Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung von Gesundheitsschäden, die seine verstorbene Ehefrau bei einem Verkehrsunfall erlitten hat, als Dienstunfall.

1. Die am 1985 geborene und zuletzt in S wohnhafte Ehefrau des Klägers stand seit dem 2014 im Beamtenverhältnis auf Widerruf als Studienreferendarin im Dienste des Beklagten und war seit dem 2015 an der Staatlichen Wirtschaftsschule eingesetzt. Sie erlitt am 2015 auf der Staats Straße zwischen H und E …… einen Verkehrsunfall und machte hierzu in ihrem Antrag auf Anerkennung eines Dienstunfalls folgende Angaben:

„Am Donnerstag, 2015, fuhr ich um 13.00 Uhr nach Dienstschluss zu meiner Unterkunft in W … …, wo ich unter der Woche wohne. Nachdem ich alles gepackt habe, begab ich mich um ca. 17.00 Uhr auf den Weg Richtung Heimat . Wie jede Woche fuhr ich die . Um ca. 18.00 Uhr verließ ich die Autobahn , Ausfahrt , um auszutreten. Dazu bog ich nach dem Ort E rechts in einen Wald Weg ab. Auf dem Rückweg (ca. 3 km vor der Autobahn) kam ich rechts auf das Bankett und stieß beim Gegenlenken mit einem entgegenkommenden Pkw zusammen. Mein Auto kam im nebenliegenden Maisfeld zum Stehen.“

Nach ihrer stationären Behandlung … … (18.6. – 26.6.2015) wurde die Ehefrau des Klägers nach Hause entlassen. Am 17. Juli 2015 erlitt sie eine Lungenembolie, an deren Folgen sie am 22. Juli 2015 im Universitätsklinikum E verstarb. Das Landesamt für Finanzen – Bezügestelle Dienstunfall – gewährte dem Kläger für die entstandenen Heilbehandlungskosten antragsgemäß vorläufige Zahlungen in Höhe von 10.437,11 Euro (Bescheid vom 10.8.2015) bzw. 788,96 Euro (Bescheid vom 11.8.2015). Die Zahlung wurde unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall bewilligt, dass das Schadensereignis nicht als Dienstunfall anerkannt werde oder die Aufwendungen nicht dienstunfallbedingt, nicht notwendig oder nicht angemessen seien.

Mit Bescheid vom 31. August 2015 lehnte das Landesamt für Finanzen die Anerkennung des Unfalls der Ehefrau des Klägers vom 2015 als Dienstunfall ab. Beamtenrechtliche Unfallfürsorgeleistung könnte nicht gewährt werden (Nr. 1 des Bescheids). Zugleich forderte der Beklagte die mit Schreiben vom 10. August 2015 und 11. August 2015 geleisteten vorläufigen Zahlungen in Höhe von 11.226,07 Euro zurück; es erfolge eine Verrechnung der Rückforderung mit den Beihilfeleistungen (Nr. 2). Den Gründen ist zu entnehmen, dass sich die verstorbene Ehefrau des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls auf einer Umwegstrecke befunden habe. Das Fahren des Umweges sei aus eigenwirtschaftlichen Gründen erfolgt, weshalb die Anerkennung als Dienstunfall ausscheide. Aus diesem Grund sei den vorläufigen Abschlagszahlungen die Rechtsgrundlage entzogen, sodass sie zurückzufordern seien. Billigkeitsgründe für das Absehen von der Rückforderung seien nicht ersichtlich.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch (Schriftsatz vom 14.9.2015) wies das Landesamt für Finanzen mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2015 zurück.

2. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 4. Dezember 2015, eingegangen beim Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Kläger Klage und beantragte,

  • 1.den Bescheid des Beklagten vom 31. August 2015 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2015 aufzuheben und

  • 2.den Beklagten zu verpflichten, den Verkehrsunfall vom 2015, den die am 1985 geborene und an den Unfallfolgen verstorbene Ehefrau des Klägers erlitten habe, als Dienstunfall anzuerkennen und die entsprechenden, hieraus resultierenden Unfallfürsorgeleistungen zu gewähren.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass auch das Zurücklegen der mit dem Dienst zusammenhängenden Wege zwischen der Unterkunft, die der Beamte wegen der Entfernung der Familienwohnung zum Dienstort an diesem oder in dessen Nähe genommen habe und der Familienwohnung oder der Dienststelle unter Versicherungsschutz stehe.

Mit Schriftsatz vom 27. Januar 2016 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird vorgetragen, die Klage habe in der Sache keinen Erfolg. Die verstorbene Beamtin habe sich am 2015 auf dem Weg zwischen ihrer Unterkunft in W und ihrer Familienwohnung in S befunden. Der Gesetzgeber habe den Wegeunfall dem Dienstunfall im Weg der Fiktion nur gleichgestellt und damit zu erkennen gegeben, dass der Weg zwischen Dienststelle und Familienwohnung kein Dienst sei. Die Gleichstellung sei eine sozialpolitisch motivierte zusätzliche Leistung des Dienstherrn und diene der Erweiterung der Dienstunfallfürsorge des Dienstherrn auf die außerhalb des privaten Lebensbereichs herrschenden Gefahren des allgemeinen Verkehrs, die weder der Dienstherr noch der Beamte im Wesentlichen beeinflussen könnten. Voraussetzung sei, dass sich der Beamte auf dem unmittelbaren Weg zwischen Dienststelle und Familienwohnung befinde, um sich zum Dienst zu begeben oder aus dem Dienst in den privaten Lebensbereich zurückzukehren. Bei Abweichungen vom Weg aus privaten Gründen stehe dieser Teil des Wegs nicht mehr unter Dienstunfallschutz. Ob der notwendige Zusammenhang mit dem Dienst durch ein Abweichen von dem unmittelbaren Weg zwischen Familienwohnung oder Unterkunft und Dienststelle oder umgekehrt unterbrochen oder gar gelöst sei, beurteile sich nach den Umständen des Einzelfalls. Gemessen daran liege hier kein Dienstunfall vor, weil die verstorbene Beamtin nach eigenen Angaben mindestens drei Kilometer von der Bundesautobahn A70 weggefahren sei, um auszutreten. Hierbei handele es sich nicht um eine unwesentliche, weil kurze und geringfügige Unterbrechung. Hinzu komme, dass sich die verstorbene Beamtin nach Dienstschluss (13.00 Uhr) bis etwa 17.00 Uhr in ihrer Unterkunft aufgehalten und sich erst danach auf den Weg zur Familienwohnung gemacht habe.

Unter dem 16. Februar 2016 ließ der Kläger ergänzend vortragen, dass sich seine verstorbene Ehefrau auf dem etwa 140 km langen Heimweg befunden habe, für den sie regelmäßig knapp zwei Stunden Fahrzeit benötigt habe. Zum Unfallzeitpunkt habe sie sich nicht mehr im Bereich der unmittelbaren Örtlichkeiten zur Verrichtung ihrer Notdurft befunden, sondern auf direktem Weg zurück zur Autobahn, also in einer geringeren Entfernung als die von der Gegenseite angesprochenen drei Kilometer. Gemessen an der Gesamtdauer und -strecke des Heimwegs sei daher der weniger als 3 km betragene Ab Weg als noch ganz unerhebliche Verlängerung des Weges zu sehen. Sie habe sich zum Unfallzeitpunkt nicht mehr in einem unmittelbaren räumlich-zeitlichen Zusammenhang mit der unmittelbaren Verrichtung ihrer Notdurft, sondern sich bereits wieder auf direktem Weg zurück zur Autobahn befunden, um dort ihren Heimweg fortzusetzen. Streng genommen habe sich zum Unfallzeitpunkt also gar nicht mehr auf einem Ab Weg befunden. Nur vorsorglich werde ausgeführt, dass grundsätzlich auch die Verrichtung der Notdurft unter Versicherungsschutz zu sehen sei.

Mit Schriftsätzen vom 6. März 2017 und vom 22. März 2017 machten die Beteiligten ergänzende Ausführungen, insbesondere auch zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17.11.2016 - 2 C-17/16).

3. Mit Schriftsätzen vom 15. Mai 2017 und vom 16. Mai 2017 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

4. Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

1. Über die Klage konnte gem. § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten insoweit ihr Einverständnis erklärt haben.

2. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 31. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses vom 2015 als Dienstunfall sowie auf Gewährung von Leistungen der Dienstunfallfürsorge (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Zur Begründung nimmt das Gericht auf die zutreffenden Gründe des Widerspruchsbescheids Bezug und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend sei auf Folgendes hingewiesen:

Nach Art. 46 Abs. 1 Satz 1 Bayer. Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG) ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Dabei erfordert das gesetzliche Merkmal „in Ausübung des Dienstes“ eine besonders enge ursächliche Verknüpfung des Ereignisses mit dem Dienst. Denn Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Dienstunfallfürsorge liegen in einem über die allgemeine Fürsorge hinausgehenden besonderen Schutz des Beamten bei Unfällen, die außerhalb seiner privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre im Bereich der in der dienstlichen Sphäre liegenden Risiken eintreten, d.h. in dem Gefahrenbereich, in dem der Beamte entscheidend aufgrund der Anforderungen des Dienstes tätig wird. Allgemein gilt, dass der Beamte bei Unfällen, die sich innerhalb des vom Dienstherrn beherrschbaren räumlichen Risikobereichs ereignen, unter dem besonderen Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge steht (vgl. nur: BVerwG, U.v. 17.11.2016 - 2 C-17/16 - NVwZ-RR 2017, 425/426 = Juris Rn. 14 f. m.w.N.).

Gemäß Art. 46 Abs. 2 BayBeamtVG gilt als Dienst auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Wegs zwischen Familienwohnung und Dienststelle (Art. 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG) bzw. der Wege zwischen der Unterkunft, die der Beamte wegen der Entfernung der Familienwohnung vom Dienstort an diesem oder in dessen Nähe genommen hat, und der Familienwohnung oder der Dienststelle (Art. 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayBeamtVG). Der Gesetzgeber hat somit den Wegeunfall, obwohl der Weg zur Dienststelle noch keinen Dienst darstellt, dem Dienstunfall gleichgestellt. Die Gleichstellung dient der Erweiterung der Unfallfürsorge des Dienstherrn auf die Gefahren des allgemeinen Verkehrs im öffentlichen Verkehrsraum, denen sich der Beamte aussetzt, um seinen Dienst zu verrichten. Diese Gefahren stammen zwar nicht aus der Risikosphäre des Dienstherrn, sie können aber auch vom Beamten nicht beherrscht oder beeinflusst werden. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeber den Wegeunfall dem Dienstunfall lediglich gleichgestellt und damit verdeutlicht hat, dass der Weg zwischen Dienststelle und Familienwohnung im beamtenrechtlichen Sinne kein Dienst ist. Diese Gleichstellung ist vielmehr eine sozialpolitisch motivierte zusätzliche Leistung des Dienstherrn. Die gesetzestechnische Konstruktion der Gleichstellung durch eine gesetzliche Fiktion in Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG, ferner Sinn und Zweck der Regelung sowie die Konzeption dieser Vorschrift als Ausnahmeregelung lassen jedoch erkennen, dass es nicht zu einer vom Gesetzgeber ungewollten Ausdehnung der Unfallfürsorge auf die im Wesentlichen vom Beamten beherrschten privaten Lebensbereiche kommen soll. Daraus folgt zwingend eine restriktive Auslegung der Vorschrift mit der Folge, dass grundsätzlich alle diejenigen Bereiche nicht vom Dienstunfallschutz erfasst sind, in denen der Beamte die dort gegebene Unfallgefahr im Wesentlichen selbst beherrschen und beeinflussen kann (st.Rspr. vgl. nur: BVerwG, U.v. 27.1.2005 - 2 C-7/04 - BVerwGE 122, 360/361 f. zu der weitgehend gleichlautenden Vorschrift in § 31 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BeamtVG; BVerwG, U.v. 10.12.2013 - 2 C-7/12 - ZBR 2014, 166/167 = Juris Rn. 19; vgl. auch: BayVGH, U.v. 17.3.2016 - 3 B 15.327 - Juris Rn. 26 ff.; BayVGH, B.v. vom 11.10.2016 - 3 ZB 15.1521 - Juris Rn. 6 f.; BayVGH B.v. 10.6.2008 - 3 ZB 07.2366 - ZBR 2010, 127 = Juris Rn. 7).

Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Weg von der Familienwohnung zur Dienststelle nicht schlechthin geschützt ist. Zum einen erfasst der Unfallschutz nur das wesentlich durch den Dienst gesetzte Gefahrenrisiko der Fortbewegung auf der Wegstrecke (Teilnahme am Verkehr). Der Weg ist deshalb nur geschützt, soweit er seine wesentliche Ursache im Dienst hat und andere mit dem Dienst zusammenhängende Ursachen für das Zurücklegen des Weges in den Hintergrund treten (BayVGH, U.v. 17.3.2016 - 3 B 15.327 - Juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 11.10.2016 - 3 ZB 15.1521 - Juris Rn. 6 f.; vgl. zu § 31 BeamtVG: BVerwG, U.v. 9.12.2010 - 2 A 4/10 - ZBR 2011, 306 - Juris Rn. 13; siehe auch: Kazmaier in: Stegmüller/ Schmalhofer/ Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: März 2017, § 31 BeamtVG Rn. 176 m.w.N.

Zum anderen erstreckt sich die Unfallfürsorge nicht auf jeglichen Weg, den der Beamte wählt, um zum Dienst zu gelangen oder um nach Beendigung des Dienstes einen anderen Ort zu erreichen. So erfasst insbesondere Art. 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayBeamtVG nur das Zurücklegen der mit dem Dienst zusammenhängenden Wege zwischen der Unterkunft, die der Beamte wegen der Entfernung der Familienwohnung vom Dienstort an diesem oder in dessen Nähe genommen hat, und der Familienwohnung oder der Dienststelle. Eine Ausweitung der Dienstunfallfürsorge auf abweichende Streckenführungen bleibt dem Gesetzgeber vorbehalten. Aus der Gesetzessystematik, dem Gesetzeszweck und der Entstehungsgeschichte ergibt sich zwingend, dass der Beamte - zur Eingrenzung der Risikosphäre des Dienstherrn - nur auf dem unmittelbaren Weg zwischen der Wohnung bzw. Unterkunft und der Dienststelle geschützt ist. Umwege und Unterbrechungen werden somit vom beamtenrechtlichen Unfallschutz generell ausgeschlossen, soweit sie nicht nach ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung gestattet und nicht nur unerheblich sind (vgl. zu § 31 Abs. 2 BeamtVG: BVerwG, U.v. 27.5.2004 - 2 C-29/03 - BVerwGE 121, 67/69 ff. = Juris Rn. 12 ff.; BVerwG U.v. 21.6.1982 - 6 C-90/78 - Buchholz 232 § 135 BBG Nr. 61).

Als geringfügig - und damit unerheblich - ist eine Unterbrechung nur dann anzusehen, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Wegs nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist. Das ist anzunehmen, wenn die Verrichtung nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung des ursprünglich aufgenommenen Ziels führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenher“ erledigt werden kann. Hierunter fallen kurze und belanglose Unterbrechungen, bei denen der Beamte gewissermaßen auf seinem Weg in Bewegung bleibt und nur nebenher andersartig tätig wird. Entscheidend ist, ob der Beamte eine neue objektive Handlungssequenz in Gang setzt, die sich deutlich von dem bloßen „in den Dienst fahren“ abgrenzen lässt (BayVGH, B.v. 11.20.2016 - 3 ZB 15.1521 - Juris Rn. 8 unter Hinweis auf die Rechtsprechung zum sozialversicherungsrechtlichen Wegeunfallschutz, vgl.: BSG, U.v. 31.1.1974 - 2 RU 165/72 - Juris Rn. 20; BSG, U.v. 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - Juris Rn. 15 f.). Zur Abgrenzung des von der Dienstunfallfürsorge erfassten öffentlichen Bereichs einerseits von dem nicht erfassten privaten Lebensbereich der Beamten andererseits ist die Rechtsprechung zwar bemüht, eine Grenze zu ziehen, die an objektive Merkmale anknüpft und im Allgemeinen leicht feststellbar ist; diese Grenzziehung nimmt aber auch Ungereimtheiten in Kauf (BVerwG U.v. 27.1.2005 - 2 C-7/04 - BVerwGE 122, 360/362 = Juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 24.2.2015 - 3 ZB 13.1706 - Juris Rn. 15). Letztendlich ist die Frage, ob der notwendige Zusammenhang mit dem Dienst durch ein Abweichen von dem unmittelbaren Weg zwischen Wohnung und Dienststelle (oder umgekehrt) unterbrochen oder gar gelöst wird, nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2010 - 2 A 4/10 - ZBR 2011, 306 = Juris Rn. 13; BVerwG, U.v. 21.6.1982, - 6 C-90/78 - Buchholz 232 § 135 BBG Nr. 61 = Juris Rn. 17; VG München, U.v. 20.3.2012 - M 5 K 11.5039 - Juris Rn. 13).

