kann der Kläger letztlich nicht entscheidend beeinflussen. Dafür, was billigerweise von ihm im Interesse des Schutzes der männlichen Küken erwartet werden kann, kommt es nicht darauf an, ob das Halten der männlichen Tiere von der gesamten Branche der Geflügelwirtschaft einschließlich des Handels rechnerisch mittels einer Umlegung der dadurch entstehenden (Mehr-)Kosten auf den Endverkaufspreis von Eiern oder Mastgeflügel finanziert werden kann, sondern darauf, welche Möglichkeiten er hat. Übernimmt er selbst die Aufzucht und Vermarktung der männlichen Küken, kommt zu dem hierfür entstehenden Aufwand zwecks Schaffung einer Querfinanzierung durch den Eierpreis noch derjenige für das Halten von Legehennen und den Absatz der Eier hinzu.
107Erst recht gegen das Bestehen einer realen Vermarktungschance für die aufgezogenen männlichen Küken spricht, dass der Kläger beim Absatz dieser Tiere mit den übrigen Brütereien in Nordrhein-Westfalen konkurrieren müsste, die zeitgleich von gleichgerichteten Untersagungsanordnungen betroffen sind und bei deren Verbindlichkeit ebenfalls auf Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Gestaltung der Haltung der Küken angewiesen wären. Als Folge der Untersagungsanordnungen stünden jährlich ca. 2,5 Millionen bislang zur Mast nicht nachgefragte männliche Tiere gleichzeitig zur Verwendung an. Die vom Beklagten genannte Vermarktung des Fleischs der Hähne aus Legelinien als Bio-Babynahrung eines einzigen Unternehmens bestätigt das Bild einer sehr eng begrenzten und zudem bereits anderweitig wahrgenommenen Marktnische, deren Ausweitungspotential durch nichts Konkretes gesichert ist. Ergebnisse des bei der Telefonkonferenz am 2. Oktober 2013 in Aussicht genommenen Versuchs der Mast von Bruderhähnen, die etwas anderes besagen könnten, sind nicht bekannt geworden.
108Anhaltspunkte für mangelnde Aktualität des vorerwähnten Berichts des BMEL liegen nicht vor. Im Gegenteil geht auch der aktuelle Tierschutzbericht der Bundesregierung
109- vgl. BT-Drucks. 18/6750, S. 29 -
110davon aus, dass die männlichen Küken für die Mast nicht geeignet sind. Eine über die Schaffung bloßer Marktnischen aussichtsreich hinausgreifende Lösung des seit langem als für den Tierschutz frag- und kritikwürdig erkannten Problems der Tötung der männlichen Küken wird nicht in deren Aufzucht und Vermarktung gesehen, sondern in der Verwendung eines züchterisch noch zu verbessernden Zweinutzungshuhns mit konkurrenzfähiger Lege- und Fleischleistung sowie in Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei.
111Vgl. BT-Drucks. 18/7726, S. 4 f.; 18/7782, S. 1 f.; 18/7818, S. 1 f.
112Für die nach kürzerer Mastdauer der männlichen Küken erwogene Vermarktung der Tiere als Stubenküken gilt das Vorstehende entsprechend. Auch insoweit ist eine durch belastbare Tatsachen realitätsnah erhärtete Vermarktungschance nicht einmal für die beim Kläger entstehenden Küken erkennbar. Im genannten Bericht des BMEL wird für eine Vermarktung von Stubenküken ausschließlich ein sehr kleines Nischenpotential angenommen. Dagegen gibt es für das Bestehen einer zahlenmäßig nennenswerten Nachfrage nach Stubenküken oder für eine ein gewisses Maß an Erfolg versprechende Möglichkeit, eine solche Nachfrage zu wecken, keinen belastbaren Anhaltspunkt. Der Beklagte geht selbst davon aus, dass Stubenküken als - zudem regionale - Delikatesse gelten und in Deutschland für sie ein Markt bislang nicht existiert. Die von ihm für unerlässlich gehaltene Substantiierung ergebnisloser Bemühungen um eine entsprechende Vermarktung läuft angesichts dessen, dass seit langem auf mehreren Ebenen bislang ohne praktisch umsetzbares Ergebnis nach Lösungen gesucht wird, die die wirtschaftlichen Gründe für die Tötung der Küken zumindest spürbar entschärfen, und hierzu von anderen Bundesländern wie auch von der Bundesregierung die Geschlechtsbestimmung im Ei als die zur Vermeidung der Tötung der Küken vorzugswürdige, weil Erfolg versprechende Methode vorgeschlagen und die Verbesserung der Leistungsmerkmale von Zweinutzungshühnern befürwortet wird,
113vgl. BT-Drucks. 18/6663, S. 10; 18/7878, S. 1 f.,
114darauf hinaus, dass vom Kläger - und den übrigen Brutbetrieben in Nordrhein-Westfalen - im Fall des Unterbleibens der Tötung der Küken absehbar eine überaus große Anzahl von Tieren auf unbestimmte Zeit in der durch nichts erhärteten Aussicht einer späteren Vermarktung gehalten werden soll. Das ist aus wirtschaftlicher Sicht unvertretbar. Die so gehaltenen Tiere wären nur dem Namen nach Nutztiere.
115Das Interesse des Klägers, den hiernach wirtschaftlich sinnlosen Aufwand für das Halten der männlichen Küken zu vermeiden, überwiegt aufgrund der vorgenannten gesetzlichen Wertungen das öffentliche Interesse an der Unversehrtheit der Küken. Das gilt selbst dann, wenn man die gegenständlichen Erfordernisse der Unterbringung und Versorgung der Tiere allein unter dem Blickwinkel der damit verbundenen finanziellen Aufwendungen betrachtet, also die nicht gesicherte Bewältigung der tatsächlichen Schwierigkeiten beim Halten der Tiere unterstellt und zudem die unübersehbaren nachteiligen Auswirkungen des massenweisen Haltens der Tiere in Gestalt etwa des Verbrauchs von Anbau- oder Stallflächen zur Fütterung und Unterbringung ausblendet. Der Aufwand für das Halten der männlichen Küken ist aufgrund seiner Höhe, der mangelnden Rentabilität und der übrigen abwägungsrelevanten Umstände dem Kläger derzeit nicht zuzumuten.
116Die Kosten für das Halten der männlichen Küken sind ganz beträchtlich und stellen für den Kläger eine massive Belastung dar. Das zeigt das zur Finanzierung der Haltung im Rahmen des Projekts der Bruderhahn Initiative vorliegende Zahlenmaterial. Allein für die Fütterung eines Tiers sind mehrere Euro anzusetzen.
117Vgl. Landwirtschaftskammer NRW - Landwirtschaftszentrum Haus Düsse -, "Für jeden Vermarktungsweg das passende Huhn?" und "Legehennen-Alleinfutter im Test", jeweils www.landwirtschaftskammer/de/duesse /tierhaltung/geflügel/versuche; Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft - Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum Kitzingen -, "Nutzung männlicher Legehybriden als Stubenküken", und "Wirtschaftlichkeit von Zweinutzungshühnern", jeweils www.lfl.bayern.de/lvfz/kitzingen.
118Für die Brüterei des Klägers mit ca. 100.000 männlichen Küken jährlich ergeben sich daraus bereits Futterkosten in Höhe von mehreren 100.000 Euro jährlich. Hinzukommen die sonstigen Kosten etwa für die Unterbringung und Betreuung des Bestands.
119Von der wirtschaftlichen Unvertretbarkeit des Haltens der männlichen Küken sind die für den Tierschutz verantwortlichen staatlichen Stellen über Jahrzehnte hinweg unter Geltung des Tierschutzgesetzes einvernehmlich mit den Brütereien ausgegangen. Die starke Spezialisierung der Zuchtlinien von Hühnern auf Merkmale der tierischen Produktion in Gestalt einerseits von Eiern und andererseits von Fleisch findet nach Art. 2 Abs. 1 Buchstabe a der "Empfehlung in Bezug auf Haushühner der Art Gallus Gallus", die der auf der Grundlage des Europäischen Übereinkommens vom 10. März 1976 zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen gebildete Ständige Ausschuss am 28. November 1995 angenommen hat, seit spätestens den 1960er Jahren statt. Spätestens seit Anfang/Mitte der 1990er Jahre war die Tötung der männlichen Küken als aus ökonomischen Gründen übliche Praxis bundesweit bekannt und wurde dieses Vorgehen trotz ethischer Bedenken weithin als gerechtfertigt sowie rechtmäßig angesehen.
120Vgl. BT-Drucks. 12/4242, S. 45; Lorz, TierSchG, 4. Aufl. (1992), Anh. §§ 17, 18 Rn. 46.
121Seit Mitte/Ende der 1990er Jahre wird die Forschung zur Geschlechtsbestimmung im Ei staatlich gefördert, um das Ausbrüten männlicher Küken, also deren Entstehung, entbehrlich zu machen.
122Vgl. BT-Drucks. 13/350, S. 52; 13/7016, S. 56; 14/600, S. 53; 14/5712, S. 49.
123Die aus der Sicht des Tierschutzes geäußerten Bedenken
124- vgl. etwa Caspar, NuR 1997, 577 (582), -
125wurden in der Verwaltungspraxis nicht zum Anlass für ein Einschreiten mit dem Ziel der Untersagung der Tötung der männlichen Küken genommen. Im Gegenteil ist in Art. 22 Abs. 2 Satz 2, Anhang III Nrn. 2 und 3 der "Empfehlung in Bezug auf Haushühner der Art Gallus Gallus", die nicht ohne Möglichkeit der Mitwirkung deutscher Stellen angenommen werden konnte (Art. 8 Abs. 2, Abs. 5 Halbs. 2 Buchstabe a, Art. 9 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen), ausdrücklich vom Töten unerwünschter Küken und Embryonen in Brutbetrieben sowie von nicht zur Aufzucht bestimmten Küken die Rede und es werden für das Töten in Betracht kommende Methoden genannt. Damit übereinstimmend wird aktuell in Anhang 1 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung (ABl. 2009 L 303/1) eine gesonderte Tötungsmethode für Küken mit einem Höchstalter von 72 Stunden geregelt und werden in § 2 Nr. 3, Anlage 1 Nr. 3 der Tierschutz-Schlachtverordnung an das Töten von Küken ebenfalls Anforderungen gestellt. Die Vorschriften setzen voraus, dass die Küken in der Realität getötet werden. Wäre das Töten aus Rechtsgründen verboten, wären die Vorschriften mangels Anwendungsbereichs von vornherein funktionslos. Im Allgemeinen kann aber angenommen werden, dass rechtliche Regelungen einem bestimmten Zweck dienen und auf Anwendung angelegt sind. Entsprechendes folgt aus dem durch die Verordnung (EG) Nr. 617/2008 der Kommission vom 27. Juni 2008 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates hinsichtlich der Vermarktungsnormen für Bruteier und Küken von Hausgeflügel (ABl. 2008 L 168/5) begründeten Erfordernis, die "aussortierten Hahnenküken" von Hühnern in der Rubrik "Verwendungszwecke der Küken" gesondert statistisch zu erfassen.
126Die Gründe für die Tötung der männlichen Küken sind ebenso wie die hiergegen gerichteten ethischen und tierschutzrechtlichen Bedenken sowie deren Gewicht unverändert. Die Ordnungsverfügung geht zurück auf eine rechtliche Bewertung der Tötung der männlichen Küken durch die Staatsanwaltschaft Münster anhand der seit langem bestehenden Vorschriften. Die Auffassung der Staatsanwaltschaft hat sich in einem späteren strafrechtlichen Verfahren nicht durchgesetzt.
127Vgl. LG Münster, Beschluss vom 7. März 2016 - 2 KLs - 540 Js 290/15 - 7/15 -, a. a. O.; nachfolgend OLG Hamm, Beschluss vom 10. Mai 2016 - III - 4 Ws 113/16.
128In der Ordnungsverfügung wird das bisherige behördliche Verhalten als Duldung eingestuft. Das begegnet Zweifeln, weil keine Anhaltspunkte dafür bezeichnet werden oder sonst bestehen, dass die Behörden in der Vergangenheit die Tötung der Küken als rechtswidrig und damit duldungsbedürftig betrachtet haben. Ungeachtet dieser Zweifel beinhaltet eine Duldung zumindest das bewusste Absehen von einem Einschreiten. Die mit der Untersagungsanordnung vollzogene Abkehr hiervon stützt sich nicht auf zusätzliche oder in der Diskussion bislang nicht bedachte Gesichtspunkte oder auf sonstige Umstände, die über eine neue Bewertung der seit langem bestehenden Sach- und Rechtslage hinausgehen würden.
129Brauchbare zielführende Alternativen zur Tötung der männlichen Küken sind gegenwärtig nicht vorhanden. Realistische Möglichkeiten zur Vermarktung der männlichen Tiere nach vorangegangener Mast bestehen nach dem oben Gesagten nicht, auch nicht bei einer zeitlichen Begrenzung der Mast bis zur Erlangung der Merkmale von Stubenküken.
130Die Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei sind unter realen Praxisbedingungen noch nicht einsetzbar.
131Vgl. BT-Drucks. 18/6750, S. 29.
132Davon gehen sowohl die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu einem die Tötung von Wirbeltieren betreffenden Gesetzentwurf des Bundesrats als auch sonstige Äußerungen in der aktuellen parlamentarischen Erörterung des Themas aus.
133Vgl. BT-Drucks. 18/6663, S. 10; 18/7726, S. 5; 18/7726, S. 5.
134Anderslautende Erkenntnisse liegen nicht vor.
135Die als Möglichkeit zur Abmilderung bzw. Entkräftung der wirtschaftlichen Gründe für die Tötung der männlichen Küken erwogene Verlängerung der Nutzungsdauer der Legehennen über eine Legeperiode hinaus kann ausschließlich zu einer Verringerung der Zahl der für die Eierproduktion verwendeten Legehennen und zu einem Absenken der Anzahl der gleichzeitig mit den Legehennenküken ausgebrüteten männlichen Küken führen. Die Beeinflussung der Nachfrage nach Legehennenküken mag ein Beitrag sein zur Entschärfung der Größenordnung, in der die männlichen Küken der Legelinien bislang erzeugt und getötet werden, greift in ihren Wirkungen darüber aber nicht hinaus. Bezogen auf die Brüterei des Klägers ist nicht ansatzweise erkennbar, dass dadurch das Ausbrüten männlicher Küken in einem Umfang beeinflusst werden könnte, dass das Halten der verbleibenden Küken wirtschaftlich wegen einer sehr geringen Anzahl solcher Tiere nur noch von untergeordneter Bedeutung wäre. Ohnehin erzeugt der Kläger die Küken für fremde Legebetriebe. Er bestimmt nicht selbst über die Zahl der eingesetzten Legehennen oder die Dauer ihres Einsatzes und damit nicht über die Wahrnehmung der in Rede stehenden Möglichkeit. Ferner bezieht sich die Ordnungsverfügung auf die Praxis der Brütereien, die bei den Lege- und Mastbetrieben nicht abgesetzten männlichen Küken zu töten, ohne in Zweifel zu ziehen, dass die Legehennenküken nachfragegerecht erzeugt werden. Die Ordnungsverfügung verhält sich nicht zu "überzähligen" Küken, die möglicherweise über die Nachfrage hinaus ausgebrütet werden und deren Leben - sowie Tötung - bei besserer Planung der Einlegung von Bruteiern vermeidbar wäre. Ebenso wenig beschränkt sich die Untersagungsanordnung auf die männlichen Küken, die bei einer Verlängerung der Legedauer der Legehennen und einem hieran zahlenmäßig angepassten Ausbrüten von Bruteiern zur Erzeugung von Legenhennenküken nicht schlüpfen würden.
136Im Fall des Ausbrütens von Eiern von Zweinutzungsrassen, die der Beklagte als weitere Alternative zur Tötung der männlichen Küken anführt, verkörpern die männlichen Küken zwar wegen ihrer Nutzbarkeit zu Mastzwecken einen gewissen wirtschaftlichen Wert für Ernährungszwecke. Die für die Verwendung der Küken in den Lege- und Mastbetrieben zentralen Leistungsmerkmale der vorhandenen Zweinutzungsrassen bleiben aber hinter denjenigen der spezialisierten Zuchtlinien gegenwärtig noch so weit zurück, dass sie sich nach dem vorerwähnten Bericht des BMEL ökonomisch wegen fehlender Wettbewerbsfähigkeit für einen breiten Einsatz nicht eignen. Das wird in einer 2013 durchgeführten Untersuchung im Einzelnen belegt
137- vgl. Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft - Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum Kitzingen -, "Wirtschaftlichkeit von Zweinutzungshühnern", a. a. O. -
138und auch in einer aktuellen parlamentarischen Initiative im Bundestag als gegeben zugrunde gelegt.
139Vgl. BT-Drucks. 18/7878, S. 2.
140Selbst wenn man aber annimmt, dass die Verwendung von Zweinutzungsrassen bereits gegenwärtig bezogen auf die gesamte Branche der Eier- und Geflügelfleischproduktion ein züchterisch bei wirtschaftlicher Betrachtung sinnvoller Kompromiss zwischen wirtschaftlicher Effektivität und Tierschutz sein sollte, werden Hühner dieser Rassen in den Lege- und Mastbetrieben, deren Nachfrage nach Küken die wirtschaftliche Grundlage der Brütereien bildet, derzeit nicht in nennenswertem Umfang eingesetzt. Der Kläger ist, wie ausgeführt, mit der Erzeugung von Legehennenküken der auf hohe Legeleistung spezialisierten Legelinien ausgerichtet auf den für ihn verfügbaren Absatzmarkt. Die Änderung der Nachfrage auf Legehennenküken der Zweinutzungsrassen liegt außerhalb seiner Möglichkeiten.
141Andere Gesichtspunkte, die eine vom Vorstehenden abweichende Gewichtung der in die Abwägung nach § 1 Satz 2 TierSchG einzustellenden Interessen tragen könnten, liegen ebenfalls nicht vor. Die vom Beklagten geltend gemachte verstärkte Betonung von Tierschutzaspekten bei der Tierhaltung rechtfertigt keine gegenüber der bisherigen Rechtspraxis andere Bewertung der Interessen. Es mag sein, dass das Bewusstsein und die Offenheit der Bevölkerung für die Bedeutung des Tierschutzes bei der Erzeugung tierischer Lebensmittel in letzter Zeit gestiegen sind. Es mag außerdem sein, dass die Tötung der männlichen Küken als Mittel zur "Beseitigung" von für nutzlos gehaltenen Mitgeschöpfen betrachtet und unter ethischen Gesichtspunkten vermehrt abgelehnt wird. Schließlich mag es sein, dass es sich beim vernünftigen Grund im Sinne von § 1 Satz 2 TierSchG um einen Begriff mit dynamischem Aussagegehalt dergestalt handelt, dass die Veränderung von in der Bevölkerung vertretenen Wert- und Moralvorstellungen zu einer anderen rechtlichen Bewertung der Gründe für die Tötung von Tieren führen kann. Ungeachtet dessen reicht jedenfalls die vom Beklagten behauptete Wertschätzung des Tierschutzes in der Bevölkerung nicht aus, um die Annahme zu tragen, die Tötung der Küken werde als nicht (mehr) gerechtfertigt bewertet. Eine für eine solche Annahme zumindest unerlässliche mehrheitliche Verfestigung einer Werthaltung, die über eine mehr oder weniger vage gedankliche und verbal bekundete Befürwortung der Verbesserung des Tierschutzes hinausgreift und die angesichts der gegebenen Verhältnisse sonst zu bedenkenden Umstände einbezieht, ist nicht festzustellen. Umso weniger gibt es Anhaltspunkte für einen mehrheitlichen Konsens, dass die Tötung der Küken ethisch unannehmbar ist. Allein die erhöhte Sensibilität von Kreisen der Bevölkerung bietet keine taugliche Grundlage dafür, dem Schutz der Küken ausschlaggebendes Gewicht beizulegen. Zu den Ernährungsgewohnheiten eines sehr großen Teils der Bevölkerung in Deutschland gehört nach wie vor der Verzehr tierischer Lebensmittel, und zwar in einem Maße, das über dasjenige in der Vergangenheit weit hinausgeht. Ebenso gehört die Orientierung am Preis von Lebensmitteln zu den typischen und für das eigene Verhalten wichtigen, vielfach aufgrund der wirtschaftlichen Lebensverhältnisse unumgänglichen Gewohnheiten von Verbrauchern. Das wird bezogen auf Geflügel dadurch verdeutlicht, dass die Nachfrage nach Geflügelfleisch aus Mastrassen und nach kostengünstigen Eiern unverändert hoch ist, während es für eine in nennenswertem Umfang bislang nicht gedeckte Nachfrage nach Fleisch von Hähnen aus Legelinien oder aus Zweinutzungsrassen oder nach Stubenküken keinen substantiellen Anhaltspunkt gibt, obwohl die Tötung der männlichen Küken seit geraumer Zeit in der Öffentlichkeit diskutiert und dort nach dem Dafürhalten des Beklagten abgelehnt wird. Der Beklagte hält es bezogen auf diese Formen der Vermarktung lediglich für denkbar, eine entsprechende Nachfrage zu wecken. Er bezeichnet aber keinen vor dem Hintergrund der großen Zahl der entstehenden männlichen Küken aus Legelinien sowie der konkurrierenden Produkte plausiblen Anhalt für mehr als völlig ungesicherte Erfolgsaussichten von Bemühungen in dieser Richtung. Bei der anzunehmenden Ertragsorientierung der Geflügelwirtschaft deutet nichts Konkretes darauf hin, dass eine wirtschaftlichen Erfolg versprechende Nutzung der männlichen Küken unterbleibt. Es entbehrt einer tragfähigen Grundlage, das geltend gemachte Bewusstsein der Bevölkerung für Belange des Tierschutzes unter dem Gesichtspunkt rechtlicher oder ethischer Wertungskriterien als für die vorherrschenden Wertvorstellungen aussagekräftiger zu betrachten als das Nachfrageverhalten der Bevölkerung. Ebenso ist kein Umstand ersichtlich, der es rechtfertigen würde, die im Verbraucherverhalten zum Ausdruck gebrachte Entscheidung als weniger bedeutsam für das sittliche Empfinden der Bevölkerung zu betrachten als das vom Beklagten als fortschrittlich angesehene Bewusstsein. Die in der parlamentarischen Diskussion der Tötung der Küken mehrheitlich vertretene Auffassung, es fehle hierzu bislang an einer erforderlichen tauglichen Alternative, spricht eindeutig dagegen.
142Wirtschaftlich entscheidend für die Geflügelwirtschaft insgesamt ist, ob sich die vorgetragene erhöhte Wertschätzung des Tierschutzes im Verhalten von Verbrauchern äußert, und für die einzelne Brüterei, also auch für den Kläger, ob das Verbraucherverhalten die Endverkäufer der tierischen Produkte sowie die Lege- und Mastbetriebe dazu bewegt, ihre Nachfrage nach Küken zu ändern. Es gibt keine Erkenntnisse oder verlässlichen Prognosen, die für das Bestehen einer solchen Situation oder auch nur für eine entsprechende spürbare Entwicklung sprechen könnten. Die vom Beklagten angeführte Zunahme der Beachtung der Praktiken bei der Tierhaltung durch Verbraucher ist ohne Zahlenmaterial zu den erreichten oder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in überschaubaren Zeiträumen erreichbaren Größenordnungen und -verhältnisse unergiebig; aussagekräftige Daten zu den diesbezüglichen Marktanteilen und sonstigen Umständen fehlen. Da allein in Nordrhein-Westfalen wegen der ministeriellen Weisung vom 26. September 2013 von der Untersagung der Tötung der männlichen Küken jährlich ca. 2,5 Millionen Tiere betroffen sind, kann nur ein sich annähernd in dieser Größenordnung auswirkendes Verbraucherverhalten Bedeutung für die Gewichtung der wirtschaftlichen Gründe für die Tötung der Küken erlangen. Legt man den rechtlichen Standpunkt des Beklagten zu § 1 Satz 2 TierSchG zugrunde, sind sogar die bundesweit ca. 45 Millionen männlichen Küken jährlich in den Blick zu nehmen.
143Abgesehen davon sind für die Gewichtung der im Rahmen von § 1 Satz 2 TierSchG zu berücksichtigenden Interessen rechtliche Wertungen maßgeblich, nicht Einstellungen nicht näher bestimmter Teile der Bevölkerung. Rechtliche Wertungen vorzunehmen und vorzugeben ist insoweit Sache des Gesetzgebers, dem hierfür ein weitgespannter Entscheidungsspielraum zur Verfügung steht. Der Bundestag hat im Zuge der Behandlung einer gegen die Tötung der männlichen Küken gerichteten parlamentarischen Initiative
144- vgl. BT-Drucks. 18/4328 -
145mehrheitlich unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass aus seiner Sicht die Tötung der männlichen Küken gegenwärtig nicht Ausdruck und Ergebnis eines behördlichen Vollzugsdefizits bei der Durchsetzung von § 1 Satz 2 TierSchG, sondern bis zur Gebrauchstauglichkeit bislang fehlender Alternativen in Gestalt von Methoden zur Geschlechtsbestimmung im Ei gerechtfertigt ist.
146Vgl. BT-Drucks. 18/7726, S. 4 f.; BT-Prot. 18/161 (S. 15926).“
147Da die Untersagungsverfügung rechtswidrig ist, kann auch die darauf gestützte Zwangsgeldandrohung keinen Bestand haben.
1483.
149Die Kostenentscheidung beruht, soweit die Klage zurückgenommen ist, auf §§ 161 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO, im Übrigen auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Mit dem vorliegenden Urteil war einheitlich über die gesamten Kosten des Rechtsstreits quotenmäßig zu entscheiden, was zu der tenorierten Kostenentscheidung führt.
150Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
151Die Berufung gegen das Urteil wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.
(1) Längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 ist abweichend von § 5 Absatz 1 Satz 1 eine Betäubung nicht erforderlich für das Kastrieren von unter acht Tage alten männlichen Schweinen, sofern kein von der normalen anatomischen Beschaffenheit abweichender Befund vorliegt. Ist eine Betäubung nach Satz 1 nicht erforderlich, gilt § 5 Absatz 1 Satz 6 mit der Maßgabe entsprechend, dass insbesondere schmerzstillende Tierarzneimittel anzuwenden sind.
(1a) Bis zum 31. Mai 2019 wird dem Deutschen Bundestag eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums nach § 6 Absatz 6 zugeleitet. Die Zuleitung an den Deutschen Bundestag erfolgt vor der Zuleitung an den Bundesrat. Die Rechtsverordnung kann durch Beschluss des Deutschen Bundestages geändert oder abgelehnt werden. Der Beschluss des Deutschen Bundestages wird dem Bundesministerium zugeleitet. Hat sich der Deutsche Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang der Rechtsverordnung nicht mit ihr befasst, so wird die unveränderte Rechtsverordnung dem Bundesrat zugeleitet. Soweit die Rechtsverordnung auf Grund des Beschlusses des Bundesrates geändert wird, bedarf es keiner erneuten Zuleitung an den Bundestag.
(1b) Das Bundesministerium berichtet bis zum 30. Juni 2019 und dann mindestens alle sechs Monate dem zuständigen Fachausschuss des Deutschen Bundestages über die Umsetzungsfortschritte bei der Einführung alternativer Verfahren und Methoden zur betäubungslosen Ferkelkastration. Dabei soll das Bundesministerium unter anderem den Stand der arzneimittelrechtlichen Zulassung von Tierarzneimitteln für die Durchführung einer Betäubung bei der Ferkelkastration, den Stand der Technik bei Narkosegeräten, das entwickelte Schulungsmaterial und den Schulungserfolg darstellen.
