Tenor

1. Die Erinnerung wird zurückgewiesen

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

1. Der als Rechtsanwalt tätige Antragsteller war bis zum 30. April 2014 Mitglied des Stadtrates der Antragsgegnerin; er hatte in dem kommunalverfassungsrechtlichen Klageverfahren Az. B 5 K 11.594 die Verpflichtung der anwaltlich vertretenen Antragsgegnerin begehrt, ihn Tonbandaufnahmen von Ausschuss- und Stadtratssitzungen anhören zu lassen. Mit rechtskräftigem Urteil vom 26. April 2013 hatte das Gericht diese Klage abgewiesen und ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt. In der Folgezeit begehrte er die Erstattung der ihm in dem Verfahren entstandenen Kosten. Die hierauf gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 16. Juni 2015 ab (Az. B 5 K 13.640); der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg (BayVGH, B.v. 20.11.2015 Az. 4 ZB 15.1510). Nachdem die Kostenbeamtin des Gerichts die vom Antragsteller für das Klageverfahren zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 621,78 Euro festgesetzt hatte (Beschluss vom 28.10.2015), setzte sie mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Dezember 2015 die vom Antragsteller an die Antragsgegnerin für das Verfahren auf Zulassung der Berufung zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 406,50 Euro fest.

2. Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2015, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 28. Dezember 2015 beantragte der Antragsteller,

die Entscheidung des Gerichts gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Dezember 2015.

Zur Begründung trug er - ergänzt durch sein Vorbringen in den Schriftsätzen vom 18. und 22. Januar 2016 sowie vom 17. Februar 2016 - vor, dass gegen den ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin ein Disziplinar- und erneut ein Ermittlungsverfahren (Az. 16 Js 12323/13) und geführt werde; die Verteidigung erfolge durch die hiesigen Prozessbevollmächtigten. Es bestehe eine Interessenkollision. Mit Übernahme der Verteidigung, die erstmals in dem wegen Betrugs und Untreue im Amt im Jahr 2008 geführten Ermittlungsverfahren (Az.: StA Hof 16 Js 16705/08) erfolgt sei, hätten die Prozessbevollmächtigten die Antragsgegnerin nicht weiter vertreten dürfen, sondern - vor allem nach Kenntnis eines Gutachtens des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands - empfehlen müssen, rechtliche Schritte gegen den ersten Bürgermeister zu ergreifen. Der Anwaltsvertrag sei wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot nach § 134 BGB nichtig. Es liege ein Verstoß gegen die Pflicht aus § 43a Abs. 4 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) vor, so dass der Vergütungsanspruch wegfalle. Das Vertretungsverbot betreffe alle Verfahren, die die Prozessbevollmächtigten für die Antragsgegnerin geführt hätten; es bestehe jeweils ein Rückvergütungsanspruch.

Bereits mit Schriftsatz vom 18. Januar 2016 hatten die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin beantragt,

die Erinnerung zurückzuweisen.

Sie führten aus, die Straf- und Disziplinarverfahren gegen den ersten Bürgermeister stünden in keinem Zusammenhang mit dem Verfahren Az. B 5 K 11.594. Es bestehe keine Interessenkollision, weil sich aus den Stadtratsbeschlüssen keine Regressforderung gegen den ersten Bürgermeister ergebe. Ergänzend führten sie am 8. Februar 2016 aus, dass ihnen die Antragsgegnerin in dem Verfahren Az. B 5 K 11.594 am 13. Oktober 2011 Vollmacht erteilt habe; das klageabweisende Urteil sei am 26. April 2013 ergangen. Die Vertretung des ersten Bürgermeisters in dem Ermittlungsverfahren sei erst im Jahr 2015 erfolgt.

Mit Schreiben vom 23. Februar 2016 legte die Urkundsbeamtin die Erinnerung dem Gericht zur Entscheidung vor. Die Erinnerung sei unbegründet, weil die straf- und disziplinarrechtlichen Verfahren gegen den ersten Bürgermeister in keinem Zusammenhang mit dem vorliegenden kommunalverfassungsrechtlichen Verfahren und der damit verbundenen Kostenfestsetzung des Erstattungsanspruches der obsiegenden Partei stünden.

Mit Schriftsätzen vom 16. März 2016 und vom 11. Mai 2016 widersprachen die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin dem Vorwurf einer Interessenkollision. Die Antragsgegnerin habe anwaltliche Vertretungen vor dem Verwaltungsgericht zur Abwehr von Forderungen Dritter übertragen, so z. B. gegen die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen (B 2 E 08.244 und B 2 E 08.1234), gegen eine Dienstunfallanerkennung (B 5 K 13.896), gegen Zuwendungsrückforderungen des Freistaates Bayern (B 5 K 12.299), wegen Ordnungs- bzw. Zwangsgeldverhängung/Unterlagenherausgabe (B 5 K 14.551, 550, 518) sowie in der Klage, die der hiesigen Kostensache zugrunde lägen (B 5 K 13.640; 4 ZB 15.1510). Hierbei liege keine Interessenkollision vor. Keines dieser Mandate habe eine Vertretung der Antragsgegnerin auch gegen deren ersten Bürgermeister eingeschlossen. Umgekehrt bewirke auch die Vertretung des ersten Bürgermeisters im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hof keine Interessenkollision, weil kein gegenläufiger Überprüfungs- oder Vertretungsauftrag der Antragsgegnerin gegen deren ersten Bürgermeister vorgelegen habe. Die Staatsanwaltschaft Hof habe das Ermittlungsverfahren (Az.: 16 Js 16705/08) gem. § 170 Abs. 2 StPO am17. Dezember 2009 eingestellt.

Mit Schriftsätzen vom 28. April 2016 und vom 20. Juni 2016 trug der Antragsteller ergänzend vor, dass § 3 der Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) auch sogenannte Zufallserkenntnisse erfasse. Aufgrund der Kenntnisse im Verfahren Az. B 5 K 14.551 hätten die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zwingend alle diesbezüglichen Mandate sowohl die Antragsgegnerin als auch deren ersten Bürgermeister betreffend niederlegen müssen. Das sei nicht erfolgt. Es werde beantragt, zur Frage der Interessenkollision eine Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer einzuholen. Gegen den Beschluss der Staatsanwaltschaft Hof vom 18. Mai 2016, dass neuerliche Ermittlungsverfahren (Az. 16 Js 12323/13) einzustellen, habe er Beschwerde eingelegt.

Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

1. Über die Kostenerinnerung entscheidet die Kammer, weil die Kostengrundentscheidung in dem aufgrund der Kammersitzung vom 16. Juni 2015 erlassenen Urteil getroffen worden war (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., 2014, Rn. 3 zu § 165; VG Augsburg, B.v. 21.8.2015 - Au 4 M 15.726 - Juris Rn. 29; VG München, B.v. 23.5.2011 - M 12 M 10.3347 - Juris Rn. 9).

2. Die zulässige Kostenerinnerung hat in der Sache keinen Erfolg.

Es kann offenbleiben, ob ein Rechtsanwaltsvertrag nach § 134 BGB nichtig ist, wenn ein Rechtsanwalt entgegen § 43a Abs. 4 BRAO widerstreitende Interessen vertritt, weil in einer solchen Konstellation auf jeden Fall der Anspruch auf gesetzliche Gebühren, die im Zeitpunkt des Verstoßes noch nicht verdient sind, entfällt (vgl. zum Meinungsstand: LG Saarbrücken, U.v. 16.1.2015 - 13 S 124/14 - NJW-Spezial 2015, 203 m. w. N.).

Letztlich bedarf diese Frage aber keiner Klärung, weil hier zur Überzeugung des Gerichts kein Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO vorliegt. Nach dieser Vorschrift darf ein Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten. Grundlagen dieser Regelung sind das Vertrauensverhältnis zum Mandanten, die Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die im Interesse des Gemeinwohls in Gestalt der Rechtspflege gebotene Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung (Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl. 2016, Rn. 54 zu § 43a BRAO). Dabei verpflichtet diese Norm den Rechtsanwalt nur im Rahmen seiner anwaltlichen Berufsausübung und knüpft dabei an seine berufliche Vorbefassung an; sie erfasst also alle vorangegangenen anwaltlichen Berufstätigkeiten (Feuerich/Weyland, a. a. O., Rn. 56 zu § 43a BRAO; Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, Rn. 196 zu § 43a).

Eine von dieser Vorschrift erfasste Fallgestaltung liegt dann vor, wenn bei einer Sachverhaltsidentität der Rechtsanwalt schon einmal eine andere Partei in derselben Rechtssache im entgegengesetzten Interesse beraten oder vertreten hat. Maßgeblich für den Begriff „derselben Rechtssache” ist der sachlich rechtliche Inhalt des anvertrauten Interesses, also das anvertraute materielle Rechtsverhältnis, welches bei natürlicher Betrachtungsweise auf ein innerlich zusammengehöriges, einheitliches Lebensverhältnis zurückzuführen ist. Dabei kommt es nicht auf den einzelnen Anspruch sondern auf das zugrundeliegende einheitliche Lebensverhältnis an, welches auch durch einen längeren Zeitablauf nicht aufgehoben wird. Maßgeblich ist, ob eine Identität der Tatsachen und der Interessengesamtheit besteht bzw. ob die neue Sache noch zu dem ursprünglich dem Rechtsanwalt anvertrauten materiellen Rechtsverhältnis gehört, ohne dass es sich um ein und dasselbe Verfahren handeln muss. Dieselbe Rechtssache liegt vielmehr auch dann vor, wenn in Verfahren verschiedener Art und verschiedener Zielrichtungen ein und derselbe Sachverhalt von rechtlicher Bedeutung sein kann (Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl. 2016, Rn. 60 ff. zu § 43a). Ausreichend ist eine Teilidentität des historischen Vorganges. Der Interessengegensatz muss allerdings konkret gegeben sein, das Anknüpfen an einen möglichen, tatsächlich aber nicht bestehenden (latenten) Interessenkonflikt genügt demgegenüber nicht (vgl. BGH B.v. 16.1.2013 - IV ZB 32/12 - NJW 2013, 1247; U.v. 23.4.2012 - AnwZ (Brfg) 35/11 - NJW 2012, 3039/3041).

Gemessen daran liegt hier kein Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO vor. Nach Auffassung des Gerichts, das seine Überzeugung zu der aufgeworfenen Rechtsfrage erlangen konnte, ohne vorher - wie vom Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 20. Juni 2016 beantragt - eine Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer einholen zu müssen, liegt hier keine Interessenkollision vor, die in dem streitgegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren der unbefangenen Ausübung des Mandats durch die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin entgegengestanden hätte. Denn die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin haben - mangels Sachverhaltsidentität - nicht eine andere Partei in derselben Rechtssache im entgegengesetzten Interesse beraten oder vertreten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin den ersten Bürgermeister in den Jahren 2008 und 2009 in dem gegen ihn wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue im Amt von der Staatsanwaltschaft Hof geführten (Az. 16 Js 16705/08) und mit Beschluss vom 17. Dezember 2009 gemäß § 170 Abs. 2 StPO, d. h. mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellten Ermittlungsverfahren vertreten haben. Denn der Sachverhalt, der dem gegen den ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zugrunde gelegen hat, und der Sachverhalt, auf dem das verwaltungsgerichtliche Klageverfahren, welches als gegen die Antragsgegnerin geführte kommunalverfassungsrechtliche Streitigkeit darauf gerichtet war, den Antragsteller als (damaligem) Mitglied des Stadtrats der Antragsgegnerin Tonbandaufnahmen von Ausschuss- und Stadtratssitzungen anhören zu lassen, beruht hat, sind bei natürlicher Betrachtungsweise gerade nicht auf ein innerlich zusammengehöriges, einheitliches Lebensverhältnis zurückzuführen. Es kann insbesondere nicht die Rede davon sein, dass in diesen beiden Sachverhalten ein und derselbe historische Vorgang von rechtlicher Bedeutung ist (zu diesem Ansatz: OLG München U.v. 2.10.1996 - 21 U 3394/96 - NJW 1997, 1313/1314; Kleine-Cosack, BRAO, 7. Aufl. 2015, Rn. 142 zu § 43a). Allein der Umstand, dass die Beteiligten - jedenfalls bis zum Ausscheiden des Antragstellers aus dem Stadtrat der Antragsgegnerin - durch eine kommunalverfassungsrechtliche „Klammer“ miteinander verbunden waren, vermag die Annahme eines zumindest teilweise identischen Lebenssachverhalts nicht zu begründen.

Angesichts der Tatsache, dass - wie oben dargelegt - für die Prüfung einer Interessenkollision gemäß § 43a Abs. 4 BRAO allein auf die vorangegangenen anwaltlichen Berufstätigkeiten abzustellen ist, kommt es auf die neuerlichen, d. h. nach Rechtshängigkeit der der Kostenerinnerung zugrundeliegenden verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren eingeleiteten straf- und disziplinarrechtlichen Verfahren gegen den ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin ersichtlich nicht an. Abgesehen davon, dass die Staatsanwaltschaft Hof - nach Vortrag des Antragstellers - mittlerweile auch das neuerliche Ermittlungsverfahren (Az. 16 JS 12323/13) eingestellt hat, führte das, selbst wenn man diese anwaltlichen Berufstätigkeiten in die Prüfung mit einbezöge, aus den soeben dargelegten Gründen ebenfalls nicht zur Annahme einer Interessenkollision und damit zu keiner anderen Beurteilung. Zudem sind Anhaltspunkte für einen konkret gegebenen Interessengegensatz (so: BGH B.v. 16.1.2013 - IV ZB 32/12 - NJW 2013, 1247; U.v. 23.4.2012 - AnwZ (Brfg) 35/11 - NJW 2012, 3039/3041) nicht ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben, weil Teil 5 des als Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG erlassenen Kostenverzeichnisses keinen entsprechenden Gebührentatbestand enthält.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 134 Gesetzliches Verbot


Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 3 Höhe der Kosten


(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

Strafprozeßordnung - StPO | § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO | § 43a Grundpflichten


(1) Der Rechtsanwalt darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden. (2) Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworde

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Tenor 1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen. 2. Dem Beschwerdeführer wird eine Gebühr von 1.000 € auferlegt. Gründe I. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den Kostenfestsetzungs

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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten, die ihm im Zusammenhang mit einer kommunalverfassungsrechtlichen Streitigkeit entstanden sind.

1. Der Kläger ist als Rechtsanwalt tätig. Er war bis 30. April 2014 Mitglied des Stadtrats der Beklagten. In dieser Eigenschaft führte er vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth ein kommunalverfassungsrechtliches Streitverfahren gegen die anwaltlich vertretene Beklagte (B 5 K 11.594). Im damaligen Verfahren begehrte er die Verpflichtung der Beklagten, ihn eine Tonbandaufnahme einer Ausschusssitzung und einer öffentlichen Sitzung des Stadtrats der Beklagten anhören zu lassen. Hintergrund war die damalige Regelung in § 36 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung (GeschO) der Beklagten, wonach die in den Sitzungen des Stadtrats bzw. seiner Ausschüsse gefertigten Tonbandaufzeichnungen für eine Dauer von sieben Jahren aufbewahrt werden.

Das Gericht wies die Klage mit rechtskräftigem Urteil vom 26. April 2013 ab und erlegte dem Kläger als dem unterliegenden Beteiligten nach § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Kosten des Verfahrens auf. In den Urteilsgründen heißt es, dass kein Anspruch des Klägers auf Abhören der Tonbänder bestehe, weder aus der Informationsfreiheitssatzung oder der Geschäftsordnung der Beklagten noch aufgrund anderer Rechtsgrundlagen. Das Anfertigen, Aufbewahren und Auswerten der Tonbandaufnahmen unterliege strengen datenschutzrechtlichen Vorgaben wie etwa der Löschpflicht in Art. 12 Abs. 1 des Bayerischen Datenschutzgesetzes - BayDSG -. Der Umstand, dass die Beklagte demgegenüber in § 36 Abs. 2 Satz 2 GeschO eine siebenjährige Aufbewahrungsdauer der Tonbandaufzeichnungen geregelt habe, führe zu keiner anderen Beurteilung und verhelfe dem Auskunftsbegehren des Klägers nicht zum Erfolg. Der Auskunftsanspruch könne sich nicht auf solche Daten beziehen, die unter Verstoß gegen das Datenschutzgesetz aufbewahrt würden.

Im Gerichtsverfahren fielen ausweislich der Kostenrechnung vom 17. Mai 2013 Gerichtskosten in Höhe von 588,00 Euro an. Des Weiteren setzte das Gericht mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Juli 2013 die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten für das Klageverfahren gemäß dem Antrag der Beklagtenseite vom 26. Juni 2013 auf 1.516,65 Euro nebst Zinsen seit 1. Juli 2013 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins fest.

2. Mit Schreiben vom 3. Mai 2013 wandte sich der Kläger in seiner Eigenschaft als Stadtrat und unter Bezugnahme auf die Gerichtsverhandlung vom 26. April 2013 an den Ersten Bürgermeister der Beklagten. Er beantragte, die Geschäftsordnung der Beklagten dahingehend zu ändern, dass die Tonbandprotokolle nach Protokollgenehmigung zu löschen sind. Des Weiteren beantragte er eine Beschlussfassung hinsichtlich der Übernahme der Kosten des Verwaltungsgerichtsverfahrens durch die Beklagte. Mit Stadtratsbeschluss vom 20. Juni 2013 wurde § 36 Abs. 2 GeschO dahingehend geändert, dass Tonbandaufzeichnungen aus den Sitzungen nach Genehmigung der Niederschrift unverzüglich zu löschen sind. Die Beschlussfassung über den Kostenübernahmeantrag wurde vertagt. Die Beklagte bat den Kläger darum, seinen Kostenübernahmeantrag zu konkretisieren und zu beziffern. Auf Anfrage der Beklagten führte das Landratsamt Wunsiedel unter dem 27. Juni 2013 aus, dass der Kläger seinerzeit das Landratsamt zur Durchsetzung seiner Rechte nicht eingeschaltet habe. Er habe beim Landratsamt im Jahr 2011 lediglich um Auskunft hinsichtlich der Frage der Kostentragung bei einer kommunalverfassungsrechtlichen Streitigkeit gebeten. Das Landratsamt könne keine Pflicht der Beklagten zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits erkennen.

Mit Schreiben vom 3. Juli 2013 an die Beklagte und vom 4. Juli 2013 an die Bevollmächtigten der Beklagten spezifizierte der Kläger den ihm seiner Meinung nach zustehenden Kostenerstattungsanspruch. Er begründete den Anspruch damit, dass das Gerichtsverfahren die einzige Möglichkeit gewesen sei, die Beklagte von weiteren Datenschutzverstößen abzuhalten. Daraufhin forderten die Bevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 16. Juli 2013 den Kläger zur Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.519,72 Euro (= 1.516,65 Euro nebst der bereits angefallenen Zinsen) bis spätestens 30. Juli 2013 auf. Der Stadtrat der Beklagten lehnte den Antrag des Klägers auf Kostenerstattung in seiner Sitzung vom 18. Juli 2013 ab. Dies teilte die Beklagte dem Kläger mit formlosem Schreiben vom 22. Juli 2013 mit. Darin hieß es, ein Rechtsanspruch auf Kostenerstattung bestehe nicht; auch widerspreche die Ablehnung nicht den Billigkeitsgrundsätzen. Insbesondere habe der Kläger es unterlassen, zu seinem Begehren zunächst die Rechtsaufsichtsbehörde im Landratsamt einzuschalten und sich damit um eine naheliegende außergerichtliche Beilegung zu bemühen. Der Kläger zahlte daraufhin die geforderte Summe innerhalb der gesetzten Frist an die Beklagte und kündigte an, die Erstattung des Betrags gerichtlich geltend zu machen.

3. Mit Schriftsatz vom 28. August 2013, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 30. August 2013 eingegangen, erhob der Kläger Klage mit dem Antrag,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.107,72 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab 30. Juli 2013 zu bezahlen.

Zur Begründung führt der Kläger aus, ihm stehe nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ein Kostenerstattungsanspruch zu, wobei er auf Geltendmachung der eigenen Rechtsanwaltsgebühren zugunsten der Beklagten verzichte. In den Entscheidungsgründen des klageabweisenden Urteils im Verfahren B 5 K 11.594 habe das Gericht dargelegt, dass die Beklagte mit der Tonbandprotokollierung jahrelang gegen Datenschutzrecht verstoßen habe. Ohne das Gerichtsverfahren wäre es weiterhin zu derartigen Datenschutzverstößen der Beklagten gekommen, die ihre Verwaltungspraxis nicht von selbst umgestellt hätte. Mit einer Anfrage beim Bayerischen Verfassungsschutz habe die Beklagte einen weiteren Datenschutzverstoß begangen. Ausweislich des Abschlussberichts des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands habe die überschuldete Beklagte mit ihren Grundstücksgeschäften gegen Haushaltsrecht verstoßen. Der Erste Bürgermeister habe seit Jahren Mobbing gegenüber seinen Mitarbeitern begangen. Bei all diesen Verstößen sei das Landratsamt Wunsiedel als Rechtsaufsichtsbehörde nie eingeschritten, so dass eine Befassung des Landratsamts beim streitgegenständlichen Datenschutzverstoß nicht zielführend gewesen wäre. Außerdem habe das Landratsamt den festgestellten Datenschutzverstoß nicht einmal ansatzweise erkannt. Im Übrigen habe die Beklagte bezüglich des Kostenerstattungsanspruchs selbst das Landratsamt eingeschaltet, so dass sich dessen nochmalige Befassung erübrige.

Die Beklagte lässt durch ihre Bevollmächtigten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird vorgetragen, es sei bereits zweifelhaft, ob das Erstverfahren überhaupt als Kommunalverfassungsstreit zu qualifizieren sei. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, habe der Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung. Ein solcher folge weder aus Art. 20a der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung - GO) noch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erkenne einen Kostenerstattungsanspruch nur an, wenn die Anrufung des Gerichts ultima ratio gewesen und die vorherige Anrufung der Rechtsaufsichtsbehörde erfolglos geblieben sei. Bei den Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Urteil vom 26. April 2013 zur Behandlung der Tonbandaufzeichnungen von Gremiensitzungen handele es sich lediglich um obiter dicta, die sich kostenmäßig nicht zulasten der Beklagten auswirken könnten.

4. In der mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2015 wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten im Verfahren B 5 K 13.640 sowie auf die Gerichtsakten im Verfahren B 5 K 11.594 verwiesen.

Gründe

1. Die - aus dem ehemaligen Stadtratsverhältnis herrührende und damit auch nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Stadtrat der Beklagten weiterhin als allgemeine Leistungsklage zulässige - Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Aufwendungen aus dem früheren Kommunalverfassungsstreit (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Beklagte hat dies zu Recht mit Stadtratsbeschluss vom 18. Juli 2013 abgelehnt und das Ergebnis ihrer Entscheidungsfindung dem Kläger mit formlosem Schreiben vom 22. Juli 2013 mitgeteilt. Der vom Kläger geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch ergibt sich weder aus Art. 20a GO noch aus einer analogen Anwendung dieser Vorschrift noch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen.

a) Dem Klageanspruch kann allerdings nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass nach der Kostenentscheidung im rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 26. Juni 2013 (B 5 K 11.594) der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die gerichtliche Kostenlastentscheidung sowie der darauf beruhende Kostenfestsetzungsbeschluss des Gerichts vom 2. Juli 2013 entfalten keine Sperrwirkung. Insoweit ist die gerichtliche Kostenentscheidung, die die Kostentragung im Verhältnis der Verfahrensbeteiligten untereinander sowie im Verhältnis zum Gericht regelt, nicht abschließend. Sie ist vielmehr von der Frage zu unterscheiden, wer die Kosten im Innenverhältnis letztlich nach materiellem Recht zu tragen hat (VGH BW, B. v. 17.9.1984 - 9 S 1076/84 - NVwZ 1985, 284; SächsOVG, B. v. 31.7.1996 - 3 S 274/96 - NVwZ-RR 1997, 665; VG Würzburg, U. v. 17.1.1996 - W 2 K 94/155 - BayVBl 1996, 377). Die Frage, wer im Innenverhältnis mit den Kosten eines Kommunalverfassungsstreitverfahrens endgültig belastet wird, stellt sich immer dann, wenn das Gericht demjenigen, der den Kommunalverfassungsstreit geführt hat, die Kosten des Rechtsstreits auferlegt hat, sei es, weil er den Rechtsbehelf zurückgenommen hat oder - wie hier - im Streit unterlegen ist oder weil aus sonstigen Gründen eine Kostenentscheidung zu seinen Lasten ergangen ist (BayVGH, B. v. 14.8.2006 - 4 B 05.939 - juris Rn. 20).

b) Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich weder aus einer direkten noch aus einer analogen Anwendung des Art. 20a GO. Nach Art. 20a Abs. 1 GO i. V. m. der Entschädigungssatzung der Gemeinde haben ehrenamtlich tätige Gemeindebürger Anspruch auf angemessene Entschädigung als Ausgleich für den materiellen und zeitlichen Aufwand für die Ausübung der Tätigkeit. Bei den Kosten, die einem Gemeinderatsmitglied in einem gerichtlich ausgetragenen Kommunalverfassungsstreit auferlegt worden sind, handelt es sich jedoch nicht um einen materiellen Aufwand, der üblicherweise mit der Wahrnehmung des kommunalen Mandats verbunden ist. Die Aufwendungen sind dem Gemeinderatsmitglied nicht aus seiner Tätigkeit für die Gemeinde entstanden; vielmehr ist es Ziel einer derartigen Streitigkeit, die im Kommunalverfassungsrecht wurzelnden Ansprüche gegenüber der Gemeinde zur Geltung zu bringen. Auch eine analoge Anwendung des Art. 20a GO scheidet aus, weil es bereits an einer Regelungslücke fehlt. Gerichtlich ausgetragene Kommunalverfassungsstreitigkeiten gibt es seit geraumer Zeit, ohne dass der Gesetzgeber eine Regelung zur Kostenerstattung für geboten erachtet hätte (vgl. zum Ganzen BayVGH, B. v. 14.8.2006 - 4 B 05.939 - juris Rn. 22 ff.).

c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Kostenerstattung aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen.

aa) Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen einem Kommunalorgan oder Organteil die Kosten aus einem Kommunalverfassungsstreitverfahren zu erstatten sind, wird in der obergerichtlichen Judikatur - in Begründung und Ergebnis - unterschiedlich beantwortet. Die überwiegende Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte erkennt in Organstreitigkeiten einen grundsätzlichen Kostenerstattungsanspruch an, sofern die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens geboten war, d. h. nicht mutwillig bzw. aus sachfremden Gründen erfolgt ist (vgl. mit im Einzelnen unterschiedlicher Akzentuierung OVG Saarl. U. v. 6.12.1978 - 3 R 123/78 - BayGT 1979, 155 und B. v. 5.10.1981 - 3 R 87/80 - NVwZ 1982, 140; VGH BW, B. v. 17.9.1984 - 9 S 1076/84 - NVwZ 1985, 284; OVG RhPf, U. v. 19.5.1987 - 7 A 90/86 - NVwZ 1987, 1105; OVG Bremen, B. v. 31.5.1990 - 1 B 18 u. 21/90 - NVwZ 1990, 1195; SächsOVG, B. v. 31.7.1996 - 3 S 274/96 - NVwZ-RR 1997, 665). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die Erwägung, dass der kommunale Funktionsträger mit dem Prozess eine Aufgabe der Gemeinde wahrnimmt, also gleichsam als deren „Amtswalter“ zur Rechtsdurchsetzung fungiert. Die normative Herleitung des Erstattungsanspruchs ist dabei umstritten (vgl. OVG NRW, U. v. 12.11.1991 - 15 A 1187/89 - NVwZ-RR 1993, 266 einerseits und die Fortentwicklung in OVG NRW, U. v. 24.4.2009 - 15 A 981/06 - NVwZ-RR 2009, 819 andererseits).

