Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 10. Dez. 2014 - B 4 K 13.242

bei uns veröffentlicht am10.12.2014
nachgehend
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 22 ZB 15.271, 15.04.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Bayreuth

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenbescheid der Beklagten.

Der am …1933 geborene Kläger, der als selbstständiger Architekt in ... (Landkreis ...) niedergelassen ist, wurde am 19.02.1974 von der Beklagten unbefristet zum Sachverständigen für „restauratives Bauwesen“ öffentlich bestellt und vereidigt. Am 31.05.1985 wurde seine Bestellung um das Sachgebiet „Bewertung historischer Baudenkmäler, insbesondere Schlösser, Burgen und Kirchen“ erweitert. Auf seinen Antrag vom 12.03.2001 hin wurde seine Bestellung, die gem. § 22 Abs. 1 d Sachverständigenordnung der Beklagten vom 22.04.2002 (SVO-2002) mit Vollendung des 68. Lebensjahres geendet hätte, mit Bescheid vom 25.07.2001 gem. § 22 Abs. 2 SVO-2002 über die Vollendung seines 68. Lebensjahres hinaus für drei Jahre bis zur Vollendung seines 71. Lebensjahres am ... verlängert. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Das Erlöschen seiner Bestellung am ..., auf das die Beklagte den Kläger am 15.07.2004 hingewiesen hatte, machte die Beklagte im August 2004 in ihrer Kammerzeitschrift bekannt. In den Folgejahren war der Kläger weiterhin als freier Sachverständiger auf seinen Sachgebieten tätig.

Mit Urteil vom 01.02.2012 - Az. 8 C 24/11 - entschied das Bundesverwaltungsgericht, die Versagung der Verlängerung einer Bestellung zum beeidigten Sachverständigen über das 71. Lebensjahr hinaus verstoße gegen das sich aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ergebende Verbot der Altersdiskriminierung.

Unter Berufung auf dieses höchstrichterliche Urteil beantragte der Kläger am 23.05.2012 die „Wiederherstellung bzw. erneute Bestellung als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für restauratives Bauwesen für fünf Jahre“.

Die Beklagte teilte den Bevollmächtigten des Klägers...am 21.08.2012 mit, für sie handle es sich um eine Neubestellung. Zur Prüfung der besonderen Sachkunde des Klägers holte sie in Vollzug dieses Verfahrens über die Architektenkammer Berlin Gutachten von drei Mitgliedern dieser Architektenkammer zu vier Sachverständigengutachten des Klägers ein. Ein Fachgutachter beurteilte die vom Kläger gefertigten vier Gutachten positiv, die beiden anderen fällten jeweils ein negatives Urteil. Eine daraufhin von der Beklagten als zweite Meinung eingeholte Stellungnahme einer Architektin aus einem anderen Architekturbüro kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht über die erforderliche besondere Sachkunde verfüge. Daraufhin fand am 22.01.2013 bei der Beklagten ein Fachgespräch zwischen den drei ursprünglichen Gutachtern und dem Kläger statt. Das Fachgremium kam im Anschluss daran zu dem Ergebnis, beim Kläger läge die besondere Sachkunde für das inzwischen neu geschaffene Sachgebiet „Historische Bauten“ vor.

Am 21.02.2013 wurde der Kläger für fünf Jahre zum vereidigten Sachverständigen für das Sachgebiet „Historische Bauten (insb. Schlösser, Burgen, Kirchen)“ bestellt. In der Begründung des die Bestellung verfügenden Bescheides vom gleichen Tag heißt es, es handle sich dabei nicht um die erneute Bestellung in seinem bisherigen Sachgebiet, die wegen des Erreichens der damals geltenden Altersgrenze erloschen sei, sondern um eine Neubestellung im Sachgebiet „Historische Bauten“, das sein bisheriges Sachgebiet im Sachverständigenwesen ersetzt habe.

Mit Bescheid vom 15.02.2013 forderte die Beklagte vom Kläger eine Gebühr von 550,00 EUR für seine öffentliche Bestellung und seine Vereidigung als Sachverständiger. Außerdem stellte ihm die Beklagte als „Weiterberechnung“ eine Rechnung in Höhe von 1.998,30 EUR. Dieser Betrag setzt sich laut einer beigefügten Kostenaufstellung aus den Kosten von 1.275,00 EUR für die Überprüfung der Gutachten und 723,30 EUR für das Fachgespräch zusammen, die die Mitglieder des Fachgremiums und die für eine Zweitmeinung herangezogenen Architektin entsprechend den für sie geltenden Honorarregelungen für die Überprüfung der Sachkunde von Sachverständigen in Rechnung gestellt und von der Beklagten erhalten hatten. Am 21.02.2013 stornierte die Beklagte Bescheid und Rechnung.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 07.03.2013 verlangte die Beklagte einen „Auslagenersatz“ von nunmehr nur noch 1.350,00 EUR. In einem Begleitschreiben vom gleichen Tag erläuterte die Beklagte, der Ersatz für die Auslagen sei auf 1.000,00 EUR und die Gebühr auf die Mindestgebühr von 350,00 EUR reduziert worden.

Mit Telefax vom 05.04.2013 hat der Kläger Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erheben und beantragen lassen,

den Gebührenbescheid der Beklagten vom 07.03.2013 aufzuheben

Zur Begründung lässt er ausführen, der Kläger habe durch Altersdiskriminierung seine zusätzliche berufliche Qualifikation verloren und sei jetzt nach dem Grundsatzurteil des BVerwG wieder zum Sachverständigen bestellt worden. Um für diese Amtshandlung Kosten erheben zu können, bedürfe es eines eindeutigen Gebührentatbestandes, den die Gebührenordnung (GebO) der Beklagten aber nicht enthalte. Ziff. 3 a der Anlage zur Gebührenordnung der Beklagten - Gebührentarif (GebO-T), die für einen (Neu-)Antrag auf öffentliche Bestellung und Vereidigung eine Mindestgebühr von 350,00 EUR vorsehe, könne nicht analog angewendet werden, weil der Kläger bereits bestellt gewesen sei. Wenn überhaupt, dann sei Ziff. 3 e GebO-T, die für die Verlängerung einer Bestellung einen Kostenrahmen von 50,00 EUR bis 250,00 EUR vorgebe, analog anzuwenden.

