Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 08. Dez. 2014 - Au 5 S 14.1606

bei uns veröffentlicht am08.12.2014

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 3. November 2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. Oktober 2014, Az. ..., wird in Bezug auf dessen Nrn. 1 und 2 wiederhergestellt und in Bezug auf dessen Nr. 3 angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin hat mit Bescheid vom 18. Juli 2012, Az. ..., eine Genehmigung zur Nutzungsänderung der Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Anwesens auf dem Grundstück Fl. Nr. ... der Gemarkung ... zu einer Wettannahmestelle mit einer Nettonutzfläche von 49,16 qm erteilt. Nach der im Genehmigungsverfahren vorgelegten Betriebsbeschreibung hat das Wettbüro werktags und samstags von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr geöffnet, an Sonn- und Feiertagen bleibt das Wettbüro geschlossen. Die Ausstattung des Wettbüros umfasst nach der Betriebsbeschreibung eine Theke für die Annahme der Wettscheine sowie Stehborde zum Ausfüllen der Wettscheine. Nach der Betriebsbeschreibung werden keine „TV-Geräte zur Übertragung von Live-Wetten“ installiert. Es werden nichtalkoholische Getränke mittels Automaten verkauft.

Am 27. Mai 2014 führte die Antragsgegnerin in den Räumlichkeiten eine Baukontrolle durch, bei der überprüft werden sollte, ob es sich bei dem Wettbüro, so wie es betrieben wird, um eine bauplanungsrechtlich zulässige Wettannahmestelle handelt oder dort ein Wettbüro als Vergnügungsstätte im Sinne der Baunutzungsverordnung betrieben wird.

In einem verwaltungsinternen Schreiben vom 6. Juni 2014 stellte die Antragsgegnerin fest, im Rahmen der Abgrenzung zwischen der genehmigten Wettannahmestelle und einer Nutzung als Vergnügungsstätte solle darauf geachtet werden, dass allenfalls nichtalkoholische Getränke angeboten würden, keine TV-Geräte aufgestellt würden und keine Sitzgelegenheiten, insbesondere im Thekenbereich, zur Verfügung stünden.

Nach einem verwaltungsinternen Schreiben der Antragsgegnerin vom 3. Juni 2014 ist der Mitarbeiter der Antragsgegnerin, der die Baukontrolle am 27. Mai 2014 durchgeführt hat, zu dem Schluss gelangt, dass die Betriebsstätte der Antragstellerin so genutzt werde, wie sie mit dem Bescheid vom 18. Juli 2012 genehmigt worden sei.

Am 23. Juni 2014 und 24. Juni 2014 führte ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin erneut eine Baukontrolle in der Wettannahmestelle durch. Ausweislich des hierüber gefertigten Aktenvermerks befanden sich an den Wänden des Wettbüros acht Monitore, von denen sechs in Betrieb waren.

Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 24. Juni 2014 mit, gemäß der zum Bestandteil der Nutzungsänderungsgenehmigung vom 18. Juli 2012 gemachten Betriebsbeschreibung dürften in der Wettannahmestelle keine TV-Geräte zur Übertragung von Live-Wetten installiert werden. Anlässlich einer Baukontrolle sei jedoch festgestellt worden, dass eben solche Monitore installiert worden seien. Die Antragstellerin wurde aufgefordert, diese Monitore bis spätestens 7. Juli 2014 zu entfernen. Für den Fall, dass die Antragstellerin dieser Aufforderung nicht nachkomme, wurde ihr der Erlass eines förmlichen Bescheides angekündigt. Darüber hinaus wurde die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass in der genehmigten Wettannahmestelle keine Sitzgelegenheiten vorhanden sein dürften, nur nichtalkoholische Getränke ausgeschenkt werden dürften und der Betrieb über nahezu keine Aufenthaltsqualität verfügen dürfe.

Anlässlich einer Baukontrolle am 8. Juli 2014 waren die acht Monitore weiter vorhanden, sechs Monitore waren zum Zeitpunkt der Baukontrolle in Betrieb.

Daraufhin forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Bescheid vom 2. September 2014, Az. ..., unter Anordnung des Sofortvollzugs auf, die abweichend von der im Genehmigungsbescheid vom 18. Juli 2012 installierten acht Monitore bis spätestens 1. Oktober 2014 zu entfernen. Die Anordnung der Beseitigung der Monitore wurde in dem Bescheid auf Art. 76 Satz 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) gestützt.

Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin unter dem Aktenzeichen Au 5 K 14.1425 Klage erhoben und darüber hinaus unter dem Aktenzeichen Au 5 S 14.1426 beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

Auf einen rechtlichen Hinweis des Gerichts hin hob die Antragsgegnerin den Bescheid vom 2. September 2014 auf. Die hiergegen erhobene Klage bzw. das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wurden durch gerichtlichen Beschluss eingestellt.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 2014, Az. ..., untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin, die in dem Bescheid vom 18. Juli 2012 als Wettannahmestelle genehmigten Räumlichkeiten als Vergnügungsstätte zu nutzen (Nr. 1 Satz 1 des Bescheides). Zu diesem Zweck seien die installierten acht Monitore bis spätestens 15. November 2014 zu entfernen (Nr. 1 Satz 2 des Bescheides). Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 2 des Bescheides). Für den Fall, dass die Antragstellerin die ihr in Nr. 1 des Bescheides auferlegte Pflicht nicht fristgemäß erfülle, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- Euro angedroht.