Demgegenüber betont namentlich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dass für das bayerische Landesrecht der kommunalverfassungsrechtliche Erstattungsanspruch im Mitgliedschaftsrecht des einzelnen Gemeinderats wurzelt (BayVGH, B. v. 14.8.2006 - 4 B 05.939 - juris Rn. 28; nachgehend BVerwG, B. v. 22.2.2007 - 8 B 84.06 - juris). Hieraus schließt der Verwaltungsgerichtshof, dass die Mutwilligkeit als Ausschlussgrund nicht ausreicht, um Kostenerstattungsansprüche bei Kommunalverfassungsstreitigkeiten sachgerecht zu begrenzen. Angesichts der durch gegenseitige Rücksichtnahmepflichten geprägten Sonderrechtsverbindung zwischen dem einzelnen Gemeinderatsmitglied und der Gemeinde erscheint eine Kostenerstattung im Anschluss an einen Organstreit nur gerechtfertigt, wenn die Anrufung des Gerichts zur Durchsetzung individueller Mitgliedschaftsrechte als ultima ratio unumgänglich war, weil - über die Anforderungen des allgemeinen Prozessrechts (Rechtsschutzbedürfnis) hinaus - alle dem Gemeinderatsmitglied zumutbaren Maßnahmen zur außergerichtlichen Durchsetzung der organschaftlichen Rechte ohne Erfolg geblieben sind. Nicht zuletzt aus der (Mit-)Verantwortung des einzelnen Gemeinderatsmitglieds für die berechtigten Interessen der Gemeinde (Gebot sparsamer Haushaltsführung) folgt grundsätzlich die Obliegenheit, zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Rechtsaufsichtsbehörde anzurufen. Die Einstufung als ein im Landesrecht wurzelnder Erstattungsanspruch mit den daraus resultierenden engeren Anspruchsvoraussetzungen als nach der Rechtsprechung anderer Obergerichte hat das Bundesverwaltungsgericht gebilligt (BVerwG, B. v. 2.6.2014 - 8 B 98.13 - juris Rn. 11).

bb) Hieran gemessen steht dem Kläger der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nicht zu. Die Anrufung des Gerichts im „Tonbandstreit“ war nicht als ultima ratio unumgänglich, weil die vorherige Befassung der Rechtsaufsichtsbehörde möglich und zumutbar war. Das sich für das Gericht aus den Behördenakten ergebende Bild, dass eine Einschaltung der Rechtsaufsichtsbehörde bezüglich der Tonbandproblematik nicht erfolgt ist, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2015 ausdrücklich bestätigt. Aus seiner Sicht wäre jedoch eine Anrufung des Landratsamts sinnlos und eine bloße Förmelei gewesen, weil die Behörde auch in anderen, von ihm näher bezeichneten Fällen nicht gegen die Beklagte eingeschritten sei. Allein die Vermutung eines Untätigbleibens rechtfertigt es jedoch nicht, im hier streitgegenständlichen Fall von einer Befassung der - als Staatsbehörde an Recht und Gesetz gebundenen - Rechtsaufsichtsbehörde abzusehen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die zugrunde liegende Vorschrift der Geschäftsordnung der Beklagten, in der die siebenjährige Aufbewahrungsfrist der Tonbandaufzeichnungen geregelt war, bei ihrem Erlass rechtsaufsichtlich angezeigt bzw. genehmigt wurde. Dies entbindet nicht von einer Einschaltung der Rechtsaufsichtsbehörde in - bei der Normanwendung auftretenden - konkreten Zweifelsfragen, die vorliegend aber unterblieben ist. Die Rechtsaufsichtsbehörde war mit dem Thema das Abhörens bzw. der Aufbewahrung der Stadtratsprotokolle im Allgemeinen bzw. der Datenschutzproblematik im Besonderen nicht befasst.

Überdies sprechen die Besonderheiten des zugrunde liegenden Kommunalverfassungsstreits entscheidend gegen die Anerkennung eines Kostenerstattungsanspruchs. Der Kläger hatte im Ausgangsverfahren das Gericht gerade nicht zur Bereinigung der Datenschutzverstöße angerufen, sondern wollte im Gegenteil die Tonbänder abhören und damit - unter Ausnutzung bzw. Perpetuierung der Datenschutzverstöße - von der letztlich rechtswidrigen Datensammlung und -aufbewahrung der Beklagten profitieren. Er hatte die zugrunde liegende Datenschutzproblematik überhaupt nicht erkannt, sondern stand der langen Aufbewahrungszeit vielmehr positiv gegenüber (vgl. seine Schriftsätze im Verfahren B 5 K 11.594, Gerichtsakte Bl. 136 und 161). Erst im Gerichtsverfahren, namentlich auf gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung am 26. April 2013, kristallisierte sich die datenschutzrechtliche Problematik heraus (vgl. die Sitzungsniederschrift vom 26. April 2013, Gerichtsakte Bl. 302 im Verfahren B 5 K 11.594). Ihre Bereinigung im Nachgang zum Gerichtsurteil vom 26. April 2013 (vgl. Schreiben des Klägers vom 3. Mai 2013; Stadtratsbeschluss vom 20. Juni 2013) erwies sich damit als „positiver Nebeneffekt“, der im Ausgangspunkt nicht auf den Kläger zurückzuführen ist und damit auch insoweit keinen Kostenerstattungsanspruch rechtfertigt.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Kläger als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der - wenn überhaupt anfallenden - dann allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen der Beklagten nicht, zumal diese auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.

3. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Der Rechtsanwalt darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden.

(2) Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist. Dies gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Der Rechtsanwalt hat die von ihm beschäftigten Personen in Textform zur Verschwiegenheit zu verpflichten und sie dabei über die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung zu belehren. Zudem hat er bei ihnen in geeigneter Weise auf die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht hinzuwirken. Den von dem Rechtsanwalt beschäftigten Personen stehen die Personen gleich, die im Rahmen einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder einer sonstigen Hilfstätigkeit an seiner beruflichen Tätigkeit mitwirken. Satz 4 gilt nicht für Referendare und angestellte Personen, die im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht den gleichen Anforderungen wie der Rechtsanwalt unterliegen. Hat sich ein Rechtsanwalt mit anderen Personen, die im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht den gleichen Anforderungen unterliegen wie er, zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammengeschlossen und besteht zu den Beschäftigten ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis, so genügt auch der Nachweis, dass eine andere dieser Personen die Verpflichtung nach Satz 4 vorgenommen hat.

(3) Der Rechtsanwalt darf sich bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten. Unsachlich ist insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewußte Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlaß gegeben haben.

(4) Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden, wenn er einen anderen Mandanten in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. Das Tätigkeitsverbot gilt auch für Rechtsanwälte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Rechtsanwalt ausüben, der nach Satz 1 nicht tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 2 bleibt bestehen, wenn der nach Satz 1 ausgeschlossene Rechtsanwalt die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. Die Sätze 2 und 3 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Mandanten der Tätigkeit des Rechtsanwalts nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit des Rechtsanwalts sicherstellen. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 4 erfüllt sind. Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots nach Satz 1 oder Satz 2 erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem Rechtsanwalt auch ohne Einwilligung des Mandanten offenbart werden.

(5) Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend für die Tätigkeit als Referendar im Vorbereitungsdienst im Rahmen der Ausbildung bei einem Rechtsanwalt. Absatz 4 Satz 2 ist nicht anzuwenden, wenn dem Tätigkeitsverbot nach Absatz 4 Satz 1 eine Tätigkeit als Referendar nach Satz 1 zugrunde liegt.

(6) Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend für ein berufliches Tätigwerden des Rechtsanwalts außerhalb des Anwaltsberufs, wenn für ein anwaltliches Tätigwerden ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 4 Satz 1 bestehen würde.

(7) Der Rechtsanwalt ist bei der Behandlung der ihm anvertrauten Vermögenswerte zu der erforderlichen Sorgfalt verpflichtet. Fremde Gelder sind unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen.

(8) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, sich fortzubilden.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Dienstbesprechung mit dem Ersten Bürgermeister der Beklagten als Dienstunfall.

1. Der im Jahr 1954 geborene Kläger stand seit 1972 bis zu seiner Ruhestandsversetzung 2013 als Beamter der Bauverwaltung im Dienst der Beklagten und hatte zuletzt (seit 1. Mai 2012) das Amt eines Verwaltungsamtmanns (Besoldungsgruppe A 11 der Bayerischen Besoldungsordnung - BayBesO) inne. Seit 1. Januar 2011 war er als Leiter des Fachbereichs 41 - Bauverwaltung - tätig und in dieser Eigenschaft unter anderem für den Vollzug der Entwässerungssatzung zuständig. Nachdem sein Vorgesetzter, der Leiter der Abteilung 4, zum 1. März 2011 die Verwaltung der Beklagten verlassen hatte und die Stelle des Abteilungsleiters nicht nachbesetzt wurde, war der Kläger dem Ersten Bürgermeister der Beklagten direkt unterstellt.

2. Ausweislich der Akten kam es zwischen dem Kläger und dem Ersten Bürgermeister mehrfach zu Vorfällen, wobei zunächst von einem Ereignis am 22. November 2010 und einem Ereignis am 10. März 2011 die Rede ist. Die streitgegenständliche Dienstunfallmeldung des Klägers stützt sich (primär) auf ein Ereignis am 25. Oktober 2012 im Bürgermeisterzimmer. An diesem Tag fand gegen 9.00/9.20 Uhr eine Vorbesprechung für die nächste Bauausschusssitzung statt. An der Dienstbesprechung nahmen der Kläger, der Erste Bürgermeister der Beklagten ..., der Stadtbaumeister ... und später der Grundstücksmanager ... teil. Im Verlauf der Vorbesprechung wurde der Kläger vom Ersten Bürgermeister nach dem Sachstand hinsichtlich der Entwässerungspläne für ein laufendes Bauvorhaben der Firma ... gefragt. Hierauf entgegnete der Kläger, dass noch keine Pläne vorlägen, weil innerhalb des technischen Bereichs der Beklagten noch Abklärungen erfolgen müssten. Danach kam es zu einem Wortwechsel bzw. einer Auseinandersetzung zwischen dem Ersten Bürgermeister der Beklagten und dem Kläger. Der Kläger verließ daraufhin das Bürgermeisterbüro.

Am 25. Oktober 2012 um 9.57 Uhr schickte der Kläger an den Ersten Bürgermeister der Beklagten eine E-Mail des Inhalts, dass er die Vorwürfe als ungerecht empfinde und sich nicht so behandeln lasse. Der Bürgermeister antwortete unter dem 26. Oktober 2012, es sei inakzeptabel, dass der Kläger das Gespräch kommentarlos abgebrochen habe. Der Kläger möge darüber nachdenken, ob seine Reaktion im Hinblick auf die inhaltliche und zeitliche Brisanz der besprochenen Grundstücksentwässerungsangelegenheit gerechtfertigt sei. Der Kläger nahm mit E-Mail vom 31. Oktober 2012 zum Gespräch vom 25. Oktober 2012 und zum Schreiben vom 26. Oktober 2012 Stellung.

3. Nach eigenen Angaben begab sich der Kläger unmittelbar nach dem Ereignis am 25. Oktober 2012 in die Behandlung des Hausarztes und Internisten ... in ... Über die Erstbehandlung am Tag des Vorfalls sind den Akten keine ärztlichen Unterlagen zu entnehmen. Laut einem Attest des Hausarztes vom 17. April 2013 bestünden seit dem Ereignis Schlafstörungen, Grübeln, Erschöpfung, Gereiztheit, Überlastungsgefühle und eine depressive Gestimmtheit. Der Hausarzt überwies den Kläger an den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ... in ..., der am 10. Dezember 2012 mit einer ambulanten psychiatrischen Behandlung begann. In dessen ärztlichem Zeugnis vom 10. April 2013 werden als Beschwerden des Klägers starkes Grübeln, Schlafstörung, Konzentrationsstörung, Vergesslichkeit, Reizbarkeit, reduziertes Selbstwertgefühl, innere Unruhe, Zukunftsangst, Niedergeschlagenheit, Libidoverlust und Tinnitus angegeben. Das Auftreten der psychischen Störung habe einen direkten ursächlichen Zusammenhang mit dem traumatisierenden Ereignis am Dienstplatz. Als Unfallfolge wird eine längerdauernde depressive Reaktion beim Konflikt am Dienstplatz genannt.

Seit dem Vorfall am 25. Oktober 2012 war der Kläger durchgängig dienstunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 13. Februar 2013 beauftragte die Beklagte das Landratsamt ... - Gesundheitswesen - mit der amtsärztlichen Prüfung der Dienstfähigkeit des Klägers. Zunächst wurde die stationäre Rehabilitationsmaßnahme abwartet, der sich der Kläger vom 28. Februar 2013 bis 28. März 2013 in der Deutschen Klinik für Integrative Medizin und Naturheilverfahren (Dekimed) ... unterzog. Im dortigen Entlassungsbericht sind als Diagnosen genannt: Depressive Episode (F 32.9), Wirbelsäulen-Syndrom (M 53.99), Gonarthrose (M 17.1), Schulter-Arm-Syndrom (M 75.9), Prostatahyperplasie (N 40). Der Kläger wurde arbeitsunfähig entlassen.

Am 18. April 2013 wurde der Kläger amtsärztlich untersucht. Im amtsärztlichen Zeugnis vom 29. April 2013 heißt es, beim Kläger habe sich im Rahmen von Konfliktsituationen am Arbeitsplatz eine Erkrankung aus dem psychiatrischen Formenkreis entwickelt, die sich u. a. in Schlafstörungen, Grübelzwängen und Gedankenkreisen, Antriebsminderung, Stimmungseinbrüchen sowie Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen äußere. Daneben bestünden weitere Erkrankungen aus anderen Fachbereichen, die derzeit die Dienstfähigkeit nicht entscheidend beeinflussten. Trotz der seit Ende 2012 bestehenden kontinuierlichen fachpsychiatrischen Behandlung inklusive psychopharmakologischer Therapie und der stationären Behandlung in der psychosomatisch ausgerichteten Klinik sei eine durchgreifende Besserung nicht erzielt worden. Zusammenfassend könne für die Tätigkeit als Verwaltungsamtmann bei der Stadt ... kein positives Leistungsbild beschrieben werden. Infolge der Erkrankung bestehe aus ärztlicher Sicht eine dauernde Unfähigkeit zur Erfüllung der Pflichten gemäß der beschriebenen bisherigen Tätigkeit. Daraufhin wurde der Kläger mit Wirkung vom 1. September 2013 nach Befassung des Stadtrats wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Mit Bescheid vom 21. August 2013 setzte die Beklagte die Versorgungsbezüge des Klägers unter Zugrundelegung der Bezüge aus der Besoldungsgruppe A 10 BayBesO auf monatlich 1.900,31 EUR fest. Hiergegen erhob der Kläger am 30. August 2013 Widerspruch.

4. Nach dem Ereignis vom 25. Oktober 2012 lässt sich den Akten das folgende weitere Geschehen entnehmen: Mit Schreiben seiner damaligen Bevollmächtigten vom 20. November 2012 forderte der Kläger den Ersten Bürgermeister der Beklagten unter Bezugnahme auf Vorfälle vom 22. November 2010, 10. März 2011 sowie die Besprechung vom 25. Oktober 2012 auf, alle beleidigenden und/oder ehrenrührigen Äußerungen gegenüber dem Kläger in Bezug auf seine fachliche Qualifikation und/oder soziale Kompetenz zu unterlassen. Mit einer Aktennotiz vom 22. November 2012 äußerte sich Gesprächsteilnehmer ...zur Dienstbesprechung vom 25. Oktober 2012. Mit E-Mail vom 14. August 2013 nahm Stadtbaumeister ... auf Anfrage des vom Kläger eingeschalteten Personalrats zu dem Vorfall Stellung. Des Weiteren befindet sich in den Akten ein undatierter, nicht unterzeichneter Vermerk über eine Stellungnahme des Ersten Bürgermeisters zum Gesprächsverlauf.

Mit Schreiben vom 4. April 2013 zeigte der Kläger bei der Beklagten das Ereignis vom 25. Oktober 2012 als Dienstunfall an. In der Dienstunfallmeldung heißt es, nach seiner Antwort zum Sachstand des Bauprojekts sei der Erste Bürgermeister von seinem Sitzplatz hochgefahren und habe ihn in einem völlig unangemessenen und beleidigenden Ton angebrüllt. Er habe bedrohlich gestikuliert und ihm, dem Kläger, Bequemlichkeit vorgeworfen. Eine Rechtfertigung seitens des Klägers habe nicht erfolgen können, weil der Erste Bürgermeister seine Vorwürfe erneut und zornig wiederholt habe. Der heftige verbale Angriff gegen seine Person - nach einer langen Phase der stillschweigenden Anerkennung seiner Leistungen - habe in ihm eine unmittelbare Schockwirkung und Panik ausgelöst. Er habe das Bürgermeisterzimmer fluchtartig verlassen müssen. Er sei einem Nervenzusammenbruch nahe gewesen, sein Herz habe gerast und ihm sei schwindlig sowie extrem übel gewesen. Er erstatte die Anzeige eines Dienstunfalls jetzt, weil ihm erst bei den Therapiegesprächen in seiner Reha-Maßnahme bewusst geworden sei, dass es sich um einen Dienstunfall handele. Bei den Vorfällen, die ihm am 22. November 2010 sowie am 10. März 2011 widerfahren seien, seien ebenfalls die Tatbestandsmerkmale eines Dienstunfalls erfüllt. Als Art der Verletzung gab der Kläger eine schwere Persönlichkeitsverletzung mit schwerwiegenden psychischen und psychosomatischen Folgen an.

Mit Bescheid vom 18. November 2013 lehnte die Beklagte nach entsprechender Beschlussfassung im Stadtrat und nach Einschaltung der Bayerischen Versorgungskammer die Anerkennung des Ereignisses als Dienstunfall ab. Zur Begründung wurde auf die Ermittlung des Sachverhalts durch Befragung der am Gespräch beteiligten Herren ... und ... verwiesen. Daraus ergebe sich, dass der Erste Bürgermeister zwar erregt gewesen sei und deshalb lauter gesprochen habe, er aber den Kläger weder angebrüllt noch sonst beleidigt habe. Die Situation stelle sich nach den Schilderungen des Bürgermeisters und der Kollegen also anders dar als im Schreiben des Klägers geschildert. Auch im Übrigen lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Dienstunfalls infolge psychischer Einwirkungen nicht vor. Wenn der Kläger angebe, dass es bereits öfter verbale Angriffe gegen ihn gegeben habe, mangele es hier an einem plötzlichen Ereignis sowie an der zeitlichen Bestimmbarkeit. Der manchmal etwas rüdere Ton des Ersten Bürgermeisters sei der gesamten Verwaltung bekannt, so dass man nicht von Mobbing sprechen könne. Eine Anweisung (wenn auch im verschärften Ton) durch einen Dienstvorgesetzten könne auch nicht als Schikane bezeichnet werden.

5. Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2013, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 10. Dezember 2013 eingegangen, ließ der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten Klage erheben und zunächst beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 18. September 2013 zu verpflichten, das Ereignis vom 25. Oktober 2012 als Dienstunfall anzuerkennen.

Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 5. Februar 2014 ausgeführt, dass es bereits am 22. November 2010 zu einer lautstarken Auseinandersetzung zwischen dem Ersten Bürgermeister der Beklagten, dem Kläger sowie dem damaligen Abteilungsleiter der Abteilung 4, ... gekommen sei, die auch Gegenstand mehrerer Presseberichte gewesen sei. Die circa 45-minütige Auseinandersetzung sei seitens des Bürgermeisters hinsichtlich Lautstärke und Wortwahl in einer Art und Weise erfolgt, die sowohl von Herrn ...als auch vom Kläger als nicht mehr zumutbar erachtet worden sei. Nach der personellen Umstrukturierung im März 2011 sei es zwischen dem Kläger und dem Ersten Bürgermeister für längere Zeit zu keinen nennenswerten Vorfällen gekommen; die Doppelbelastung des Klägers sei durch seine Beförderung zum Verwaltungsamtmann honoriert worden. Bei der streitgegenständlichen Vorbesprechung am 25. Oktober 2012 sei der Kläger jedoch wieder angebrüllt worden und Vorwürfen ausgesetzt gewesen. Sein Rechtfertigungsversuch sei daran gescheitert, dass der Erste Bürgermeister seine Vorwürfe in unangemessener Lautstärke und Wortwahl wiederholt und den Kläger nicht habe zu Wort kommen lassen. Seit dem Vorfall sei der Kläger infolge eines Schocks trotz anhaltender fachärztlicher Behandlung ununterbrochen dienstunfähig gewesen, was schließlich zu seiner Ruhestandsversetzung geführt habe. Der Vorfall stelle ein für den Kläger unerwartetes plötzliches Ereignis insofern dar, als es nach der personellen Umstrukturierung im März 2011 zu keinen derartigen Vorfällen gekommen sei. Vorgänge in der Vergangenheit gegenüber anderen Bediensteten der Beklagten zeigten, dass der Erste Bürgermeister bei Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich seiner Laustärke und Wortwahl vollkommen die Beherrschung verliere. Auch wenn sich diese Vorkommnisse innerhalb der Verwaltung der Beklagten häuften, führe dies nicht dazu, dass es sich um übliche Ereignisse handele, mit denen ein Beamter während eines Dienstverhältnisses typischerweise rechnen müsse.

Die Beklagte lässt durch ihre Prozessbevollmächtigten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 31. März 2014 ausgeführt, dass die subjektive Darstellung des Klägers durch die Wahrnehmungen der anderen Beteiligten der Dienstbesprechung widerlegt werde. Die Behauptung des Klägers über andere Geschehnisse in der Stadtverwaltung werde bestritten. Für die Qualifizierung des dienstlichen Geschehens als Dienstunfall habe der Kläger keine substantiierte medizinische Begründung vorgetragen. Auch die angebliche Doppelbelastung des Klägers aufgrund der personellen Fluktuation bei der Beklagten in den Jahren 2010/2011 sei unzutreffend und für die Feststellung eines Dienstunfalls unbehelflich. Es fehle bereits an den konstituierenden Tatbestandsmerkmalen einer gravierenden Beleidigung oder Beschimpfung. Soweit es im Berufsleben zwischen Führungskräften zu Meinungsverschiedenheiten komme, könnten diesbezügliche Gesundheitsprobleme nur auf anlagebedingter Disposition des Betroffenen beruhen. Für die Anerkennung eines Dienstunfalls fehle es sowohl an der haftungsbegründenden als auch an der haftungsausfüllenden Kausalität.

6. In der mündlichen Verhandlung am 28. April 2015 wurden die am Gespräch vom 25. Oktober 2012 beteiligten Personen als Zeugen vernommen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte den Antrag aus der Klageschrift vom 10. Dezember 2013 mit der Ergänzung, als Dienstunfallfolge eine Erkrankung aus dem psychischen Formenkreis anzuerkennen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nahm auf den Klageabweisungsantrag im Schriftsatz vom 31. März 2014 Bezug. Zum Inhalt der Zeugenaussagen und zum weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 18. November 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Besprechung vom 25. Oktober 2012 als Dienstunfall (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

a) Nach Art. 46 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG) ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Das Tatbestandsmerkmal „plötzlich“ dient - im Zusammenhang mit der örtlichen und zeitlichen Bestimmbarkeit des Ereignisses - der Abgrenzung gegenüber einer länger dauernden Einwirkung und besagt, dass das Unfallgeschehen sich in einem relativ kurzen Zeitraum ereignen und wirken muss (vgl. BayVGH, B. v. 25.10.2012 - 3 ZB 10.2737 - juris Rn. 5 m. w. N.). Dementsprechend liegt kein plötzliches Unfallereignis vor, wenn sich eine dienstliche Konfliktsituation über Monate hinweg entwickelt und eskaliert (vgl. BayVGH, B. v. 25.10.2012 - 3 ZB 10.2737 - juris Rn. 16).