Wenn die Beklagte vom Kläger den Aufwand erstattet verlange, der nur entstanden sei, weil sie ihm mit Erreichen einer willkürlichen Altersgrenze die Zulassung entzogen habe, werde er zudem erneut wegen seines Alters diskriminiert. Außerdem verstoße sie damit gegen seine Berufsfreiheit. Der Gleichbehandlungsgrundsatz werde verletzt, weil der Kläger ohne rechtfertigenden Grund wie ein Neuantragsteller behandelt werde.

Die Beklagte hat beantragen lassen,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung macht sie geltend, für die Erhebung der Gebühren und Auslagen gebe es jeweils eindeutige Rechtsgrundlagen.

Rechtsgrundlage für die Erhebung der Gebühr in Höhe von 350,00 EUR seien §§ 1, 2 Abs. 1 GebO i. V. m. Nr. 3 a GebO-T. Denn der Kläger sei zu Recht neu zum Sachverständigen bestellt worden. Insbesondere habe er keinen Anspruch darauf, dass die zeitliche Begrenzung bis zum Erreichen der damals geltenden Altersgrenze jetzt im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens aufgehoben werde.

Eines speziellen Gebührentatbestandes für die Wiederbestellung eines Sachverständigen, dessen Bestellung aufgrund der früheren Altershöchstgrenze erloschen gewesen sei, habe es nicht bedurft. Eine analoge Anwendung von Ziff 3 e GebO-T scheide aus. Denn die kostenpflichtige Amtshandlung der Beklagten sei nicht wie eine Verlängerung zu behandeln, weil die Bestellung des Klägers zuvor erloschen sei.

Rechtsgrundlage für die Festlegung der Auslagen sei § 3 GebO. Die Beklagte habe die für die Prüfung der vom Kläger vorgelegten Gutachten und für das Fachgespräch nachweislich entstandenen Auslagen ihm gegenüber geltend machen können.

In der vorschriftenkonformen Anwendung der Gebührenordnung sei auch keine Altersdiskriminierung zu sehen. Gegenüber einem Kostenbescheid, zumal in dieser Höhe, könne sich der Kläger auch nicht auf seine Berufsausübungsfreiheit berufen. Art. 3 GG werde nicht verletzt, weil der Kläger, wie jeder andere, der zum Sachverständigen neu bestellt werde, behandelt worden sei.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 10.12.2014 verwiesen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Denn der Bescheid der Beklagten vom 07.03.2013 ist rechtmäßig und verletzt deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1...VwGO). Die Beklagte hat zu Recht einen Betrag von 1.350,00 EUR verlangt, der sich aus einer Gebühr von 350,00 EUR und dem Ersatz für Auslagen in Höhe von 1.000,00 EUR zusammensetzt.

1. Gem. § 3 Abs. 6 IHKG kann die Beklagte für die Inanspruchnahme besonderer Tätigkeiten, also auch für die Neubestellung von Sachverständigen, Gebühren erheben und den Ersatz von Auslagen verlangen. Gegenüber dem Kläger war die Erhebung einer Verwaltungsgebühr und von Auslagen dem Grunde nach rechtmäßig, weil der Kläger mit Bescheid vom 21.02.2013 erneut zum öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für „Historische Bauten“ bestellt wurde. Der Rechtsgedanke aus der für die Beklagte nicht unmittelbar anwendbaren Vorschrift des Art. 16 Abs. 5 KostG, wonach Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung nicht angefallen wären, nicht erhoben werden dürfen, kommt deshalb nicht zum Tragen.

a. Die Neubestellung war erforderlich, weil die vormalige Bestellung am 09.08.2004 erloschen war. Der Bescheid der Beklagten vom 25.07.2001, der antragsgemäß die Verlängerung der Bestellung gem. § 22 Abs. 2 SVO 2002 bis zur Vollendung des 71. Lebensjahres des Klägers zum Gegenstand hatte, wurde bestandskräftig. Mit Erreichen des 71. Lebensjahres am 09.08.2004 hatte sich der Verwaltungsakt durch Zeitablauf erledigt und ist unwirksam geworden (Art. 43 Abs. 2 Alt. 4 BayVwVfG). Folgerichtig hat die Beklagte auf den Antrag des Klägers vom 23.05.2012 hin ein Neubestellungsverfahren durchgeführt.

b. Dem Begehren des Klägers, den Zustand seiner Sachverständigenbestellung vor deren Erlöschen rückwirkend wieder herzustellen, konnte die Beklagte nicht durch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Art. 51 BayVwVfG entsprechen. Diese Vorschrift regelt das Wiederaufgreifen von Verfahren, die durch unanfechtbare Verwaltungsakte abgeschlossen wurden und ergänzt die allgemeinen Vorschriften der Art. 48 ff. BayVwVfG über Rücknahme und Widerruf. Als außerordentlicher Rechtsbehelf führt das Wiederaufgreifen zur Durchbrechung der Wirksamkeit und Bestandskraft eines Verwaltungsakts (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 51 Rn. 1 f.). Folglich ist nur ein solcher Verwaltungsakt eines Wiederaufgreifens zugänglich, der zu dem Zeitpunkt noch eine Wirksamkeit entfaltet, die beseitigt oder abgeändert werden kann. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Verwaltungsakt nach Sinn und Zweck und dem einschlägigen materiellen Recht wesensgemäß auf Dauer angelegt gewesen wäre (BVerwG, U. v. 28.02.1997 - 1 C 29/95 - BVerwGE 104, 115/120 = NJW 1998, 173/174 ) Mit dem Bescheid vom 25.07.2001 wurde jedoch kein auf Dauer angelegtes Rechtsverhältnis begründet, sondern lediglich die Bestellung, die ansonsten mit Vollendung des 68. Lebensjahres erloschen wäre, einmalig um drei Jahre verlängert (gegen ein Wiederaufgreifen auch Bleutge in Landmann/Rohmer, GewO, Stand August 2014, § 36 GewO, Rn.118).

