Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 12. Jan. 2015 - Au 7 E 14.1792

bei uns veröffentlicht am12.01.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I.

Die Nummer 4 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 25. November 2014 wird aufgehoben. Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.

II.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin zu zwei Drittel, die Antragsgegnerin zu einem Drittel.

III.

Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

IV.

Soweit die Antragstellerin obsiegt hat, wird ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt ... bewilligt. Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Gründe

I.

Der Betreuer der Antragstellerin teilte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 11. Juni 2014 mit, dass die Antragstellerin ihre Wohnung (...) bis 31. August 2014 räumen müsse und ihr ab diesem Zeitpunkt Obdachlosigkeit drohe.

Nachdem der Antragstellerin zum 4. Dezember 2014 die Zwangsräumung ihrer bisherigen Wohnung angekündigt worden war, wurde ihr mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. November 2014 ab dem 1. Dezember 2014 die städtische Obdachlosenunterkunft (...) befristet zur Verfügung gestellt (Nummer 1 des Bescheidtenors). Die Zuweisung wurde bis zum 28. Februar 2015 befristet (Nummer 2 des Bescheidtenors). Die Unterbringung erfolgte unter dem Vorbehalt, dass jederzeit eine andere Unterkunft zugewiesen werden könne, wenn dies aus Gründen der Obdachlosenfürsorge erforderlich sei oder ihr Verhalten dazu Anlass gebe (Nummer 3 des Bescheidtenors). Die Nummern 1 bis 3 des Bescheids wurden für sofort vollziehbar erklärt (Nummer 4 des Bescheidtenors). Die Benutzungsgebühren wurden auf 95 EUR monatlich festgesetzt (Nummer 5 des Bescheidtenors).

In den Gründen des Zuweisungsbescheids wird unter anderem ausgeführt, dass eine Dauerbenutzung der Obdachlosenunterkunft nicht möglich sei, dass durch diesen Bescheid kein Mietverhältnis begründet werde, die Anordnungen des Hausmeisters oder der städtischen Bediensteten zu befolgen seien, das Rauchen in der Unterkunft strengstens untersagt sei etc. Außerdem wird in den Gründen des Bescheids ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Halten von Haustieren aus hygienischen und seuchenpolizeirechtlichen Gründen nicht gestattet sei.

Der Bescheid vom 25. November 2014 und die Schlüssel für die Obdachlosenunterkunft wurden dem Betreuer der Antragstellerin am 27. November 2014 persönlich ausgehändigt.

Am 1. Dezember 2014 erhob der Betreuer und Bevollmächtigte der Antragstellerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg mit den Anträgen, den Zuweisungsbescheid der Antragsgegnerin vom 25. November 2014 insoweit teilweise aufzuheben, soweit er der Antragstellerin die Haltung eines Dackels in der Unterkunft untersage, hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verurteilen, der Antragstellerin im Rahmen der Zuweisung die Haltung eines Dackels in der Unterkunft zu erlauben (Antrag 1). Weiter wurde beantragt, festzustellen, dass die Antragstellerin das Recht habe, den ihr zugewiesenen Raum alleine zu bewohnen, und die Zuweisung weiterer Personen in dieselbe Räumlichkeit unzulässig sei (Antrag 2). Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Betreuers und Bevollmächtigten gestellt.

Zur Begründung der Klage wurde u. a. ausgeführt, dass die Verhältnismäßigkeit des Verbots der Hundehaltung bei der Aushändigung des Bescheids mündlich diskutiert worden sei. Die Antragsgegnerin habe ein Einlenken strikt abgelehnt und auf die Gefahr der Schaffung eines Bezugsfalls verwiesen. Die Antragstellerin werde gemäß § 61 ff. SGB XII die Bewilligung einer häuslichen Hilfe erhalten, so dass seuchenpolizeirechtliche und hygienische Gründe nicht geltend gemacht werden könnten. Der Dackel sei für die Antragstellerin „Hauptlebensinhalt“. Sobald die Entziehung des Hundes im Raum stehe, zeige die Antragstellerin eindeutige Symptome von psychischer Dekompensation.

Die Klage, über die noch nicht entschieden wurde, wird unter dem Aktenzeichen Au 7 K 14.1721 geführt.

Am 16. Dezember 2014 stellte der Betreuer und Bevollmächtigte der Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg im Rahmen eines Eilverfahrens folgende Anträge:

1. Es wird festgestellt, dass die am 1. Dezember 2014 erhobene Klage mit dem Aktenzeichen Au 7 K 14.1721 gegen den Zuweisungsbescheid der Antragsgegnerin vom 25. November 2014, soweit dieser der Antragstellerin die Haltung eines Dackels in der Unterkunft untersagt, aufschiebende Wirkung entfaltet,

hilfsweise, die aufschiebende Wirkung anzuordnen.

2. Weiter hilfsweise: Die Antragsgegnerin wird im Weg der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache auf jegliche Zwangsmaßnahme gegen die Antragstellerin und/oder ihren Dackel mit dem Ziel, die Haltung des Dackels in der Unterkunft zu unterbinden, zu verzichten.

3. Die Antragsgegnerin wird im Weg der einstweiligen Anordnung verpflichtet, es vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu unterlassen, in dem der Antragstellerin zugewiesenen Raum eine weitere Person unterzubringen.

Gleichzeitig wurde auch für das Eilverfahren ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Betreuers und Bevollmächtigten der Antragstellerin gestellt.

Zur Begründung der Eilanträge wurde ergänzend zur Klagebegründung u. a. ausgeführt, beim Einzug der Antragstellerin am 1. Dezember 2014 hätten sich in dem zugewiesenen Raum zwei Bettgestelle befunden. Der Hausmeister der Unterkunft habe sowohl das Hundeverbot als auch die Doppelbelegung des Zimmers mündlich bekräftigt. Der Betreuer der Antragstellerin habe daraufhin der Antragsgegnerin per Fax angekündigt, dass er beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag stellen werde, falls die Antragsgegnerin nicht bis zum 2. Dezember 2014, 12:00Uhr, schriftlich zusichere, dass die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage anerkannt werde und vorläufig jegliche Zwangsmaßnahme zur Durchsetzung des Hundehaltungsverbots unterbleibe sowie keine weitere Person in dem zugewiesenen Raum untergebracht werde. Die Antragsgegnerin habe daraufhin per Fax vom 2. Dezember 2014 u. a. mitgeteilt, dass es zulässig sei, die Hundehaltung in einer Obdachlosenunterkunft zu untersagen und es nicht Aufgabe der Obdachlosenbehörde sei, Problemlagen (z. B. gesundheitlicher Art), die über die bloße Unterkunftsbeschaffung hinausgehen, zu bewältigen. Die Antragstellerin sei aufgrund mangelnder Alternativen vorläufig befristet in die städtische Gemeinschaftsunterkunft eingewiesen worden. Unabhängig davon werde versucht, für sie eine andere Wohnmöglichkeit zu finden. Aufgrund dieses Schreibens der Antragsgegnerin sei die Gefahr einer Missachtung der aufschiebenden Wirkung bzw. der Schaffung vollendeter Tatsachen während des laufenden Verfahrens in der Hauptsache nicht ausgeräumt.

Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 18. Dezember 2014,

die Anträge auf Prozesskostenhilfe im Eilverfahren und im Klageverfahren abzulehnen.

Die im Zuweisungsbescheid ausgesprochene Untersagung der Hundehaltung durch die Antragstellerin in der Obdachlosenunterkunft sei entsprechend der Ermächtigung gemäß Art. 7 Abs. 2 LStVG ergangen. Zur Beseitigung der infolge Obdachlosigkeit drohenden Gefahren sei auch die Unterbringung in einem Mehrbettzimmer zulässig. Die Klage und das Eilverfahren hätten damit keinerlei Erfolgsaussichten. Es bestehe keinerlei Eilbedürftigkeit, weil die Antragstellerin sich über das Hundehaltungsverbot hinweggesetzt habe und mit dem Hund in der Obdachlosenunterkunft lebe.

In Bezug auf den weiteren Sach- und Streitstand und den Vortrag der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.

II.

Die Eilanträge haben nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Der Hauptantrag 1 - festzustellen, dass die Klage gegen den Zuweisungsbescheid vom 25. November 2014, soweit dieser der Antragstellerin die Haltung eines Dackels in der Unterkunft untersagt, aufschiebende Wirkung entfaltet - ist bereits unzulässig.

Dies folgt daraus, dass dieser Antrag, jedenfalls in seiner ausdrücklich gestellten Fassung und Begründung, nicht statthaft ist. Die in Nummer 1 des Bescheids vom 25. November 2014 verfügte Zuweisung der Obdachlosenunterkunft wurde von der Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt (vgl. Nummer 4 des Bescheids). In den Gründen des Bescheids werden die Rechte und Pflichten, die sich aus der Zuweisung einer Obdachlosenunterkunft ergeben, u. a. das Verbot der Haltung von Haustieren, erläutert. Das Verbot, in der Obdachlosenunterkunft einen Hund zu halten, ist damit Bestandteil der Einweisungsverfügung vom 25. November 2014 geworden und wird von der behördlichen Vollziehbarkeitsanordnung umfasst. Demnach ist vorliegend ausschließlich ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen das im Bescheid enthaltene Hundehaltungsverbot zulässig.

Soweit der Bevollmächtigte der Antragstellerin zur Zulässigkeit des Hauptantrags 1 ausführt, ein solcher Feststellungsantrag sei in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, wenn die kraft Gesetzes eintretende aufschiebende Wirkung von der Behörde nicht anerkannt werde, geht dieser Vortrag ins Leere. Zum einen hat die Antragsgegnerin die ihr in § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO eingeräumte Möglichkeit, die sofortige Vollziehbarkeit eines von ihr erlassenen Verwaltungsaktes anzuordnen, in Anspruch genommen (vgl. Nummer 4 des streitgegenständlichen Bescheids), so dass mit der Klageerhebung kein Suspensiveffekt nach § 80 Abs. 1 VwGO eintrat. Zum anderen hat sich die Antragsgegnerin in ihrem Faxschreiben vom 2. Dezember 2014 (Bl. 25 der Behördenakte) überhaupt nicht zum Suspensiveffekt der Klage geäußert, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass das Hundehaltungsverbot ihrer Ansicht nach rechtmäßig sei und sie versuchen werde, für die Antragstellerin eine andere Wohnmöglichkeit zu finden.

Da der vorliegende Hauptantrag 1 durch einen Rechtsanwalt eindeutig als Feststellungsantrag gestellt wurde, kommt eine Auslegung oder Umdeutung nicht in Frage, zumal ein zulässiger Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auch ausdrücklich mit dem Hilfsantrag 1 gestellt wurde.

2. Der Hilfsantrag 1 wird gemäß § 88 VwGO in verständiger Würdigung dahingehend ausgelegt, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage, mit der die Aufhebung des Zuweisungsbescheids insoweit beantragt wird, als der Antragstellerin die Haltung eines Hundes in der Unterkunft untersagt wird (s Hauptantrag 1 der Klage vom 1.12.2014), wiederherzustellen.

Der insoweit zulässige Antrag hat Erfolg, da die Vollziehbarkeitsanordnung (Nummer 4 des Bescheids vom 25.11.2014) aus formellen Gründen rechtswidrig ist.

Für die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (vgl. BVerfG, B.v. 25.1.1996 - 2 BvR 2718/95 - juris, Rn. 19). Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO muss dieses bei der schriftlichen Begründung des besonderen Interesses der Behörde an der sofortigen Vollziehung zum Ausdruck kommen. Es bedarf einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Fall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (vgl. BVerwG, B.v. 18.9.2001 - 1 DB 26/01 - juris Rn. 6).

Die in Nummer 4 des Zuweisungsbescheids vom 25. November 2014 enthaltene Vollziehbarkeitsanordnung wurde überhaupt nicht begründet.

Mangels Begründung im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO kann die formell rechtswidrige Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Zuweisung einer Obdachlosenunterkunft damit keinen Bestand haben, ohne dass es darauf ankommt, ob tatsächlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Zuweisungsentscheidung besteht. Bei Vorliegen dieses bloß formellen Rechtsfehlers hat das Gericht allerdings nicht die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederherzustellen, sondern nur die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben (vgl. BayVGH, B.v. 6.11.2014 - 10 CS 14.1796 - juris; zu dieser Entscheidungsform bei formellen Mängeln der Vollziehbarkeitsanordnung vgl. auch Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 93 m. Rspr.nachweisen).

Der Wegfall der Vollziehungsanordnung bewirkt, dass der Anfechtungsklage der Antragstellerin gemäß § 80 Abs. 1 VwGO wieder unmittelbar aufschiebende Wirkung zukommt und ihr Rechtsschutzziel auf diese Weise verwirklicht wird (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2013 - 10 CS 13.1782 - juris, Rn. 19; VG Berlin, B.v. 24.4.2013 - VG 1 L 12.13 - juris; ThürOVG, B.v. 28.7.2011 - 1 EO 1108/10 - juris, Rn. 30 f.).

Da der Hilfsantrag 1 erfolgreich war, entfällt eine Entscheidung über Hilfsantrag 2 (Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, der Antragsgegnerin Zwangsmaßnahmen zu untersagen, die die Haltung des Dackels in der Unterkunft unterbinden).