Des Weiteren muss das Ereignis auf äußerer Einwirkung beruhen. Nach der Rechtsprechung stellen dienstliche Gespräche, die zu den typischen Ereignissen des Beamtenverhältnisses gehören, grundsätzlich keine äußere Einwirkung im Sinn des Dienstunfallrechts dar (vgl. OVG NRW, B. v. 10.8.2011 - 1 A 1455/09 - juris Rn. 10; OVG SH, U. v. 26.11.1993 - 3 L 99/93 - juris Rn. 34 ff.; VG Stuttgart, U. v. 9.4.2014 - 12 K 998/13 - juris Rn. 24; VG Frankfurt, U. v. 31.8.2009 - 9 K 354/09.F - juris Rn. 19 ff.). Etwas anderes kann nur gelten, wenn ein dienstliches Gespräch von der normalen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses wesentlich abweicht und sich nicht mehr im Rahmen der sozialen Adäquanz hält (OVG SH, U. v. 26.11.1993 - 3 L 99/93 - juris Rn. 36; VG Stuttgart, U. v. 9.4.2014 - 12 K 998/13 - juris Rn. 25; VG Ansbach, U. v. 27.5.2014 - AN 1 K 13.01956 - juris Rn. 42 ff.). Im Vordergrund steht dabei, mit welchem konkreten Inhalt und in welcher Weise das Gespräch tatsächlich geführt wurde. Das Gespräch muss hinsichtlich seines Verlaufs und/oder seiner Atmosphäre erkennbare Besonderheiten aufgewiesen haben, welche vom üblichen dienstlichen Umgang abgewichen sind, und zwar in einer Weise, die den Betroffenen nachvollziehbar erheblich belastet hat (OVG NRW, B. v. 10.8.2011 - 1 A 1455/09 - juris Rn. 11). Als äußere Einwirkung kommen etwa beleidigende, seelisch verletzende Äußerungen oder Beschimpfungen in Betracht (vgl. BVerwG, U. v. 9.4.1970 - II C 49.68 - BVerwGE 35, 133; BayVGH, U. v. 29.7.1987 - 3 B 85 A.2752 - Leitsatz). Unter Umständen kann schon ein sonstiges deutliches Vergreifen im Ton bzw. eine im Ganzen unsachliche, etwa den Betroffenen völlig verängstigende bzw. unangemessen unter Druck setzende Gesprächsatmosphäre ein Dienstunfallereignis begründen, zumal dann, wenn es sich um ein für die Erhaltung des Status oder die weitere berufliche Entwicklung außerordentlich wichtiges Gespräch handelt und der Beamte darauf in zeitlichem Zusammenhang mit Krankheitssymptomen reagiert (OVG NRW, B. v. 10.8.2011 - 1 A 1455/09 - juris Rn. 11).

Weitere Voraussetzung für die Anerkennung als Dienstunfall ist, dass das Ereignis einen Körperschaden verursacht hat, d. h. dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Körperschaden besteht. Zur Beurteilung des Zurechnungszusammenhangs ist maßgeblich auf die von der Rechtsprechung entwickelte Theorie der wesentlichen Verursachung bzw. der zumindest wesentlich mitwirkenden Teilursache abzustellen. Hiernach sind (mit-)ursächlich für einen eingetretenen Körperschaden nur solche Bedingungen im natürlich-logischen Sinn, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. BVerwG, U. v. 22.1.2009 - 2 A 3.08 - BayVBl 2009, 347). Nicht ursächlich im Sinn des Gesetzes sind die sogenannten Gelegenheitsursachen, d. h. solche Bedingungen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht. Letzteres ist beispielsweise dann der Fall, wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte (vgl. BVerwG, B. v. 8.3.2004 - 2 B 54.03 - juris Rn. 7).

Alle Tatbestandsvoraussetzungen für eine Dienstunfallanerkennung bzw. die geltend gemachten Unfallfolgen müssen zur Überzeugung der Behörde und des Gerichts vorliegen. Der Beamte trägt das Feststellungsrisiko bzw. die materielle Beweislast, dass die behauptete Schädigungsfolge wesentlich auf den Dienstunfall und nicht etwa auf eine anlagebedingte Konstitution zurückzuführen ist. Ein Anspruch ist nur dann anzuerkennen, wenn der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Körperschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist (st. Rspr.; vgl. BVerwG, U. v. 25.2.2010 - 2 C 81.08 - NVwZ 2010, 708; BVerwG, B. v. 4.4.2011 - 2 B 7.10 - juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 4.12.2014 - 14 ZB 12.2449 - juris Rn. 7).

b) Hieran gemessen stellt das dienstliche Gespräch am 25. Oktober 2012 kein Vorkommnis dar, das zur Anerkennung als Dienstunfall führen könnte. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest nach Auswertung der Akten sowie insbesondere aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung am 28. April 2015, bei der die am Gespräch beteiligten Personen als Zeugen vernommen wurden. Sowohl das Vorgeschehen zum streitgegenständlichen Gespräch (dazu Buchst. aa) als auch Ablauf, Inhalt und Atmosphäre des Gesprächs selbst (dazu Buchst. bb) sprechen gegen das Vorliegen eines Dienstunfalls. Das Geschehen im Nachgang zum Gespräch rechtfertigt keine andere Einordnung (dazu Buchst. cc).

aa) Aus dem Vorgeschehen zu dem als dienstunfallbegründend benannten Gespräch ergibt sich, dass es sich dabei schon nicht um ein plötzliches Ereignis im Sinn des Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG gehandelt hat. Der Kläger hat in seinen persönlichen Einlassungen immer wieder den generellen Führungsstil des Ersten Bürgermeisters der Beklagten für seine Erkrankungen verantwortlich gemacht, was gegen ein plötzliches, einmaliges Ereignis, sondern vielmehr für eine „Dauereinwirkung“ in Form eines schleichenden Prozesses mit multiplen Faktoren spricht. Konkret hat der Kläger wiederholt auf zwei frühere Vorkommnisse - ein Gespräch mit dem Ersten Bürgermeister und seinem damaligen Abteilungsleiter am 22. November 2010 einerseits und ein Gespräch mit dem Ersten Bürgermeister am 10. März 2011 andererseits - Bezug genommen, denen er eine Verantwortung für seine psychische Erkrankung zuschreibt. Dies belegen die Angaben des Klägers in seiner Dienstunfallmeldung vom 4. April 2013 („... dass bei den Vorfällen, die mir am 22.11.2010 sowie am 10.03.2011 widerfuhren, ebenfalls die Tatbestandsmerkmale eines Dienstunfalls erfüllt waren“) ebenso wie seine Äußerungen gegenüber dem Amtsarzt (vgl. dessen Aktenvermerk über die Untersuchung des Klägers am 18. April 2013 sowie die eigene Zusammenstellung des Klägers zu seinen Erkrankungen und Funktionsbeeinträchtigungen vom 14. Januar 2013) und die Äußerungen seiner früheren Bevollmächtigten im Schreiben vom 20. November 2012. Eine dienstunfallrechtlich relevante „Zäsur“ durch eine „Wohlverhaltensphase“ des Ersten Bürgermeisters bzw. durch die zwischenzeitliche Beförderung des Klägers, die das Vorkommnis am 25. Oktober 2012 als singulär erscheinen ließe, vermag das Gericht demgegenüber nicht zu erkennen.

An der Plötzlichkeit des Ereignisses fehlt es weiter deswegen, weil das Gesprächsthema „Entwässerungsplanung der Firma ...“, auch wenn es nicht auf der Tagesordnung der vorzubesprechenden Bauausschusssitzung stand, für den Kläger nicht überraschend kam, sondern eine längere Vorgeschichte hatte. Ausweislich des von der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung vorgelegten E-Mail-Verkehrs musste dem Kläger die Aktualität, Dringlichkeit und Bedeutsamkeit dieses komplexen Dauerthemas spätestens seit der ersten Oktoberhälfte bekannt sein. Insbesondere hatte der Erste Bürgermeister in einer sowohl an den Kläger als auch an den Tiefbauingenieur Herrn ... adressierten E-Mail vom 9. Oktober 2012 auf die Brisanz der Angelegenheit hingewiesen und beide Mitarbeiter, also auch den Kläger persönlich, um unverzügliche Rückmeldung gebeten. Die Sachprobleme mit der Entwässerungsplanung der Firma ... lagen somit seit mehreren Wochen „auf dem Tisch“ und waren dem Kläger bereits zuvor vom Ersten Bürgermeister vor Augen geführt worden. Auch der Kläger selbst teilt die Einschätzung, dass im Rahmen der Vorbesprechung auch Fragen betreffend das Bauvorhaben der Firma ... mitbehandelt werden konnten (vgl. Sitzungsniederschrift S. 5).

bb) Die Feststellungen der Beweisaufnahme haben ergeben, dass das dienstliche Gespräch vom 25. Oktober 2012 nach Verlauf, Inhalt und Atmosphäre keine einen Dienstunfall begründende äußere Einwirkung darstellte. Diese Überzeugung schöpft das Gericht aus den in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnissen, insbesondere aus der Würdigung der Angaben des Klägers und der Zeugeneinvernahme. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass es sich bei den befragten Gesprächsbeteiligten nicht um die klassischen neutralen Zeugen handelt. Dies gilt zunächst für die Zeugen ... und ..., die damals wie heute im Dienst der Beklagten standen bzw. stehen, sowie erst recht für den Zeugen ..., der als Erster Bürgermeister gesetzlicher Vertreter der Beklagten und zudem aus Klägersicht für den Gesprächsverlauf verantwortlich ist. Gleichwohl ergibt sich für das Gericht aus der persönlichen Befragung des Klägers sowie aus der Zeugeneinvernahme ein in sich stimmiges und belastbares Bild. Bei den Aussagen der befragten Personen sind zwar gewisse graduelle Unterschiede, nicht aber echte Widersprüche zutage getreten.

Hiernach stellt sich die Situation für das Gericht wie folgt dar: Der Erste Bürgermeister als Leiter der Stadtverwaltung hat im Verlauf des zunächst freundlich und in angenehmer Atmosphäre geführten Gesprächs nach den übereinstimmenden Angaben aller Beteiligten Vorwürfe gegenüber dem Kläger in erhöhter Lautstärke erhoben, weil er mit dessen Antwort auf seine Frage nach dem Sachstand der Entwässerungsplanung der Firma ...unzufrieden war. Er handelte sich jedoch um ein sachliches Gespräch, bei dem sachbezogene Vorhaltungen - der Hinweis des Ersten Bürgermeisters auf die Zuständigkeit des Klägers für den Vollzug der Entwässerungssatzung und die nachdrückliche Aufforderung zum Tätigwerden - im Vordergrund standen. Personenbezogene Äußerungen, etwa in Gestalt von ehrverletzenden, beleidigenden Aussprüchen oder einer Herabwürdigung der Person des Klägers, ließen sich für das Gericht nicht feststellen. Gleiches gilt für die vom Kläger vorgetragene bedrohliche Mimik, Gestik und Körperhaltung seines Vorgesetzten. Auch wenn außer Frage steht, dass es sich um ein für den Kläger nicht angenehm verlaufenes Konflikt- bzw. Kritikgespräch handelte, ließ sich die behauptete Dramatik der Situation nach der Aussage der anderen Zeugen und letztlich auch nach den eigenen Angaben des Klägers nicht bestätigen. Die Zeugen ...und ... haben jeweils angegeben, ähnliche oder noch lautere Besprechungsverläufe bei der Beklagten erlebt zu haben, so dass sie das Gespräch am 25. Oktober 2012 nicht als außergewöhnliches Ereignis einstuften (vgl. Niederschrift S. 8 f., S. 11). Der Kläger selbst schildert den früheren Vorfall vom 22. November 2010 als hinsichtlich Dauer und Inhalt der Vorhaltungen deutlich gravierender (vgl. Niederschrift S. 2, 6), auch wenn er ihn als damals nicht „Hauptbetroffener“ subjektiv anders wahrgenommen haben mag (vgl. Niederschrift S. 4). Weiter hatte der Kläger am 25. Oktober 2012, wie er selbst einräumt, durchaus die Möglichkeit, gegenüber dem Ersten Bürgermeister zu Wort zu kommen und sich zu rechtfertigen (Niederschrift S. 5). Schließlich ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass er - etwa durch Hinweise auf seinen dienstlichen Status oder sein berufliches Fortkommen - einem den sozialtypischen Rahmen eines solchen Gesprächs übersteigenden Druck ausgesetzt gewesen wäre.

cc) Das Geschehen im Nachgang zu dem streitgegenständlichen Gespräch rechtfertigt keine andere Beurteilung, sondern bestätigt vielmehr, dass das Dienstgespräch die Voraussetzungen eines plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren, einen Körperschaden verursachenden Ereignisses mit der von der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung als „Erkrankung aus dem psychischen Formenkreis“ benannten Dienstunfallfolge nicht erfüllt. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Kläger mit den Worten, er müsse sich dies nicht bieten lassen, das Gespräch abgebrochen und den Raum verlassen hat. Dies erfolgte für die übrigen Gesprächsbeteiligten überraschend (vgl. Niederschrift S. 11 und S. 13 und auch S. 8). Anschließend hat der Kläger sich in sein Büro begeben, eine E-Mail mit ähnlichem Wortlaut an den Ersten Bürgermeister geschrieben und dann den Arbeitsplatz verlassen, um seinen Hausarzt aufzusuchen. Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat sein Hausarzt bei ihm einen stark erhöhten Blutdruck festgestellt und ihm daraufhin, seinem Wunsch folgend, Johanniskraut verschrieben (vgl. Niederschrift S. 4). Über die ärztliche Behandlung am Tag des Vorkommnisses ist in den Akten nichts dokumentiert, ebenso wenig über den Behandlungsbeginn des Klägers beim Psychiater und Psychotherapeuten ..., den der Kläger auf Dezember 2012 datiert hat. Die vorgelegten Zeugnisse seines Hausarztes und seines Psychiaters bzw. Psychotherapeuten stammen erst vom April 2013, dem Zeitpunkt, als der Kläger seine Dienstunfallmeldung abgegeben hat.

Ungeachtet dessen zweifelt das Gericht nicht daran, dass der Kläger bereits seit vielen Jahren an verschiedenen Krankheitsbildern aus dem physischen und psychischen Formenkreis leidet. Dies ergibt sich nicht nur aus der in der amtsärztlichen Akte befindlichen eigenen Zusammenstellung des Klägers vom 14. Januar 2013, sondern auch aus den von ihm vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen, namentlich dem Entlassungsbericht der Dekimed-Klinik ... vom 28. März 2013 mit der Diagnose einer depressiven Episode (ICD 10: F 32.9) sowie vier Diagnosen aus dem physischen Formenkreis. Das amtsärztliche Gutachten vom 29. April 2013, das die Grundlage für die Ruhestandsversetzung des Klägers wegen Dienstunfähigkeit bildete, diagnostiziert ebenfalls eine Erkrankung des Klägers aus dem psychiatrischen Formenkreis. Der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Vorfall am 25. Oktober 2012 und dem Krankheitsbild des Klägers steht jedoch nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Insbesondere genügt allein der zeitliche Zusammenhang zwischen der - ohnehin nicht die sonstigen Anforderungen eines Dienstunfalls erfüllenden - Dienstbesprechung und der sich anschließenden Krankschreibung des Klägers nicht für die Bejahung der erforderlichen Kausalität. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung seine psychischen Probleme auf den Vorfall vom 22. November 2010 und seine Tinnitus-Problematik auf eine tätliche Auseinandersetzung mit seiner früheren Ehefrau im Jahr 1997 zurückgeführt (vgl. Niederschrift S. 2). Dementsprechend heißt es auch im amtsärztlichen Gutachten vom 29. April 2013 lediglich allgemein, dass sich beim Kläger „im Rahmen von Konfliktsituationen am Arbeitslatz eine Erkrankung aus dem psychiatrischen Formenkreis entwickelt“ hat. Eine Eingrenzung und Konkretisierung auf die Dienstbesprechung am 25. Oktober 2012 als Ursache des Körperschadens ergibt sich hieraus nicht.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Kläger als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der - wenn überhaupt anfallenden - dann allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen der Beklagten nicht, zumal diese auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.

3. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.

Tenor

1. Der Bescheid des Wasserwirtschaftsamts Hof vom 12. März 2012 Az. Z3-4446.2/23 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Wasserwirtschaftsamts Hof, mit dem sie zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 69.338,77 Euro verpflichtet wird.

1. Die Klägerin hat - auf der Basis des geprüften Planungsentwurfs vom 14. August 1984 - ihre Abwasseranlage errichtet; die Arbeiten im Rahmen des 23. Bauabschnittes (BA 23) wurden im Jahr 1996 abgeschlossen. Auf Antrag vom 24. Februar 1993 hin (Bl. 108 der Beiakte I) stellte das Wasserwirtschaftsamt Bayreuth der Klägerin für den BA 23 Zuwendungen in Höhe von bis zu 1.379.000 DM in Aussicht (Bescheid vom 10.5.1993, Bl. 113 der Beiakte I); die Bewilligungen erfolgten gemäß dem Baufortschritt (Bescheide vom 2.8.1993, vom 3.10.1994, vom 13.3.1995 und vom 11.11.1996). Mit Schlussbescheid vom 7. Oktober 1996 setzte das Wasserwirtschaftsamt die Zuweisung auf 1.229.000 DM fest (Bl. 131 der Beiakte I). Nach Beanstandungen des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts vom 5. Mai 1998 (Bl. 158 ff. der Beiakte II) in Bezug auf die Anwendung der Ortsteilregelung, die Nichtberücksichtigung von Zweitwohnungen und die fehlerhafte Berücksichtigung der 10.000-Einwohner-Grenze setzte das Wasserwirtschaftsamt die Zuweisungen auf 658.000 DM fest und forderte Zuwendungen in Höhe von 571.000 DM zurück; man sehe, weil die Klägerin die Umstände, die zur Rückforderung geführt hätten, nicht zu vertreten habe, von der Geltendmachung des Zinsanspruchs ab, wenn die Rückzahlung bis zum 14. Juli 2000 erfolge (Bescheid vom 10.5.2000, Bl. 406 f. der Beiakte II). Dem hiergegen erhobenen Widerspruch (Schreiben der Klägerin vom 19.5.2000, Bl. 420 der Beiakte II) gab die Regierung von Oberfranken mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2009 teilweise statt und setzte die Zuweisung auf 845.000 DM fest (Bl. 507 ff. der Beiakte II); mit Bescheid vom 10. Juli 2009 ergänzte sie die Nr. 1 des Tenors wie folgt: „Eine gegebenenfalls erforderliche Zinsfestsetzung erfolgt durch das Wasserwirtschaftsamt in einem gesonderten Bescheid“ (Bl. 515 der Beiakte II). Nachfolgend bewilligte das nunmehr zuständige Wasserwirtschaftsamt Hof eine Zuweisung von 187.000 DM (Bescheid vom 8.12.2009, Bl. 544 der Beiakte II).

2. Im Hinblick auf die streitgegenständliche Zinsforderung hatte die Klägerin das Wasserwirtschaftsamt schon unter dem 18. April 2000 gebeten, von der Verzinsung gemäß Art. 49a Abs. 3 Satz 2 des Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) abzusehen, weil sie die Rückforderungen nicht zu vertreten habe (Bl. 404 f. der Beiakte II). Mit Schreiben vom 10. Mai 2000 teilte die Regierung von Oberfranken dem Wasserwirtschaftsamt u. a. mit, nicht die Klägerin, sondern die Zuwendungsbehörden hätten die die Rückforderung auslösenden Faktoren zu verantworten; ein Zinserlass sei vertretbar (Bl. 414 f. der Beiakte II). Demgegenüber vertrat das Staatliche Rechnungsprüfungsamt die Auffassung, ein Zinsverzicht sei derzeit nicht möglich, weil die fristgerechte Rückzahlung nicht absehbar sei. Auch wenn die Klägerin die fehlerhaften Angaben bei der Antragsprüfung nicht erkannt habe, seien die Rückforderungsgründe auf ihre Angaben zurückzuführen (Bl. 421 ff. der Beiakte II).

In einer Besprechung am 20. Juni 2000 erörterten Vertreter des Wasserwirtschaftsamts, des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts und der Regierung von Oberfranken die weitere Sachbehandlung auch im Hinblick auf einen Zinserlass. Dem Vermerk ist u. a. zu entnehmen, das Wasserwirtschaftsamt solle die Klägerin auf die Notwendigkeit einer fristgerechten Zahlung für einen Zinsverzicht hinweisen (vgl. Aktenvermerk der Regierung von Oberfranken, Bl. 427 f. der Beiakte II). Auf dem Vermerk ist die handschriftliche Notiz angebracht: „wurde bereits telefon. erledigt (Anruf bei Herrn ...) s. auch unser Schr. v. 30.6.2000 an Stadt WUN.“

Nachdem das Wasserwirtschaftsamt die Klägerin darauf hingewiesen hatte, dass die Rückzahlung ungeachtet der Widersprüche bis zum 14. Juli 2000 zu erfolgen habe (Schreiben vom 30.6.2000, Bl. 437 der Beiakte II), beantragte die Klägerin mit einem unbeantwortet gebliebenen Schreiben vom 14. Juli 2000 Fristverlängerung bis zum 15. August (Bl. 446 der Beiakte II). Zudem beantragte sie mit Schreiben vom 8. August 2000 unter Hinweis auf die Haushaltslage die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids gemäß § 80 Abs. 4 VwGO (Bl. 447 der Beiakte II). Am 16. August 2000 wies das Wasserwirtschaftsamt die Klägerin darauf hin, dass die Widersprüche aufschiebende Wirkung hätten; eine Aussetzung der sofortigen Vollziehung sei nicht notwendig (Bl. 451 der Beiakte II).

Unter dem 8. Januar 2001 teilte die Klägerin dem Wasserwirtschaftsamt mit, dass man den Betrag von 571.000 DM überwiesen habe. Eine frühere Überweisung sei nicht möglich gewesen, weil die Mittel nicht im Haushalt bereit gestanden hätten (Bl. 460 der Beiakte II).

In den Folgejahren fanden in der Angelegenheit u. a. Besprechungen bei der Regierung von Oberfranken (am 10.6.2003, Bl. 465 f. der Beiakte II, und am 14.9.2009, Bl. 534 ff. der Beiakte II) und umfangreicher behördlicher Schriftverkehr statt. Nachdem das Wasserwirtschaftsamt Hof unter dem 5. Juli 2011 die Grundlagen der beabsichtigten Zinsberechnung mitgeteilt hatte (Bl. 589 ff. der Beiakte II), erklärte das Staatliche Rechnungsprüfungsamt mit Schreiben vom 22. Juli 2011, dass man die Berechnungen zur Kenntnis genommen habe. Man erhebe gegen die fiktive Festsetzung des Verzinsungszeitraums bis 31. Januar 2001 keine Einwendungen und bitte um Mitteilung des Zahlungseingangs. Danach seien die Prüfungsmitteilungen erledigt (Bl. 607 der Beiakte II). Auf das Schreiben des Wasserwirtschaftsamts Hof vom 9. November 2011 (Bl. 609 ff. der Beiakte II) hin, man beabsichtige Zinsen in Höhe von 136.817,31 Euro zu erheben, teilte die Klägerin mit, dass sie den Zinsanspruch nicht anerkenne (Schreiben vom 5.12.2011, Bl. 620 ff. der Beiakte II).

Mit Bescheid vom 12. März 2012 setzte das Wasserwirtschaftsamt Hof gegenüber der Klägerin für den BA 23 Zinsen in Höhe von 69.338,77 Euro fest. Die Zinsforderung stütze sich auf Art. 49a Abs. 3 Satz 1 und Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG. Der in dem Bescheid vom 10. Mai 2000 avisierte Zinsverzicht sei an die Bedingung einer fristgerechten Rückzahlung (14.7.2000) gebunden gewesen. Der Hinweis, es seien im Haushalt keine Mittel für die Rückforderung eingeplant gewesen, begründe nicht das Vorliegen einer unbilligen Härte. Eine Verzinsung von Zuweisungen zugunsten der Klägerin entspreche nicht den Zuwendungsrichtlinien. Die Rückforderung habe den damaligen Rechtsgrundlagen und der üblichen Praxis entsprochen. Erst durch Landtagsbeschlüsse vom 12. März 2003 bzw. 17. März 2005 sei die Berücksichtigung der Nebenwohnsitze bei Ermittlung des Fördersatzes neu geregelt worden. Das Kriterium der Ortsteilbetrachtung sei mit Ministerialschreiben vom 24. Oktober 2006 in Absprache mit dem Obersten Rechnungshof neu definiert worden und habe erst dann zugunsten der Klägerin ausgelegt werden können. Den Rückzahlungstermin habe man längerfristig festgesetzt; eine stillschweigende Fristverlängerung liege nicht vor. Der Hinweis der Klägerin, eine fristgerechte Zahlung sei aufgrund der Haushaltslage nicht möglich gewesen, gehe fehl. Man habe die Klägerin immer in den Stand der Prüfung eingebunden. Außergewöhnliche Gründe, die einen Verzicht auf die Forderung von Zinsen möglich erscheinen ließen, seien nicht ersichtlich; zudem sei die Rückzahlung nicht fristgerecht erfolgt. Die Zinsberechnung sei der beiliegenden Aufstellung zu entnehmen.

Mit sieben weiteren Bescheiden vom selben Tag setzte die Behörde Zinsen für weitere Bauabschnitte der Abwasseranlage der Klägerin fest. Die Zinsforderungen des Beklagten belaufen sich auf insgesamt 136.817,31 Euro.

3. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 30. März 2012, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 2. April 2012, erhob die Klägerin Klage und beantragte,

den Bescheid des Beklagten vom 12. März 2012 aufzuheben.