c. Der Kläger konnte auch nicht mit Erfolg eine Änderung des unanfechtbaren, zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßigen (Verlängerungs-)Bescheides vom 25.07.2001 zu seinen Gunsten im Wege des Widerrufs der zeitlichen Beschränkung gem. Art.49 Abs. 1 BayVwVfG beanspruchen. Denn ein Verwaltungsakt kann nur widerrufen werden, wenn er nicht bereits wegen Ablaufs seiner Geltungsdauer erloschen war (BayVGH, U. v. 12.10. 1989 - 26 B 86.02944 - NVwZ-RR 1991, 117).

d. Von einem Verfahren auf Neubestellung in diesen Fällen geht im Übrigen auch das Bundesverwaltungsgericht aus, das in seinem Grundsatzurteil die dortige Beklagte (lediglich) verpflichtete, neu über den Antrag des Klägers auf öffentliche Bestellung als Sachverständiger zu entscheiden, ohne die generelle Höchstaltersgrenze zu berücksichtigen (BVerwG, NJW 2012, 1018/1020 Rn. 28; ausdrücklich für eine erneute Prüfung der Eignung und Sachkunde als Konsequenz aus dem Urteil RiBVerwG Deiseroth, jurisPR-BVerwG 9/2012 Anm. 6; vgl. auch VG Frankfurt a. Main, U. v. 11.04.2014 - 4 K 1599/13.F - Der Sachverständige 2014, 318f.).

e. Der Kläger hat weiter keinen Anspruch darauf, unter dem Gesichtspunkt eines Folgenbeseitigungsanspruchs von der Erhebung der Kosten verschont zu bleiben. Denn die Beklagte hat rechtmäßig gehandelt, als sie ein erneutes Verfahren durchführte und damit keinen rechtswidrigen Zustand geschaffen, dessen Folgen für den Kläger zu beseitigen wären.

2. Die in dem streitgegenständlichen Bescheid geltend gemachten Kosten sind auch der Höhe nach rechtmäßig.

a. Gem. § 2 Abs. 1 GebO vom 06.02.1958, zuletzt geändert am 03.12.2007, richtet sich die Höhe der Gebühren nach dem Gebührentarif, der Bestandteil der Gebührenordnung ist. Ziff. 3 a GebO-T sieht für die öffentliche Bestellung und Vereidigung eines Sachverständigen einen Gebührenrahmen von 350,00 bis 1.300,00 EUR vor. Die Beklagte hat den Kläger, wie sich aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 21.02.2013 ergibt, für fünf Jahre zum Sachverständigen für das Sachgebiet „Historische Bauten (insb. Schlösser, Burgen, Kirchen)“ neu bestellt. Damit wurde der Gebührentatbestand gem. Ziff. 3 a GebO-T erfüllt, so dass die Beklagte die (Mindest-)gebühr von 350,00 EUR verlangen durfte. Die Erhebung einer Mindestgebühr von 250,00 EUR gem. Ziff. 3 e GebO-T kommt nicht Betracht, da dieser Gebührentatbestand nur für die Verlängerung einer Bestellung Anwendung findet.

b. In § 3 GebO hat die Beklagte festgelegt, dass ihr besondere Barauslagen, die bei ihrer Inanspruchnahme entstehen, zu erstatten sind.

Im Zusammenhang mit der öffentlichen Bestellung des Klägers zum Sachverständigen sind der Beklagten besondere Aufwendungen in Form von Zahlungen an Dritte in Höhe von 1.998,30 EUR tatsächlich entstanden. Denn wie sich aus den in der Behördenakte befindlichen Belegen ergibt, hat die Architektenkammer Berlin am 16.10.2012 im Einklang mit den einschlägigen Entschädigungsvorschriften eine Rechnung über 925,00 EUR für die Begutachtung der vier Gutachten des Klägers gestellt, die weitere hinzugezogene Gutachterin ein Honorar von 200,00 EUR verlangt und die Gutachterin, die zunächst ein negatives Urteil abgegeben hatte, für ihre erneute Befassung mit den Gutachten des Klägers nochmals 150,00 EUR in Rechnung gestellt. Zu diesen Aufwendungen in Höhe von 1.275,00 EUR kamen weitere, ebenfalls belegte, 723,00 EUR für die Teilnahme der Mitglieder des Fachgremiums am Fachgespräch hinzu.

Diese Aufwendungen konnte die Beklagte zu Recht beim Kläger geltend machen. Denn sie durfte in dem Verfahren zur Bestellung des Klägers sowohl die Fachgutachter heranziehen als auch zu einem Fachgespräch laden.

Wie sich aus der Begründung des bestandskräftigen Bescheides vom 21.02.2013, mit dem die Bestellung verfügt wurde, ergibt, ging die Beklagte davon aus, dass der Kläger für das inzwischen neu eingeführte Sachgebiet „Historische Bauten“ neu bestellt wurde, nachdem seine bisherige Bestellung durch Ablauf des Zeitraums, für den er 2001 bestellt worden war, gem. § 22 Nr. Abs. 1 c Sachverständigenordnung der IHK zu...vom 21.06.2012 (IHK-SVO) erloschen war. Gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 IHK-SVO kann die Beklagte zur Überprüfung der gesetzlichen Voraussetzungen für die öffentliche Bestellung zum Sachverständigen u. a. vom Antragsteller erstattete Gutachten vorlegen lassen und die Einschaltung eines Fachgremiums veranlassen. Dadurch dass die Beklagte statt der tatsächlich angefallenen 1.998,30 EUR nur mehr 1.000,00 EUR verlangt, ist der Kläger allemal begünstigt.

c. Da die Gebühren- und Auslagentatbestände nicht an das Alter von zu bestellenden Sachverständigen anknüpfen, verstoßen sie auch nicht gegen das Altersdiskriminierungsverbot.

d. Ebenso wenig gibt es einen Anhaltspunkt dafür, dass ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt. Zwar enthält Ziff. 3 GebO-T keine Regelung für den Fall, dass eine Bestellung aufgrund der früheren Altershöchstgrenze erloschen ist und deshalb ein Neubestellungsverfahren durchgeführt wurde. Die Beklagte musste dafür jedoch aus Gleichheitsgründen keinen speziellen Gebührentatbestand festsetzen. Bei der Festsetzung der Kosten durfte die Beklagte an den Regelfall einer Neubestellung anknüpfen, die sich dem „Typ“ entziehenden Umstände von Einzelfällen außer Betracht lassen und bei Erlass und Anwendung von Ziff. 3 der Anlage zur Gebührenordnung davon ausgehen, dass auch solche Fälle unter Ziff. 3 a GebO-T fallen (vgl. dazu BVerwG, U. v. 16.09.1981 - 8 C 48/81 - NVwZ 1982, 622/623).