Gemessen daran, befand sich die verstorbene Ehefrau des Klägers am 2015 im Rahmen ihrer Fahrt von der Unterkunft, die sie wegen ihrer Tätigkeit an der Staatlichen Wirtschaftsschule W genommen hatte, zu ihrer Familienwohnung in S … … zunächst auf der Autobahn BAB 70 und stand insoweit zunächst unter dem Schutz des Art. 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayBeamtVG. Mit ihrer Entscheidung, von der Autobahn abzufahren, um die Notdurft verrichten zu können, hat sie jedoch ihren Weg nicht nur geringfügig unterbrochen und stand damit nicht weiter unter Unfallschutz. Bei dieser Einschätzung stützt sich die Kammer auf folgende Erwägungen:

Anders als in der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fallkonstellation, in der einem Beamten, der auf dem Wege von der Dienststelle zu seiner häuslichen Unterkunft sein Kraftfahrzeug für kurze Zeit angehalten und verlassen hat, die Straße zu Fuß überquert hat, um eine private Besorgung zu erledigen, und auf dem Rückweg zum Kraftwagen auf der Straße verunglückt war, Dienstunfallfürsorge zugebilligt wurde (vgl. BVerwG U.v. 21.6.1982 - 6 C-90/78 - Buchholz 232 § 135 BBG Nr. 61), hat die verstorbene Ehefrau des Klägers allein aus privaten Gründen eine neue Handlungssequenz eröffnet. Sie hat mir ihrer Entscheidung, die auch in dem von ihr befahrenen Streckenabschnitt mit Parkplätzen und Raststätten ausgestattete Autobahn A zu verlassen, mehr als drei Kilometer auf der Staats Straße in Richtung H zu fahren und sich nach zwei Ortsdurchfahrten eine Stelle zur Verrichtung der Notdurft zu suchen, einen neuen Geschehensverlauf eingeleitet, der deutlich von der bloßen Familienheimfahrt abzugrenzen ist. Diese neue, mit einem Fahrtrichtungswechsel verbundene Handlungssequenz lässt sich mithin nicht mehr als nur belanglose Unterbrechung einstufen, sondern stellt eine deutliche Zäsur dar. Die verstorbene Ehefrau des Klägers hat mit dieser Entscheidung eine neue Gefahrensituation geschaffen, die dem Dienstherrn nicht zugerechnet werden kann. Somit scheidet die Gewährung von Leistungen der Dienstunfallfürsorge grundsätzlich aus, so dass der Kläger gehalten sein wird, in Bezug auf die streitgegenständlichen Heilbehandlungskosten - wie wohl bereits geschehen - gegen den Beklagten Beihilfeansprüche und ggfs. auch Ansprüche gegen die private Krankenversicherung geltend zu machen.

Angesichts der Tatsache, dass der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Leistungen der Dienstunfallfürsorge bereits aus den vorgenannten Gründen scheitert, bedarf es keiner Klärung der von der Beklagtenseite aufgeworfenen Frage (vgl. nur Schriftsatz vom 6.3.2017), welche Dienstunfallfolgen die Klägerseite in dem Verfahren festgestellt wissen will.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Dier Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Ein-räumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der - wenn überhaupt anfallenden - dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.

4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.

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Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 11. Juli 2017 - B 5 K 15.935 zitiert 12 §§.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

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In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

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(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr

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Tatbestand 1 Die Verfahrensbeteiligten streiten um die Anerkennung eines Wegeunfalls als Dienstunfall. 2

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Aktenzeichen: 3 B 15.327

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 17. März 2016

(VG München, Entscheidung vom 16. Mai 2013, Az.: M 12 K 12.1155)

3. Senat

Sachgebietsschlüssel: 1334

Hauptpunkte:

Dienstunfall

Wegeunfall während attestierter Dienstunfähigkeit

Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Widerlegliche Vermutung der Arbeitsunfähigkeit

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

..., vertreten durch den Oberbürgermeister, Personal- und Organisationsreferat

- Beklagte -

wegen Dienstunfall;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Mai 2013,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 3. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Vicinus, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Weizendörfer aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. März 2016 am 17. März 2016 folgendes

Urteil:

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 16. Mai 2013 wird aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 14. November 2011 und ihres Widerspruchsbescheids vom 6. Februar 2012 verpflichtet, das Unfallereignis vom 16. September 2011 als Dienstunfall anzuerkennen.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die im Jahre 1966 geborene Klägerin stand bis zu ihrer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe mit Ablauf des 31. Oktober 2011 als Lehrerin im Dienst der Beklagten.

Sie suchte am Donnerstag, dem 15. September 2011 nach dem regulären Unterricht ihre Frauenärztin auf. Nachdem ihr zuvor ein negativer Beurteilungsbeitrag eröffnet worden war, verspürte sie heftige Schmerzen im Unterleib. Die Ärztin stellte zur Vorlage beim Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (voraussichtlich) bis einschließlich 19. September 2011 (Montag) aus.

Am Freitag, dem 16. September 2011, 6.17 Uhr, teilte die Klägerin dem Schulsekretariat per E-Mail mit, dass sie krankgeschrieben sei, aber „wegen der Notfalltelefonliste“ wenigstens die ersten beiden Stunden Unterricht halten wolle. Die Klägerin gibt an, sie habe gegen 7.00 Uhr beim Sekretariat telefonisch nachgefragt, ob die E-Mail eingegangen sei. Man habe das bejaht und ihr gesagt, „sie solle besser reinkommen“.

Auf dem Weg zu ihrem Dienstort, dem Städtischen T...-...-Gymnasium, stürzte die Klägerin gegen 7.20 Uhr auf der Rolltreppe der U-Bahn-Station M... ....

In der Schule angekommen, legte die Klägerin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, teilte aber mit, dass die Krankschreibung nur prophylaktisch gewesen sei und sie keine Schmerzen mehr habe. Zudem informierte sie nach eigenen Angaben das Sekretariat über den zuvor ereigneten Unfall. Sie hielt ihre beiden ersten Unterrichtsstunden, hatte eine Bereitschaftsstunde und ging anschließend wegen des Unfalls auf Weisung des Schulleiters zum Orthopäden, der sie zum Zweck der Nachuntersuchung für den 20. September 2011 krankschrieb.

Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 14. Oktober 2011 Rechnungen über ärztliche Aufwendungen, die beim Unfall entstanden waren, eingereicht hatte, teilte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 14. November 2011 mit, dass ein Dienstunfall ausgeschlossen sei, da sich der Unfall während der Krankschreibung und damit nicht während des Dienstes ereignet habe. Es werde gebeten, die Rechnungen bei der Beihilfestelle einzureichen.

Am 15. November 2011 zeigte die Klägerin unter Verwendung des Formulars „Dienstunfallanzeige Beamte“ den am 16. September 2011 erlittenen Unfall als Dienstunfall an. Mit Schreiben vom 19. November 2011 führte die Klägerin aus, dass sie am Unfalltag die Notfallliste der Klasse 9a im Sekretariat habe abgeben müssen und deswegen auch mit Fieber in die Schule gefahren wäre. Es sei übliche Praxis, sich krankschreiben zu lassen und den Unterricht entsprechend der Belastungsfähigkeit wenigstens teilweise zu halten. Sie selbst habe das mehrfach so durchgeführt. Es sei auch wichtig, die Kollegen nicht mehr als nötig mit Vertretungsstunden zu belasten. Am 19. September 2011 habe sie den vollen Unterricht gehalten.

Der bei der Beklagten am 20. Dezember 2011 eingegangene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2012 zurückgewiesen. Da die Klägerin am Unfalltag dienstunfähig gewesen sei, fehle es an der engen ursächlichen Verknüpfung zwischen (Wege-)Unfall und Dienst. Ausweislich der im Widerspruchsverfahren eingeholten Stellungnahme des Schulleiters vom 18. Januar 2012 sei die Klägerin darauf aufmerksam gemacht worden, dass sie nicht unterrichten dürfe, da sie krankgeschrieben sei. Es habe weder die Zustimmung noch gar die Aufforderung bestanden, während der festgestellten Arbeitsunfähigkeit Dienst zu leisten. Es treffe nicht zu, dass, wie von der Klägerin behauptet, „Lehrkräfte krankgeschrieben werden, damit sie nur teilweise, eben entsprechend ihrer Belastungsfähigkeit, den Unterricht halten“ könnten.

Am 13. April 2012 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht mit dem sinngemäßen Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 14. November 2011 und vom 6. Februar 2012 zu verpflichten, den am 16. September 2011 erlittenen Unfall als Dienstunfall anzuerkennen.

Es bestehe trotz der Dienstunfähigkeit eine enge ursächliche Verknüpfung zwischen Unfallereignis und der Ausübung des Dienstes. Die Klägerin sei ihrer dienstrechtlichen Pflicht zur möglichst unverzüglichen Abgabe eines Attestes nach Krankschreibung nachgekommen. Die Stellungnahme der Schulleitung sei widersprüchlich. Zum einen werde angegeben, die Klägerin sei darauf hingewiesen worden, dass sie nicht unterrichten dürfe, zum anderen sei trotzdem geduldet worden, dass die Klägerin ihre Klasse aufgesucht und Unterricht gehalten habe.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin sei zwar verpflichtet, durch unverzügliche Vorlage entsprechender ärztlicher Atteste die Dienstunfähigkeit anzuzeigen. Hierfür müsse sich die Klägerin aber nicht persönlich zur Dienststelle begeben; eine Übermittlung mittels eines Briefes sei ausreichend. Eine etwaige Duldung des Unterrichtens durch die Schulleitung habe nicht vorgelegen. Der Schulleiter habe die Klägerin ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass sie keinen Unterricht zu halten habe. Hierzu wurde eine Stellungnahme des Schulleiters vom 30. April 2012 vorgelegt, aus der sich ergibt, dass er die Klägerin, als er davon Kenntnis erlangt habe, dass sie in einer Klasse Arbeitsblätter verteilen wolle, darauf aufmerksam gemacht habe, dass sie keinen Unterricht zu halten habe. Eine etwaige Duldung habe nicht vorgelegen. Die restlichen Stunden des Tages sei die Klägerin von Kollegen vertreten worden.

Mit Urteil vom 16. Mai 2013 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Angesichts ihrer Dienstunfähigkeit habe für sie keine Verpflichtung bestanden, sich zu ihrer Dienststelle zu begeben. Die Klägerin sei auch nicht verpflichtet gewesen, das Attest in dienstunfähigem Zustand persönlich abzugeben. Dafür, dass die Klägerin von ihrem Dienstherr aufgefordert worden sei, trotz der Dienstunfähigkeit in die Schule zu kommen, bestünden keine Anhaltspunkte. In den dienstlichen Stellungnahmen des Schulleiters fänden sich hierzu keine Angaben. Die Klägerin habe zwar angegeben, vom Sekretariat sei ihr gesagt worden, sie solle besser reinkommen. Diese Angaben seien jedoch unsubstantiiert geblieben. Es sei nicht ersichtlich, warum die Klägerin dies nicht schon in ihrer ersten Darstellung des Sachverhalts vom 19. November 2011 mitgeteilt habe. Außerdem bleibe unklar, wer diese Äußerung in welchem Zusammenhang getätigt haben solle. Vielmehr komme in der E-Mail, die die Klägerin um 6.17 Uhr an das Sekretariat geschickt habe, zum Ausdruck, dass die Klägerin selbst entschieden habe, trotz Dienstunfähigkeit zum Dienst zu erscheinen. Im Übrigen habe die Klägerin gewusst bzw. hätte wissen müssen, dass eine Sekretärin ihr gegenüber nicht weisungsbefugt sei. Auch der Vortrag, die Schulleitung habe es geduldet, dass die Klägerin unterrichte, ändere hieran nichts. Die Schulleitung habe in ihren Stellungnahmen erklärt, dass sie die Klägerin sofort nach Kenntnis der Sachlage darauf hingewiesen habe, dass sie nicht unterrichten dürfe, so dass eine Duldung nicht in Betracht komme. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, die Krankschreibung sei nur prophylaktisch erfolgt und sie habe keine Beschwerden mehr gehabt. Eine Dienstunfähigkeitsbescheinigung könne nicht eigenmächtig durch den Beamten aufgehoben werden. Zwar liege es im Verantwortungsbereich des Beamten, ein Attest bei plötzlicher Besserung der Beschwerden nicht einzureichen und zum Dienst zu erscheinen. Lege er es aber vor, müsse er ggf. ein neues Attest beibringen, das seine wieder erlangte Dienstfähigkeit bestätige.

Gegen dieses Urteil richtet sich die durch den Senat mit Beschluss vom 9. Februar 2015 zugelassene Berufung der Klägerin, mit der sie beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 16. Mai 2013 und des Bescheids der Beklagten vom 14. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Februar 2012 die Beklagte zu verpflichten, den am 16. September 2011 erlittenen Unfall als Dienstunfall anzuerkennen.

Krankheit allein begründe keinen Rechtfertigungsgrund für das Fernbleiben vom Dienst. Sie müsse zur Dienstunfähigkeit geführt haben. Die Klägerin sei jedoch in der Lage gewesen, ihren Unterricht zumindest teilweise zu halten. Ein Arzt könne die Dauer der Arbeitsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Feststellung nur prognostizieren. Insofern könne er nur die voraussichtliche Dauer der Arbeits- bzw. Dienstunfähigkeit bescheinigen. Erweise sich diese Prognose aber nicht als richtig, weil die voraussichtliche Dienstunfähigkeit für einen längeren Zeitraum als notwendig prognostiziert worden sei, gehöre es zur Pflicht eines Beamten trotz Krankschreibung wieder zum Dienst zu erscheinen. Die Dienstunfähigkeit sei durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht objektiv festgestellt. Im Übrigen habe die Klägerin das ärztliche Attest zum Zeitpunkt des Unfalls noch gar nicht vorgelegt. Vielmehr habe sie mit E-Mail vom 16. September 2011 angekündigt, jedenfalls die ersten beiden Stunden zum Dienst zu erscheinen. Die Klägerin habe daher den Weg zur Dienststelle auch in der Absicht zurückgelegt, jedenfalls die ersten beiden Stunden zu unterrichten. Berechtigt habe sie sich diesbezüglich trotz Krankschreibung für dienstfähig erklärt. Somit habe für den Weg zur Dienststelle Dienstunfallschutz bestanden. Die Klägerin sei verpflichtet, ein ärztliches Attest über ihre Dienstunfähigkeit vorzulegen. „Vorzulegen“ könne nur so verstanden werden, dass das Originalattest in körperlicher Form in Augenschein genommen werden könne. Dieser Verpflichtung habe die Klägerin persönlich nachkommen wollen. Hierbei sei sie verunglückt.

Die Beklagte beantragte,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Zur Ergänzung wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses vom 16. September 2011 als Dienstunfall. Insofern erweist sich der Bescheid der Beklagten vom 14. November 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 6. Februar 2011 als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Da die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls vom 16. September 2011 im Beamtenverhältnis auf Probe stand, genießt sie Dienstunfallschutz nach Art. 45 BayBeamtVG.

Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass die Beklagte das Schadensereignis vom 16. September 2011 als Dienstunfall anerkennt.

Gemäß Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Nach Art. 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG gilt als Dienst auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Wegs zwischen Familienwohnung und Dienststelle. Obwohl der Weg zur Dienststelle noch keinen Dienst darstellt, hat der Gesetzgeber den Wegeunfall dem Dienstunfall damit gleichgestellt. Die Gleichstellung dient der Erweiterung der Unfallfürsorge des Dienstherrn auf die Gefahren des allgemeinen Verkehrs im öffentlichen Verkehrsraum, denen sich der Beamte aussetzt, um seinen Dienst zu verrichten. Diese Gefahren stammen zwar nicht aus der Risikosphäre des Dienstherrn, sie können aber auch vom Beamten nicht beherrscht oder beeinflusst werden (vgl. BVerwG, U. v. 10.12.2013 - 2 C 7/12 - ZBR 2014, 601 - juris Rn. 6).

Der Weg von der Familienwohnung zur Dienststelle ist nicht schlechthin geschützt. Der Unfallschutz erfasst nur das wesentlich durch den Dienst gesetzte Gefahrenrisiko der Fortbewegung auf der Wegstrecke (Teilnahme am Verkehr). Der Weg ist deshalb nur geschützt, soweit er seine wesentliche Ursache im Dienst hat und andere mit dem Dienst zusammenhängende Ursachen für das Zurücklegen des Weges in den Hintergrund treten (zur vergleichbaren bundesrechtlichen Bestimmung: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Sep. 2015, § 31 BeamtVG Rn. 176 m. w. N. und BVerwG, U. v. 9.12.2010 - 2 A 4/10 - ZBR 2011, 306 - juris Rn. 13).

Hier befand sich die Klägerin auf unmittelbarem Weg von ihrer Familienwohnung zur Dienststelle, um sich zum Dienst zu begeben. Wesentliche Ursache war somit der Dienstantritt, so dass der Dienstunfallschutz greift. Damit liegt eine andere Grundkonstellation vor, als das Aufsuchen der Dienststelle ausschließlich zum Zwecke der Abgabe einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, bei der ein dienstlicher Zusammenhang fehlt (vgl. VG Ansbach, U. v. 29.7.2009 - AN 11 K 07.03351, nachgehend BayVGH, B. v. 19.7.2010 - 14 ZB 09.2481 - jeweils juris).

Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb veranlasst, weil die Klägerin am Unfalltag arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Insoweit schließt sich der Senat nicht dem Beschluss des 14. Senats des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Juli 2010 (14 ZB 09.2481 - juris Rn. 8) an, wonach grundsätzlich dann kein Dienstunfall vorliegt, wenn die Dienststelle aufgesucht wird, obwohl der Beamte krankgeschrieben ist. Aus der als Beleg hierfür genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich der Schluss in dieser Konsequenz nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Oktober 1991 (2 C 8/91 - NJW 1992, 2979 - juris Rn. 22) entschieden, dass die Inanspruchnahme der unentgeltlichen Truppenversorgung nicht zum Dienst des dortigen Klägers gehört und hervorgehoben, dass der Kläger im Gegenteil während seiner stationären Behandlung gerade dienstunfähig gewesen sei.

Von der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann nicht zwingend auf eine etwaige tatsächlich bestehende Dienstunfähigkeit geschlossen werden. Der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt zwar im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 86 VwGO ein hoher Beweiswert zu. Sie beinhaltet die tatsächliche Vermutung, dass der Arbeitnehmer bzw. Beamte infolge Krankheit arbeitsunfähig ist (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2016, § 5 EFZG Rn. 14). Diese Vermutung ist aber grundsätzlich widerlegbar. Dafür spricht auch, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung regelmäßig nur eine Vermutung des ausstellenden Arztes hinsichtlich des tatsächlichen Heilungs-/Genesungsprozesses darstellen kann. Konsequent enthält die formularmäßige Vorgabe der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung daher auch den Hinweis auf eine voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit (vgl. Merkel, DB 2012, 2691/2692).