Zur Begründung ließ die Klägerin mit Schriftsätzen ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29. November 2012 und vom 9. Januar 2015 vortragen, der Bescheid vom 12. März 2012 sei rechtswidrig. Das Zuwendungsverfahren werde nicht substantiiert dargestellt; die geltend gemachte Zinsforderung sei daher nicht nachvollziehbar. Die Klägerin habe gegen den Bescheid vom 10. Mai 2000 Widerspruch erhoben und eine Verlängerung der Rückzahlungsfristen beantragt. Eine Bescheidung dieser Anträge sei nicht erfolgt. Die Klägerin sei daher von einer konkludent erklärten Aussetzung des Rückforderungsanspruchs ausgegangen, weil in der Folgezeit keine Mahnung erfolgt sei und weil sie von der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs ausgegangen sei. Zugleich habe man die Rückforderung umgehend in den Haushalt des Folgejahres eingestellt und den Rückforderungsbetrag am 11. Januar 2001 überwiesen. Die Regierung von Oberfranken habe über den Widerspruch erst mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2009 entschieden. Der Widerspruchsbescheid enthalte keine Aussage über den Antrag auf Zahlungsaufschub; das Schweigen und die überlange Verfahrensdauer könnten nicht der Klägerin zur Last fallen. Die Zinsforderung lasse unberücksichtigt, dass das Wasserwirtschaftsamt Hof mit Bescheid vom 8. Dezember 2009 eine Zuwendung von 187.000 DM bewilligt habe. Für die neun Jahre dauernde Überzahlung habe der Beklagte der Klägerin eine nach Treu und Glauben gebotene Stornierung der Zinsen verweigert, während er von der Klägerin Zinsen verlange. Darüber hinaus hätten die Klägerin und das Wasserwirtschaftsamt am 4./5. Juni 2009 einen die Zinsfragen regelnden öffentlich-rechtlichen Vertrag geschlossen: Die Klägerin habe u. a. die Bereitschaft erklärt, anstehende Zinsforderungen für die BA 17, BA 18, BA 20 unverzüglich zu entrichten. Ferner hätte der Beklagte sowohl den neunjährigen Zinsverlust der Klägerin aus der nachträglich wieder gewährten Zuwendung (187.000 DM), als auch die nicht von ihr zu vertretende Dauer des Widerspruchsverfahrens anerkannt. Dieser Vertrag stehe der Zinsforderung entgegen. Zudem habe der Beklagte das Ermessen im Hinblick auf einen Zinsverzicht nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Der Beklagte hätte erkennen müssen, dass sein Ermessen durch die öffentlich-rechtliche Vereinbarung vorbestimmt sei. Zum anderen habe er verkannt, dass der Klägerin aus dieser Vereinbarung nach Treu und Glauben ein schutzwürdiges Vertrauen erwachsen sei. Ferner zeige die Erstattung des Beklagten an die Klägerin im Jahr 2009, dass die Klägerin mit ihrer insoweit überhöhten Zuwendungsrückzahlung von 2001 keinen Vermögensvorteil erzielt habe, der mit Verzinsung abzuschöpfen gewesen wäre. Wegen der gravierenden Ermessensfehler scheide eine nachträgliche Ermessensergänzung aus.

Mit weiteren Schriftsätzen erhob die Klägerin Klagen gegen die Festsetzung von Zinsen betreffend die Rückforderung von Zuwendungen für den BA 14 (B 5 K 12.244), BA 17 (B 5 K 12.295), BA 18 (B 5 K 12.296), BA 20 (B 5 K 12.297), BA 21 (B 5 K 12.294), BA 22 (B 5 K 12.298) und BA 24 (B 5 K 12.300). Diese Verfahren sind ruhend gestellt.

Mit Schriftsatz der Regierung von Oberfranken vom 17. November 2014 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der bestandskräftige Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2009 die endgültige Zuwendung für den BA 23 auf 845.000 DM (432.041,64 Euro) festgesetzt habe. Daraus ergebe sich eine von der Klägerin zu vertretende Überzahlung von 384.000 DM (196.336,08 Euro). Man habe die Klägerin vor Erlass des Bescheids angehört, auf die für die Zinsforderung zugrunde liegenden Bescheide hingewiesen und eine Berechnung des Zinsanspruches aufgezeigt. Der angefochtene Bescheid enthalte Verweise auf die beigefügte „Aufstellung zur Zinsberechnung". Für den BA 23 habe der Beklagte die gegenüber der Klägerin bestehenden Erstattungsansprüche bestandskräftig festgestellt; gemäß Nr. 8.4 der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften (ANBest-K) sei der Erstattungsanspruch nach Maßgabe des Art. 49 Abs. 3 BayVwVfG zu verzinsen. Die Klägerin habe den Rückforderungsbetrag nicht fristgerecht erstattet; ein Absehen von der Geltendmachung des Zinsanspruchs scheide somit aus. Die vom Wasserwirtschaftsamt im Bescheid vom 10. Mai 2000 festgesetzte Rückzahlungsfrist (14.7.2000) sei länger als üblich bemessen gewesen. Man habe Klägerin fortlaufend über die Einwände der Rechnungsprüfung informiert; sie sei damit nicht unvorbereitet konfrontiert worden. Das Wasserwirtschaftsamt habe die Klägerin telefonisch auf die Notwendigkeit einer fristgerechten Zahlung als Voraussetzung für einen Zinsverzicht hingewiesen und diesen Hinweis am 30. Juni 2000 schriftlich wiederholt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum man das Fristverlängerungsgesuch vom 14. Juli 2000 nicht beantwortet habe. Man gehe zugunsten der Klägerin von einer stillschweigenden Zustimmung zur Fristverlängerung aus. Das Bestehen einer Übereinkunft über einen weitergehenden Zinsverzicht könne man nicht nachvollziehen.

4. In der mündlichen Verhandlung erhob das Gericht aufgrund des Beschlusses vom 3. Februar 2015 Beweis durch Einvernahme des Zeugen ... (Wasserwirtschaftsamt Hof). Die Beteiligten nahmen auf ihre schriftsätzlich gestellten Anträge Bezug. Wegen des weiteren Verlaufs der mündlichen Verhandlung und der Aussage des Zeugen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Bescheid des Wasserwirtschaftsamts Hof vom 12. März 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a) Der Bescheid unterliegt zwar in formeller Hinsicht keinen durchgreifenden Zweifeln. Der Einwand der Klägerin, der angefochtene Bescheid verstoße gegen Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG, weil es an einer genauen Darstellung des gesamten Zuwendungsverfahrens und damit an einer Substantiierung der geltend gemachten Zinsforderung fehle (S. 2 der Klagebegründung vom 29.11.2012), führt zu keiner anderen Einschätzung. Denn die Anforderungen an die formelle Begründungspflicht sind schon dann erfüllt, wenn die Begründung des Verwaltungsakts die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe enthält, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 39 Rn. 2). Das ist hier ohne jeden Zweifel der Fall. Der Beklagte hat in dem Bescheid neben den einschlägigen Rechtsgrundlagen auch die für die Entscheidung über die Zinsfestsetzung bzw. über einen Zinsverzicht maßgeblichen Erwägungen hinreichend substantiiert dargelegt.

Darüber hinaus liegt auch kein Verstoß gegen das Bestimmheitsgebot (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) vor. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Entscheidungsinhalt eines Verwaltungsakts für den Adressaten aus sich heraus verständlich sein muss (BVerwG, U.v. 15.2.1990 - 4 C 41/87 - BVerwGE 84, 335/338). Dabei genügt es, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts einschließlich seiner Begründung sowie aus den den Beteiligten bekannten Umständen seines Erlasses hinreichend Klarheit gewonnen werden kann (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 37 Rn. 12). Gemessen daran hat die Kammer keine Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit des streitgegenständlichen Bescheids. Denn zutreffend weist der Beklagte darauf hin (S. 1 f. der Klageerwiderung vom 17.11.2014), dass man die Klägerin bereits im Anhörungsverfahren (Schreiben vom 9.11.2011, Bl. 609 der Beiakte II) detailliert über die Zinsberechnung informiert habe und dass dem streitgegenständlichen Bescheid eine „Aufstellung zur Zinsberechnung“ beigefügt gewesen sei, die inhaltlich nicht von dem Anhörungsschreiben abgewichen sei. Eine solche Bezugnahme auf das dem Erlass des Verwaltungsakts vorangegangene behördliche Anhörungsschreiben bzw. die dem Verwaltungsakt beigefügten Anlagen, die vor allem im Hinblick auf die Berechnung der Zinsforderung ihrerseits - was von der Klägerin auch nicht in Zweifel gezogen wird - hinreichend klar, verständlich und in sich widerspruchsfrei sind, genügt mithin zweifelsfrei den Anforderungen des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.

b) Der Bescheid vom 12. März 2012 ist jedoch materiell rechtswidrig.

aa) Zwischen den Beteiligten ist zwar unstreitig, dass die Grundvoraussetzungen des Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheids über die Festsetzung von Zinsen vorlagen und dass danach der von der Klägerin zu erstattende Betrag vom Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes an mit sechs v. H. jährlich zu verzinsen war.

Dieser Zinsanspruch ist auch nicht gemäß Art. 71 Abs. 1 AGBGB verjährt. Nach dieser Regelung verjähren die auf eine Geldzahlung gerichteten öffentlich-rechtlichen Ansprüche des Freistaates Bayern in drei Jahren mit dem Schluss des Jahres, in dem der Berechtigte von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder haben müsste. Hier hat der Beklagte über den Anspruch der Klägerin auf Zuwendungen für den BA 23 - und über das Vorliegen der Rücknahmevoraussetzungen gem. Art. 48 BayVwVfG - erst mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2009 bzw. mit Bewilligungsbescheid vom 8. Dezember 2009 endgültig entschieden und die Zinsforderung bereits mit Bescheid vom 12. März 2012 geltend gemacht.

Darüber hinaus ist der Zinsanspruch entgegen dem Vortrag der Klägerseite, die Beteiligten hätten sich am 4./5. Juni 2009 dahingehend geeinigt, dass der Beklagte auf weitere Zinsforderungen gegenüber der Klägerin verzichte (S. 4 f. der Klagebegründung vom 29.11.2012), auch nicht durch den Abschluss eines diesem Zinsanspruch entgegenstehenden öffentlich-rechtlichen Vertrags weggefallen. Nach Auswertung der Behördenakten und nach der Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung ist die Kammer nicht zu der erforderlichen Überzeugungsgewissheit gelangt, dass zwischen den Beteiligten ein solcher rechtswirksamer öffentlich-rechtlicher Vertrag, der gemäß Art. 57 BayVwVfG zwingend schriftlich hätte geschlossen werden müssen (vgl. nur: Bonk/Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 49a Rn. 12, 22 f.: „Schriftform als Mindestform“), besteht.

In den Behördenakten findet sich kein Vertrag mit dem vorgenannten Inhalt. Auch von der Klägerseite wurde kein entsprechender Vertrag vorgelegt. Ferner spricht die Würdigung der in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem angeblich am 4./5. Juni 2009 erfolgten Vertragsschluss in den Akten dokumentierten Besprechungen und Schreiben gegen das Vorliegen eines solchen Vertrages. Weder in der Niederschrift über die am 7. Juli 2009 - unter Beteiligung der Klägerseite - bei der Regierung von Oberfranken durchgeführte Besprechung (Bl. 483 der Beiakte II), noch dem Aktenvermerk des Wasserwirtschaftsamts Hof über eine am 14. September 2009 bei der Regierung behördenintern durchgeführte Besprechung („wegen Zinsforderungen bei Zuwendungsrückforderungen“) lassen sich auch nur ansatzweise Hinweise auf das Bestehen eines mit dem Wasserwirtschaftsamt Hof geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrags vom 4./5. Juni 2009 entnehmen.

Darüber hinaus hat der Stadtkämmerer der Klägerin, Herr ..., in der mündlichen Verhandlung zwar ausgeführt, man habe nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 25. Mai 2009 Gespräche mit den zuständigen Behörden geführt und dabei auch klargemacht, dass man mit einem Verzicht auf Klageerhebung keinesfalls den Zinsanspruch anerkennen wollte (S. 3 der Sitzungsniederschrift). Mit dem Zeugen ... (Wasserwirtschaftsamt Hof) habe man im Juli 2009 auch die weitere Linie hinsichtlich der Zinsforderungen besprochen; der Zeuge habe aber „darauf aufmerksam gemacht, dass es sich hierbei um seine persönliche rechtliche Einschätzung handelt und dass er nicht wisse, ob diese Einschätzung von Frau K., der zuständigen Sachbearbeiterin beim Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Bayreuth, geteilt werde“ (S. 3 der Sitzungsniederschrift). In Übereinstimmung hiermit hat der Zeuge ... im Rahmen seiner Zeugenbefragung glaubhaft und widerspruchsfrei ausgeführt, sich nicht daran erinnern zu können, „der Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt Versprechungen über einen Zinsverzicht gemacht zu haben“ (S. 6 der Sitzungsniederschrift).

bb) Der streitgegenständliche Bescheid ist jedoch ermessensfehlerhaft. Denn der Beklagte hätte im Rahmen der Prüfung des Art. 49a Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG sein Ermessen ausüben und prüfen müssen, ob nicht ein besonderer Ausnahmefall im Sinne der Vorschrift vorliegt, der dazu führen könnte, dass von dem Erlass eines Zinsbescheides abzusehen wäre. Bei dieser Einschätzung stützt sich das Gericht auf folgende Erwägungen:

Nach Art. 49a Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG kann von der Geltendmachung des Zinsanspruchs insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. In diesem Zusammenhang ist zunächst grundsätzlich zu berücksichtigen, dass es sich bei der vorgenannten Regelung - wie sich aus dem Gesetzeswortlaut („von einer Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden,…“) hinreichend deutlich ergibt - nicht um eine abschließende Regelung handelt. Es können vielmehr auch andere, nicht geschriebene Gründe Anlass geben, von der Geltendmachung des Zinsanspruchs abzusehen (BT-Drs 13/1534 Begr. S. 7; vgl. auch: Baumeister, NVwZ 1997, 19/25; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 49a Rn. 79; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 49a Rn. 23). Daraus folgt zwingend, dass selbst dann, wenn keine der in der Norm für einen Zinsverzicht ausdrücklich aufgeführten Bedingungen erfüllt sind (fehlendes Vertretenmüssen bzgl. des jeweiligen Erstattungstatbestandes und die fristgerechte Leistung des Erstattungsbetrags), die Anwendung des Art. 49a Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG nicht ausgeschlossen ist, wenn überzeugende andere Gründe vorliegen. Vielmehr besteht gerade auch bei Nichtvorliegen des Regelbeispiels ein subjektives Recht des Erstattungsschuldners auf fehlerfreie Ermessensausübung (OVG LSA, U.v. 29.11.2011 - 1 L 96/10 - juris Rn. 47; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 49a Rn. 80). In diesem Rahmen hat der Beklagte alle Umstände des Einzelfalls in die Ermessenserwägungen einzustellen und angemessen zu gewichten (OVG RhPf, U.v. 11.2.2011 - 2 A 10895/10 - juris Rn. 50). Das gilt insbesondere auch für Verfahrensverzögerungen, die aus der Sphäre der Beklagtenseite stammen (BVerwG, U.v. 19.11.2009 - 3 C 7/09 - BVerwGE 135, 238/246 f.; OVG LSA, U.v. 29.11.2011 - 1 L 96/10 - juris Rn. 47).

Gemessen daran erweist sich der streitgegenständliche Bescheid bereits deshalb als ermessensfehlerhaft, weil sich die Behörde, hier das Wasserwirtschaftsamt Hof, zu Unrecht an eine tatsächlich nicht bestehende Beschränkung seines Ermessensspielraums gebunden erachtet hat (sog. Ermessensnichtgebrauch; vgl. nur: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 40 Rn. 59). So heißt es in dem Bescheid vom 12. März 2012 ausdrücklich:

„Außergewöhnliche Gründe, die einen vollständigen oder teilweisen Verzicht auf die Forderung von Zinsen nach Art. 49a Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG möglich erscheinen ließen, waren nicht ersichtlich und zudem erfolgte die Rückzahlung zum Teil nicht fristgerecht (Zahlungstermin war 14.7.2000, die Rückzahlung erfolgte zum 11.1.2001). (…) Die Voraussetzungen, unter denen von der Zinsforderung im Ermessenswege abgesehen werden kann, liegen nicht vor.“

Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass der Beklagte schon dem Grunde nach verkannt hat, dass ihm ein Ermessensspielraum zur Verfügung steht. Der Beklagte hätte aufgrund der hier vorliegenden besonderen Umstände des Falls eine Entscheidung über das Absehen von der Geltendmachung des Zinsanspruchs treffen und dabei sein Ermessen ausüben müssen. Der bloße Hinweis auf die - wie unten noch darzulegen sein wird - ohnehin sehr zweifelhafte Feststellung, die Rückzahlung sei nicht fristgerecht erfolgt, genügt - wie oben dargelegt - nicht, von einer Ausübung des Ermessens gänzlich Abstand zu nehmen. Dieser rechtlichen Fehleinschätzung unterlag der Beklagte auch noch im Klageverfahren. So heißt es beispielsweise in der Klageerwiderung vom 17. November 2014: „Die Klägerin hat den Rückforderungsanspruch nicht fristgerecht erstattet. Dementsprechend konnte von der Geltendmachung des Zinsanspruchs nicht abgesehen werden.“

Selbst wenn man der Auffassung wäre, dass in den Gründen des Bescheids zumindest in Ansätzen eine Ermessensausübung zu sehen sein sollte, wäre jedenfalls vom Vorliegen eines Ermessensfehlers in Gestalt eines Ermessensdefizits auszugehen. Denn Voraussetzung für die korrekte Ausübung des Ermessens ist die vollständige und zutreffende Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts; die Behörde muss mit anderen Worten als Voraussetzung ihrer Entscheidung alle für die Ermessensausübung vom Zweck der Ermächtigung her relevanten Tatsachen umfassend ermitteln (st.Rspr.; vgl. nur BVerwG, U.v. 19.10.1995 - 5 C 24/93 - BVerwGE 99, 336/337 ff.; U.v. 2.7.1992 - 5 C 39/90 - BVerwGE 90, 275/278; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 79; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 40 Rn. 53 und 62). Das ist hier indessen nicht der Fall.

So ist der Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin die in dem Bescheid festgesetzte Zahlungsfrist versäumt habe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin am 14. Juli 2000 - und damit fristgerecht - die Verlängerung der Zahlungsfrist bis zum 15. August 2000 beim Wasserwirtschaftsamt Bayreuth beantragt hatte. Auf dieses schriftliche Fristverlängerungsgesuch hat die Behörde gegenüber der Klägerin nicht, insbesondere nicht mit einem Antwortschreiben reagiert. Mit Schreiben vom 8. August 2000 - und damit noch innerhalb der vom Beklagten nach eigenem Bekunden stillschweigend verlängerten Zahlungsfrist - hat die Klägerin nicht nur die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 10. Mai 2000 beantragt, sondern in diesem Zusammenhang ausdrücklich ausgeführt: „Die zur Realisierung der Rückforderung notwendigen Haushaltsmittel sind nicht im laufenden Haushaltsplan 2000 enthalten. Angesichts der Höhe des Rückforderungsbetrages ist eine Bereitstellung der Mittel im Wege der flexiblen Haushaltsführung schwierig“ (Bl. 447 der Beiakte II). Auf dieses Schreiben hin hat das Wasserwirtschaftsamt Bayreuth der Klägerin mit Schreiben vom 16. August 2000 lediglich mitgeteilt, dass „die eingelegten Widersprüche (…) gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung“ hätten, so dass die beantragte Aussetzung der sofortigen Vollziehung nicht notwendig sei (Bl. 451 der Beiakte II). Dieses Schreiben unterliegt nach Überzeugung des Gerichts zwei gravierenden Mängeln: Zum einen fehlt in dem Schreiben ein klarstellender Hinweis über die Auswirkungen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Klägerin vom 19. Mai 2000 auf die in dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Rückzahlungsfrist. Zum anderen hat sich das Wasserwirtschaftsamt darin nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass das Schreiben der Klägerin vom 8. August 2000 zugleich auch als Antrag auf Verlängerung der Rückzahlungsfrist bis zu Beginn des neuen Haushaltsjahres auszulegen war. Dafür, dass das Schreiben der Klägerin vom 8. August 2000 bei verständiger Würdigung so zu verstehen war, spricht - neben dem oben dargelegten Inhalt des Schreibens - auch der Umstand, dass die Klägerin den Rückforderungsbetrag mit Wertstellung vom 15. Januar 2001 und damit unmittelbar nach Beginn des neuen Haushaltsjahres an den Beklagten überwiesen hat.

Zudem war dem Wasserwirtschaftsamt Bayreuth bereits zu diesem Zeitpunkt offensichtlich nicht unbekannt, dass die angespannte Haushaltslage der Klägerin - der jetzige Stadtkämmerer der Klägerin, Herr ..., hat in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig dargelegt, dass bereits zum damaligen Zeitpunkt ein Nachtragshaushalt im Hinblick auf den gesamten, d. h. auch für andere Bauabschnitte der Abwasseranlage zu leistenden Erstattungsbetrag in Höhe von 1.018.000 DM (vgl. Schreiben des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts vom 30.11.2010, Bl. 564 der Beiakte II) nicht ohne eine rechtsaufsichtliche Genehmigung möglich gewesen wäre - einer fristgerechten Zahlung des Rückforderungsbetrags entgegengestanden hätte. So lässt sich einem auf dem Fristverlängerungsgesuch der Klägerin vom 14. Juli 2000 angebrachten, handschriftlichen Aktenvermerk von Herrn ..., dem damals zuständigen Sachbearbeiter für Haushaltsfragen beim Wasserwirtschaftsamt Bayreuth, vom 20. Juli 2000 entnehmen, dass Herr ..., der damalige Stadtkämmerer der Klägerin, zur Begründung angegeben habe, dass derzeit kein Geld vorhanden sei.

Nach alledem durfte die Klägerin von einer stillschweigenden Fristverlängerung der Rückzahlungsfrist nicht nur - wie der Beklagte in seiner Klageerwiderung einräumt - bis zum 15. August 2000, sondern bis zum Beginn des Haushaltsjahres 2001 ausgehen. Den Umstand, dass die Klägerin somit den Erstattungsbetrag fristgerecht gezahlt hat, hätte der Beklagte zwingend in seine Ermessenserwägungen einstellen müssen.

Darüber hinaus hat es der Beklagte versäumt, die Verfahrensdauer von der Einlegung des Widerspruchs mit Schreiben vom 19. Mai 2000 bis zum abschließenden Bewilligungsbescheid des Wasserwirtschaftsamts Hof vom 8. Dezember 2009, mit dem der Beklagte der Klägerin den mit Bescheid vom 10. Mai 2000 zu Unrecht zurückgeforderten und von der Klägerin auch gezahlten Teilbetrag von 187.000 DM bewilligt hat, im Rahmen der Ausübung des von Art. 49a Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG eingeräumten Ermessens zu berücksichtigen.

Es mag zwar sein, dass - worauf der Beklagte zutreffend hinweist - die Verzögerungen des Verfahrens erst nach Widerspruchseinlegung (19.5.2000) bzw. nach Zahlung des Rückforderungsbetrags (15.1.2001) eingetreten sind und dass der Beklagte den streitgegenständlichen Zinsanspruch nur auf eine Teilsumme (384.000 DM = 571.000 DM - 187.000 DM) berechnet hat. Der Beklagte hätte aber - wie oben dargelegt - auch bei Nichtvorliegen eines Regelbeispiels den Umstand in die Ermessenserwägungen in seine Entscheidung über einen Zinsverzicht mit einstellen müssen, dass einerseits die Klägerin den - wenngleich verminderten - Rückforderungsbetrag (384.000 DM) bis Januar 2001 mit 6 v. H. zu verzinsen hatte, andererseits aber - aufgrund ihres Widerspruchs vom 19. Mai 2000 - erst mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2009 bzw. endgültig erst mit Bewilligungsbescheid vom 8. Dezember 2009 den ihr zustehenden Betrag von 187.000 DM zugesprochen und rückerstattet bekommen hat. Diese gravierende Verfahrensverzögerung war zwingend in die Ermessensentscheidung mit einzubeziehen. Dass diese Verfahrensverzögerung vom Beklagten zu vertreten war, belegt beispielhaft der Umstand, dass bereits einem (internen) Schreiben des Sachgebiets 52 („Wasserwirtschaft“) der Regierung von Oberfranken vom 8. Oktober 2008 - das sich seinerseits auf eine „Ermittlung der Zuweisungen“ des Wasserwirtschaftsamts Hof vom 10. September 2008 stützt (Beiakte III) - an das dortige Sachgebiet 55.1 („Rechtsfragen Umwelt“) zu entnehmen war, dass die Klägerin für den BA 23 noch einen Anspruch auf Zuweisungen in Höhe von 187.000 DM habe (Beiakte III). Allein vom Zeitpunkt der Gewinnung dieser Erkenntnis bis zur tatsächlichen (Rück-)Bewilligung an die Klägerin vergingen weitere vierzehn bzw. fünfzehn Monate.

Angesichts der Zeitabläufe - die Fertigstellung des BA 23 erfolgte im Jahr 1996, der letzte Zuwendungsbescheid wurde am 8. Dezember 2009 erlassen - hätte, worauf die Klägerseite zu Recht hinweist, im Rahmen der Ermessensentscheidung auch - auf der Basis des vom Beklagten verrechneten Zinssatzes - geklärt werden müssen, welcher Vermögensvorteil der Klägerin mit der Verzinsung abgeschöpft werden sollte.