e. Die Erhebung der Kosten auf der Grundlage von Ziff. 3 a GebO-T und § 3 GebO steht außerdem im Einklang mit Art. 12 GG. Kostenvorschriften für die Bestellung zum Sachverständigen und ihre Anwendung im Einzelfall beschränken nicht die Berufswahl, sondern regeln die Berufsausübung des Klägers. Bei der Beurteilung der Intensität des mit ihrer Anwendung verbundenen Eingriffs ist zu berücksichtigen, wie stark die Verdienstmöglichkeiten und Wettbewerbschancen des Klägers dadurch gemindert werden (BVerfG, B. v. 25.03.1992 - 1 BvR 298/86 - NJW 1992, 2621/2622).

Mit der Festsetzung der Mindestgebühr von 350,00 EUR und eines Auslagenersatzes von 1.000,00 EUR statt der tatsächlich angefallenen 1.998,30 EUR hat die Beklagte den Kläger nicht unzumutbar belastet und damit nicht in rechtswidriger Weise in sein Grundrecht aus Art. 12 GG eingegriffen.

II.

Als unterliegender Teil trägt der Kläger gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 10. Dez. 2014 - B 4 K 13.242 zitiert 12 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern - IHKG | § 3


(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts. (2) Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch

Gewerbeordnung - GewO | § 36 Öffentliche Bestellung von Sachverständigen


(1) Personen, die als Sachverständige auf den Gebieten der Wirtschaft einschließlich des Bergwesens, der Hochsee- und Küstenfischerei sowie der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaues tätig sind oder tätig werden wollen, si

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 01. Feb. 2012 - 8 C 24/11

bei uns veröffentlicht am 01.02.2012

Tatbestand 1 Der am 26. April 1936 geborene Kläger wendet sich gegen die Versagung seiner weiteren öffentlichen Bestellung zum vereidigten Sachverständigen.

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Tatbestand

1

Der am 26. April 1936 geborene Kläger wendet sich gegen die Versagung seiner weiteren öffentlichen Bestellung zum vereidigten Sachverständigen.

2

Er war aufgrund einer einmaligen befristeten Verlängerung bis zur Vollendung seines 71. Lebensjahres im Jahre 2007 öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Sachgebiete "Anwendung der EDV im Rechnungswesen und Datenschutz" sowie "EDV in der Hotellerie". Seinen Antrag vom 12. Januar 2007 auf Verlängerung der Bestellung um fünf, hilfsweise um vier Jahre lehnte die beklagte Industrie- und Handelskammer mit Bescheid vom 1. März 2007 mit der Begründung ab, eine Bestellung erlösche nach ihrer Sachverständigenordnung (SVO), wenn der Sachverständige das 68. Lebensjahr vollendet habe; sie könne nur einmal verlängert werden, längstens bis zur Vollendung des 71. Lebensjahres.

3

Nach erfolglosem Widerspruch hat der Kläger Klage erhoben, mit der er unter Berufung auf die Richtlinie 2000/78/EG des Europäischen Rates vom 27. November 2000 (ABl Nr. L 303 S. 16) und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl I S. 1997) im Wesentlichen geltend gemacht hat, die ihm entgegengehaltene Höchstaltersgrenze verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung.

4

Die Klage hatte weder beim Verwaltungsgericht noch beim Verwaltungsgerichtshof Erfolg. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist die in der Sachverständigenordnung normierte Höchstaltersgrenze mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Selbst wenn man das AGG für anwendbar halte, liege in der Ablehnung der weiteren Bestellung zwar eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters. Diese sei jedoch jedenfalls gemäß § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt. Denn der Gesetzgeber habe für die Gewährleistung eines geordneten Rechtsverkehrs durch die Institution öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger die jederzeit verlässliche Leistungsfähigkeit der Sachverständigen sicherstellen und zu diesem Zweck die Möglichkeit eröffnen wollen, durch die Festlegung einer Höchstaltersgrenze potenziell nicht mehr so leistungsfähige Sachverständige auszuschließen.

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Die dagegen gerichtete Revision des Klägers ist vom erkennenden Senat mit Urteil vom 26. Januar 2011 - BVerwG 8 C 46.09 - (BVerwGE 139, 1) zurückgewiesen worden. Zwar sei das AGG auf die öffentliche Bestellung von Sachverständigen anwendbar. In der Ablehnung der begehrten Neubestellung wegen Überschreitens der Höchstaltersgrenze liege auch eine ungleiche Behandlung wegen des Alters. Diese sei jedoch gerechtfertigt. Das vom Normgeber verfolgte Ziel der Gewährleistung eines geordneten Rechtsverkehrs sei legitim im Sinne des § 10 Satz 1 AGG, auch wenn es kein sozialpolitisches Ziel im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG sei. Die in dieser Regelung der Richtlinie beispielhaft genannten sozialpolitischen Ziele (Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt, berufliche Bildung) stellten nur eine von mehreren Kategorien legitimer Ziele dar.

6

Dieses Urteil hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 24. Oktober 2011 (Az: 1 BvR 1103/11) mit der Begründung aufgehoben, es sei unter Verstoß gegen die Pflicht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ergangen.

7

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Januar 2009 und des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. März 2008 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 1. März 2007 und vom 24. Mai 2007 zu verpflichten, über seinen Antrag vom 12. Januar 2007 - beschränkt auf den dortigen Hauptantrag - auf erneute öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger für "EDV im Rechnungswesen und Datenschutz" sowie "EDV in der Hotellerie" unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

8

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die Beteiligten haben keine Anträge gestellt. Der Beteiligte zu 1 hält den Antrag des Klägers für begründet, während die Beteiligte zu 2 das angegriffene Urteil verteidigt.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verstößt gegen revisibles Recht (1.) und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (2.). Die Beklagte ist gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu verpflichten, über den Antrag des Klägers vom 12. Januar 2007 auf Verlängerung seiner öffentlichen Bestellung als Sachverständiger um fünf Jahre - gerechnet von der Vollendung seines 71. Lebensjahres an - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (3.).