(2) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2018 ist abweichend von § 5 Absatz 1 Satz 1 eine Betäubung nicht erforderlich für die Kennzeichnung von Pferden durch Schenkelbrand.
(3) (weggefallen)
(4) Die Erlaubnis nach § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 gilt demjenigen,
- 1.
der am 12. Juli 2013 eine im Sinne der vorgenannten Vorschriften erlaubnispflichtige Tätigkeit ausübt und - 2.
dem, soweit es sich dabei um eine nach diesem Gesetz in der bis zum 13. Juli 2013 geltenden Fassung erlaubnispflichtige Tätigkeit handelt, vor dem 13. Juli 2013 eine entsprechende Erlaubnis erteilt worden ist,
- 1.
wenn nicht bis zum 1. Januar 2014 die Erteilung einer endgültigen Erlaubnis beantragt wird oder - 2.
im Falle rechtzeitiger Antragstellung mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Antrag.
(4a) § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 ist ab dem 1. August 2014 anzuwenden.
(4b) § 11 Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe f ist ab dem 1. August 2014 anzuwenden.
(5) Bis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 11 Absatz 2 oder 6 Satz 2 ist § 11 Absatz 1 Satz 2 und 3, Absatz 2, 2a, 5 und 6 in der bis zum 13. Juli 2013 geltenden Fassung weiter anzuwenden mit der Maßgabe, dass
- 1.
auch derjenige, der Tierbörsen durchführt, ab dem 1. August 2014 die Anforderungen des § 11 Absatz 2 Nummer 1 in der vorstehend bezeichneten Fassung erfüllen muss und - 2.
derjenige, der gewerbsmäßig mit Wirbeltieren, außer landwirtschaftlichen Nutztieren, handelt, ab dem 1. August 2014 sicherzustellen hat, dass bei der erstmaligen Abgabe eines Wirbeltieres einer bestimmten Art an den jeweiligen künftigen Tierhalter mit dem Tier schriftliche Informationen über die wesentlichen Bedürfnisse des Tieres, insbesondere im Hinblick auf seine angemessene Ernährung und Pflege sowie verhaltensgerechte Unterbringung und artgemäße Bewegung, übergeben werden; dies gilt nicht bei der Abgabe an den Inhaber einer Erlaubnis nach § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe b in der vorstehend bezeichneten Fassung.
(6) § 11 Absatz 8 ist ab dem 1. Februar 2014 anzuwenden.
(6a) Das Bundesministerium berichtet bis zum 31. März 2023 dem zuständigen Fachausschuss des Deutschen Bundestages über den Stand der Entwicklung von Verfahren und Methoden zur Geschlechtsbestimmung im Hühnerei vor dem siebten Bebrütungstag.
(7) Vorbehaltlich des Satzes 3 und des Absatzes 8 sind die §§ 5, 6, 7, 7a, 8, 8a, 9, 10, 11, 15, 16, 16a und 18 in der sich jeweils aus Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes – Schutz von Versuchstieren – vom 18. Juni 2021 (BGBl. I S. 1828) ergebenden Fassung erst ab dem 1. Dezember 2021 anzuwenden. Bis zu dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt sind die dort genannten am 25. Juni 2021 geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. Soweit Vorschriften dieses Gesetzes zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, sind abweichend von Satz 1 die dort genannten Vorschriften in der dort genannten Fassung zum Zweck des Erlasses von Rechtsverordnungen ab dem 26. Juni 2021 anzuwenden.
(8) Im Falle von Tierversuchen nach § 7 Absatz 2 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2,
- 1.
deren Genehmigung vor dem 1. Dezember 2021 erteilt worden ist oder - 2.
deren Durchführung vor dem 1. Dezember 2021 nach den bis zu diesem Tag anzuwendenden Vorschriften dieses Gesetzes angezeigt und von der zuständigen Behörde nicht beanstandet worden ist,
(1) Wer
- 1.
Wirbeltiere oder Kopffüßer, - a)
die dazu bestimmt sind, in Tierversuchen verwendet zu werden, oder - b)
deren Organe oder Gewebe dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden,
- 2.
Wirbeltiere zu den in § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 genannten Zwecken züchten oder halten, - 3.
Tiere in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung halten, - 4.
Tiere in einem Zoologischen Garten oder einer anderen Einrichtung, in der Tiere gehalten und zur Schau gestellt werden, halten, - 5.
Wirbeltiere, die nicht Nutztiere sind, zum Zwecke der Abgabe gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung in das Inland verbringen oder einführen oder die Abgabe solcher Tiere, die in das Inland verbracht oder eingeführt werden sollen oder worden sind, gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung vermitteln, - 6.
für Dritte Hunde zu Schutzzwecken ausbilden oder hierfür Einrichtungen unterhalten, - 7.
Tierbörsen zum Zwecke des Tausches oder Verkaufes von Tieren durch Dritte durchführen oder - 8.
gewerbsmäßig, außer in den Fällen der Nummer 1, - a)
Wirbeltiere, außer landwirtschaftliche Nutztiere und Gehegewild, züchten oder halten, - b)
mit Wirbeltieren handeln, - c)
einen Reit- oder Fahrbetrieb unterhalten, - d)
Tiere zur Schau stellen oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen, - e)
Wirbeltiere als Schädlinge bekämpfen oder - f)
für Dritte Hunde ausbilden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter anleiten
(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1
- 1.
das Nähere zu der Form und dem Inhalt des Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 1, - 2.
die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung der Erlaubnis, - 3.
den Inhalt der Erlaubnis, im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 nur, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, sowie - 4.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der für die Erlaubniserteilung wesentlichen Sachverhalte, einschließlich der Pflicht zur Anzeige solcher Änderungen,
(3) In Rechtsverordnungen nach § 2a Absatz 1 oder § 4b können, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, über die dort genannten Anforderungen hinaus Anforderungen an die Haltung von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder an das Töten von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 vorgeschrieben werden, insbesondere
- 1.
Anforderungen an innerbetriebliche Abläufe zum Zwecke der Vermeidung, Feststellung und Beseitigung von Mängeln, - 2.
Maßnahmen zum Zwecke der Gewöhnung und des Trainings solcher Tiere im Hinblick auf ihre Haltung und Verwendung und - 3.
Anforderungen an den Erwerb und die Aufrechterhaltung der für die Betreuung und Pflege und das Töten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten; hierbei kann auch vorgeschrieben werden, dass Aufzeichnungen über die Maßnahmen, die zum Zwecke des Erwerbs und der Aufrechterhaltung der Kenntnisse und Fähigkeiten ergriffen werden, zu machen, aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen sind.
(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Arten an wechselnden Orten zu beschränken oder zu verbieten, soweit die Tiere der jeweiligen Art an wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden gehalten oder zu den wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden befördert werden können. Eine Rechtsverordnung nach Satz 1
- 1.
darf nur erlassen werden, soweit den in Satz 1 bezeichneten erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden durch andere Regelungen, insbesondere solche mit Anforderungen an die Haltung oder Beförderung der Tiere, nicht wirksam begegnet werden kann, - 2.
muss vorsehen, dass Tiere, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung gehalten werden, von dem Verbot nur dann erfasst werden, wenn keine Möglichkeiten bestehen, die erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden bei diesen Tieren auf ein vertretbares Maß zu vermindern.
(5) Mit der Ausübung der Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 darf erst nach Erteilung der Erlaubnis begonnen werden. Die zuständige Behörde entscheidet schriftlich oder elektronisch über den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis innerhalb einer Frist von vier Monaten ab Eingang des Antrags. Die in Satz 2 genannte Frist kann von der zuständigen Behörde um bis zu zwei Monate verlängert werden, soweit der Umfang und die Schwierigkeit der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Erlaubnis dies rechtfertigen. Der Antragsteller ist über die Fristverlängerung vor Ablauf der in Satz 2 genannten Frist unter Angabe von Gründen zu unterrichten. Bei der Berechnung der Frist bleiben die Zeiten unberücksichtigt, während derer der Antragsteller trotz schriftlicher oder elektronischer Aufforderung der Behörde den Anforderungen in einer auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung nicht nachgekommen ist. Die zuständige Behörde soll demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen, der die Erlaubnis nicht hat.
(6) Wer gewerbsmäßig Gehegewild halten will, hat dies vier Wochen vor Aufnahme der Tätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen. Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- 1.
die Form und den Inhalt der Anzeige, - 2.
die Voraussetzungen, unter denen die Tätigkeit nach Satz 1 untersagt werden kann, und - 3.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der angezeigten Sachverhalte
(7) Die Ausübung der nach Absatz 5 Satz 6 oder auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 untersagten Tätigkeit kann von der zuständigen Behörde auch durch Schließung der Betriebs- oder Geschäftsräume verhindert werden.
(8) Wer Nutztiere zu Erwerbszwecken hält, hat durch betriebliche Eigenkontrollen sicherzustellen, dass die Anforderungen des § 2 eingehalten werden. Insbesondere hat er zum Zwecke seiner Beurteilung, dass die Anforderungen des § 2 erfüllt sind, geeignete tierbezogene Merkmale (Tierschutzindikatoren) zu erheben und zu bewerten.
Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Wer
- 1.
Wirbeltiere oder Kopffüßer, - a)
die dazu bestimmt sind, in Tierversuchen verwendet zu werden, oder - b)
deren Organe oder Gewebe dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden,
- 2.
Wirbeltiere zu den in § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 genannten Zwecken züchten oder halten, - 3.
Tiere in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung halten, - 4.
Tiere in einem Zoologischen Garten oder einer anderen Einrichtung, in der Tiere gehalten und zur Schau gestellt werden, halten, - 5.
Wirbeltiere, die nicht Nutztiere sind, zum Zwecke der Abgabe gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung in das Inland verbringen oder einführen oder die Abgabe solcher Tiere, die in das Inland verbracht oder eingeführt werden sollen oder worden sind, gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung vermitteln, - 6.
für Dritte Hunde zu Schutzzwecken ausbilden oder hierfür Einrichtungen unterhalten, - 7.
Tierbörsen zum Zwecke des Tausches oder Verkaufes von Tieren durch Dritte durchführen oder - 8.
gewerbsmäßig, außer in den Fällen der Nummer 1, - a)
Wirbeltiere, außer landwirtschaftliche Nutztiere und Gehegewild, züchten oder halten, - b)
mit Wirbeltieren handeln, - c)
einen Reit- oder Fahrbetrieb unterhalten, - d)
Tiere zur Schau stellen oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen, - e)
Wirbeltiere als Schädlinge bekämpfen oder - f)
für Dritte Hunde ausbilden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter anleiten
(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1
- 1.
das Nähere zu der Form und dem Inhalt des Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 1, - 2.
die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung der Erlaubnis, - 3.
den Inhalt der Erlaubnis, im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 nur, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, sowie - 4.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der für die Erlaubniserteilung wesentlichen Sachverhalte, einschließlich der Pflicht zur Anzeige solcher Änderungen,
(3) In Rechtsverordnungen nach § 2a Absatz 1 oder § 4b können, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, über die dort genannten Anforderungen hinaus Anforderungen an die Haltung von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder an das Töten von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 vorgeschrieben werden, insbesondere
- 1.
Anforderungen an innerbetriebliche Abläufe zum Zwecke der Vermeidung, Feststellung und Beseitigung von Mängeln, - 2.
Maßnahmen zum Zwecke der Gewöhnung und des Trainings solcher Tiere im Hinblick auf ihre Haltung und Verwendung und - 3.
Anforderungen an den Erwerb und die Aufrechterhaltung der für die Betreuung und Pflege und das Töten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten; hierbei kann auch vorgeschrieben werden, dass Aufzeichnungen über die Maßnahmen, die zum Zwecke des Erwerbs und der Aufrechterhaltung der Kenntnisse und Fähigkeiten ergriffen werden, zu machen, aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen sind.
(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Arten an wechselnden Orten zu beschränken oder zu verbieten, soweit die Tiere der jeweiligen Art an wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden gehalten oder zu den wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden befördert werden können. Eine Rechtsverordnung nach Satz 1
- 1.
darf nur erlassen werden, soweit den in Satz 1 bezeichneten erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden durch andere Regelungen, insbesondere solche mit Anforderungen an die Haltung oder Beförderung der Tiere, nicht wirksam begegnet werden kann, - 2.
muss vorsehen, dass Tiere, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung gehalten werden, von dem Verbot nur dann erfasst werden, wenn keine Möglichkeiten bestehen, die erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden bei diesen Tieren auf ein vertretbares Maß zu vermindern.
(5) Mit der Ausübung der Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 darf erst nach Erteilung der Erlaubnis begonnen werden. Die zuständige Behörde entscheidet schriftlich oder elektronisch über den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis innerhalb einer Frist von vier Monaten ab Eingang des Antrags. Die in Satz 2 genannte Frist kann von der zuständigen Behörde um bis zu zwei Monate verlängert werden, soweit der Umfang und die Schwierigkeit der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Erlaubnis dies rechtfertigen. Der Antragsteller ist über die Fristverlängerung vor Ablauf der in Satz 2 genannten Frist unter Angabe von Gründen zu unterrichten. Bei der Berechnung der Frist bleiben die Zeiten unberücksichtigt, während derer der Antragsteller trotz schriftlicher oder elektronischer Aufforderung der Behörde den Anforderungen in einer auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung nicht nachgekommen ist. Die zuständige Behörde soll demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen, der die Erlaubnis nicht hat.
(6) Wer gewerbsmäßig Gehegewild halten will, hat dies vier Wochen vor Aufnahme der Tätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen. Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- 1.
die Form und den Inhalt der Anzeige, - 2.
die Voraussetzungen, unter denen die Tätigkeit nach Satz 1 untersagt werden kann, und - 3.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der angezeigten Sachverhalte
(7) Die Ausübung der nach Absatz 5 Satz 6 oder auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 untersagten Tätigkeit kann von der zuständigen Behörde auch durch Schließung der Betriebs- oder Geschäftsräume verhindert werden.
(8) Wer Nutztiere zu Erwerbszwecken hält, hat durch betriebliche Eigenkontrollen sicherzustellen, dass die Anforderungen des § 2 eingehalten werden. Insbesondere hat er zum Zwecke seiner Beurteilung, dass die Anforderungen des § 2 erfüllt sind, geeignete tierbezogene Merkmale (Tierschutzindikatoren) zu erheben und zu bewerten.
(1) Längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 ist abweichend von § 5 Absatz 1 Satz 1 eine Betäubung nicht erforderlich für das Kastrieren von unter acht Tage alten männlichen Schweinen, sofern kein von der normalen anatomischen Beschaffenheit abweichender Befund vorliegt. Ist eine Betäubung nach Satz 1 nicht erforderlich, gilt § 5 Absatz 1 Satz 6 mit der Maßgabe entsprechend, dass insbesondere schmerzstillende Tierarzneimittel anzuwenden sind.
(1a) Bis zum 31. Mai 2019 wird dem Deutschen Bundestag eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums nach § 6 Absatz 6 zugeleitet. Die Zuleitung an den Deutschen Bundestag erfolgt vor der Zuleitung an den Bundesrat. Die Rechtsverordnung kann durch Beschluss des Deutschen Bundestages geändert oder abgelehnt werden. Der Beschluss des Deutschen Bundestages wird dem Bundesministerium zugeleitet. Hat sich der Deutsche Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang der Rechtsverordnung nicht mit ihr befasst, so wird die unveränderte Rechtsverordnung dem Bundesrat zugeleitet. Soweit die Rechtsverordnung auf Grund des Beschlusses des Bundesrates geändert wird, bedarf es keiner erneuten Zuleitung an den Bundestag.
(1b) Das Bundesministerium berichtet bis zum 30. Juni 2019 und dann mindestens alle sechs Monate dem zuständigen Fachausschuss des Deutschen Bundestages über die Umsetzungsfortschritte bei der Einführung alternativer Verfahren und Methoden zur betäubungslosen Ferkelkastration. Dabei soll das Bundesministerium unter anderem den Stand der arzneimittelrechtlichen Zulassung von Tierarzneimitteln für die Durchführung einer Betäubung bei der Ferkelkastration, den Stand der Technik bei Narkosegeräten, das entwickelte Schulungsmaterial und den Schulungserfolg darstellen.
(2) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2018 ist abweichend von § 5 Absatz 1 Satz 1 eine Betäubung nicht erforderlich für die Kennzeichnung von Pferden durch Schenkelbrand.
(3) (weggefallen)
(4) Die Erlaubnis nach § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 gilt demjenigen,
- 1.
der am 12. Juli 2013 eine im Sinne der vorgenannten Vorschriften erlaubnispflichtige Tätigkeit ausübt und - 2.
dem, soweit es sich dabei um eine nach diesem Gesetz in der bis zum 13. Juli 2013 geltenden Fassung erlaubnispflichtige Tätigkeit handelt, vor dem 13. Juli 2013 eine entsprechende Erlaubnis erteilt worden ist,
- 1.
wenn nicht bis zum 1. Januar 2014 die Erteilung einer endgültigen Erlaubnis beantragt wird oder - 2.
im Falle rechtzeitiger Antragstellung mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Antrag.
(4a) § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 ist ab dem 1. August 2014 anzuwenden.
(4b) § 11 Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe f ist ab dem 1. August 2014 anzuwenden.
(5) Bis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 11 Absatz 2 oder 6 Satz 2 ist § 11 Absatz 1 Satz 2 und 3, Absatz 2, 2a, 5 und 6 in der bis zum 13. Juli 2013 geltenden Fassung weiter anzuwenden mit der Maßgabe, dass
- 1.
auch derjenige, der Tierbörsen durchführt, ab dem 1. August 2014 die Anforderungen des § 11 Absatz 2 Nummer 1 in der vorstehend bezeichneten Fassung erfüllen muss und - 2.
derjenige, der gewerbsmäßig mit Wirbeltieren, außer landwirtschaftlichen Nutztieren, handelt, ab dem 1. August 2014 sicherzustellen hat, dass bei der erstmaligen Abgabe eines Wirbeltieres einer bestimmten Art an den jeweiligen künftigen Tierhalter mit dem Tier schriftliche Informationen über die wesentlichen Bedürfnisse des Tieres, insbesondere im Hinblick auf seine angemessene Ernährung und Pflege sowie verhaltensgerechte Unterbringung und artgemäße Bewegung, übergeben werden; dies gilt nicht bei der Abgabe an den Inhaber einer Erlaubnis nach § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe b in der vorstehend bezeichneten Fassung.
(6) § 11 Absatz 8 ist ab dem 1. Februar 2014 anzuwenden.
(6a) Das Bundesministerium berichtet bis zum 31. März 2023 dem zuständigen Fachausschuss des Deutschen Bundestages über den Stand der Entwicklung von Verfahren und Methoden zur Geschlechtsbestimmung im Hühnerei vor dem siebten Bebrütungstag.
(7) Vorbehaltlich des Satzes 3 und des Absatzes 8 sind die §§ 5, 6, 7, 7a, 8, 8a, 9, 10, 11, 15, 16, 16a und 18 in der sich jeweils aus Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes – Schutz von Versuchstieren – vom 18. Juni 2021 (BGBl. I S. 1828) ergebenden Fassung erst ab dem 1. Dezember 2021 anzuwenden. Bis zu dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt sind die dort genannten am 25. Juni 2021 geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. Soweit Vorschriften dieses Gesetzes zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, sind abweichend von Satz 1 die dort genannten Vorschriften in der dort genannten Fassung zum Zweck des Erlasses von Rechtsverordnungen ab dem 26. Juni 2021 anzuwenden.
(8) Im Falle von Tierversuchen nach § 7 Absatz 2 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2,
- 1.
deren Genehmigung vor dem 1. Dezember 2021 erteilt worden ist oder - 2.
deren Durchführung vor dem 1. Dezember 2021 nach den bis zu diesem Tag anzuwendenden Vorschriften dieses Gesetzes angezeigt und von der zuständigen Behörde nicht beanstandet worden ist,
(1) Wer
- 1.
Wirbeltiere oder Kopffüßer, - a)
die dazu bestimmt sind, in Tierversuchen verwendet zu werden, oder - b)
deren Organe oder Gewebe dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden,
- 2.
Wirbeltiere zu den in § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 genannten Zwecken züchten oder halten, - 3.
Tiere in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung halten, - 4.
Tiere in einem Zoologischen Garten oder einer anderen Einrichtung, in der Tiere gehalten und zur Schau gestellt werden, halten, - 5.
Wirbeltiere, die nicht Nutztiere sind, zum Zwecke der Abgabe gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung in das Inland verbringen oder einführen oder die Abgabe solcher Tiere, die in das Inland verbracht oder eingeführt werden sollen oder worden sind, gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung vermitteln, - 6.
für Dritte Hunde zu Schutzzwecken ausbilden oder hierfür Einrichtungen unterhalten, - 7.
Tierbörsen zum Zwecke des Tausches oder Verkaufes von Tieren durch Dritte durchführen oder - 8.
gewerbsmäßig, außer in den Fällen der Nummer 1, - a)
Wirbeltiere, außer landwirtschaftliche Nutztiere und Gehegewild, züchten oder halten, - b)
mit Wirbeltieren handeln, - c)
einen Reit- oder Fahrbetrieb unterhalten, - d)
Tiere zur Schau stellen oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen, - e)
Wirbeltiere als Schädlinge bekämpfen oder - f)
für Dritte Hunde ausbilden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter anleiten
(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1
- 1.
das Nähere zu der Form und dem Inhalt des Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 1, - 2.
die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung der Erlaubnis, - 3.
den Inhalt der Erlaubnis, im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 nur, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, sowie - 4.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der für die Erlaubniserteilung wesentlichen Sachverhalte, einschließlich der Pflicht zur Anzeige solcher Änderungen,
(3) In Rechtsverordnungen nach § 2a Absatz 1 oder § 4b können, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, über die dort genannten Anforderungen hinaus Anforderungen an die Haltung von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder an das Töten von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 vorgeschrieben werden, insbesondere
- 1.
Anforderungen an innerbetriebliche Abläufe zum Zwecke der Vermeidung, Feststellung und Beseitigung von Mängeln, - 2.
Maßnahmen zum Zwecke der Gewöhnung und des Trainings solcher Tiere im Hinblick auf ihre Haltung und Verwendung und - 3.
Anforderungen an den Erwerb und die Aufrechterhaltung der für die Betreuung und Pflege und das Töten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten; hierbei kann auch vorgeschrieben werden, dass Aufzeichnungen über die Maßnahmen, die zum Zwecke des Erwerbs und der Aufrechterhaltung der Kenntnisse und Fähigkeiten ergriffen werden, zu machen, aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen sind.
(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Arten an wechselnden Orten zu beschränken oder zu verbieten, soweit die Tiere der jeweiligen Art an wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden gehalten oder zu den wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden befördert werden können. Eine Rechtsverordnung nach Satz 1
- 1.
darf nur erlassen werden, soweit den in Satz 1 bezeichneten erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden durch andere Regelungen, insbesondere solche mit Anforderungen an die Haltung oder Beförderung der Tiere, nicht wirksam begegnet werden kann, - 2.
muss vorsehen, dass Tiere, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung gehalten werden, von dem Verbot nur dann erfasst werden, wenn keine Möglichkeiten bestehen, die erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden bei diesen Tieren auf ein vertretbares Maß zu vermindern.
(5) Mit der Ausübung der Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 darf erst nach Erteilung der Erlaubnis begonnen werden. Die zuständige Behörde entscheidet schriftlich oder elektronisch über den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis innerhalb einer Frist von vier Monaten ab Eingang des Antrags. Die in Satz 2 genannte Frist kann von der zuständigen Behörde um bis zu zwei Monate verlängert werden, soweit der Umfang und die Schwierigkeit der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Erlaubnis dies rechtfertigen. Der Antragsteller ist über die Fristverlängerung vor Ablauf der in Satz 2 genannten Frist unter Angabe von Gründen zu unterrichten. Bei der Berechnung der Frist bleiben die Zeiten unberücksichtigt, während derer der Antragsteller trotz schriftlicher oder elektronischer Aufforderung der Behörde den Anforderungen in einer auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung nicht nachgekommen ist. Die zuständige Behörde soll demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen, der die Erlaubnis nicht hat.
(6) Wer gewerbsmäßig Gehegewild halten will, hat dies vier Wochen vor Aufnahme der Tätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen. Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- 1.
die Form und den Inhalt der Anzeige, - 2.
die Voraussetzungen, unter denen die Tätigkeit nach Satz 1 untersagt werden kann, und - 3.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der angezeigten Sachverhalte
(7) Die Ausübung der nach Absatz 5 Satz 6 oder auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 untersagten Tätigkeit kann von der zuständigen Behörde auch durch Schließung der Betriebs- oder Geschäftsräume verhindert werden.
(8) Wer Nutztiere zu Erwerbszwecken hält, hat durch betriebliche Eigenkontrollen sicherzustellen, dass die Anforderungen des § 2 eingehalten werden. Insbesondere hat er zum Zwecke seiner Beurteilung, dass die Anforderungen des § 2 erfüllt sind, geeignete tierbezogene Merkmale (Tierschutzindikatoren) zu erheben und zu bewerten.
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
- 1.
muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, - 2.
darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, - 3.
muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides ihres Oberbürgermeisters vom 28. Januar 2014 verpflichtet, über die Erteilung der von den Klägern am 18. Dezember 2013 beantragten Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Halten von Kangalfischen (Garra rufa) nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe a TierSchG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Im Ãœbrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte zu zwei Dritteln und die Kläger zu einem Drittel.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Am 18. Dezember 2013 stellten die Kläger bei der Beklagten gemeinsam einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe a Tierschutzgesetz (TierSchG) zum gewerblichen Halten von Kangalfischen (Garra rufa). Diese Fische kommen in verschiedenen Gewässern Eurasiens vor. Um sich zu ernähren, weiden sie den Biofilm von festen Oberflächen wie Steinen und Pflanzen ab. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie auch – ähnlich wie Putzerfische – als natürliche Verhaltensweise Hautschuppen von der Haut anderer Lebewesen abknabbern.