Schließlich hat es der Beklagte versäumt, im Rahmen der Ausübung des von Art. 49a Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG eingeräumten Ermessens zu prüfen und zu gewichten, welcher Verschuldensgrad der Klägerin bei der Verwirklichung des Rücknahmetatbestandes vorzuwerfen war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwischen dem Begriff des „Erwirkens“ i. S.v. Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG und dem Merkmal des „nicht zu vertreten Habens“ i. S.v. Art. 49a Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG zu differenzieren ist. So kommt es im Rahmen der Prüfung des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG nicht entscheidend darauf an, ob die fehlerhaften Angaben schuldhaft gemacht worden sind; es genügt vielmehr, dass die Ursache für die fehlerhafte Angabe in der Sphäre des Begünstigten liegt, weil ansonsten die Regelung in Art. 49a Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG überflüssig wäre (so: Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 156). Demgegenüber stellt Art. 49a Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG auf die Verantwortlichkeit des Schuldners im Sinne von § 276 BGB ab (BT-Drs. 13/1534 Begr. S. 7).

Gemessen daran ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Regierung von Oberfranken im bestandskräftigen Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2009 (S. 5 f.) zum Vorliegen des Rücknahmetatbestands ausdrücklich festgehalten hat:

„Die Stadt Wunsiedel hat den Bescheid durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (falsche Angabe der Einwohnerzahl). Sie genießt daher keinen Vertrauensschutz (Art. 48 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG). Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes fällt in den Verantwortungsbereich der Stadt, ist ihr also objektiv zuzurechnen. Es kommt allein darauf an, ob die Stadt objektiv falsche Angaben gemacht hat und diese Angaben für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kausal geworden sind. Dagegen ist es unerheblich, ob sie insoweit ein Verschulden trifft, ob sie also die Unrichtigkeit ihrer Angaben kannte oder kennen musste.“

Der Widerspruchsbescheid enthält mithin keine bindende Feststellung über ein Verschulden der Klägerin. Demgegenüber haben die beteiligten Behörden - jedenfalls das Wasserwirtschaftsamt Bayreuth und die Regierung von Oberfranken - im Lauf ihrer mehrjährigen Prüfung immer wieder die auch von der Klägerin wiederholt, beispielsweise auch in ihrer Widerspruchsbegründung vom 19. Mai 2000 (Bl. 435 der Beiakte I) dargelegte Auffassung vertreten, dass die Klägerin die Gründe für die Rückforderung nicht bzw. nicht voll zu vertreten hatte (vgl. nur: Schreiben des Wasserwirtschaftsamts Bayreuth vom 7.5.1999, Bl. 303 der Beiakte II und vom 14.4.2000, Bl. 412 der Beiakte II; Schreiben der Regierung von Oberfranken vom 10.5.2000, Bl. 414 f. und vom 21.6.2000, Bl. 430 der Beiakte II). Selbst das Staatliche Rechnungsprüfungsamt hat in seinem Schreiben vom 22. Mai 2000 eingeräumt, dass die „Klägerin die fehlerhaften Angaben nicht erkannt hat“ (Bl. 421 der Beiakte II).

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Androhung weiterer Zwangsgelder.

1. Der Kläger ist seit dem 1. Mai 2014 Mitglied des Stadtrats der Beklagten; er war bis Juni 2014 Vorsitzender der Stadtratsfraktion von Bunter Liste und Grünen (Frankenpost vom 28.6.2014). Am 19. Mai 2014 ging bei der Beklagten das in ihrem Auftrag erstellte Gutachten des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands vom 12. Mai 2014 ein (Sitzungsbuch des Hauptausschusses vom 3.6.2014). Der erste Bürgermeister übergab am 30. Mai 2014 an die weiteren Bürgermeister und an die Fraktionssprecher je ein Exemplar des Gutachtens verbunden mit dem Hinweis auf eine nichtöffentliche Sachbehandlung. In der öffentlichen Sitzung des Hauptausschusses vom 3. Juni 2014 stellte er das Gutachten vor; die Ausschussmitglieder erhielten Teile des Gutachtens als Sitzungsvorlage. Einem Artikel in der Frankenpost (FP) vom 6. Juni 2014 ist zu entnehmen, der Kläger wolle das Gutachten „allen Wunsiedlern zugänglich machen“ und biete „jedem Bürger an, in das Gutachten Einsicht zu nehmen.“ Am 6. Juni 2014 wies ihn die Beklagte auf die Verschwiegenheitspflicht hin; etwas anderes ergebe sich nicht daraus, dass die Medien das Gutachten illegal erhalten hätten. Nachfolgend stellte der Kläger das Gutachten mit einer Unterbrechung (27.6.-6.7.2014) unstreitig auf seiner Homepage zum Download bereit und bestritt eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht (Schreiben vom 18.6.2014).

Nach Beschlussfassungen im Stadtrat (Beschlüsse vom 25.6.2014 und vom 17.7.2014) setzte die Beklagte gegen den Kläger mit Bescheid vom 25. Juli 2014 ein Ordnungsgeld fest; die hiergegen gerichtete Klage war unter dem Aktenzeichen B 5 K 14.518 anhängig. Zudem verpflichtete die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 28. Juli 2014 zur unverzüglichen Heraus- bzw. Rückgabe des Gutachtens des BKPV vom 12. Mai 2014 sowie sämtlicher ihm vorliegenden oder gemachten Wiedergaben (auch Kopien); die Abgabe habe während der allgemeinen Dienstzeit im Rathaus zu erfolgen (Nr. 1 des Bescheids). Der Kläger wird weiter verpflichtet, unverzüglich jede Veröffentlichung des unter Nr. 1 genannten Gutachtens dauerhaft und wirksam zu beenden, soweit erforderlich eine gesicherte Löschung (auch aller Kopien) vorzunehmen, insbesondere auf der Homepage www...de und in den sozialen Netzwerken und künftig jede Kundgabe des Gutachtens ganz oder in Teilen zu unterlassen, insbesondere auf elektronischem Weg, im Internet sowie in den sozialen Netzwerken. Die Unterlassungspflicht entfalle, wenn das Gutachten durch den Stadtrat ganz oder teilweise zur Veröffentlichung freigegeben werde und der erste Bürgermeister das vollziehe (Nr. 2 a - c). Zudem ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 an (Nr. 3). Schließlich drohte sie dem Kläger Zwangsgelder für den Fall an, dass er seinen Verpflichtungen in Nrn. 1, 2 a und 2 b bis zum 4. August 2014 nicht, nicht vollständig, oder nicht zeitgerecht nachkomme (Nr. 4 a - c). Den hiergegen gerichteten Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. Januar 2015 ab (Az. B 5 S 14.549); die Beschwerde des Klägers blieb ohne Erfolg (BayVGH, B. v. 20.4.2015 - Az. 4 CS 15.381). Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage war unter dem Aktenzeichen B 5 K 14.550 anhängig.

Mit Schreiben vom 6. August 2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er die in Nrn. 1 und 2 des Bescheids vom 28. Juli 2014 genannten Verpflichtungen nicht erfüllt habe. Zur Durchsetzung der Verpflichtungen werde eine erneute Zwangsgeldandrohung erlassen: Falls er der Verpflichtung zur unverzüglichen Herausgabe nach Nr. 1 des Bescheides vom 28. Juli 2014 bis zum 15. August 2014 nicht, nicht vollständig oder nicht zeitgerecht nachkomme, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro fällig, das ihm hiermit erneut angedroht werde. Sollte die Vollziehung ausgesetzt oder die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederhergestellt werden, werde diese Frist bis zum Ablauf einer Woche nach Eintritt der Bestandskraft verlängert (Nr. 1 des Schreibens). Falls er der Verpflichtung nach Nr. 2a des unter Nr. 1 genannten Bescheides (unverzügliche Beendigung der Veröffentlichung und Löschung) bis zum 15. August 2014 nicht, nicht vollständig oder nicht zeitgerecht nachkomme, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500 Euro fällig, welches ihm hiermit angedroht werde. Sollte die Vollziehung ausgesetzt oder die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederhergestellt werden, werde diese Frist bis zum Ablauf einer Woche nach Eintritt der Bestandskraft verlängert (Nr. 2 des Schreibens). Den Gründen ist zu entnehmen, dass gem. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 des Bayer. Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden könnten, bis die Verpflichtung erfüllt sei. Bisher habe der Kläger die Verpflichtungen aus dem Bescheid vom 28. Juli 2014 noch nicht erfüllt. Man drohe daher erneut Zwangsgelder an, damit er der Herausgabeverpflichtung und dauerhaften Löschung des Gutachtens nachkomme. Die neue Androhung sei zulässig, erforderlich und angemessen, weil die vorausgegangene Zwangsgeldandrohung erfolglos geblieben sei. Er sei der angeordneten Verpflichtung bisher nicht, also auch nicht fristgerecht nachgekommen. Auch die Höhe der erneuten Zwangsgelder sei angemessen und solle ihn zur Erfüllung seiner aufgegebenen Verpflichtung anhalten. Die Beklagte sei nicht gehalten, bei der Androhung der neuen Zwangsgelder bis zur Zahlung oder Beitreibung der bereits fällig gewordenen Zwangsgelder zuzuwarten.

2. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 12. August 2014, eingegangen beim Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Kläger Klage und beantragte,

den Bescheid der Beklagten vom 6. August 2014 aufzuheben.

Zur Begründung wird vorgetragen, die Beklagte habe ungeachtet ihres rechtswidrigen Bescheids vom 28. Juli 2014 den Kläger, der ehrenamtlicher Stadtrat der Beklagten sei, neuerlich mit einer Zwangsgeldandrohung in kostenpflichtiger Art und Weise überzogen. Anstatt den Ausgang des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht abzuwarten, überziehe die Beklagte den Kläger mutwillig und rechtswidrig mit Zwangsgeldandrohungen, die ebenso rechtswidrig seien wie der offensichtlich rechtswidrige Bescheid vom 28. Juli 2014.

Mit Schriftsatz vom 18. August 2014 teilte die Regierung von Oberfranken mit, dass sie von ihrer Befugnis, sich als Vertreter des öffentlichen Interesses an dem Verfahren zu beteiligen, Gebrauch mache.

Mit Schriftsatz vom 3. September 2014 beantragten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde vorgetragen, dass nach Art. 38 Abs. 1 VwZVG gegen die erneute Androhung des Zwangsmittels am6. August 2014 der förmliche Rechtsbehelf gegeben sei. Weil die erste Zwangsmittelandrohung im Bescheid vom 28. Juli 2014 erfolglos geblieben sei, habe die Beklagte ein weiteres Zwangsgeld androhen müssen. Die Voraussetzungen hierfür hätten vorgelegen. Die Fälligstellung des ersten Zwangsgeldes aus dem Bescheid vom 28. Juli 2014 nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist stelle keinen Verwaltungsakt dar. Sie sei deshalb auch nicht gesondert anfechtbar.

Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2014 trug der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, dass der Ordnungsgeldbeschluss von Anfang an vorsätzlich rechtswidrig gewesen sei. Dieser von einem rechtskundigen Beamten erstellte und von dem ersten Bürgermeister ausgefertigte Ordnungsgeldbeschluss sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt.

3. In der mündlichen Verhandlung verband das Gericht die Verwaltungsstreitsachen B 5 K 14.518, B 5 K 14.550 und B 5 K 14.551 zur gemeinsamen Verhandlung. Die Beteiligten nahmen auf ihre schriftsätzlich gestellten Anträge Bezug. Wegen des weiteren Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

4. Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen. Mit Urteilen vom 7. Juli 2015 hat das Gericht die Klagen des Klägers in dem Verfahren Az. B 5 K 14.518 und B 5 K 14.550 abgewiesen.

Gründe

1. Gegenstand des Verfahrens ist, wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, allein die weitere Zwangsgeldandrohung in dem Bescheid vom 6. August 2014.

2. Die so verstandene Klage ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 6. August 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz VwGO). Der Bescheid unterliegt weder in formeller noch in materieller Hinsicht durchgreifenden Zweifeln.

Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG kann die Vollstreckungsbehörde das angedrohte Zwangsmittel anwenden, wenn die Verpflichtung nicht innerhalb der in der Androhung bestimmten Frist erfüllt wird; gemäß Satz 2 dieser Regelung können Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Beklagte hat die Anordnungen in Nrn. 1 und 2 des Bescheids vom 28. Juli 2014 für sofort vollziehbar erklärt und in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zwangsgeldbewehrt; insoweit nimmt die Kammer auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 7. Juli 2015 betreffend das Verfahren Az. B 5 K 14.550 Bezug.

Zwischen den Beteiligten ist ferner unstreitig, dass der Kläger den Anordnungen in Nrn. 1 und 2 des Bescheids vom 28. Juli 2014, die er - wie sich aus Nr. 4 Buchst. a und b des Bescheids vom 28. Juli 2014 ergibt - zur Vermeidung der Fälligstellung der Zwangsgelder bis zum 4. August 2014 zu erfüllen hatte, nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist nachgekommen ist. So lässt sich den Behördenakten zweifelsfrei entnehmen, dass das Gutachten des BKPV auch noch am 6. und 13. August 2014 auf der Homepage des Klägers zum Download bereit stand. Angesichts dessen ist die weitere Zwangsandrohung rechtlich nicht zu beanstanden. Die Höhe der angedrohten Zwangsgelder hält sich in dem der Behörde in Art. 31 Abs. 2 VwZVG eröffneten Rahmen und ist daher ebenfalls nicht zu beanstanden.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten, die ihm im Zusammenhang mit einer kommunalverfassungsrechtlichen Streitigkeit entstanden sind.

1. Der Kläger ist als Rechtsanwalt tätig. Er war bis 30. April 2014 Mitglied des Stadtrats der Beklagten. In dieser Eigenschaft führte er vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth ein kommunalverfassungsrechtliches Streitverfahren gegen die anwaltlich vertretene Beklagte (B 5 K 11.594). Im damaligen Verfahren begehrte er die Verpflichtung der Beklagten, ihn eine Tonbandaufnahme einer Ausschusssitzung und einer öffentlichen Sitzung des Stadtrats der Beklagten anhören zu lassen. Hintergrund war die damalige Regelung in § 36 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung (GeschO) der Beklagten, wonach die in den Sitzungen des Stadtrats bzw. seiner Ausschüsse gefertigten Tonbandaufzeichnungen für eine Dauer von sieben Jahren aufbewahrt werden.

Das Gericht wies die Klage mit rechtskräftigem Urteil vom 26. April 2013 ab und erlegte dem Kläger als dem unterliegenden Beteiligten nach § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Kosten des Verfahrens auf. In den Urteilsgründen heißt es, dass kein Anspruch des Klägers auf Abhören der Tonbänder bestehe, weder aus der Informationsfreiheitssatzung oder der Geschäftsordnung der Beklagten noch aufgrund anderer Rechtsgrundlagen. Das Anfertigen, Aufbewahren und Auswerten der Tonbandaufnahmen unterliege strengen datenschutzrechtlichen Vorgaben wie etwa der Löschpflicht in Art. 12 Abs. 1 des Bayerischen Datenschutzgesetzes - BayDSG -. Der Umstand, dass die Beklagte demgegenüber in § 36 Abs. 2 Satz 2 GeschO eine siebenjährige Aufbewahrungsdauer der Tonbandaufzeichnungen geregelt habe, führe zu keiner anderen Beurteilung und verhelfe dem Auskunftsbegehren des Klägers nicht zum Erfolg. Der Auskunftsanspruch könne sich nicht auf solche Daten beziehen, die unter Verstoß gegen das Datenschutzgesetz aufbewahrt würden.

Im Gerichtsverfahren fielen ausweislich der Kostenrechnung vom 17. Mai 2013 Gerichtskosten in Höhe von 588,00 Euro an. Des Weiteren setzte das Gericht mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Juli 2013 die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten für das Klageverfahren gemäß dem Antrag der Beklagtenseite vom 26. Juni 2013 auf 1.516,65 Euro nebst Zinsen seit 1. Juli 2013 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins fest.

2. Mit Schreiben vom 3. Mai 2013 wandte sich der Kläger in seiner Eigenschaft als Stadtrat und unter Bezugnahme auf die Gerichtsverhandlung vom 26. April 2013 an den Ersten Bürgermeister der Beklagten. Er beantragte, die Geschäftsordnung der Beklagten dahingehend zu ändern, dass die Tonbandprotokolle nach Protokollgenehmigung zu löschen sind. Des Weiteren beantragte er eine Beschlussfassung hinsichtlich der Übernahme der Kosten des Verwaltungsgerichtsverfahrens durch die Beklagte. Mit Stadtratsbeschluss vom 20. Juni 2013 wurde § 36 Abs. 2 GeschO dahingehend geändert, dass Tonbandaufzeichnungen aus den Sitzungen nach Genehmigung der Niederschrift unverzüglich zu löschen sind. Die Beschlussfassung über den Kostenübernahmeantrag wurde vertagt. Die Beklagte bat den Kläger darum, seinen Kostenübernahmeantrag zu konkretisieren und zu beziffern. Auf Anfrage der Beklagten führte das Landratsamt Wunsiedel unter dem 27. Juni 2013 aus, dass der Kläger seinerzeit das Landratsamt zur Durchsetzung seiner Rechte nicht eingeschaltet habe. Er habe beim Landratsamt im Jahr 2011 lediglich um Auskunft hinsichtlich der Frage der Kostentragung bei einer kommunalverfassungsrechtlichen Streitigkeit gebeten. Das Landratsamt könne keine Pflicht der Beklagten zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits erkennen.

Mit Schreiben vom 3. Juli 2013 an die Beklagte und vom 4. Juli 2013 an die Bevollmächtigten der Beklagten spezifizierte der Kläger den ihm seiner Meinung nach zustehenden Kostenerstattungsanspruch. Er begründete den Anspruch damit, dass das Gerichtsverfahren die einzige Möglichkeit gewesen sei, die Beklagte von weiteren Datenschutzverstößen abzuhalten. Daraufhin forderten die Bevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 16. Juli 2013 den Kläger zur Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.519,72 Euro (= 1.516,65 Euro nebst der bereits angefallenen Zinsen) bis spätestens 30. Juli 2013 auf. Der Stadtrat der Beklagten lehnte den Antrag des Klägers auf Kostenerstattung in seiner Sitzung vom 18. Juli 2013 ab. Dies teilte die Beklagte dem Kläger mit formlosem Schreiben vom 22. Juli 2013 mit. Darin hieß es, ein Rechtsanspruch auf Kostenerstattung bestehe nicht; auch widerspreche die Ablehnung nicht den Billigkeitsgrundsätzen. Insbesondere habe der Kläger es unterlassen, zu seinem Begehren zunächst die Rechtsaufsichtsbehörde im Landratsamt einzuschalten und sich damit um eine naheliegende außergerichtliche Beilegung zu bemühen. Der Kläger zahlte daraufhin die geforderte Summe innerhalb der gesetzten Frist an die Beklagte und kündigte an, die Erstattung des Betrags gerichtlich geltend zu machen.

3. Mit Schriftsatz vom 28. August 2013, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 30. August 2013 eingegangen, erhob der Kläger Klage mit dem Antrag,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.107,72 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab 30. Juli 2013 zu bezahlen.

Zur Begründung führt der Kläger aus, ihm stehe nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ein Kostenerstattungsanspruch zu, wobei er auf Geltendmachung der eigenen Rechtsanwaltsgebühren zugunsten der Beklagten verzichte. In den Entscheidungsgründen des klageabweisenden Urteils im Verfahren B 5 K 11.594 habe das Gericht dargelegt, dass die Beklagte mit der Tonbandprotokollierung jahrelang gegen Datenschutzrecht verstoßen habe. Ohne das Gerichtsverfahren wäre es weiterhin zu derartigen Datenschutzverstößen der Beklagten gekommen, die ihre Verwaltungspraxis nicht von selbst umgestellt hätte. Mit einer Anfrage beim Bayerischen Verfassungsschutz habe die Beklagte einen weiteren Datenschutzverstoß begangen. Ausweislich des Abschlussberichts des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands habe die überschuldete Beklagte mit ihren Grundstücksgeschäften gegen Haushaltsrecht verstoßen. Der Erste Bürgermeister habe seit Jahren Mobbing gegenüber seinen Mitarbeitern begangen. Bei all diesen Verstößen sei das Landratsamt Wunsiedel als Rechtsaufsichtsbehörde nie eingeschritten, so dass eine Befassung des Landratsamts beim streitgegenständlichen Datenschutzverstoß nicht zielführend gewesen wäre. Außerdem habe das Landratsamt den festgestellten Datenschutzverstoß nicht einmal ansatzweise erkannt. Im Übrigen habe die Beklagte bezüglich des Kostenerstattungsanspruchs selbst das Landratsamt eingeschaltet, so dass sich dessen nochmalige Befassung erübrige.

Die Beklagte lässt durch ihre Bevollmächtigten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird vorgetragen, es sei bereits zweifelhaft, ob das Erstverfahren überhaupt als Kommunalverfassungsstreit zu qualifizieren sei. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, habe der Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung. Ein solcher folge weder aus Art. 20a der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung - GO) noch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erkenne einen Kostenerstattungsanspruch nur an, wenn die Anrufung des Gerichts ultima ratio gewesen und die vorherige Anrufung der Rechtsaufsichtsbehörde erfolglos geblieben sei. Bei den Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Urteil vom 26. April 2013 zur Behandlung der Tonbandaufzeichnungen von Gremiensitzungen handele es sich lediglich um obiter dicta, die sich kostenmäßig nicht zulasten der Beklagten auswirken könnten.

4. In der mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2015 wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten im Verfahren B 5 K 13.640 sowie auf die Gerichtsakten im Verfahren B 5 K 11.594 verwiesen.

Gründe

1. Die - aus dem ehemaligen Stadtratsverhältnis herrührende und damit auch nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Stadtrat der Beklagten weiterhin als allgemeine Leistungsklage zulässige - Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Aufwendungen aus dem früheren Kommunalverfassungsstreit (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Beklagte hat dies zu Recht mit Stadtratsbeschluss vom 18. Juli 2013 abgelehnt und das Ergebnis ihrer Entscheidungsfindung dem Kläger mit formlosem Schreiben vom 22. Juli 2013 mitgeteilt. Der vom Kläger geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch ergibt sich weder aus Art. 20a GO noch aus einer analogen Anwendung dieser Vorschrift noch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen.

a) Dem Klageanspruch kann allerdings nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass nach der Kostenentscheidung im rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 26. Juni 2013 (B 5 K 11.594) der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die gerichtliche Kostenlastentscheidung sowie der darauf beruhende Kostenfestsetzungsbeschluss des Gerichts vom 2. Juli 2013 entfalten keine Sperrwirkung. Insoweit ist die gerichtliche Kostenentscheidung, die die Kostentragung im Verhältnis der Verfahrensbeteiligten untereinander sowie im Verhältnis zum Gericht regelt, nicht abschließend. Sie ist vielmehr von der Frage zu unterscheiden, wer die Kosten im Innenverhältnis letztlich nach materiellem Recht zu tragen hat (VGH BW, B. v. 17.9.1984 - 9 S 1076/84 - NVwZ 1985, 284; SächsOVG, B. v. 31.7.1996 - 3 S 274/96 - NVwZ-RR 1997, 665; VG Würzburg, U. v. 17.1.1996 - W 2 K 94/155 - BayVBl 1996, 377). Die Frage, wer im Innenverhältnis mit den Kosten eines Kommunalverfassungsstreitverfahrens endgültig belastet wird, stellt sich immer dann, wenn das Gericht demjenigen, der den Kommunalverfassungsstreit geführt hat, die Kosten des Rechtsstreits auferlegt hat, sei es, weil er den Rechtsbehelf zurückgenommen hat oder - wie hier - im Streit unterlegen ist oder weil aus sonstigen Gründen eine Kostenentscheidung zu seinen Lasten ergangen ist (BayVGH, B. v. 14.8.2006 - 4 B 05.939 - juris Rn. 20).

b) Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich weder aus einer direkten noch aus einer analogen Anwendung des Art. 20a GO. Nach Art. 20a Abs. 1 GO i. V. m. der Entschädigungssatzung der Gemeinde haben ehrenamtlich tätige Gemeindebürger Anspruch auf angemessene Entschädigung als Ausgleich für den materiellen und zeitlichen Aufwand für die Ausübung der Tätigkeit. Bei den Kosten, die einem Gemeinderatsmitglied in einem gerichtlich ausgetragenen Kommunalverfassungsstreit auferlegt worden sind, handelt es sich jedoch nicht um einen materiellen Aufwand, der üblicherweise mit der Wahrnehmung des kommunalen Mandats verbunden ist. Die Aufwendungen sind dem Gemeinderatsmitglied nicht aus seiner Tätigkeit für die Gemeinde entstanden; vielmehr ist es Ziel einer derartigen Streitigkeit, die im Kommunalverfassungsrecht wurzelnden Ansprüche gegenüber der Gemeinde zur Geltung zu bringen. Auch eine analoge Anwendung des Art. 20a GO scheidet aus, weil es bereits an einer Regelungslücke fehlt. Gerichtlich ausgetragene Kommunalverfassungsstreitigkeiten gibt es seit geraumer Zeit, ohne dass der Gesetzgeber eine Regelung zur Kostenerstattung für geboten erachtet hätte (vgl. zum Ganzen BayVGH, B. v. 14.8.2006 - 4 B 05.939 - juris Rn. 22 ff.).

c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Kostenerstattung aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen.

aa) Die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen einem Kommunalorgan oder Organteil die Kosten aus einem Kommunalverfassungsstreitverfahren zu erstatten sind, wird in der obergerichtlichen Judikatur - in Begründung und Ergebnis - unterschiedlich beantwortet. Die überwiegende Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte erkennt in Organstreitigkeiten einen grundsätzlichen Kostenerstattungsanspruch an, sofern die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens geboten war, d. h. nicht mutwillig bzw. aus sachfremden Gründen erfolgt ist (vgl. mit im Einzelnen unterschiedlicher Akzentuierung OVG Saarl. U. v. 6.12.1978 - 3 R 123/78 - BayGT 1979, 155 und B. v. 5.10.1981 - 3 R 87/80 - NVwZ 1982, 140; VGH BW, B. v. 17.9.1984 - 9 S 1076/84 - NVwZ 1985, 284; OVG RhPf, U. v. 19.5.1987 - 7 A 90/86 - NVwZ 1987, 1105; OVG Bremen, B. v. 31.5.1990 - 1 B 18 u. 21/90 - NVwZ 1990, 1195; SächsOVG, B. v. 31.7.1996 - 3 S 274/96 - NVwZ-RR 1997, 665). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die Erwägung, dass der kommunale Funktionsträger mit dem Prozess eine Aufgabe der Gemeinde wahrnimmt, also gleichsam als deren „Amtswalter“ zur Rechtsdurchsetzung fungiert. Die normative Herleitung des Erstattungsanspruchs ist dabei umstritten (vgl. OVG NRW, U. v. 12.11.1991 - 15 A 1187/89 - NVwZ-RR 1993, 266 einerseits und die Fortentwicklung in OVG NRW, U. v. 24.4.2009 - 15 A 981/06 - NVwZ-RR 2009, 819 andererseits).