11

1. Die auf § 22 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Buchst. d der SVO 2002/2008 der Beklagten gestützte Ablehnung des Verlängerungsantrages stellt eine Diskriminierung wegen des Alters im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl I S. 1897), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160) dar, die entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt ist.

12

a) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist auf die öffentliche Bestellung von Sachverständigen anwendbar. Die in Rede stehende Höchstaltersgrenze stellt im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG eine Bedingung für den Zugang zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit dar. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger seine selbstständige berufliche Tätigkeit als Sachverständiger für die von ihm gewählten Sachgebiete auch ohne die begehrte öffentliche Bestellung ausüben kann, so dass es sich im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) nicht um eine Regelung der Berufswahl, sondern der Berufsausübung handelt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dient der Umsetzung der Richtlinie (im Folgenden: RL) 2000/78/EG des Europäischen Rates vom 27. November 2000 (ABl Nr. L 303 S. 16) und ist deshalb im Lichte dieser unionsrechtlichen Regelung auszulegen. Danach wird der Zugang zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit bereits dann beschränkt, wenn die Höchstaltersgrenze geeignet ist, die Nachfrage nach den vom Kläger angebotenen Dienstleistungen tatsächlich zu beschränken (EuGH, Urteil vom 12. Januar 2010 - Rs. C-341/08, Domnica Petersen - Slg. 2010, I-47 Rn. 33). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 26. Januar 2011 - BVerwG 8 C 46.09 - BVerwGE 139, 1 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 274).

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Die Einwände der Beklagten und der Beteiligten zu 2 geben zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage keine Veranlassung. Zwar hat der Europäische Gerichtshof in der Sache Petersen eine Nachfragebeschränkung in einem Fall bejaht, in dem der Berufstätige - ein Zahnarzt - infolge der Altersbeschränkung seine Dienstleistungen als Vertragszahnarzt der Krankenkassen gegenüber ca. 90 % seiner Kunden nicht mehr erbringen durfte. Die Beklagte weist insoweit zu Recht darauf hin, dass im Gegensatz dazu im vorliegenden Fall die Versagung der öffentlichen Bestellung kein rechtliches Hindernis errichtet, die Dienstleistung eines Sachverständigen weiterhin zu erbringen. Folge der in Rede stehenden Höchstaltersgrenze ist aber eine tatsächliche Nachfrageminderung. Das gilt selbst dann, wenn, wie die Beklagte behauptet, bei der Versagung einer öffentlichen Bestellung eines Sachverständigen die Nachfrage tatsächlich allenfalls um 10 % zurückgeht. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann nicht dahin verstanden werden, dass eine beachtliche Beeinträchtigung erst bei einer Nachfrageminderung von 90 % anzunehmen sei.

14

b) Die Höchstaltersgrenze in § 22 Abs. 1 Buchst. d, Abs. 2 sowohl in der Fassung der geltenden Satzung der Beklagten vom 22. März 2010 als auch in deren Vorläuferfassungen stellt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG dar. Diese Benachteiligung ist gemäß § 6 Abs. 3, § 7 Abs. 1 AGG grundsätzlich unzulässig. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist sie auch nicht nach § 10 AGG ausnahmsweise zulässig.

15

Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die weiteren Voraussetzungen des § 10 AGG erfüllt sind. Die in Rede stehende Höchstaltersgrenze verfolgt das Ziel, im Interesse eines reibungslosen Rechtsverkehrs und einer funktionierenden Rechtspflege allen Behörden, Gerichten und privaten Interessenten für komplizierte Sachverhaltsfeststellungen und Prüfungen kompetente und glaubwürdige Fachleute anzubieten; schwierige und zeitraubende Nachforschungen über den Ruf und die Eignung des Gutachters sollen durch die öffentliche Bestellung entbehrlich werden (Urteil vom 26. Januar 2011 - BVerwG 8 C 46.09 - a.a.O. Rn. 30, unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 25. März 1992 - 1 BvR 298/86 - BVerfGE 86, 28 ). Das ist kein legitimes Ziel im Sinne des § 10 Satz 1 AGG.

16

Welche Ziele hiernach legitim sind, bestimmt sich - nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung - nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der RL 2000/78/EG. Diese versteht unter einem legitimen Ziel "insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung". Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich hieraus, dass legitim in diesem Sinne nur sozialpolitische Ziele sind (EuGH, Urteil vom 13. September 2011 - Rs. C-447/09, Prigge - EuZW 2011, 751 m.w.N.). An seiner abweichenden Auffassung, die er noch in seinem Urteil vom 26. Januar 2011 vertreten hatte (a.a.O. Rn. 31 ff.), hält der Senat nicht fest.

17

Die Gewährleistung eines geordneten Rechtsverkehrs stellt kein sozialpolitisches Ziel im dargelegten Sinne dar. Das hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 26. Januar 2011 (a.a.O. Rn. 31) entschieden. Das Vorbringen der Beklagten und der Beteiligten zu 2 bietet keinen Anlass, hiervon abzurücken. Zwar wäre die Absicht des Normgebers, durch eine Höchstaltersgrenze jüngeren Bewerbern bessere Zugangschancen zu eröffnen, ein sozialpolitisches Ziel. Die in Rede stehende Altersbeschränkung verfolgt ein derartiges Ziel jedoch nicht. Die öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger ist vielmehr unabhängig von einer konkreten Bedarfsprüfung; § 36 Abs. 1 Satz 1 GewO ist entsprechend einschränkend auszulegen (BVerfG, Beschluss vom 25. März 1992 a.a.O. Rn. 55 ff.). Das Ausscheiden älterer Sachverständiger ist damit keine Voraussetzung für das Nachrücken Jüngerer.

18

2. Die angegriffenen Urteile der Vorinstanzen sind auch nicht im Sinne von § 144 Abs. 4 VwGO im Ergebnis aus anderen Gründen richtig.