Mit Ihrem Dienstantritt hat die Klägerin die ärztliche Prognose widerlegt. Sie hat - unwidersprochen - ausgeführt, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur prophylaktisch erfolgt war und sie am Tag des Dienstantritts beschwerdefrei war. Es mag zwar ungewöhnlich sein, dass eine Krankschreibung für vier Tage bereits einen Tag später widerlegt sein soll. Ausgeschlossen ist das indes nicht. Im Übrigen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin am Tag des Unfalls nicht dienstfähig gewesen sein sollte. Entsprechendes hat auch die Beklagte nicht vorgetragen. Die Folgen des Unfallgeschehens zogen keine Dienstunfähigkeit nach sich, weshalb der behandelnde Orthopäde die Krankschreibung allein für Zwecke der Nachuntersuchung ausstellte. Hätte dieser die Klägerin für dienstunfähig gehalten, hätte er seinerseits erneut eine Krankschreibung auch für den 19. September 2011 veranlasst. So aber hielt die Klägerin auch an diesem von der Krankschreibung der Frauenärztin umfassten Tag ohne Beanstandung der Beklagten ihren kompletten Unterricht ab.

Die Klägerin durfte ihre Dienstleistung anbieten, weil die ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mangels gesetzlicher Regelung kein Dienstleistungsverbot beinhaltet. In der arbeitsrechtlichen Literatur besteht Einigkeit, dass der Arbeitnehmer zur Arbeitsaufnahme nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, die Arbeit vorzeitig wieder aufzunehmen, wenn er sich nach eigener Einschätzung als arbeitsfähig einschätzt (vgl. Plocher, DB 2015,1597/1602; Hunold, DB 2014, 1679; Merkel, DB 2012, 2691). Diese arbeitsrechtliche Bewertung lässt sich auch auf die vorliegende beamtenrechtliche Streitigkeit übertragen. Danach kann der Beamte seine Dienstleistung trotz der ärztlich bescheinigten Dienstunfähigkeit erbringen. Als Korrelat hierzu kann bzw. muss der Dienstherr im Rahmen seiner Fürsorgepflicht den Beamten von der Dienstleistung entbinden, sofern der Beamte entgegen seiner eigenen Einschätzung hierzu doch nicht in der Lage sein sollte (vgl. Hunold, DB 2014, 1679/1860). Konsequent hat daher auch die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die Schulleiter seien angewiesen, in solchen Fällen die Dienstfähigkeit zu überprüfen. Ein Arbeitsversuch während laufender Krankschreibung setze das Einvernehmen des Dienstvorgesetzten voraus. Das ist ein probates Mittel, um die Fürsorgepflicht auszufüllen bzw. ihr nachzukommen. Aber auch wenn nach den Ausführungen der Beklagten in der Berufungsverhandlung krankgeschriebene Lehrkräfte in der Praxis nach Hause geschickt werden, kann sich die Beklagte damit nicht der gesetzlichen Fiktion des Art. 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBeamtVG entziehen. Der Weg von der Familienwohnung zur Dienstunfallfürsorge ist auch in diesem Fall von der Dienstunfallfürsorge erfasst.

Die Beklagte verweist darauf, die Klägerin habe sich ohne Wissen und ohne Duldung ihres Vorgesetzten auf den Weg zur Dienststelle gemacht. Das Risiko, hierbei einen Unfall zu erleiden, könne daher billigerweise nicht der Beklagten aufgebürdet werden. Mangels entsprechender verbindlicher dienstlicher Weisungen war der Klägerin jedoch der Dienstantritt nicht verwehrt, so dass der Wegeunfall im Risikobereich der Beklagten liegt. Eine andere Beurteilung mag - ähnlich bei der Lösung des Zusammenhangs mit dem Dienst bei Alkoholkonsum oder völlig vernunftwidrigen Handlungen (vgl. Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Sep. 2015, § 31 BeamtVG Rn. 179, 58 bis 60) - dann angezeigt sein, wenn der Beamte einer objektiven Fehleinschätzung hinsichtlich seiner Dienstfähigkeit unterliegt und nicht der beabsichtigte Dienstantritt, sondern die Folgen der Erkrankung wesentliche Ursache für das Unfallgeschehen sind. Andernfalls würde es zu einer unzulässigen Risikoerhöhung zulasten des Dienstherrn kommen. Dass die Klägerin einer objektiven Fehleinschätzung im vorgenannten Sinne unterlegen wäre, ist nicht ersichtlich und wurde von der Beklagten auch nicht behauptet.

Auf die Frage einer etwaigen Duldung der Dienstverrichtung trotz Vorliegens einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bzw. auf die behauptete Krankschreibungspraxis bei der Beklagten kommt es nicht entscheidungserheblich an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2 VwGO, 191 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 127 BRRG nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des anderen Oberverwaltungsgerichts (Verwaltungsgerichtshofs), des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die angefochtene Entscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt (§ 47 Abs. 3 GKG, § 52 Abs. 2 GKG)

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

1. Der 1952 geborene Kläger, Medizinaldirektor beim P... und zugleich Betriebsarzt für das P... ..., erstrebt die Verpflichtung des Beklagten, den am 12. Dezember 2013 auf der Fahrt von seinem Wohnort in E... zu seiner Dienststelle beim P... ... in N... eingetretenen Verkehrsunfall als Dienstunfall mit den Dienstunfallfolgen HWS-Distorsionstrauma, Cervikobrachialgie links, Nackenverspannungen, Thoraxprellung links, posttraumatischer ISG-Affektion links und posttraumatischen Tinnitus anzuerkennen.

Dem Unfall lag das folgende Geschehen zugrunde: Dem Kläger kam in der L... Straße in E... ein anderes Fahrzeug entgegen, wobei der Kläger der Auffassung war, dass der andere Fahrer die Einbahnstraße in der falschen Richtung befuhr und deshalb die Lichthupe betätigte. Der Kläger fuhr dann in eine Parklücke, um wegen der geringen Breite der zur Verfügung stehenden Fahrbahn ein Vorbeifahren zu ermöglichen. Als sich beide Kraftfahrzeuge auf etwa gleicher Höhe befanden, entspann sich zwischen den Fahrern eine Diskussion, wer sich verkehrsgerecht verhalten habe. Beide Fahrer kündigten schließlich an, sich das Kennzeichen des jeweils anderen Kraftfahrzeugs zu notieren. Der andere Kraftfahrer fuhr sein Kraftfahrzeug einige Meter weiter und stieg aus, wohl um sich das Kennzeichen des Klägers zu notieren. Nachdem er wieder eingestiegen war und losfuhr, fuhr er nicht vorwärts, sondern rückwärts, weil er - so seine Angaben - vergessen hatte, dass er zuvor den Rückwärtsgang eingelegt hatte. Beim Rückwärtsfahren stieß er gegen das Kraftfahrzeug (Fahrertür) des Klägers. Der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt seine Fahrertür geöffnet und war im Begriff auszusteigen. Durch den Aufprall wurde der Kläger nach seinen Angaben wieder in den Sitz geschleudert.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Der dienstunfallrechtlich geschützte Weg sei bei Eintritt des Unfallereignisses in rechtlich relevanter Weise unterbrochen worden. Die Unterbrechung sei spätestens in dem Zeitpunkt eingetreten, als sich der Kläger nach einer verbalen Auseinandersetzung mit dem späteren Unfallgegner über eine von diesem angeblich begangene Verkehrsordnungswidrigkeit angeschickt habe, aus seinem Pkw auszusteigen, um sich das Kennzeichen des gegnerischen Pkw zu notieren. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.

2. Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten) und § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.

2.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i. S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 - juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gemäß Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Nach Art. 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG gilt als Dienst auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Wegs zwischen Familienwohnung und Dienststelle. Obwohl der Weg zur Dienststelle noch keinen Dienst darstellt, hat der Gesetzgeber den Wegeunfall dem Dienstunfall damit gleichgestellt. Die Gleichstellung dient der Erweiterung der Unfallfürsorge des Dienstherrn auf die Gefahren des allgemeinen Verkehrs im öffentlichen Verkehrsraum, denen sich der Beamte aussetzt, um seinen Dienst zu verrichten. Diese Gefahren stammen zwar nicht aus der Risikosphäre des Dienstherrn, sie können aber auch vom Beamten nicht beherrscht oder beeinflusst werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2013 - 2 C 7/12 - ZBR 2014, 601 - juris Rn. 6).

Der Weg von der Familienwohnung zur Dienststelle ist nicht schlechthin geschützt. Der Unfallschutz erfasst nur das wesentlich durch den Dienst gesetzte Gefahrenrisiko der Fortbewegung auf der Wegstrecke (Teilnahme am Verkehr). Der Weg ist deshalb nur geschützt, soweit er seine wesentliche Ursache im Dienst hat und andere mit dem Dienst zusammenhängende Ursachen für das Zurücklegen des Weges in den Hintergrund treten (zur vergleichbaren bundesrechtlichen Bestimmung: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Sep. 2015, § 31 BeamtVG Rn. 176 m. w. N. und BVerwG, U.v. 9.12.2010 - 2 A 4/10 - ZBR 2011, 306 - juris Rn. 13).

Der Kläger hat sich am 12. Dezember 2013 gegen 8.00 Uhr auf dem nächsten Weg zu seiner Dienststelle in N... befunden und stand somit zunächst unter dem Schutz des Art. 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG. Mit dem Versuch, aus seinem Fahrzeug auszusteigen, um sich das gegnerische Kennzeichen zu notieren, hat der Kläger jedoch seinen Weg nicht nur geringfügig unterbrochen und stand damit nicht weiter unter Unfallschutz. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII - die auf die vorliegende Streitigkeit übertragen werden kann (vgl. OVG Niedersachsen, U.v. 28.2.2012 - 5 LB 8/10 - ZBR 2012, 278 - juris Rn. 27 und 34) - ist eine Unterbrechung nur dann als geringfügig anzusehen, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Wegs nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist. Das ist der Fall, wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung des ursprünglich aufgenommenen Ziels führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenher“ erledigt werden kann (vgl. BSG, U.v. 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - juris Rn. 15 m. w. N.). Die Rechtsprechung versteht hierunter kurze und belanglose Unterbrechungen, bei denen der Beamte gewissermaßen auf seinem Weg in Bewegung bleibt und nur nebenher andersartig tätig wird (vgl. BSG, U.v. 31.1.1974 - 2 RU 165/72 - juris Rn. 20). Entscheidend ist, ob der Beamte eine neue objektive Handlungssequenz in Gang setzt, die sich deutlich von dem bloßen „in den Dienst fahren“ abgrenzen lässt (vgl. BSG, U.v. 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - juris Rn. 16 zum sozialversicherungsrechtlichen Wegeunfallschutz).

Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Handlungstendenz des Klägers davon geprägt gewesen war, durch das beabsichtigte Aussteigen aus dem Fahrzeug, dem eine verbale Auseinandersetzung mit dem späteren Unfallgegner vorausgegangen war, das Notieren des Kennzeichen des Fahrzeugs des späteren Unfallgegners zu ermöglichen, um eine Ahndung des angeblichen Verkehrsverstoßes des anderen Verkehrsteilnehmers (Befahren einer Einbahnstraße in die falsche Richtung) herbeizuführen.

2.1.1 Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht sei insoweit von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Er habe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren schriftsätzlich den Ausführungen des Beklagten, wonach das Verhalten des Klägers nicht mehr der Fortbewegung, sondern der Ahndung eines vermeintlichen Verkehrsverstoßes des anderen Fahrers gedient habe, widersprochen. Er verweist auf seine Zeugenaussage im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen. Dort sei angegeben, dass die Kennzeichennotierung das vermeintlich letzte Mittel gewesen sei, um den anderen Fahrzeugführer nach mehrmaliger Aufforderung, er möge doch bitte weiter fahren und die Weiterfahrt des Klägers ermöglichen, dazu zu bewegen, dies auch endlich zu tun. Die Aussage des Klägers, dass er sich das Kennzeichen notieren werde, wenn der gegnerische Fahrzeugführer nicht weiterfahren würde, habe also der Fortbewegung und damit dem Erreichen des Dienstortes des Antragstellers gedient.

Mit seiner Rüge greift der Kläger die Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts an, ohne ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aufzuzeigen.

Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es ist dabei nicht an die Sichtweise und Sachverhaltswürdigung einer Prozesspartei gebunden. Soweit eine fehlerhafte Sachverhaltswürdigung des Erstgerichts gerügt wird, liegt der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur dann vor, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind (vgl. BayVGH, B.v. 15.2 2016 - 14 ZB 14.1016 - juris Rn. 7). Derartige Fehler bei der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung zeigt der Kläger nicht auf. Solche sind auch nicht ersichtlich. In der Ankündigung des Notierens des Kennzeichens mag zwar ein möglicher „Anreiz“ zur Fortsetzung der Fahrt gesehen werden. Zum Zeitpunkt des Unfalls war der andere Fahrer jedoch bereits zwei bis drei Meter vorgefahren, um sich seinerseits das Kennzeichen des Klägers zu notieren. Erst danach schickte sich der Kläger an, auszusteigen, um sich das Kennzeichen des Fahrzeugs des anderen Fahrers ebenfalls zu notieren. Spätestens in diesem Zeitpunkt ging es aber nicht mehr darum, den anderen Fahrer zum Weiterfahren zu bewegen. Im Übrigen diente das Notieren des Kennzeichens des anderen Fahrzeugs auch nach der Einlassung des Klägers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren seiner eigenen Absicherung, da er im Falle eines Rechtsstreits nichts in der Hand gehabt hätte.

2.1.2 Auch mit dem Einwand, das Notieren des Kennzeichens des Fahrzeugs des anderen Fahrers habe jedenfalls eine Verrichtung dargestellt, die gleichsam im Vorbeigehen oder ganz nebenbei habe erledigt werden können und die den Dienstunfallschutz nicht entfallen lasse, kann der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils darlegen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass Art. 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG aufgrund der sozialpolitisch motivierten Komponente der Gleichstellung des Wegeunfalls mit dem Dienstunfall restriktiv auszulegen ist und die besonderen Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung maßgebend sind. Dass der Kläger sein Fahrzeug verlassen wollte, war ersichtlich von dem Wunsch geprägt, sich das Kennzeichen des Fahrzeugs des anderen Fahrers zu notieren, um die aus seiner Sicht erlittene Unbill (Beleidigung und Nötigung) strafrechtlich aufarbeiten zu können. Obwohl sein Weg zur Dienststelle durch das Versetzen des gegnerischen Fahrzeugs frei geworden war, hat der Kläger ausschließlich aus privaten Motiven eine neue Handlungssequenz eröffnet, die sich deutlich von dem bloßen „in den Dienst Fahren“ abgrenzen lässt und nicht mehr als belanglose Unterbrechung qualifiziert werden kann. Er hat mit dem Versuch, aus seinem Fahrzeug auszusteigen, eine neue Gefahrensituation geschaffen, die dem Dienstherrn nicht zugerechnet werden kann.

2.2 Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Insoweit verweist der Senat auf seine Ausführungen unter 2.1.

2.3 Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

Der Kläger wirft die Frage auf, „ob bei einem Unfall eines Beamten auf dem Weg zu seinem Wohnort zum Dienstort eine dienstunfallrechtlich geschützte Tätigkeit anzunehmen ist, wenn der Beamte zur Fortsetzung des Wegs darauf angewiesen ist, einem anderen Verkehrsteilnehmer damit zu drohen, dessen Fahrzeugnummer zu notieren, wenn dessen Fahrzeug die Weiterfahrt zum Dienstort blockiert“, ferner die Frage, ob „bei einer notwendigen Unterbrechung des Weges, um die Fahrzeugnummer eines gegnerischen Fahrzeugs, das die Weiterfahrt zum Dienst blockiert, von einer Unterbrechung der Fortbewegung auf dem Weg zur Dienststelle auszugehen ist, welche einer Verrichtung dient, die typischerweise „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenbei“ erledigt wird und bei der das Bundesverwaltungsgericht keine rechtlich relevante Unterbrechung des Wegeschutzes annimmt“. Diese Fragen stellen sich in dieser Form im vorliegenden Fall nicht in entscheidungserheblicher Weise, weil die Weiterfahrt zum Unfallzeitpunkt nicht mehr blockiert war. Zudem sind sie nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls zu beantworten und einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Aktenzeichen: 3 B 15.327

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 17. März 2016

(VG München, Entscheidung vom 16. Mai 2013, Az.: M 12 K 12.1155)

3. Senat

Sachgebietsschlüssel: 1334

Hauptpunkte:

Dienstunfall

Wegeunfall während attestierter Dienstunfähigkeit

Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Widerlegliche Vermutung der Arbeitsunfähigkeit

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

..., vertreten durch den Oberbürgermeister, Personal- und Organisationsreferat

- Beklagte -

wegen Dienstunfall;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. Mai 2013,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 3. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Vicinus, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Weizendörfer aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. März 2016 am 17. März 2016 folgendes

Urteil:

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 16. Mai 2013 wird aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 14. November 2011 und ihres Widerspruchsbescheids vom 6. Februar 2012 verpflichtet, das Unfallereignis vom 16. September 2011 als Dienstunfall anzuerkennen.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die im Jahre 1966 geborene Klägerin stand bis zu ihrer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe mit Ablauf des 31. Oktober 2011 als Lehrerin im Dienst der Beklagten.

Sie suchte am Donnerstag, dem 15. September 2011 nach dem regulären Unterricht ihre Frauenärztin auf. Nachdem ihr zuvor ein negativer Beurteilungsbeitrag eröffnet worden war, verspürte sie heftige Schmerzen im Unterleib. Die Ärztin stellte zur Vorlage beim Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (voraussichtlich) bis einschließlich 19. September 2011 (Montag) aus.

Am Freitag, dem 16. September 2011, 6.17 Uhr, teilte die Klägerin dem Schulsekretariat per E-Mail mit, dass sie krankgeschrieben sei, aber „wegen der Notfalltelefonliste“ wenigstens die ersten beiden Stunden Unterricht halten wolle. Die Klägerin gibt an, sie habe gegen 7.00 Uhr beim Sekretariat telefonisch nachgefragt, ob die E-Mail eingegangen sei. Man habe das bejaht und ihr gesagt, „sie solle besser reinkommen“.

Auf dem Weg zu ihrem Dienstort, dem Städtischen T...-...-Gymnasium, stürzte die Klägerin gegen 7.20 Uhr auf der Rolltreppe der U-Bahn-Station M... ....