Demgegenüber betont namentlich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dass für das bayerische Landesrecht der kommunalverfassungsrechtliche Erstattungsanspruch im Mitgliedschaftsrecht des einzelnen Gemeinderats wurzelt (BayVGH, B. v. 14.8.2006 - 4 B 05.939 - juris Rn. 28; nachgehend BVerwG, B. v. 22.2.2007 - 8 B 84.06 - juris). Hieraus schließt der Verwaltungsgerichtshof, dass die Mutwilligkeit als Ausschlussgrund nicht ausreicht, um Kostenerstattungsansprüche bei Kommunalverfassungsstreitigkeiten sachgerecht zu begrenzen. Angesichts der durch gegenseitige Rücksichtnahmepflichten geprägten Sonderrechtsverbindung zwischen dem einzelnen Gemeinderatsmitglied und der Gemeinde erscheint eine Kostenerstattung im Anschluss an einen Organstreit nur gerechtfertigt, wenn die Anrufung des Gerichts zur Durchsetzung individueller Mitgliedschaftsrechte als ultima ratio unumgänglich war, weil - über die Anforderungen des allgemeinen Prozessrechts (Rechtsschutzbedürfnis) hinaus - alle dem Gemeinderatsmitglied zumutbaren Maßnahmen zur außergerichtlichen Durchsetzung der organschaftlichen Rechte ohne Erfolg geblieben sind. Nicht zuletzt aus der (Mit-)Verantwortung des einzelnen Gemeinderatsmitglieds für die berechtigten Interessen der Gemeinde (Gebot sparsamer Haushaltsführung) folgt grundsätzlich die Obliegenheit, zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Rechtsaufsichtsbehörde anzurufen. Die Einstufung als ein im Landesrecht wurzelnder Erstattungsanspruch mit den daraus resultierenden engeren Anspruchsvoraussetzungen als nach der Rechtsprechung anderer Obergerichte hat das Bundesverwaltungsgericht gebilligt (BVerwG, B. v. 2.6.2014 - 8 B 98.13 - juris Rn. 11).

bb) Hieran gemessen steht dem Kläger der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nicht zu. Die Anrufung des Gerichts im „Tonbandstreit“ war nicht als ultima ratio unumgänglich, weil die vorherige Befassung der Rechtsaufsichtsbehörde möglich und zumutbar war. Das sich für das Gericht aus den Behördenakten ergebende Bild, dass eine Einschaltung der Rechtsaufsichtsbehörde bezüglich der Tonbandproblematik nicht erfolgt ist, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2015 ausdrücklich bestätigt. Aus seiner Sicht wäre jedoch eine Anrufung des Landratsamts sinnlos und eine bloße Förmelei gewesen, weil die Behörde auch in anderen, von ihm näher bezeichneten Fällen nicht gegen die Beklagte eingeschritten sei. Allein die Vermutung eines Untätigbleibens rechtfertigt es jedoch nicht, im hier streitgegenständlichen Fall von einer Befassung der - als Staatsbehörde an Recht und Gesetz gebundenen - Rechtsaufsichtsbehörde abzusehen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die zugrunde liegende Vorschrift der Geschäftsordnung der Beklagten, in der die siebenjährige Aufbewahrungsfrist der Tonbandaufzeichnungen geregelt war, bei ihrem Erlass rechtsaufsichtlich angezeigt bzw. genehmigt wurde. Dies entbindet nicht von einer Einschaltung der Rechtsaufsichtsbehörde in - bei der Normanwendung auftretenden - konkreten Zweifelsfragen, die vorliegend aber unterblieben ist. Die Rechtsaufsichtsbehörde war mit dem Thema das Abhörens bzw. der Aufbewahrung der Stadtratsprotokolle im Allgemeinen bzw. der Datenschutzproblematik im Besonderen nicht befasst.

Überdies sprechen die Besonderheiten des zugrunde liegenden Kommunalverfassungsstreits entscheidend gegen die Anerkennung eines Kostenerstattungsanspruchs. Der Kläger hatte im Ausgangsverfahren das Gericht gerade nicht zur Bereinigung der Datenschutzverstöße angerufen, sondern wollte im Gegenteil die Tonbänder abhören und damit - unter Ausnutzung bzw. Perpetuierung der Datenschutzverstöße - von der letztlich rechtswidrigen Datensammlung und -aufbewahrung der Beklagten profitieren. Er hatte die zugrunde liegende Datenschutzproblematik überhaupt nicht erkannt, sondern stand der langen Aufbewahrungszeit vielmehr positiv gegenüber (vgl. seine Schriftsätze im Verfahren B 5 K 11.594, Gerichtsakte Bl. 136 und 161). Erst im Gerichtsverfahren, namentlich auf gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung am 26. April 2013, kristallisierte sich die datenschutzrechtliche Problematik heraus (vgl. die Sitzungsniederschrift vom 26. April 2013, Gerichtsakte Bl. 302 im Verfahren B 5 K 11.594). Ihre Bereinigung im Nachgang zum Gerichtsurteil vom 26. April 2013 (vgl. Schreiben des Klägers vom 3. Mai 2013; Stadtratsbeschluss vom 20. Juni 2013) erwies sich damit als „positiver Nebeneffekt“, der im Ausgangspunkt nicht auf den Kläger zurückzuführen ist und damit auch insoweit keinen Kostenerstattungsanspruch rechtfertigt.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Kläger als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der - wenn überhaupt anfallenden - dann allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen der Beklagten nicht, zumal diese auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.

3. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 2.107,72 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten, die ihm im Zusammenhang mit einer vorangegangenen kommunalverfassungsrechtlichen Streitigkeit entstanden sind.

Der Kläger, der als Rechtsanwalt tätig ist, führte als Mitglied des Stadtrats der Beklagten gegen diese ein Verwaltungsstreitverfahren mit dem Ziel, Tonbandaufnahmen aus bestimmten früheren Ausschuss- und Ratssitzungen anhören zu dürfen, die gemäß einer damaligen Geschäftsordnungsregelung für die Dauer von sieben Jahren aufbewahrt wurden. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit rechtskräftigem Urteil vom 26. April 2013 ab und erlegte dem Kläger die Kosten des Verfahrens auf. Auf das Abhören der Tonbänder bestehe kein Anspruch, da sich mögliche Auskunftsansprüche nicht auf Daten beziehen könnten, die rechtswidrig aufbewahrt würden. Nach Art. 12 Abs. 1 BayDSG seien personenbezogene Daten in Dateien zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sei. Die Tonbänder seien daher nach Genehmigung der Niederschrift zu löschen und dürften bis dahin Außenstehenden nicht zugänglich gemacht werden (Az. B 5 K 11.594).

Im damaligen Verfahren fielen laut Kostenrechnung vom 17. Mai 2013 Gerichtskosten in Höhe von 588,00 Euro an. Mit Beschluss vom 2. Juli 2013 setzte das Gericht die vom Kläger an die anwaltlich vertretene Beklagte zu erstattenden Verfahrenskosten auf 1.516,65 Euro nebst Zinsen seit 1. Juli 2013 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins fest.

Der Kläger verlangte daraufhin von der Beklagten Erstattung der von ihm zu zahlenden Gerichts- und Verfahrenskosten. Nachdem dies vom Stadtrat der Beklagten abgelehnt worden war, erhob er beim Verwaltungsgericht Bayreuth Klage mit dem Antrag,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.107,72 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab 30. Juli 2013 zu zahlen.

Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs stehe ihm ein Kostenerstattungsanspruch zu, wobei er auf eine Geltendmachung der eigenen Rechtsanwaltsgebühren verzichte. Die Beklagte habe mit der Tonbandprotokollierung jahrelang gegen Datenschutzrecht verstoßen; ohne das Gerichtsverfahren wäre es zu weiteren Datenschutzverstößen gekommen. Schon bei einer Reihe anderer Rechtsverstöße sei das zuständige Landratsamt als Rechtsaufsichtsbehörde nie eingeschritten, so dass dessen Befassung auch hier nicht zielführend gewesen wäre. Zudem habe das Landratsamt den Datenschutzverstoß nicht einmal ansatzweise erkannt.

Mit Urteil vom 16. Juni 2015 wies das Verwaltungsgericht Bayreuth die Klage ab. Dem Anspruch könne allerdings nicht entgegengehalten werden, dass nach dem Urteil vom 26. Juni 2013 der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Die gerichtliche Kostenlastentscheidung und der darauf beruhende Kostenfestsetzungsbeschluss entfalteten keine Sperrwirkung; von der Kostentragung im Verhältnis der Verfahrensbeteiligten untereinander und im Verhältnis zum Gericht sei die Frage zu unterscheiden, wer die Kosten im Innenverhältnis nach materiellem Recht endgültig zu tragen habe. Ein Erstattungsanspruch ergebe sich hier weder aus einer direkten noch aus einer analogen Anwendung des Art. 20a GO, da es sich bei den einem Gemeinderatsmitglied in einem Kommunalverfassungsstreit auferlegten Kosten nicht um einen materiellen Aufwand handle, der üblicherweise mit der Wahrnehmung des kommunalen Mandats verbunden sei. Die Aufwendungen seien dem Ratsmitglied nicht aus seiner Tätigkeit für die Gemeinde entstanden; solche Streitigkeiten zielten vielmehr darauf ab, die im Kommunalverfassungsrecht wurzelnden Ansprüche gegenüber der Gemeinde zur Geltung zu bringen. Der Kläger habe auch keinen Kostenerstattungsanspruch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen einem Kommunalorgan oder Organteil die Kosten aus einem Kommunalverfassungsstreitverfahren zu erstatten seien, werde in der obergerichtlichen Judikatur unterschiedlich beantwortet. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wurzele der kommunalverfassungsrechtliche Erstattungsanspruch im Mitgliedschaftsrecht des einzelnen Gemeinderats. Angesichts der durch gegenseitige Rücksichtnahmepflichten geprägten Sonderrechtsverbindung zwischen dem einzelnen Gemeinderatsmitglied und der Gemeinde sei danach eine Kostenerstattung im Anschluss an einen Organstreit nur gerechtfertigt, wenn die Anrufung des Gerichts zur Durchsetzung individueller Mitgliedschaftsrechte als ultima ratio unumgänglich gewesen sei, weil alle zumutbaren Maßnahmen zur außergerichtlichen Durchsetzung der organschaftlichen Rechte ohne Erfolg geblieben seien. Aus der (Mit-) Verantwortung des einzelnen Gemeinderatsmitglieds für die berechtigten Interessen der Gemeinde (Gebot sparsamer Haushaltsführung) folge grundsätzlich die Obliegenheit, zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Rechtsaufsichtsbehörde anzurufen. Hieran gemessen stehe dem Kläger der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zu. Die Anrufung des Gerichts im „Tonbandstreit“ sei nicht als ultima ratio unumgänglich gewesen, weil die vorherige Befassung der Rechtsaufsichtsbehörde möglich und zumutbar gewesen sei. Allein die vom Kläger geäußerte Vermutung eines Untätigbleibens rechtfertige es nicht, von einer Befassung der - als Staatsbehörde an Recht und Gesetz gebundenen - Rechtsaufsichtsbehörde abzusehen. Es komme auch nicht darauf an, ob die Geschäftsordnung der Beklagten mit der darin geregelten siebenjährigen Aufbewahrungsfrist für Tonbandaufzeichnungen bei ihrem Erlass rechtsaufsichtlich angezeigt bzw. genehmigt worden sei. Dies entbinde nicht von einer Einschaltung der Rechtsaufsichtsbehörde in - bei der Normanwendung auftretenden - konkreten Zweifelsfragen, die vorliegend unterblieben sei. Die Rechtsaufsichtsbehörde sei mit dem Thema das Abhörens bzw. der Aufbewahrung der Stadtratsprotokolle im Allgemeinen bzw. mit der Datenschutzproblematik im Besonderen nicht befasst gewesen. Zudem sei es dem Kläger im Ausgangsverfahren gerade nicht um eine Bereinigung der Datenschutzverstöße gegangen, sondern er habe im Gegenteil die Tonbänder abhören und damit - unter Ausnutzung bzw. Perpetuierung der Datenschutzverstöße - von der rechtswidrigen Datensammlung und -aufbewahrung der Beklagten profitieren wollen. Die zugrunde liegende Datenschutzproblematik habe er nicht erkannt; erst auf gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung habe sich die datenschutzrechtliche Problematik herauskristallisiert. Ihre Bereinigung im Nachgang zum Gerichtsurteil vom 26. April 2013 erweise sich damit als „positiver Nebeneffekt“, der im Ausgangspunkt nicht auf den Kläger zurückzuführen sei und damit auch keinen Kostenerstattungsanspruch rechtfertige.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

1. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegt.

a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Beklagte hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B. v. 21.1.2009 - 1 BvR 2524/06 - NVwZ 2009, 515/516 m. w. N.).

Der Kläger trägt vor, das Verwaltungsgericht habe schlicht die Behauptungen des Klägers negiert und ignoriert, dass die Einschaltung des Landratsamts als Rechtsaufsichtsbehörde sinnlos und eine bloße „Förmelei“ gewesen wäre. Das jahrelange, vorsätzlich rechtswidrige und ausschließlich politischen Gründen geschuldete Nichtreagieren des Landratsamts habe zur völligen finanziellen Handlungsunfähigkeit der Beklagten geführt. Durch fortgesetztes „Bossing“ des amtierenden ersten Bürgermeisters sei eine Fülle von Mitarbeitern der Beklagten psychisch schwer erkrankt. Aus politischen Gründen habe der Landrat auch das zuständige Innenministerium in einem den Bürgermeister betreffenden Verfahren bewusst falsch informiert. Mittlerweile habe sich zudem herausgestellt, dass die Beklagte regelmäßig gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit nach Art. 52 Abs. 2 GO verstoße, da die in der Geschäftsordnung vorgeschriebenen Anschläge an den Amtstafeln nicht regelmäßig und zuverlässig erfolgten und der Anschlag an der Tür des Sitzungssaals nicht nachprüfbar sei.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Das Verwaltungsgericht ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats (U. v. 14.8.2006 - 4 B 05.939 - juris; bestätigt durch BVerwG, B. v. 22.2.2007- 8 B 84/06 - juris) zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Kostenerstattungsanspruch hier schon deshalb ausscheidet, weil die Anrufung des Gerichts zur Durchsetzung der individuellen Mitgliedschaftsrechte des Klägers mangels vorheriger Anrufung der Rechtsaufsichtsbehörde nicht als unumgänglich anzusehen war. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die zuständige Abteilung des Landratsamts bzw. der Landrat persönlich in der Vergangenheit wiederholt rechtswidriges Verhalten von Organen der Beklagten geduldet oder sogar aktiv gefördert habe. Denn zum einen handelt es sich bei den insoweit vom Kläger geschilderten Vorgängen ersichtlich um solche, deren rechtliche Bewertung jedenfalls derzeit nicht sicher feststeht und aus denen daher keine zwingenden Schlüsse im Hinblick auf eine generelle Parteilichkeit der unteren Rechtsaufsichtsbehörde (Art. 110 Satz 1 GO) und ihres Leiters gezogen werden können. Zum anderen betreffen die angeführten Punkte (Haushaltsführung der Gemeinde; Führungsverhalten des Landrats gegenüber Mitarbeitern) völlig andere Bereiche als die hier maßgebliche Frage, ob einem Stadtratsmitglied das Abhören vorhandener Tonbandmitschnitte aus früheren Rats- und Ausschusssitzungen verwehrt werden darf. Dass das Landratsamt und ggf. auch die Regierung als obere Rechtsaufsichtsbehörde (Art. 110 Satz 3 GO) zu dieser speziellen Rechtsfrage von vornherein nur in politisch einseitiger Form Stellung nehmen würden, stand aus damaliger (objektiver) Sicht keineswegs mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest. Der Kläger trägt auch nicht vor, dass die staatliche Rechtsaufsicht den Mitwirkungsrechten „oppositioneller“ Mitglieder im Stadtrat der Beklagten in vergleichbaren Fällen nicht angemessen Rechnung getragen hätte. Seine pauschale Annahme, bei einer Einschaltung des Landratsamts vor Beschreiten des Rechtswegs wäre es zu keiner ernsthaften Prüfung gekommen, stellt somit eine bloße Spekulation dar, die das Verwaltungsgericht nicht veranlassen musste, den damit verbundenen Beweisanregungen nachzugehen. Die den Kläger treffende Obliegenheit, sich vor der Einleitung einer Kommunalverfassungsstreitigkeit um eine rechtsaufsichtliche Klärung zu bemühen, bestand im Übrigen unabhängig davon, ob sich der Bürgermeister und der Stadtrat der Beklagten in anderer Hinsicht rechtmäßig verhielten; daher kann es auf die erstmals im Berufungszulassungsverfahren monierte Praxis der öffentlichen Bekanntgabe von Sitzungsterminen im vorliegenden Verfahren ebenfalls nicht ankommen.

b) Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweisen würde (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der besondere Schwierigkeitsgrad einer Rechtsstreitigkeit folgt nicht bereits daraus, dass darüber eine Kammer des Verwaltungsgerichts und nicht der Einzelrichter entschieden hat (vgl. BayVGH, B. v. 23.4.2013 - 4 ZB 12.2144 - juris Rn. 19; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 124 Rn. 8 m. w. N.). Ebenso wenig kann die - im Wesentlichen von der Geschäftsbelastung des zuständigen Spruchkörpers abhängige - Dauer des Verfahrens (vgl. OVG LSA, B. v. 7.5.1999 - A 2 S 236/99 - juris Rn. 5) oder der - im vorliegenden Fall vor allem durch umfangreiche Anlagen zum Klageschriftsatz bewirkte - ungewöhnliche Umfang des Gerichtsakts eine über das Normalmaß hinausgehende rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeit indizieren.

c) Die Berufung ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukäme (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Hinweis des Klägers, dass andere Oberverwaltungsgerichte in vergleichbaren Fällen einen Kostenerstattungsanspruch schon dann annehmen, wenn die Klageerhebung im Kommunalverfassungsstreitverfahren nicht mutwillig bzw. nicht aus sachfremden Gründen erfolgt ist, begründet keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf, da die abweichende Rechtsprechung der genannten Gerichte auf anderen gesetzlichen Grundlagen beruht. Wie bereits im angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts dargelegt wird, hat das Bundesverwaltungsgericht erst jüngst (B. v. 2.6.2014 - 8 B 98/13 - juris Rn. 11) ausdrücklich bestätigt, dass es sich hier in jedem Fall um einen aus dem Kommunalverfassungsrecht des jeweiligen Landes hergeleiteten Anspruch handelt, der entweder - wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Urteil angenommen hat - schon dem Grunde nach in der Organstellung des einzelnen Ratsmitglieds wurzelt oder sich zumindest hinsichtlich seines Umfangs und seiner Grenzen anhand der Rücksichtnahme- und Treuepflicht des einzelnen Funktionsträgers bestimmt. Die bloße Divergenz gegenüber der auf den jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen beruhenden Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte zwingt demgemäß nicht dazu, sich mit der vorliegenden Frage des bayerischen Landesrechts mittels Zulassung der Berufung nochmals eingehender zu befassen.

Der Kläger hat auch sonst keine Gründe geltend gemacht, die eine inhaltliche Überprüfung der im Urteil vom 14. August 2006 (a. a. O.) eingehend dargelegten Rechtsauffassung des Senats in einem nachfolgenden Berufungsverfahren nahelegen könnten. Der bloße Umstand, dass die Beklagte zugunsten ihres ersten Bürgermeisters, der nach Art. 37 Abs. 1 GO eine Reihe von Aufgaben für die Gemeinde nach außen hin eigenverantwortlich wahrnimmt, eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat, zwingt keineswegs dazu, dem Kläger als einem bloßen Mitglied im Kollegialorgan Stadtrat unter den gleichen Voraussetzungen Erstattungsansprüche bei internen Kommunalverfassungsstreitigkeiten zu gewähren. Mit dem von ihm in diesem Zusammenhang gebrauchten Begriff der „Waffengleichheit“ lässt sich das von der Gemeindeordnung vorgesehene arbeitsteilige Zusammenwirken der verschiedenen Organe nicht angemessen beschreiben. Es ist auch nicht erkennbar, dass infolge der hier angenommenen Obliegenheit, sich bei gemeindeinternen Konflikten zunächst um eine rechtsaufsichtliche Klärung zu bemühen, das kommunale Mandat nicht mehr verantwortungsvoll und effektiv wahrgenommen werden könnte.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Androhung weiterer Zwangsgelder.

1. Der Kläger ist seit dem 1. Mai 2014 Mitglied des Stadtrats der Beklagten; er war bis Juni 2014 Vorsitzender der Stadtratsfraktion von Bunter Liste und Grünen (Frankenpost vom 28.6.2014). Am 19. Mai 2014 ging bei der Beklagten das in ihrem Auftrag erstellte Gutachten des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands vom 12. Mai 2014 ein (Sitzungsbuch des Hauptausschusses vom 3.6.2014). Der erste Bürgermeister übergab am 30. Mai 2014 an die weiteren Bürgermeister und an die Fraktionssprecher je ein Exemplar des Gutachtens verbunden mit dem Hinweis auf eine nichtöffentliche Sachbehandlung. In der öffentlichen Sitzung des Hauptausschusses vom 3. Juni 2014 stellte er das Gutachten vor; die Ausschussmitglieder erhielten Teile des Gutachtens als Sitzungsvorlage. Einem Artikel in der Frankenpost (FP) vom 6. Juni 2014 ist zu entnehmen, der Kläger wolle das Gutachten „allen Wunsiedlern zugänglich machen“ und biete „jedem Bürger an, in das Gutachten Einsicht zu nehmen.“ Am 6. Juni 2014 wies ihn die Beklagte auf die Verschwiegenheitspflicht hin; etwas anderes ergebe sich nicht daraus, dass die Medien das Gutachten illegal erhalten hätten. Nachfolgend stellte der Kläger das Gutachten mit einer Unterbrechung (27.6.-6.7.2014) unstreitig auf seiner Homepage zum Download bereit und bestritt eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht (Schreiben vom 18.6.2014).

Nach Beschlussfassungen im Stadtrat (Beschlüsse vom 25.6.2014 und vom 17.7.2014) setzte die Beklagte gegen den Kläger mit Bescheid vom 25. Juli 2014 ein Ordnungsgeld fest; die hiergegen gerichtete Klage war unter dem Aktenzeichen B 5 K 14.518 anhängig. Zudem verpflichtete die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 28. Juli 2014 zur unverzüglichen Heraus- bzw. Rückgabe des Gutachtens des BKPV vom 12. Mai 2014 sowie sämtlicher ihm vorliegenden oder gemachten Wiedergaben (auch Kopien); die Abgabe habe während der allgemeinen Dienstzeit im Rathaus zu erfolgen (Nr. 1 des Bescheids). Der Kläger wird weiter verpflichtet, unverzüglich jede Veröffentlichung des unter Nr. 1 genannten Gutachtens dauerhaft und wirksam zu beenden, soweit erforderlich eine gesicherte Löschung (auch aller Kopien) vorzunehmen, insbesondere auf der Homepage www...de und in den sozialen Netzwerken und künftig jede Kundgabe des Gutachtens ganz oder in Teilen zu unterlassen, insbesondere auf elektronischem Weg, im Internet sowie in den sozialen Netzwerken. Die Unterlassungspflicht entfalle, wenn das Gutachten durch den Stadtrat ganz oder teilweise zur Veröffentlichung freigegeben werde und der erste Bürgermeister das vollziehe (Nr. 2 a - c). Zudem ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 an (Nr. 3). Schließlich drohte sie dem Kläger Zwangsgelder für den Fall an, dass er seinen Verpflichtungen in Nrn. 1, 2 a und 2 b bis zum 4. August 2014 nicht, nicht vollständig, oder nicht zeitgerecht nachkomme (Nr. 4 a - c). Den hiergegen gerichteten Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. Januar 2015 ab (Az. B 5 S 14.549); die Beschwerde des Klägers blieb ohne Erfolg (BayVGH, B. v. 20.4.2015 - Az. 4 CS 15.381). Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage war unter dem Aktenzeichen B 5 K 14.550 anhängig.