3Zweck des Genehmigungsantrags der Kläger ist die Eröffnung eines sogenannten Fisch-Spa, welches die Kläger künftig als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betreiben wollen. Ihrem Antrag fügten die Kläger ein von der Firma Q. erstelltes Betriebskonzept bei, das die Fisch-Spa-Behandlung sowie die technische Gestaltung des Vorhabens im Wesentlichen wie folgt beschreibt:
4Bei der Behandlung würden die Füße der Kunden in mit den Fischen besetzte Wasserbecken getaucht. Während der jeweils gebuchten Dauer knabberten die Fische dann Hautschuppen von den Füßen der Kunden ab. Es sei vorgesehen, in dem Fisch-Spa zehn bis fünfzehn Behandlungsbecken mit einem Volumen von zunächst ca. 337,5 Litern aufzustellen, in die, wie von den Klägern in der mündlichen Verhandlung klarstellend angegeben, jeweils 80 bis 100 Fische eingesetzt würden. Die Becken seien jeweils durch eine Schwarzglasscheibe in zwei Bereiche geteilt; der vordere Teil diene dem Aufenthalt der Fische und der Durchführung der Behandlung, der hintere sei für Filter und Pumpe vorgesehen. Die Filterung des Wassers in den Behandlungsbecken erfolge durch einen 3-Stufen-Biofilter. Dabei werde das Wasser zunächst aus dem Becken in die Filteranlage gepumpt. Anschließend gelange das durch den Filter gereinigte Wasser in einen 11-18 Watt starken UVC-Klärer, der ebenfalls den Keimgehalt des Wassers reduziere. Das hierin zusätzlich gereinigte Wasser werde dann wieder dem Becken zugeführt. Zusätzlich werde voraussichtlich eine Umkehrosmoseanlage verwendet, die Schwermetalle und Kalk aus dem Wasser filtere. Bei Bedarf könne ein Ozonisator zwischengeschaltet werden, der zusätzlich zu dieser Funktion die Gelbfärbung des Wassers durch Huminsäuren unterbinde. Um die Häufigkeit der notwendigen Wasserwechsel zu bestimmen, werde täglich u. a. der Nitritwert des Wassers gemessen. Darüber hinaus werde ein Wasserwertekontrollbuch über die genommenen wichtigsten Wasserwerte geführt. Ebenso werde ein Tierbestandskontrollbuch geführt, in das Tiereingänge und -ausgänge, Todesfälle und geschätzte Geburten eingetragen würden. In die Becken werde jeweils ein zur Hälfte mit Steinen befülltes sogenanntes Viertelröhrensystem aus Plexiglas eingebaut, das den Fischen als Rückzugsort, Schutz und Ablaichort diene. Die Fische würden ausschließlich in den Behandlungsbecken gehalten und erhielten mindestens acht Stunden lang Tageslicht bzw. im Winter entsprechendes künstliches Licht. Nachts würden die Fische für mindestens zwölf Stunden nicht gestört, jegliche Lichtquellen würden abgeschaltet. Die Becken würden nachts abgedeckt, um zu verhindern, dass die Fische herausspringen. Zur Vorbereitung der Behandlung nehme das Personal des Fisch-Spa bei den Kunden jeweils eine Reinigung und Desinfektion der Füße in der dafür vorgesehenen Anlage vor. Dabei würden die Füße gewaschen, desinfiziert und mit Klarwasser abgespült. Anschließend erhielten die Kunden OP-Überzieher oder Stofflatschen, um sich zu den Behandlungsbecken zu begeben. Die Behandlung werde ausschließlich zu Wellnesszwecken bzw. zu kosmetischen Zwecken an gesunder Haut erfolgen. Eine therapeutische Behandlung von Hautkrankheiten finde nicht statt. Kunden mit offenen Wunden oder sonstigen Krankheitssymptomen würden durch das in Krankheitsbildern geschulte Personal des Fisch-Spa von der Behandlung ausgeschlossen. Menschen mit Hautkrankheiten erhielten stattdessen die Möglichkeit, Fische zur Eigenbehandlung zu kaufen. Die Fische könnten – wie in der mündlichen Verhandlung von den Klägern klargestellt – bei dem Lieferanten der Kläger, der Firma Q. , gekauft werden. Mit dieser Firma bestehe auch eine Rücknahmevereinbarung für Fische, die aufgrund ihrer Größe nach spätestens vier bis fünf Jahren nicht mehr für die Behandlung eingesetzt werden könnten. Die Firma Q. werde diese anschließend zur Zucht einsetzen oder an Privatpersonen oder Vereine abgeben. Für die Übernahme der Fische berechne die Firma Q. den jeweils gültigen Tagespreis.
5Die Kläger fügten dem Antrag vom 18. Dezember 2013 außerdem Zeugnisse bei, die deren Teilnahme an einem Seminar für Fisch-Spa-Betreiber mit 16 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten bescheinigen. Der Kläger zu 1) legte zudem einen Sachkundenachweis in Süßwasseraquaristik vor.
6Mit an beide Kläger gerichtetem Bescheid vom 28. Januar 2014 lehnte die Beklagte die Erteilung der beantragten Genehmigung ab. Zur Begründung führte sie an, dass der Einsatz von Kangalfischen zu rein kosmetischen Zwecken vor dem Hintergrund eines ethisch geprägten Tierschutzes sowie der Staatszielbestimmung in Art. 20a GG eng beurteilt werden müsse und stützte sich vollumfänglich auf die Verfügung des Landes-amtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) vom 29. September 2011 (Az. 8.84-01.09.07.01). Danach sei die gewerbliche Haltung von Kangalfischen zur Durchführung von kosmetischen Behandlungen nicht nach dem TierSchG erlaubnisfähig. Die Beklagte wies darauf hin, dass das Vorhaben der Kläger auch unter hygienischen und arzneimittelrechtlichen Aspekten zu prüfen sei, wofür das hier entscheidende Umwelt- und Verbraucherschutzamt der Beklagten nicht zuständig sei. Zur Vermeidung gesundheitlicher Risiken für die Kunden sei ein nur einmaliger Einsatz der Fische notwendig. Diese Vorgehensweise sei aber wiederum tierschutzrechtlich zu beanstanden. Dabei müsse nämlich bereits nach kurzer Zeit eine große Anzahl von Fischen anderweitig untergebracht werden. In der zu erwartenden Größenordnung könnten die Kläger jedoch nicht gewährleisten, dass alle nicht mehr benötigten Fische Abnehmer fänden.
7Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides enthielt keinen Hinweis auf die Möglichkeit einer elektronischen Klageerhebung. Dem Bescheid fügte die Beklagte die folgenden drei Stellungnahmen zur Frage des gewerblichen Haltens von Kangalfischen bei:
8Stellungnahme von Herrn Dr. Kleingeld vom 23. Dezember 2010
9Schreiben von Prof. Dr. Rudolf Hoffmann vom 5. Oktober 2010
10Gutachten von Dr. Heidrich vom 28. April 2011
11In der von der Beklagten im Bescheid vom 28. Januar 2014 zitierten Verfügung des LANUV vom 29. September 2011 (Az. 8.84-01.09.07.01) nimmt dieses dahingehend Stellung, dass den Fischen durch die gewerbliche Haltung zur Durchführung kosmetischer Behandlungen unvermeidbare Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt würden, die nicht durch einen vernünftigen Grund gerechtfertigt seien. Es komme bei der Umsetzung der Fische von Haltungsbecken in Behandlungsbecken sowie durch das Hineinhalten von Armen und Beinen der Kunden in die Becken zwangsläufig zu Stresssituationen für die Fische. Das Wasser werde durch Rückstände von Kosmetika, Seifen und Parfums, Schweiß und Talg von der Haut der Kunden sowie Exkremente der Fische belastet. Nikotinabscheidungen von Kunden könnten sogar toxische Gefahren für die Fische verursachen. Lediglich bei Heilbehandlungen sei der Einsatz von Kangalfischen unter bestimmten Voraussetzungen erlaubnisfähig.
12Die Kläger haben am 28. Februar 2014 Klage erhoben. Zur Begründung machen sie geltend, dass weder für Heilbehandlungen noch zu kosmetischen Zwecken eine Erlaubnis beantragt worden sei. Die Fische würden lediglich aus Wellness-Gründen, also zur Entspannung und zum Genuss eingesetzt. Zum Ablauf der Behandlung ergänzen die Kläger, dass die Kunden eine Behandlungszeit von 20 oder 30 Minuten wählen könnten. Nach Ablauf der Behandlungszeit werde das Becken gereinigt und mit UV-Licht bestrahlt. Dies erfolge – so die Klarstellung der Kläger in der mündlichen Verhandlung – dauerhaft in dem jeweils abgetrennten Bereich der Becken, sodass die Fische nicht mit der Bestrahlung in Kontakt kommen. Anschließend sei das Becken quasi keimfrei. Wie ebenfalls in der mündlichen Verhandlung klargestellt, sei eine Taktung vorgesehen, bei der sich an eine 20-minütige Behandlungszeit eine Pause von 20 Minuten anschließe und dann wieder eine 20-minütige Behandlung stattfinde. Bereits die Verfügung des LANUV vom 29. September 2011, auf die sich die Beklagte in ihrem Bescheid vom 28. Januar 2014 stütze, sei ermessensfehlerhaft, da das LANUV im Rahmen der Rundverfügung von dem ihm eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht habe. Dies folge aus dem Wortlaut der Verfügung des LANUV, wonach eine gewerbsmäßige Haltung von Kangalfischen für die Durchführung kosmetischer Behandlungen „eindeutig“ nicht mit dem Tierschutzrecht vereinbar sei. Zudem habe das LANUV den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, weil es nicht alle ihm vorliegenden Sachverständigengutachten über die Belastung von Kangalfischen durch den Einsatz für kosmetische Behandlungen berücksichtigt habe. Auch der Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2014 leide an einem Ermessensnichtgebrauch, weil dieser die „Eindeutigkeit“ aus der Rundverfügung des LANUV übernehme. Darüber hinaus bestünden materiell-rechtlich keine Gründe für die Versagung der beantragten Genehmigung. Die Fische erlitten durch den von den Klägern geplanten Behandlungsablauf kein Leid. Sie seien nicht menschenscheu, sondern bewegten sich freiwillig auf Menschen bzw. deren Körperteile zu. Die Fische verhielten sich bei der Behandlung nicht anders als in ihrem natürlichen Lebensumfeld; es handele sich bei dem Anknabbern menschlicher Extremitäten ebenso wie bei dem Abweiden von Algen auf Steinen um ein angeborenes, instinktgesteuertes Verhalten. Dies sei insbesondere bei Jungfischen zu beobachten. Ein Versuch habe ergeben, dass die Fische das Knabbern sogar der Aufnahme von Futter vorzögen. Diejenigen Sachverständigengutachten, die eine Stresssituation der Fische annähmen, legten tatsächliche Umständen zugrunde, die nach dem Konzept der Kläger nicht bestünden. Insbesondere seien ausreichende Rückzugsmöglichkeiten für die Fische zur Stressvermeidung vorhanden. Es sei darüber hinaus ungeklärt, wie Stress der Tiere zu definieren sei und ob dieser – wenn er denn bestehe – auch tatsächlich mit einem Leiden der Fische einhergehe. Jedenfalls kurzzeitiger Stress sei nicht als Leiden zu qualifizieren. Es sei nach dem Konzept der Kläger gerade keine therapeutische Behandlung von Hautkrankheiten vorgesehen, weshalb von vornherein ein nur geringes Gesundheitsrisiko für die Kunden bestehe. Ungeachtet dessen seien gesundheitliche Fragen für die Erteilung einer tierschutzrechtlichen Erlaubnis nicht relevant. Eine einmalige Verwendung oder gar eine Tötung der Fische, auf die die Beklagte ihren Vortrag stütze, sei von den Klägern überhaupt nicht beabsichtigt. Zur Durchsetzung der tierschutzrechtlichen Zwecke sei der Beklagten die Erteilung einer Erlaubnis unter Auflagen möglich. Solche Auflagen habe die Beklagte gar nicht erst erwogen. Von der Erteilung der beantragten Erlaubnis hänge die wirtschaftliche Existenz der Kläger ab.
13Die Kläger beantragen,
14die Beklagte unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 28. Januar 2014 zu verpflichten, den Klägern die am 18. Dezember 2013 beantragte Erlaubnis zu erteilen, Wirbeltiere – namentlich Garra Rufa-Fische – gewerblich zu halten.
15Die Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, dass auf der Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen und Gutachten davon ausgegangen werden müsse, dass die Fische durch das Ein- und Aussteigen der Kunden in die Becken zumindest kurzfristigem Stress ausgesetzt seien. Die von den Klägern geplanten Rückzugsmöglichkeiten für die Tiere genügten nicht, um das Entstehen von Stress auszuschließen. Diese Stresssituationen seien geeignet, Leiden der Fische im Sinne des § 2 Nr. 1 TierSchG hervorzurufen; auch Fische seien schmerzwahrnehmungsfähig. Ein vernünftiger Grund für diese Leiden bestehe nicht, weil die Behandlung der Kunden lediglich Wellness- und kosmetischen Zwecken dienen solle. Es sei ausschließlich der Einsatz der Fische zu Heilungszwecken nachvollziehbar und sinnvoll. Die Tierethik im Sinne des § 1 Satz 1 TierSchG verbiete es, Tiere zum bloßen Mittel für die menschliche Bedürfnisbefriedigung herabzustufen. Da es Hinweise darauf gebe, dass die Fische mit zunehmendem Alter mehr Raum benötigten und auch deren Knabberverhalten abnehme, sei der mögliche Einsatz ausgewachsener Fische mit steigendem Alter stark limitiert. Weil für eine Behandlung eine große Anzahl von Fischen benötigt werde, entstehe bei den Klägern schnell ein erhöhter Platzbedarf. Die Kläger könnten den entsprechend mit der Zeit ansteigenden Anforderungen an eine verhaltensgerechte Unterbringung der Tiere nicht gerecht werden. Der Vortrag der Kläger, demzufolge alle für den Einsatz bei der Behandlung zu groß bzw. zu alt gewordenen Fische vollständig von dem Züchter zurückgekauft würden, sei nicht nachvollziehbar. Die gesundheitlich-hygienischen Risiken für die Kunden seien auch im Rahmen der tierschutzrechtlichen Genehmigung zu berücksichtigen, weil diese in Zusammenhang mit der weiteren Verwendbarkeit der Fische nach erfolgter Behandlung stünden. Die Gefahren für Kunden seien nur dadurch zu verringern, dass die Fische zwischen zwei Behandlungen entweder einer Quarantäne unterzogen oder – und dies sei das effektivere Mittel – nach einer Behandlung getötet würden. Eine Tötung der Fische entbehre jedoch der Rechtfertigung durch einen vernünftigen Grund. Es sei hier die „Grundfrage“ zu klären, „ob nachweislich sichergestellt werden kann, dass die Fische nicht doch vorzeitig aufgrund ihrer erreichten Größe und des Einstellens der Knabbertätigkeit getötet werden“. Der Rundverfügung des LANUV vom 29. September 2011 liege eine Ermessensbetätigung zugrunde, weil zwischen den verschiedenen Zweckbestimmungen der Behandlungen unterschieden worden sei. Diese Rundverfügung stelle eine Ermessensleitlinie für die zuständigen Erlaubnisbehörden dar. Die Beklagte habe in ihrem Bescheid vom 28. Januar 2014 ebenfalls Ermessen ausgeübt, weil sie eine Abwägung zwischen den Interessen der Kläger und dem Tierschutz angestellt habe. Das LANUV halte an seiner Rundverfügung fest, an die sich die Beklagte gebunden sehe. Die Beklagte macht sich den Inhalt der Stellungnahme des LANUV vom 14. November 2014 zu Eigen. Danach sei der Schutzgedanke des § 1 Satz 1 TierSchG als Auslegungsgrundsatz für die übrigen Vorschriften zu verstehen. Der Schutz der Tiere durch Art. 20a GG stelle einen Gemeinwohlbelang von hohem Rang dar. Es sei mit diesem Staatsziel nicht zu vereinbaren, dass durch den Einsatz der Kangalfische zu rein kosmetischen Zwecken deren Wohlbefinden im Sinne von § 1 Abs. 1 TierSchG gestört werde. Die Belastung der Fische sei nicht erforderlich. Der durch die kosmetische Behandlung mit den Fischen eintretende Effekt lasse sich mit weniger belastenden Mitteln – etwa der Benutzung einer Bürste – mindestens ebenso gut erzielen. Die Tierschutzbehörden könnten daher nicht umhin, die Erlaubnis eines gewerblichen Einsatzes der Fische zu rein kosmetischen Zwecken aus ethischen Gründen zu versagen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Die Klage ist als Verpflichtungsklage gem. § 42 Abs. 1, 2. Var. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht innerhalb der Jahresfrist gem. § 58 Abs. 2 VwGO erhoben worden. Diese Frist gilt, weil die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides der Beklagten vom 28. Januar 2014 fehlerhaft war. Sie entsprach nicht den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO. Mangels Hinweises auf die bestehende Möglichkeit der elektronischen Klageerhebung war die Rechtsbehelfsbelehrung geeignet, die Kläger von einer rechtzeitigen Klageerhebung abzuhalten.
21Zum Maßstab vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 21. März 2002 – 4 C 2.01 –, juris.
22Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Mangels Spruchreife der Klage haben die Kläger jedoch nur einen Anspruch auf erneute Bescheidung ihres Antrags, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Dieser Anspruch folgt aus § 11 Satz 1 Nr. 8 Buchstabe a des Tierschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. Juli 2014, (BGBl. I S. 1308) (im Folgenden: TierSchG n. F.). Zum für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gilt diese Fassung des Gesetzes.
23Nach § 11 Satz 1 Nr. 8 Buchstabe a TierSchG n. F. bedarf unter anderem einer Erlaubnis der zuständigen Behörde, wer gewerbsmäßig Wirbeltiere züchten oder halten will. Die Kläger wollen in ihrem Fisch-Spa Kangalfische, also Wirbeltiere, jedenfalls zu gewerblichen Zwecken halten. Der Erlaubnispflicht steht es ungeachtet dessen, dass die Erlaubnis von den Klägern als jeweils natürlichen Personen beantragt wurde, nicht entgegen, dass die Kläger das Fisch-Spa in Form einer GbR betreiben wollen. Auch juristische Personen - und damit ggf. auch eine GbR - können Träger einer Erlaubnis nach § 11 TierSchG n. F. sein.
24Vgl. die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes vom 9. Februar 2000, Ziff. 12.1.6.
25Die Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung sind § 11 Satz 1 Nr. 8 Buchstabe a TierSchG n. F. selbst nicht zu entnehmen. Das zuständige Bundesministerium wird in § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TierSchG n. F. dazu ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung der Erlaubnis zu regeln. Weil von dieser Ermächtigung bislang kein Gebrauch gemacht worden ist, findet die Übergangsregelung des § 21 Abs. 5 Satz 1 TierSchG n. F. Anwendung. Danach ist bis zum Erlass einer Rechtsverordnung im Sinne des § 11 Abs. 2 TierSchG n. F. für die materiellen Voraussetzungen einer Erlaubnis die Vorschrift des § 11 Abs. 2 TierSchG in der bis zum 13. Juli 2013 geltenden Fassung (im Folgenden: TierSchG a. F.) weiter anzuwenden. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 - 4 TierSchG a. F. darf eine Erlaubnis nur erteilt werden, wenn die dort genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Werden die Voraussetzungen erfüllt, so ist die beantragte Erlaubnis zu erteilen; die Entscheidung über die Erlaubniserteilung ist eine gebundene Entscheidung.
26Verwaltungsgericht (VG) Meiningen, Urteil vom 30. Juni 2015 – 2 K 143/15 Me –, juris Rn. 22; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Mai 2014 – 16 K 5116/12 –, juris Rn. 43; Lorz/Metzger, TierSchG, 6. Aufl. 2008, § 11 Rn. 35; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl. 2007, § 11 Rn. 21; Goetschel, in: Kluge, TierSchG, 2002, § 11 Rn. 16.
27Bei dieser Entscheidung ist Folgendes zu berücksichtigen: Das in § 11 Abs. 1 TierSchG n. F. geregelte präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt betrifft überwiegend Tätigkeiten, die im Rahmen eines Berufes ausgeübt werden. Die Voraussetzungen einer entsprechenden Erlaubnis gem. § 11 Abs. 2 TierSchG a. F. dürfen nicht so interpretiert werden, dass die Gewährleistung der Berufsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungswidrig verkürzt wird. Bei der Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Erlaubniserteilung nach § 11 Abs. 2 TierSchG a. F. ist nicht ausschließlich der Tierschutz zu berücksichtigen. Vielmehr sind bei der Entscheidung über eine tierschutzrechtliche Erlaubnis der in Art. 20a GG als Staatszielbestimmung verankerte Tierschutz und das Freiheitsgrundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG in einen verfassungskonformen Ausgleich zu bringen. Bei dieser Abwägung hat die Erlaubnisbehörde die Möglichkeit der Erlaubniserteilung unter Beifügung von Nebenbestimmungen gem. § 11 Abs. 2a TierSchG a. F. in Erwägung zu ziehen. Nur wenn Zweifel am Vorliegen der Erlaubnisvoraussetzungen unter Beachtung der Berufsfreiheit eines Antragstellers nicht durch Nebenbestimmungen im Sinne des § 11 Abs. 2a TierSchG a. F. ausgeräumt werden können, ist die Erlaubnis zu versagen.
28Jedenfalls das pauschale Berufsverbot, welches das LANUV in seiner Rundverfügung vom 29. September 2011 für Betreiber von ausschließlich kosmetische Behandlungen anbietenden Fisch-Spas ausgesprochen hat und dem sich die Beklagte angeschlossen hat, lässt jegliche Auseinandersetzung mit der Berufsfreiheit der Tierhalter aus Art. 12 Abs. 1 GG vermissen. Eine solche ist jedoch gerade deshalb geboten, weil das tierschutzrechtliche Verbot als eine objektive Berufszulassungsregelung für alle Fisch-Spa-Betreiber die stärkste Form eines Eingriffs in die Berufsfreiheit darstellt. Das durch das LANUV in seiner Rundverfügung ausgesprochene Berufsverbot ist zudem eine für die Grundrechtsausübung potentieller Fisch-Spa-Betreiber so wesentliche Entscheidung, die nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Wesentlichkeitstheorie ohnehin nur der Gesetzgeber durch ein Parlamentsgesetz treffen darf. Das alleinige Berufen der Beklagten (des LANUV) auf den ethischen Tierschutz kann schon vor diesem Hintergrund die Versagung der Erlaubnis nicht tragen.
29Nach diesem Maßstab ist das Vorhaben der Kläger vielmehr grundsätzlich nach § 11 Abs. 2 TierSchG a. F. erlaubnisfähig.
30Die Kläger werden den Anforderungen in § 11 Abs. 2 Nr. 1 und 2 TierSchG a. F. gerecht. Danach muss die verantwortliche Person die für die Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten (Nr. 1) und Zuverlässigkeit (Nr. 2) haben. Beide Kläger haben gem. § 11 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG a. F. ihre fachlichen Kenntnisse über den Umgang mit Fischen durch die Vorlage der Zeugnisse über ein Seminar für Fisch-Spa-Betreiber bei der Firma Q. nachgewiesen. Der Kläger zu 1) verfügt zusätzlich über einen Sachkundenachweis in Süßwasseraquaristik. Das Gericht sieht ebenso wie die Beklagte keine Veranlassung dazu, an der Zuverlässigkeit der Kläger, die die für das Vorhaben die verantwortlichen Personen gem. § 11 Abs. 2 Nr. 2 TierSchG a. F. sind, zu zweifeln.
31Nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 TierSchG a. F. müssen zudem die der Tätigkeit dienenden Räume und Einrichtungen eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Ernährung, Pflege und Unterbringung der Tiere ermöglichen. Gem. § 2 Nr. 1 TierSchG muss ein Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht werden. Nach § 2 Nr. 2 TierSchG kann die Möglichkeit eines Tieres zu artgemäßer Bewegung als einziges seiner Bedürfnisse weitergehend eingeschränkt werden.
32vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 6. Juli 1999 –2 BvF 3/90 – Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 101, 1 (36 f.), juris Rn. 139.
33Im Verhältnis hierzu schützt § 2 Nr. 1 TierSchG die übrigen Grundbedürfnisse eines Tieres stärker. Ein Verstoß gegen das Verbot dieser Vorschrift liegt nicht erst vor, wenn einem Tier durch Einschränkungen seiner von der Norm geschützten Grundbedürfnisse Schmerzen, vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Auch wenn eine Unterbringung diese Grenzen noch nicht überschreitet, kann sie hinter den Anforderungen einer angemessenen Ernährung, Pflege bzw. Unterbringung im Sinne des § 2 Nr. 1 TierSchG zurückbleiben. Im Rahmen dieser Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob entsprechende Mängel bei der Ernährung, Pflege bzw. Unterbringung eines Tieres diesem Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt, sondern darauf, ob Ernährung, Pflege und Unterbringung eines Tieres angemessen verhaltensgerecht ausgestaltet sind.
34VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Mai 2014 – 16 K 5116/12 –, juris Rn. 47; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl. 2007, § 2 Rn. 30.
35Es bestehen – auch bei der Beklagten – keine Zweifel daran, dass die Kläger die Fische im Sinne des § 2 Nr. 1 TierSchG art- und bedürfnisgerecht ernähren und pflegen werden.
36Gemessen an den vorstehenden Ausführungen können die Voraussetzungen des § 2 Nr. 1 TierSchG hinsichtlich der Unterbringung auch dann erfüllt sein, wenn Kangalfische zur Durchführung rein kosmetischer und nicht therapeutischer Behandlungen eingesetzt werden. Auch unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks gem. § 1 TierSchG, der nach Art. 20a GG Verfassungsrang hat, ist im Rahmen der tierschutzrechtlichen Erlaubniserteilung ausschließlich entscheidend, ob die Haltungsbedingungen der Kangalfische angemessen art- und bedürfnisgerecht sind. Eine von den tatbestandlichen Erfordernissen losgelöste „Qualitätskontrolle“ des erlaubnispflichtigen Vorhabens, wie sie der Verfügung des LANUV vom 29. September 2011 und dessen Stellungnahme vom 14. November 2014 zu entnehmen ist, gehört nicht zum Prüfungsprogramm des § 2 Nr. 1 TierSchG. Eine wertende Unterscheidung zwischen einem Einsatz der Fische für therapeutische Behandlungen und einem Einsatz für rein kosmetische Behandlungen gibt die Vorschrift des § 2 Nr. 1 TierSchG schon deshalb nicht vor, weil es im Rahmen dieser Norm nicht auf die Prüfung eines vernünftigen Grundes ankommt.
37Die Unterbringung eines Tieres erfolgt angemessen entsprechend seiner Art und seinen Bedürfnissen, wenn diese es dem Tier ermöglicht, seine artgemäßen, unter natürlichen bzw. naturnahen Bedingungen bestehenden Grundbedürfnisse auszuüben. Maßgeblich hierfür ist das Normalverhalten von Tieren gleicher Art, Rasse und gleichen Alters.
38Hirt/Maisack/Moritz TierSchG, 2. Aufl. 2007, § 2 Rn. 9; von Loeper, in: Kluge, TierSchG, 2002, § 2 Rn 35.
39Zur Beurteilung der Frage, welche Bedürfnisse und Besonderheiten von Kangalfischen bei deren Unterbringung zu berücksichtigen sind, hat das Gericht folgende Gutachten und Stellungnahmen zugrunde gelegt:
40Stellungnahme von Herrn Dr. Michael Marahrens und Frau Dr. Inga Schwarzlose zum möglichen Schmerzempfinden von Fischen, 19. Dezember 2013
41Gutachten von Herrn Dr. Stefan Heidrich, „Die Haltung von Kangalfischen (Garra rufa) und deren Verwendung zu kosmetischen Zwecken unter Tierschutzgesichtspunkten“, 28. April 2011
42Stellungnahme von Herrn Dr. Kleingeld zur Frage, ob der gewerbliche Einsatz von Kangalfischen (Garra rufa) zu Wellnesszwecken mit den Grundsätzen des Tierschutzes vereinbar sein kann, 23. Dezember 2010
43Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. Rudolf Hoffmann zum Thema „Kangalfische in Kosmetikstudios“, 5. November 2010
44Stellungnahme von Veterinäroberrätin Dr. Moritz vom 28. Februar 2002 zur Haltung von rötlichen Saugbarben zum therapeutischen Einsatz
45Die Sachverständigen sehen übereinstimmend die Wasserqualität als entscheidend für das Wohlbefinden der Kangalfische an. Hierzu zählt insbesondere die Sauberkeit des Wassers, in dem die Fische gehalten werden. Diese ist nach dem Konzept der Kläger grundsätzlich gewährleistet. Das Wasser in den Behandlungsbecken wird ständig, also täglich 24 Stunden lang, durch einen jeweils im abgetrennten Bereich der Becken eingebauten 3-Stufen-Biofilter sowie durch einen UVC-Klärer gereinigt. Beide Geräte reduzieren durch unterschiedliche Mechanismen den Keimgehalt des Wassers. Durch den Einsatz der Geräte, insbesondere des mit UV-Licht arbeitenden UVC-Klärers, werden die Fische nicht gefährdet, weil sie hiermit nicht in Kontakt kommen. Das Wasser wird, wie die Kläger in der mündlichen Verhandlung erläutert haben, pro Stunde drei- bis viermal vollständig durch die Filter gepumpt. Zudem werden die Wasserwerte in den Becken täglich gemessen und ggf. erforderliche Wasserwechsel vorgenommen.