Ohne dass es für diese Entscheidung darauf ankommt, weist das Gericht zur Klarstellung noch auf Folgendes hin:

Da die Vollziehbarkeitsanordnung wegen eines Formverstoßes - ohne sachliche Prüfung - aufgehoben wurde, steht es der Antragsgegnerin frei, eine neue formell fehlerfreie, ausreichend begründete Vollziehbarkeitsanordnung zu erlassen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 98), falls sie vor einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren den Erlass einer Anordnung zur Durchsetzung des Tierhaltungsverbots erwägen sollte.

Das Verbot, in der der Antragstellerin zugewiesenen Obdachlosenunterkunft einen Hund zu halten, erscheint rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für eine derartige Maßnahme ist entweder eine Benutzungssatzung nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Gemeindeordnung (GO) oder, wenn eine solche Satzung - wie hier - fehlt, die sicherheitsrechtliche Befugnisnorm des Art. 7 Abs. 2 LStVG.

Das Tierhaltungsverbot in der Obdachlosenunterkunft ist hier Bestandteil der Einweisungsverfügung vom 25. November 2014 geworden und ist nach allgemeiner Auffassung rechtlich unbedenklich. Der Zweck möglichst störungsfreier und menschenwürdiger Unterbringung von Obdachlosen in gemeindeeigenen Unterkünften erfordert gewisse Einschränkungen des Entfaltungsrechts der Bewohner. Da die Raumverhältnisse im Regelfall nicht sehr großzügig bemessen und die sozialen Beziehungen in Obdachlosenunterkünften schon durch die besonderen Umstände, die die Obdachlosigkeit mit sich bringt, belastet sind, sind Gebote der Rücksichtnahme unerlässlich. Dies erfordert nicht zuletzt den Verzicht auf eine Tierhaltung, welche für die Mitbewohner zu zusätzlichen Lärm- und Geruchsquellen, zu hygienischen Beeinträchtigungen sowie zu Streitanlässen führen kann. (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2006 - 4 CS 06.1 - juris; B.v. 18.4.1991 - 4 B 91.149 - juris; vgl. zum Verbot der Haustierhaltung auch VG Düsseldorf, U.v. 22.7.2009 - 23 K 1531/08 - juris; OVG Berlin, B.v. 8.2.1089 - 6 S 150.88 - NVwZ 1990, 194/196).

[36] 3. Der Antrag 3, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache keine weitere Person in dem der Antragstellerin zugewiesenen Raum unterzubringen, hat - seine Zulässigkeit unterstellt - in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis insbesondere dann erlassen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Gemessen an diesen Maßstäben ist der vorliegende Antrag abzulehnen, da die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat.

Die Gemeinde kann das öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnis einer Obdachlosenunterkunft als Einrichtungsträger wie als Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG) näher ausgestalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft nicht der „wohnungsmäßigen Versorgung“ dient, sondern der Verschaffung einer vorübergehenden Unterkunft einfacher Art. Mietvertragliche Regeln können deshalb allenfalls eingeschränkt übertragen werden.

Auch unter Berücksichtigung der humanitären Zielsetzung des Grundgesetzes ist es ausreichend, wenn obdachlosen Personen eine Unterkunft zugewiesen wird, die vorübergehend Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet und Raum für die notwendigen Lebensbedürfnisse lässt. Obdachlose Personen müssen, weil ihre Unterbringung nur eine Notlösung sein kann, eine weitgehende Einschränkung ihrer Wohnansprüche hinnehmen, wobei die Grenze zumutbarer Einschränkungen dort liegt, wo die Anforderungen an eine menschenwürdige, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit achtende Unterbringung nicht mehr eingehalten wird (vgl. BayVGH, B.v. 19.2.2010 - 4 C 09.3073 - juris; B.v. 10.10.2008 - 4 CE 08.2647 - juris).

Wie eine menschenwürdige Unterkunft beschaffen sein muss, lässt sich nicht abstrakt rechtlich bestimmen. Dies ist abhängig von dem allgemeinen gesellschaftlichen Lebensniveau und kann sich durch gesellschaftliche Entwicklungen verändern. Letztlich ist im Einzelfall entscheidend, wie die konkrete Wohn-/Unterbringungssituation beschaffen ist. Im Verfahren nach § 123 VwGO ist dabei auch prognostisch zu beurteilen, wie lange es voraussichtlich dauern wird, bis der unterzubringende Obdachlose bei Ausnutzung aller sich bietenden Möglichkeiten und Hilfen eine geeignete Unterkunft finden wird (vgl. OVG MV, B.v. 23.7.2009 - 3 M 92/09 - NJW 2010, 455 ff., juris Rn. 15).

Als Anhaltspunkt für die Frage, ob eine Unterkunft noch als menschenwürdig im Sinne des Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) anzusehen ist, kann die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Obdachlosenunterbringung herangezogen werden. So wird z. B. als Faustregel einer obdachlosen Einzelperson ca. 10 qm als Wohnfläche zugestanden (s. z. B. VG Neustadt (Weinstraße), B.v.3.6.2014 - 5 L 469/14.NW - juris).

Davon ausgehend hat das Gericht keine Zweifel daran, dass die Unterbringung der Antragstellerin nach diesen Maßstäben auch dann noch menschenwürdig ist, wenn eine weitere weibliche Person in dem ihr zugewiesenen Raum im Anwesen ... untergebracht wird. Wie von der Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 18. Dezember 2014 ausgeführt wurde, ist das betreffende Zimmer ca. 18 qm groß und verfügt über eine Kochgelegenheit. Zudem steht ein zusätzlicher Raum als Nasszelle mit WC, Dusche und Waschbecken zur Verfügung. Eine solche Räumlichkeit kann im Rahmen der Obdachlosenunterbringung ohne weiteres von zwei Personen bewohnt werden. Die Grenze zumutbarer Einschränkungen wird bei einer solchen Unterbringung nicht überschritten und es ist nicht ersichtlich, dass das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit bei einer solchen Wohnsituation verletzt werden könnte, zumal die Antragsgegnerin in ihrem Fax-Schreiben vom 2. Dezember 2014 bekundet hat, dass sie versuche, für die Antragstellerin eine andere Wohnmöglichkeit zu finden.

4. Da die Hauptanträge 1 und 3 erfolglos waren und die Antragstellerin nur mit ihrem Hilfsantrag 1 Erfolg hatte, hat sie die Kosten des Verfahren zu zwei Dritteln, die Antragsgegnerin zu einem Drittel zu tragen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

5. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Verbindung mit dem Streitwertkatalog 2013, Nummern 1.1.1, 1.5 und 35.3. Dabei geht die Kammer davon aus, dass vorliegend zwischen dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage (betreffend Hundehaltung in der Obdachlosenunterkunft) einerseits und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (keine Unterbringung einer weiteren Person in der der Antragstellerin zugewiesenen Räumlichkeit) andererseits zu unterscheiden ist und wegen der selbstständigen Bedeutung der beiden Begehren beide Verfahrenswerte zu addieren sind (vgl. auch Nr. 1.1.1 Streitwertkatalog). Da vorliegend nicht die Zuweisung einer Obdachlosenunterkunft, sondern bestimmte Modalitäten der Obdachloseneinweisung in Streit stehen (Hundehaltung und Belegung der Räumlichkeit mit einer weiteren Person), wird für jedes Begehren die Hälfte des Auffangwertes angesetzt, so dass sich für beide Begehren ein Streitwert von insgesamt 5.000 EUR ergibt, der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren ist.