Mit Schreiben vom 6. August 2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er die in Nrn. 1 und 2 des Bescheids vom 28. Juli 2014 genannten Verpflichtungen nicht erfüllt habe. Zur Durchsetzung der Verpflichtungen werde eine erneute Zwangsgeldandrohung erlassen: Falls er der Verpflichtung zur unverzüglichen Herausgabe nach Nr. 1 des Bescheides vom 28. Juli 2014 bis zum 15. August 2014 nicht, nicht vollständig oder nicht zeitgerecht nachkomme, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro fällig, das ihm hiermit erneut angedroht werde. Sollte die Vollziehung ausgesetzt oder die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederhergestellt werden, werde diese Frist bis zum Ablauf einer Woche nach Eintritt der Bestandskraft verlängert (Nr. 1 des Schreibens). Falls er der Verpflichtung nach Nr. 2a des unter Nr. 1 genannten Bescheides (unverzügliche Beendigung der Veröffentlichung und Löschung) bis zum 15. August 2014 nicht, nicht vollständig oder nicht zeitgerecht nachkomme, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500 Euro fällig, welches ihm hiermit angedroht werde. Sollte die Vollziehung ausgesetzt oder die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederhergestellt werden, werde diese Frist bis zum Ablauf einer Woche nach Eintritt der Bestandskraft verlängert (Nr. 2 des Schreibens). Den Gründen ist zu entnehmen, dass gem. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 des Bayer. Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden könnten, bis die Verpflichtung erfüllt sei. Bisher habe der Kläger die Verpflichtungen aus dem Bescheid vom 28. Juli 2014 noch nicht erfüllt. Man drohe daher erneut Zwangsgelder an, damit er der Herausgabeverpflichtung und dauerhaften Löschung des Gutachtens nachkomme. Die neue Androhung sei zulässig, erforderlich und angemessen, weil die vorausgegangene Zwangsgeldandrohung erfolglos geblieben sei. Er sei der angeordneten Verpflichtung bisher nicht, also auch nicht fristgerecht nachgekommen. Auch die Höhe der erneuten Zwangsgelder sei angemessen und solle ihn zur Erfüllung seiner aufgegebenen Verpflichtung anhalten. Die Beklagte sei nicht gehalten, bei der Androhung der neuen Zwangsgelder bis zur Zahlung oder Beitreibung der bereits fällig gewordenen Zwangsgelder zuzuwarten.

2. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 12. August 2014, eingegangen beim Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Kläger Klage und beantragte,

den Bescheid der Beklagten vom 6. August 2014 aufzuheben.

Zur Begründung wird vorgetragen, die Beklagte habe ungeachtet ihres rechtswidrigen Bescheids vom 28. Juli 2014 den Kläger, der ehrenamtlicher Stadtrat der Beklagten sei, neuerlich mit einer Zwangsgeldandrohung in kostenpflichtiger Art und Weise überzogen. Anstatt den Ausgang des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht abzuwarten, überziehe die Beklagte den Kläger mutwillig und rechtswidrig mit Zwangsgeldandrohungen, die ebenso rechtswidrig seien wie der offensichtlich rechtswidrige Bescheid vom 28. Juli 2014.

Mit Schriftsatz vom 18. August 2014 teilte die Regierung von Oberfranken mit, dass sie von ihrer Befugnis, sich als Vertreter des öffentlichen Interesses an dem Verfahren zu beteiligen, Gebrauch mache.

Mit Schriftsatz vom 3. September 2014 beantragten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde vorgetragen, dass nach Art. 38 Abs. 1 VwZVG gegen die erneute Androhung des Zwangsmittels am6. August 2014 der förmliche Rechtsbehelf gegeben sei. Weil die erste Zwangsmittelandrohung im Bescheid vom 28. Juli 2014 erfolglos geblieben sei, habe die Beklagte ein weiteres Zwangsgeld androhen müssen. Die Voraussetzungen hierfür hätten vorgelegen. Die Fälligstellung des ersten Zwangsgeldes aus dem Bescheid vom 28. Juli 2014 nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist stelle keinen Verwaltungsakt dar. Sie sei deshalb auch nicht gesondert anfechtbar.

Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2014 trug der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, dass der Ordnungsgeldbeschluss von Anfang an vorsätzlich rechtswidrig gewesen sei. Dieser von einem rechtskundigen Beamten erstellte und von dem ersten Bürgermeister ausgefertigte Ordnungsgeldbeschluss sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt.

3. In der mündlichen Verhandlung verband das Gericht die Verwaltungsstreitsachen B 5 K 14.518, B 5 K 14.550 und B 5 K 14.551 zur gemeinsamen Verhandlung. Die Beteiligten nahmen auf ihre schriftsätzlich gestellten Anträge Bezug. Wegen des weiteren Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

4. Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen. Mit Urteilen vom 7. Juli 2015 hat das Gericht die Klagen des Klägers in dem Verfahren Az. B 5 K 14.518 und B 5 K 14.550 abgewiesen.

Gründe

1. Gegenstand des Verfahrens ist, wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, allein die weitere Zwangsgeldandrohung in dem Bescheid vom 6. August 2014.

2. Die so verstandene Klage ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 6. August 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz VwGO). Der Bescheid unterliegt weder in formeller noch in materieller Hinsicht durchgreifenden Zweifeln.

Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG kann die Vollstreckungsbehörde das angedrohte Zwangsmittel anwenden, wenn die Verpflichtung nicht innerhalb der in der Androhung bestimmten Frist erfüllt wird; gemäß Satz 2 dieser Regelung können Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Beklagte hat die Anordnungen in Nrn. 1 und 2 des Bescheids vom 28. Juli 2014 für sofort vollziehbar erklärt und in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zwangsgeldbewehrt; insoweit nimmt die Kammer auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 7. Juli 2015 betreffend das Verfahren Az. B 5 K 14.550 Bezug.

Zwischen den Beteiligten ist ferner unstreitig, dass der Kläger den Anordnungen in Nrn. 1 und 2 des Bescheids vom 28. Juli 2014, die er - wie sich aus Nr. 4 Buchst. a und b des Bescheids vom 28. Juli 2014 ergibt - zur Vermeidung der Fälligstellung der Zwangsgelder bis zum 4. August 2014 zu erfüllen hatte, nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist nachgekommen ist. So lässt sich den Behördenakten zweifelsfrei entnehmen, dass das Gutachten des BKPV auch noch am 6. und 13. August 2014 auf der Homepage des Klägers zum Download bereit stand. Angesichts dessen ist die weitere Zwangsandrohung rechtlich nicht zu beanstanden. Die Höhe der angedrohten Zwangsgelder hält sich in dem der Behörde in Art. 31 Abs. 2 VwZVG eröffneten Rahmen und ist daher ebenfalls nicht zu beanstanden.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.

Tenor

I.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 28. April 2015 wird dahingehend abgeändert, dass der Betrag der dem Antragsgegner von den Antragstellern zu erstattenden Aufwendungen auf 210,98 € festgesetzt wird.

II.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Im Hauptsacheverfahren (Au 4 K 13.1337) streitgegenständlich war ein Bescheid des Antragsgegners vom 18. Juli 2013, mit dem den Antragstellern untersagt wurde, das von ihnen als Mieter bewohnte Anwesen zu Wohnzwecken zu nutzen, weil die Standsicherheit (Art. 10 BayBO) nicht mehr gewährleistet sei. Der Antragsgegner hatte sich dabei maßgeblich auf eine von der Grundstückseigentümerin auf seine Anforderung vorgelegte Bescheinigung eines Nachweisberechtigten für Standsicherheit (Statikbüro ...) gestützt.

Am 9. Dezember 2013 erließ das Verwaltungsgericht Augsburg durch den früheren Berichterstatter den Beschluss, Beweis zu erheben über die baulichen und örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück ... (d. h. das von den Antragstellern bewohnte Anwesen) sowie in dessen Umgebung durch Einnahme eines Augenscheins. Gleichzeitig wurde zu dem Ortstermin geladen für Donnerstag, 19. Dezember 2013, 14.30 h.

Der Beschluss bzw. die Ladung zum Ortstermin enthielten folgende Zusätze:

Für den Klägerbevollmächtigten: „Es wird gebeten, Herrn ... vom Statikbüro ... zum Termin mitzubringen“. Dieses Büro war zwischenzeitlich von den Antragstellern eingeschaltet worden.

Für den Beklagten: „Es wird gebeten, Herrn ... oder einen Vertreter vom Ingenieurbüro ... zum Termin mitzubringen. Der Termin wurde bereits telefonisch mit Herrn ... abgestimmt. Es wird gebeten, das Ingenieurbüro ... umgehend schriftlich vom Termin nochmals in Kenntnis zu setzen“.

Am 19. Dezember 2013 fand der Ortstermin statt. Ausweislich der Niederschrift nahmen dabei für den Antragsgegner u. a. „beigezogen vom Ingenieurbüro ..., Herr ... und Herr ...“ teil. Ferner wurde folgendes vereinbart: „Der Klägerbevollmächtigte bzw. der Kläger werden einen Auftrag zur Beseitigung notwendiger Maßnahmen zur Herstellung der Standsicherheit der Giebelwand des Gebäudes sowie des überkragenden Daches erteilen. Der entsprechende Vorschlag soll von einem der anwesenden Statiker erstellt und vom anderen anwesenden Statiker mitgeprüft und beurteilt werden. Anschließend wird der Vorschlag dem Beklagten übermittelt. Die Beteiligten haben hierfür bis 20. Januar 2014 Zeit. Sofern sich aus den dann vorliegenden Vorschlägen keine einvernehmliche Lösung ergibt, wird ein gerichtliches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben werden.“

Mit Schreiben vom 24. Januar 2014 teilte der Bevollmächtigte der Antragsteller dem Verwaltungsgericht mit, er habe eine statische Berechnung des Ingenieurbüros ... Herrn ... und dem Antragsgegner weitergeleitet. Das Verwaltungsgericht bat den Antragsgegner hierzu mit Schreiben vom 27. Januar 2014 um Stellungnahme in Absprache mit Herrn ....

Mit Datum vom 30. Januar 2014 übermittelte das Ingenieurbüro ... dem Verwaltungsgericht Augsburg eine Rechnung über 1.413,72 € (pauschal 1.188,- € zzgl. USt. 19% in Höhe von 225,72 €) mit dem Betreff „Beweiserhebung durch Ortstermin am 19.12.2013“. In der Rechnung wurde ausgeführt, zur Begutachtung der örtlichen Verhältnisse sei die Anwesenheit des Büros festgelegt, eine Unterbrechung des bereits angetretenen Weihnachtsurlaubs nach telefonischer Rücksprache mit dem Gericht vereinbart worden.

Mit Schreiben vom 31. Januar 2014 wies der frühere Berichterstatter das Ingenieurbüro ... darauf hin, dass es sich bei den ihm entstandenen Kosten um Auslagen des Antragsgegners handele, der sich in seinem streitgegenständlichen Bescheid auch maßgeblich auf die Stellungnahme des Ingenieurbüros vom 13. Juni 2013 gestützt habe. Es werde daher gebeten, die Rechnung unmittelbar an den Antragsgegner zu richten.

Auf eine Sachstandsanfrage des früheren Berichterstatters an Antragsteller und Antragsgegner vom 3. März 2014 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 10. März 2014 mit, er habe seit Übermittlung der Stellungnahme des Ingenieurbüros ... an den Antragsgegner und Herrn ... keine weitere Stellungnahme erhalten. Welche Maßnahmen der Antragsgegner in Bezug auf die Stellungnahme des Herrn ... veranlasst habe, könne nicht mitgeteilt werden.

Mit Schreiben vom 1. April 2014 teilte das Verwaltungsgericht den Beteiligten mit, dass auf die Sachstandsanfrage vom 3. März 2014 seitens des Antragsgegners keine Reaktion erfolgt sei und dass das Gericht davon ausgehe, dass der Antragsgegner an der im Ortstermin vom 19. Dezember 2013 vereinbarten Vorgehensweise nicht festhalten wolle. Es werde daher beabsichtigt, nunmehr ein Sachverständigengutachten zur Frage der Standsicherheit sowie zu den vom Ingenieurbüro ... vorgeschlagenen Maßnahmen einzuholen.

Am 12. Mai 2014 erließ die Kammer einen entsprechenden Beweisbeschluss.

In den Gerichtsakten des Hauptsacheverfahrens befindet sich folgender handschriftlicher Vermerk des früheren Berichterstatters über ein Telefonat mit einer Mitarbeiterin aus dem Büro ... am 5. August 2014:

„Sie wollte sich erkundigen, ob das Verfahren bereits abgeschlossen sei, weil das LRA keine Auskunft erteilte und die Rechnung nicht begleiche.

Ich habe mitgeteilt, dass weiteres SV-Gutachten eingeholt worden sei und vor Mitte September nicht mit einer Entscheidung zu rechnen sei. Zudem habe ich darauf hingewiesen, dass es sich bei der Teilnahme um Auslagen des LRA handle, die letztlich von demjenigen zu zahlen sind, der den Prozess verliere.

Die Mitarbeiterin gab an, bei der Terminabsprache dabei gewesen zu sein und gehört zu haben, dass Hr. ... auf seinen Urlaub hingewiesen habe. Ich habe eingewandt, dass aber nicht davon gesprochen wurde, dass er eine Flugreise benötige; der Mitarbeiter hätte genügt“.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Augsburg am 4. Februar 2015 nahmen die Antragsteller ihre Klage zurück, nachdem der gerichtliche Sachverständige sein Gutachten und insbesondere verbleibende Standsicherheitsdefizite erläutert hatte. Das Klageverfahren wurde in der mündlichen Verhandlung eingestellt.

Mit Schreiben vom 20. Februar 2015 beantragte der Antragsgegner, die von den Antragstellern zu erstattenden Kosten auf 1.472,97 € festzusetzen. Gegenstand des Kostenfestsetzungsantrags war insbesondere die Gebührenrechnung des Statikbüros ... bezüglich des Ortstermins am 19. Dezember 2013 in Höhe von 1.413,72 €.

Auf Nachfrage des Urkundsbeamten teilte der Antragsgegner mit Schreiben vom 15. April 2015 mit, die Kosten des Büros ... seien beim Ortstermin entstanden und vom früheren Berichterstatter entsprechend dem Beschluss vom 9. Dezember 2013 veranlasst worden. Ferner übermittelte der Antragsgegner eine Aufgliederung der fraglichen Rechnung in Einzelposten. Darin waren insbesondere (jeweils netto) Flugkosten für Herrn ... (... - ... und zurück) in Höhe von 307,90 €, Fahrtkosten mit dem Auto für Herrn ... (Transfer ... - Flughafen ... und zurück) in Höhe von 96,- € sowie ein Zeitaufwand für Herrn ... für die An- und Abreise von fünf Stunden (225,- €) ausgewiesen. Ferner ausgewiesen war der Zeitaufwand für Herrn ... und Herrn ... für den Ortstermin (je 1,5 Stunden, jeweils 127,50 €), „Zeitaufwand + Auslagen Sekretariat“ für drei Stunden (135,- €) sowie „statische Berechnungen, Stellungnahmen“ (170,- €). In dem Begleitschreiben zur Rechnung wies das Ingenieurbüro ... darauf hin, es habe den Ortstermin aufgrund des bereits angetretenen Weihnachtsurlaubs verschieben oder auch vorverlegen wollen. Leider sei das Gericht hiermit nicht einverstanden gewesen. Hierdurch seien erhebliche Reisekosten angefallen.

Am 28. April 2015, dem Bevollmächtigten der Antragsteller zugestellt am 30. April 2015, erließ der Urkundsbeamte den streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss und setzte die von den Antragstellern dem Antragsgegner zu erstattenden Kosten wie beantragt auf 1.472,97 € fest.

Am 15. Mai 2015 ließen die Antragsteller gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss „Beschwerde“ einlegen. Der Urkundsbeamte half diesem Antrag auf Entscheidung des Gerichts nicht ab und legte ihn der Kammer zur Entscheidung vor.

Mit Schriftsatz vom 22. Mai 2015 bat der Bevollmächtigte der Antragsteller um Übermittlung der Gebührenrechnung des Büros ... anlässlich des Ortstermins vom 19. Dezember 2013.

Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2015 machte er geltend, die Reisekosten aus dem Urlaubsort seien nicht erstattungsfähig. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum für eine zweite Person ebenfalls Gebühren angefallen seien. Die Sekretariatsgebühren seien ebenfalls nicht erstattungsfähig. Es sei auch nicht ersichtlich, welche statischen Berechnungen und Stellungnahmen vorgenommen worden seien.

Der Urkundsbeamte nahm daraufhin weitere Erkundigungen beim Antragsgegner und dem Ingenieurbüro ... vor. Diese wiesen im Wesentlichen darauf hin, dass es der frühere Berichterstatter telefonisch als notwendig angesehen habe, dass auch der Firmeninhaber - trotz anfallender Reisekosten - an dem Termin teilnehme. Eine Stellungnahme sei kurzfristig gefordert worden, daher sei auch das Sekretariat kurzfristig zu besetzen gewesen.

Daraufhin rügte der Bevollmächtigte der Antragsteller, für Anreisekosten und eine zweite Person hafteten nicht die Antragsteller, wenn dies nicht ausdrücklich richterlich angeordnet worden und den Beteiligten zur Kenntnis gebracht worden sei.

Der jetzige Berichterstatter telefonierte am 24. Juli 2015 mit dem früheren Berichterstatter zu der Frage, was telefonisch zum Ortstermin am 19. Dezember 2013 festgelegt worden sei. Der wesentliche Inhalt des Telefonats sowie der Wortlaut des Aktenvermerks des früheren Berichterstatters vom 5. August 2014 wurden den Beteiligten schriftlich mitgeteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des Hauptsacheverfahrens Au 4 K 13.1337 sowie des vorliegenden Kostenverfahrens Bezug genommen.

II.

Die mit Schriftsatz vom 15. Mai 2015 eingelegte „Beschwerde“ gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 28. April 2015 ist als Antrag auf Entscheidung des Gerichts gem. §§ 165, 151 VwGO („Kostenerinnerung“) auszulegen. Dieser Antrag ist angesichts der folgenden Schriftsätze des Bevollmächtigten der Antragsteller ferner dahin auszulegen, dass eine Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses insoweit begeht wird, als den Antragstellern eine über die Teilnahme eines Vertreters des Ingenieurbüros ... an dem Ortstermin am 19. Dezember 2013 hinausgehende Erstattung der Rechnung dieses Ingenieurbüros auferlegt wurde.

Über die Erinnerung entscheidet die Kammer, weil die Kostengrundentscheidung nach Klagerücknahme in der Kammersitzung vom 4. Februar 2015 getroffen wurde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 165 Rn. 3; Beschluss der Kammer vom 10.7.2007 - Au 4 M 07.706).

Die Erinnerung ist zulässig und begründet. Die in der Rechnung des Ingenieurbüros ... vom 11. März 2014 ausgewiesenen Kosten haben die Antragsteller dem Antragsgegner nur insoweit zu erstatten, als der Zeitaufwand für die Teilnahme eines Vertreters dieses Ingenieurbüros in Rechnung gestellt wurde (127,50 € zzgl. 19% USt.).

Maßstab für die von der unterlegenen Partei zu erstattenden Kosten ist § 162 Abs. 1 VwGO. Danach sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten erstattungsfähig.

Aufwendungen für private Sachverständige, wie sie hier in Rede stehen, sind nur ausnahmsweise erstattungsfähig. Eine Ausnahme kommt in Betracht, wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde ihr Begehren tragende Behauptungen nur mit Hilfe eines Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Außerdem ist der jeweilige Verfahrensstand zu berücksichtigen. Die Prozesssituation muss die Beauftragung des Sachverständigen erfordern und dessen Beitrag muss das Verfahren fördern (BayVGH, B. v. 21.7.2015 - 1 C 15.153 - juris Rn. 3).

Hier war die Prozesssituation dadurch gekennzeichnet, dass die Ladung zum Ortstermin den „Zusatz für den Beklagten“ enthielt, es werde gebeten, Herrn ... oder einen Vertreter vom Ingenieurbüro ... zum Termin mitzubringen. Werden von einer Partei bereits im Verwaltungsverfahren herangezogene Gutachter auf Aufforderung des Gerichts zu einem Termin mitgebracht, so sind die diesbezüglich entstehenden Kosten zwar schon aus diesem Grund erstattungsfähig (vgl. VGH BW, B. v. 26.2.1997 - 5 S 1742/95 - juris Rn. 5). Die „Notwendigkeit‘„ solcher Aufwendungen besteht zunächst jedoch nur in dem Umfang, in dem das Erscheinen eines von einem Beteiligten herangezogenen Sachverständigen gerichtlich angeordnet ist. Das gerichtlich nicht angeordnete Erscheinen eines (weiteren) Sachverständigen mag zwar im Einzelfall sachdienlich und zweckmäßig erscheinen, es ist aber nicht notwendig im Sinne von § 162 Abs. 1 VwGO (vgl. BayVGH, B. v. 21.7.2015 - 1 C 15.153 - juris Rn. 4).

Dem schriftlichen Zusatz in der Ladung zum Ortstermin vom 19. Dezember 2013 ließ sich eindeutig entnehmen, dass eine Person aus dem Ingenieurbüro ... ausreichend war („oder“).

Zwar haben der Antragsgegner und auch das Ingenieurbüro ... im Anschluss an den Ortstermin geltend gemacht, der frühere Berichterstatter habe zugestimmt bzw. sogar gefordert, dass auch der Inhaber Herr ... an dem Termin teilnehmen und dazu aus dem Urlaub anreisen solle.

Derartiges lässt sich jedoch den Gerichtsakten nicht entnehmen. Insoweit mag das zwischen dem früheren Berichterstatter und Herrn ... geführte Telefonat zwar unterschiedlich interpretiert worden sein. Die Kammer hat jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der frühere Berichterstatter in Kenntnis des Entstehens erheblicher Reisekosten entgegen seiner eindeutigen Verfügung in der Terminsladung später eine zusätzliche Anwesenheit von Herrn ... telefonisch gefordert haben sollte. Die Kammer hat selbstverständlich - auch in früherer Zusammensetzung - bei der Festlegung von Terminen im Blick, dass keine unnötigen bzw. unverhältnismäßigen Kosten entstehen. Zwar mag der frühere Berichterstatter eine Verlegung des Termins abgelehnt haben. Dies dürfte aber vor allem darauf zurückzuführen sein, dass es um die Standsicherheit des von den Antragstellern bewohnten Anwesens ging, dass der Winter mit möglicherweise erheblichen Schneelasten bevorstand, so dass möglichst schnell Klarheit über die Bewohnbarkeit bzw. das weitere Vorgehen hergestellt werden sollte. Gerade wegen der vergleichsweisen Kurzfristigkeit des anberaumten Ortstermins gewährte jedoch der Zusatz zur Ladung mit der Formulierung „oder“ die nötige Flexibilität, wer seitens des Ingenieurbüros ... an dem Termin teilnahm.

Jedenfalls wäre seitens des Antragsgegners bzw. des Ingenieurbüros ... beim Gericht eindeutig offenzulegen gewesen, dass und welche Kosten die Teilnahme von Herrn ... an dem Termin nach sich ziehen würde. Dies ist nach den glaubhaften telefonischen Angaben des Berichterstatters nicht erfolgt. Ohne ausdrückliche richterliche Anordnung durfte es der Antragsgegner im Rahmen des Maßstabs als „verständiger Partei“ nicht als geboten erachten, dass Herr ... selbst unter Verursachung erheblicher Reisekosten und -zeiten an dem Ortstermin teilnimmt, zumal jeder Beteiligte verpflichtet ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten (Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 162 Rn. 3).

Die Teilnahme von Herrn ... an dem Termin, die entstandenen Reisekosten und der angesetzte Zeitaufwand waren daher nicht notwendig im Sinne vom § 162 Abs. 1 VwGO.

Nicht erstattungsfähig sind auch die weiteren in der Rechnung vom 11. März 2014 ausgewiesenen Kosten, soweit sie über die Teilnahme eines Vertreters des Büros ... hinausgehen (Zeitaufwand + Auslagen Sekretariat 3 Stunden; statische Berechnungen, Stellungnahmen). Es ist nicht ersichtlich, inwieweit diese Posten im Zusammenhang mit dem Ortstermin am 19. Dezember 2013 und dem in der vorausgegangenen Ladung enthaltenen Zusatz des Gerichts hinsichtlich des Mitbringens eines Mitarbeiters stehen. Soweit das Ingenieurbüro ... auf Nachfrage des Gerichts mitgeteilt hat, eine Stellungnahme sei unverzüglich gefordert worden, daher habe auch das Sekretariat kurzfristig besetzt werden müssen (Schreiben vom 9. Juli 2015), wurde derartiges jedenfalls vom Gericht nicht gefordert. Auch der Antragsgegner hat sich zu dieser Frage nicht geäußert.

Sollte sich der Hinweis auf die Anforderung einer unverzüglichen Stellungnahme auf die beim Ortstermin besprochene Beurteilung eines Vorschlags der Antragsteller durch einen Statiker beziehen (die Antragsteller hatten einen solchen Vorschlag des Ingenieurbüros ... dem Antragsgegner und dem Ingenieurbüro ... im Januar 2014 übermittelt), so wäre dem entgegen zu halten, dass der Antragsgegner eine solche Beurteilung nicht in das gerichtliche Verfahren eingeführt hat. Vielmehr hat er weder auf die gerichtliche Bitte um Stellungnahme vom 27. Januar 2014 noch auf die Sachstandsanfrage des Gerichts vom 3. März 2014 reagiert, so dass die Kammer die Einholung eines eigenen Sachverständigengutachtens beschlossen hat. Kosten für die Erstellung von Unterlagen, die - entgegen vorheriger Absprache bzw. einer gerichtlichen Bitte - nicht in das gerichtliche Verfahren eingeführt wurden, sind keine für die Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen im Sinne von § 162 Abs. 1 VwGO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Der Rechtsanwalt darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden.

(2) Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist. Dies gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Der Rechtsanwalt hat die von ihm beschäftigten Personen in Textform zur Verschwiegenheit zu verpflichten und sie dabei über die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung zu belehren. Zudem hat er bei ihnen in geeigneter Weise auf die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht hinzuwirken. Den von dem Rechtsanwalt beschäftigten Personen stehen die Personen gleich, die im Rahmen einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder einer sonstigen Hilfstätigkeit an seiner beruflichen Tätigkeit mitwirken. Satz 4 gilt nicht für Referendare und angestellte Personen, die im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht den gleichen Anforderungen wie der Rechtsanwalt unterliegen. Hat sich ein Rechtsanwalt mit anderen Personen, die im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht den gleichen Anforderungen unterliegen wie er, zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammengeschlossen und besteht zu den Beschäftigten ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis, so genügt auch der Nachweis, dass eine andere dieser Personen die Verpflichtung nach Satz 4 vorgenommen hat.