In der Schule angekommen, legte die Klägerin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, teilte aber mit, dass die Krankschreibung nur prophylaktisch gewesen sei und sie keine Schmerzen mehr habe. Zudem informierte sie nach eigenen Angaben das Sekretariat über den zuvor ereigneten Unfall. Sie hielt ihre beiden ersten Unterrichtsstunden, hatte eine Bereitschaftsstunde und ging anschließend wegen des Unfalls auf Weisung des Schulleiters zum Orthopäden, der sie zum Zweck der Nachuntersuchung für den 20. September 2011 krankschrieb.

Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 14. Oktober 2011 Rechnungen über ärztliche Aufwendungen, die beim Unfall entstanden waren, eingereicht hatte, teilte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 14. November 2011 mit, dass ein Dienstunfall ausgeschlossen sei, da sich der Unfall während der Krankschreibung und damit nicht während des Dienstes ereignet habe. Es werde gebeten, die Rechnungen bei der Beihilfestelle einzureichen.

Am 15. November 2011 zeigte die Klägerin unter Verwendung des Formulars „Dienstunfallanzeige Beamte“ den am 16. September 2011 erlittenen Unfall als Dienstunfall an. Mit Schreiben vom 19. November 2011 führte die Klägerin aus, dass sie am Unfalltag die Notfallliste der Klasse 9a im Sekretariat habe abgeben müssen und deswegen auch mit Fieber in die Schule gefahren wäre. Es sei übliche Praxis, sich krankschreiben zu lassen und den Unterricht entsprechend der Belastungsfähigkeit wenigstens teilweise zu halten. Sie selbst habe das mehrfach so durchgeführt. Es sei auch wichtig, die Kollegen nicht mehr als nötig mit Vertretungsstunden zu belasten. Am 19. September 2011 habe sie den vollen Unterricht gehalten.

Der bei der Beklagten am 20. Dezember 2011 eingegangene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2012 zurückgewiesen. Da die Klägerin am Unfalltag dienstunfähig gewesen sei, fehle es an der engen ursächlichen Verknüpfung zwischen (Wege-)Unfall und Dienst. Ausweislich der im Widerspruchsverfahren eingeholten Stellungnahme des Schulleiters vom 18. Januar 2012 sei die Klägerin darauf aufmerksam gemacht worden, dass sie nicht unterrichten dürfe, da sie krankgeschrieben sei. Es habe weder die Zustimmung noch gar die Aufforderung bestanden, während der festgestellten Arbeitsunfähigkeit Dienst zu leisten. Es treffe nicht zu, dass, wie von der Klägerin behauptet, „Lehrkräfte krankgeschrieben werden, damit sie nur teilweise, eben entsprechend ihrer Belastungsfähigkeit, den Unterricht halten“ könnten.

Am 13. April 2012 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht mit dem sinngemäßen Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 14. November 2011 und vom 6. Februar 2012 zu verpflichten, den am 16. September 2011 erlittenen Unfall als Dienstunfall anzuerkennen.

Es bestehe trotz der Dienstunfähigkeit eine enge ursächliche Verknüpfung zwischen Unfallereignis und der Ausübung des Dienstes. Die Klägerin sei ihrer dienstrechtlichen Pflicht zur möglichst unverzüglichen Abgabe eines Attestes nach Krankschreibung nachgekommen. Die Stellungnahme der Schulleitung sei widersprüchlich. Zum einen werde angegeben, die Klägerin sei darauf hingewiesen worden, dass sie nicht unterrichten dürfe, zum anderen sei trotzdem geduldet worden, dass die Klägerin ihre Klasse aufgesucht und Unterricht gehalten habe.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin sei zwar verpflichtet, durch unverzügliche Vorlage entsprechender ärztlicher Atteste die Dienstunfähigkeit anzuzeigen. Hierfür müsse sich die Klägerin aber nicht persönlich zur Dienststelle begeben; eine Übermittlung mittels eines Briefes sei ausreichend. Eine etwaige Duldung des Unterrichtens durch die Schulleitung habe nicht vorgelegen. Der Schulleiter habe die Klägerin ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass sie keinen Unterricht zu halten habe. Hierzu wurde eine Stellungnahme des Schulleiters vom 30. April 2012 vorgelegt, aus der sich ergibt, dass er die Klägerin, als er davon Kenntnis erlangt habe, dass sie in einer Klasse Arbeitsblätter verteilen wolle, darauf aufmerksam gemacht habe, dass sie keinen Unterricht zu halten habe. Eine etwaige Duldung habe nicht vorgelegen. Die restlichen Stunden des Tages sei die Klägerin von Kollegen vertreten worden.

Mit Urteil vom 16. Mai 2013 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Angesichts ihrer Dienstunfähigkeit habe für sie keine Verpflichtung bestanden, sich zu ihrer Dienststelle zu begeben. Die Klägerin sei auch nicht verpflichtet gewesen, das Attest in dienstunfähigem Zustand persönlich abzugeben. Dafür, dass die Klägerin von ihrem Dienstherr aufgefordert worden sei, trotz der Dienstunfähigkeit in die Schule zu kommen, bestünden keine Anhaltspunkte. In den dienstlichen Stellungnahmen des Schulleiters fänden sich hierzu keine Angaben. Die Klägerin habe zwar angegeben, vom Sekretariat sei ihr gesagt worden, sie solle besser reinkommen. Diese Angaben seien jedoch unsubstantiiert geblieben. Es sei nicht ersichtlich, warum die Klägerin dies nicht schon in ihrer ersten Darstellung des Sachverhalts vom 19. November 2011 mitgeteilt habe. Außerdem bleibe unklar, wer diese Äußerung in welchem Zusammenhang getätigt haben solle. Vielmehr komme in der E-Mail, die die Klägerin um 6.17 Uhr an das Sekretariat geschickt habe, zum Ausdruck, dass die Klägerin selbst entschieden habe, trotz Dienstunfähigkeit zum Dienst zu erscheinen. Im Übrigen habe die Klägerin gewusst bzw. hätte wissen müssen, dass eine Sekretärin ihr gegenüber nicht weisungsbefugt sei. Auch der Vortrag, die Schulleitung habe es geduldet, dass die Klägerin unterrichte, ändere hieran nichts. Die Schulleitung habe in ihren Stellungnahmen erklärt, dass sie die Klägerin sofort nach Kenntnis der Sachlage darauf hingewiesen habe, dass sie nicht unterrichten dürfe, so dass eine Duldung nicht in Betracht komme. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, die Krankschreibung sei nur prophylaktisch erfolgt und sie habe keine Beschwerden mehr gehabt. Eine Dienstunfähigkeitsbescheinigung könne nicht eigenmächtig durch den Beamten aufgehoben werden. Zwar liege es im Verantwortungsbereich des Beamten, ein Attest bei plötzlicher Besserung der Beschwerden nicht einzureichen und zum Dienst zu erscheinen. Lege er es aber vor, müsse er ggf. ein neues Attest beibringen, das seine wieder erlangte Dienstfähigkeit bestätige.

Gegen dieses Urteil richtet sich die durch den Senat mit Beschluss vom 9. Februar 2015 zugelassene Berufung der Klägerin, mit der sie beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 16. Mai 2013 und des Bescheids der Beklagten vom 14. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Februar 2012 die Beklagte zu verpflichten, den am 16. September 2011 erlittenen Unfall als Dienstunfall anzuerkennen.

Krankheit allein begründe keinen Rechtfertigungsgrund für das Fernbleiben vom Dienst. Sie müsse zur Dienstunfähigkeit geführt haben. Die Klägerin sei jedoch in der Lage gewesen, ihren Unterricht zumindest teilweise zu halten. Ein Arzt könne die Dauer der Arbeitsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Feststellung nur prognostizieren. Insofern könne er nur die voraussichtliche Dauer der Arbeits- bzw. Dienstunfähigkeit bescheinigen. Erweise sich diese Prognose aber nicht als richtig, weil die voraussichtliche Dienstunfähigkeit für einen längeren Zeitraum als notwendig prognostiziert worden sei, gehöre es zur Pflicht eines Beamten trotz Krankschreibung wieder zum Dienst zu erscheinen. Die Dienstunfähigkeit sei durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht objektiv festgestellt. Im Übrigen habe die Klägerin das ärztliche Attest zum Zeitpunkt des Unfalls noch gar nicht vorgelegt. Vielmehr habe sie mit E-Mail vom 16. September 2011 angekündigt, jedenfalls die ersten beiden Stunden zum Dienst zu erscheinen. Die Klägerin habe daher den Weg zur Dienststelle auch in der Absicht zurückgelegt, jedenfalls die ersten beiden Stunden zu unterrichten. Berechtigt habe sie sich diesbezüglich trotz Krankschreibung für dienstfähig erklärt. Somit habe für den Weg zur Dienststelle Dienstunfallschutz bestanden. Die Klägerin sei verpflichtet, ein ärztliches Attest über ihre Dienstunfähigkeit vorzulegen. „Vorzulegen“ könne nur so verstanden werden, dass das Originalattest in körperlicher Form in Augenschein genommen werden könne. Dieser Verpflichtung habe die Klägerin persönlich nachkommen wollen. Hierbei sei sie verunglückt.

Die Beklagte beantragte,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Zur Ergänzung wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Anerkennung des Unfallereignisses vom 16. September 2011 als Dienstunfall. Insofern erweist sich der Bescheid der Beklagten vom 14. November 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 6. Februar 2011 als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Da die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls vom 16. September 2011 im Beamtenverhältnis auf Probe stand, genießt sie Dienstunfallschutz nach Art. 45 BayBeamtVG.

Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass die Beklagte das Schadensereignis vom 16. September 2011 als Dienstunfall anerkennt.

Gemäß Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Nach Art. 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG gilt als Dienst auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Wegs zwischen Familienwohnung und Dienststelle. Obwohl der Weg zur Dienststelle noch keinen Dienst darstellt, hat der Gesetzgeber den Wegeunfall dem Dienstunfall damit gleichgestellt. Die Gleichstellung dient der Erweiterung der Unfallfürsorge des Dienstherrn auf die Gefahren des allgemeinen Verkehrs im öffentlichen Verkehrsraum, denen sich der Beamte aussetzt, um seinen Dienst zu verrichten. Diese Gefahren stammen zwar nicht aus der Risikosphäre des Dienstherrn, sie können aber auch vom Beamten nicht beherrscht oder beeinflusst werden (vgl. BVerwG, U. v. 10.12.2013 - 2 C 7/12 - ZBR 2014, 601 - juris Rn. 6).

Der Weg von der Familienwohnung zur Dienststelle ist nicht schlechthin geschützt. Der Unfallschutz erfasst nur das wesentlich durch den Dienst gesetzte Gefahrenrisiko der Fortbewegung auf der Wegstrecke (Teilnahme am Verkehr). Der Weg ist deshalb nur geschützt, soweit er seine wesentliche Ursache im Dienst hat und andere mit dem Dienst zusammenhängende Ursachen für das Zurücklegen des Weges in den Hintergrund treten (zur vergleichbaren bundesrechtlichen Bestimmung: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Sep. 2015, § 31 BeamtVG Rn. 176 m. w. N. und BVerwG, U. v. 9.12.2010 - 2 A 4/10 - ZBR 2011, 306 - juris Rn. 13).

Hier befand sich die Klägerin auf unmittelbarem Weg von ihrer Familienwohnung zur Dienststelle, um sich zum Dienst zu begeben. Wesentliche Ursache war somit der Dienstantritt, so dass der Dienstunfallschutz greift. Damit liegt eine andere Grundkonstellation vor, als das Aufsuchen der Dienststelle ausschließlich zum Zwecke der Abgabe einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, bei der ein dienstlicher Zusammenhang fehlt (vgl. VG Ansbach, U. v. 29.7.2009 - AN 11 K 07.03351, nachgehend BayVGH, B. v. 19.7.2010 - 14 ZB 09.2481 - jeweils juris).

Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb veranlasst, weil die Klägerin am Unfalltag arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Insoweit schließt sich der Senat nicht dem Beschluss des 14. Senats des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Juli 2010 (14 ZB 09.2481 - juris Rn. 8) an, wonach grundsätzlich dann kein Dienstunfall vorliegt, wenn die Dienststelle aufgesucht wird, obwohl der Beamte krankgeschrieben ist. Aus der als Beleg hierfür genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich der Schluss in dieser Konsequenz nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Oktober 1991 (2 C 8/91 - NJW 1992, 2979 - juris Rn. 22) entschieden, dass die Inanspruchnahme der unentgeltlichen Truppenversorgung nicht zum Dienst des dortigen Klägers gehört und hervorgehoben, dass der Kläger im Gegenteil während seiner stationären Behandlung gerade dienstunfähig gewesen sei.

Von der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann nicht zwingend auf eine etwaige tatsächlich bestehende Dienstunfähigkeit geschlossen werden. Der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt zwar im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 86 VwGO ein hoher Beweiswert zu. Sie beinhaltet die tatsächliche Vermutung, dass der Arbeitnehmer bzw. Beamte infolge Krankheit arbeitsunfähig ist (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2016, § 5 EFZG Rn. 14). Diese Vermutung ist aber grundsätzlich widerlegbar. Dafür spricht auch, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung regelmäßig nur eine Vermutung des ausstellenden Arztes hinsichtlich des tatsächlichen Heilungs-/Genesungsprozesses darstellen kann. Konsequent enthält die formularmäßige Vorgabe der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung daher auch den Hinweis auf eine voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit (vgl. Merkel, DB 2012, 2691/2692).

Mit Ihrem Dienstantritt hat die Klägerin die ärztliche Prognose widerlegt. Sie hat - unwidersprochen - ausgeführt, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur prophylaktisch erfolgt war und sie am Tag des Dienstantritts beschwerdefrei war. Es mag zwar ungewöhnlich sein, dass eine Krankschreibung für vier Tage bereits einen Tag später widerlegt sein soll. Ausgeschlossen ist das indes nicht. Im Übrigen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin am Tag des Unfalls nicht dienstfähig gewesen sein sollte. Entsprechendes hat auch die Beklagte nicht vorgetragen. Die Folgen des Unfallgeschehens zogen keine Dienstunfähigkeit nach sich, weshalb der behandelnde Orthopäde die Krankschreibung allein für Zwecke der Nachuntersuchung ausstellte. Hätte dieser die Klägerin für dienstunfähig gehalten, hätte er seinerseits erneut eine Krankschreibung auch für den 19. September 2011 veranlasst. So aber hielt die Klägerin auch an diesem von der Krankschreibung der Frauenärztin umfassten Tag ohne Beanstandung der Beklagten ihren kompletten Unterricht ab.

Die Klägerin durfte ihre Dienstleistung anbieten, weil die ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mangels gesetzlicher Regelung kein Dienstleistungsverbot beinhaltet. In der arbeitsrechtlichen Literatur besteht Einigkeit, dass der Arbeitnehmer zur Arbeitsaufnahme nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, die Arbeit vorzeitig wieder aufzunehmen, wenn er sich nach eigener Einschätzung als arbeitsfähig einschätzt (vgl. Plocher, DB 2015,1597/1602; Hunold, DB 2014, 1679; Merkel, DB 2012, 2691). Diese arbeitsrechtliche Bewertung lässt sich auch auf die vorliegende beamtenrechtliche Streitigkeit übertragen. Danach kann der Beamte seine Dienstleistung trotz der ärztlich bescheinigten Dienstunfähigkeit erbringen. Als Korrelat hierzu kann bzw. muss der Dienstherr im Rahmen seiner Fürsorgepflicht den Beamten von der Dienstleistung entbinden, sofern der Beamte entgegen seiner eigenen Einschätzung hierzu doch nicht in der Lage sein sollte (vgl. Hunold, DB 2014, 1679/1860). Konsequent hat daher auch die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die Schulleiter seien angewiesen, in solchen Fällen die Dienstfähigkeit zu überprüfen. Ein Arbeitsversuch während laufender Krankschreibung setze das Einvernehmen des Dienstvorgesetzten voraus. Das ist ein probates Mittel, um die Fürsorgepflicht auszufüllen bzw. ihr nachzukommen. Aber auch wenn nach den Ausführungen der Beklagten in der Berufungsverhandlung krankgeschriebene Lehrkräfte in der Praxis nach Hause geschickt werden, kann sich die Beklagte damit nicht der gesetzlichen Fiktion des Art. 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBeamtVG entziehen. Der Weg von der Familienwohnung zur Dienstunfallfürsorge ist auch in diesem Fall von der Dienstunfallfürsorge erfasst.

Die Beklagte verweist darauf, die Klägerin habe sich ohne Wissen und ohne Duldung ihres Vorgesetzten auf den Weg zur Dienststelle gemacht. Das Risiko, hierbei einen Unfall zu erleiden, könne daher billigerweise nicht der Beklagten aufgebürdet werden. Mangels entsprechender verbindlicher dienstlicher Weisungen war der Klägerin jedoch der Dienstantritt nicht verwehrt, so dass der Wegeunfall im Risikobereich der Beklagten liegt. Eine andere Beurteilung mag - ähnlich bei der Lösung des Zusammenhangs mit dem Dienst bei Alkoholkonsum oder völlig vernunftwidrigen Handlungen (vgl. Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Sep. 2015, § 31 BeamtVG Rn. 179, 58 bis 60) - dann angezeigt sein, wenn der Beamte einer objektiven Fehleinschätzung hinsichtlich seiner Dienstfähigkeit unterliegt und nicht der beabsichtigte Dienstantritt, sondern die Folgen der Erkrankung wesentliche Ursache für das Unfallgeschehen sind. Andernfalls würde es zu einer unzulässigen Risikoerhöhung zulasten des Dienstherrn kommen. Dass die Klägerin einer objektiven Fehleinschätzung im vorgenannten Sinne unterlegen wäre, ist nicht ersichtlich und wurde von der Beklagten auch nicht behauptet.