46Dr. Kleingeld (S. 5 f.), Prof. Dr. Hoffmann und Dr. Heidrich (S. 10) kommen darüber hinaus zu dem übereinstimmenden Ergebnis, dass biologische und chemische Belastungen des Wassers bei der Behandlung durch Schweiß und Talg sowie Seifenreste, Kosmetika und Parfums auf der Haut der Kunden entstehen können. Diese Belastungen könnten sich auf die Fische nachteilig auswirken. Diese Gefahren treten im Fisch-Spa der Kläger – wenn überhaupt – nur in äußerst geringem Maße auf, weil dort die zu behandelnden Hautstellen der Kunden von den Mitarbeitern der Kläger vor der Behandlung aufwändig gereinigt und desinfiziert werden; dies wurde seitens der Beklagten weder gewürdigt noch in Frage gestellt. Damit können höchstens sehr geringfügige Rückstände von Seifen, Kosmetika, Parfums, Talg oder Schweiß in das Wasser der Behandlungsbecken gelangen. Diese – eventuell bestehenden – äußerst geringen Risiken für die Fische führen allein jedoch nicht zu der Annahme, dass die Unterbringung der Fische nicht angemessen art- und bedürfnisgerecht im Sinne des § 2 Nr. 1 TierSchG erfolgt.
47Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Mai 2014 – 16 K 5116/12 –, juris Rn. 62.
48Prof. Dr. Hoffmann warnt zudem vor Gefahren für die Fische durch toxische Belastungen des Wassers, die durch Nikotinabscheidungen von den Fingern bei rauchenden Kunden entstehen könnten. Diese Gefahren bestehen jedoch bei dem Vorhaben der Kläger – wenn überhaupt – nur in äußerst geringem Maße, weil hier lediglich die Füße der Kunden behandelt werden sollen. Ein Risiko der Erkrankung der Fische dadurch, dass bei den Behandlungen menschliche Krankheitserreger in das Wasser gelangen könnten, besteht ebenfalls nicht. Diese Auffassung stützt das Gericht auf die Stellungnahme der Veterinäroberrätin Dr. Moritz, nach der im Zusammenhang mit Hauterkrankungen in Erscheinung tretende menschliche Keime bisher nicht als Krankheitserreger für Fische bekannt geworden seien.
49Dem Gutachten von Dr. Heidrich (S. 4) zufolge reagieren Kangalfische empfindlich auf Sauerstoffmangel, weshalb – insbesondere bei höheren Besatzdichten – eine gute Wasserumwälzung erforderlich ist. Eine angemessene bedürfnisgerechte Sauerstoffzufuhr in den Becken ist im Vorhaben der Kläger grundsätzlich sichergestellt. Nach deren Konzept entsteht bereits durch das ständige Umwälzen des Wassers eine starke Strömung. Bei Bedarf können zusätzlich Ozongeräte in die Becken eingebaut werden, die zum einen das Wasser mit Sauerstoff versorgen und zum anderen zusätzlich den Keimgehalt des Wassers reduzieren. Etwaige Zweifel an einer angemessen bedürfnisgerechten Sauerstoffversorgung der Kangalfische hat die Beklagte unabhängig davon auch nicht geäußert.
50Die dem Gericht vorliegenden Gutachten benennen zudem verschiedene Stressfaktoren für die Fische, die durch deren Einsatz für kosmetische Behandlungen entstehen können:
51So wird die Besatzdichte in den Becken, also das Verhältnis von Wassermenge zu der Anzahl der eingesetzten Fische, als möglicher Stressfaktor diskutiert. Denn die Ausscheidungen der Fische wirken sich auf die Sauberkeit des Wassers aus, so Dr. Kleingeld (S. 2) und Prof. Dr. Hoffmann (S. 1). Dieser Umstand ist in Zusammenhang mit den anderen Besonderheiten der Kangalfische zu setzen. Kangalfische sind laut Gutachten von Dr. Kleingeld (S. 10) und Dr. Heidrich (S. 5) Schwarmfische, weshalb grundsätzlich eine Haltung mit mehreren Fischen gemeinsam erforderlich ist. Konkrete Vorgaben für die Besatzdichte in Haltungsbecken für Kangalfische gibt es nicht. Dementsprechend werden verschiedene Vorschläge für ein angemessenes Verhältnis von Wasservolumen und Fischanzahl gemacht. So empfiehlt Dr. Kleingeld (S. 10) ein Verhältnis von maximal einem Zentimeter Fisch pro Liter Wasser, Prof. Dr. Hoffmann (S. 1) den Einsatz von zehn Litern pro Fisch vor. Dr. Heidrich hingegen schlägt in seinem Gutachten (S. 12) vor, die Besatzdichte nicht an fixen Zahlen auszurichten, sondern diese danach anzupassen, wie sich die Tiere verhalten. Bei Kangalfischen ist bei erhöhter Besatzdichte den Gutachten von Dr. Heidrich (S. 7), Dr. Kleingeld (S. 6) und Prof. Dr. Hoffmann (S. 1) zufolge der sogenannte „crowding effect“ zu beobachten. Dieser Begriff umschreibt den Umstand, dass die intraspezifische Aggressivität von Kangalfischen bei hoher Besatzdichte herabgesenkt wird, weil sie sich weniger für die einzelnen Artgenossen interessieren. Nach dem Gutachten von Dr. Heidrich (S. 7) ist dies ein typisches Schwarmverhalten. Dr. Kleingeld (S. 6) zufolge ist dieser Effekt nicht zwangsläufig mit Schmerzen, Leiden oder Schäden der Fische verbunden. Prof. Dr. Hoffmann (S. 1) nimmt hingegen an, dass die Aggressionshemmung zu einer hohen Stressbelastung bei den Fischen führt. Das Gericht ist hingegen davon überzeugt, dass der „crowding effect“ nicht dazu zwingt, die Fische nur in möglichst geringer Besatzdichte unterzubringen. Aus den übereinstimmenden und schlüssigen Ausführungen von Dr. Heidrich und Dr. Kleingeld folgt, dass sich Kangalfische aufgrund ihrer Eigenschaft als Schwarmfische bei einer hohen Anzahl von Artgenossen eher der Vielzahl der anderen Fische anpassen. Eine besonders geringe Besatzdichte wird den artgemäßen Eigenschaften der Kangalfische konsequenterweise weniger gerecht. Worauf die Annahme einer hohen Stressbelastung durch den „crowding effect“ basiert, ist in der Stellungnahme von Prof. Dr. Hoffmann nicht ansatzweise dargelegt; diese ist angesichts der Tatsache, dass Kangalfische in der Natur in Schwärmen leben, auch nicht nachvollziehbar. Für die Beurteilung, welches Verhältnis für eine angemessen art- und bedürfnisgerechte Unterbringung der Kangalfische herzustellen ist, sind die Vorteile einer möglichst geringen Besatzdichte mit den Vorteilen einer möglichst kurzen Behandlungsdauer für die Fische abzuwägen. Je weniger Fische sich in den Behandlungsbecken befinden, desto länger dauert eine effektive bzw. sinnvolle kosmetische Behandlung der Füße der Kunden. Vor dem Hintergrund, dass die Fische durch die Behandlung gestört werden könnten, ist es von Vorteil für die Fische, wenn eine Behandlung zügig durchgeführt werden kann. Laut Gutachten von Dr. Heidrich (S. 8) knabbern nicht alle Fische ohne Unterbrechung an Extremitäten von Menschen, was für die Behandlung eine Mindestanzahl der Fische in den Becken erforderlich macht. Welche Anzahl für eine kosmetische Behandlung von Füßen benötigt wird, steht nicht fest. Dr. Heidrich (S. 8) berichtet aus der Praxis von verschiedenen Zahlen von Fischen, die für eine Behandlung im Allgemeinen erforderlich sein sollen:
52- zwischen 10 und 50 Fische, die mind. 4-7 cm groß sind
53- 50 Fische pro 200 Liter Wasser
54- 150 Fische in einer Wanne
55- 50 Fische in einem 170-Liter-Becken
56- zu wenig: 10 Fische in einem 100-Liter-Becken
57Vor dem Hintergrund dieser Zahlen geht das Gericht davon aus, dass die von den Klägern mindestens vorgesehenen 80 Fische in einem zumindest 337,5-Liter fassenden Becken ausreichen, um eine Behandlung der Füße eines Kunden effektiv und zügig durchzuführen. Legt man die von den Klägern geplante Höchstzahl von 100 Fischen pro Becken zugrunde, entspricht dies einem Verhältnis von ca. 3,37 Litern Wasser pro Fisch. Bei einer Besetzung mit nur 80 Fischen sind dies ca. 4,21 Liter Wasser pro Fisch. Unter Abwägung mit den Vorteilen einer möglichst zügigen Behandlung und angesichts der Tatsache, dass es für das Verhältnis von Fischen und Wassermenge keine konkrete Vorgabe gibt, wird diese von den Klägern geplante Besatzdichte einer angemessen art- und bedürfnisgerechten Unterbringung der Kangalfische grundsätzlich gerecht. Im Übrigen haben weder die Beklagte noch das LANUV die von den Klägern geplante Besatzdichte beanstandet.
58Dies gilt auch im Hinblick auf das Wachstum der Fische: Dr. Kleingeld (S. 2) geht davon aus, dass die Fische mit steigendem Alter und damit steigender Größe mehr Platz benötigen. Selbst wenn man dieser Ansicht folgte, führte dies nicht dazu, dass das Unterbringungskonzept der Kläger nicht die Voraussetzungen des § 2 Nr. 1 TierSchG erfüllte. Gleiches gilt für den Umstand, dass sich die Fische in den Becken vermehren. Denn den Klägern ist es jederzeit möglich, die Besatzdichte wieder zu reduzieren, indem sie von der in der mündlichen Verhandlung eingehend dargelegten und seitens der Beklagten nicht mehr in Frage gestellten Rücknahmevereinbarung mit der Firma Q. Gebrauch machen. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass sich die Besatzdichte auch auf natürliche Weise verringert, etwa weil nicht alle Fische die ersten Jahre überleben bzw. schwache Fische von anderen gefressen werden.
59Die Fische sind nach dem Konzept der Kläger von vornherein keinem Stress ausgesetzt, der durch das Umsetzen zwischen Haltungs- und Behandlungsbecken ausgelöst wird. Nach Ansicht von Dr. Kleingeld (S. 5), Dr. Heidrich (S. 11) und Prof. Dr. Hoffmann (S. 1) führt ein solches Umsetzen zu Stresssituationen für die Tiere. Hierzu kommt es bei den Klägern aber nicht, weil bei ihnen die Fische dauerhaft ausschließlich in den Behandlungsbecken gehalten werden.
60Die von den Klägern geplante Haltung wird auch dem natürlichen Ruheverhalten der Kangalfische gerecht. In diesem Zusammenhang weisen Dr. Heidrich (S. 10 f.) und Dr. Kleingeld (S. 10) darauf hin, dass in den Haltungsbecken ausreichend Rückzugsmöglichkeiten für die Kangalfische zur Verfügung stehen müssen. Bei dem Vorhaben der Kläger ist grundsätzlich gewährleistet, dass die Fische sich in ausreichendem Maße zurückziehen können. Im jeweils hinteren Bereich wird ein Viertelröhrensystem in jedes Becken eingebaut. Dieses System besteht aus einem Viertel einer Plexiglasröhre, die zur Hälfte mit Steinen gefüllt wird. Die Röhre ist zu beiden Seiten hin geöffnet und erstreckt sich jeweils fast über die gesamte Breite eines Beckens. An den Seiten wird zum Beckenrand Platz gelassen, damit die Fische in die Röhre hineinschwimmen und sich darin verstecken können. Dort sind sie sowohl vor anderen Fischen als auch vor den Beinen und Füßen der Kunden geschützt. Auch die Steine bleiben auf diese Weise stabil, weil die Kunden nicht an die Steine stoßen können. Angesichts der Größe der Plexiglasröhre bietet diese grundsätzlich ausreichenden Schutz für die in die Becken eingesetzten Fische. Die Beklagte hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen dieses System keine ausreichende Rückzugsmöglichkeit für die Fische darstellen soll. Insbesondere hat sie – auch in Kenntnis der eingehenden Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung – weder konkrete Defizite des Systems noch Mindestanforderungen an eine angemessen art- und bedürfnisgerechte Rückzugsmöglichkeit benannt.
61Das Gericht ist der Auffassung, dass die Plexiglasröhren für die Fische auch während einer Behandlung eine ausreichende Rückzugsmöglichkeit bieten. Dr. Kleingeld (S. 10 f.) geht als einziger der Gutachter davon aus, dass bei einer Haltung ausschließlich in den Behandlungsbecken die Bedürfnisse der Fische, sich verstecken zu können, während der Behandlungsphase nicht oder nur unzureichend berücksichtigt werden können. Dieser Ansicht schließt sich das Gericht nicht an. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb sich die Fische, die sich auch während einer Behandlungsphase in ihrer gewohnten Umgebung befinden, allein wegen des Eintauchens menschlicher Körperteile nicht in den ihnen bekannten Rückzugsmöglichkeiten verstecken sollten. Dies wird in dem Gutachten von Dr. Kleingeld auch nicht erläutert.
62Das Ruheverhalten der Fische wird auch dann nicht unangemessen gestört, wenn sie sich wie hier dauerhaft in den Behandlungsbecken aufhalten. Das Eintauchen menschlicher Füße und Beine in die Becken bei den Behandlungen löst für sich genommen keinen permanenten Stress für die Fische aus. Dies schließt das Gericht aus den insoweit überzeugenden Ausführungen im Gutachten von Dr. Heidrich (S. 5 f., 8, 10). Er erläutert (S. 8), dass Kangalfische nicht menschenscheu sind, sich freiwillig auf menschliche Körperteile zubewegen und an diesen knabbern, wie sie es sonst mit algenbewachsenen Steinen tun. Besonders Jungfische seien nach Aussage eines Diplombiologen und Zierfischspezialisten geradezu versessen, zu putzen und Algen zu fressen. Bei dem Knabbern handele es sich um ein angeborenes Verhalten, das auch durch verschiedene Halter von Kangalfischen bestätigt werde. Dieses Verhalten habe sich auch bei einem Wahlversuch gezeigt, bei dem der Großteil der Kangalfische das Knabbern der Aufnahme von Futter bevorzugt hätte. Zum gegenteiligen Ergebnis kommt ausschließlich Prof. Dr. Hoffmann (S. 2), der davon ausgeht, dass die menschlichen Körperteile in den Behandlungsbecken von den Fischen als potentielle Fressfeinde und damit als eine dauerhafte Bedrohung wahrgenommen würden. Diese Auffassung teilt Dr. Kleingeld (S. 5) ausdrücklich nicht. Das Gericht schließt sich der Annahme von Prof. Dr. Hoffmann ebenfalls nicht an. Im Gegensatz zu den Ausführungen von Dr. Heidrich, der für seine schlüssig und detailliert dargelegten Annahmen Quellen aus Wissenschaft und Praxis zitiert und diese zusätzlich durch Hinweis auf einen entsprechenden Wahlversuch untermauert, stellt Prof. Dr. Hoffmann lediglich die These auf, menschliche Körperteile würden als Fressfeinde wahrgenommen, ohne sie zu belegen. Es ist auch nicht logisch nachvollziehbar, dass sich die Fische – selbst wenn sie die menschlichen Körperteile als Fressfeinde wahrnähmen – diesen nicht durch Verstecken entziehen könnten.
63Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Mai 2014 – 16 K 5116/12 –, juris Rn. 65.
64Auch die Eintauchbewegungen oder sonstigen Bewegungen der Kunden während einer Behandlung führen nicht zu einem Verstoß der Haltung gegen § 2 Nr. 1 TierSchG. Dr. Kleingeld (S. 5) und Prof. Dr. Hoffmann (S. 2) gehen übereinstimmend davon aus, dass jedenfalls hektische Bewegungen der Beine und Füße der Kunden während der Behandlung kurzfristigen Stress bei den Kangalfischen auslösen.
65So auch die Annahme des VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Mai 2014 – 16 K 5116/12 –, juris Rn. 65.
66Dieser akute Stress wird bei den Fischen nach Auffassung von Dr. Kleingeld (S. 5) jedoch schon innerhalb kurzer Zeit wieder abgebaut. Diese Auffassung ist nachvollziehbar ist und wird von den anderen Sachverständigen nicht widerlegt. Ein möglicherweise von den Fischen aufgrund hektischer Bewegungen der Kunden empfundener, akuter Stress kann dadurch kompensiert werden, dass den Fischen angemessen lange Pausen zwischen den Behandlungen gewährt werden. Nach dem Konzept der Kläger ist daher die folgende Taktung vorgesehen: 20 Minuten Behandlung – 20 Minuten Pause – 20 Minuten Behandlung. Zu bedenken ist hierbei auch, dass ein einzelnes Behandlungsbecken während der Geschäftszeiten nicht dauerhaft in diesem Rhythmus von Kunden genutzt wird, weil voraussichtlich nicht entsprechend viele Kunden das Fisch-Spa besuchen werden. Der Vertreter der Firma Q. , der nach eigenen Angaben deutschlandweit ca. 70 Fisch-Spas betreut, hat in der mündlichen Verhandlung berichtet, dass nach seinen Erfahrungswerten in Fisch-Spas oftmals nur etwa 25% der Becken täglich voll ausgelastet sind. Die Kläger planen, den Behandlungstakt möglichst dadurch zu strecken, dass sie die Kunden auf verschiedene freie Becken verteilen. Auf diese Weise ist grundsätzlich gewährleistet, dass sich die Fische durch ausreichende Pausen zwischen zwei Behandlungen erholen können. Das mögliche Stressniveau der Tiere kann zudem auch durch entsprechende Anweisungen gegenüber Kunden von vorherein gering gehalten werden. Das Vorhaben der Kläger sieht dementsprechend vor, dass das Personal vor jeder Behandlung die Kunden anweist, sich während der Behandlung ruhig zu verhalten.
67Die Unterbringung der Tiere im Sinne des § 2 Nr. 1 TierSchG wird nach dem Konzept der Kläger grundsätzlich auch für diejenigen Fische gewährleistet, die für die Behandlungen aufgrund ihres Alters nicht mehr eingesetzt werden können. Die Kläger haben mit ihrem Lieferanten, der Firma Q. , eine Rücknahmevereinbarung für diese Fische geschlossen. Es bestehen aus tierschutzrechtlicher Sicht keine Bedenken hinsichtlich dieser Vorgehensweise. Dass eine solche Rücknahmevereinbarung besteht, ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus wirtschaftlichen Gründen anzuzweifeln. Die Kläger zahlen der Firma für die Rücknahme pro Fisch den jeweils geltenden Tagespreis. Wie die Tiere in der Folge bei der Firma Q. untergebracht werden, ist nicht im Rahmen der Erlaubniserteilung für die Kläger zu berücksichtigen. Auch insoweit bestehen für das Gericht jedoch keine Zweifel. Der Inhaber der Firma Q. hat in der mündlichen Verhandlung eingehend dargelegt, dass die Rücknahme und weitere Unterbringung der Fische tierschutzgerecht ist. Zudem existiert nach Erkenntnissen des Gerichts auch ein Markt für ältere Kangalfische. Auch ein ggf. tierschutzrechtlich relevantes Töten nicht mehr einsatzfähiger Fische beabsichtigen die Kläger – wie sie mehrfach betont haben – nicht.
68Auch den Erfordernissen des § 2 Nr. 2 TierSchG wird die von den Klägern geplante Haltung der Kangalfische grundsätzlich gerecht. Nach dieser Vorschrift darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränkt werden, dass dem Tier Schmerzen, vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Aufgrund der überzeugenden Erläuterungen in der Stellungnahme von Dr. Michael Marahrens und Frau Dr. Inga Schwarzlose geht das Gericht davon aus, dass Fische – auch Kangalfische – in der Lage sind, Schmerzen bzw. Leiden zu empfinden, sodass die Vorschrift des § 2 Nr. 2 TierSchG auch auf Kangalfische Anwendung finden kann.
69Die Kangalfische werden bereits durch das Halten in den Becken in ihrer Bewegungsfreiheit beeinträchtigt. Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass allein dadurch Schmerzen bzw. vermeidbare Leiden oder Schäden bei den Fischen hervorgerufen werden.
70Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Mai 2014 – 16 K 5116/12 –, juris Rn. 68.
71Auch die besonderen Umstände, die sich durch den Einsatz der Fische zu kosmetischen Behandlungen ergeben, könnten eine Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit der Fische darstellen. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn besonders viele Fische dauerhaft in ein Behandlungsbecken eingesetzt würden. Dies ist – wie bereits ausgeführt – bei dem Vorhaben der Kläger nicht der Fall. Es ist grundsätzlich auch denkbar, dass sich die Fische weniger frei bewegen können, wenn Kunden ihre Füße und Beine in die Becken halten. Ob der hierdurch möglicherweise entstehende akute Stress der Fische überhaupt auf einer Bewegungsbeeinträchtigung beruht oder Leiden oder Schäden im Sinne des § 2 Nr. 2 TierSchG darstellt, kann dahinstehen, weil keiner der Gutachter die kurzzeitigen Stresssituationen als Schmerzen wertet und entsprechende Leiden oder Schäden der Fische jedenfalls unvermeidbar im Sinne des § 2 Nr. 2 TierSchG sind. Diese Vorschrift regelt ein absolutes Verbot der Zufügung von Schmerzen und ein eingeschränktes Verbot der Zufügung von Leiden oder Schäden. Verursacht die Bewegungsbeschränkung Leiden oder Schäden bei einem Tier, so ist dies nur verboten, wenn diese Leiden oder Schäden vermeidbar sind.
72Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 2. Aufl. 2007, § 2 Rn. 38 f.
73Leiden oder Schäden eines Tieres sind vermeidbar, wenn es für deren Verursachung keinen vernünftigen Grund gibt, die Verursachung von Leiden oder Schäden also nicht verhältnismäßig ist. Verfassungslegitimer Zweck (Art. 12 Abs. 1 GG) des Vorhabens der Kläger ist der Betrieb eines Fisch-Spas, in dem die Kunden ihre Füße kosmetisch behandeln lassen können. Auch wenn nach dem Konzept der Kläger keine Heilbehandlungserfolge durch die Behandlung erzielt werden, ist der Zweck des Betriebes nicht etwa von vornherein als sittenwidrig oder sonst unterwertig zu qualifizieren.
74So bereits VG Meiningen, Urteil vom 30. Juni 2015 – 2 K 143/15 Me –, juris Rn. 41; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15. Mai 2014 – 16 K 5116/12 –, juris Rn. 72.
75Die Kangalfische werden durch die Kläger als Nutztiere eingesetzt und nicht – wie die Beklagte meint – zur bloßen Bedürfnisbefriedigung von Menschen herabgestuft. Dies wird aus dem professionell gestalteten Konzept der Kläger deutlich. Weil die Kläger mit dem Betrieb des Fisch-Spas einen Beruf ausüben wollen, ist der Zweck verfassungsrechtlich durch die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Zweifel an der Geeignetheit der gewerblichen Haltung von Kangalfischen zur Eröffnung eines Betriebs, in dem kosmetische Behandlungen mit den Fischen angeboten werden, bestehen nicht. Die von den Klägern geplante gewerbliche Haltung der Fische ist auch erforderlich. Dies ist im Rahmen des § 2 Nr. 2 TierSchG der Fall, wenn es keine andere zur Zweckerreichung gleich effektive Maßnahme gibt, die ein Tier weniger belastet. Tierschonendere Handlungsalternativen kommen hier insofern in Betracht, als bestimmte Haltungsbedingungen zugunsten der Fische verändert werden können. Dies kann durch entsprechende Nebenbestimmungen zu einer Erlaubnis gem. § 11 Abs. 2a TierSchG a. F. sichergestellt werden, rechtfertigt jedoch keine pauschale Versagung der Erlaubnis. Die Haltung der Fische ist auch angemessen. Der verfassungsrechtlich verankerte Tierschutz wird durch das Vorhaben der Kläger nicht in einer Weise beeinträchtigt, die ein Berufsverbot für die Kläger rechtfertigen könnte.
76Die Voraussetzungen des § 2 Nr. 3 TierSchG werden durch die Kläger ebenfalls erfüllt. Aus den vorgelegten Nachweisen über ein Fisch-Spa-Seminar sowie über die Sachkunde in Süßwasseraquaristik geht hervor, dass die Kläger über die Kenntnisse und Fähigkeiten im Sinne des § 2 Nr. 3 TierSchG verfügen.
77Die Erlaubnis nach § 11 Satz 1 Nr. 8 Buchstabe a TierSchG n. F. ist an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Insbesondere sind eventuell bestehende gesundheitliche Risiken durch die Fisch-Spa-Behandlungen für die Kunden nicht im Rahmen der tierschutzrechtlichen Erlaubniserteilung zu berücksichtigen. Sie spielen für die Erlaubnis zum gewerblichen Halten der Kangalfische auch nicht mittelbar – wie die Beklagte meint – eine Rolle. Es ist keineswegs geboten, wegen der möglicherweise bestehenden Gesundheitsgefahren für Menschen darauf zu schließen, dass die Kläger die Fische nur einmal für Behandlungen einsetzen. Sie haben mehrfach vorgetragen, die Fische dauerhaft für eine Vielzahl von Behandlungen halten zu wollen.
78Das Gericht konnte die Beklagte jedoch nicht dazu verpflichten, den Klägern die beantragte Erlaubnis zu erteilen, weil die Sache noch nicht spruchreif ist, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Die noch bestehenden Unsicherheiten darüber, ob das Vorhaben der Kläger alle Erlaubnisvoraussetzungen erfüllt – insbesondere diejenigen nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 TierSchG a. F. i. V. m. § 2 TierSchG –, kann und ggf. muss (Art. 12 Abs. 1 GG) die Beklagte dadurch ausräumen, dass sie zum Schutz der Tiere Nebenbestimmungen zu einer Erlaubnis gem. § 11 Abs. 2a TierSchG a. F. erlässt. Von dem ihr nach dieser Vorschrift eingeräumten Ermessen hat die Beklagte bisher noch keinen Gebrauch gemacht. Die Beklagte hat Befristungen, Bedingungen oder Auflagen zu einer tierschutzrechtlichen Erlaubnis für das Vorhaben der Kläger nicht in Erwägung gezogen.
79Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
80Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
81Anlass, die Berufung gem. § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, bestand nicht, weil keiner der Gründe gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 4 VwGO vorliegt.
(1) Wer
- 1.
Wirbeltiere oder Kopffüßer, - a)
die dazu bestimmt sind, in Tierversuchen verwendet zu werden, oder - b)
deren Organe oder Gewebe dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden,
- 2.
Wirbeltiere zu den in § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 genannten Zwecken züchten oder halten, - 3.
Tiere in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung halten, - 4.
Tiere in einem Zoologischen Garten oder einer anderen Einrichtung, in der Tiere gehalten und zur Schau gestellt werden, halten, - 5.