Zur Begründung des Bescheides führte die Antragsgegnerin aus, die Nutzungsuntersagung werde auf Art. 76 Satz 2 BayBO gestützt. Die Nutzungsänderung für die Errichtung einer Wettannahmestelle sei seinerzeit nur aufgrund der Ausgestaltung gemäß der eingereichten Betriebsbeschreibung bauaufsichtlich genehmigt worden, da es sich unter dieser Voraussetzung nicht um eine Vergnügungsstätte handle. Es sei elementare Voraussetzung gewesen, dass keine Monitore angebracht werden dürften, um die Besucher der Wettannahmestelle nicht zu einem längeren Verweilen zu animieren. Durch die Installation der Monitore werde vom Betreiber jedoch eine Vergnügungsstätte eingerichtet und betrieben. Die Monitore ließen sich im Vergleich zu baulichen Anlagen und Gebäudeteilen auch relativ leicht entfernen, ohne dass hierfür nennenswerte Kosten anfielen. Mit der Entfernung sei kein bedeutender Substanzverlust verbunden, die Monitore könnten im Falle eines erfolgreichen Rechtsmittels sofort wieder installiert werden.

Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 3. November 2014 bei Gericht unter dem Aktenzeichen Au 5 K 14.1605 Klage erhoben und beantragt, den Bescheid vom 21. Oktober 2014 aufzuheben.

Darüber hinaus hat die Antragstellerin mit dem Schreiben vom 3. November 2014 beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. Oktober 2014 wiederherzustellen.

Zur Begründung des Antrages hat die Antragstellerin in dem Schreiben vom 3. November 2014 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt. Die Tatsache allein, dass in der Wettannahmestelle Monitore installiert worden seien, führe weder dazu, dass eine Nutzungsänderung vorliege, noch dazu, dass sich die Wettannahmestelle zu einer Vergnügungsstätte wandle. Auf den Monitoren würden ausschließlich zu Informationszwecken die möglichen Wetten, Quoten und Spielergebnisse angezeigt. Diese Informationen würden über das Internet bezogen und auf den Bildschirmen dargestellt. Es handle sich folglich lediglich um ein elektronisches Informationsangebot, das etwa mit den Teletextseiten der Fernsehsender vergleichbar sei. Die Wettkunden könnten und sollten hierdurch nicht dazu animiert werden, sich während laufender Sportveranstaltungen in den Räumen der Wettannahmestelle aufzuhalten und die Sportereignisse, auf die sie gewettet hätten, in Live-Übertragungen auf Fernsehmonitoren zu verfolgen, wodurch ein Gemeinschaftserlebnis entstehen würde. Es handle sich bei den Monitoren nicht um TV-Geräte, die dies ermöglichten. Das elektronische Informationsangebot durch die Monitore gebe der Wettannahmestelle keine neue, d. h. andere oder zusätzliche Zweckbestimmung, sondern sei unter den heutigen Bedingungen der elektronischen Informationsverbreitung üblich.

Soweit die Antragsgegnerin davon ausgehe, dass Voraussetzung für die Erteilung der Nutzungsänderungsgenehmigung gewesen sei, dass keine Monitore errichtet werden dürften, trage dies nicht. Der Bescheid vom 18. Juli 2012 enthalte keine Regelung, die es der Antragstellerin untersage, den Wettkunden elektronisch vermittelte Informationen zu den Wettangeboten anzubieten. Soweit die Antragsgegnerin auf die Betriebsbeschreibung vom 14. Mai 2012 zurückgreife, nach der keine TV-Geräte zur Übertragung von Live-Wetten installiert werden dürften, stehe dies der Installierung der Monitore nicht entgegen, da diese nicht dem Fernsehempfang dienten. Darüber hinaus enthalte der Genehmigungsbescheid vom 18. Juli 2012 lediglich den Hinweis, dass der Betrieb einer Vergnügungsstätte mit entsprechender Aufenthaltsqualität, z. B. auch Sitzgelegenheiten, nicht zulässig sei. Diesen Hinweis beachte die Antragstellerin.

Soweit im Bescheid die Beseitigung der Monitore angeordnet werde, könne diese nicht auf Art. 76 Satz 1 BayBO gestützt werden, da es sich bei den Monitoren lediglich um Einrichtungsgegenstände, nicht aber um bauliche Anlagen handle. Darüber hinaus sei die Beseitigungsanordnung auch unverhältnismäßig. Eine Wettannahmestelle könne, ohne dass in ihr über die angebotenen Wetten informiert werde, nicht funktionieren. Eine Entfernung der Monitore führte innerhalb kürzester Zeit zur Schließung der Wettannahmestelle. Die Begründung der Antragsgegnerin für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Beseitigungsanordnung greife daher in wesentlicher Hinsicht zu kurz, wenn nur darauf abgestellt werde, dass die Entfernung der Monitore keine nennenswerten Kosten erzeuge und keinen bedeutenden Substanzverlust darstelle.

Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 12. November 2014 beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung des Antrages hat die Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 12. November 2014 im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin verlasse mit der Anbringung der Monitore die Variationsbreite der als bloße Wettannahmestelle genehmigten baulichen Nutzung. Im Unterschied zu einer mit einer Lotto-Toto-Annahmestelle vergleichbaren Wettannahmestelle komme es den Besuchern dann nicht mehr typischerweise auf die bloße Auswahl und den Erwerb eines Produktes an. Der Reiz des Besuchs bestehe vielmehr dann auch in dem Aufenthalt, gegebenenfalls im geselligen Beisammensein, um in der Zeit bis zum Eintritt des Wettergebnisses in einer als angenehm empfundenen Weise in den Räumlichkeiten zu verweilen und gemeinsam vor Monitoren oder einem Beamer dem Wettereignis entgegenzufiebern. Die Tatsache, dass im vorliegenden Fall die Monitore lediglich Teletextseiten vergleichbares Informationsmaterial zeigten, nicht aber zu Live-Übertragungen von Sportereignissen genutzt würden, ändere nichts daran, dass es sich dann bei dem Charakter des Betriebes um eine Vergnügungsstätte handle. Wie den im Rahmen der Baukontrollen gefertigten Lichtbildern zu entnehmen sei, zeigten die Monitore eine Vielzahl möglicher Wettspiele mit den dazugehörigen Quoten an. Die Anzeige werde dabei laufend aktualisiert, so dass der Kunde immer den aktuellen Spielstand sämtlicher möglicher Wettereignisse sowie die dazugehörigen und gegebenenfalls veränderten Quoten ablesen und mitverfolgen könne. Diese ständige Aktualisierung biete dem Wettkunden sogar einen höheren kommerziellen Unterhaltungswert, als unter Umständen eine Live-Übertragung eines einzelnen Sportereignisses bieten könnte. Da das Wettbüro über ein Aufenthaltsangebot in Form von Stehborden sowie ein Getränkeangebot verfüge, wandle sich der Betrieb jedenfalls mit der Anbringung der Monitore zur Vergnügungsstätte. Der Betrieb einer Vergnügungsstätte sei auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Der Betrieb befinde sich im Umgriff des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes Nr. ... „...“ der Antragsgegnerin, in dem ein Mischgebiet unter Ausschluss unter anderem von Vergnügungsstätten festgesetzt werden solle. Zur Sicherung der Planung habe der Stadtrat der Antragsgegnerin eine Veränderungssperre beschlossen. Der Planfeststellungsbeschluss und der Beschluss über den Erlass der Veränderungssperre seien im Amtsblatt Nr. 26 der Antragsgegnerin am 29. Juni 2012 öffentlich bekannt gemacht worden.

Die Nutzungsuntersagung könne auf Einrichtungsgegenstände erstreckt werden, auch wenn diese selbst nicht dem Anlagenbegriff des Art. 76 BayBO unterfielen. Es sei anerkannt, dass eine Nutzungsuntersagung dann die Verpflichtung zum Entfernen von solchen Gegenständen beinhalten könne, wenn sich die rechtswidrige Nutzung gerade im Vorhandensein bestimmter Gegenstände manifestiere. In diesem Falle könne mit der Anordnung einer Nutzungsuntersagung die Verpflichtung verbunden werden, solche Gegenstände zu beseitigen. Die Anordnung der Beseitigung der Monitore sei auch nicht unverhältnismäßig. Es könne nicht der Antragsgegnerin angelastet werden, dass die Antragstellerin anstelle der genehmigten Wettannahmestelle aus wirtschaftlichen Gründen eine Vergnügungsstätte betreiben wolle.

Zu diesem Schreiben äußerte sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 24. November 2014 dahingehend, mit der Feststellung in der Betriebsbeschreibung, es würden keine „TV-Geräte zur Übertragung von Live-Wetten“ installiert, solle ersichtlich verhindert werden, dass sich Wettkunden in geselliger Runde vor dem Fernseher versammeln, um sich gemeinsam ein Sportereignis anzuschauen und Wetten auf dessen Ausgang zu platzieren. Die laufende Aktualisierung möglicher Wetten auf den Monitoren könne allein noch nicht dazu führen, dass sich die Wettannahmestelle zu einer Vergnügungsstätte wandle.

Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 26. November 2014 noch ergänzend vorgetragen, soweit in der Betriebsbeschreibung festgestellt werde, dass die Monitore nicht zur Übertragung von Live-Wetten genutzt werden dürften, komme dem lediglich ein beispielhafter Charakter zu. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Betriebsbeschreibung nur einen Verzicht auf die Übertragung von Sportveranstaltungen beinhalte, könne daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass das Anbringen von Monitoren zu anderen Zwecken zulässig sei.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom21. Oktober 2014 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, ist zulässig und begründet.

1. Der Antrag ist zulässig.

Soweit sich die Klage gegen die in Nr. 1 Satz 1 des Bescheides ausgesprochene Untersagung, die verfahrensgegenständliche Betriebsstätte als Vergnügungsstätte zu nutzen bzw. die in Nr. 1 Satz 2 des Bescheides getroffene Anordnung, die installierten acht Monitore bis spätestens 15. November 2014 zu entfernen, richtet, hat die Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung, da die Antragsgegnerin in Nr. 2 des Bescheides die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheides angeordnet hat. Die Androhung eines Zwangsgeldes ist nach Art. 21a Satz 1 Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) ebenfalls kraft Gesetzes sofort vollziehbar.