Auf die Frage einer etwaigen Duldung der Dienstverrichtung trotz Vorliegens einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bzw. auf die behauptete Krankschreibungspraxis bei der Beklagten kommt es nicht entscheidungserheblich an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2 VwGO, 191 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 127 BRRG nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des anderen Oberverwaltungsgerichts (Verwaltungsgerichtshofs), des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die angefochtene Entscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt (§ 47 Abs. 3 GKG, § 52 Abs. 2 GKG)

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

1. Der 1952 geborene Kläger, Medizinaldirektor beim P... und zugleich Betriebsarzt für das P... ..., erstrebt die Verpflichtung des Beklagten, den am 12. Dezember 2013 auf der Fahrt von seinem Wohnort in E... zu seiner Dienststelle beim P... ... in N... eingetretenen Verkehrsunfall als Dienstunfall mit den Dienstunfallfolgen HWS-Distorsionstrauma, Cervikobrachialgie links, Nackenverspannungen, Thoraxprellung links, posttraumatischer ISG-Affektion links und posttraumatischen Tinnitus anzuerkennen.

Dem Unfall lag das folgende Geschehen zugrunde: Dem Kläger kam in der L... Straße in E... ein anderes Fahrzeug entgegen, wobei der Kläger der Auffassung war, dass der andere Fahrer die Einbahnstraße in der falschen Richtung befuhr und deshalb die Lichthupe betätigte. Der Kläger fuhr dann in eine Parklücke, um wegen der geringen Breite der zur Verfügung stehenden Fahrbahn ein Vorbeifahren zu ermöglichen. Als sich beide Kraftfahrzeuge auf etwa gleicher Höhe befanden, entspann sich zwischen den Fahrern eine Diskussion, wer sich verkehrsgerecht verhalten habe. Beide Fahrer kündigten schließlich an, sich das Kennzeichen des jeweils anderen Kraftfahrzeugs zu notieren. Der andere Kraftfahrer fuhr sein Kraftfahrzeug einige Meter weiter und stieg aus, wohl um sich das Kennzeichen des Klägers zu notieren. Nachdem er wieder eingestiegen war und losfuhr, fuhr er nicht vorwärts, sondern rückwärts, weil er - so seine Angaben - vergessen hatte, dass er zuvor den Rückwärtsgang eingelegt hatte. Beim Rückwärtsfahren stieß er gegen das Kraftfahrzeug (Fahrertür) des Klägers. Der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt seine Fahrertür geöffnet und war im Begriff auszusteigen. Durch den Aufprall wurde der Kläger nach seinen Angaben wieder in den Sitz geschleudert.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Der dienstunfallrechtlich geschützte Weg sei bei Eintritt des Unfallereignisses in rechtlich relevanter Weise unterbrochen worden. Die Unterbrechung sei spätestens in dem Zeitpunkt eingetreten, als sich der Kläger nach einer verbalen Auseinandersetzung mit dem späteren Unfallgegner über eine von diesem angeblich begangene Verkehrsordnungswidrigkeit angeschickt habe, aus seinem Pkw auszusteigen, um sich das Kennzeichen des gegnerischen Pkw zu notieren. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.

2. Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten) und § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.

2.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i. S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 - juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gemäß Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Nach Art. 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG gilt als Dienst auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Wegs zwischen Familienwohnung und Dienststelle. Obwohl der Weg zur Dienststelle noch keinen Dienst darstellt, hat der Gesetzgeber den Wegeunfall dem Dienstunfall damit gleichgestellt. Die Gleichstellung dient der Erweiterung der Unfallfürsorge des Dienstherrn auf die Gefahren des allgemeinen Verkehrs im öffentlichen Verkehrsraum, denen sich der Beamte aussetzt, um seinen Dienst zu verrichten. Diese Gefahren stammen zwar nicht aus der Risikosphäre des Dienstherrn, sie können aber auch vom Beamten nicht beherrscht oder beeinflusst werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2013 - 2 C 7/12 - ZBR 2014, 601 - juris Rn. 6).

Der Weg von der Familienwohnung zur Dienststelle ist nicht schlechthin geschützt. Der Unfallschutz erfasst nur das wesentlich durch den Dienst gesetzte Gefahrenrisiko der Fortbewegung auf der Wegstrecke (Teilnahme am Verkehr). Der Weg ist deshalb nur geschützt, soweit er seine wesentliche Ursache im Dienst hat und andere mit dem Dienst zusammenhängende Ursachen für das Zurücklegen des Weges in den Hintergrund treten (zur vergleichbaren bundesrechtlichen Bestimmung: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Sep. 2015, § 31 BeamtVG Rn. 176 m. w. N. und BVerwG, U.v. 9.12.2010 - 2 A 4/10 - ZBR 2011, 306 - juris Rn. 13).

Der Kläger hat sich am 12. Dezember 2013 gegen 8.00 Uhr auf dem nächsten Weg zu seiner Dienststelle in N... befunden und stand somit zunächst unter dem Schutz des Art. 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG. Mit dem Versuch, aus seinem Fahrzeug auszusteigen, um sich das gegnerische Kennzeichen zu notieren, hat der Kläger jedoch seinen Weg nicht nur geringfügig unterbrochen und stand damit nicht weiter unter Unfallschutz. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII - die auf die vorliegende Streitigkeit übertragen werden kann (vgl. OVG Niedersachsen, U.v. 28.2.2012 - 5 LB 8/10 - ZBR 2012, 278 - juris Rn. 27 und 34) - ist eine Unterbrechung nur dann als geringfügig anzusehen, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Wegs nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist. Das ist der Fall, wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung des ursprünglich aufgenommenen Ziels führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenher“ erledigt werden kann (vgl. BSG, U.v. 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - juris Rn. 15 m. w. N.). Die Rechtsprechung versteht hierunter kurze und belanglose Unterbrechungen, bei denen der Beamte gewissermaßen auf seinem Weg in Bewegung bleibt und nur nebenher andersartig tätig wird (vgl. BSG, U.v. 31.1.1974 - 2 RU 165/72 - juris Rn. 20). Entscheidend ist, ob der Beamte eine neue objektive Handlungssequenz in Gang setzt, die sich deutlich von dem bloßen „in den Dienst fahren“ abgrenzen lässt (vgl. BSG, U.v. 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - juris Rn. 16 zum sozialversicherungsrechtlichen Wegeunfallschutz).

Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Handlungstendenz des Klägers davon geprägt gewesen war, durch das beabsichtigte Aussteigen aus dem Fahrzeug, dem eine verbale Auseinandersetzung mit dem späteren Unfallgegner vorausgegangen war, das Notieren des Kennzeichen des Fahrzeugs des späteren Unfallgegners zu ermöglichen, um eine Ahndung des angeblichen Verkehrsverstoßes des anderen Verkehrsteilnehmers (Befahren einer Einbahnstraße in die falsche Richtung) herbeizuführen.

2.1.1 Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht sei insoweit von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Er habe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren schriftsätzlich den Ausführungen des Beklagten, wonach das Verhalten des Klägers nicht mehr der Fortbewegung, sondern der Ahndung eines vermeintlichen Verkehrsverstoßes des anderen Fahrers gedient habe, widersprochen. Er verweist auf seine Zeugenaussage im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen. Dort sei angegeben, dass die Kennzeichennotierung das vermeintlich letzte Mittel gewesen sei, um den anderen Fahrzeugführer nach mehrmaliger Aufforderung, er möge doch bitte weiter fahren und die Weiterfahrt des Klägers ermöglichen, dazu zu bewegen, dies auch endlich zu tun. Die Aussage des Klägers, dass er sich das Kennzeichen notieren werde, wenn der gegnerische Fahrzeugführer nicht weiterfahren würde, habe also der Fortbewegung und damit dem Erreichen des Dienstortes des Antragstellers gedient.

Mit seiner Rüge greift der Kläger die Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts an, ohne ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aufzuzeigen.

Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es ist dabei nicht an die Sichtweise und Sachverhaltswürdigung einer Prozesspartei gebunden. Soweit eine fehlerhafte Sachverhaltswürdigung des Erstgerichts gerügt wird, liegt der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur dann vor, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind (vgl. BayVGH, B.v. 15.2 2016 - 14 ZB 14.1016 - juris Rn. 7). Derartige Fehler bei der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung zeigt der Kläger nicht auf. Solche sind auch nicht ersichtlich. In der Ankündigung des Notierens des Kennzeichens mag zwar ein möglicher „Anreiz“ zur Fortsetzung der Fahrt gesehen werden. Zum Zeitpunkt des Unfalls war der andere Fahrer jedoch bereits zwei bis drei Meter vorgefahren, um sich seinerseits das Kennzeichen des Klägers zu notieren. Erst danach schickte sich der Kläger an, auszusteigen, um sich das Kennzeichen des Fahrzeugs des anderen Fahrers ebenfalls zu notieren. Spätestens in diesem Zeitpunkt ging es aber nicht mehr darum, den anderen Fahrer zum Weiterfahren zu bewegen. Im Übrigen diente das Notieren des Kennzeichens des anderen Fahrzeugs auch nach der Einlassung des Klägers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren seiner eigenen Absicherung, da er im Falle eines Rechtsstreits nichts in der Hand gehabt hätte.

2.1.2 Auch mit dem Einwand, das Notieren des Kennzeichens des Fahrzeugs des anderen Fahrers habe jedenfalls eine Verrichtung dargestellt, die gleichsam im Vorbeigehen oder ganz nebenbei habe erledigt werden können und die den Dienstunfallschutz nicht entfallen lasse, kann der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils darlegen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass Art. 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG aufgrund der sozialpolitisch motivierten Komponente der Gleichstellung des Wegeunfalls mit dem Dienstunfall restriktiv auszulegen ist und die besonderen Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung maßgebend sind. Dass der Kläger sein Fahrzeug verlassen wollte, war ersichtlich von dem Wunsch geprägt, sich das Kennzeichen des Fahrzeugs des anderen Fahrers zu notieren, um die aus seiner Sicht erlittene Unbill (Beleidigung und Nötigung) strafrechtlich aufarbeiten zu können. Obwohl sein Weg zur Dienststelle durch das Versetzen des gegnerischen Fahrzeugs frei geworden war, hat der Kläger ausschließlich aus privaten Motiven eine neue Handlungssequenz eröffnet, die sich deutlich von dem bloßen „in den Dienst Fahren“ abgrenzen lässt und nicht mehr als belanglose Unterbrechung qualifiziert werden kann. Er hat mit dem Versuch, aus seinem Fahrzeug auszusteigen, eine neue Gefahrensituation geschaffen, die dem Dienstherrn nicht zugerechnet werden kann.

2.2 Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Insoweit verweist der Senat auf seine Ausführungen unter 2.1.

2.3 Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

Der Kläger wirft die Frage auf, „ob bei einem Unfall eines Beamten auf dem Weg zu seinem Wohnort zum Dienstort eine dienstunfallrechtlich geschützte Tätigkeit anzunehmen ist, wenn der Beamte zur Fortsetzung des Wegs darauf angewiesen ist, einem anderen Verkehrsteilnehmer damit zu drohen, dessen Fahrzeugnummer zu notieren, wenn dessen Fahrzeug die Weiterfahrt zum Dienstort blockiert“, ferner die Frage, ob „bei einer notwendigen Unterbrechung des Weges, um die Fahrzeugnummer eines gegnerischen Fahrzeugs, das die Weiterfahrt zum Dienst blockiert, von einer Unterbrechung der Fortbewegung auf dem Weg zur Dienststelle auszugehen ist, welche einer Verrichtung dient, die typischerweise „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenbei“ erledigt wird und bei der das Bundesverwaltungsgericht keine rechtlich relevante Unterbrechung des Wegeschutzes annimmt“. Diese Fragen stellen sich in dieser Form im vorliegenden Fall nicht in entscheidungserheblicher Weise, weil die Weiterfahrt zum Unfallzeitpunkt nicht mehr blockiert war. Zudem sind sie nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls zu beantworten und einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Dienstunfall ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist. Zum Dienst gehören auch

1.
Dienstreisen und die dienstliche Tätigkeit am Bestimmungsort,
2.
die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen und
3.
Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst oder in dem ihm gleichstehenden Dienst, zu deren Übernahme der Beamte gemäß § 98 des Bundesbeamtengesetzes verpflichtet ist, oder Nebentätigkeiten, deren Wahrnehmung von ihm im Zusammenhang mit den Dienstgeschäften erwartet wird, sofern der Beamte hierbei nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist (§ 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch).

(2) Als Dienst gilt auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges zu und von der Dienststelle. Hat der Beamte wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung vom Dienstort an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft, so gilt Satz 1 auch für den Weg zwischen der Familienwohnung und der Dienststelle. Der Zusammenhang mit dem Dienst gilt als nicht unterbrochen, wenn der Beamte

1.
von dem unmittelbaren Weg zwischen der Wohnung und der Dienststelle in vertretbarem Umfang abweicht,
a)
um ein eigenes Kind, für das ihm dem Grunde nach Kindergeld zusteht, wegen seiner eigenen Berufstätigkeit oder der Berufstätigkeit seines Ehegatten in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen oder
b)
weil er mit anderen berufstätigen oder in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen gemeinsam ein Fahrzeug für den Weg zu und von der Dienststelle benutzt, oder
2.
in seiner Wohnung Dienst leistet und Wege zurücklegt, um ein Kind im Sinne des Satzes 3 Nummer 1 Buchstabe a in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen.
Ein Unfall, den der Verletzte bei Durchführung des Heilverfahrens (§ 33) oder auf einem hierzu notwendigen Wege erleidet, gilt als Folge eines Dienstunfalles.

(3) Erkrankt ein Beamter, der wegen der Art seiner dienstlichen Verrichtungen der Gefahr der Erkrankung an einer bestimmten Krankheit besonders ausgesetzt ist, an dieser Krankheit, so gilt die Erkrankung als Dienstunfall, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Die Erkrankung gilt jedoch stets als Dienstunfall, wenn sie durch gesundheitsschädigende Verhältnisse verursacht worden ist, denen der Beamte am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war. Als Krankheiten im Sinne des Satzes 1 kommen die in Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheiten mit den dort bezeichneten Maßgaben in Betracht. Für die Feststellung einer Krankheit als Dienstunfall sind auch den Versicherungsschutz nach § 2, § 3 oder § 6 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch begründende Tätigkeiten zu berücksichtigen, wenn sie ihrer Art nach geeignet waren, die Krankheit zu verursachen, und die schädigende Einwirkung überwiegend durch dienstliche Verrichtungen nach Satz 1 verursacht worden ist.

(4) Dem durch Dienstunfall verursachten Körperschaden ist ein Körperschaden gleichzusetzen, den ein Beamter außerhalb seines Dienstes erleidet, wenn er im Hinblick auf sein pflichtgemäßes dienstliches Verhalten oder wegen seiner Eigenschaft als Beamter angegriffen wird. Gleichzuachten ist ferner ein Körperschaden, den ein Beamter im Ausland erleidet, wenn er bei Kriegshandlungen, Aufruhr oder Unruhen, denen er am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthaltes im Ausland besonders ausgesetzt war, angegriffen wird.

(5) Unfallfürsorge wie bei einem Dienstunfall kann auch gewährt werden, wenn ein Beamter, der zur Wahrnehmung einer Tätigkeit, die öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient, beurlaubt worden ist und in Ausübung dieser Tätigkeit einen Körperschaden erleidet.

(6) (weggefallen)

Tatbestand

1

Die Verfahrensbeteiligten streiten um die Anerkennung eines Wegeunfalls als Dienstunfall.

2

Die Klägerin ist Bundesbeamtin im Dienst des Bundesnachrichtendienstes (BND). Als Regierungsinspektoranwärterin war sie im November 2007 zur Absolvierung ihres Grundstudiums an die Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl abgeordnet. Von dort aus trat sie am Mittag des 30. November 2007, dem Unfalltag, mit einem voll betankten privaten PKW des Typs VW Lupo 1,4 l die Heimfahrt zu ihrem in P. gelegenen Erstwohnsitz an. Die Fahrtstrecke belief sich auf etwa 508 km. Der Durchschnittsverbrauch des Fahrzeuges wird mit 6,2 l/100 km, sein Tankinhalt mit 34 l angegeben. Nach einem Tankaufenthalt an dem Rasthof Pforzheim - die Autobahnraststätte liegt circa 328 km von der Ausbildungsstätte entfernt - erlitt die Klägerin noch auf dem Gelände der Raststätte bei der Kollision ihres Fahrzeuges mit einem anderen Fahrzeug eine Distorsion der Halswirbelsäule, deretwegen sie sich sieben Monate lang in ärztlicher Behandlung befand und die zu einer vorübergehenden Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit führte.

3

Der BND lehnte es ab, diesen Unfall als Dienstunfall anzuerkennen. In dem Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2010 heißt es: Der Unfall habe seine wesentliche innere Ursache nicht im Dienst gehabt. Das Betanken des Fahrzeuges sei dem Bereich der eigenwirtschaftlichen Betätigung zuzuordnen gewesen. Umstände, die einen rechtlich wesentlichen Zusammenhang zum Dienst begründen könnten, lägen nicht vor. Insbesondere sei das Nachtanken nicht unvorhersehbar gewesen, da sich schon bei Antritt der Fahrt die Notwendigkeit abgezeichnet habe, den Inhalt des Reservetanks in Anspruch nehmen zu müssen. Zudem sei das Nachtanken an der Autobahnraststätte Pforzheim noch nicht notwendig gewesen, da sie dort noch nicht "auf Reserve" gefahren sei.

4

Die Klägerin begründet ihrer Klage wie folgt: Als Dienst gelte auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges von der Dienststelle. Das Nachtanken auf dem Heimweg sei nicht dem Bereich der eigenwirtschaftlichen Betätigung beziehungsweise dem privaten Lebensbereich zuzurechnen, da es für den angetretenen Weg zwischen Dienststelle und Wohnung notwendig gewesen sei. Es sei unerheblich, ob die Notwendigkeit bei Antritt der Fahrt bereits erkennbar gewesen sei und welche Strecke mit dem Benzin "im Reservetank" noch hätte zurückgelegt werden können. Weder sei es möglich gewesen, die Wegstrecke mit einer einzigen Tankfüllung zurückzulegen, noch habe sie das Risiko des Liegenbleibens eingehen müssen.

5

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Juni 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2010 zu verpflichten, den am 30. November 2007 erlittenen Unfall als Dienstunfall anzuerkennen.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Sie verweist auf die Gründe der ablehnenden Bescheide.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegten Aktenauszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage, über die der Senat gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) entscheidet, ist begründet.