Wirbeltiere, die nicht Nutztiere sind, zum Zwecke der Abgabe gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung in das Inland verbringen oder einführen oder die Abgabe solcher Tiere, die in das Inland verbracht oder eingeführt werden sollen oder worden sind, gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung vermitteln, - 6.
für Dritte Hunde zu Schutzzwecken ausbilden oder hierfür Einrichtungen unterhalten, - 7.
Tierbörsen zum Zwecke des Tausches oder Verkaufes von Tieren durch Dritte durchführen oder - 8.
gewerbsmäßig, außer in den Fällen der Nummer 1, - a)
Wirbeltiere, außer landwirtschaftliche Nutztiere und Gehegewild, züchten oder halten, - b)
mit Wirbeltieren handeln, - c)
einen Reit- oder Fahrbetrieb unterhalten, - d)
Tiere zur Schau stellen oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen, - e)
Wirbeltiere als Schädlinge bekämpfen oder - f)
für Dritte Hunde ausbilden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter anleiten
(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1
- 1.
das Nähere zu der Form und dem Inhalt des Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 1, - 2.
die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung der Erlaubnis, - 3.
den Inhalt der Erlaubnis, im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 nur, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, sowie - 4.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der für die Erlaubniserteilung wesentlichen Sachverhalte, einschließlich der Pflicht zur Anzeige solcher Änderungen,
(3) In Rechtsverordnungen nach § 2a Absatz 1 oder § 4b können, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, über die dort genannten Anforderungen hinaus Anforderungen an die Haltung von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder an das Töten von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 vorgeschrieben werden, insbesondere
- 1.
Anforderungen an innerbetriebliche Abläufe zum Zwecke der Vermeidung, Feststellung und Beseitigung von Mängeln, - 2.
Maßnahmen zum Zwecke der Gewöhnung und des Trainings solcher Tiere im Hinblick auf ihre Haltung und Verwendung und - 3.
Anforderungen an den Erwerb und die Aufrechterhaltung der für die Betreuung und Pflege und das Töten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten; hierbei kann auch vorgeschrieben werden, dass Aufzeichnungen über die Maßnahmen, die zum Zwecke des Erwerbs und der Aufrechterhaltung der Kenntnisse und Fähigkeiten ergriffen werden, zu machen, aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen sind.
(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Arten an wechselnden Orten zu beschränken oder zu verbieten, soweit die Tiere der jeweiligen Art an wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden gehalten oder zu den wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden befördert werden können. Eine Rechtsverordnung nach Satz 1
- 1.
darf nur erlassen werden, soweit den in Satz 1 bezeichneten erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden durch andere Regelungen, insbesondere solche mit Anforderungen an die Haltung oder Beförderung der Tiere, nicht wirksam begegnet werden kann, - 2.
muss vorsehen, dass Tiere, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung gehalten werden, von dem Verbot nur dann erfasst werden, wenn keine Möglichkeiten bestehen, die erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden bei diesen Tieren auf ein vertretbares Maß zu vermindern.
(5) Mit der Ausübung der Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 darf erst nach Erteilung der Erlaubnis begonnen werden. Die zuständige Behörde entscheidet schriftlich oder elektronisch über den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis innerhalb einer Frist von vier Monaten ab Eingang des Antrags. Die in Satz 2 genannte Frist kann von der zuständigen Behörde um bis zu zwei Monate verlängert werden, soweit der Umfang und die Schwierigkeit der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Erlaubnis dies rechtfertigen. Der Antragsteller ist über die Fristverlängerung vor Ablauf der in Satz 2 genannten Frist unter Angabe von Gründen zu unterrichten. Bei der Berechnung der Frist bleiben die Zeiten unberücksichtigt, während derer der Antragsteller trotz schriftlicher oder elektronischer Aufforderung der Behörde den Anforderungen in einer auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung nicht nachgekommen ist. Die zuständige Behörde soll demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen, der die Erlaubnis nicht hat.
(6) Wer gewerbsmäßig Gehegewild halten will, hat dies vier Wochen vor Aufnahme der Tätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen. Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- 1.
die Form und den Inhalt der Anzeige, - 2.
die Voraussetzungen, unter denen die Tätigkeit nach Satz 1 untersagt werden kann, und - 3.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der angezeigten Sachverhalte
(7) Die Ausübung der nach Absatz 5 Satz 6 oder auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 untersagten Tätigkeit kann von der zuständigen Behörde auch durch Schließung der Betriebs- oder Geschäftsräume verhindert werden.
(8) Wer Nutztiere zu Erwerbszwecken hält, hat durch betriebliche Eigenkontrollen sicherzustellen, dass die Anforderungen des § 2 eingehalten werden. Insbesondere hat er zum Zwecke seiner Beurteilung, dass die Anforderungen des § 2 erfüllt sind, geeignete tierbezogene Merkmale (Tierschutzindikatoren) zu erheben und zu bewerten.
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
- 1.
muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, - 2.
darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, - 3.
muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
- 1.
muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, - 2.
darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, - 3.
muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
(1) Wer
- 1.
Wirbeltiere oder Kopffüßer, - a)
die dazu bestimmt sind, in Tierversuchen verwendet zu werden, oder - b)
deren Organe oder Gewebe dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden,
- 2.
Wirbeltiere zu den in § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 genannten Zwecken züchten oder halten, - 3.
Tiere in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung halten, - 4.
Tiere in einem Zoologischen Garten oder einer anderen Einrichtung, in der Tiere gehalten und zur Schau gestellt werden, halten, - 5.
Wirbeltiere, die nicht Nutztiere sind, zum Zwecke der Abgabe gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung in das Inland verbringen oder einführen oder die Abgabe solcher Tiere, die in das Inland verbracht oder eingeführt werden sollen oder worden sind, gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung vermitteln, - 6.
für Dritte Hunde zu Schutzzwecken ausbilden oder hierfür Einrichtungen unterhalten, - 7.
Tierbörsen zum Zwecke des Tausches oder Verkaufes von Tieren durch Dritte durchführen oder - 8.
gewerbsmäßig, außer in den Fällen der Nummer 1, - a)
Wirbeltiere, außer landwirtschaftliche Nutztiere und Gehegewild, züchten oder halten, - b)
mit Wirbeltieren handeln, - c)
einen Reit- oder Fahrbetrieb unterhalten, - d)
Tiere zur Schau stellen oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen, - e)
Wirbeltiere als Schädlinge bekämpfen oder - f)
für Dritte Hunde ausbilden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter anleiten
(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1
- 1.
das Nähere zu der Form und dem Inhalt des Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 1, - 2.
die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung der Erlaubnis, - 3.
den Inhalt der Erlaubnis, im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 nur, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, sowie - 4.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der für die Erlaubniserteilung wesentlichen Sachverhalte, einschließlich der Pflicht zur Anzeige solcher Änderungen,
(3) In Rechtsverordnungen nach § 2a Absatz 1 oder § 4b können, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, über die dort genannten Anforderungen hinaus Anforderungen an die Haltung von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder an das Töten von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 vorgeschrieben werden, insbesondere
- 1.
Anforderungen an innerbetriebliche Abläufe zum Zwecke der Vermeidung, Feststellung und Beseitigung von Mängeln, - 2.
Maßnahmen zum Zwecke der Gewöhnung und des Trainings solcher Tiere im Hinblick auf ihre Haltung und Verwendung und - 3.
Anforderungen an den Erwerb und die Aufrechterhaltung der für die Betreuung und Pflege und das Töten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten; hierbei kann auch vorgeschrieben werden, dass Aufzeichnungen über die Maßnahmen, die zum Zwecke des Erwerbs und der Aufrechterhaltung der Kenntnisse und Fähigkeiten ergriffen werden, zu machen, aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen sind.
(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Arten an wechselnden Orten zu beschränken oder zu verbieten, soweit die Tiere der jeweiligen Art an wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden gehalten oder zu den wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden befördert werden können. Eine Rechtsverordnung nach Satz 1
- 1.
darf nur erlassen werden, soweit den in Satz 1 bezeichneten erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden durch andere Regelungen, insbesondere solche mit Anforderungen an die Haltung oder Beförderung der Tiere, nicht wirksam begegnet werden kann, - 2.
muss vorsehen, dass Tiere, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung gehalten werden, von dem Verbot nur dann erfasst werden, wenn keine Möglichkeiten bestehen, die erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden bei diesen Tieren auf ein vertretbares Maß zu vermindern.
(5) Mit der Ausübung der Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 darf erst nach Erteilung der Erlaubnis begonnen werden. Die zuständige Behörde entscheidet schriftlich oder elektronisch über den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis innerhalb einer Frist von vier Monaten ab Eingang des Antrags. Die in Satz 2 genannte Frist kann von der zuständigen Behörde um bis zu zwei Monate verlängert werden, soweit der Umfang und die Schwierigkeit der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Erlaubnis dies rechtfertigen. Der Antragsteller ist über die Fristverlängerung vor Ablauf der in Satz 2 genannten Frist unter Angabe von Gründen zu unterrichten. Bei der Berechnung der Frist bleiben die Zeiten unberücksichtigt, während derer der Antragsteller trotz schriftlicher oder elektronischer Aufforderung der Behörde den Anforderungen in einer auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung nicht nachgekommen ist. Die zuständige Behörde soll demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen, der die Erlaubnis nicht hat.
(6) Wer gewerbsmäßig Gehegewild halten will, hat dies vier Wochen vor Aufnahme der Tätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen. Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- 1.
die Form und den Inhalt der Anzeige, - 2.
die Voraussetzungen, unter denen die Tätigkeit nach Satz 1 untersagt werden kann, und - 3.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der angezeigten Sachverhalte
(7) Die Ausübung der nach Absatz 5 Satz 6 oder auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 untersagten Tätigkeit kann von der zuständigen Behörde auch durch Schließung der Betriebs- oder Geschäftsräume verhindert werden.
(8) Wer Nutztiere zu Erwerbszwecken hält, hat durch betriebliche Eigenkontrollen sicherzustellen, dass die Anforderungen des § 2 eingehalten werden. Insbesondere hat er zum Zwecke seiner Beurteilung, dass die Anforderungen des § 2 erfüllt sind, geeignete tierbezogene Merkmale (Tierschutzindikatoren) zu erheben und zu bewerten.
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
- 1.
muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, - 2.
darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, - 3.
muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen wurde.
Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 19. Dezember 2013 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/4 und der Beklagte zu 3/4.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Untersagung der Tötung männlicher, nicht zur Schlachtung geeigneter Eintagsküken im Betrieb der Klägerin.
3Die Klägerin betreibt seit den sechziger Jahren in T. u. a. eine Brüterei. Im Zusammenhang mit der Geflügelzucht werden im Betrieb der Klägerin circa 2 Millionen Küken, davon 50 Prozent Hennen und 50 Prozent Hahnenküken ausgebrütet. Die Bruteier stammen von Hennen aus Zuchtlinien, die auf hohe Legeleistung ausgerichtet sind. Die männlichen Tiere dieser Zuchtlinien sind für die Fleischerzeugung deutlich weniger geeignet als diejenigen aus hierfür spezialisierten Mastlinien. Der Ablauf des Betriebs der Brüterei der Klägerin ist daher, ebenso wie der Ablauf in vergleichbaren Betrieben in Deutschland, Europa und weltweit so organisiert, dass die männlichen Küken nach dem Schlüpfen als sogenannte Eintagsküken getötet werden. In Deutschland betraf das im Jahr 2012 etwa 45 Millionen männliche Küken, wovon auf die 12 Brütereien in Nordrhein-Westfalen etwa 5,4 Prozent entfielen.
4Im Juni 2013 stellte die Staatsanwaltschaft Münster ein wegen der Tötung männlicher Eintagsküken geführtes Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer der L. -H. der Klägerin gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, weil aufgrund der jahrelangen Duldung der Tötung durch die Verwaltungsbehörden von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum des Beschuldigten auszugehen sei. Der Beschuldigte wurde jedoch mit Schreiben vom 10. Juli 2013 unmissverständlich darauf hingewiesen, dass das fragliche Verhalten nach Auffassung der Staatsanwaltschaft den Straftatbestand des § 17 TierSchG erfülle und das Verfahren nur deswegen eingestellt wurde, weil er dieses aufgrund der Duldung durch die Verwaltungsbehörde nicht habe erkennen können.
5Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung forderte das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV) das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) mit Erlass vom 26. September 2013 auf, die Kreisordnungsbehörden des Landes anzuweisen, die übliche Praxis des Tötens männlicher Eintagsküken zu untersagen. Hierzu erstellten das MKULNV und das LANUV in der Folgezeit eine Musterverfügung.
6Der Beklagte gab der Klägerin unter dem 14. Oktober 2013 Gelegenheit, zur beabsichtigten Untersagung der Tötung der männlichen Küken Stellung zu nehmen.
7Mit Ordnungsverfügung vom 19. Dezember 2013 untersagte der Beklagte der Klägerin ab dem 1. Januar 2015 die Tötung männlicher, nicht zur Schlachtung geeigneter Küken (Ziffer 1.). Von diesem Verbot nahm er die Tötung männlicher Küken aus (Ziffer 2.), die nicht schlupffähig sind (a), die aufgrund einer Erkrankung nicht ohne erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden weiterleben können (b) oder bei denen zum Zeitpunkt der Tötung nachweislich feststeht, dass die Tierkörper an solche Tiere verfüttert werden, deren artgerechte Ernährung die Fütterung ganzer Tierkörper in dieser Größe zwingend erfordert (c). Der Beklagte drohte der Klägerin für den Fall, dass sie die in Nummer 1 getroffene Anordnung nicht befolgen sollte, ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro an. Er begründete seine auf § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG gestützte Untersagung mit einem Verstoß gegen § 1 Satz 2 TierSchG, wonach niemand ohne vernünftigen Grund einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen dürfe. Rein ökonomische Gründe, wie sie der Tötung männlicher Eintagsküken zugrunde lägen, genügten als vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes nicht. Der Hauptzweck der Tötung sei die Vernichtung als ökonomisch unrentabel angesehenen Lebens, das aufgrund der einseitigen Ausrichtung des Betriebes auf die Produktion von Legehennen/-​küken und der damit verbundenen verminderten Fleischansatzleistung nicht für Mastzwecke geeignet sei. Die seit Jahrzehnten praktizierte Tötung von ökonomisch nicht verwertbaren Eintagsküken sei vor dem Hintergrund des gewandelten öffentlichen Bewusstseins für Tierschutzangelegenheiten nicht mehr zu rechtfertigen. Die Untersagung sei geeignet, erforderlich und im Hinblick auf den grundgesetzlichen Schutzauftrag in Art. 20a GG angemessen. Dem wirtschaftlichen Betrieb der Klägerin werde die Existenzgrundlage nicht entzogen. Im Hinblick auf den betrieblichen Umstellungsbedarf werde die Tötung männlicher Küken erst ab dem 1. Januar 2015 untersagt.
8Am 6. November 2015 erhob die Staatsanwaltschaft Münster (Az.: 540 Js 290/15) Anklage gegen den Geschäftsführer der L. -H. der Klägerin wegen Verstoßes gegen § 17 Nr. 1 TierSchG. Ihm wurde die Tötung der männlichen Küken im Betrieb der Klägerin vorgeworfen.
9Mit Beschluss vom 7. März 2016 - 2 KLs-​540 Js 290/15-​7/15 lehnte das Landgericht Münster den Antrag der Staatsanwaltschaft Münster auf Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Geschäftsführer der L. -H. der Klägerin wegen einer Straftat nach § 17 Nr. 1 TierSchG, verübt durch das Töten männlicher Eintagsküken, aus rechtlichen Gründen ab. Zur Begründung stützte es sich im Wesentlichen darauf, dass eine Auslegung des § 17 TierSchG, die das Verhalten des Angeschuldigten unter Strafe stelle, gegen Art. 103 GG verstoße. Wenn der Gesetzgeber meine, dass das zunächst für nicht strafbar befundene und jahrzehntelang geduldete Verhalten des Angeschuldigten nun strafbar sein solle, müsse er dies gesetzgeberisch klarstellen. Die gegen den Beschluss des Landgerichts gerichtete sofortige Beschwerde wurde durch das Oberlandesgericht Hamm (Az.: III – 4 Ws 113/16) als unbegründet verworfen.
10Gegen die Ordnungsverfügung vom 19. Dezember 2013 hat die Klägerin bereits am 14. Januar 2014 Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage bringt die Klägerin im Wesentlichen vor:
11Es fehle bereits an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage für den Erlass der Verfügung. Ein Rückgriff auf die tierschutzrechtliche Generalklausel des § 16a Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG sei nicht zulässig. Angesichts der seit Jahrzehnten praktizierten und nicht beanstandeten Tötung von Eintagsküken sei ausgehend von den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen eine spezialgesetzliche Grundlage für deren Verbot zu fordern und ein Rückgriff auf die tierschutzrechtliche Generalklausel unzulässig. Es handele sich bei dem Verbot der Tötung männlicher Eintagsküken nämlich um eine politische Richtungsentscheidung großer Tragweite für die Lebensmittelproduktion, die vom europäischen und deutschen Gesetz- und Verordnungsgeber zu treffen sei. Durch die Instrumente des Straf- und Ordnungsrechts wolle das Ministerium die Brütereien hingegen zwingen, durch Musterprozesse den politischen Kampf des Verbraucherministeriums gegen die Fortsetzung der bislang unbeanstandeten Produktion von Legehennen zu befördern.
12Die Ordnungsverfügung sei auch nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Weder seien die in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung enthaltenen Begriffe „Küken“ und „nicht zur Schlachtung geeignet“ noch die in Ziffer 2 c vorgesehene Einschränkung des Verbots aus Ziffer 1 hinreichend bestimmt. Eine eindeutige Begriffsbestimmung sei nicht vorgenommen worden.
13Insbesondere aber verstoße die Tötung männlicher Eintagsküken nicht gegen § 1 Satz 2 TierSchG, weil dafür ein vernünftiger Grund vorliege. Zur Feststellung eines solchen Grundes sei eine Interessenabwägung geboten. Dabei seien auch rein wirtschaftliche Gesichtspunkte beachtlich. Die Küken würden bei der Erzeugung von Hennenküken zur Eierproduktion unvermeidbar mit ausgebrütet. Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei befänden sich noch im Forschungsstadium und seien noch nicht praxistauglich. Für die Mast seien die männlichen Küken ungeeignet. Es gebe bei Geflügelmästern keine Nachfrage nach ihnen und keine Absatzmöglichkeiten für sie. Versuche, sie an Mastbetriebe abzugeben, seien gescheitert. Die Aufzucht der Küken führe daher zu einem widersinnigen Einsatz finanzieller Mittel und einem ökologisch unvertretbaren Verbrauch von Futter, Energie und Stallflächen sowie zum Entstehen vermeidbarer Emissionen. Im Fall der Aufzucht der Küken zu Mastzwecken würden die Tiere lediglich später und aus einem anderen Grund getötet. Die Zucht eines marktfähigen Zweinutzungshuhns sei noch nicht gelungen. Bislang gebe es für derartige Hühner und für Masthähnchen aus Legelinien nur ganz kleine Marktnischen. Auch für eine Vermarktung als Stubenküken gebe es keine tragfähige Nachfrage. Die Tötung der Küken sei deshalb Teil der nachfragegerechten Produktion von Eiern und sichere im öffentlichen Interesse die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung. Zudem diene sie der Erzeugung von Tierfutter. Sie sei seit Jahrzehnten bundesweit und international üblich. Den Behörden sei sie seit langem bekannt und werde in anderen Bundesländern sowie dem europäischen Ausland nach wie vor nicht beanstandet. Auch die Bundesregierung gehe von einem vernünftigen Grund für die Tötung der Küken aus. Ferner werde die Tötung der Küken sinngemäß durch Vorschriften der Tierschutz-Schlachtverordnung und der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates zugelassen oder zumindest als zulässig vorausgesetzt. Die Untersagung der Tötung der Küken beeinträchtige die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit der Brutbetriebe und, würden die Kosten der Aufzucht der Küken über den Verkauf der Eier finanziert, auch der Legehennenbetriebe. Sie führe lediglich zu einer Verlagerung der Bruttätigkeit in Brütereien in anderen Bundesländern oder im Ausland. Dem Tierschutz sei damit nicht gedient. Der Beklagte blende die wirtschaftlichen Zusammenhänge und die arbeitsteilige Produktion von Hühnern sowie Eiern ebenso aus wie das Verbraucherinteresse an kostengünstigen tierischen Produkten. Er verkenne die Verfügbarkeit der spezialisierten Zuchtlinien innerhalb der internationalen Geflügelproduktion als den Kern des Problems. Sie, die Klägerin, habe auf die Spezialisierung der Zuchtlinien und auf die Nachfrage nach Legehennen und Masthähnchen der jeweiligen spezialisierten Rassen keinen Einfluss. Sie verfüge auch nicht über die finanziellen Mittel und die Ställe für die Aufzucht der männlichen Küken. Für sie sei deren Aufzucht mit unlösbaren Problemen und existenzvernichtenden Mehrkosten verbunden, welche zwangsläufig zur Aufgabe des Brütereibetriebes führen würden.
14Zudem habe der Beklagte sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Er habe auf Weisung gehandelt und die wesentlichen Umstände nicht richtig und vollständig erkannt sowie berücksichtigt. Dabei habe er insbesondere die wirtschaftlichen Folgen der Untersagungsanordnung für sie, die Klägerin, nicht ausreichend aufgeklärt und berücksichtigt. Die ministeriellen Ermessenserwägungen seien ebenfalls fehlerhaft. Die eingeräumte Übergangsfrist sei zu kurz bemessen. Das angedrohte Zwangsgeld sei überhöht.
15Die Klägerin hat einen ursprünglich gestellten Feststellungsantrag zurückgenommen und beantragt schriftsätzlich,
16die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 19. Dezember 2013 aufzuheben.
17Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
18die Klage abzuweisen.
19Zur Begründung trägt er vor: Die Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit der Untersagungsanordnung seien gewahrt. Für die Untersagung der Tötung der Küken bedürfe es keiner spezialgesetzlichen Rechtsgrundlage. § 1 Satz 2 TierSchG stelle eine ausreichende Grundentscheidung des Gesetzgebers zur Tötung von Tieren dar. In der Vergangenheit sei die Tötung der männlichen Küken behördlich lediglich geduldet worden. Das habe keine Legalisierung der Tötung und keine Selbstbindung bewirkt. Für die Tötung gebe es keinen vernünftigen Grund. Die mit ihr verfolgten Interessen wögen weniger schwer als der hierdurch hervorgerufene Schaden an den Tieren. Zwar diene die Tötung dem objektiv legitimen Zweck der Vermeidung der Aufzuchtkosten und sei insofern möglicherweise auch erforderlich. Sie sei jedoch nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Als mildere Alternativen zur Tötung der Küken kämen die Geschlechtsbestimmung im Ei mit nachfolgender Verwertung der Eier mit männlicher DNA, die Verwendung von Zweinutzungshühnern, die Mast der Küken zur Verwertung im Rahmen eines Projekts wie etwa der Bruderhahn Initiative oder zur Vermarktung als Stubenküken und die längere Nutzung von Legehennen in Betracht. Gerade für Betriebe in der Größe der Klägerin biete es sich an, die genannten Vermarktungsnischen stärker zu besetzen. Bestrebungen der Klägerin, einen Markt für den Absatz der Küken zu erschließen, seien jedoch nicht erkennbar. Die Klägerin könne die Küken in den vorhandenen Ställen aufziehen. Ihre Angaben zur Notwendigkeit der Aufgabe der Brütereisparte seien nicht genügend substantiiert. Die Klägerin sei darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, aus denen sie ein Recht zur Tötung der Küken herleiten wolle. Zumindest bis zur Etablierung der Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei oder zur Verwendung von Zweinutzungsrassen sei ihr der Aufwand für die Aufzucht und Vermarktung der Küken nach dem Konzept etwa der Bruderhahn Initiative zuzumuten. Die Vermarktung der Küken biete die Gelegenheit zur Kompensation von mit der Aufzucht verbundenen wirtschaftlichen Einbußen. Selbst wenn aber die Alternativen zur Tötung der Küken nicht genügend effektiv seien, sei die Tötung nicht angemessen. Das ergebe sich aus dem Rechtsgedanken von § 7a Abs. 2 Nr. 4 TierSchG. Die Tötung sei der größtmögliche Schaden für die Küken und betreffe etwa jedes zweite Küken der Legerasse. Das sei unvereinbar mit den mehrheitlich konsensfähigen Anschauungen der Bevölkerung und der rechtlichen Entwicklung des Tierschutzrechts unter anderem durch die Normierung des hierauf bezogenen Staatsziels. Die Tötung verstoße gegen den Grundgedanken der Mitgeschöpflichkeit von Tieren. Bei einem rein ökonomischen Maßstab für das Vorliegen eines vernünftigen Grundes bestehe die Gefahr der Aushöhlung der Grundkonzeption des Tierschutzgesetzes als ethisch ausgerichteten Tierschutzes. Eingriffe in vitale Interessen von Tieren dürften allein zur Wahrung vergleichbar lebenswichtiger menschlicher Interessen vorgenommen werden. Auch das Verbraucherinteresse an der kostengünstigen Produktion von Lebensmitteln werde durch das Tierschutzrecht begrenzt. Die Vorschriften zum Schlachten von Tieren regelten lediglich die Art und Weise der Tötung von Küken.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22Die Klage, über die das Gericht mit Zustimmung der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
231.
24Soweit die Klägerin ihren Antrag, festzustellen, dass die mit der Ordnungsverfügung des Beklagten vom 19. Dezember 2013 untersagte Tötung männlicher Eintagsküken nicht gegen § 17 TierSchG verstößt, zurückgenommen hat, war das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
252.
26Im Übrigen hat die Klage Erfolg. Sie ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Alternative VwGO zulässig und auch begründet. Denn die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 19. Dezember 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zur Begründung verweist das Gericht auf die zutreffenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in dem Urteil vom 20. Mai 2016 - 20 A 488/15 -. Das OVG NRW hat in diesem Urteil, welches ebenfalls die Untersagung der Tötung männlicher Eintagsküken durch eine Brüterei zum Gegenstand hatte, insbesondere das Vorliegen eines vernünftigen Grundes für die Tötung der Eintagsküken bejaht und Folgendes ausgeführt:
27„Als Rechtsgrundlage für die unter Nr. 1 der Ordnungsverfügung angeordnete und durch die Ausnahmen unter Nr. 2 der Ordnungsverfügung eingegrenzte Untersagung der Tötung der männlichen, nicht zur Schlachtung geeigneten Küken kommt allein § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG in Betracht. Danach trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen.
28Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung anhand dieser Vorschrift ist die im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats geltende Sach- und Rechtslage maßgeblich. Die Untersagungsanordnung erschöpft sich nicht in einer einmaligen Verpflichtung des Klägers, sondern begründet ein auf Dauer gerichtetes Verbot. Bei der Anfechtungsklage gegen einen solchen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kommt es grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts an.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2013 ‑ 3 C 15.12 -, BVerwGE 148, 28, und Beschluss vom 5. Januar 2012 - 8 B 62.11 -, NVwZ 2012, 510.
30Auf die hier angefochtene Ordnungsverfügung findet keine von diesem Grundsatz abweichende gesetzliche Bestimmung Anwendung.