III.

Der Antragstellerin ist im tenorierten Umfang Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihr jetziger Prozessbevollmächtigter beizuordnen, weil die von ihr insoweit eingeleitete, nicht mutwillig erscheinende Rechtsverfolgung aus den oben unter 2. genannten Gründen Erfolg hat und sie als Bezieherin von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann (§ 166 VwGO i. V. m.§§ 114, 115 ZPO). Im Übrigen war der Bewilligungsantrag nach den Ausführungen unter 1. und 3. mangels Erfolgsaussicht abzulehnen.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

I.

Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Juni 2014 wird in den Nrn. I. und II. aufgehoben.

II.

Die Nr. 2. des Bescheids des Landratsamts Dachau vom 21. Februar 2014 wird aufgehoben.

III.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

IV.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat Erfolg.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der in Nr. 1 des Bescheids des Landratsamtes D. vom 21. Februar 2014 verfügten Ausweisung des Antragstellers (Nr. 2. des Bescheids).

Unter Zugrundelegung des Prüfungsrahmens des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO erweist sich die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis als unzutreffend. Ungeachtet der Frage, ob das Verwaltungsgericht zu Recht von der materiellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids ausgegangen ist, ist der Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ohne Weiteres begründet und die formell rechtswidrige Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. 1 des angefochtenen Bescheids vom 21. Februar 2014 in Nr. 2 dieses Bescheids bereits deshalb aufzuheben, weil der Antragsgegner den Sofortvollzug nicht entsprechend den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet hat (zu dieser Entscheidungsform bei formellen Mängeln der Vollziehbarkeitsanordnung vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 93 m. Rspr.nachweisen).

In der Beschwerdebegründung vom 11. September 2014 wird vom Antragsteller zu Recht geltend gemacht, dass für die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich ist, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (vgl. BVerfG, B. v. 25.1.1996 - 2 BvR 2718/95 - juris Rn. 19). Dieses muss bei der schriftlichen Begründung des besonderen Interesses der Behörde an der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zum Ausdruck kommen. Der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Begründungspflicht ist nämlich auch hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Begründung Rechnung zu tragen. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Fall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (vgl. BVerwG, B. v. 18.9.2001 -1 DB 26/01 - juris Rn. 6). Pauschale, formelhafte Formulierungen genügen diesen Anforderungen grundsätzlich nicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 85). Darauf geht die Begründung des Sofortvollzugs mit keinem Wort ein.

Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid werden diesen Vorgaben letztlich nicht gerecht.

In der Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs geht der Antragsgegner davon aus, dass der Antragsteller unmittelbar nach Entlassung aus der Strafhaft erneut Straftaten begehen werde. Das Haftende könne vor dem regulären Ende im Dezember 2015 und damit womöglich vor Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung im Ausweisungsverfahren liegen. Es sei deshalb erforderlich, die Ausweisung des Antragstellers bereits jetzt zu vollziehen.

Diese Ausführungen sind lediglich allgemeiner Natur und wiederholen im Wesentlichen die mit der Ausweisung selbst angenommene grundsätzliche Wiederholungsgefahr, die vom Antragsteller nach Auffassung des Antragsgegners ausgeht. Es fehlt aber eine auf den Einzelfall des Antragstellers bezogene und substantiierte Darlegung der Gründe, warum gerade in seinem Fall die sofortige Vollziehung ausnahmsweise angeordnet werden müsse. Dabei geht der Antragsgegner zudem von falschen Voraussetzungen aus, wenn im angefochtenen Bescheid von einer möglichen Haftentlassung die Rede ist. Denn der Antragsteller befindet sich längst nicht mehr in Strafhaft, sondern seit Januar 2014 in stationär-psychiatrischer Behandlung in einer Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie, in der er nicht nur eine Drogentherapie durchläuft, sondern ausweislich der Aussage seiner Therapeutin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München am 26. Juni 2014 auch seine Persönlichkeitsstörung mit guten Fortschritten behandelt wird. Darauf geht die Begründung des Sofortvollzugs mit keinem Wort ein.

Deshalb fehlt es bereits an dem erforderlichen formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung war demzufolge aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertentscheidung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Tenor

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Beschwerdeverfahrens gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27.05.2009 wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die Verlängerung ihrer Zuweisung in die Notunterkunft der Antragsgegnerin.

2

Die Antragstellerin bewohnte eine Wohnung in dem Gebäude von der Sch.straße 24 in A.. Der Mietvertrag wurde gekündigt. Die Zwangsräumung wurde durchgeführt.

3

Durch Bescheid vom 24.03.2009 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin zunächst bis zum 30.03.2009 in die Unterkunft F.-Straße 50/51 in A. ein. Durch Bescheid vom 30.03.2009 wurde die Einweisung bis zum 07.04.2009 verlängert, durch weiteren Bescheid vom 06.04.2009 bis zum 20.04.2009. Eine erneute Verlängerung wurde durch Bescheid vom 20.04.2009 bis zum 04.05.2009 sowie durch Bescheid vom 06.05.2009 bis zum 14.05.2009 ausgesprochen.

4

Die Antragsgegnerin vermittelte der Antragstellerin mehrfach Wohnungsangebote. Nachdem die  Mietverhältnisse nicht zustande gekommen waren, schrieb die Antragsgegnerin der Antragstellerin unter dem 14.05.2009: Die Antragstellerin habe Hilfeangebote und Versuche, sie mit angemessenem Wohnraum zu versorgen, nicht angenommen. In diesem Schreiben würden drei neuerliche Wohnungsangebote beigefügt. Zudem werde eine neuerliche Zuweisung zur Wohnungslosenunterkunft befristet bis zum 31.05.2009 ausgesprochen. Es werde darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin bei gleichbleibender Sachlage über diesen Termin hinaus keine erneute Einweisung ausstellen werde.

5

Am 26.05.2009 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Schwerin die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Sie beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihr eine erneute Einweisung in die Wohnungslosenunterkunft über den 31.05.2009 hinaus zu gewähren.