10

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Anerkennung des Unfalls vom 30. November 2007 als Dienstunfall. Der entgegenstehende Bescheid vom 9. Juni 2008 und der Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2010 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

11

Da die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls im Beamtenverhältnis auf Widerruf stand, genießt sie Dienstunfallschutz nach § 31 BeamtVG. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BeamtVG gilt als Dienst auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges nach und von der Dienststelle. Hat der Beamte wegen der Entfernung seiner ständigen Familienunterkunft vom Dienstort an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft, so gilt dies gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BeamtVG auch für den Weg von und nach der Wohnung.

12

Der Gesetzgeber hat den Wegeunfall dem Dienstunfall lediglich gleichgestellt und damit zu erkennen gegeben, dass der Weg zwischen Dienststelle und Wohnung im beamtenrechtlichen Sinne kein Dienst ist. Die Gleichstellung dient der Erweiterung der Unfallfürsorge des Dienstherrn auf die außerhalb des privaten Lebensbereichs herrschenden Gefahren des allgemeinen Verkehrs, die weder der Dienstherr noch der Beamte im Wesentlichen beeinflussen können (Urteil vom 27. Januar 2005 - BVerwG 2 C 7.04 - BVerwGE 122, 360 <361 f.> = Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 15 S. 11).

13

Bei einem Unfall, den ein Beamter auf dem Weg nach oder von der Dienststelle erleidet, wird Dienstunfallschutz gewährt, wenn der Weg im Dienst seine wesentliche Ursache hat, wenn also andere mit dem Dienst nicht zusammenhängende Ursachen für das Zurücklegen des Weges in den Hintergrund treten (stRspr, vgl. Urteil vom 27. Mai 2004 - BVerwG 2 C 29.03 - BVerwGE 121, 67 <68> m.w.N.). Der Beamte muss sich auf dem - unmittelbaren - Weg zwischen seiner Dienststelle und seiner regelmäßigen häuslichen Unterkunft befinden, um sich zum Dienst zu begeben oder aus dem Dienst in seinen privaten Lebensbereich zurückzukehren (Urteile vom 6. Juli 1965 - BVerwG 2 C 39.63 - BVerwGE 21, 307 <310 f.> und vom 27. Mai 2004 - BVerwG 2 C 29.03 - a.a.O.). Weicht der Beamte auf dem Weg zum oder vom Dienst von dem normalerweise zum Erreichen der Dienststelle oder der Wohnung gebotenen Weg um eines privaten Zweckes willen ab, so steht dieser Teil des Wegs nicht unter Unfallfürsorge. Ob der notwendige Zusammenhang mit dem Dienst durch ein Abweichen von dem unmittelbaren Weg zwischen Wohnung und Dienststelle oder umgekehrt unterbrochen oder gar gelöst wird, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (Urteile vom 6. Juli 1965 a.a.O. und vom 21. Juni 1982 - BVerwG 6 C 90.78 - Buchholz 232 § 135 BBG Nr. 61 m.w.N.; vgl. zum Recht der Unfallversicherung der Arbeitnehmer auch BSG, Urteil vom 28. Februar 1964 - 2 RU 22/61 - BB 1964, 684).

14

Nach diesen Grundsätzen war der Verkehrsunfall der Klägerin als Wege- und damit als Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG anzuerkennen. Der Tankaufenthalt an der Autobahntankstelle Rasthof Pforzheim stellte keine wesentliche Unterbrechung der dienstlich bedingten Heimfahrt, das Nachtanken selbst keine den notwendigen Zusammenhang mit dem Dienst unterbrechende eigenwirtschaftliche Betätigung dar.

15

Allerdings ist das Auftanken grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich des Beamten zuzurechnen. Es handelt sich um eine Verrichtung, die dem Dienst zu fern steht, als dass sie schon dem persönlichen Lebensbereich des Beschäftigten entzogen und der dienstlichen Sphäre zuzurechnen wäre. Anders verhält es sich, wenn das Nachtanken während der Fahrt unvorhergesehen notwendig wird, damit der restliche Weg zurückgelegt werden kann. Hiervon ist auszugehen, wenn sich entweder während oder aber auch schon bei Antritt der Fahrt die Notwendigkeit ergibt, den Inhalt eines Reservetanks in Anspruch zu nehmen (vgl. BSG, Urteile vom 14. Dezember 1978 - 2 RU 59/78 - SozR 2200 § 550 Nr. 39 -, vom 24. Mai 1984 - 2 RU 3/83 - BB 1984, 2066 und vom 11. August 1998 - B 2 U 29/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr. 19 -).

16

Gleiches muss gelten, wenn der Weg mit einer einzigen Tankfüllung nicht verlässlich zurückzulegen ist. Das erforderliche Nachtanken ist in einem solchen Fall nicht dem persönlichen Bereich des Beamten zuzurechnen. Es hat vielmehr seine wesentliche Ursache in der Rückkehr zur Wohnung, für die Dienstunfallschutz nach § 31 Abs. 2 BeamtVG besteht. Ist danach ein Nachtanken auch bei Fahrtbeginn mit vollem Tank unterwegs voraussichtlich erforderlich, so ist es unerheblich, zu welchem Zeitpunkt der Tankvorgang erfolgt. Es ist in diesem Fall nicht geboten, mit dem Nachtanken zuzuwarten, bis sich die Tankanzeige im Reservebereich befindet. Ebenso wenig kommt es darauf an, welche Wegstrecke der Beamte mit dem restlichen Kraftstoff noch hätte zurücklegen können (vgl. zum Recht der gesetzlichen Unfallversicherung BSG, Urteile vom 14. Dezember 1978 a.a.O. und vom 24. Mai 1984 a.a.O.).

17

Demgemäß war hier die Unterbrechung der Heimfahrt zum Zwecke des einmaligen Nachtankens dienstlich veranlasst. Ausgehend von einem Durchschnittsverbrauch ihres Fahrzeuges von 6,2 l/100 km, einem Tankinhalt von 34 l und einer sich hieraus errechnenden Reichweite von 548 km konnte die Klägerin nicht verlässlich davon ausgehen, die Strecke zwischen Ausbildungs- und Wohnort von 508 km mit einer Tankfüllung zurückzulegen. Vielmehr musste sie erhöhten Kraftstoffverbrauch, bedingt durch hohe Geschwindigkeit und Verkehrsbehinderungen, erwarten. Daher war das Nachtanken nach ungefähr zwei Dritteln der Strecke nicht geeignet, den Zusammenhang zu der Heimfahrt zu unterbrechen.

(1) Dienstunfall ist ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist. Zum Dienst gehören auch

1.
Dienstreisen und die dienstliche Tätigkeit am Bestimmungsort,
2.
die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen und
3.
Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst oder in dem ihm gleichstehenden Dienst, zu deren Übernahme der Beamte gemäß § 98 des Bundesbeamtengesetzes verpflichtet ist, oder Nebentätigkeiten, deren Wahrnehmung von ihm im Zusammenhang mit den Dienstgeschäften erwartet wird, sofern der Beamte hierbei nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist (§ 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch).

(2) Als Dienst gilt auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges zu und von der Dienststelle. Hat der Beamte wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung vom Dienstort an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft, so gilt Satz 1 auch für den Weg zwischen der Familienwohnung und der Dienststelle. Der Zusammenhang mit dem Dienst gilt als nicht unterbrochen, wenn der Beamte

1.
von dem unmittelbaren Weg zwischen der Wohnung und der Dienststelle in vertretbarem Umfang abweicht,
a)
um ein eigenes Kind, für das ihm dem Grunde nach Kindergeld zusteht, wegen seiner eigenen Berufstätigkeit oder der Berufstätigkeit seines Ehegatten in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen oder
b)
weil er mit anderen berufstätigen oder in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen gemeinsam ein Fahrzeug für den Weg zu und von der Dienststelle benutzt, oder
2.
in seiner Wohnung Dienst leistet und Wege zurücklegt, um ein Kind im Sinne des Satzes 3 Nummer 1 Buchstabe a in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen.
Ein Unfall, den der Verletzte bei Durchführung des Heilverfahrens (§ 33) oder auf einem hierzu notwendigen Wege erleidet, gilt als Folge eines Dienstunfalles.

(3) Erkrankt ein Beamter, der wegen der Art seiner dienstlichen Verrichtungen der Gefahr der Erkrankung an einer bestimmten Krankheit besonders ausgesetzt ist, an dieser Krankheit, so gilt die Erkrankung als Dienstunfall, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Die Erkrankung gilt jedoch stets als Dienstunfall, wenn sie durch gesundheitsschädigende Verhältnisse verursacht worden ist, denen der Beamte am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war. Als Krankheiten im Sinne des Satzes 1 kommen die in Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheiten mit den dort bezeichneten Maßgaben in Betracht. Für die Feststellung einer Krankheit als Dienstunfall sind auch den Versicherungsschutz nach § 2, § 3 oder § 6 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch begründende Tätigkeiten zu berücksichtigen, wenn sie ihrer Art nach geeignet waren, die Krankheit zu verursachen, und die schädigende Einwirkung überwiegend durch dienstliche Verrichtungen nach Satz 1 verursacht worden ist.

(4) Dem durch Dienstunfall verursachten Körperschaden ist ein Körperschaden gleichzusetzen, den ein Beamter außerhalb seines Dienstes erleidet, wenn er im Hinblick auf sein pflichtgemäßes dienstliches Verhalten oder wegen seiner Eigenschaft als Beamter angegriffen wird. Gleichzuachten ist ferner ein Körperschaden, den ein Beamter im Ausland erleidet, wenn er bei Kriegshandlungen, Aufruhr oder Unruhen, denen er am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthaltes im Ausland besonders ausgesetzt war, angegriffen wird.

(5) Unfallfürsorge wie bei einem Dienstunfall kann auch gewährt werden, wenn ein Beamter, der zur Wahrnehmung einer Tätigkeit, die öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient, beurlaubt worden ist und in Ausübung dieser Tätigkeit einen Körperschaden erleidet.

(6) (weggefallen)

(1) Tritt eine Beamtin oder ein Beamter aufgrund des § 134 Abs. 1 kraft Gesetzes in den Dienst einer anderen Körperschaft über oder wird sie oder er aufgrund des § 134 Abs. 2 oder 3 von einer anderen Körperschaft übernommen, wird das Beamtenverhältnis mit dem neuen Dienstherrn fortgesetzt.

(2) Im Fall des § 134 Abs. 1 ist der Beamtin oder dem Beamten von der aufnehmenden oder neuen Körperschaft die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses schriftlich zu bestätigen.

(3) In den Fällen des § 134 Abs. 2 und 3 wird die Übernahme von der Körperschaft verfügt, in deren Dienst die Beamtin oder der Beamte treten soll. Die Verfügung wird mit der Zustellung an die Beamtin oder den Beamten wirksam. Die Beamtin oder der Beamte ist verpflichtet, der Verfügung Folge zu leisten. Kommt sie oder er der Verpflichtung nicht nach, wird sie oder er entlassen.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend in den Fällen des § 134 Abs. 4.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. September 2012 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. September 2011 zurückgewiesen.

Kosten sind in allen drei Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Ereignisses vom 20.7.2010 als Arbeitsunfall streitig.

2

Der Kläger wollte auf dem direkten Heimweg von der Arbeit in R. auf einem übersichtlichen Stück einer Ortsdurchfahrt links in ein Privatgrundstück einbiegen, um dort an einem Verkaufsstand Erdbeeren einzukaufen. Aufgrund des Gegenverkehrs musste er bis zum Stillstand abbremsen. Nach wenigen Sekunden fuhr die Unfallverursacherin ungebremst hinten auf seinen Pkw auf. Diese gab an, das klägerische Auto habe plötzlich angehalten, um nach links abzubiegen. Sie habe noch versucht zu bremsen, die Kollision aber nicht mehr vermeiden können. Das Strafverfahren wegen Körperverletzung gegen die Unfallverursacherin wurde eingestellt. Bei dem Auffahrunfall erlitt der Kläger eine Stauchung und Zerrung der Halswirbelsäule ohne Zeichen einer Commotio. Er war bis 24.7.2010 arbeitsunfähig erkrankt.

3

Die Beklagte lehnte im Bescheid vom 16.11.2010 die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Sie führte zur Begründung aus, der innere Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Zurücklegung des Wegs setze voraus, dass die Zurücklegung des Wegs wesentlich dazu diene, die Wohnung zu erreichen. Beim Kläger sei zum Zeitpunkt des Unfalls die Handlungstendenz darauf ausgerichtet gewesen, an dem Straßenstand Erdbeeren zu kaufen, weshalb er eigenwirtschaftliche Ziele verfolgt habe. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19.4.2011).

4

Hiergegen hat der Kläger Klage zum SG Reutlingen erhoben, das mit Urteil vom 15.9.2011 die Klage abgewiesen hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, im Zeitpunkt des Unfalls sei die Handlungstendenz des Klägers nicht mehr auf das Zurücklegen des unmittelbaren Wegs von der versicherten Beschäftigung, sondern von privatwirtschaftlichen Interessen getragen gewesen. Dies habe sich auch objektiv im Anhalten niedergeschlagen. Die Fahrt auf ein an der gegenüberliegenden Straßenseite liegendes Grundstück, um dort Erdbeeren zu kaufen, könne nicht als lediglich geringfügige Unterbrechung des Wegs betrachtet werden, weil dieser Vorgang eine klare Zäsur im Zurücklegen des Wegs von der versicherten Beschäftigung darstelle. Der Kläger habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls zwar noch geographisch auf dem Heimweg befunden, juristisch jedoch nicht mehr, weil er die Zurücklegung dieses Wegs zugunsten einer nicht mit seiner Beschäftigung zusammenhängenden Tätigkeit in nicht nur geringfügiger Weise zumindest vorübergehend aufgegeben habe.

5

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG Baden-Württemberg durch Urteil vom 20.9.2012 das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass das Unfallereignis vom 20.7.2010 ein Arbeitsunfall gewesen sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei während des Unfalls versichert gewesen. Er habe auf dem Weg von seiner Arbeitsstätte zur Wohnung grundsätzlich unter Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII gestanden. Der Weg zur Arbeit sei nicht durch das bloße Anhalten, auch wenn dieses einem Lebensmitteleinkauf dienen sollte, unterbrochen worden. Zwar wäre der Einkauf selbst mit der Einfahrt auf ein Privatgrundstück diesem Weg nicht zuzurechnen, denn es fehle am inneren Zusammenhang mit der Beschäftigung. Eine Unterbrechung sei aber dann als geringfügig anzusehen, wenn - wie hier - der öffentliche Verkehrsraum der zur Arbeitsstätte führenden Straße nicht verlassen werde. Die räumliche Unterbrechung beginne erst dann, wenn der Versicherte den öffentlichen Verkehrsraum seines Wegs nach und von dem Ort der Tätigkeit verlasse und ende mit dem Erreichen dieses Verkehrsraums sowie der Wiederaufnahme der Fortbewegung in Richtung des ursprünglichen Ziels. Der Unfall habe sich indessen noch bevor der Kläger überhaupt die Fahrrichtung geändert hatte und damit im öffentlichen Verkehrsraum der genutzten Straße in einem Bereich ereignet, den der Kläger auch ohne den Einkauf der Erdbeeren auf dem Weg von seiner Arbeitsstätte zur Wohnung befahren hätte. Dass der Kläger bereits angehalten und damit die Fortbewegung unterbrochen gehabt habe, spiele in diesem Zusammenhang keine Rolle. Das Anhalten des Autos, um einen Abbiegevorgang durchzuführen, sei zunächst ein neutraler Vorgang. Nach Ansicht der Beklagten und des SG wäre der Weg bereits dann unterbrochen und der Versicherungsschutz würde enden, wenn der Versicherte lediglich anhalte, es sei denn, er könnte seinerseits nachweisen, dass er aus versicherten Gründen angehalten habe. Diese Feststellung allein aufgrund der Absichten des Versicherten zu treffen - ohne dass es objektiv zu einem Verlassen des Verkehrswegs gekommen sei - würde zu nicht mehr justitiablen Ergebnissen gerade in den Fällen führen, in denen nicht mehr eindeutig geklärt werden könne, aus welchem Grund es zu einem Anhalten des Versicherten gekommen sei.

6

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Das Anhalten auf dem versicherten Weg vor dem Abbiegen zu privaten Zwecken sei nach der neueren Rechtsprechung des BSG nicht mehr vom Versicherungsschutz der Wegeunfallversicherung umfasst. Hiernach komme es nicht mehr darauf an, ob sich der Versicherte im öffentlichen Verkehrsraum befunden habe, sondern auf die Handlungstendenz. Es habe sich auch um keine lediglich geringfügige Unterbrechung gehandelt, weil der Erdbeerkauf nicht gleichsam nebenher habe erledigt werden können.

7

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 20.9.2012 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Reutlingen vom 15.9.2011 zurückzuweisen.

8

Der Kläger beantragt sinngemäß,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des LSG beruht auf einer Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Deshalb war das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das zutreffende Urteil des SG zurückzuweisen. Der Kläger hat am 20.7.2010 keinen Arbeitsunfall erlitten.

10

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - BSGE 111, 52 = SozR 4-2700 § 2 Nr 21, vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44, vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - UV-Recht Aktuell 2013, 251, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen; zuletzt BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

11

Der Kläger befand sich nach den Feststellungen des LSG am 20.7.2010 auf dem direkten Heimweg von seiner Arbeitsstätte. Die durch den Auffahrunfall verursachten gesundheitlichen Einwirkungen auf den Körper des Klägers begründeten jedoch keinen Arbeitsunfall, weil sie nicht iS von § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII "infolge" des Zurücklegens des versicherten Wegs auftraten und damit nach dem Schutzzweck der Norm nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen waren. Der Kläger selbst hat, indem er sein Fahrzeug zum Stehen brachte, die maßgebliche und unmittelbare Wirkursache für den Unfall - das Auffahren der Unfallverursacherin von hinten auf sein Fahrzeug - gesetzt. Er handelte dabei ausschließlich aus dem privatwirtschaftlichen Beweggrund, die Fahrt in anderer Richtung fortzusetzen, um dort Erdbeeren zu kaufen. Diese subjektive Handlungstendenz schlug sich unmittelbar in dem objektiv beobachtbaren Verhalten - dem vollständigen Abbremsen des Fahrzeugs - nieder (hierzu unter 1.) Entgegen der Rechtsansicht des LSG handelte es sich dabei auch nicht um eine geringfügige, zu vernachlässigende Unterbrechung (vgl unter 2.).