31§ 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG ist eine taugliche Rechtsgrundlage für den Erlass der Untersagungsanordnung. Die Vorschrift bildet die allgemeine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass behördlicher Anordnungen zur Durchsetzung des Tierschutzrechts. Sie begründet nach ihrem Wortlaut sowie ihrem Sinn und Zweck für die zuständige Behörde die generelle Befugnis, durch Verwaltungsakt vorbehaltlich spezieller Vorschriften Regelungen zur Einhaltung des Tierschutzrechts zu treffen. Die Befugnis wird durch § 16a Abs. 1 Satz 2 TierSchG für beispielhaft genannte Fallgruppen ("insbesondere"), in denen die Behörde im Einzelnen beschriebene Anordnungen erlassen bzw. Maßnahmen ergreifen darf, konkretisiert und für weitere Konstellationen unter anderem durch § 16a Abs. 2 und 3 TierSchG ergänzt. Das entspricht dem Regelungskonzept von § 69 AMG, dem § 16a Abs. 1 TierSchG nachgebildet ist
32- vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 12. Januar 2012 - 7 C 5.11 -, NVwZ 2012, 1184 -
33und der als generelle Ermächtigung zur Beseitigung begangener oder zur Verhütung bevorstehender Verstöße gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften anerkannt ist.
34Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Oktober 2012 ‑ 3 C 25.11 -, BVerwGE 144, 355, und vom 19. Oktober 1989 - 3 C 35.87 -, NJW 1990, 2948.
35Die umfassende Ermächtigung der Behörde, festgestellten und künftigen Verstößen durch notwendige Anordnungen zu begegnen, genügt höherrangigem Recht. Insbesondere ist das im Rechtsstaats- und Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) wurzelnde Erfordernis gewahrt, dass das Parlament in grundlegenden normativen Bereichen, vor allem im Bereich der Grundrechtsausübung, die wesentlichen Fragen selbst entscheiden muss.
36Vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 -, BVerfGE 108, 282 (311 f.), und Beschluss vom 8. August 1978 - 2 BvL 8/77 -, BVerfGE 49, 89 (126 f.).
37Das gilt ungeachtet dessen, dass sich die Ermächtigung nach § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG, klammert man ihre Verdrängung im Anwendungsbereich spezieller Bestimmungen aus, in der Art einer Generalklausel auf sämtliche Verstöße gegen das Tierschutzrecht bezieht und auf der Rechtsfolgenseite der Vorschrift mit dem Begriff der "notwendigen Anordnungen" ein weiter und einzelfallbezogen näher ausfüllungsbedürftiger Rahmen abgesteckt ist. Damit werden von der Ermächtigung zwar neben Verstößen, die etwa bei einem der bloßen Freizeitgestaltung dienenden Umgang mit einzelnen Tieren auftreten, auch solche erfasst, die beim Halten von landwirtschaftlichen Nutztieren zu Erwerbszwecken oder bei der Durchführung von Tierversuchen zu wissenschaftlichen Zwecken begangen werden und dementsprechend in engem Zusammenhang stehen mit durch Grundrechte besonders geschützten Betätigungen. Das führt jedoch auf der Ebene der für die Handlungsfähigkeit der Behörden wichtigen Ermächtigung zur Durchsetzung des Tierschutzrechts nicht zu Anforderungen, die von § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG nicht erfüllt werden.
38Das Eingreifen der Ermächtigung ist bedingt durch Verstöße gegen verbindliche Anforderungen, die ihrerseits in den wesentlichen Umrissen durch einschlägige tierschutzrechtliche Regelungen festzulegen sind. Die Anforderungen müssen, sieht man von unmittelbar geltenden europarechtlichen Bestimmungen ab, entweder direkt im parlamentarisch erlassenen Tierschutzgesetz oder in den auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen geregelt sein. Zweifelsfragen, ob ein bestimmtes Verhalten gegen derartige Vorschriften verstößt oder nicht, sind anhand ihres jeweiligen Regelungsgehalts zu beantworten, der wiederum mit höherrangigem Recht im Einklang stehen muss. Dementsprechend kommt es für die inhaltliche Reichweite der Ermächtigung durch § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG entscheidend auf die anderweitig vorgegebenen und, soweit sie aus nationalem Recht folgen, in den "wesentlichen" Punkten gesetzlich bestimmten Maßstäbe für ein in Übereinstimmung mit Tierschutzrecht stehendes Verhalten an.
39Die auf der Rechtsfolgenseite der Ermächtigung angeordnete Beschränkung auf die notwendigen Anordnungen bringt, übereinstimmend mit der durch die ordnungsbehördliche Generalklausel (§ 14 Abs. 1 OBG NRW) zugestandenen Befugnis, zur Gefahrenabwehr die notwendigen Maßnahmen zu treffen, und der vergleichbaren Befugnis nach § 69 Abs. 1 AMG als ausschlaggebenden Maßstab für das behördliche Einschreiten den im Verwaltungsrecht generell geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zum Ausdruck. Dieser Maßstab ist unter anderem im Ordnungsrecht, zu dem das Tierschutzrecht in den vorliegend entscheidungserheblichen Regelungen gehört, seit langem gebräuchlich und wird in den einzelnen Anforderungen inhaltlich durch die allgemein anerkannten Kriterien der Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (vgl. § 15 OBG NRW) hinreichend konkretisiert. Die Anordnung muss zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sein und bei der Abwägung zwischen der Schwere der Belastung des Betroffenen sowie dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit wahren. Das wird durch die in § 16a Abs. 1 Satz 2 TierSchG beispielhaft näher ausgeformten behördlichen Befugnisse noch weiter verdeutlicht.
40Die Untersagungsanordnung steht indessen nicht im Einklang mit § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG.
41Die untersagte Tötung der männlichen, nicht zur Schlachtung geeigneten Küken verstößt nicht gegen tierschutzrechtliche Vorschriften.
42Ein solcher Verstoß ist allein in Bezug auf § 1 Satz 2 TierSchG in Erwägung zu ziehen. Danach darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
43§ 1 Satz 2 TierSchG ist zur Beurteilung der Übereinstimmung der Tötung der männlichen Küken mit dem Tierschutzrecht heranzuziehen. Die Vorschrift beinhaltet ein rechtswirksames Verbot. Sie scheidet auch nicht als Anknüpfungspunkt für eine Anordnung nach § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG deswegen aus, weil es im Hinblick auf ihren Regelungsgehalt und dessen Auswirkungen einer besonderen gesetzlichen Regelung bedürfte. § 1 Satz 2 TierSchG legt mit den Begriffen der Schmerzen, Leiden oder Schäden das Schutzniveau für die Tiere und mit dem Begriff des vernünftigen Grundes die Voraussetzungen für einen Eingriff in das Schutzgut in einer Weise fest, die dem parlamentarisch zu regelnden Wesentlichen genügt. Das gilt auch im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Vorschrift auf die Tötung von männlichen Küken der Legehennenrassen.
44Die Vorschrift ist nach ihrem eindeutigen Wortlaut unmissverständlich als ein für alle Tiere und alle Menschen in allen Lebensbereichen geltendes Verbot zu verstehen, ohne vernünftigen Grund einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Das Verbot soll Menschen umfassend davon abhalten, ohne vernünftigen Grund auch nur ein einzelnes Tier einer derartigen Beeinträchtigung auszusetzen. Es ist trotz des direkten systematischen Zusammenhangs mit der Bezeichnung des Zwecks des Tierschutzgesetzes (§ 1 Satz 1 TierSchG) als generalklauselartige Regelung zur Verhinderung von Schmerzen, Leiden oder Schäden verursachendem menschlichem Verhalten und nicht als eine programmatische Leitlinie für die Anwendung der nachfolgenden Bestimmungen konzipiert. § 1 Satz 2 TierSchG ist dazu bestimmt, unmittelbar und aus sich heraus das Wohlbefinden der Tiere im Sinne des Freiseins von Schmerz und Leid sowie die Unversehrtheit im Sinne des Freiseins von Schaden sowie das Leben der Tiere schlechthin zu schützen.
45Vgl. BT-Drucks. VI/2559, S. 9; zu BT-Drucks. VI/3556 (Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ‑ 9. Ausschuss -), S. 1 f.; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl., § 1 Rn. 9.
46Die funktionale Ausgestaltung von § 1 Satz 2 TierSchG als unmittelbar geltendes Verbot wird bestätigt durch Straf- und Bußgeldvorschriften. Das Töten eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund steht unter Strafandrohung (§ 17 Nr. 1 TierSchG). Das Zufügen erheblicher Schmerzen, Leiden oder Schäden ohne vernünftigen Grund ist bei Wirbeltieren für einen bestimmten Personenkreis bußgeldbewehrt (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 TierSchG). Die Tathandlungen setzen voraus, dass sie tierschutzrechtlich verboten sind, und knüpfen mit dem Merkmal des vernünftigen Grundes erkennbar an § 1 Satz 2 TierSchG an.
47Gegenstand und Reichweite des Verbots lassen sich auch vor dem Hintergrund der sich aus der Sanktionierung von Verstößen ergebenden besonderen Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) mit Hilfe der allgemeinen Auslegungsregeln so konkret erschließen, dass die Handhabung des Verbots nicht der Verwaltung überlassen ist und der jeweilige Betroffene die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung erkennen und sein Verhalten danach ausrichten kann.
48Vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, Beschlüsse vom 4. Juni 2012 - 2 BvL 9/08 u. a. -, BVerfGE 131, 88 (121 ff.), und vom 2. Juni 2008 - 1 BvR 349/04 u. a. -, NVwZ 2008, 1229; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, 3. Aufl., Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 113 ff.
49Zwar richten sich die konkreten Anforderungen an die Regelungsdichte parlamentarischer Vorschriften nicht zuletzt nach der Eigenart des jeweiligen Regelungsgegenstandes, also unter anderem nach der Tragweite der Regelung für den Betroffenen und der Grundrechtsrelevanz der behördlichen Maßnahme. Ferner stehen bei einer Verbotsregelung, die - wie hier - (auch) erwerbswirtschaftlich ausgerichtete Betätigungen in Bezug auf landwirtschaftliche Nutztiere erfasst, typischerweise berufsbezogene Auswirkungen in Rede, die für den Betroffenen wegen der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG von ganz beträchtlichem Gewicht sein können. Das gilt umso mehr dann, wenn, was hier im Raum steht, das Verbot die wirtschaftlichen Grundlagen der Berufsausübung so stark beschneidet, dass es, obwohl es auf die Berufsausübung abzielt, in seinen Wirkungen einer Regelung der Berufswahl nahekommt. Daneben können von § 1 Satz 2 TierSchG die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) und weitere Grundrechte berührt sein. Auch ist der Tierschutz ein im Grundgesetz verankerter Gemeinwohlbelang (Art 20a GG).
50Das schließt aber nicht die Verwendung unbestimmter und damit auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe aus. Gegen die Verwendung unbestimmter, also konkretisierungsbedürftiger, Rechtsbegriffe bestehen wegen der auf der Ebene des Gesetzes zu bedenkenden Vielgestaltigkeit der Lebenswirklichkeit selbst im Fall erhöhter Anforderungen an die Bestimmtheit von Vorschriften keine Bedenken, wenn sich mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt.
51Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2013 ‑ 2 BvR 2302/11 u. a. -, BVerfGE 134, 33 (81 f.).
52Das trifft bezogen auf § 1 Satz 2 TierSchG zu. Die grundlegenden Aussagen zu der dort festgelegten Verbotsschwelle sind der Vorschrift im Wege der Auslegung mit genügender Klarheit zu entnehmen.
53Mit den Begriffen Schmerzen, Leiden oder Schäden werden die verbotenen Beeinträchtigungen der Tiere in einer Weise bezeichnet, die angesichts des Zwecks des Gesetzes nach § 1 Satz 1 TierSchG, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen, und der Verwendung der Begriffe auch zur Festlegung von Anforderungen an die Haltung von Tieren (u. a. § 2 Nr. 2 TierSchG) sowie von speziellen Verboten (u. a. § 3 Satz 1 Nr. 11 TierSchG) und von Voraussetzungen für eigenständig geregelte Eingriffsbefugnisse (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG) mit genügender Deutlichkeit erkennen lässt, was als nachteilige Beeinflussung des Wohlbefindens und der Unversehrtheit der Tiere zu unterbleiben hat. Aus dem Schutzgut des Verbots, dem durch dieselben Begriffe in Bezug auf speziell geregelte Sachverhalte vorgegebenen Schutzniveau und dem allgemeinen Sprachgebrauch ergibt sich eine hinreichend bestimmte Grundlage für die Konkretisierung der fraglichen Beeinträchtigungen. Diese Konkretisierung wird in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem vorgenommen. Sie hat im Zuge der Rechtsanwendung zu einem gefestigten sowie eindeutigen Verständnis vom Aussagegehalt der einzelnen Begriffe geführt.
54Vgl. Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., § 1 Rn. 12 ff.; Lorz/Metzger, TierSchG, 6. Aufl., § 1 Rn. 19 ff.
55Hinsichtlich des Begriffs des vernünftigen Grundes ist die Reichweite des Verbots ebenfalls genügend klar abgegrenzt. Allerdings ist gesetzlich nicht im Einzelnen festgelegt, was als vernünftiger Grund anzusehen ist. Vielmehr handelt es sich (auch) hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der wegen der uneingeschränkten Erstreckung des Verbots auf jedermann und jedes Tier auf sehr unterschiedliche Sachverhalte Anwendung finden kann. Dennoch bildet der "vernünftige Grund" einen Maßstab für die Ermittlung des Verbotenen, der dem Gegenstand der Regelung und der von ihr ausgehenden Begrenzung von im Ausgangspunkt grundrechtlich geschützten menschlichen Betätigungen hinreichend angepasst ist.
56§ 1 Satz 2 TierSchG ist systematisch eng verknüpft mit dem in § 1 Satz 1 TierSchG genannten Zweck des Tierschutzgesetzes insgesamt. Dieser zielt, wie vor allem aus der Hervorhebung der menschlichen Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf folgt, auf die Sicherstellung eines ethisch ausgerichteten Tierschutzes. Die Ziele des ethisch begründeten Schutzes von Tieren und menschliche Interessen sollen miteinander in Einklang gebracht werden.
57Vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 ‑ 2 BvF 3/90 -, BVerfGE 101, 1 (37), und Beschluss vom 20. Juni 1978 - 1 BvL 14/77 -, BVerfGE 48, 376 (389); BVerwG, Urteil vom 27. August 1981 - 3 C 37.80 -, BVerwGE 64, 46; Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., § 1 Rn. 30 ff.
58Der Begriff des vernünftigen Grundes dient dazu, diesen Ausgleich unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für die Sachverhalte herbeizuführen, die keiner gegenüber § 1 Satz 2 TierSchG speziellen Regelung unterworfen werden. Gefordert wird eine Abwägung zwischen dem Schutz des Lebens und des Wohlbefindens des Tieres einerseits sowie gegenläufigen menschlichen Belangen andererseits. Im Gesetzgebungsverfahren ist ausdrücklich auf das Zusammentreffen wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und ethischer Forderungen auf dem Gebiet des Tierschutzrechts hingewiesen sowie als eine zentrale Zielsetzung des Tierschutzgesetzes die Herbeiführung eines Kompromisses zwischen dem ethisch ausgerichteten Tierschutz auf der einen und den Erfordernissen der - als gegeben und ernährungswirtschaftlich notwendig betrachteten - Massentierhaltung auf der anderen Seite hervorgehoben worden.
59Vgl. BT-Drucks. VI/2559, S. 9; zu BT-Drucks. VI/3556, S. 1.
60Ausgehend von Gegenstand und Funktion der Abwägung ist als vernünftig im Sinne von § 1 Satz 2 TierSchG ein Grund anzusehen, dem nach den Umständen des Einzelfalls als Ergebnis der Gegenüberstellung und Bewertung der relevanten Gesichtspunkte der Vorrang vor dem Schutz der Tiere einzuräumen ist. Er muss auf einem anerkennenswerten menschlichen Interesse beruhen sowie unter den konkreten Umständen nach seinem objektiven Gewicht schwerer wiegen als das Interesse am Schutz der Unversehrtheit des Tieres.
61Vgl. hierzu Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., § 1 Rn. 32 f.
62Die für eine solche Schlussfolgerung erforderliche Bewertung ist hinsichtlich bestimmter Einwirkungen auf Tiere vom Gesetzgeber durch spezielle Regelungen (u. a. §§ 3, 5, 6, 7 ff. TierSchG) selbst vorgenommen worden. Sinn und Zweck von § 1 Satz 2 TierSchG ist es vor dem Hintergrund dieser Regelungen, angesichts der erheblichen Bandbreite und Vielschichtigkeit der verbleibenden potenziell tierschutzrelevanten Sachverhalte sowie der daraus folgenden faktischen Unmöglichkeit, den am Schutzgedanken orientierten Handlungsbedarf vollständig und im Einzelnen vorauszusehen sowie katalogartig zu regeln, die behördliche Handlungsfähigkeit zu gewährleisten. Hierfür bietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in dessen Konkretisierung durch langjährige Anwendung
63- vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 ‑ 1 BvR 370/07 u. a. -, BVerfGE 120, 274 (318 ff.), und Beschluss vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 -, BVerfGE 115, 320 (345 ff.) -
64auch im Hinblick auf grundrechtlich geschützte Betätigungen mit Bezug zum Tierschutzrecht hinreichend konkrete Kriterien.
65Vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 15. Januar 2002 - 1 BvR 1783/99 -, BVerfGE 104, 337 (347 ff.); BVerwG, Urteile vom 23. November 2006 ‑ 3 C 30.05 -, BVerwGE 127, 183, und vom 27. August 1981 - 3 C 37.80 -, a. a. O.
66Die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfordert zwar Feststellungen und Wertungen, die jeweils für sich und in ihrem Zusammenwirken nicht in jeder Hinsicht durch zwingende normative Vorgaben vorgezeichnet sind. Parlamentarisch unerlässlich festzulegen sind aber nur die für die jeweilige Rechtsanwendung wesentlichen Gesichtspunkte. Das belässt auch dann, wenn grundrechtsrelevante Bereiche berührt sind, notwendig Abgrenzungsfragen, die mit den Mitteln der Auslegung sachgerecht bewältigt werden müssen. Dabei führt auch der Umstand, dass eine Frage - wie hier - politisch umstritten ist, nicht notwendig dazu, dass ihre Regelung als grundlegend und damit wesentlich einzustufen ist.
67Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 -, a. a. O.
68Die bisherige Auslegung und Anwendung des Merkmals des vernünftigen Grundes zeigt bezogen auf seine Verwendung sowohl in § 1 Satz 2 TierSchG
69- vgl. hierzu etwa OVG NRW, Urteil vom 10. August 2012 - 20 A 1240/11 -, NWVBl. 2013, 74; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Mai 1998 - 12 A 10020/96 -, juris; nachfolgend BVerwG, Urteil vom 18. Januar 2000 - 3 C 12.99 -, DVBl. 2000, 1061; Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., § 17 Rn. 9 ff. -
70als auch in § 17 Nr. 1 TierSchG
71- vgl. hierzu etwa OLG Hamm, Beschluss vom 10. Mai 2016 - III - 4 Ws 113/16 -; OLG Sachsen- Anhalt, Urteil vom 28. Juni 2011 ‑ 2 Ss 82/11-, juris; KG Berlin, Beschluss vom 24. Juli 2009 - (4) 1 Ss 235/09 (150/09) -, juris -
72dass die damit potenziell im Einzelfall verbundenen Schwierigkeiten sich in der Regel in Grenzen halten und mittels handhabbarer Kriterien zu bewältigen sind. Meinungsverschiedenheiten und etwaige klärungsbedürftige Aspekte hinsichtlich der Bedeutung einzelner Wertungskriterien und ihres Gewichts stellen das nicht in Frage. Die Abwägung ist gerade angelegt auf die Berücksichtigung sämtlicher entscheidungserheblicher Belange und die Lösung von Konflikten zwischen gegenläufigen Interessen. Das gilt auch bei einer Bewertung überkommener und kontrovers beurteilter Praktiken des Umgangs mit Tieren. Die Feststellung eines vernünftigen Grundes im Sinne des § 1 Satz 2 TierSchG bezieht sich notwendigerweise auf die im Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte. Mit diesem zeitlichen Bezug geht einher, dass Veränderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten Anlass zu einer erneuten und im Ergebnis abweichenden Bewertung geben können. Insbesondere können neue Erkenntnisse oder sonstige Entwicklungen zu Verschiebungen des Gewichts einzelner relevanter Aspekte führen. Die richtige Einschätzung der Tragweite derartiger Veränderungen und ihrer Auswirkungen auf die Rechtfertigung einer tierschutzrelevanten Beeinträchtigung von Tieren ist eine Frage der sachgerechten Zusammenstellung und Gewichtung der Belange.
73Vgl. bezogen auf die Tötung von Eintagsküken: OLG Hamm, Beschluss vom 10. Mai 2016 ‑ III ‑ 4 Ws 113/16 -; LG Münster, Beschluss vom 7. März 2016 - 2 KLs -540 Js 290/15 - 7/15 -, AuR 2016, 143.
74Nichts anderes ergibt sich aus den der Anwendbarkeit der allgemeinen ordnungsbehördlichen Generalklausel gezogenen Grenzen, die zu beachten sind im Fall einer verwickelten, in das Gebiet der Weltanschauungen hineinreichenden, abwägenden Wertung einer Mehrzahl verschiedener Schutzinteressen vor allem bei neu aufgekommenen Sachverhalten
75- vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 6 C 3.01 -, BVerwGE 115, 189, und Urteil vom 23. Februar 1960 ‑ I C 240.58 -, BVerwGE 10, 164 -
76oder bei der Durchführung in der ordnungsbehördlichen Praxis häufig vorkommender Maßnahmen eines einheitlichen neuen Typs.
77Vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 8. November 2012 - 1 BvR 22/12 -, DVBl. 2013, 169; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 ‑ 6 C 39.06 -, BVerwGE 129, 142.
78Eine solche oder ihr nahekommende Konstellation steht vorliegend nicht in Rede. Vielmehr geht es ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzrechts um eine Abwägung widerstreitender Interessen bei der Anwendung einer auf unterschiedliche Konstellationen zugeschnittenen Verbotsregelung auf die konkrete Situation der in Brütereien zur Erzeugung von Legehennenküken seit langem geübten und gängigen Praxis der Tötung männlicher Küken. Die diesbezüglich aktuell stattfindende Diskussion im politischen Raum
79- vgl. BT-Drucks. 18/6663 und 18/7726; BT-Prot. 18/94 (S. 9008 ff.) und 18/161 (S. 15919 ff.) -
80und die Stellungnahmen in der juristischen Literatur
81- vgl. Bender, NWVBl. 2015, 212; Binder, NuR 2007, 806; Hager, NuR 2016, 108; Ort, NuR 2010, 853; Hirt/Maisack/Moritz, a. a. O., § 17 Rn. 70 f., m. w. N. -
82bringen ebenso wie das Vorbringen der Beteiligten die tierschutzrechtliche Problematik dieser Praxis und deren Komplexität zum Ausdruck. Ein Konflikt zwischen mehreren gleichermaßen zu berücksichtigenden Interessen und Gesichtspunkten ist aber die typische Ausgangssituation für die Abwägung. Die Abwägung ist ein Instrument zur einzelfallbezogenen Lösung von Konflikten und Behebung der mit ihnen verbundenen Rechtsunsicherheit. Sie ermöglicht und gebietet die Berücksichtigung sämtlicher relevanter Belange entsprechend ihrer objektiven Gewichtigkeit und der hierbei einzubeziehenden gesetzlichen Wertungen. Das schließt die schutzwürdigen und schutzbedürftigen Belange der Menschen ebenso ein wie den Schutz der Tiere und das Bestehen von Alternativen. Die in Rede stehende rechtliche (Neu-)Bewertung eines einzelnen Aspekts beim erwerbswirtschaftlichen Umgang mit landwirtschaftlichen Nutztieren ist hiervon nicht ausgenommen. Das Bestehen eines Bedürfnisses nach einer spezifischen gesetzlichen Regelung der Tötung der männlichen Küken ist denn auch im Bundestag angesichts der bestehenden Vorschriften noch in jüngster Vergangenheit mehrheitlich nicht bejaht worden.
83Vgl. BT-Prot. 18/161 (S. 15919 ff.).
84Die Voraussetzungen des hiernach anwendbaren Verbots nach § 1 Satz 2 TierSchG sind nicht erfüllt. Die durch die Ordnungsverfügung untersagte Tötung der männlichen Küken erfolgt nicht ohne vernünftigen Grund im Sinne dieser Vorschrift. Den für die Tötung der Küken sprechenden Gesichtspunkten kommt bei der Abwägung aller relevanten Aspekte der Vorrang vor dem Schutz der Küken zu. Auf Seiten des Tierschutzes fällt dabei besonders ins Gewicht, dass den Küken durch die Tötung unumkehrbar der größtmögliche Schaden für ihre körperliche Unversehrtheit zugefügt wird. Sie werden, obwohl sie Mitgeschöpfe des Menschen sind, ganz zu Beginn ihres Lebens als anders nicht nutzbringend getötet. Dem stehen auf Seiten des Klägers vor allem wirtschaftliche Interessen gegenüber. Diese wiegen jedenfalls wegen der grundgesetzlich gewährleisteten Berufsfreiheit besonders schwer, weil die Küken im Rahmen des erwerbswirtschaftlichen Betriebs der Brüterei getötet werden. Nach gegenwärtigem Stand haben die Belange des Klägers größeres Gewicht.
85Allein der ethische Wert der Küken als Lebewesen entzieht ihr (Weiter-)Leben nicht der Abwägung mit Aspekten der Brauchbarkeit für menschliche Zwecke und der Wirtschaftlichkeit. Tiere stehen trotz ihrer rechtlichen Einstufung als Mitgeschöpfe des Menschen in der gesetzlichen Wertordnung nicht auf einer Stufe mit dem Menschen. Der Tierschutz geht auf ethische Beweggründe zurück und dient ethischen Zielen. Das heißt allerdings nicht, dass die Abwägung auf ethische Aspekte beschränkt ist oder derartige Aspekte bei der nach rechtlichen Kriterien vorzunehmenden Abwägung gemäß § 1 Satz 2 TierSchG auf einer abstrakten Wertungsebene generell einen höheren Rang einnehmen als Interessen an einem aus allein ethischer Sicht "lediglich" wirtschaftlichen Umgang mit Tieren. Namentlich sind wirtschaftliche Gründe, die - wie hier - bei einer auf die Produktion tierischer Lebensmittel ausgerichteten Tätigkeit hinsichtlich der für diese Zwecke ungeeigneten Tiere auftreten und sich zu Lasten des Wohlbefindens oder Lebens der Tiere auswirken, rechtlich nicht von vornherein nachrangig. Die Tierversuche betreffende Regelung des § 7a Abs. 2 Nr. 4 TierSchG, wonach Tieren Schmerzen, Leiden oder Schäden nicht aus Gründen der Arbeits-, Zeit- oder Kostenersparnis zugefügt werden dürfen, besagt, bezieht man diesen Gedanken nicht allein auf die Behandlung der Tiere während ihres Lebens, sondern auch auf ihre Tötung, nichts Gegenteiliges. Die Regelung zielt darauf, das Maß der durch die Nutzung der Tiere - für Zwecke des Tierversuchs - hervorgerufenen Schmerzen, Leiden und Schäden auf das für den verfolgten und als solchen legitimen Zweck Unerlässliche zu beschränken. Das entspricht auch der Funktion von § 1 Satz 2 TierSchG für andere Formen der menschlichen Verwendung von Tieren. Daraus folgt aber nicht, dass Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit bezogen auf § 1 Satz 2 TierSchG schon im Ausgangspunkt gegenüber dem ethischen Wert der Unversehrtheit der Tiere zurücktreten. In die Abwägung zur Beurteilung des Vorliegens eines vernünftigen Grundes sind alle relevanten Aspekte einzustellen. Das schließt, wie in der Rechtsprechung anerkannt ist
86- vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 - 2 BvF 3/90 -, a. a. O. (37) -,
87Erwägungen der Wirtschaftlichkeit der Tierhaltung ein. Das Leben der in der vorliegend betroffenen Ernährungswirtschaft eingesetzten Tiere ist seit der Domestizierung der Haus- und Nutztiere gänzlich ausgerichtet auf ihre Nützlichkeit für den Menschen. Es wird zielgerichtet durch planmäßige Vermehrung der Tiere für bestimmte Zwecke herbeigeführt und, dienen die Tiere der menschlichen Ernährung, nach Erreichen von am Maßstab menschlicher Zweckmäßigkeit festgelegten körperlichen Merkmalen durch Tötung - in Form des Schlachtens - beendet. Nutztiere werden zweckgerichtet für ihre Verwendung auf dem Markt erzeugt, gehalten und getötet. Damit gehen am Maßstab der Nützlichkeit für Menschen ausgerichtete Unterscheidungen zwischen den Tieren notwendig einher. Bei der erwerbswirtschaftlichen Erzeugung tierischer Lebensmittel werden diese Abgrenzungen anhand der unterschiedlichen Effektivität alternativer Maßnahmen getroffen. Das ist kein Mangel an Achtung der Tiere in ihrer Mitgeschöpflichkeit, sondern wird als solches angesichts der hergebrachten und nach wie vor weithin verbreiteten sowie rechtlich und gesellschaftlich akzeptierten Ernährung von Menschen durch tierische Lebensmittel von vernünftigen Gründen im Sinne von § 1 Satz 2 TierSchG getragen. Unter anderem Hühner werden von Menschen seit Jahrtausenden als Nutztiere zur Gewinnung von Nahrungsmitteln - in Gestalt von Eiern und Fleisch - gehalten. Der Beklagte zieht selbst nicht in Zweifel, dass sie, werden sie getötet und anschließend von Menschen verzehrt, mit vernünftigem Grund getötet werden. Er verweist den Kläger als Alternative zu der untersagten Tötung der Küken unter anderem auf ihre Haltung bis zu einem Zeitpunkt, in dem sie so viel Fleisch angesetzt haben, dass sie als menschliche Nahrung in Frage kommen, und damit auf eine nutzbringende Verwendung.