6

Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht Schwerin durch Beschluss vom 27.05.2009 ab. Es bestehe kein subjektives Recht auf ordnungsbehördliches Einschreiten. Die Antragstellerin sei angesichts ihrer finanziellen Verhältnisse - sie erziele nach Mitteilung der Antragsgegnerin Einkommen aus einer Tätigkeit bei der B.; gegebenenfalls könne sie ergänzende Leistungen nach dem SGB II und/oder Wohngeld beantragen - sowie unter Berücksichtigung der ihr von Seiten der Antragsgegnerin angebotenen Wohnungen ohne Weiteres selbst in der Lage, die drohende Obdachlosigkeit durch Anmietung einer Unterkunft zu vermeiden.

7

Am 29.05.2009 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Schwerin persönlich gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie stellte gleichzeitig einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe "und anwaltliche Vertretung".

II.

8

Die handschriftlichen Ausführungen der Antragstellerin auf der ihr übermittelten Ausfertigung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 27.05.2009 sind sachgerecht so auszulegen, dass die Antragstellerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Beschwerdeverfahrens gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27.05.2009 begehrt.

9

Die begehrte Prozesskostenhilfe kann nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

10

Die Beseitigung von Obdachlosigkeit ist eine Aufgabe der Gefahrenabwehr zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die Gemeinden als untere Ordnungsbehörden sind  gehalten, geeignete Räumlichkeiten zur Unterbringung von Obdachlosen zu unterhalten. Eine polizeirechtliche Verfügung, durch die eine Person in eine Unterkunft gewiesen wird, ist gemäß

11

§ 13 Sicherheits- und Ordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern - SOG M-V - nur gerechtfertigt, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht. Eine solche Gefahr liegt vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein polizeiliches Schutzgut schädigen wird. Eine unfreiwillige Obdachlosigkeit führt zu einer solchen Gefahr. Sie liegt vor, wenn eine Person nicht über eine Unterkunft verfügt, die Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet, Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lässt und insgesamt den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterkunft entspricht (VGH Mannheim, B. v. 05.03.1996 - 1 S 470/96 - NVwZ-RR 1996, 439). In diesem Sinne liegt bei der Antragstellerin eine unfreiwillige Obdachlosigkeit vor. Sie folgt schon daraus, dass die Antragstellerin nicht unter freien Himmel nächtigen will, sondern ein Obdach von der Antragsgegnerin begehrt. Dabei bemisst sich die Obdachlosigkeit allein nach objektiven Kriterien, sodass es nicht darauf ankommt, worauf sie zurückzuführen ist und insbesondere nicht darauf, ob die Antragstellerin an ihrem Eintritt ein Verschulden trifft (vgl. VGH Mannheim, B. v. 05.03.1996 - a.a.O.).

12

Im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts ist ein unfreiwillig Obdachloser Störer im Sinne von

13

§ 69 SOG. Danach ist diejenige Person verantwortlich, die die Störung oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verursacht.

14

Nach allgemein polizeirechtlichen Grundsätzen ist grundsätzlich der Störer zunächst verpflichtet, die eingetretene Störung zu beseitigen. Dies bedeutet im Falle einer unfreiwilligen Obdachlosigkeit, dass zunächst den Betroffenen die Verpflichtung trifft, seine Obdachlosigkeit zu beseitigen. Er ist daher zunächst selbst verpflichtet, sich intensiv um Unterkunftsmöglichkeiten zu bemühen und erst dann, wenn diese Bemühungen ohne Erfolg bleiben, hat die zuständige untere Ordnungsbehörde einzutreten (vgl. VG Osnabrück, B. v. 07.03.2003 - 2 B 17/03 - zitiert nach juris). Nur solange er die Störung nicht selbst aus eigenen Kräften oder mit Unterstützung staatlicher Stellen beheben kann, sind die Gefahrenabwehr- oder die Ordnungsbehörden zum Einschreiten verpflichtet. Wer zur Vermeidung der Obdachlosigkeit in eine gemeindliche Notunterkunft eingewiesen ist, hat daher keinen Rechtsanspruch darauf, in dieser Unterkunft zu bleiben. Die Notunterkunft dient lediglich der vorübergehenden Unterbringung, um drohende oder bereits eingetretene Obdachlosigkeit abzuwenden. Die Gemeinde ist lediglich verpflichtet, nach pflichtgemäßen Ermessen zur Behebung unmittelbarer Gefahren für Leib und Leben des Obdachlosen eine den Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Unterkunft genügende vorübergehende Unterbringung zu ermöglichen. Der durch polizeiliches Einschreiten geschaffene Zustand darf aber weder von der Verwaltung noch von dem Betroffenen als Dauerlösung betrachtet werden; die Gewährung und Sicherung einer Unterkunft auf Dauer ist, soweit sich ein Hilfebedürftiger nicht selbst helfen kann und die Hilfe nicht von anderen erhält, grundsätzlich Aufgabe der zuständigen Träger der Leistungen der Grundsicherung, nicht aber der Polizeibehörden (VGH Mannheim, B. v. 29.10.1992 - 1 S 1523/92 - NJW 1993, 1027).

15

Im Verfahren nach § 123 VwGO ist prognostisch zu beurteilen, wie lange es voraussichtlich dauern wird, bis der unterzubringende Obdachlose bei Ausnutzung aller sich bietenden Möglichkeiten und Hilfen eine geeignete Unterkunft finden wird (VGH Kassel, B. v. 24.09.1991 - 11 TG 1481/91 - DVBl 1992, 1319 (Leitsatz), zit nach juris). Ob in diesen Fällen im allgemeinen eine Frist von drei Monaten angemessen und ausreichend ist (so VGH Kassel a.a.O.), kann dahinstehen.

16

An diesen Voraussetzungen gemessen hat die Antragstellerin keine Gesichtspunkte vorgetragen, die geeignet wären, in einem Beschwerdeverfahren den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen.

17

Danach müsste die Antragstellerin glaubhaft machen, dass keine Möglichkeit besteht, anderweitig eine Wohnung zu finden, ohne die Antragsgegnerin in Anspruch nehmen zu müssen, sei es in Form der begehrten Zuweisung in die Wohnungslosenunterkunft, sei es durch ordnungsrechtliche Zuweisung der Wohnung eines Dritten, was ohnehin nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Betracht käme. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin eine Vielzahl Wohnungen vermittelt, die nach den sich in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Unterlagen von der Antragstellerin alsbald hätten bezogen werden können. Dabei ist es Sache der Antragstellerin darzulegen, dass diese Wohnungen, die nicht von vornherein als ungeeignet erscheinen, aus objektiven, rechtlich anzuerkennenden Gründen nicht in Betracht kommen. Die von der Antragstellerin offenbar vertretene Auffassung, die Antragsgegnerin wäre zu ihrer weiteren Unterbringung verpflichtet, würde bedeuten, dass jeder auf Leistung der Grundsicherung angewiesenen Wohnungssuchende von einer Gemeinde solange untergebracht werden müsste, bis er eine ihm genehme Wohnung gefunden hat. Dies ist indes nicht Aufgabe der auf der Grundlage des Sicherheits- und Ordnungsrechts zu erfolgenden Obdachlosenunterbringung. Aus diesen Grundsätzen folgt im Übrigen, dass es letztlich unerheblich ist, ob die Antragstellerin gute Gründe hatte, ihr in der Vergangenheit angebotene Wohnungen abzulehnen. Die Antragsgegnerin war nämlich nicht verpflichtet, für die Antragstellerin die Wohnungssuche zu übernehmen oder sie dabei zu unterstützen (so VG München, B. v. 23.04.2008 - N 22 S 08.1399).