2. Der Antrag ist in der Sache begründet.

Das Gericht hat bei seiner Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das Interesse des Betroffenen, vom sofortigen Vollzug bis zur Entscheidung in der Hauptsache zunächst verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Hierbei hat das Gericht die Erfolgsaussichten der Klage, soweit sie im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden Prüfung überschaubar sind, zu berücksichtigen. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, hat eine reine Interessenabwägung stattzufinden.

Die in Nr. 1 Satz 1 des Bescheides ausgesprochene Untersagung, die verfahrensgegenständliche Betriebsstätte als Vergnügungsstätte zu nutzen und die Anordnung in Nr. 1 Satz 2 des Bescheides, die installierten acht Monitore bis spätestens 15. November 2014 zu entfernen sowie das in Nr. 3 des Bescheides für den Fall, dass die Antragstellerin der ihr in Nr. 1 des Bescheides auferlegten Pflicht nicht fristgerecht nachkomme, angedrohte Zwangsgeld erweisen sich nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig.

Daher war in Bezug auf die Nr. 1 Satz 1 und Satz 2 des Bescheides die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen und in Bezug auf Nr. 3 des Bescheides anzuordnen.

2.1 Die in Nr. 1 Satz 1 des Bescheides ausgesprochene Untersagung, die Wettannahmestelle als Vergnügungsstätte zu nutzen, ist voraussichtlich rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Anordnung liegen nicht vor.

2.1.1 Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Nutzung untersagen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden.

Eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung setzt voraus, dass durch die Verwirklichung des Vorhabens im Wege einer neuen Zweckbestimmung die einer jeden Art von Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und dass für die geänderte Nutzung andere bauplanungs- oder bauordnungsrechtliche Anforderungen in Betracht kommen können als für die bisherige Nutzung (BayVGH, U. v. 19.5.2011 - 2 G 11.353 - juris). Eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung im Sinne des Art. 55 Abs. 1 BayBO liegt vor, wenn der Anlage wenigstens teilweise eine neue Zweckbestimmung gegeben wird und die Änderung baurechtlich relevant ist (BayVGH, U. v. 18.5.1982 - 1 B - 179/79 - BayVBl 1983, 656). Der bauordnungsrechtliche Begriff der Nutzungsänderung stimmt mit dem bauplanungsrechtlichen Begriff der Nutzungsänderung im Sinne des § 29 BauGB überein (BVerwG, U. v. 11.11.1988 - 4 C 50/87 - NVwZ-RR 1989, 340). Eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB liegt auch bei einem Vorhaben vor, durch dessen Verwirklichung die bisherige Variationsbreite der genehmigten Nutzung verlassen wird und bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, so dass sich die Genehmigungsfähigkeit unter bodenrechtlichen Aspekten neu stellt (BVerwG, U. v. 18.11.2010 - 4 C 10/09 - BVerwGE 138, 166).

Die Installation von acht Monitoren an den Wänden der verfahrensgegenständlichen Betriebsstätte der Antragstellerin und die Art und Weise deren Nutzung, so wie sie von der Antragsgegnerin anlässlich mehrerer Baukontrollen festgestellt und auch durch Lichtbilder dokumentiert worden ist, führt im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nicht dazu, dass die Betriebsstätte unter Berücksichtigung der konkret festgestellten und dokumentierten Nutzung der Monitore als Vergnügungsstätte im Sinne der Baunutzungsverordnung anzusehen ist mit der Folge, dass die Variationsbreite der bisher genehmigten Nutzung als Wettannahmestelle nicht verlassen wird und keine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung von einer genehmigten Wettannahmestelle zu einer Vergnügungsstätte vorliegt.