88Die Auffassung, eine Tötung von Tieren sei ausschließlich zur Erreichung von für das Leben von Menschen existenziellen Zwecken gerechtfertigt, findet, versteht man sie dahin, dass jedes getötete Tier unmittelbar einem derartigen Zweck dienen muss, in dem Abwägungserfordernis nach § 1 Satz 2 TierSchG keine tragfähige Grundlage. Ein starres Rangverhältnis menschlicher Interessen und der Belange des Tierschutzes ist der Vorschrift, in der die potenziell als "vernünftig" in Betracht kommenden Gründe für die Zufügung von Beeinträchtigungen gerade nicht katalogartig festgelegt sind, nicht zu entnehmen. Das kommt bezogen auf die als "vernünftig" anerkannte Tötung von Tieren zu Nahrungszwecken darin zum Ausdruck, dass es jedem einzelnen überlassen bleibt, ob und in welchen Mengen er welche tierischen Lebensmittel für sich nutzt, und im Zeitpunkt der Tötung wegen der wechselnden Marktverhältnisse vielfach ungewiss ist, ob und inwieweit die Tiere tatsächlich zur menschlichen Ernährung verwendet werden. Ferner sind auch die Anforderungen an die Haltung von Tieren (§ 2 TierSchG) unverkennbar daran ausgerichtet, gegenläufige Belange in einen Ausgleich zu bringen; bei der Haltung von Nutztieren in der Marktwirtschaft gehören dazu wirtschaftliche Gesichtspunkte. Schließlich kommen dem existenziellen menschlichen Erhaltungsinteresse nicht allein die Tiere zugute, deren Produkte und/oder Körper verzehrt werden, sondern, weil die Gesamtkosten der Erzeugung mit dem für diese Produkte und/oder Tiere erzielten Entgelt finanziert werden, auch die Beschränkung der Tierhaltung auf die bei wirtschaftlicher Betrachtung leistungsfähigen und jedenfalls kostendeckend zu haltenden Tiere.
89Das gilt auch angesichts dessen, dass der Tierschutz nach Art. 20a GG Verfassungsrang hat. Die Verankerung des Tierschutzes als Staatsziel verschafft diesem den Rang eines Schutzgutes, das mit anderen verfassungsrechtlichen Schutzgütern im Konfliktfall in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen ist. Die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in das Grundgesetz dient der Angleichung der rechtlichen Ebenen für eine Abwägung zwischen den Interessen der Tiernutzung und dem Schutz der Tiere.
90Vgl. BT-Drucks. 14/8860, S. 1, 3.
91Der Tierschutz ist dementsprechend grundsätzlich geeignet, die Einschränkung anderer Belange von verfassungsrechtlichem Gewicht, also etwa von Grundrechten, zu rechtfertigen.
92Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2010 - 2 BvF 1/07 -, BVerfGE 127, 293 (328); BVerwG, Urteil vom 23. November 2006 - 3 C 30.05 -, BVerwGE 127, 183.
93Damit ist nicht gesagt, dass er sich gegenüber diesen Belangen auch durchsetzt. Im Anwendungsbereich von § 1 Satz 2 TierSchG beurteilt sich anhand einer Abwägung sämtlicher Belange, ob der Tierschutz Vorrang vor konkurrierenden Belangen genießt.
94Die vom Beklagten hervorgehobene Gefahr der Aushöhlung des Tierschutzes im Fall der Berücksichtigung wirtschaftlicher Gründe bei der Abwägung rechtfertigt es nicht, wirtschaftlichen Gesichtspunkten im Rahmen der Abwägung die Berechtigung abzusprechen oder ihnen von vornherein ein allenfalls geringes Gewicht beizulegen. § 1 TierSchG entzieht auch die Ernährungswirtschaft, die auf der Erzeugung und Verwendung von Tieren beruht, nicht den strukturellen ökonomischen Grundbedingungen, die nach den gegebenen staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen die Voraussetzung sind für eine Teilhabe am funktionierenden Wirtschaftsleben. Die Vorschrift setzt den Möglichkeiten der wirtschaftlichen Optimierung mit den Anforderungen an den Tierschutz Grenzen auch hinsichtlich der Erzeugung tierischer Lebensmittel, verleiht dem Tierschutz aber keinen prinzipiell höheren Wert als den Grundstrukturen der marktwirtschaftlichen Ernährungswirtschaft. Das vom Endverbraucher für das zur menschlichen Ernährung erworbene Endprodukt zu leistende Entgelt bildet, nicht anders als in anderen Wirtschaftszweigen, die finanzielle Grundlage für den gesamten Produktionsprozess. Wirtschaftliche Vor- und Nachteile eines bestimmten Verhaltens gehören bei zu Erwerbszwecken ausgeübten Tätigkeiten zu den ausschlaggebenden Faktoren. Der Nutzen von Nutztieren besteht für den Menschen nicht allein in ihrer Verwendung als Nahrungsmittel zur Sicherung der biologischen Existenz, sondern, sofern sie nicht zur Selbstversorgung gehalten werden, darin, dass sie die wirtschaftliche Grundlage für den Erwerb der innerhalb der Produktionskette Tätigen darstellen. Die Begrenzung der Verfolgung der Erwerbsinteressen durch § 1 Satz 2 TierSchG bedeutet, dass nicht jede Erwägung der Wirtschaftlichkeit der Tierhaltung aus sich heraus ein vernünftiger Grund im Sinne von § 1 Satz 2 TierSchG sein kann. Vielmehr ist auch bei wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein Ausgleich zwischen den konkurrierenden Belangen erforderlich.
95Vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 - 2 BvF
963/90 -, a. a. O. (37).
97Die Anerkennung des erwerbswirtschaftlichen Aspekts beim Umgang mit Tieren kommt zudem klar in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zum Ausdruck, die speziell für das Halten von Nutztieren zu Erwerbszwecken gilt und unter Nutztieren unter anderem Tiere versteht, die zur Erzeugung von Nahrungsmitteln gehalten werden (§ 1, § 2 Nr. 1). Ebenso wenig wird durch § 1 TierSchG der modernen Massentierhaltung in ihrer Ausrichtung auf effektive und damit nicht zuletzt erwerbswirtschaftlich geprägte Produktionsziele die Anerkennung versagt. Die Massentierhaltung wird vielmehr als real bestehende Methode der Haltung von Tieren, vor allem von landwirtschaftlichen Nutztieren, vorausgesetzt.
98Vgl. BT-Drucks. VI/2559, S. 9; zu BT-Drucks. VI/3556, S. 1.
99Ferner gehört es zu den durch das Tierzuchtgesetz festgelegten und mithin als gesetzliche Wertung bei der Abwägung zu bedenkenden Zuchtzielen, die Erzeugung der Tiere so zu fördern, dass die Leistungsfähigkeit der Tiere unter Berücksichtigung der Tiergesundheit erhalten und verbessert wird sowie die Wirtschaftlichkeit, insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit, der tierischen Erzeugung verbessert wird (§ 1 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 TierZG). Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der Tiere schlagen sich im wirtschaftlichen Nutzen ihrer Haltung nieder. Es liegt in der Konsequenz derartiger Ziele, die entsprechenden Zuchterfolge in der Praxis der Tierhaltung umzusetzen. Geschieht dies nicht, wird der Sinn der Zucht als gezielte Auswahl von für menschliche Zwecke vorteilhaften Eigenschaften verfehlt und bleibt die Tierhaltung, geht es um eine bessere Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit, hinter derjenigen anderer, konkurrierender Tierhaltungen notwendig zurück. Das gilt auch für Tierarten, deren Zucht - wie bei Hühnern - nicht dem Tierzuchtgesetz unterfällt.
100Bei der danach auf der Grundlage der vorstehenden Maßstäbe gebotenen Abwägung aller relevanten Belange überwiegen derzeit die für eine Tötung der männlichen Küken sprechenden Gesichtspunkte.
101Maßgebender Grund für die Tötung der männlichen Küken ist, dass sie nach dem Schlüpfen nicht sich selbst überlassen werden dürfen (§ 2 TierSchG), jedoch wegen ihres Geschlechts nicht zur Produktion von Eiern genutzt werden können und wegen ihrer Rasseeigenschaften nicht für die Produktion von Fleisch verwendet werden. Zur erwerbswirtschaftlichen Erzeugung von Lebensmitteln durch Hühner werden ganz überwiegend Tiere aus spezialisierten Zuchtlinien genutzt, deren Zuchtziele entweder auf die Legeleistung oder auf die Mastleistung der Tiere ausgerichtet sind. Zur Erzeugung von Eiern werden Legehennen aus Legelinien eingesetzt. Die aus den Legelinien stammenden männlichen Tiere, um deren Tötung es geht, sind für Mastzwecke wegen ihrer körperlichen Eigenschaften beim Ansatz von Fleisch erheblich weniger geeignet als die züchterisch speziell für die Erzeugung von Fleisch vorgesehenen Tiere aus den Mastlinien. Die männlichen Tiere aus den Legelinien finden daher lediglich zu einem ganz geringen Anteil Verwendung für die Fleischerzeugung. Beim Ausbrüten von Eiern aus Legelinien schlüpfen aber, weil die Eier teilweise weibliche und teilweise männliche DNA enthalten, neben weiblichen Küken zwangsläufig in etwa demselben Umfang männliche Küken.
102Die getöteten männlichen Küken können zwar, auch sofern sie nicht durch Nr. 2 Buchstabe c der Ordnungsverfügung mit Blick auf die artgerechte Fütterung von Tieren mit ganzen Tierkörpern von der Untersagungsanordnung ausgenommen werden, als Futtermittel für andere Tiere verwendet und so innerhalb der tierischen Ernährungskette einem sinnvollen Zweck zugeführt werden. Die Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 (ABl. 2009 L 300/1) erfasst die aus kommerziellen Gründen getöteten Eintagsküken ausdrücklich und ordnet sie der Kategorie tierischer Nebenprodukte zu, die unter anderem zur Herstellung von Futtermitteln für Heimtiere gebraucht werden können (Art. 3 Nr. 1, Art. 10 Buchstabe k Unterbuchstaben iii, Art. 14 Buchstabe d und e). Außerdem mögen mit der Abgabe der getöteten Küken zur Futtermittelgewinnung Einnahmen erzielt werden und mag die Verwendung als Futtermittel bei wertender Betrachtung vorzugswürdig sein gegenüber Maßnahmen, die äußerlich als bloße Beseitigung der Tierkörper erscheinen. Das gibt jedoch über den im Rahmen von § 1 Satz 2 TierSchG entscheidenden Grund für die Tötung der männlichen Küken keinen Aufschluss. Diese Küken werden nicht zur Verwendung als Futtermittel für andere Tiere erzeugt, sondern getötet, weil sie nicht das Ziel des Erzeugungsprozesses bilden und lebend keinem anderen wirtschaftlich lohnenden Zweck förderlich sind. Die Abgabe der Körper der Küken zur Futtermittelgewinnung ist nicht der Zweck der Tötung, sondern ihre Folge.
103Das Halten der männlichen Küken und ihre Aufzucht stehen im Widerspruch zum erreichten Stand der Hühnerzucht und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Der Aufwand für das Halten der Tiere ist mangels einer durch die Vermarktung der Küken bzw. der aufgezogenen Tiere zu erzielenden auch nur annähernd adäquaten wirtschaftlichen Gegenleistung ökonomisch sinnlos.
104Durch die Tötung der männlichen Küken wird der sonst mit ihrem Halten verbundene Aufwand vermieden. Das Vermeiden dieses Aufwands ist ökonomisch sinnvoll. Es steht im Einklang damit, dass die Küken das dem Ausbrüten der Bruteier zugrunde liegende Ziel der Erzeugung von Legehennenküken verfehlen und für eine alternative Verwendung als Nahrungsmittel wegen der Verfügbarkeit der insoweit besser geeigneten Küken aus Mastlinien praktisch ausscheiden.
105Der Aufwand für das Halten der männlichen Küken geht wirtschaftlich zumindest ganz überwiegend ins Leere. Den Aufwand zu leisten, widerspricht den als solchen legitimen Zuchtzielen und dem Stand der Zucht. Durch Vermarktungserlöse nach vorangegangener Mast ist der Aufwand wegen der, gemessen an Hühnern/Hähnen der spezialisierten Mastlinien, zu hohen Erzeugungskosten und zu niedrigen Fleischleistung sowie der daraus folgenden Absatznachteile nicht zu decken. Das wirtschaftliche Eigeninteresse der in der Branche der Eier- und Geflügelfleischerzeugung arbeitsteilig in aufeinander folgenden Produktionsschritten funktional miteinander verbundenen Betriebe und die langjährige internationale Praxis der Tötung der männlichen Küken aus Legelinien tragen den Schluss, dass von den durch die spezialisierte Zucht eröffneten Nutzungsmöglichkeiten allgemein Gebrauch gemacht wird und der wirtschaftliche Wettbewerb eben das erfordert. Im Bericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) für die Amtschef- und Agrarministerkonferenz vom 2. bis 4. April 2014, in dem das Verbot der Tötung der männlichen Eintagsküken unter Darstellung der gegebenen Verhältnisse und möglicher Alternativen eingehend erörtert wird, wird diesen Küken die Eignung für die Mast abgesprochen und eine Absatzmöglichkeit ausschließlich als Nischenprodukt erwogen. Im Einklang damit macht der Beklagte geltend, die Küken seien wegen der Ausrichtung auf die Produktion von Legehennenküken und der damit verbundenen verminderten Fleischansatzleistung nicht für Mastzwecke geeignet. Soweit er die Mast der Küken gleichwohl als Alternative zu ihrer Tötung benennt und hierbei beispielhaft auf das Projekt der Bruderhahn Initiative verweist, räumt er gleichzeitig ein, dass die Kosten für die Aufzucht und Vermarktung dieser Tiere anteilig über einen Zuschlag zum Preis der Eier finanziert werden. Die Querfinanzierung belegt, dass sich die Mast der männlichen Tiere wirtschaftlich bei weitem nicht selbst trägt. Legt man die vom Beklagten angegebenen Zahlen für die in sehr überschaubarer Größenordnung von einigen 10.000 Tieren aufgestallten Bruderhähne, die zu deren Mitfinanzierung verkauften mehreren Millionen Eier und den Zuschlag von vier Cent pro Ei zugrunde, erfordert das Halten jedes Hahns einen überaus namhaften "Zuschuss". Das lässt angesichts dessen, dass nach den Angaben des Beklagten gleichzeitig jährlich ca. 700 Millionen Mastküken allein in konventionell arbeitenden Betrieben eingestallt werden, die nach kurzer Mast kostengünstig angeboten werden, und dass nach dem vorerwähnten Bericht des BMEL jährlich etwa 45 Millionen männliche Küken aus Legelinien ausgebrütet werden, wovon nach dem Protokoll der am 2. Oktober 2013 unter Beteiligung des MKULNV und des LANUV geführten Telefonkonferenz etwa 5,4 %, also ca. 2,5 Millionen Tiere, auf Nordrhein-Westfalen entfallen, nicht annähernd die Annahme zu, es bestehe bei einer realistischen Prognose eine wirtschaftlich aussichtsreiche Chance einer derartigen Vermarktung für die in der Brüterei des Klägers erzeugten immerhin ca. 100.000 männlichen Küken jährlich. Die Zahl der Küken übersteigt diejenige der bislang in Deutschland vermarkteten Bruderhähne um ein Vielfaches.
106Darüber hinaus kommt es für die Abwägung zur Beurteilung des Vorliegens eines vernünftigen Grundes maßgeblich auf die individuelle Situation des Klägers an, nicht auf die Handlungsmöglichkeiten der gesamten Branche der Erzeugung und Vermarktung von Eiern sowie Geflügelfleisch. Der Kläger ist mit seiner Brüterei als Erzeuger von Küken tätig und bedient mit den Küken eine Nachfrage. Er steuert Art und Umfang dieser Nachfrage nicht und entscheidet nicht über die Vermarktung alternativer Produkte. Die Querfinanzierung der Aufzucht der männlichen Küken und ihre Vermarktung setzen ein Zusammenwirken oder ein Überwinden der einzelnen Stufen der Erzeugung der Küken bis hin zum Absatz der Eier bzw. des Fleisches an Endverbraucher voraus. Das kann der Kläger letztlich nicht entscheidend beeinflussen. Dafür, was billigerweise von ihm im Interesse des Schutzes der männlichen Küken erwartet werden kann, kommt es nicht darauf an, ob das Halten der männlichen Tiere von der gesamten Branche der Geflügelwirtschaft einschließlich des Handels rechnerisch mittels einer Umlegung der dadurch entstehenden (Mehr-)Kosten auf den Endverkaufspreis von Eiern oder Mastgeflügel finanziert werden kann, sondern darauf, welche Möglichkeiten er hat. Übernimmt er selbst die Aufzucht und Vermarktung der männlichen Küken, kommt zu dem hierfür entstehenden Aufwand zwecks Schaffung einer Querfinanzierung durch den Eierpreis noch derjenige für das Halten von Legehennen und den Absatz der Eier hinzu.
107Erst recht gegen das Bestehen einer realen Vermarktungschance für die aufgezogenen männlichen Küken spricht, dass der Kläger beim Absatz dieser Tiere mit den übrigen Brütereien in Nordrhein-Westfalen konkurrieren müsste, die zeitgleich von gleichgerichteten Untersagungsanordnungen betroffen sind und bei deren Verbindlichkeit ebenfalls auf Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Gestaltung der Haltung der Küken angewiesen wären. Als Folge der Untersagungsanordnungen stünden jährlich ca. 2,5 Millionen bislang zur Mast nicht nachgefragte männliche Tiere gleichzeitig zur Verwendung an. Die vom Beklagten genannte Vermarktung des Fleischs der Hähne aus Legelinien als Bio-Babynahrung eines einzigen Unternehmens bestätigt das Bild einer sehr eng begrenzten und zudem bereits anderweitig wahrgenommenen Marktnische, deren Ausweitungspotential durch nichts Konkretes gesichert ist. Ergebnisse des bei der Telefonkonferenz am 2. Oktober 2013 in Aussicht genommenen Versuchs der Mast von Bruderhähnen, die etwas anderes besagen könnten, sind nicht bekannt geworden.
108Anhaltspunkte für mangelnde Aktualität des vorerwähnten Berichts des BMEL liegen nicht vor. Im Gegenteil geht auch der aktuelle Tierschutzbericht der Bundesregierung
109- vgl. BT-Drucks. 18/6750, S. 29 -
110davon aus, dass die männlichen Küken für die Mast nicht geeignet sind. Eine über die Schaffung bloßer Marktnischen aussichtsreich hinausgreifende Lösung des seit langem als für den Tierschutz frag- und kritikwürdig erkannten Problems der Tötung der männlichen Küken wird nicht in deren Aufzucht und Vermarktung gesehen, sondern in der Verwendung eines züchterisch noch zu verbessernden Zweinutzungshuhns mit konkurrenzfähiger Lege- und Fleischleistung sowie in Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei.
111Vgl. BT-Drucks. 18/7726, S. 4 f.; 18/7782, S. 1 f.; 18/7818, S. 1 f.
112Für die nach kürzerer Mastdauer der männlichen Küken erwogene Vermarktung der Tiere als Stubenküken gilt das Vorstehende entsprechend. Auch insoweit ist eine durch belastbare Tatsachen realitätsnah erhärtete Vermarktungschance nicht einmal für die beim Kläger entstehenden Küken erkennbar. Im genannten Bericht des BMEL wird für eine Vermarktung von Stubenküken ausschließlich ein sehr kleines Nischenpotential angenommen. Dagegen gibt es für das Bestehen einer zahlenmäßig nennenswerten Nachfrage nach Stubenküken oder für eine ein gewisses Maß an Erfolg versprechende Möglichkeit, eine solche Nachfrage zu wecken, keinen belastbaren Anhaltspunkt. Der Beklagte geht selbst davon aus, dass Stubenküken als - zudem regionale - Delikatesse gelten und in Deutschland für sie ein Markt bislang nicht existiert. Die von ihm für unerlässlich gehaltene Substantiierung ergebnisloser Bemühungen um eine entsprechende Vermarktung läuft angesichts dessen, dass seit langem auf mehreren Ebenen bislang ohne praktisch umsetzbares Ergebnis nach Lösungen gesucht wird, die die wirtschaftlichen Gründe für die Tötung der Küken zumindest spürbar entschärfen, und hierzu von anderen Bundesländern wie auch von der Bundesregierung die Geschlechtsbestimmung im Ei als die zur Vermeidung der Tötung der Küken vorzugswürdige, weil Erfolg versprechende Methode vorgeschlagen und die Verbesserung der Leistungsmerkmale von Zweinutzungshühnern befürwortet wird,
113vgl. BT-Drucks. 18/6663, S. 10; 18/7878, S. 1 f.,
114darauf hinaus, dass vom Kläger - und den übrigen Brutbetrieben in Nordrhein-Westfalen - im Fall des Unterbleibens der Tötung der Küken absehbar eine überaus große Anzahl von Tieren auf unbestimmte Zeit in der durch nichts erhärteten Aussicht einer späteren Vermarktung gehalten werden soll. Das ist aus wirtschaftlicher Sicht unvertretbar. Die so gehaltenen Tiere wären nur dem Namen nach Nutztiere.
115Das Interesse des Klägers, den hiernach wirtschaftlich sinnlosen Aufwand für das Halten der männlichen Küken zu vermeiden, überwiegt aufgrund der vorgenannten gesetzlichen Wertungen das öffentliche Interesse an der Unversehrtheit der Küken. Das gilt selbst dann, wenn man die gegenständlichen Erfordernisse der Unterbringung und Versorgung der Tiere allein unter dem Blickwinkel der damit verbundenen finanziellen Aufwendungen betrachtet, also die nicht gesicherte Bewältigung der tatsächlichen Schwierigkeiten beim Halten der Tiere unterstellt und zudem die unübersehbaren nachteiligen Auswirkungen des massenweisen Haltens der Tiere in Gestalt etwa des Verbrauchs von Anbau- oder Stallflächen zur Fütterung und Unterbringung ausblendet. Der Aufwand für das Halten der männlichen Küken ist aufgrund seiner Höhe, der mangelnden Rentabilität und der übrigen abwägungsrelevanten Umstände dem Kläger derzeit nicht zuzumuten.
116Die Kosten für das Halten der männlichen Küken sind ganz beträchtlich und stellen für den Kläger eine massive Belastung dar. Das zeigt das zur Finanzierung der Haltung im Rahmen des Projekts der Bruderhahn Initiative vorliegende Zahlenmaterial. Allein für die Fütterung eines Tiers sind mehrere Euro anzusetzen.
117Vgl. Landwirtschaftskammer NRW - Landwirtschaftszentrum Haus Düsse -, "Für jeden Vermarktungsweg das passende Huhn?" und "Legehennen-Alleinfutter im Test", jeweils www.landwirtschaftskammer/de/duesse /tierhaltung/geflügel/versuche; Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft - Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum Kitzingen -, "Nutzung männlicher Legehybriden als Stubenküken", und "Wirtschaftlichkeit von Zweinutzungshühnern", jeweils www.lfl.bayern.de/lvfz/kitzingen.
118Für die Brüterei des Klägers mit ca. 100.000 männlichen Küken jährlich ergeben sich daraus bereits Futterkosten in Höhe von mehreren 100.000 Euro jährlich. Hinzukommen die sonstigen Kosten etwa für die Unterbringung und Betreuung des Bestands.
119Von der wirtschaftlichen Unvertretbarkeit des Haltens der männlichen Küken sind die für den Tierschutz verantwortlichen staatlichen Stellen über Jahrzehnte hinweg unter Geltung des Tierschutzgesetzes einvernehmlich mit den Brütereien ausgegangen. Die starke Spezialisierung der Zuchtlinien von Hühnern auf Merkmale der tierischen Produktion in Gestalt einerseits von Eiern und andererseits von Fleisch findet nach Art. 2 Abs. 1 Buchstabe a der "Empfehlung in Bezug auf Haushühner der Art Gallus Gallus", die der auf der Grundlage des Europäischen Übereinkommens vom 10. März 1976 zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen gebildete Ständige Ausschuss am 28. November 1995 angenommen hat, seit spätestens den 1960er Jahren statt. Spätestens seit Anfang/Mitte der 1990er Jahre war die Tötung der männlichen Küken als aus ökonomischen Gründen übliche Praxis bundesweit bekannt und wurde dieses Vorgehen trotz ethischer Bedenken weithin als gerechtfertigt sowie rechtmäßig angesehen.
120Vgl. BT-Drucks. 12/4242, S. 45; Lorz, TierSchG, 4. Aufl. (1992), Anh. §§ 17, 18 Rn. 46.
121Seit Mitte/Ende der 1990er Jahre wird die Forschung zur Geschlechtsbestimmung im Ei staatlich gefördert, um das Ausbrüten männlicher Küken, also deren Entstehung, entbehrlich zu machen.
122Vgl. BT-Drucks. 13/350, S. 52; 13/7016, S. 56; 14/600, S. 53; 14/5712, S. 49.