19

a) § 8 Abs. 1 AGG vermag die generelle Höchstaltersgrenze nicht zu rechtfertigen. Die Vorschrift setzt Art. 4 Abs. 1 der RL 2000/78/EG (sowie Art. 4 Abs. 1 der RL 2000/43/EG und Art. 2 Abs. 6 der RL 76/207/EWG) in deutsches Recht um. Sie stellt klar, unter welchen Voraussetzungen bestimmte berufliche Anforderungen eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals rechtfertigen können (vgl. BTDrucks 16/1780 S. 35; BTDrucks 16/2022 S. 6, 12). Dies ist nur dann der Fall, wenn der Grund der unterschiedlichen Behandlung wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

20

Es fehlt vorliegend bereits an der Voraussetzung, dass an die Tätigkeit eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen - besondere - Anforderungen gestellt sind, die für diese Tätigkeit nach ihrer Art wesentlich und entscheidend sind und die im Zusammenhang mit dem Lebensalter stehen (vgl. EuGH, Urteile vom 12. Januar 2010 - Rs. C-229/08, Wolf - Slg. 2010, I-1 Rn. 35 und vom 13. September 2011 a.a.O. Rn. 66). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausnahmebestimmung des Art. 4 Abs. 1 der RL 2000/78/EG nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eng ausgelegt werden muss (EuGH, Urteil vom 13. September 2011 a.a.O. Rn. 72 m.w.N.; vgl. RL 2000/78/EG Erwägungsgrund Nr. 23).

21

Die entscheidende Anforderung ist die besondere Sach- und Fachkunde. Die Tätigkeit eines Sachverständigen jedenfalls in den Sachgebieten "EDV im Rechnungswesen und Datenschutz" sowie "EDV in der Hotellerie", für die der Kläger seine Bestellung begehrt, stellt in diesem Sinne keine besonderen Anforderungen, die - bei entsprechender Vorbildung und Erfahrung - nur Jüngere erfüllen könnten. Ob die persönlichen Bestellungsvoraussetzungen insbesondere hinsichtlich der besonderen Sach- und Fachkunde sowie der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit bei einem Bewerber erfüllt sind, hat die Bestellungsbehörde nach Maßgabe der dafür einschlägigen Rechtsvorschriften im konkreten Einzelfall zu prüfen und zu entscheiden (vgl. hier § 3 der Satzung der Beklagten).

22

Dagegen lässt sich nicht einwenden, Sachverständige jenseits des allgemeinen Renteneintrittsalters seien regelmäßig nicht mehr dauerhaft berufstätig, so dass ihre berufspraktische Erfahrung und ihre Fortbildungsbereitschaft und damit wichtige Grundlagen ihrer besonderen Sach- und Fachkunde an Aktualität einbüßten. Dieser Einwand stellt nicht auf Umstände ab, die mit dem Lebensalter in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Das Lebensalter hindert einen Sachverständigen nicht, über das übliche Renteneintrittsalter hinaus weiterhin seine berufliche Tätigkeit auszuüben, sich in dem erforderlichen Maße beruflich fortzubilden und sich damit die besondere Sach- und Fachkunde zu erhalten. Die von der Beklagten des Weiteren angeführte Erwägung, mit einer generellen Höchstaltersgrenze den mit Einzelfallprüfungen verbundenen Verwaltungsmehraufwand zu ersparen, rechtfertigt ebenfalls keine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters.

23

b) Die in Rede stehende generelle Höchstaltersgrenze wird auch nicht durch Art. 2 Abs. 5 der RL 2000/78/EG legitimiert. Hiernach berührt diese Richtlinie nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen, die in einer demokratischen Gesellschaft für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die Verteidigung der Ordnung und die Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Mit dem Erlass dieses Sicherheitsvorbehalts wollte der Unionsgesetzgeber auf dem Gebiet von Beschäftigung und Beruf dem Entstehen eines Spannungsfeldes zwischen dem Grundsatz der Gleichbehandlung zum einen und der notwendigen Gewährleistung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit, der Verhütung von Rechtsverstößen sowie dem Schutz der individuellen Rechte und Freiheiten, die für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft unerlässlich sind, zum anderen vorbeugen und vermittelnd eingreifen (EuGH, Urteil vom 13. September 2011 a.a.O. Rn. 55). Auch Art. 2 Abs. 5 der RL 2000/78/EG ist eng auszulegen, weil er eine Abweichung vom Grundsatz des Verbots der Diskriminierung begründet (EuGH, Urteile vom 12. Januar 2010 - Rs. C-341/08, Domnica Petersen - Slg. 2010, I-47 Rn. 60 und vom 13. September 2011 a.a.O. Rn. 56).

24

Eine ausdrückliche Bestimmung, die diesen Sicherheitsvorbehalt ganz allgemein in innerstaatliches Recht umsetzt, ist in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nicht aufgenommen worden. Zwar sieht § 20 Abs. 1 Nr. 1 AGG vor, dass eine unterschiedliche Behandlung u.a. wegen des Alters nicht vorliegt, wenn diese der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient. Diese Regelung erfasst jedoch, wie sich aus ihrer systematischen Stellung in Abschnitt 3 des Gesetzes ergibt, ausschließlich den Schutz vor Benachteiligungen im Zivilrechtsverkehr. Auf Hoheitsakte einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder Behörde und damit auf die öffentliche Bestellung von Sachverständigen ist sie nicht anwendbar. Auch ein Rückgriff auf § 10 Satz 1 AGG scheidet aus. Zwar ließe der Wortlaut zu, die in Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie angesprochenen Sicherheitsbelange als legitime Ziele im Sinne dieser Vorschrift zu deuten. Der Gesetzgeber wollte aber mit § 10 AGG allein Art. 6 und 7 der RL 2000/78/EG in deutsches Recht umsetzen (vgl. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 3. Aufl. 2011, § 10 Rn. 6) und nicht den allgemeinen Sicherheitsvorbehalt des Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie.