Ob ein Wettbüro als Vergnügungsstätte einzustufen ist, hängt wesentlich von der konkreten Ausstattung und Ausgestaltung der Betriebsräume ab (BayVGH, B. v. 25.4.2013 - 15 ZB 13.274 - juris Rn. 4; OVG RhPf, B. v. 14.4.2011 - 8 B 10278/11 - NVwZ-RR 2011, 645). Eine bloße Wettannahmestelle liegt jedenfalls in den Fällen nicht mehr vor, in denen das Betriebskonzept nicht lediglich darauf angelegt ist, ähnlich einer bloßen Lotto-Toto-Annahmestelle Wetten entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie Gewinne auszubezahlen. Unter Berücksichtigung der konkreten Ausstattung des Wettbüros kommt der kommerziellen Unterhaltung der Kunden durch die Teilnahme am Wettspiel in geselliger Runde erhebliche Bedeutung zu. Das Vorhandensein von Sitzmöglichkeiten, Sitzgruppen mit Tischen, die Anzahl aufgestellter Monitore und die Möglichkeit, nicht-alkoholische Getränke zu sich zu nehmen, können ein entscheidendes Abgrenzungskriterium sein, wenn sie ersichtlich dem Zweck dienen, die Gäste zu motivieren, im Wettlokal zu verbleiben, gemeinsam die Spannung des Wettspiels zu erleben und gegebenenfalls auch dazu animieren, weiter an den angebotenen Wettspielen teilzunehmen. Dient die Ausstattung des Wettbüros dazu, die Kunden dazu zu bewegen, sich während laufender Sportveranstaltungen in den Räumen des Wettbüros aufzuhalten und die Sportereignisse, auf die sie gewettet haben, in Live-Übertragungen auf angebrachten Fernsehmonitoren zu verfolgen, kommt dem jeweiligen Gemeinschaftserlebnis eine erhebliche Bedeutung zu (vgl. zum Ganzen OVG RhPf, B. v. 14.4.2011 - 8 B 10278/11 - NVwZ-RR 2011, 635; VG Augsburg, U. v. 13.11.2014 - Au 5 K 13.858 - juris Rn. 40; VG Augsburg, U. v. 30.1.2014 - Au 5 K 13.777 - juris Rn. 48; VG Augsburg, U. v. 26.9.2013 - Au 5 K 12.1307 - juris Rn. 45; VG Augsburg, U. v. 18.10.2012 - Au 5 K 12.1131 - juris Rn. 30). Kennzeichen von Vergnügungsstätten ist es nämlich, dass bei diesen in unterschiedlicher Ausprägung die kommerzielle Unterhaltung der Kunden bzw. Besucher im Vordergrund steht. Im Unterschied zu einem Ladengeschäft, in dem Waren oder Dienstleistungen angeboten werden, kommt es den Besuchern eines Wettbüros in der oben dargelegten Ausgestaltung und Ausstattung typischerweise nicht auf die bloße Auswahl und den Erwerb eines Produktes an. Anders als etwa in Lotto-Toto-Annahmestellen, die an eine Verkaufsstelle angegliedert sind, will der typische Besucher eines Wettbüros mit der oben dargelegten Ausgestaltung bzw. Ausstattung nicht bloß seine Wette einreichen und einen eventuellen Gewinn kassieren bzw. abholen. Der Reiz des Besuchs des Wettbüros besteht in diesem Fall zu einem wesentlichen Anteil auch darin, sich dort aufzuhalten, um sich nach Möglichkeit mit anderen auszutauschen und die Zeit bis zum Eintritt des Wettergebnisses in einer als angenehm empfundenen Weise und Umgebung zu nutzen (VG Augsburg, U. v. 13.11.2014 - Au 5 K 13.858 - juris Rn. 40).

Ausgehend von den oben dargelegten Abgrenzungskriterien führt die Nutzung der acht Monitore, so wie sie durch die Antragsgegnerin dokumentiert worden ist, aus folgenden Gründen nicht dazu, dass die genehmigte Wettannahmestelle als Vergnügungsstätte im Sinne der Baunutzungsverordnung anzusehen ist.

Gegen die Annahme einer Vergnügungsstätte spricht zunächst einmal die vergleichsweise geringe Größe der genehmigten Betriebsstätte. Die eigentliche Netto-Nutzfläche beträgt nach Abzug eines räumlich abgetrennten Windfanges mit einer Grundfläche von 7,61 qm insgesamt 49,16 qm. Für den den Kunden zugänglichen Bereich vor der Theke, an der die Wetten platziert werden können, verbleibt eine Fläche von weniger als 40 qm. Auf dieser Fläche sind ausweislich der von der Antragsgegnerin am 24. Juni 2014 gefertigten Lichtbilder entlang der Wände einige Stehtische aufgestellt. Die Lichtbilder lassen darüber hinaus den Schluss zu, dass sich in dem den Kunden zugänglichen Bereich keine Sitzgelegenheiten befinden. Auch die von der Antragsgegnerin am 7. Juli 2014 und am 8. Juli 2014 gefertigten Lichtbilder, die sich in den vorgelegten Akten befinden, vermitteln hierzu keinen anderen Eindruck. Auch in den genehmigten Plänen sind keine Sitzmöglichkeiten eingezeichnet, sondern lediglich ein an die Längswand angebautes Stehbord.