123Die aus der Sicht des Tierschutzes geäußerten Bedenken
124- vgl. etwa Caspar, NuR 1997, 577 (582), -
125wurden in der Verwaltungspraxis nicht zum Anlass für ein Einschreiten mit dem Ziel der Untersagung der Tötung der männlichen Küken genommen. Im Gegenteil ist in Art. 22 Abs. 2 Satz 2, Anhang III Nrn. 2 und 3 der "Empfehlung in Bezug auf Haushühner der Art Gallus Gallus", die nicht ohne Möglichkeit der Mitwirkung deutscher Stellen angenommen werden konnte (Art. 8 Abs. 2, Abs. 5 Halbs. 2 Buchstabe a, Art. 9 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen), ausdrücklich vom Töten unerwünschter Küken und Embryonen in Brutbetrieben sowie von nicht zur Aufzucht bestimmten Küken die Rede und es werden für das Töten in Betracht kommende Methoden genannt. Damit übereinstimmend wird aktuell in Anhang 1 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung (ABl. 2009 L 303/1) eine gesonderte Tötungsmethode für Küken mit einem Höchstalter von 72 Stunden geregelt und werden in § 2 Nr. 3, Anlage 1 Nr. 3 der Tierschutz-Schlachtverordnung an das Töten von Küken ebenfalls Anforderungen gestellt. Die Vorschriften setzen voraus, dass die Küken in der Realität getötet werden. Wäre das Töten aus Rechtsgründen verboten, wären die Vorschriften mangels Anwendungsbereichs von vornherein funktionslos. Im Allgemeinen kann aber angenommen werden, dass rechtliche Regelungen einem bestimmten Zweck dienen und auf Anwendung angelegt sind. Entsprechendes folgt aus dem durch die Verordnung (EG) Nr. 617/2008 der Kommission vom 27. Juni 2008 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates hinsichtlich der Vermarktungsnormen für Bruteier und Küken von Hausgeflügel (ABl. 2008 L 168/5) begründeten Erfordernis, die "aussortierten Hahnenküken" von Hühnern in der Rubrik "Verwendungszwecke der Küken" gesondert statistisch zu erfassen.
126Die Gründe für die Tötung der männlichen Küken sind ebenso wie die hiergegen gerichteten ethischen und tierschutzrechtlichen Bedenken sowie deren Gewicht unverändert. Die Ordnungsverfügung geht zurück auf eine rechtliche Bewertung der Tötung der männlichen Küken durch die Staatsanwaltschaft Münster anhand der seit langem bestehenden Vorschriften. Die Auffassung der Staatsanwaltschaft hat sich in einem späteren strafrechtlichen Verfahren nicht durchgesetzt.
127Vgl. LG Münster, Beschluss vom 7. März 2016 - 2 KLs - 540 Js 290/15 - 7/15 -, a. a. O.; nachfolgend OLG Hamm, Beschluss vom 10. Mai 2016 - III - 4 Ws 113/16.
128In der Ordnungsverfügung wird das bisherige behördliche Verhalten als Duldung eingestuft. Das begegnet Zweifeln, weil keine Anhaltspunkte dafür bezeichnet werden oder sonst bestehen, dass die Behörden in der Vergangenheit die Tötung der Küken als rechtswidrig und damit duldungsbedürftig betrachtet haben. Ungeachtet dieser Zweifel beinhaltet eine Duldung zumindest das bewusste Absehen von einem Einschreiten. Die mit der Untersagungsanordnung vollzogene Abkehr hiervon stützt sich nicht auf zusätzliche oder in der Diskussion bislang nicht bedachte Gesichtspunkte oder auf sonstige Umstände, die über eine neue Bewertung der seit langem bestehenden Sach- und Rechtslage hinausgehen würden.
129Brauchbare zielführende Alternativen zur Tötung der männlichen Küken sind gegenwärtig nicht vorhanden. Realistische Möglichkeiten zur Vermarktung der männlichen Tiere nach vorangegangener Mast bestehen nach dem oben Gesagten nicht, auch nicht bei einer zeitlichen Begrenzung der Mast bis zur Erlangung der Merkmale von Stubenküken.
130Die Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei sind unter realen Praxisbedingungen noch nicht einsetzbar.
131Vgl. BT-Drucks. 18/6750, S. 29.
132Davon gehen sowohl die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu einem die Tötung von Wirbeltieren betreffenden Gesetzentwurf des Bundesrats als auch sonstige Äußerungen in der aktuellen parlamentarischen Erörterung des Themas aus.
133Vgl. BT-Drucks. 18/6663, S. 10; 18/7726, S. 5; 18/7726, S. 5.
134Anderslautende Erkenntnisse liegen nicht vor.
135Die als Möglichkeit zur Abmilderung bzw. Entkräftung der wirtschaftlichen Gründe für die Tötung der männlichen Küken erwogene Verlängerung der Nutzungsdauer der Legehennen über eine Legeperiode hinaus kann ausschließlich zu einer Verringerung der Zahl der für die Eierproduktion verwendeten Legehennen und zu einem Absenken der Anzahl der gleichzeitig mit den Legehennenküken ausgebrüteten männlichen Küken führen. Die Beeinflussung der Nachfrage nach Legehennenküken mag ein Beitrag sein zur Entschärfung der Größenordnung, in der die männlichen Küken der Legelinien bislang erzeugt und getötet werden, greift in ihren Wirkungen darüber aber nicht hinaus. Bezogen auf die Brüterei des Klägers ist nicht ansatzweise erkennbar, dass dadurch das Ausbrüten männlicher Küken in einem Umfang beeinflusst werden könnte, dass das Halten der verbleibenden Küken wirtschaftlich wegen einer sehr geringen Anzahl solcher Tiere nur noch von untergeordneter Bedeutung wäre. Ohnehin erzeugt der Kläger die Küken für fremde Legebetriebe. Er bestimmt nicht selbst über die Zahl der eingesetzten Legehennen oder die Dauer ihres Einsatzes und damit nicht über die Wahrnehmung der in Rede stehenden Möglichkeit. Ferner bezieht sich die Ordnungsverfügung auf die Praxis der Brütereien, die bei den Lege- und Mastbetrieben nicht abgesetzten männlichen Küken zu töten, ohne in Zweifel zu ziehen, dass die Legehennenküken nachfragegerecht erzeugt werden. Die Ordnungsverfügung verhält sich nicht zu "überzähligen" Küken, die möglicherweise über die Nachfrage hinaus ausgebrütet werden und deren Leben - sowie Tötung - bei besserer Planung der Einlegung von Bruteiern vermeidbar wäre. Ebenso wenig beschränkt sich die Untersagungsanordnung auf die männlichen Küken, die bei einer Verlängerung der Legedauer der Legehennen und einem hieran zahlenmäßig angepassten Ausbrüten von Bruteiern zur Erzeugung von Legenhennenküken nicht schlüpfen würden.
136Im Fall des Ausbrütens von Eiern von Zweinutzungsrassen, die der Beklagte als weitere Alternative zur Tötung der männlichen Küken anführt, verkörpern die männlichen Küken zwar wegen ihrer Nutzbarkeit zu Mastzwecken einen gewissen wirtschaftlichen Wert für Ernährungszwecke. Die für die Verwendung der Küken in den Lege- und Mastbetrieben zentralen Leistungsmerkmale der vorhandenen Zweinutzungsrassen bleiben aber hinter denjenigen der spezialisierten Zuchtlinien gegenwärtig noch so weit zurück, dass sie sich nach dem vorerwähnten Bericht des BMEL ökonomisch wegen fehlender Wettbewerbsfähigkeit für einen breiten Einsatz nicht eignen. Das wird in einer 2013 durchgeführten Untersuchung im Einzelnen belegt
137- vgl. Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft - Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum Kitzingen -, "Wirtschaftlichkeit von Zweinutzungshühnern", a. a. O. -
138und auch in einer aktuellen parlamentarischen Initiative im Bundestag als gegeben zugrunde gelegt.
139Vgl. BT-Drucks. 18/7878, S. 2.
140Selbst wenn man aber annimmt, dass die Verwendung von Zweinutzungsrassen bereits gegenwärtig bezogen auf die gesamte Branche der Eier- und Geflügelfleischproduktion ein züchterisch bei wirtschaftlicher Betrachtung sinnvoller Kompromiss zwischen wirtschaftlicher Effektivität und Tierschutz sein sollte, werden Hühner dieser Rassen in den Lege- und Mastbetrieben, deren Nachfrage nach Küken die wirtschaftliche Grundlage der Brütereien bildet, derzeit nicht in nennenswertem Umfang eingesetzt. Der Kläger ist, wie ausgeführt, mit der Erzeugung von Legehennenküken der auf hohe Legeleistung spezialisierten Legelinien ausgerichtet auf den für ihn verfügbaren Absatzmarkt. Die Änderung der Nachfrage auf Legehennenküken der Zweinutzungsrassen liegt außerhalb seiner Möglichkeiten.
141Andere Gesichtspunkte, die eine vom Vorstehenden abweichende Gewichtung der in die Abwägung nach § 1 Satz 2 TierSchG einzustellenden Interessen tragen könnten, liegen ebenfalls nicht vor. Die vom Beklagten geltend gemachte verstärkte Betonung von Tierschutzaspekten bei der Tierhaltung rechtfertigt keine gegenüber der bisherigen Rechtspraxis andere Bewertung der Interessen. Es mag sein, dass das Bewusstsein und die Offenheit der Bevölkerung für die Bedeutung des Tierschutzes bei der Erzeugung tierischer Lebensmittel in letzter Zeit gestiegen sind. Es mag außerdem sein, dass die Tötung der männlichen Küken als Mittel zur "Beseitigung" von für nutzlos gehaltenen Mitgeschöpfen betrachtet und unter ethischen Gesichtspunkten vermehrt abgelehnt wird. Schließlich mag es sein, dass es sich beim vernünftigen Grund im Sinne von § 1 Satz 2 TierSchG um einen Begriff mit dynamischem Aussagegehalt dergestalt handelt, dass die Veränderung von in der Bevölkerung vertretenen Wert- und Moralvorstellungen zu einer anderen rechtlichen Bewertung der Gründe für die Tötung von Tieren führen kann. Ungeachtet dessen reicht jedenfalls die vom Beklagten behauptete Wertschätzung des Tierschutzes in der Bevölkerung nicht aus, um die Annahme zu tragen, die Tötung der Küken werde als nicht (mehr) gerechtfertigt bewertet. Eine für eine solche Annahme zumindest unerlässliche mehrheitliche Verfestigung einer Werthaltung, die über eine mehr oder weniger vage gedankliche und verbal bekundete Befürwortung der Verbesserung des Tierschutzes hinausgreift und die angesichts der gegebenen Verhältnisse sonst zu bedenkenden Umstände einbezieht, ist nicht festzustellen. Umso weniger gibt es Anhaltspunkte für einen mehrheitlichen Konsens, dass die Tötung der Küken ethisch unannehmbar ist. Allein die erhöhte Sensibilität von Kreisen der Bevölkerung bietet keine taugliche Grundlage dafür, dem Schutz der Küken ausschlaggebendes Gewicht beizulegen. Zu den Ernährungsgewohnheiten eines sehr großen Teils der Bevölkerung in Deutschland gehört nach wie vor der Verzehr tierischer Lebensmittel, und zwar in einem Maße, das über dasjenige in der Vergangenheit weit hinausgeht. Ebenso gehört die Orientierung am Preis von Lebensmitteln zu den typischen und für das eigene Verhalten wichtigen, vielfach aufgrund der wirtschaftlichen Lebensverhältnisse unumgänglichen Gewohnheiten von Verbrauchern. Das wird bezogen auf Geflügel dadurch verdeutlicht, dass die Nachfrage nach Geflügelfleisch aus Mastrassen und nach kostengünstigen Eiern unverändert hoch ist, während es für eine in nennenswertem Umfang bislang nicht gedeckte Nachfrage nach Fleisch von Hähnen aus Legelinien oder aus Zweinutzungsrassen oder nach Stubenküken keinen substantiellen Anhaltspunkt gibt, obwohl die Tötung der männlichen Küken seit geraumer Zeit in der Öffentlichkeit diskutiert und dort nach dem Dafürhalten des Beklagten abgelehnt wird. Der Beklagte hält es bezogen auf diese Formen der Vermarktung lediglich für denkbar, eine entsprechende Nachfrage zu wecken. Er bezeichnet aber keinen vor dem Hintergrund der großen Zahl der entstehenden männlichen Küken aus Legelinien sowie der konkurrierenden Produkte plausiblen Anhalt für mehr als völlig ungesicherte Erfolgsaussichten von Bemühungen in dieser Richtung. Bei der anzunehmenden Ertragsorientierung der Geflügelwirtschaft deutet nichts Konkretes darauf hin, dass eine wirtschaftlichen Erfolg versprechende Nutzung der männlichen Küken unterbleibt. Es entbehrt einer tragfähigen Grundlage, das geltend gemachte Bewusstsein der Bevölkerung für Belange des Tierschutzes unter dem Gesichtspunkt rechtlicher oder ethischer Wertungskriterien als für die vorherrschenden Wertvorstellungen aussagekräftiger zu betrachten als das Nachfrageverhalten der Bevölkerung. Ebenso ist kein Umstand ersichtlich, der es rechtfertigen würde, die im Verbraucherverhalten zum Ausdruck gebrachte Entscheidung als weniger bedeutsam für das sittliche Empfinden der Bevölkerung zu betrachten als das vom Beklagten als fortschrittlich angesehene Bewusstsein. Die in der parlamentarischen Diskussion der Tötung der Küken mehrheitlich vertretene Auffassung, es fehle hierzu bislang an einer erforderlichen tauglichen Alternative, spricht eindeutig dagegen.
142Wirtschaftlich entscheidend für die Geflügelwirtschaft insgesamt ist, ob sich die vorgetragene erhöhte Wertschätzung des Tierschutzes im Verhalten von Verbrauchern äußert, und für die einzelne Brüterei, also auch für den Kläger, ob das Verbraucherverhalten die Endverkäufer der tierischen Produkte sowie die Lege- und Mastbetriebe dazu bewegt, ihre Nachfrage nach Küken zu ändern. Es gibt keine Erkenntnisse oder verlässlichen Prognosen, die für das Bestehen einer solchen Situation oder auch nur für eine entsprechende spürbare Entwicklung sprechen könnten. Die vom Beklagten angeführte Zunahme der Beachtung der Praktiken bei der Tierhaltung durch Verbraucher ist ohne Zahlenmaterial zu den erreichten oder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in überschaubaren Zeiträumen erreichbaren Größenordnungen und -verhältnisse unergiebig; aussagekräftige Daten zu den diesbezüglichen Marktanteilen und sonstigen Umständen fehlen. Da allein in Nordrhein-Westfalen wegen der ministeriellen Weisung vom 26. September 2013 von der Untersagung der Tötung der männlichen Küken jährlich ca. 2,5 Millionen Tiere betroffen sind, kann nur ein sich annähernd in dieser Größenordnung auswirkendes Verbraucherverhalten Bedeutung für die Gewichtung der wirtschaftlichen Gründe für die Tötung der Küken erlangen. Legt man den rechtlichen Standpunkt des Beklagten zu § 1 Satz 2 TierSchG zugrunde, sind sogar die bundesweit ca. 45 Millionen männlichen Küken jährlich in den Blick zu nehmen.
143Abgesehen davon sind für die Gewichtung der im Rahmen von § 1 Satz 2 TierSchG zu berücksichtigenden Interessen rechtliche Wertungen maßgeblich, nicht Einstellungen nicht näher bestimmter Teile der Bevölkerung. Rechtliche Wertungen vorzunehmen und vorzugeben ist insoweit Sache des Gesetzgebers, dem hierfür ein weitgespannter Entscheidungsspielraum zur Verfügung steht. Der Bundestag hat im Zuge der Behandlung einer gegen die Tötung der männlichen Küken gerichteten parlamentarischen Initiative
144- vgl. BT-Drucks. 18/4328 -
145mehrheitlich unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass aus seiner Sicht die Tötung der männlichen Küken gegenwärtig nicht Ausdruck und Ergebnis eines behördlichen Vollzugsdefizits bei der Durchsetzung von § 1 Satz 2 TierSchG, sondern bis zur Gebrauchstauglichkeit bislang fehlender Alternativen in Gestalt von Methoden zur Geschlechtsbestimmung im Ei gerechtfertigt ist.
146Vgl. BT-Drucks. 18/7726, S. 4 f.; BT-Prot. 18/161 (S. 15926).“
147Da die Untersagungsverfügung rechtswidrig ist, kann auch die darauf gestützte Zwangsgeldandrohung keinen Bestand haben.
1483.
149Die Kostenentscheidung beruht, soweit die Klage zurückgenommen ist, auf §§ 161 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO, im Übrigen auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Mit dem vorliegenden Urteil war einheitlich über die gesamten Kosten des Rechtsstreits quotenmäßig zu entscheiden, was zu der tenorierten Kostenentscheidung führt.
150Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
151Die Berufung gegen das Urteil wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.
(1) Längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 ist abweichend von § 5 Absatz 1 Satz 1 eine Betäubung nicht erforderlich für das Kastrieren von unter acht Tage alten männlichen Schweinen, sofern kein von der normalen anatomischen Beschaffenheit abweichender Befund vorliegt. Ist eine Betäubung nach Satz 1 nicht erforderlich, gilt § 5 Absatz 1 Satz 6 mit der Maßgabe entsprechend, dass insbesondere schmerzstillende Tierarzneimittel anzuwenden sind.
(1a) Bis zum 31. Mai 2019 wird dem Deutschen Bundestag eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums nach § 6 Absatz 6 zugeleitet. Die Zuleitung an den Deutschen Bundestag erfolgt vor der Zuleitung an den Bundesrat. Die Rechtsverordnung kann durch Beschluss des Deutschen Bundestages geändert oder abgelehnt werden. Der Beschluss des Deutschen Bundestages wird dem Bundesministerium zugeleitet. Hat sich der Deutsche Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang der Rechtsverordnung nicht mit ihr befasst, so wird die unveränderte Rechtsverordnung dem Bundesrat zugeleitet. Soweit die Rechtsverordnung auf Grund des Beschlusses des Bundesrates geändert wird, bedarf es keiner erneuten Zuleitung an den Bundestag.
(1b) Das Bundesministerium berichtet bis zum 30. Juni 2019 und dann mindestens alle sechs Monate dem zuständigen Fachausschuss des Deutschen Bundestages über die Umsetzungsfortschritte bei der Einführung alternativer Verfahren und Methoden zur betäubungslosen Ferkelkastration. Dabei soll das Bundesministerium unter anderem den Stand der arzneimittelrechtlichen Zulassung von Tierarzneimitteln für die Durchführung einer Betäubung bei der Ferkelkastration, den Stand der Technik bei Narkosegeräten, das entwickelte Schulungsmaterial und den Schulungserfolg darstellen.
(2) Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2018 ist abweichend von § 5 Absatz 1 Satz 1 eine Betäubung nicht erforderlich für die Kennzeichnung von Pferden durch Schenkelbrand.
(3) (weggefallen)
(4) Die Erlaubnis nach § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 gilt demjenigen,
- 1.
der am 12. Juli 2013 eine im Sinne der vorgenannten Vorschriften erlaubnispflichtige Tätigkeit ausübt und - 2.
dem, soweit es sich dabei um eine nach diesem Gesetz in der bis zum 13. Juli 2013 geltenden Fassung erlaubnispflichtige Tätigkeit handelt, vor dem 13. Juli 2013 eine entsprechende Erlaubnis erteilt worden ist,
- 1.
wenn nicht bis zum 1. Januar 2014 die Erteilung einer endgültigen Erlaubnis beantragt wird oder - 2.
im Falle rechtzeitiger Antragstellung mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Antrag.
(4a) § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 ist ab dem 1. August 2014 anzuwenden.
(4b) § 11 Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe f ist ab dem 1. August 2014 anzuwenden.
(5) Bis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 11 Absatz 2 oder 6 Satz 2 ist § 11 Absatz 1 Satz 2 und 3, Absatz 2, 2a, 5 und 6 in der bis zum 13. Juli 2013 geltenden Fassung weiter anzuwenden mit der Maßgabe, dass
- 1.
auch derjenige, der Tierbörsen durchführt, ab dem 1. August 2014 die Anforderungen des § 11 Absatz 2 Nummer 1 in der vorstehend bezeichneten Fassung erfüllen muss und - 2.
derjenige, der gewerbsmäßig mit Wirbeltieren, außer landwirtschaftlichen Nutztieren, handelt, ab dem 1. August 2014 sicherzustellen hat, dass bei der erstmaligen Abgabe eines Wirbeltieres einer bestimmten Art an den jeweiligen künftigen Tierhalter mit dem Tier schriftliche Informationen über die wesentlichen Bedürfnisse des Tieres, insbesondere im Hinblick auf seine angemessene Ernährung und Pflege sowie verhaltensgerechte Unterbringung und artgemäße Bewegung, übergeben werden; dies gilt nicht bei der Abgabe an den Inhaber einer Erlaubnis nach § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe b in der vorstehend bezeichneten Fassung.
(6) § 11 Absatz 8 ist ab dem 1. Februar 2014 anzuwenden.
(6a) Das Bundesministerium berichtet bis zum 31. März 2023 dem zuständigen Fachausschuss des Deutschen Bundestages über den Stand der Entwicklung von Verfahren und Methoden zur Geschlechtsbestimmung im Hühnerei vor dem siebten Bebrütungstag.
(7) Vorbehaltlich des Satzes 3 und des Absatzes 8 sind die §§ 5, 6, 7, 7a, 8, 8a, 9, 10, 11, 15, 16, 16a und 18 in der sich jeweils aus Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes – Schutz von Versuchstieren – vom 18. Juni 2021 (BGBl. I S. 1828) ergebenden Fassung erst ab dem 1. Dezember 2021 anzuwenden. Bis zu dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt sind die dort genannten am 25. Juni 2021 geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. Soweit Vorschriften dieses Gesetzes zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, sind abweichend von Satz 1 die dort genannten Vorschriften in der dort genannten Fassung zum Zweck des Erlasses von Rechtsverordnungen ab dem 26. Juni 2021 anzuwenden.
(8) Im Falle von Tierversuchen nach § 7 Absatz 2 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2,
- 1.
deren Genehmigung vor dem 1. Dezember 2021 erteilt worden ist oder - 2.
deren Durchführung vor dem 1. Dezember 2021 nach den bis zu diesem Tag anzuwendenden Vorschriften dieses Gesetzes angezeigt und von der zuständigen Behörde nicht beanstandet worden ist,
(1) Wer
- 1.
Wirbeltiere oder Kopffüßer, - a)
die dazu bestimmt sind, in Tierversuchen verwendet zu werden, oder - b)
deren Organe oder Gewebe dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden,
- 2.
Wirbeltiere zu den in § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 genannten Zwecken züchten oder halten, - 3.
Tiere in einem Tierheim oder in einer ähnlichen Einrichtung halten, - 4.
Tiere in einem Zoologischen Garten oder einer anderen Einrichtung, in der Tiere gehalten und zur Schau gestellt werden, halten, - 5.
Wirbeltiere, die nicht Nutztiere sind, zum Zwecke der Abgabe gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung in das Inland verbringen oder einführen oder die Abgabe solcher Tiere, die in das Inland verbracht oder eingeführt werden sollen oder worden sind, gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung vermitteln, - 6.
für Dritte Hunde zu Schutzzwecken ausbilden oder hierfür Einrichtungen unterhalten, - 7.
Tierbörsen zum Zwecke des Tausches oder Verkaufes von Tieren durch Dritte durchführen oder - 8.
gewerbsmäßig, außer in den Fällen der Nummer 1, - a)
Wirbeltiere, außer landwirtschaftliche Nutztiere und Gehegewild, züchten oder halten, - b)
mit Wirbeltieren handeln, - c)
einen Reit- oder Fahrbetrieb unterhalten, - d)
Tiere zur Schau stellen oder für solche Zwecke zur Verfügung stellen, - e)
Wirbeltiere als Schädlinge bekämpfen oder - f)
für Dritte Hunde ausbilden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter anleiten
(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1
- 1.
das Nähere zu der Form und dem Inhalt des Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis nach Absatz 1 Satz 1, - 2.
die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung der Erlaubnis, - 3.
den Inhalt der Erlaubnis, im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 nur, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, sowie - 4.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der für die Erlaubniserteilung wesentlichen Sachverhalte, einschließlich der Pflicht zur Anzeige solcher Änderungen,
(3) In Rechtsverordnungen nach § 2a Absatz 1 oder § 4b können, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Union erforderlich ist, über die dort genannten Anforderungen hinaus Anforderungen an die Haltung von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder an das Töten von Tieren nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 vorgeschrieben werden, insbesondere
- 1.
Anforderungen an innerbetriebliche Abläufe zum Zwecke der Vermeidung, Feststellung und Beseitigung von Mängeln, - 2.
Maßnahmen zum Zwecke der Gewöhnung und des Trainings solcher Tiere im Hinblick auf ihre Haltung und Verwendung und - 3.
Anforderungen an den Erwerb und die Aufrechterhaltung der für die Betreuung und Pflege und das Töten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten; hierbei kann auch vorgeschrieben werden, dass Aufzeichnungen über die Maßnahmen, die zum Zwecke des Erwerbs und der Aufrechterhaltung der Kenntnisse und Fähigkeiten ergriffen werden, zu machen, aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen sind.
(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Arten an wechselnden Orten zu beschränken oder zu verbieten, soweit die Tiere der jeweiligen Art an wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden gehalten oder zu den wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden befördert werden können. Eine Rechtsverordnung nach Satz 1
- 1.
darf nur erlassen werden, soweit den in Satz 1 bezeichneten erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden durch andere Regelungen, insbesondere solche mit Anforderungen an die Haltung oder Beförderung der Tiere, nicht wirksam begegnet werden kann, - 2.
muss vorsehen, dass Tiere, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung gehalten werden, von dem Verbot nur dann erfasst werden, wenn keine Möglichkeiten bestehen, die erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden bei diesen Tieren auf ein vertretbares Maß zu vermindern.
(5) Mit der Ausübung der Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 darf erst nach Erteilung der Erlaubnis begonnen werden. Die zuständige Behörde entscheidet schriftlich oder elektronisch über den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis innerhalb einer Frist von vier Monaten ab Eingang des Antrags. Die in Satz 2 genannte Frist kann von der zuständigen Behörde um bis zu zwei Monate verlängert werden, soweit der Umfang und die Schwierigkeit der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der Erlaubnis dies rechtfertigen. Der Antragsteller ist über die Fristverlängerung vor Ablauf der in Satz 2 genannten Frist unter Angabe von Gründen zu unterrichten. Bei der Berechnung der Frist bleiben die Zeiten unberücksichtigt, während derer der Antragsteller trotz schriftlicher oder elektronischer Aufforderung der Behörde den Anforderungen in einer auf Grund des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung nicht nachgekommen ist. Die zuständige Behörde soll demjenigen die Ausübung der Tätigkeit untersagen, der die Erlaubnis nicht hat.
(6) Wer gewerbsmäßig Gehegewild halten will, hat dies vier Wochen vor Aufnahme der Tätigkeit der zuständigen Behörde anzuzeigen. Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
- 1.
die Form und den Inhalt der Anzeige, - 2.
die Voraussetzungen, unter denen die Tätigkeit nach Satz 1 untersagt werden kann, und - 3.
das Verfahren im Falle nachträglicher Änderungen der angezeigten Sachverhalte
(7) Die Ausübung der nach Absatz 5 Satz 6 oder auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 untersagten Tätigkeit kann von der zuständigen Behörde auch durch Schließung der Betriebs- oder Geschäftsräume verhindert werden.
(8) Wer Nutztiere zu Erwerbszwecken hält, hat durch betriebliche Eigenkontrollen sicherzustellen, dass die Anforderungen des § 2 eingehalten werden. Insbesondere hat er zum Zwecke seiner Beurteilung, dass die Anforderungen des § 2 erfüllt sind, geeignete tierbezogene Merkmale (Tierschutzindikatoren) zu erheben und zu bewerten.
Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.