25

Umgekehrt hat der Bundesgesetzgeber auf den Sicherheitsvorbehalt auch nicht bewusst verzichtet. Hierfür fehlt es an Anhaltspunkten im Wortlaut des Gesetzes und in der Gesetzesbegründung. Damit steht das Schweigen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes anderweitigen Regelungen des innerstaatlichen Rechts außerhalb dieses Gesetzes nicht entgegen (ebenso von Roetteken, AGG, § 1 Rn. 189). Gegen eine derartige Sperrwirkung des Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes sprechen nicht zuletzt kompetenzrechtliche Gründe. Denn wesentliche Bereiche des Polizei- und Ordnungsrechts fallen in die Gesetzgebungskompetenz der Länder (vgl. etwa zum Bereich der Bautensicherheit die auf Art. 80 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayBauO gestützte Verordnung über die Prüfingenieure, Prüfämter und Prüfsachverständigen im Bauwesen vom 29. November 2007 i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. Dezember 2011, GVBl S. 720, und dazu VGH München, Beschluss vom 21. Oktober 2011 - 22 ZB 11.2154 - juris).

26

Auch der Bundesgesetzgeber kann im Rahmen seiner Gesetzgebungszuständigkeit von dem Sicherheitsvorbehalt des Art. 2 Abs. 5 der RL 2000/78/EG Gebrauch machen. Er kann diese Befugnis delegieren. Deshalb kommt auch § 36 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 GewO als Ermächtigungsgrundlage für eine Rechtsverordnung der zuständigen Landesregierung oder eine Satzung der zuständigen Industrie- und Handelskammer in Betracht, die altersbezogene Anforderungen an öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige stellt, sofern dies der Wahrung der in Art. 2 Abs. 5 der RL 2000/78/EG genannten Schutzgüter dient und die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind.

27

Ein derartiger Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die in Rede stehende generelle Höchstaltersgrenze für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige jedweder Branche dient jedenfalls in dieser Allgemeinheit keinem Sicherheitsbelang im Sinne von Art. 2 Abs. 5 der RL 2000/78/EG. Der Zweck dieser Höchstaltersgrenze zielt, wie dargelegt, auf die Gewährleistung eines geordneten Rechtsverkehrs. Er ist nicht auf die Belange des Justizwesens beschränkt (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 13. September 2011 a.a.O. Rn. 55), sondern hat auch den außerforensischen Rechtsverkehr zum Gegenstand. Es soll sichergestellt werden, dass für Gerichte und Behörden, aber auch für Privatpersonen, die ein Sachverständigengutachten in Auftrag geben, die besondere Sach- und Fachkunde des Gutachters uneingeschränkt gewährleistet ist, ohne dass dies einer speziellen Prüfung im Einzelfall bedarf. Der Zweck ist damit jedenfalls für die Sachgebiete, für die der Kläger seine öffentliche Bestellung begehrt, weder auf die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung noch auf den Schutz der individuellen Rechte und Freiheiten, die für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft unerlässlich sind, noch auf andere Schutzgüter des Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie gerichtet.

28

3. Die Sache ist spruchreif. Verstößt die in § 22 Abs. 1 Buchst. d, Abs. 2 der Satzung der Beklagten vorgesehene generelle Höchstaltersgrenze gegen § 7 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 und § 3 Abs. 1 AGG und lässt sie sich in ihrer Allgemeinheit auch nicht nach Art. 2 Abs. 5 der RL 2000/78/EG rechtfertigen, so ist sie unwirksam und nichtig. Der Antrag des Klägers auf Neubestellung kann deshalb nicht aus diesem Grunde abgelehnt werden. Die Beklagte ist zur Neubescheidung zu verpflichten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts.

(2) Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.

(3) Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. Natürliche Personen und Personengesellschaften, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, und eingetragene Vereine, wenn nach Art oder Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, sind vom Beitrag freigestellt, soweit ihr Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, ihr nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 5 200 Euro nicht übersteigt. Die in Satz 3 genannten natürlichen Personen sind, soweit sie in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren, für das Geschäftsjahr einer Industrie- und Handelskammer, in dem die Betriebseröffnung erfolgt, und für das darauf folgende Jahr von der Umlage und vom Grundbeitrag sowie für das dritte und vierte Jahr von der Umlage befreit, wenn ihr Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht übersteigt. Wenn nach dem Stand der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Wirtschaftssatzung vorliegenden Bemessungsgrundlagen zu besorgen ist, dass bei einer Industrie- und Handelskammer die Zahl der Beitragspflichtigen, die einen Beitrag entrichten, durch die in den Sätzen 3 und 4 genannten Freistellungsregelungen auf weniger als 55 vom Hundert aller ihr zugehörigen Gewerbetreibenden sinkt, kann die Vollversammlung für das betreffende Geschäftsjahr eine entsprechende Herabsetzung der dort genannten Grenzen für den Gewerbeertrag oder den Gewinn aus Gewerbebetrieb beschließen. Wird für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt, ist Bemessungsgrundlage für die Umlage der Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb. Bei natürlichen Personen und bei Personengesellschaften ist die Bemessungsgrundlage um einen Freibetrag in Höhe von 15.340 Euro zu kürzen. Die Kammerzugehörigen sind verpflichtet, der Kammer Auskunft über die zur Festsetzung der Beiträge erforderlichen Grundlagen zu geben, soweit diese nicht bereits nach § 9 erhoben worden sind; die Kammer ist berechtigt, die sich hierauf beziehenden Geschäftsunterlagen einzusehen. Kapitalgesellschaften, deren gewerbliche Tätigkeit sich in der Funktion eines persönlich haftenden Gesellschafters in nicht mehr als einer Personenhandelsgesellschaft erschöpft, kann ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt werden, sofern beide Gesellschaften derselben Kammer zugehören. Gleiches gilt für Gesellschaften mit Sitz im Bezirk einer Kammer, deren sämtliche Anteile von einem im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit Sitz in derselben Kammer gehalten werden.

(4) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis nach § 19 der Handwerksordnung eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sind beitragspflichtig, wenn der Umsatz des nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteils 130.000 Euro übersteigt. Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, werden mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages oder, falls für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag nicht festgesetzt wird, ihres nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Satz 2 findet auch Anwendung auf Kammerzugehörige, die oder deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben oder Land- oder Forstwirtschaft auf einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Grundstück oder als Betrieb der Binnenfischerei Fischfang in einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Gewässer betreiben und Beiträge an eine oder mehrere andere Kammern entrichten, mit der Maßgabe, dass statt eines Viertels ein Zehntel der dort genannten Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zu Grunde gelegt wird.