18

Die Antragstellerin macht geltend, die Versagung von Leistungen für Kosten der Unterkunft - KdU - nach dem Sozialgesetzbuch Teil II - SGB II - sei zu Unrecht erfolgt und habe damit auch rechtswidrigerweise zur Kündigung ihrer früheren Wohnung und der Zwangsräumung geführt. Dieser Vortrag vermag einen Anspruch auf Zuweisung eines Platzes in der Wohnungslosenunterkunft nicht zu rechtfertigen. Wie dargelegt, dient eine solche Einweisung der Beseitigung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Ist diese Gefahr objektiv nicht gegeben, kann auch nicht ein streitiges Rechtsverhältnis, das zudem nicht zu der Antragsgegnerin besteht, eine solche Einweisung rechtfertigen.

19

Soweit die Antragstellerin zum Ausdruck bringen will, sie habe einen Anspruch auf Zuweisung ihrer früheren Wohnung von der Sch.straße 24, so liegen die Voraussetzungen hierfür nicht vor. Es wäre zu bedenken, dass eine derartige Maßnahme, bei der der Eigentümer der Wohnung als sogenannter Notstandstörer in Anspruch genommen wird, nur in Betracht käme, wenn keine andere Möglichkeit besteht, die Gefahr zu beseitigen. Gemäß § 71 Abs. 1 SOG M-V kann eine polizeiliche Maßnahme gegen eine andere Person als die Verantwortliche nur getroffen werden, soweit und solange (1.) die Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig in Anspruch genommen werden können oder Maßnahmen gegen sie keinen Erfolg versprechen und (2.) die Störung oder Gefahr nicht durch die Behörde selbst oder durch einen Beauftragten beseitigt werden kann und (3.) die andere Person ohne erhebliche eigene Gefährdung oder Verletzung anderer überwiegender Pflichten in Anspruch genommen werden kann. Diese Voraussetzungen lägen schon deswegen nicht vor, weil die Antragstellerin in der Lage ist, die Störung, die von ihrer Obdachlosigkeit ausgehen würde, selbst zu beseitigen, jedenfalls aber die Behörde selbst, sodass eine Einweisung in eine einem Dritten zu Eigentum stehende Wohnung nicht in Betracht käme.

20

Die Antragstellerin kann schließlich nicht die Prüfung der Gesichtspunkte verlangen, die sie in ihrem Schreiben vom 22.06.2009 begehrt. Die Frage von Besitzrechten an der früheren Wohnung gemäß §§ 861, 862 BGB ist für die Frage der Zuweisung einer Wohnungslosenunterkunft unerheblich. Soweit die Antragstellerin meinen sollte, sie habe ein Besitzrecht an der Wohnung in der Wohnungslosenunterkunft, trifft dies nicht zu. Ein derartiges Besitzrecht könnte an der Wohnung nur bestehen, solange der Besitz rechtmäßig ausgeübt wird, das heißt eine entsprechende Zuweisung besteht. Soweit die Antragstellerin auf eine "Überprüfung nach § 44 und § 45 SGB X" verweist, meint sie wohl die begehrte Rücknahme sozialrechtlicher Bescheide, offenbar im Zusammenhang mit der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Dies ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens; die Frage der Zuweisung der begehrten Wohnung hängt hiervon nach dem oben Dargelegten nicht ab.

21

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 19. Mai 2014 gegen die Umsetzungsverfügung der Antragsgegnerin vom 7. Mai 2014 wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich gegen die Umsetzungsverfügung der Antragsgegnerin, mit der sie in eine andere Obdachlosenunterkunft eingewiesen wurden.

2

Nach Aktenlage sind die Antragsteller polnische Staatsangehörige und erhalten Hilfe zum Lebensunterhalt („Hartz IV“). Sie leben zusammen und haben eine gemeinsame achtjährige Tochter. Aufgrund finanzieller Probleme verloren sie am 3. November 2010 durch zwangsweise Räumung ihre Wohnung.

3

Mit Einweisungsbescheid vom 3. November 2010 wurden sie in eine Obdachlosenunterkunft eingewiesen. Nach Ziffer 2 der Obdachloseneinweisung war die Einweisung befristet bis zum 31. Dezember 2010. Ziffer 3 bestimmte, dass die Einweisung widerrufen werden konnte, „falls Ihre Einweisung in eine andere Unterkunft aus Gründen der Obdachlosenfürsorge erforderlich ist.“

4

Die Wohnsituation in dieser ersten Obdachlosenunterkunft ist wie folgt: Die Antragsteller und ihre Tochter leben in einem Zimmer mit einer Größe von ca. 54 m², zu dem ein separates WC gehört. Diese Räume dürfen sie allein bewohnen. Außerdem nutzen sie eine Duschkabine im gleichen Stockwerk mit 13 weiteren Personen sowie eine Küche im unteren Stockwerk mit 15 weiteren Personen (acht alleinstehende Asylbewerber, zwei Obdachlose, zwei Ehepaare und ein Kind).

5

Auch nachdem die Frist nach Ziffer 2 des Einweisungsbescheids mit Beginn des Jahres 2011 abgelaufen war, lebte die Familie weiterhin mit Einverständnis der Antragsgegnerin in der Obdachlosenunterkunft.

6

Die Antragsteller bemühten sich anfangs über Bekannte und über die Caritas erfolglos um eine neue Wohnung. Nach Auskunft der Antragsgegnerin blieb wegen der Schufa-Einträge der Antragsteller auch ein Versuch der Sozialbehörden erfolglos, ihnen eine Sozialwohnung zu vermitteln.

7

Mit Schreiben vom 18. März 2014 teilte die Antragsgegnerin den Antragstellern mit, dass sie in eine andere Wohnung eingewiesen werden sollten, und gab ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme.