In der Betriebsbeschreibung vom 14. Mai 2012 zu der Baugenehmigung vom 18. Juli 2012 ist festgeschrieben, dass „ keine TV-Geräte zur Übertragung von Live-Wetten installiert“ werden. Diese Formulierung beinhaltet aus Sicht des Gerichts sinngemäß, dass in dem Wettbüro keine Live-Übertragungen von Sportereignissen auf Monitoren stattfinden dürfen. Die in der Betriebsbeschreibung ausdrücklich enthaltene Einschränkung der Nutzung stellt aus Sicht des Gerichts im vorliegenden Fall eines der entscheidenden Kriterien für die Beurteilung der Frage, ob das Betriebskonzept nicht lediglich darauf angelegt ist, Wetten entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie Gewinne auszubezahlen, sondern darüber hinaus auch der kommerziellen Unterhaltung der Kunden durch die Teilnahme am Wettspiel in geselliger Runde erhebliche Bedeutung dienen soll, dar. Die Live-Übertragung von Sportereignissen, verbunden mit der Möglichkeit, auf das jeweilige Sportereignis Wetten abzuschließen und dann den Ausgang des Sportereignisses live mitverfolgen zu können, stellt - wenn es denn zum Betriebskonzept gehört - ein gewichtiges Argument für das Vorliegen einer Vergnügungsstätte dar, da die Live-Übertragungen ersichtlich dem Zweck dienen, die Wettkunden zu motivieren, sich über die bloße technische Abwicklung des Wettvorgangs hinaus in dem Wettbüro aufzuhalten und gegebenenfalls auch in geselliger Runde mit anderen Wettkunden den Ablauf und Ausgang des bewetteten Sportereignisses abzuwarten. Der bloßen elektronischen Auflistung der Sportereignisse, auf die aktuell gewettet werden kann, und der elektronischen Darstellung der Wettarten und Wettquoten auf Monitoren kommt eine solche zum weiteren Aufenthalt in geselliger Runde mit anderen Wettkunden animierende Wirkung nicht zu. Es ist nicht von derart entscheidender Bedeutung, ob der Wettvermittler das ihm vom Wettveranstalter ebenfalls elektronisch übermittelte Angebot an Sportereignisse, auf die aktuell gewettet werden kann, Wettarten und Wettquoten ausdruckt und in Papierform als Informationsflyer im Wettbüro auslegt, wobei die Informationsflyer täglich mehrfach aktualisiert und neu ausgedruckt werden oder er den aktuellen Umfang des Wettangebots seines Wettveranstalters ausschließlich oder zusätzlich zu den in Papierform ausliegenden Informationen zu den möglichen Wetten elektronisch über in dem Wettbüro installierte Monitore anbietet. Auch bei der elektronischen Auflistung und Darstellung der bewettbaren Sportereignisse, der Wettarten und Wettquoten auf Monitoren steht im Gegensatz zur Live-Übertragung von Sportereignissen der Zweck, dem Wettkunden möglichst umfassend über die aktuell möglichen Wetten zu informieren, deutlich im Vordergrund und steht im engen Zusammenhang mit dem Zweck einer auch bloßen Lotto-Toto-Annahmestelle, nämlich Wetten entgegenzunehmen und weiterzuleiten. Zwar mag die elektronische Darstellung des Wettangebots für den Kunden bei der Abwicklung seiner Wetten im Vergleich zu ausliegenden Informationsflyern der bequemere und schnellere Weg sein, sich über die angebotenen Wettarten zu informieren und seine Entscheidung zu treffen. Eine Steigerung der Aufenthaltsqualität oder gar ein Gemeinschaftserlebnis wie bei der Verfolgung von Live-Übertragung von Sportereignissen, die es rechtfertigte, das Wettbüro, das im Übrigen wohl auch nach Ansicht der Antragsgegnerin als bloße Lotto-Toto-Annahmestelle ausgestaltet ist, allein aufgrund der Monitore als Vergnügungsstätte einzustufen, ist damit aber nicht verbunden. Daran ändert auch die Anzahl der Monitore, die in dem vergleichsweise kleinen Wettbüro mit einer Nutzfläche von 49,16 qm installiert worden sind, nichts.

2.1.2 Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde eine rechtswidrige Nutzung aber auch vorbeugend untersagen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine solche beabsichtigt ist (BayVGH, B. v. 3.4.2014 - 1 ZB 13.2536 - BayVBl 2014, 634; BayVGH, U. v. 5.12.2005 - 1 B 03.2567 - juris Rn. 20).

Danach ist es für den Erlass einer Nutzungsuntersagung nicht stets Voraussetzung, dass die rechtswidrige Nutzung bereits aufgenommen worden ist. Wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine rechtswidrige Nutzung bevorsteht, kann diese auch vorbeugend untersagt werden.

Im vorliegenden Fall gibt es nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung zwar gewisse Anzeichen dafür, dass die Antragstellerin in der Vergangenheit einmal beabsichtigt haben könnte, in den Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Anwesens ein Wettbüro als Vergnügungsstätte zu betreiben. Im Anschluss an das lediglich 49,16 qm große Wettbüro liegt im rückwärtigen Bereich des Erdgeschosses des Anwesens ein lediglich durch eine Trockenbauwand von dem Wettbüro abgetrennter Raum mit einer Grundfläche von 134,29 qm. Dieser Raum wird in den genehmigten Planzeichnungen zur Baugenehmigung vom 18. Juli 2012 als „ungenutzte Fläche/Durchgang“ dargestellt. Nach den Planunterlagen ist der Aufenthaltsraum für das Personal und sind die im Kellergeschoss untergebrachten WCs tatsächlich nur über diesen Raum erreichbar. Sowohl ein am 30. Oktober 2012 anlässlich einer Baukontrolle gefertigtes Lichtbild als auch ein am 27. Mai 2014 anlässlich einer Baukontrolle gefertigtes Lichtbild zeigen, dass auf dieser laut Planzeichnung ungenutzten Fläche Stühle, Armsessel, Bänke und Abstelltische gelagert werden, die jedenfalls teilweise in ihrem Erscheinungsbild (Lederbezogene Bank, Ledersofa) den Möbelstücken ähneln, die - wie dem Gericht aus anderen Fällen bekannt ist - zur typischen Ausstattung einer sog. Sportsbar bzw. eines Wettbüros, in dem die Wettkunden in bequemer Atmosphäre gesellig Sportübertragungen live mitverfolgen können, entsprechen. Hinzu kommt, dass sowohl auf dem Lichtbild aus dem Jahr 2012 als auch dem Lichtbild aus dem Jahr 2014 ersichtlich ist, dass an zwei Wänden des Raumes großflächig das Firmenlogo des Wettvermittlers angebracht ist. Es gibt aber keine hinreichend konkrete Belege dafür, dass der als ungenutzte Fläche bzw. Durchgang bezeichnete Raum im rückwärtigen Bereich der eigentlichen Wettannahmestelle tatsächlich von der Antragstellerin zu irgendeinem Zeitpunkt einmal in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der eigentlichen Wettannahmestelle dazu genutzt worden ist, die Kunden des Wettbüros durch entsprechende Sitzgelegenheiten zu einem längeren Aufenthalt in den Räumlichkeiten zu motivieren. Es gibt auch keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Nutzung unmittelbar bevorsteht. Die Tatsache allein, dass die Antragstellerin ausweislich der anlässlich der Baukontrollen 30. Oktober 2012 und 27. Mai 2014 gefertigten Lichtbilder zu diesen Zeitpunkten auf der laut Planzeichnung ungenutzten Fläche Bänke, Stühle und Tische lagerte bzw. lagert, die potentiell dazu genutzt werden könnten, die Wettkunden zu einem längeren Verweilen in geselliger Runde entweder in dem 134,29 qm großen Raum und damit auch zu einem längeren Aufenthalt in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem lediglich 49,16 qm großen Raum der eigentlichen Wettannahmestelle oder der Wettannahmestelle selbst zu motivieren, reicht ohne das Vorliegen weiterer, konkreter Anhaltspunkte für eine unmittelbar bevorstehende Aufnahme einer solchen Nutzung nicht aus. Solche weiteren konkreten Anhaltspunkte sind aber nach Aktenlage nicht gegeben.