(5) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Kosten, welche mit der Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) verbunden sind, Sonderbeiträge von den Kammerzugehörigen derjenigen Gewerbezweige erheben, welchen derartige Anlagen und Einrichtungen ausschließlich oder in besonderem Maße zugute kommen. Den Beteiligten ist vor Begründung solcher Anlagen und Einrichtungen Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(6) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Inanspruchnahme besonderer Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) oder Tätigkeiten Gebühren erheben und den Ersatz von Auslagen verlangen.

(7) Sonderbeiträge gemäß Absatz 5 werden nach Maßgabe einer Sonderbeitragsordnung, Gebühren und Auslagen nach Absatz 6 nach Maßgabe einer Gebührenordnung erhoben. In der Beitragsordnung, der Sonderbeitragsordnung sowie in der Gebührenordnung ist Erlaß und Niederschlagung von Beiträgen, Gebühren und Auslagen zu regeln.

(7a) Für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern sind die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

(8) Hinsichtlich der Beiträge, Sonderbeiträge, Gebühren und Auslagen sind

für die Verjährung
die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verjährung der Steuern vom Einkommen und Vermögen,
für die Einziehung und Beitreibung
die für Gemeindeabgaben geltenden landesrechtlichen Vorschriften
entsprechend anzuwenden. Durch Landesrecht kann Verfahren und Zuständigkeit für Einziehung und Beitreibung abweichend geregelt werden.

(1) Personen, die als Sachverständige auf den Gebieten der Wirtschaft einschließlich des Bergwesens, der Hochsee- und Küstenfischerei sowie der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaues tätig sind oder tätig werden wollen, sind auf Antrag durch die von den Landesregierungen bestimmten oder nach Landesrecht zuständigen Stellen für bestimmte Sachgebiete öffentlich zu bestellen, sofern für diese Sachgebiete ein Bedarf an Sachverständigenleistungen besteht, sie hierfür besondere Sachkunde nachweisen und keine Bedenken gegen ihre Eignung bestehen. Sie sind darauf zu vereidigen, daß sie ihre Sachverständigenaufgaben unabhängig, weisungsfrei, persönlich, gewissenhaft und unparteiisch erfüllen und ihre Gutachten entsprechend erstatten werden. Die öffentliche Bestellung kann inhaltlich beschränkt, mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für die öffentliche Bestellung und Vereidigung von besonders geeigneten Personen, die auf den Gebieten der Wirtschaft

1.
bestimmte Tatsachen in bezug auf Sachen, insbesondere die Beschaffenheit, Menge, Gewicht oder richtige Verpackung von Waren feststellen oder
2.
die ordnungsmäßige Vornahme bestimmter Tätigkeiten überprüfen.

(3) Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die zur Durchführung der Absätze 1 und 2 erforderlichen Vorschriften über die Voraussetzungen für die Bestellung sowie über die Befugnisse und Verpflichtungen der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit erlassen, insbesondere über

1.
die persönlichen Voraussetzungen, den Beginn und das Ende der Bestellung,
2.
die in Betracht kommenden Sachgebiete einschließlich der Bestellungsvoraussetzungen,
3.
den Umfang der Verpflichtungen des Sachverständigen bei der Ausübung seiner Tätigkeit, insbesondere über die Verpflichtungen
a)
zur unabhängigen, weisungsfreien, persönlichen, gewissenhaften und unparteiischen Leistungserbringung,
b)
zum Abschluß einer Berufshaftpflichtversicherung und zum Umfang der Haftung,
c)
zur Fortbildung und zum Erfahrungsaustausch,
d)
zur Einhaltung von Mindestanforderungen bei der Erstellung von Gutachten,
e)
zur Anzeige bei der zuständigen Behörde hinsichtlich aller Niederlassungen, die zur Ausübung der in Absatz 1 genannten Sachverständigentätigkeiten genutzt werden,
f)
zur Aufzeichnung von Daten über einzelne Geschäftsvorgänge sowie über die Auftraggeber,
und hierbei auch die Stellung des hauptberuflich tätigen Sachverständigen regeln.

(4) Soweit die Landesregierung weder von ihrer Ermächtigung nach Absatz 3 noch nach § 155 Abs. 3 Gebrauch gemacht hat, können Körperschaften des öffentlichen Rechts, die für die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen zuständig sind, durch Satzung die in Absatz 3 genannten Vorschriften erlassen. Die Satzung nach Satz 1 und deren Änderungen müssen im Einklang mit den Vorgaben des auf sie anzuwendenden europäischen Rechts stehen. Insbesondere sind bei neuen oder zu ändernden Vorschriften, die dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/36/EG in der jeweils geltenden Fassung unterfallen, die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2018/958 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen (ABl. L 173 vom 9.7.2018, S. 25) in der jeweils geltenden Fassung einzuhalten.

(4a) Eine Vorschrift im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 ist anhand der in den Artikeln 5 bis 7 der Richtlinie (EU) 2018/958 festgelegten Kriterien auf ihre Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Der Umfang der Prüfung muss im Verhältnis zu der Art, dem Inhalt und den Auswirkungen der Vorschrift stehen. Die Vorschrift ist so ausführlich zu erläutern, dass ihre Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bewertet werden kann. Die Gründe, aus denen sich ergibt, dass sie gerechtfertigt und verhältnismäßig ist, sind durch qualitative und, soweit möglich und relevant, quantitative Elemente zu substantiieren. Mindestens zwei Wochen vor dem Erlass der Vorschrift ist auf der Internetseite der jeweiligen Körperschaft des öffentlichen Rechts, die für die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen zuständig ist, ein Entwurf mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zu veröffentlichen. Nach dem Erlass der Vorschrift ist ihre Übereinstimmung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu überwachen und bei einer Änderung der Umstände zu prüfen, ob die Vorschrift anzupassen ist.

(5) Die Absätze 1 bis 4a finden keine Anwendung, soweit sonstige Vorschriften des Bundes über die öffentliche Bestellung oder Vereidigung von Personen bestehen oder soweit Vorschriften der Länder über die öffentliche Bestellung oder Vereidigung von Personen auf den Gebieten der Hochsee- und Küstenfischerei, der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaues sowie der Landesvermessung bestehen oder erlassen werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.