8

Mit Umsetzungsverfügung vom 7. Mai 2014, den Antragstellern jeweils zugestellt am 8. Mai 2014, wies die Antragsgegnerin die Antragsteller und ihre Tochter in eine andere, kleinere Obdachlosenunterkunft im selben Gebäudekomplex ein und wies sie an, die bisherige Wohnung bis 16. Mai 2014 zu räumen. Zudem war die sofortige Vollziehung angeordnet sowie das Zwangsmittel der Ersatzvornahme angedroht. Die Antragsgegnerin begründete die Umsetzungsverfügung damit, dass die Flüchtlingszahlen stetig stiegen und ihr immer mehr Asylbewerber zugewiesen würden. Daher sei sie gezwungen, den Wohnraum effektiv zu nutzen. Da die kleinere Wohneinheit kurzfristig freigeworden sei, müssten die Antragsteller und ihre Tochter dort untergebracht werden. Die neue Wohnung sei insoweit vorteilhafter, als weniger andere Personen die Küche und die Duschkabinen nutzten. Außerdem seien in der neuen Wohngruppe mehr Familien mit Kindern untergebracht und weniger Einzelpersonen verschiedenster Herkunft. Der sofortige Vollzug sei notwendig, da neue Zuweisungen obdachloser Asylbewerber unmittelbar bevorstünden.

9

In der vorgesehenen neuen Wohneinheit wird den Antragstellern und ihrer Tochter ein Zimmer in einer Größe von ca. 25 m² sowie ein WC zur Verfügung stehen. Direkt daneben können sie eine Küche mit Kochgelegenheiten in der Größe von 7,5 m² nutzen, und zwar zusammen mit einer Familie, deren Wohnraum auf der anderen Seite der Küche untergebracht ist. Ein Stockwerk tiefer sind den Antragstellern und ihrer Tochter zwei Gemeinschaftsduschen zugänglich. Die zwei Duschkabinen werden von 13 Personen in den Wohneinheiten genutzt. In der Wohngruppe sind außer den Antragstellern und ihrer Tochter noch zwei Familien mit zwei bzw. drei Kindern und eine Einzelperson untergebracht.

10

Die Antragsteller legten am 19. Mai 2014 Widerspruch ein.

11

Am selben Tag haben sie bei Gericht beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs wiederherzustellen. Sie begründen ihren Antrag damit, dass das Umsetzen in die neue Obdachlosenunterkunft menschenunwürdig sei, da ihre Intimsphäre nicht mehr gewahrt sei. Die abstrakte Gefahr durch steigende Flüchtlingszahlen sei kein rechtmäßiger Grund dafür, sie umzusetzen.

II.

12

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist zulässig. Er ist nach § 88 VwGO analog so auszulegen, dass mit dem Antrag auch die Rechtmäßigkeit der Umsetzung in Bezug auf die Tochter zu überprüfen ist, die in Familiengemeinschaft mit den Antragstellern lebt, welche durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt ist.

13

Der Antrag ist auch begründet. Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wiederherstellen, wenn das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Das ist dann der Fall, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes kann kein vorrangiges öffentliches Interesse bestehen. Umgekehrt ist der Rechtsschutzantrag abzulehnen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig und seine Vollziehung eilbedürftig ist. Das Gericht prüft die Sach- und Rechtslage summarisch. Danach überwiegt das Interesse der Antragsteller an einem Aufschub der Maßnahme.

14

Zwar ist die Umsetzungsverfügung formell rechtmäßig. Die Antragsteller wurden mit Schreiben vom 18. März 2014 gemäß § 28 VwVfG angehört. Die Antragsgegnerin begründete das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Umsetzungsverfügung i. S. d. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in ausreichender Weise. Die Umsetzungsverfügung mit der Zwangsmittelandrohung wurde den Antragstellern ordnungsgemäß zugestellt gemäß § 66 Abs. 6 Satz 2 LVwVG.

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Das Gericht hat jedoch erhebliche Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der Umsetzungsverfügung.

16

Diese betreffen zwar nicht schon das Beenden der bisherigen Einweisung. Insoweit enthält die Umsetzungsverfügung konkludent den Widerruf der einverständlichen Verlängerung der Einweisungsverfügung. Nach summarischer Prüfung liegt nahe, dass auch die Verlängerung unter dem ursprünglichen Widerrufsvorbehalt stehen sollte, der die Antragsgegnerin gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwVfG berechtigte, auch die Einweisungsverfügung aus Gründen der Obdachlosenfürsorge zu widerrufen. Die Verlängerung der Einweisungsverfügung mit dem ursprünglichen Widerrufsvorbehalt bedurfte gemäß § 37 Abs. 2 Satz 3 VwVfG nicht der Schriftform.

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Es liegen auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinweisung der Antragsteller in eine andere Obdachlosenunterkunft auf der Grundlage von § 9 POG. Danach kann die allgemeine Ordnungsbehörde notwendige Maßnahmen treffen, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Die unfreiwillige Obdachlosigkeit der Antragsteller und ihrer Tochter stellt eine solche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar.

18

Die Gemeinde ist zudem in Ausübung ihres Nutzungsrechts an ihren Liegenschaften befugt, obdachlose Personen unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens von einer zugewiesenen in eine andere Unterkunft umzusetzen, wenn dafür sachliche Gründe bestehen (HessVGH, Urteil vom 7. März 2011 – 8 B 217/11 –; VGH BW, Beschluss vom 29. Oktober 1992 – 1 S 1523/92 –, ). Entgegen der Ansicht der Antragsteller stellt es einen sachlichen Grund dar, wenn die Antragsgegnerin bald Asylbewerber unterbringen muss. Die Notwendigkeit der Unterbringung anderer Obdachloser ist in der Rechtsprechung als sachlicher Grund anerkannt (HessVGH, Urteil vom 7. März 2011 – 8 B 217/11 –; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. Februar 1992 – 4 M 15/92). Auch die Zuweisung obdachloser Asylbewerber ist ein sachlicher Grund für die Umsetzung. Denn nach § 3 Abs. 1 AsylbLG ist der notwendige Bedarf der Asylbewerber an Unterkunft zu decken. Dazu ist Deutschland auch als Mitgliedsstaat der Europäischen Union verpflichtet nach Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 2003/9 (sog. Asylaufnahmerichtlinie). Danach tragen die Mitgliedsstaaten Sorge, dass Asylbewerbern ab Antragstellung materielle Aufnahmebedingungen gewährt werden. Materielle Aufnahmebedingungen sind gemäß Art. 1 Nr. 5 Buchst. j Richtlinie 2003/9 u. a. die Unterkunft. Nach Art. 14 Abs. 3 Richtlinie 2003/9 müssen minderjährige Kinder zusammen mit ihren Eltern untergebracht werden. Somit ist die Antragsgegnerin verpflichtet, schnell auf Zuweisungen von Asylbewerberfamilien zu reagieren und auch größere oder mehrere nebeneinander liegende Zimmer vorzuhalten, in denen sie mehrköpfige Familien unterbringen kann.