12

1. Die konkrete Verrichtung des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls - das vollständige Abbremsen des Pkw - stand nicht unter Versicherungsschutz. Wie das BSG seit seiner Entscheidung vom 9.12.2003 (B 2 U 23/03 R - BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3) in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl nur Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25, vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 und - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29, RdNr 22 f sowie vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32) ist maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung noch der Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin (hier Wohnung des Klägers) dient, die Handlungstendenz des Versicherten. Diesen Grundsatz hatte das BSG bis zu der Entscheidung vom 9.12.2003 (aaO) freilich mit der Einschränkung versehen, dass der Versicherungsschutz trotz der vorübergehenden Lösung vom betrieblichen Zweck des Wegs solange erhalten bleibt, wie sich der Versicherte noch innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums der für den Weg zu oder von der Arbeitsstätte benutzten Straße aufhält. Die nicht mehr versicherte Unterbrechung des Wegs begann nach dieser überholten Rechtsprechung danach erst, wenn der öffentliche Verkehrsraum, beispielsweise durch Betreten eines Geschäfts oder durch Einbiegen in eine Seitenstraße, verlassen wurde. Sie endete, sobald der Versicherte nach Erledigung der eigenwirtschaftlichen Verrichtung zur Fortsetzung des Wegs in den Bereich der Straße zurückkehrte (s etwa BSG vom 2.7.1996 - 2 RU 16/95 - SozR 3-2200 § 550 Nr 14 mwN). An dieser einschränkenden Rechtsprechung, die in der Vergangenheit aus Gründen der Rechtsklarheit und Verwaltungspraktikabilität die Einbeziehung bestimmter im privaten Bereich wurzelnder Unfallrisiken in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung in Kauf genommen hatte, hat der Senat seit nunmehr zehn Jahren nicht mehr festgehalten. Wird der Weg zu oder von der Arbeitsstätte durch eine private Besorgung mehr als nur geringfügig unterbrochen, besteht während der Unterbrechung kein Versicherungsschutz. Dieser setzt erst wieder ein, wenn die eigenwirtschaftliche Tätigkeit beendet ist und die Handlungstendenz auch nach außen erkennbar wieder darauf gerichtet ist, den ursprünglichen, versicherten Weg wieder aufzunehmen (vgl das Urteil des Senats vom heutigen Tage - 4.7.2013 - B 2 U 12/12 R - Fortsetzung der Fahrt auf der Straße nach Beendigung eines Tankvorgangs).

13

Der Kläger hat hier sein Fahrzeug bis zum Stand abgebremst, um über die Gegenfahrbahn auf ein privates Gelände zu fahren, wo er Erdbeeren kaufen wollte. Das Kaufen der Erdbeeren stand als rein privatwirtschaftliche Handlung nicht mehr unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung. Gründe dafür, nach denen die Nahrungsaufnahme in Form von Erdbeeren hier ausnahmsweise versichert gewesen sein könnte (vgl hierzu zuletzt das Urteil des Senats vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - mwN) sind weder festgestellt noch erkennbar. Begonnen hat der Kläger mit der Unterbrechung des versicherten Wegs mit dem Ziel des Erdbeerkaufs objektiv erkennbar in dem Moment, in dem er nach außen hin sichtbar seine subjektive Handlungstendenz in ein für Dritte beobachtbares "objektives" Handeln umgesetzt hat. Zutreffend hat das SG erkannt (vgl auch LSG Berlin-Brandenburg vom 3.11.2011 - L 3 U 7/09 - Ende des Versicherungsschutzes der Wegeunfallversicherung bei objektiv erkennbarer Verlangsamung des Fahrzeugs und Setzen eines Blinkers auch auf eigener Fahrbahnhälfte), dass damit die private Handlung in Gang gesetzt war. Denkt man sich die durch das Abbremsen verobjektivierte subjektive Handlungstendenz des Klägers hinweg, so findet sich schon auf der ersten Stufe der Kausalitätsprüfung kein naturwissenschaftlicher Grund mehr für das Auffahren der Unfallverursacherin. Einzige objektive Wirkursache für den Unfall war das Abbremsen aus privatwirtschaftlicher Motivation.

14

Wie der Senat am 9.12.2003 (aaO, RdNr 26) ausgeführt hat, steht es dem Versicherten frei, sich im öffentlichen Verkehrsraum beliebig zu bewegen, wenn die Fortbewegung nach seiner Handlungstendenz der Zurücklegung des Wegs von oder zum Ort der Tätigkeit zu dienen bestimmt ist. Insofern mag der Autofahrer bei einer doppelspurigen Straße entscheiden, ob er die rechte oder die linke Fahrspur befährt. Sobald indes der Versicherte allein eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt, die mit der versicherten Fortbewegung nicht übereinstimmen, wird der Versicherungsschutz unterbrochen, und zwar so lange, bis er die Fortbewegung auf sein ursprüngliches Ziel hin wieder aufnimmt (vgl hierzu das Urteil von heutigen Tage - 4.7.2013 - B 2 U 12/12 R). Bei Benutzung eines Fahrzeugs (Pkw, Motorrad, Fahrrad) wird die eigenwirtschaftliche Handlungstendenz dabei nicht erst mit dem Verlassen des öffentlichen Verkehrsraums ersichtlich. Sie prägt das Verhalten des Versicherten, sobald er zB mit dem Ziel des Abbiegens durch das vollständige Abbremsen desselben nach außen dokumentiert, dass er sich auf dem versicherten Weg nicht weiter fortbewegen will. Die konkrete Verrichtung - das Abbremsen bis zum Stillstand - war allein dem eigenwirtschaftlich geprägten Wunsch zuzurechnen, einen Einkauf durchzuführen. Erst dieser Wunsch führte überhaupt dazu, dass der Versicherte abbremste.

15

2. Entgegen der Rechtsansicht des LSG handelte es sich auch nicht um eine lediglich geringfügige, unbeachtliche Unterbrechung des Heimwegs. Wie der Senat in seinem Urteil vom 17.2.2009 (B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 15) klargestellt hat, ist eine Unterbrechung als geringfügig zu bezeichnen, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Wegs nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist. Das ist der Fall, wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung des ursprünglich aufgenommenen Ziels führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann (BSG vom 9.12.2003, aaO, RdNr 7; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 12). Nach dieser Rechtsprechung bewirkte etwa ein Richtungswechsel mit einem Pkw auf einem grundsätzlich versicherten Heimweg, mit dem sich der Versicherte wieder in entgegengesetzter Richtung von seiner Wohnung wegbewegt, eine deutliche Zäsur, weil sich die Umkehr sowohl nach ihrer Zielrichtung als auch ihrer Zweckbestimmung von dem zunächst zurückgelegten Heimweg unterscheidet (so auch BSG vom 19.3.1991 - 2 RU 45/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr 8 S 19 mwN; vgl auch für den 100 m längeren Weg zum Bankautomaten BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 40/02 R).

16

Hier handelte der Kläger mit dem Ziel, über die Gegenfahrbahn hinweg ein privates Grundstück zu erreichen, um dort Erdbeeren einzukaufen. Die Gesamtheit dieses geplanten Handelns kann nicht mehr als geringfügig angesehen werden, weil sie eben gerade nicht "nur nebenbei" erledigt werden kann. Vielmehr setzt der subjektive Wunsch des Erdbeerkaufens eine neue objektive Handlungssequenz in Gang, die sich deutlich von dem bloßen "nach Hause fahren" abgrenzen lässt. Die konkrete Verrichtung des Abbremsens steht ihrerseits in einem unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhang mit diesem Erdbeerkauf, der durch das zum Stand kommen des Pkw nach außen hin erkennbar in Gang gesetzt ist. Soweit das LSG rügt, damit werde einzig die geäußerte Motivation des jeweiligen Versicherten zum Maßstab des Versicherungsschutzes, so ist dies die Konsequenz der mit dem 9.12.2003 (aaO) begonnenen Rechtsprechung des Senats, die in der Praxis allerdings zu berechenbaren Ergebnissen führt (vgl insofern etwa nur LSG Berlin-Brandenburg vom 3.11.2011 - L 3 U 7/09 - sowie vom 16.5.2013 - L 3 U 268/11 -; vgl weiterhin Bayerisches LSG vom 25.10.2011 - L 3 U 52/11 - sowie vom 8.5.2007 - L 18 U 131/06 - Einkauf von Pilzen; LSG Niedersachen-Bremen vom 25.8.2010 - L 3 U 6/07 -; LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.9.2009 - L 15 U 298/08).

17

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 15.790,64 Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) und des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere rechtliche Schwierigkeiten) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) und des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, B. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemte auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B. v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 - DVBl. 2004, 838). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat - zutreffend - den Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 5. Juni 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 14. August 2012 aufgehoben, mit dem die mit Bescheid vom 6. Juli 2011 erfolgte Anerkennung des Unfalls vom 12. Mai 2011 als Dienstunfall aufgehoben wurde und Heilbehandlungskosten in Höhe von 10.790,64 Euro zurückgefordert wurden.

Der Beklagte macht geltend, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ergäben sich vorliegend zunächst aus einer unzureichenden Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Insoweit sei wegen Verletzung der Amtsermittlungspflichten auch ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO gegeben, so dass gleichzeitig von einem Verfahrensfehler i. S. von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO auszugehen sei.

In der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts ist kein Verfahrensmangel zu erkennen. Das Verwaltungsgericht hat die Vorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach es aufgrund seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet, nicht verletzt. Zu dem Gesamtergebnis des Verfahrens gehören insbesondere die Erklärungen der Verfahrensbeteiligten, der Inhalt der vom Gericht beigezogenen Akten sowie die im Rahmen einer Beweiserhebung getroffenen tatsächlichen Feststellungen, unbeschadet der Befugnis des Gerichts, die Erklärungen der Verfahrensbeteiligten, den Inhalt beigezogener Akten sowie das Ergebnis einer Beweisaufnahme frei zu würdigen. Das Gericht verstößt gegen das Gebot, seine Überzeugungsbildung als Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen, wenn es von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich hätte aufdrängen müssen (BVerwG, B. v. 14.1.2010 - 6 B 74.09 - juris).

Das Verwaltungsgericht geht im angegriffenen Urteil davon aus, dass sich die Klägerin ausschließlich zur Reinigung der Hände aufgrund der vorhergehenden Verschmutzung durch das Wegräumen einer zerbrochenen Flasche mit klebriger Flüssigkeit im Toilettenraum aufgehalten habe und dass es keine andere Waschmöglichkeit gegeben habe.

Der Beklagte rügt, der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Sachverhalt im Zusammenhang mit der angeblich zerbrochenen Flasche sei im Hinblick auf die schriftlichen Ausführungen der Klägerin im Rahmen des Verwaltungsverfahrens und im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen die Rücknahme des Anerkennungsbescheides sowie im Rahmen der Klagebegründung nicht ansatzweise schlüssig.

Im Anhörungsschreiben des Landesamts der Finanzen vom 22. Mai 2012 zur Rücknahme des Anerkennungsbescheides vom 6. Juni 2011 ging dieses davon aus, dass Tätigkeiten, die aus eigenwirtschaftlichen Gründen (hier: Toilettenbenutzung) erfolgen, nicht unter Dienstunfallsturz stehen und daher die Anspruchsvoraussetzungen für eine Anerkennung als Dienstunfall nicht vorliegen. Insoweit ging das Landesamt für Finanzen von einem „gewöhnlichen Toilettengang“ als Sachverhalt aus. Diesem vom Beklagten angenommenen Sachverhalt ist die Klägerin zwar nicht entgegengetreten, aber ihre Bevollmächtigten haben in rechtlicher Hinsicht argumentiert, dass auch bei Annahme der Gegebenheiten durch das Landesamt für Finanzen Dienstunfallschutz bestehe (vgl. Schreiben d. Bevollmächtigten d. Klägerin v. 29.5.2012).

Im Bescheid vom 5. Juni 2012 ist das Landesamt für Finanzen weiterhin von einer Toilettennutzung ausgegangen und hat sich rechtlich auf den Standpunkt gestellt, dass die Toilettenbenutzung innerhalb der Toilettenräume einschließlich des Waschens der Hände aus eigenwirtschaftlichen Gründen nicht unter den Dienstunfallschutz fallen. Dem ist die Klägerin im Widerspruchsverfahren aus rechtlichen Gründen entgegengetreten, ohne dass es hier auf die Einzelheiten ankam, aus welchen Gründen sich die Klägerin in dem Sanitärraum aufgehalten hat. Soweit die Klägerin im Widerspruchsverfahren (vergl. Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 3.7.2012) die Eigenschaft als Dienstunfall auch u. a. mit der Kontrollpflicht der Sanitärräume durch die Lehrer begründet hat, war das aber nicht so zu verstehen, dass die Klägerin damit die Kontrolle der Sanitärräume als Grund für ihren dortigen Aufenthalt angegeben hat. Sie wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass der Aufenthalt im Sanitärraum zu Dienstzeiten nicht als privatnützige Tätigkeit angesehen werden kann. In der mündlichen Verhandlung vom 6. Juni 2013 hatte zwar die Klägerin angegeben, es hätte in der Schule kein weiteres Waschbecken gegeben, an dem sie sich die Hände hätte waschen können. Diese Angabe ist zwar objektiv nicht richtig, jedoch kann diese Aussage dahingehend verstanden werden, dass ihr vor Unterrichtsbeginn zu einem Zeitpunkt, zu dem die Unterrichtsräume noch abgeschlossen waren, kein anderes Waschbecken zur Verfügung stand. Daraus kann aber nicht die Unglaubwürdigkeit der Klägerin abgeleitet werden.

Aufgrund ihrer Rechtsansicht bestand für die Klägerin keine Veranlassung, über den Grund des Händewaschens Ausführungen zu machen. Die Klägerin hat auch nie ausgeführt, dass sie den Sanitärraum zu einem Toilettengang betreten hat, sondern sie hat sich immer auf das Ausrutschen und Umknicken auf dem Fliesenboden nach dem Händewaschen bezogen. Einen Toilettengang hat lediglich der Beklagte angenommen, dies hat die Klägerin aber niemals bestätigt.

Soweit der Beklagte vorträgt, er sei aufgrund der Diskrepanzen zwischen den Erklärungen in der Niederschrift der mündlichen Verhandlung und dem vom Verwaltungsgericht diesbezüglich detail- und facettenreichen dargestellten Sachverhalt abgehalten worden, diesbezügliche Beweisanträge zur Hinterfragung der Glaubwürdigkeit des klägerischen Vortrags zu stellen, überzeugt dies nicht. Der Vertreter des Beklagten erklärte zu den Einlassungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung lediglich, der Aufenthalt im Sanitärraum sei, aus welchen Gründen auch immer, nicht dienstunfallgestützt. Er sah nach seiner rechtlichen Auffassung demnach keinen Anlass, den Vortrag der Klägerin in Frage zu stellen.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Verwaltungsgericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich hätte aufdrängen müssen. Die Klägerin hat zwar den vom Verwaltungsgericht angenommenen detaillierten Sachverhalt erstmals in der mündlichen Verhandlung aufgrund der Befragung durch das Gericht dargelegt. Darin liegt jedoch keine Diskrepanz zu dem bisherigen Vorbringen, denn die Klägerin hat nie einen anderen Zweck als das Händewaschen für ihren Gang in den Sanitärraum angegeben. Dass der Beklagte durch die Verwechslung von Sanitärraum mit Sanitätsraum falsche Schlüsse gezogen hat, ist nicht der Klägerin anzulasten. Aufgrund ihres Vorbringens in rechtlicher Hinsicht im Widerspruchs- und im Klageverfahren kam es nicht auf eine detaillierte Angabe an, warum sie den Sanitärraum zum Händewaschen aufgesucht hat.

2. Ebenso bestehen keine rechtlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils hinsichtlich der Subsumtion des Unfalls unter den Begriff des Dienstunfalls i. S. v. Art. 46 BayBeamtVG. Ein Dienstunfall ist nach Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG ein auf äußere Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Das Begriffsmerkmal „in Ausübung des Dienstes“ wird regelmäßig verwirklicht sein, wenn sich der Beamte während der Arbeitszeit, insbesondere der regelmäßigen Arbeitszeit, im Dienstgebäude aufhält. Außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit befindet sich der Beamte normalerweise nicht in Ausübung des Dienstes. Ist aber der räumliche und zeitliche Zusammenhang mit der eigentlichen Dienstausübung dergestalt gegeben, dass sich der Beamte im Augenblick des Unfalls während der (regelmäßigen) Arbeitszeit im Dienstgebäude befand, so muss angesichts des Vorliegens dieser beiden fast immer eindeutig feststellbaren objektiven Umstände in aller Regel der Beamte auch als „im Banne des Dienstes“ befindlich und demgemäß ein Dienstunfall als vorliegend erachtet werden (BVerwG, U. v. 24.10.1963 - II C 10.62 - juris; U. v. 15.11.2007 - 2 C 24/06 - juris Rn. 11).