2.2. Die in Nr. 1 Satz 2 des Bescheides ausgesprochene Verpflichtung, die acht installierten Monitore bis spätestens 15. November 2014 zu entfernen, ist voraussichtlich rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten.

Liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung vor, wird der Zweck der Untersagungsverfügung regelmäßig durch ein schlichtes Unterlassen im Sinne eines Aufgebens des bisherigen rechtswidrigen Nutzungsverhaltens erfüllt. In diesen Fällen erschöpft sich der Regelungsinhalt einer Nutzungsuntersagung im Grundsatz in einem bloßen Unterlassen des rechtswidrigen Verhaltens. Anordnungen, die darüber hinaus auch ein positives Tun, z. B. die Entfernung bestimmter Gegenstände, verlangen, können in diesen Fällen nicht auf die Rechtsgrundlage des Art. 76 Satz 2 BayBO gestützt werden (BayVGH, U. v. 19.11.2007 - 25 B 05.12 - BayVBl 2008, 629).

Allerdings kann eine Nutzungsuntersagung dann die Verpflichtung zum Entfernen von Gegenständen beinhalten, wenn sich die rechtswidrige Nutzung gerade im Vorhandensein bestimmter Gegenstände manifestiert. In einem solchen Fall kann die Anordnung, bestimmte Gegenstände zu entfernen, deshalb eine Nutzungsuntersagung im engeren Sinne sein, die auf Art. 76 Satz 2 BayBO gestützt werden kann (vgl. BayVGH, U. v. 19.11.2007 a. a. O.).

Wie unter 2.1 dargelegt, verändert sich nach den konkreten Umständen des Falles die genehmigte Nutzung als Wettannahmestelle nicht bereits dadurch hin zu einer Vergnügungsstätte, dass an den Wänden des Wettbüros acht Monitore installiert worden sind, auf denen die Wettkunden über die aktuell bewettbaren Sportereignisse, Wettarten und Wettquoten informiert werden. Solange die Antragsgegnerin nicht hinreichend belegt, dass die Monitore auch für Live-Übertragungen von aktuellen Sportereignissen genutzt werden und die Wettkunden dadurch dazu motiviert werden sollen und können, sich längere Zeit in dem Wettbüro aufzuhalten, manifestiert sich eine rechtswidrige Nutzung als Vergnügungsstätte allein durch das Installieren der Monitore, aber auch den anlässlich der durchgeführten Baukontrollen festgestellten und belegten tatsächlichen Nutzungsumfang aber nicht.

Eine vorbeugende Anordnung der Beseitigung der Monitore unter dem Gesichtspunkt, dass diese theoretisch wohl auch zur Live-Übertragung von Sportereignissen genutzt werden könnten, lässt sich nicht auf Art. 76 Satz 2 BayBO stützen.

Im Ergebnis war daher insoweit dem Antrag stattzugeben und die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Nr. 1 Satz 2 des streitgegenständlichen Bescheides wiederherzustellen.

3. Darüber hinaus war die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, soweit sie sich gegen das in Nr. 3 des Bescheides vom 21. Oktober 2014 angedrohte Zwangsgeld für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der in Nr. 1 des Bescheides auferlegten Pflicht richtet.

Art. 36 Abs. 5 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) fordert, dass das Zwangsgeld in einer bestimmten Höhe anzudrohen ist. Dies dient dem Zweck, dem Vollstreckungsschuldner zu erkennen zu geben, für welchen Fall der Nichterfüllung einer Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht ihm ein Zwangsgeld in welcher Höhe droht.