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Das Ermessen der Antragsgegnerin ist jedoch insoweit begrenzt, als sie den Antragstellern nur eine Unterkunft zuweisen darf, die menschenwürdig ist im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG. Wie eine menschenwürdige Unterkunft beschaffen sein muss, lässt sich nicht abstrakt rechtlich bestimmen. Dies ist abhängig von dem allgemeinen gesellschaftlichen Lebensniveau und kann sich durch gesellschaftliche Entwicklungen verändern, wie etwa dem Zustrom vieler asylsuchender Obdachloser (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 13. März 1980 – 6 S 7.80 –). Die Kammer setzt derzeit die Faustformel an, dass jeder obdachlosen Einzelperson 10 m² als eigene Wohnfläche zustehen sollten (Beschluss vom 24. März 2003 – 7 L 427/03.NW – und Beschluss vom 30. Juni 2004 – 7 L1564/04.NW –, anders dagegen BayVGH, Urteil vom 14. August 1990 – 21 B 90.0035 – unter Hinweis auf Art. 6 des damals geltenden Wohnungsaufsichtsgesetzes). Wohnen Familien zusammen, so ist auch zu berücksichtigen, ob sich die Familienangehörigen in mehrere Zimmer aufteilen oder in geschützte Teilbereiche zurückziehen können (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 3. Juni 1994 – 3 W 14/94 –; VG Würzburg, Beschluss vom 3. April 2013 – W 5 E 13.248). Anhaltspunkte können auch die Maßstäbe in anderen Lebensbereichen bieten: Während die Zivilgerichte in Haft-sachen von einem Mindestmaß von 6 bis 7 m² pro Person ausgehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 409/09 –), wird der angemessene Wohnraum für drei Personen gemäß § 35 Abs. 2 SGB XII derzeit je nach Bundesland mit 75 bis 80 m² oder drei Zimmern angesetzt (vgl. BeckOK SGB XII § 35 Rn. 14).

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Letztlich ist im Einzelfall entscheidend, wie die konkrete Wohnsituation beschaffen ist, welche Bedürfnisse die Familienangehörigen haben und von welcher Unterbringungsdauer die Behörden ausgehen dürfen.

21

Im Obdachlosenrecht ist zudem auch die Frage zu berücksichtigen, ob die Unterkunft tatsächlich vorübergehend sein wird. Grundsätzlich soll eine Obdachlosenunterkunft nur als Notunterkunft dienen. Der Zustand darf weder von der Verwaltung noch von den Betroffenen als Dauerlösung angesehen werden (HessVGH, Urteil vom 7. März 2011 – 8 B 217/11 –). Die obdachlosen Personen sind als Störer gemäß § 4 POG selbst verpflichtet, die Störung zu beseitigen. Es bleibt ihrer Eigeninitiative überlassen, sich um eine dauerhafte und bessere Wohnung zu bemühen (BayVGH, Urteil vom 14. August 1990 – 21 B 90.00335 –). Aufgabe der zuständigen Träger der Sozialhilfe ist es, die Betroffenen dabei zu unterstützen (vgl. §§ 19 I, 27, 28 I, 35 Abs. 1 und 2 sowie im Falle der Antragsteller § 23 SGB XII). Menschenwürdige Verhältnisse dürfen allerdings auch dann nicht unterschritten werden, wenn die Ordnungsbehörden von einer kurzen Aufenthaltsdauer ausgehen dürfen (bezüglich Asylbewerber BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 1 10/10 und 1 BvL 2/11).

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Das Gericht hat erhebliche Zweifel, ob die neu zugewiesene Obdachlosenunterkunft für die Antragsteller und ihre Tochter nach diesen Maßstäben menschenwürdig ist. Die Größe der Unterkunft von 25 m² für ein Paar mit achtjähriger Tochter liegt bereits im Grenzbereich dessen, was die Kammer als Faustformel bislang zugelassen hat. Zudem bietet dieser eine rechteckige Raum keine Möglichkeiten für einzelne Familienmitglieder, sich in einen abgetrennten Bereich zurückzuziehen. Dadurch kann die Intimsphäre des Einzelnen kaum gewahrt werden. Auch wenn die Antragsgegnerin anführt, die Gemeinschaftsküche und die Gemeinschaftsduschen würden von weniger Personen genutzt, ändert dies nichts daran, dass der Wohnbereich der Familie keine Rückzugsmöglichkeiten bietet. Während diese Einschränkungen den Betroffenen bei einer Notlösung für kurze Zeit noch zuzumuten sind, ist dieser Zustand für eine längere Zeit nicht hinnehmbar. Nach Aktenlage spricht einiges dagegen, dass die Unterkunft tatsächlich eine vorübergehende Notunterkunft sein wird. Die Antragsteller und ihre Tochter leben bereits seit 4 Jahren in der Obdachlosenunterkunft. Bislang ist es ihnen nicht gelungen, aus eigener Kraft oder mit Hilfe der Sozialbehörden eine Wohnung zu finden. Es erscheint nahe liegend, dass selbst die Antragsgegnerin nicht davon ausgehen kann, die Antragsteller und ihre Tochter könnten in absehbarer Zeit eine Wohnung bekommen. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass ihre finanziellen Probleme bei der Schufa für jeden möglichen Vermieter erkennbar sind. Vor diesem Hintergrund ist aber die Unterbringung der Antragsteller und insbesondere ihrer Tochter, die am wenigsten diesen Zustand beeinflussen kann, in der von der Antragsgegnerin vorgesehenen Weise aus Gründen der Menschenwürde nicht zumutbar.

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Das bedeutet nicht, dass die Antragsgegnerin die Antragsteller auf Dauer in der bisherigen Unterkunft belassen muss; sie müsste aber eine Alternative finden, die es der Familie jedenfalls in ähnlicher Weise wie bisher (Raumteiler) ermöglicht, ihre Intimsphäre zu wahren, u.U. auch durch die Zuweisung zweier kleiner Zimmer.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 2 und 63 Abs. 2 GKG, wobei gemäß Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (LKRZ 2014, 169) im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Hälfte des Regelstreitwerts anzusetzen ist.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:

1.
a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;
b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
2.
a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen;
4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch;
5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
Maßgeblich sind die Beträge, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten. Soweit am Wohnsitz der Partei aufgrund einer Neufestsetzung oder Fortschreibung nach § 29 Absatz 2 bis 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch höhere Regelsätze gelten, sind diese heranzuziehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gibt bei jeder Neufestsetzung oder jeder Fortschreibung die maßgebenden Beträge nach Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 und nach Satz 5 im Bundesgesetzblatt bekannt. Diese Beträge sind, soweit sie nicht volle Euro ergeben, bis zu 0,49 Euro abzurunden und von 0,50 Euro an aufzurunden. Die Unterhaltsfreibeträge nach Satz 3 Nr. 2 vermindern sich um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person. Wird eine Geldrente gezahlt, so ist sie an Stelle des Freibetrages abzusetzen, soweit dies angemessen ist.

(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.

(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.