(3) Der Rechtsanwalt darf sich bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten. Unsachlich ist insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewußte Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlaß gegeben haben.

(4) Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden, wenn er einen anderen Mandanten in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. Das Tätigkeitsverbot gilt auch für Rechtsanwälte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Rechtsanwalt ausüben, der nach Satz 1 nicht tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 2 bleibt bestehen, wenn der nach Satz 1 ausgeschlossene Rechtsanwalt die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. Die Sätze 2 und 3 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Mandanten der Tätigkeit des Rechtsanwalts nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit des Rechtsanwalts sicherstellen. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 4 erfüllt sind. Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots nach Satz 1 oder Satz 2 erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem Rechtsanwalt auch ohne Einwilligung des Mandanten offenbart werden.

(5) Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend für die Tätigkeit als Referendar im Vorbereitungsdienst im Rahmen der Ausbildung bei einem Rechtsanwalt. Absatz 4 Satz 2 ist nicht anzuwenden, wenn dem Tätigkeitsverbot nach Absatz 4 Satz 1 eine Tätigkeit als Referendar nach Satz 1 zugrunde liegt.

(6) Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend für ein berufliches Tätigwerden des Rechtsanwalts außerhalb des Anwaltsberufs, wenn für ein anwaltliches Tätigwerden ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 4 Satz 1 bestehen würde.

(7) Der Rechtsanwalt ist bei der Behandlung der ihm anvertrauten Vermögenswerte zu der erforderlichen Sorgfalt verpflichtet. Fremde Gelder sind unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen.

(8) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, sich fortzubilden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 32/12
vom
16. Januar 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BRAO § 43a Abs. 4; BORA § 3 Abs. 1; ZPO § 121
Ein Rechtsanwalt, der anlässlich desselben Erbfalles Pflichtteilsberechtigte bei
der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen und deren Mutter bei der Abwehr
von Nachlassforderungen vertritt, verstößt ohne die Interessenkollision auflösende
Mandatsbeschränkungen gegen das Vertretungsverbot gemäß § 43a
Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA.
Ein solcher Verstoß kann die rückwirkende Aufhebung seiner Beiordnung gemäß
§ 121 ZPO rechtfertigen.
BGH, Beschluss vom 16. Januar 2013 - IV ZB 32/12 - OLG Hamm
LG Bielefeld
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski
am 16. Januar 2013

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerden gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. August 2012 werden auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführer zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Die Rechtsbeschwerdeführer wenden sich gegen die rückwirkende Aufhebung der Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten wegen Vertretung widerstreitender Interessen.
2
Die Klägerin macht als Alleinerbin ihrer Mutter eine Nachlassforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Witwe ihres vorverstorbenen Bruders - Beklagte und Rechtsbeschwerdeführerin zu 1 - geltend.
3
Der Beklagten wurde unter Beiordnung des von ihr mandatierten Rechtsbeschwerdeführers zu 2 als Verfahrensbevollmächtigtem Prozesskostenhilfe bewilligt. Nach Hinweis der Klägerin, dass der Rechtsbe- schwerdeführer zu 2 die Kinder der Beklagten bei der Durchsetzung ihrer Pflichtteilsansprüche gegen die Klägerin in dem inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen Parallelverfahren vertrat, hob das Landgericht dessen Beiordnung rückwirkend auf.
4
Die hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerden der Beklagten und des Rechtsbeschwerdeführers zu 2 sind vor dem Oberlandesgericht erfolglos geblieben. Dagegen wenden sie sich mit ihren vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerden.
5
II. Die Rechtsbeschwerden sind gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft; an ihre Zulassung ist der Senat gemäß § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO gebunden. Sie sind auch im Übrigen zulässig, jedoch in der Sache unbegründet.
6
1. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 mit der Wahrnehmung der Interessen der Kinder der Beklagten bei der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen gegen die Klägerin (Erstmandat) einerseits und der Interessen der Beklagten bei der Abwehr von Nachlassforderungen der Klägerin (Zweitmandat ) andererseits gegen das Vertretungsverbot gemäß § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 BORA verstößt und deswegen seine Beiordnung rückwirkend aufzuheben war.
7
Beide Mandate betreffen dieselbe Rechtssache (§ 3 Abs. 1 BORA), die jeweils wahrzunehmenden Interessen widersprechen einander (§ 43a Abs. 4 BRAO) und dieser Interessenkonflikt ist im Streitfall nicht nur latent gegeben, sondern er besteht auch konkret. Die dafür herangezoge- nen maßgeblichen Rechtsgrundsätze sind höchstrichterlich geklärt (BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ(Brfg) 35/11, BeckRS 2012, 15772 = NJW 2012, 3039; vgl. ferner BGH, Urteile vom 25. Juni 2008 - 5 StR 109/07, BGHSt 52, 307; vom 7. Oktober 1986 - 1 StR 519/86, BGHSt 34, 190; vom 16. November 1962 - 4 StR 344/62, BGHSt 18, 192; BAG, Beschluss vom 25. August 2004 - 7 ABR 60/03, BAGE 111, 371; BVerfG, Beschlüsse vom 20. Juni 2006 - 1 BvR 594/06, ZEV 2006, 413; vom 3. Juli 2003 - 1 BvR 238/01, BVerfGE 108, 150; BayObLG, Urteil vom 26. Juli 1989 - RReg 3 St 50/89, BayObLGSt 1989, 120). Diese Grundsätze sind vom Beschwerdegericht beanstandungsfrei angewandt worden; gegen seine Feststellung, es seien keine Anhaltspunkte für eine den Interessenwiderstreit etwa entschärfende oder gar ausschließende Beschränkung bei der Erteilung des Erstmandats vorgetragen oder sonst ersichtlich, ist nichts zu erinnern. Zur weiteren Begründung verweist der erkennende Senat, auch um bloße Wiederholungen zu vermeiden, auf die überzeugenden Ausführungen in der angefochtenenEntscheidung.
8
2. Weiterer abstrakt-genereller höchstrichterlicher Klärungsbedarf ist nicht auszumachen und wird auch von den Rechtsbeschwerden nicht dargelegt. Insoweit ist lediglich Folgendes ergänzend anzumerken:
9
a) Der Annahme, bei den beiden Mandaten handele es sich um dieselbe Rechtssache i.S. von § 3 Abs. 1 BORA, steht nicht entgegen - wie die Rechtsbeschwerdeführer an dieser Stelle meinen -, dass es an der erforderlichen Sachverhaltsidentität fehlt. Insoweit reicht es, wenn sich die übernommenen Mandate zumindest teilweise sachlich-rechtlich decken (BGH, Urteil vom 23. April 2012 aaO Rn. 8 m.w.N.). Daran bestehen allein schon wegen der Klammerwirkung des vom Erbfall bestimmten Nachlassbestandes keine Zweifel, aus dem sich die gegenläu- figen Beratungspflichten gegenüber Pflichtteilsberechtigtem und in Anspruch genommenem Nachlassschuldner ergeben. Insoweit sind insbesondere mit Blick auf Gegenstände und Wert des Nachlasses die gleichen tatsächlichen Umstände von Bedeutung für die von den Auftraggebern bezogenen unterschiedlichen Rechtspositionen (vgl. BayObLG aaO unter 1 m.w.N.).
10
b) Dabei hat das Berufungsgericht entgegen den Rechtsbeschwerden auch nicht die Interessenlage anhand des konkreten Auftrags vernachlässigt. Diese Rüge betrifft zunächst schon nicht die Tatbestandsvoraussetzung für das in Rede stehende Vertretungsverbot, "dieselbe Rechtssache", sondern den Interessenwiderspruch und ob dieser im konkreten Falle festzustellen ist. Abgesehen davon hat sich das Beschwerdegericht - wie vor allem die Beschlussgründe S. 9 und S. 11 belegen - ausdrücklich mit den Interessen befasst, die mit der Mandatserteilung verfolgt werden. Das wird auch von den Rechtsbeschwerden nachfolgend anerkannt, wenn sie hervorheben, das Beschwerdegericht halte zutreffend fest, "dass die Mandatspflichten eines Anwalts wesentlich durch den ihm erteilten Auftrag bestimmt werden".
11
c) Bei der Festlegung des konkreten Interessenwiderstreits halten die Rechtsbeschwerdeführer zu Unrecht dem Beschwerdegericht vor, rechtsfehlerhaft die Frage offengelassen zu haben, inwieweit ein solcher Interessenkonflikt im Streitfall allein "mit einer grundsätzlich fehlenden Dispositionsbefugnis der Parteien über das Verbot der Doppelvertretung zu begründen" sei. Die spätere Einverständniserklärung der Beklagten und ihrer Kinder schließt diesen konkreten Interessengegensatz bei der Vertretung durch denselben Prozessbevollmächtigten offensichtlich nicht aus. Zu Recht hat das Beschwerdegericht dieser Erklärung eine konflikt- lösende Wirkung bei Mandatserteilung nicht entnommen. Auch das Verständnis der Rechtsbeschwerden, dass "die weitere Verfolgung (weiterer ) Pflichtteilsansprüche vom Bestand der behaupteten Nachlassforderung abhängig gemacht wird und dieser im vorliegenden Rechtsstreit geklärt werden soll", lässt den Konflikt konkret bestehen.
12
Der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 ist gehalten, die Durchsetzung der Nachlassforderung, zu der die Klägerin verpflichtet ist (§ 2313 Abs. 2 BGB, vgl. MünchKomm-BGB/Lange, 5. Aufl. § 2313 Rn. 14), zu verhindern , was den Interessen der Pflichtteilsberechtigten nach wie vor zuwiderläuft , auch wenn sie letztlich bereit sind, den Ausgang des Rechtsstreits hinzunehmen. Die Gesamtumstände führen insoweit gerade nicht über eine etwaige Mandatsbeschränkung zu einem nur noch latent vorhandenen Interessenkonflikt (anders insoweit die Sachlage in BGH, Urteil vom 23. April 2012 aaO Rn. 14 und 15).
13
d) Damit ist schließlich zugleich den Bedenken der Rechtsbeschwerden gegen die rückwirkende Aufhebung der Beiordnung die Grundlage entzogen (vgl. insoweit KG FamRZ 2008, 510 f. = juris Rn. 20 ff.; OLG Celle FamRZ 1983, 1045). Der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 hätte diesen Konflikt von Anfang an unschwer erkennen können, zumal er in dem Parallelverfahren von der Klägerin (dortige Beklagte) frühzeitig darauf hingewiesen worden ist. Das rechtfertigt - wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat - angesichts der gleichwohl vorgenommenen anwaltlichen Beratung der Beklagten und ihrer Kinder den - auch rückwirkenden - Entzug der Beiordnung ohne Rücksicht auf den Willen der Beteiligten (vgl. Musielak/Fischer, ZPO 9. Aufl. § 121 Rn. 27). Dem etwa entgegenstehende Vertrauensschutzgesichtspunkte sind nicht dargetan oder sonst ersichtlich.
Mayen Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 26.03.2012- 6 O 504/11 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 08.08.2012- I-11 W 47/12 -

(1) Der Rechtsanwalt darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden.

(2) Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist. Dies gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Der Rechtsanwalt hat die von ihm beschäftigten Personen in Textform zur Verschwiegenheit zu verpflichten und sie dabei über die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung zu belehren. Zudem hat er bei ihnen in geeigneter Weise auf die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht hinzuwirken. Den von dem Rechtsanwalt beschäftigten Personen stehen die Personen gleich, die im Rahmen einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder einer sonstigen Hilfstätigkeit an seiner beruflichen Tätigkeit mitwirken. Satz 4 gilt nicht für Referendare und angestellte Personen, die im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht den gleichen Anforderungen wie der Rechtsanwalt unterliegen. Hat sich ein Rechtsanwalt mit anderen Personen, die im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht den gleichen Anforderungen unterliegen wie er, zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammengeschlossen und besteht zu den Beschäftigten ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis, so genügt auch der Nachweis, dass eine andere dieser Personen die Verpflichtung nach Satz 4 vorgenommen hat.

(3) Der Rechtsanwalt darf sich bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten. Unsachlich ist insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewußte Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlaß gegeben haben.

(4) Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden, wenn er einen anderen Mandanten in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. Das Tätigkeitsverbot gilt auch für Rechtsanwälte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Rechtsanwalt ausüben, der nach Satz 1 nicht tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 2 bleibt bestehen, wenn der nach Satz 1 ausgeschlossene Rechtsanwalt die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. Die Sätze 2 und 3 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Mandanten der Tätigkeit des Rechtsanwalts nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit des Rechtsanwalts sicherstellen. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 4 erfüllt sind. Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots nach Satz 1 oder Satz 2 erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem Rechtsanwalt auch ohne Einwilligung des Mandanten offenbart werden.

(5) Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend für die Tätigkeit als Referendar im Vorbereitungsdienst im Rahmen der Ausbildung bei einem Rechtsanwalt. Absatz 4 Satz 2 ist nicht anzuwenden, wenn dem Tätigkeitsverbot nach Absatz 4 Satz 1 eine Tätigkeit als Referendar nach Satz 1 zugrunde liegt.

(6) Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend für ein berufliches Tätigwerden des Rechtsanwalts außerhalb des Anwaltsberufs, wenn für ein anwaltliches Tätigwerden ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 4 Satz 1 bestehen würde.

(7) Der Rechtsanwalt ist bei der Behandlung der ihm anvertrauten Vermögenswerte zu der erforderlichen Sorgfalt verpflichtet. Fremde Gelder sind unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen.

(8) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, sich fortzubilden.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Der Rechtsanwalt darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden.

(2) Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist. Dies gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Der Rechtsanwalt hat die von ihm beschäftigten Personen in Textform zur Verschwiegenheit zu verpflichten und sie dabei über die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung zu belehren. Zudem hat er bei ihnen in geeigneter Weise auf die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht hinzuwirken. Den von dem Rechtsanwalt beschäftigten Personen stehen die Personen gleich, die im Rahmen einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder einer sonstigen Hilfstätigkeit an seiner beruflichen Tätigkeit mitwirken. Satz 4 gilt nicht für Referendare und angestellte Personen, die im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht den gleichen Anforderungen wie der Rechtsanwalt unterliegen. Hat sich ein Rechtsanwalt mit anderen Personen, die im Hinblick auf die Verschwiegenheitspflicht den gleichen Anforderungen unterliegen wie er, zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammengeschlossen und besteht zu den Beschäftigten ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis, so genügt auch der Nachweis, dass eine andere dieser Personen die Verpflichtung nach Satz 4 vorgenommen hat.

(3) Der Rechtsanwalt darf sich bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten. Unsachlich ist insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewußte Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlaß gegeben haben.

(4) Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden, wenn er einen anderen Mandanten in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. Das Tätigkeitsverbot gilt auch für Rechtsanwälte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Rechtsanwalt ausüben, der nach Satz 1 nicht tätig werden darf. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 2 bleibt bestehen, wenn der nach Satz 1 ausgeschlossene Rechtsanwalt die gemeinschaftliche Berufsausübung beendet. Die Sätze 2 und 3 sind nicht anzuwenden, wenn die betroffenen Mandanten der Tätigkeit des Rechtsanwalts nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben und geeignete Vorkehrungen die Einhaltung der Verschwiegenheit des Rechtsanwalts sicherstellen. Ein Tätigkeitsverbot nach Satz 1, das gegenüber einer Berufsausübungsgesellschaft besteht, entfällt, wenn die Voraussetzungen des Satzes 4 erfüllt sind. Soweit es für die Prüfung eines Tätigkeitsverbots nach Satz 1 oder Satz 2 erforderlich ist, dürfen der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsachen einem Rechtsanwalt auch ohne Einwilligung des Mandanten offenbart werden.

(5) Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend für die Tätigkeit als Referendar im Vorbereitungsdienst im Rahmen der Ausbildung bei einem Rechtsanwalt. Absatz 4 Satz 2 ist nicht anzuwenden, wenn dem Tätigkeitsverbot nach Absatz 4 Satz 1 eine Tätigkeit als Referendar nach Satz 1 zugrunde liegt.

(6) Absatz 4 Satz 1 gilt entsprechend für ein berufliches Tätigwerden des Rechtsanwalts außerhalb des Anwaltsberufs, wenn für ein anwaltliches Tätigwerden ein Tätigkeitsverbot nach Absatz 4 Satz 1 bestehen würde.

(7) Der Rechtsanwalt ist bei der Behandlung der ihm anvertrauten Vermögenswerte zu der erforderlichen Sorgfalt verpflichtet. Fremde Gelder sind unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen.

(8) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, sich fortzubilden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 32/12
vom
16. Januar 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BRAO § 43a Abs. 4; BORA § 3 Abs. 1; ZPO § 121
Ein Rechtsanwalt, der anlässlich desselben Erbfalles Pflichtteilsberechtigte bei
der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen und deren Mutter bei der Abwehr
von Nachlassforderungen vertritt, verstößt ohne die Interessenkollision auflösende
Mandatsbeschränkungen gegen das Vertretungsverbot gemäß § 43a
Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA.
Ein solcher Verstoß kann die rückwirkende Aufhebung seiner Beiordnung gemäß
§ 121 ZPO rechtfertigen.
BGH, Beschluss vom 16. Januar 2013 - IV ZB 32/12 - OLG Hamm
LG Bielefeld
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski
am 16. Januar 2013

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerden gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. August 2012 werden auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführer zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Die Rechtsbeschwerdeführer wenden sich gegen die rückwirkende Aufhebung der Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten wegen Vertretung widerstreitender Interessen.
2
Die Klägerin macht als Alleinerbin ihrer Mutter eine Nachlassforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Witwe ihres vorverstorbenen Bruders - Beklagte und Rechtsbeschwerdeführerin zu 1 - geltend.
3
Der Beklagten wurde unter Beiordnung des von ihr mandatierten Rechtsbeschwerdeführers zu 2 als Verfahrensbevollmächtigtem Prozesskostenhilfe bewilligt. Nach Hinweis der Klägerin, dass der Rechtsbe- schwerdeführer zu 2 die Kinder der Beklagten bei der Durchsetzung ihrer Pflichtteilsansprüche gegen die Klägerin in dem inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen Parallelverfahren vertrat, hob das Landgericht dessen Beiordnung rückwirkend auf.
4
Die hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerden der Beklagten und des Rechtsbeschwerdeführers zu 2 sind vor dem Oberlandesgericht erfolglos geblieben. Dagegen wenden sie sich mit ihren vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerden.
5
II. Die Rechtsbeschwerden sind gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft; an ihre Zulassung ist der Senat gemäß § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO gebunden. Sie sind auch im Übrigen zulässig, jedoch in der Sache unbegründet.
6
1. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 mit der Wahrnehmung der Interessen der Kinder der Beklagten bei der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen gegen die Klägerin (Erstmandat) einerseits und der Interessen der Beklagten bei der Abwehr von Nachlassforderungen der Klägerin (Zweitmandat ) andererseits gegen das Vertretungsverbot gemäß § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 BORA verstößt und deswegen seine Beiordnung rückwirkend aufzuheben war.
7
Beide Mandate betreffen dieselbe Rechtssache (§ 3 Abs. 1 BORA), die jeweils wahrzunehmenden Interessen widersprechen einander (§ 43a Abs. 4 BRAO) und dieser Interessenkonflikt ist im Streitfall nicht nur latent gegeben, sondern er besteht auch konkret. Die dafür herangezoge- nen maßgeblichen Rechtsgrundsätze sind höchstrichterlich geklärt (BGH, Urteil vom 23. April 2012 - AnwZ(Brfg) 35/11, BeckRS 2012, 15772 = NJW 2012, 3039; vgl. ferner BGH, Urteile vom 25. Juni 2008 - 5 StR 109/07, BGHSt 52, 307; vom 7. Oktober 1986 - 1 StR 519/86, BGHSt 34, 190; vom 16. November 1962 - 4 StR 344/62, BGHSt 18, 192; BAG, Beschluss vom 25. August 2004 - 7 ABR 60/03, BAGE 111, 371; BVerfG, Beschlüsse vom 20. Juni 2006 - 1 BvR 594/06, ZEV 2006, 413; vom 3. Juli 2003 - 1 BvR 238/01, BVerfGE 108, 150; BayObLG, Urteil vom 26. Juli 1989 - RReg 3 St 50/89, BayObLGSt 1989, 120). Diese Grundsätze sind vom Beschwerdegericht beanstandungsfrei angewandt worden; gegen seine Feststellung, es seien keine Anhaltspunkte für eine den Interessenwiderstreit etwa entschärfende oder gar ausschließende Beschränkung bei der Erteilung des Erstmandats vorgetragen oder sonst ersichtlich, ist nichts zu erinnern. Zur weiteren Begründung verweist der erkennende Senat, auch um bloße Wiederholungen zu vermeiden, auf die überzeugenden Ausführungen in der angefochtenenEntscheidung.
8
2. Weiterer abstrakt-genereller höchstrichterlicher Klärungsbedarf ist nicht auszumachen und wird auch von den Rechtsbeschwerden nicht dargelegt. Insoweit ist lediglich Folgendes ergänzend anzumerken:
9
a) Der Annahme, bei den beiden Mandaten handele es sich um dieselbe Rechtssache i.S. von § 3 Abs. 1 BORA, steht nicht entgegen - wie die Rechtsbeschwerdeführer an dieser Stelle meinen -, dass es an der erforderlichen Sachverhaltsidentität fehlt. Insoweit reicht es, wenn sich die übernommenen Mandate zumindest teilweise sachlich-rechtlich decken (BGH, Urteil vom 23. April 2012 aaO Rn. 8 m.w.N.). Daran bestehen allein schon wegen der Klammerwirkung des vom Erbfall bestimmten Nachlassbestandes keine Zweifel, aus dem sich die gegenläu- figen Beratungspflichten gegenüber Pflichtteilsberechtigtem und in Anspruch genommenem Nachlassschuldner ergeben. Insoweit sind insbesondere mit Blick auf Gegenstände und Wert des Nachlasses die gleichen tatsächlichen Umstände von Bedeutung für die von den Auftraggebern bezogenen unterschiedlichen Rechtspositionen (vgl. BayObLG aaO unter 1 m.w.N.).
10
b) Dabei hat das Berufungsgericht entgegen den Rechtsbeschwerden auch nicht die Interessenlage anhand des konkreten Auftrags vernachlässigt. Diese Rüge betrifft zunächst schon nicht die Tatbestandsvoraussetzung für das in Rede stehende Vertretungsverbot, "dieselbe Rechtssache", sondern den Interessenwiderspruch und ob dieser im konkreten Falle festzustellen ist. Abgesehen davon hat sich das Beschwerdegericht - wie vor allem die Beschlussgründe S. 9 und S. 11 belegen - ausdrücklich mit den Interessen befasst, die mit der Mandatserteilung verfolgt werden. Das wird auch von den Rechtsbeschwerden nachfolgend anerkannt, wenn sie hervorheben, das Beschwerdegericht halte zutreffend fest, "dass die Mandatspflichten eines Anwalts wesentlich durch den ihm erteilten Auftrag bestimmt werden".
11
c) Bei der Festlegung des konkreten Interessenwiderstreits halten die Rechtsbeschwerdeführer zu Unrecht dem Beschwerdegericht vor, rechtsfehlerhaft die Frage offengelassen zu haben, inwieweit ein solcher Interessenkonflikt im Streitfall allein "mit einer grundsätzlich fehlenden Dispositionsbefugnis der Parteien über das Verbot der Doppelvertretung zu begründen" sei. Die spätere Einverständniserklärung der Beklagten und ihrer Kinder schließt diesen konkreten Interessengegensatz bei der Vertretung durch denselben Prozessbevollmächtigten offensichtlich nicht aus. Zu Recht hat das Beschwerdegericht dieser Erklärung eine konflikt- lösende Wirkung bei Mandatserteilung nicht entnommen. Auch das Verständnis der Rechtsbeschwerden, dass "die weitere Verfolgung (weiterer ) Pflichtteilsansprüche vom Bestand der behaupteten Nachlassforderung abhängig gemacht wird und dieser im vorliegenden Rechtsstreit geklärt werden soll", lässt den Konflikt konkret bestehen.
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Der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 ist gehalten, die Durchsetzung der Nachlassforderung, zu der die Klägerin verpflichtet ist (§ 2313 Abs. 2 BGB, vgl. MünchKomm-BGB/Lange, 5. Aufl. § 2313 Rn. 14), zu verhindern , was den Interessen der Pflichtteilsberechtigten nach wie vor zuwiderläuft , auch wenn sie letztlich bereit sind, den Ausgang des Rechtsstreits hinzunehmen. Die Gesamtumstände führen insoweit gerade nicht über eine etwaige Mandatsbeschränkung zu einem nur noch latent vorhandenen Interessenkonflikt (anders insoweit die Sachlage in BGH, Urteil vom 23. April 2012 aaO Rn. 14 und 15).
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d) Damit ist schließlich zugleich den Bedenken der Rechtsbeschwerden gegen die rückwirkende Aufhebung der Beiordnung die Grundlage entzogen (vgl. insoweit KG FamRZ 2008, 510 f. = juris Rn. 20 ff.; OLG Celle FamRZ 1983, 1045). Der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 hätte diesen Konflikt von Anfang an unschwer erkennen können, zumal er in dem Parallelverfahren von der Klägerin (dortige Beklagte) frühzeitig darauf hingewiesen worden ist. Das rechtfertigt - wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat - angesichts der gleichwohl vorgenommenen anwaltlichen Beratung der Beklagten und ihrer Kinder den - auch rückwirkenden - Entzug der Beiordnung ohne Rücksicht auf den Willen der Beteiligten (vgl. Musielak/Fischer, ZPO 9. Aufl. § 121 Rn. 27). Dem etwa entgegenstehende Vertrauensschutzgesichtspunkte sind nicht dargetan oder sonst ersichtlich.
Mayen Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 26.03.2012- 6 O 504/11 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 08.08.2012- I-11 W 47/12 -

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.