Die Klägerin hielt sich während der regelmäßigen Arbeitszeit im Dienstgebäude auf. Dienstbeginn war entsprechend dem Formblatt Dienstunfalluntersuchung 7.20 Uhr, während sich der Unfall um 7.30 Uhr ereignete. Zu den Dienstaufgaben gehört auch die Beaufsichtigung der Kinder vor Beginn des Unterrichts. Die Klägerin hat in Ausübung des Dienstes gehandelt, wenn sie einem Schüler geholfen hat, eine kaputte Flasche, die klebrige Flüssigkeit enthalten hatte, wegzuräumen, als sich die Schüler vor Unterrichtsbeginn in einem Sammelbereich der Schule aufhielten. Es gehörte zu ihren Dienstpflichten, dem Schüler zu helfen und so auch andere Schüler vor Verletzungen durch Scherben ect. zu schützen. Insoweit ist es unerheblich, dass die Dienstvorgesetzte fehlerhaft in dem Formblatt Dienstunfalluntersuchung die Frage „welche geschäftsmäßige oder weisungsgebundene übertragene Dienstaufgabe die Klägerin zum Unfallzeitpunkt erledigt habe,“ mit einem Strich versehen hat. Aufgrund des vom Verwaltungsgericht in rechtlich einwandfreier Weise festgestellten Sachverhalts hatte die Klägerin die klebrige Flüssigkeit an ihren Händen und hatte das Bedürfnis, sich die Hände zu waschen, um ihren weiteren Dienstpflichten nachgehen zu können. Infolge der Verschmutzung ihrer Hände bestand ein Grund, ihre Hände zu waschen. Die dienstbedingte Verschmutzung stand insoweit in einem angemessenen Verhältnis zu der von der Klägerin gewählten Reinigungsmaßnahme. Bei dieser Sachlage kommt es nicht entscheidend mehr darauf an, in welchem Raum sich die Klägerin ihre Hände gewaschen hat, denn die Reinigung der Hände erfolgte auf jeden Fall unstreitig im Dienstgebäude. Insoweit ist es auch unerheblich, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausgeführt hatte, es hätte in der Schule kein weiteres Waschbecken gegeben, an dem sie sich die Hände hätte waschen können, was nachweislich aufgrund der vom Beklagten vorgelegten Unterlagen nicht richtig ist.

Nicht entscheidend kommt es darauf an, dass der Dienstunfallschutz mit Durchschreiten der Außentür der Toilettenanlage endet, wenn diese zur Verrichtung der Notdurft im Dienstgebäude betreten wird (so VG München U. v. 8.8.2013 -M 12 K 13.1024 - juris Rn. 21 unter Bezugnahme auf die sozialgerichtliche Rechtsprechung BayLSG U. v. 28.9.2011 - L 18 U 354/09 juris Rn. 22; U. v. 6.5.2003 - L 3 U 323/01 - juris Rn. 18; LSG Rheinland-Pfalz U. v. 11.8.1998 -L 3 U 323/97 - juris). In diese Richtung geht auch die Entscheidung des Senats vom 11. Januar 2007 (3 B 02.459 juris Rn. 25), wenn darin ausgeführt wird, der vom Kläger beispielhaft genannte Gang zur Toilette oder zum Waschraum ist zwar während der Dienstausübung (im Sinn als deren kurzfristiger Unterbrechung) vom Dienstunfallschutz erfasst, aber nur, wenn er durch die dienstliche Tätigkeit veranlasst ist, wobei nicht klar definiert ist, ob der Gang zur Toilette mit Erreichen der äußeren Toilettentür endet, weil die Verrichtung der Notdurft selbst eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit darstellt. Wird aber der Sanitärraum nicht zur Toilettenbenutzung aufgesucht, sondern - wie hier - für dienstpflichtbedingte Tätigkeiten, kann die Regel, dass der Dienstunfallschutz mit Erreichen der Außentür der Toilettenanlage endet, nicht gelten. Diesen Fall erfasst auch nicht Nr. 46.1.5.1 BayVV-Versorgung, denn diese geht davon aus, dass die Toilettenanlage aus eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten betreten wird. Zwar ist die Rechtsprechung bemüht, zur Abgrenzung des von der Dienstunfallfürsorge erfassten öffentlichen und von dem nicht erfassten privaten Lebensbereich der Beamten eine Grenze zu ziehen, die an objektive Merkmale anknüpft und im Allgemeinen leicht feststellbar ist, wobei diese Grenzziehung auch Ungereimtheiten in Kauf nimmt (BVerwG U. v. 27.1.2005 - 2 C 7/04 - juris). Im Rahmen eines Wegeunfalls hat das Bundesverwaltungsgericht die Außentür des Wohnhauses als Grenzziehung zwischen dienstunfallfürsorgerechtlich geschützten und nicht geschützten Bereich angesehen und keine Dienstunfallfürsorge im Innenraum einer privaten Garage angenommen. Solche Grenzziehungen lassen sich jedoch nicht in der Weise auf Bereiche des Dienstgebäudes übertragen, ohne in den Blick zu nehmen, ob der Beamte in Ausübung des Dienstes tätig geworden ist. Im konkreten Fall erhält das Kriterium „in Ausübung des Dienstes“ Übergewicht. Dies wird auch dadurch deutlich, dass eine Anerkennung als Dienstunfall nicht davon abhängen kann, ob sich die Klägerin die Hände im Sanitärraum oder in einem anderen Raum, sei es - wie der Beklagte aufgrund eines Lesefehlers angenommen hat - im Sanitätsraum oder an einem Waschbecken in einem Klassenraum gewaschen hat. Davon die Anerkennung als Dienstunfall abhängig zu machen, wird der gesetzlichen Intention nicht gerecht. Soweit der Beklagte darauf abstellt, dass es zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen könnte, da ein dienstlicher Bezug ansonsten in vielen oder sogar in den allermeisten Fällen als Begründung für den Aufenthalt im Vorraum der Toilette herangezogen werden könnte (Tonerwechsel, Tinte an den Händen, Schweiß an den Händen ect.) mag es Abgrenzungsschwierigkeiten geben, die jedoch im Einzelfall zu entscheiden sind. Soweit der Beklagte auf Schweiß an den Händen abstellt, hat der Senat zu dieser Problematik bereits im Urteil vom 19. Juni 1984 (3 B 83 A.1383 -ZBR 1985, 111) Stellung genommen. Danach liegt es auf der Hand, dass das Duschen bzw. Händewaschen dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen ist, weil die Verschmutzung bzw. das Reinigungsbedürfnis in diesem Fall nicht durch den Dienst selbst, sondern durch davon unabhängige klimatische Bedingungen eingetreten ist. Auf der anderen Seite kann es nicht Aufgabe des Dienstherrn sein, das Reinigungsbedürfnis seiner Beamten zu normieren oder gar durch Kontrollen seitens der Vorgesetzten zu regeln. Der Beamte ist, wie das Bundesverwaltungsgericht in ähnlichem Zusammenhang ausgeführt hat (BVerwG v. 24.10.1963 a. a. O.), kein „Dienstausübungsautomat“, dem je nach dem Gutdünken seiner Vorgesetzten eine „Vollreinigung“ oder aber lediglich das Waschen der Hände nach Dienstende zugestanden wird. So wie der Dienstherr berücksichtigen muss, dass der Beamte auch im Dienst ein Mensch in seinen persönlichen Bedürfnissen, Gedanken und Empfindungen bleibt, muss er auch respektieren, dass jeder Beamte unterschiedliche Vorstellungen und Bedürfnisse hinsichtlich der Reinlichkeit seines Körpers entwickelt hat. Hier muss dem Beamten ein „Beurteilungsspielraum“ zugestanden werden, innerhalb dessen ihm der Dienstunfallschutz nicht entzogen werden kann. Die Grenze ist dort zu ziehen, wo die dienstbedingte Verschmutzung in keinem angemessenen Verhältnis mehr zu der vom Beamten gewählten Reinigungsmaßnahme steht (BayVGH U. v. 19.6.1984 a. a. O.).

3. Besondere rechtliche Schwierigkeiten bestehen nicht. Die aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich aufgrund der Rechtsprechung zweifelsfrei klären.

4. Der Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, ob der Dienstunfallschutz beim Händewaschen im Toilettenraum von der Ursache des Bedürfnisses nach dem Säubern der Hände abhängig zu machen ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die entscheidende Frage, ob das Ereignis in Ausübung des Dienstes eingetreten ist, ist wie oben dargestellt, in der Rechtsprechung geklärt. Darüber hinaus lassen sich die aufgeworfenen Fragen nicht verallgemeinern, sondern es kommt immer auf den Einzelfall an.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 3, 52 Abs. 2 und 3 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tatbestand

1

Die Verfahrensbeteiligten streiten um die Anerkennung eines Wegeunfalls als Dienstunfall.

2

Die Klägerin ist Bundesbeamtin im Dienst des Bundesnachrichtendienstes (BND). Als Regierungsinspektoranwärterin war sie im November 2007 zur Absolvierung ihres Grundstudiums an die Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl abgeordnet. Von dort aus trat sie am Mittag des 30. November 2007, dem Unfalltag, mit einem voll betankten privaten PKW des Typs VW Lupo 1,4 l die Heimfahrt zu ihrem in P. gelegenen Erstwohnsitz an. Die Fahrtstrecke belief sich auf etwa 508 km. Der Durchschnittsverbrauch des Fahrzeuges wird mit 6,2 l/100 km, sein Tankinhalt mit 34 l angegeben. Nach einem Tankaufenthalt an dem Rasthof Pforzheim - die Autobahnraststätte liegt circa 328 km von der Ausbildungsstätte entfernt - erlitt die Klägerin noch auf dem Gelände der Raststätte bei der Kollision ihres Fahrzeuges mit einem anderen Fahrzeug eine Distorsion der Halswirbelsäule, deretwegen sie sich sieben Monate lang in ärztlicher Behandlung befand und die zu einer vorübergehenden Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit führte.

3

Der BND lehnte es ab, diesen Unfall als Dienstunfall anzuerkennen. In dem Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2010 heißt es: Der Unfall habe seine wesentliche innere Ursache nicht im Dienst gehabt. Das Betanken des Fahrzeuges sei dem Bereich der eigenwirtschaftlichen Betätigung zuzuordnen gewesen. Umstände, die einen rechtlich wesentlichen Zusammenhang zum Dienst begründen könnten, lägen nicht vor. Insbesondere sei das Nachtanken nicht unvorhersehbar gewesen, da sich schon bei Antritt der Fahrt die Notwendigkeit abgezeichnet habe, den Inhalt des Reservetanks in Anspruch nehmen zu müssen. Zudem sei das Nachtanken an der Autobahnraststätte Pforzheim noch nicht notwendig gewesen, da sie dort noch nicht "auf Reserve" gefahren sei.

4

Die Klägerin begründet ihrer Klage wie folgt: Als Dienst gelte auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges von der Dienststelle. Das Nachtanken auf dem Heimweg sei nicht dem Bereich der eigenwirtschaftlichen Betätigung beziehungsweise dem privaten Lebensbereich zuzurechnen, da es für den angetretenen Weg zwischen Dienststelle und Wohnung notwendig gewesen sei. Es sei unerheblich, ob die Notwendigkeit bei Antritt der Fahrt bereits erkennbar gewesen sei und welche Strecke mit dem Benzin "im Reservetank" noch hätte zurückgelegt werden können. Weder sei es möglich gewesen, die Wegstrecke mit einer einzigen Tankfüllung zurückzulegen, noch habe sie das Risiko des Liegenbleibens eingehen müssen.

5

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Juni 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2010 zu verpflichten, den am 30. November 2007 erlittenen Unfall als Dienstunfall anzuerkennen.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Sie verweist auf die Gründe der ablehnenden Bescheide.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegten Aktenauszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage, über die der Senat gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) entscheidet, ist begründet.

10

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Anerkennung des Unfalls vom 30. November 2007 als Dienstunfall. Der entgegenstehende Bescheid vom 9. Juni 2008 und der Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2010 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

11

Da die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls im Beamtenverhältnis auf Widerruf stand, genießt sie Dienstunfallschutz nach § 31 BeamtVG. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BeamtVG gilt als Dienst auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Weges nach und von der Dienststelle. Hat der Beamte wegen der Entfernung seiner ständigen Familienunterkunft vom Dienstort an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft, so gilt dies gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BeamtVG auch für den Weg von und nach der Wohnung.

12

Der Gesetzgeber hat den Wegeunfall dem Dienstunfall lediglich gleichgestellt und damit zu erkennen gegeben, dass der Weg zwischen Dienststelle und Wohnung im beamtenrechtlichen Sinne kein Dienst ist. Die Gleichstellung dient der Erweiterung der Unfallfürsorge des Dienstherrn auf die außerhalb des privaten Lebensbereichs herrschenden Gefahren des allgemeinen Verkehrs, die weder der Dienstherr noch der Beamte im Wesentlichen beeinflussen können (Urteil vom 27. Januar 2005 - BVerwG 2 C 7.04 - BVerwGE 122, 360 <361 f.> = Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 15 S. 11).

13

Bei einem Unfall, den ein Beamter auf dem Weg nach oder von der Dienststelle erleidet, wird Dienstunfallschutz gewährt, wenn der Weg im Dienst seine wesentliche Ursache hat, wenn also andere mit dem Dienst nicht zusammenhängende Ursachen für das Zurücklegen des Weges in den Hintergrund treten (stRspr, vgl. Urteil vom 27. Mai 2004 - BVerwG 2 C 29.03 - BVerwGE 121, 67 <68> m.w.N.). Der Beamte muss sich auf dem - unmittelbaren - Weg zwischen seiner Dienststelle und seiner regelmäßigen häuslichen Unterkunft befinden, um sich zum Dienst zu begeben oder aus dem Dienst in seinen privaten Lebensbereich zurückzukehren (Urteile vom 6. Juli 1965 - BVerwG 2 C 39.63 - BVerwGE 21, 307 <310 f.> und vom 27. Mai 2004 - BVerwG 2 C 29.03 - a.a.O.). Weicht der Beamte auf dem Weg zum oder vom Dienst von dem normalerweise zum Erreichen der Dienststelle oder der Wohnung gebotenen Weg um eines privaten Zweckes willen ab, so steht dieser Teil des Wegs nicht unter Unfallfürsorge. Ob der notwendige Zusammenhang mit dem Dienst durch ein Abweichen von dem unmittelbaren Weg zwischen Wohnung und Dienststelle oder umgekehrt unterbrochen oder gar gelöst wird, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (Urteile vom 6. Juli 1965 a.a.O. und vom 21. Juni 1982 - BVerwG 6 C 90.78 - Buchholz 232 § 135 BBG Nr. 61 m.w.N.; vgl. zum Recht der Unfallversicherung der Arbeitnehmer auch BSG, Urteil vom 28. Februar 1964 - 2 RU 22/61 - BB 1964, 684).

14

Nach diesen Grundsätzen war der Verkehrsunfall der Klägerin als Wege- und damit als Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG anzuerkennen. Der Tankaufenthalt an der Autobahntankstelle Rasthof Pforzheim stellte keine wesentliche Unterbrechung der dienstlich bedingten Heimfahrt, das Nachtanken selbst keine den notwendigen Zusammenhang mit dem Dienst unterbrechende eigenwirtschaftliche Betätigung dar.

15

Allerdings ist das Auftanken grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich des Beamten zuzurechnen. Es handelt sich um eine Verrichtung, die dem Dienst zu fern steht, als dass sie schon dem persönlichen Lebensbereich des Beschäftigten entzogen und der dienstlichen Sphäre zuzurechnen wäre. Anders verhält es sich, wenn das Nachtanken während der Fahrt unvorhergesehen notwendig wird, damit der restliche Weg zurückgelegt werden kann. Hiervon ist auszugehen, wenn sich entweder während oder aber auch schon bei Antritt der Fahrt die Notwendigkeit ergibt, den Inhalt eines Reservetanks in Anspruch zu nehmen (vgl. BSG, Urteile vom 14. Dezember 1978 - 2 RU 59/78 - SozR 2200 § 550 Nr. 39 -, vom 24. Mai 1984 - 2 RU 3/83 - BB 1984, 2066 und vom 11. August 1998 - B 2 U 29/97 R - SozR 3-2200 § 550 Nr. 19 -).

16

Gleiches muss gelten, wenn der Weg mit einer einzigen Tankfüllung nicht verlässlich zurückzulegen ist. Das erforderliche Nachtanken ist in einem solchen Fall nicht dem persönlichen Bereich des Beamten zuzurechnen. Es hat vielmehr seine wesentliche Ursache in der Rückkehr zur Wohnung, für die Dienstunfallschutz nach § 31 Abs. 2 BeamtVG besteht. Ist danach ein Nachtanken auch bei Fahrtbeginn mit vollem Tank unterwegs voraussichtlich erforderlich, so ist es unerheblich, zu welchem Zeitpunkt der Tankvorgang erfolgt. Es ist in diesem Fall nicht geboten, mit dem Nachtanken zuzuwarten, bis sich die Tankanzeige im Reservebereich befindet. Ebenso wenig kommt es darauf an, welche Wegstrecke der Beamte mit dem restlichen Kraftstoff noch hätte zurücklegen können (vgl. zum Recht der gesetzlichen Unfallversicherung BSG, Urteile vom 14. Dezember 1978 a.a.O. und vom 24. Mai 1984 a.a.O.).

17

Demgemäß war hier die Unterbrechung der Heimfahrt zum Zwecke des einmaligen Nachtankens dienstlich veranlasst. Ausgehend von einem Durchschnittsverbrauch ihres Fahrzeuges von 6,2 l/100 km, einem Tankinhalt von 34 l und einer sich hieraus errechnenden Reichweite von 548 km konnte die Klägerin nicht verlässlich davon ausgehen, die Strecke zwischen Ausbildungs- und Wohnort von 508 km mit einer Tankfüllung zurückzulegen. Vielmehr musste sie erhöhten Kraftstoffverbrauch, bedingt durch hohe Geschwindigkeit und Verkehrsbehinderungen, erwarten. Daher war das Nachtanken nach ungefähr zwei Dritteln der Strecke nicht geeignet, den Zusammenhang zu der Heimfahrt zu unterbrechen.

(1) Tritt eine Beamtin oder ein Beamter aufgrund des § 134 Abs. 1 kraft Gesetzes in den Dienst einer anderen Körperschaft über oder wird sie oder er aufgrund des § 134 Abs. 2 oder 3 von einer anderen Körperschaft übernommen, wird das Beamtenverhältnis mit dem neuen Dienstherrn fortgesetzt.

(2) Im Fall des § 134 Abs. 1 ist der Beamtin oder dem Beamten von der aufnehmenden oder neuen Körperschaft die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses schriftlich zu bestätigen.

(3) In den Fällen des § 134 Abs. 2 und 3 wird die Übernahme von der Körperschaft verfügt, in deren Dienst die Beamtin oder der Beamte treten soll. Die Verfügung wird mit der Zustellung an die Beamtin oder den Beamten wirksam. Die Beamtin oder der Beamte ist verpflichtet, der Verfügung Folge zu leisten. Kommt sie oder er der Verpflichtung nicht nach, wird sie oder er entlassen.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend in den Fällen des § 134 Abs. 4.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.