Im vorliegenden Fall enthält die Nr. 1 des Bescheides vom 21. Oktober 2014 zwei Verpflichtungen, nämlich in Nr. 1 Satz 1 die für sofort vollziehbar erklärte Verpflichtung, es (ab sofort) zu unterlassen, die verfahrensgegenständlichen Räume als Vergnügungsstätte zu nutzen und in Nr. 1 Satz 2 des Bescheides die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung, die installierten acht Monitore bis spätestens 15. November 2014 zu entfernen. Diese zwei selbstständig nebeneinander stehenden Pflichten, von denen eine ab Bekanntgabe des Bescheides zu befolgen ist, während für die Erfüllung der anderen Pflicht eine mehrwöchige Frist eingeräumt worden ist, müssten sich auch in der Zwangsgeldandrohung widerspiegeln. Das ist aber nicht der Fall, soweit in Nr. 3 des Bescheides vom 21. Oktober 2014 ohne weitere Differenzierung der Antragstellerin für den Fall eines Verstoßes gegen die in Nr. 1 des Bescheides auferlegte Pflicht ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- EUR angedroht wird. Mit der gewählten Formulierung ist nicht erkennbar, ob sich die Androhung auf Verstöße gegen jede einzelne Verpflichtung bezieht oder lediglich auf Verstöße gegen alle Verpflichtungen zugleich. Damit fehlt es jedenfalls an der für eine Zwangsgeldandrohung vorausgesetzten Pflichtenschärfe.

Unabhängig davon war die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die einheitliche Zwangsgeldandrohung auch bereits deshalb anzuordnen, weil in Bezug auf Verpflichtungen in Nr. 1 des Bescheides die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen war.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Der in der Hauptsache anzusetzende Streitwert in Höhe von 5.000,- Euro wurde im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes halbiert (vgl. Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 08. Dez. 2014 - Au 5 S 14.1606

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 08. Dez. 2014 - Au 5 S 14.1606

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 08. Dez. 2014 - Au 5 S 14.1606 zitiert 6 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Baugesetzbuch - BBauG | § 29 Begriff des Vorhabens; Geltung von Rechtsvorschriften


(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 08. Dez. 2014 - Au 5 S 14.1606 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 08. Dez. 2014 - Au 5 S 14.1606 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 13. Nov. 2014 - Au 5 K 13.858

bei uns veröffentlicht am 13.11.2014

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstre

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2014 - 1 ZB 13.2536

bei uns veröffentlicht am 03.04.2014

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000 Euro festgesetzt. Grü

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 14. Apr. 2011 - 8 B 10278/11

bei uns veröffentlicht am 14.04.2011

Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 3. Februar 2011 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Wert des Str

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 18. Nov. 2010 - 4 C 10/09

bei uns veröffentlicht am 18.11.2010

Tatbestand 1 Die Klägerin ist eine als eingetragener Verein organisierte Pfarrgemeinde der Syrisch-Orthodoxen Kirche. Im Jahre 1994 beantragte sie die Erteilung einer Ba

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30 bis 37.

(2) Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine als eingetragener Verein organisierte Pfarrgemeinde der Syrisch-Orthodoxen Kirche. Im Jahre 1994 beantragte sie die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer "Syrisch-Orthodoxen Kirche mit Mausoleum" sowie eines "Gemeindezentrums". In der Bauzeichnung für das Untergeschoss der Kirche war eine "Krypta" mit zehn Grabkammern eingezeichnet.

2

Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beigeladenen zu 1, der das gesamte Plangebiet als Industriegebiet (GI) festsetzt. In den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sind "Ausnahmen nach § 9 Abs. 3 BauNVO und Nebenanlagen nach § 14 BauNVO" zugelassen.

3

Die Beklagte erteilte der Klägerin die beantragte Baugenehmigung für das Kirchengebäude und das Gemeindezentrum. Hinsichtlich der Krypta lehnte sie den Antrag unter Hinweis auf das versagte gemeindliche Einvernehmen der Beigeladenen zu 1 ab. Die Klägerin erhob Widerspruch gegen die Ablehnung, ließ dann aber in der Bauzeichnung ihres Bauantrags die Zweckbestimmung "Krypta" durch "Abstellraum" ersetzen und die Grabkammern streichen. Die Beklagte hob daraufhin den ablehnenden Teil des Genehmigungsbescheides auf. Die Kirche ist mittlerweile errichtet und wird von der Klägerin als solche genutzt.

4

Im Jahre 2005 beantragte die Klägerin, im betreffenden Raum im Untergeschoss der Kirche eine Krypta "als privaten Bestattungsplatz ausdrücklich ausschließlich für verstorbene Geistliche" ihrer Kirche zu genehmigen. Entsprechend der ursprünglichen Planung ist der Einbau von zehn Grabkammern in Wandnischen vorgesehen, die nach Beisetzung durch dicht verfugte Stahlbetonplatten zur Raumseite hin verschlossen und mit beschrifteten Marmorverkleidungen versehen werden sollen. Die Krypta soll nur von außen zugänglich sein.

5

Das Gesundheitsamt beim Landratsamt Heilbronn stimmte der Krypta aus hygienischer Sicht unter Auflagen zu. Die Beigeladene zu 1 versagte wiederum das gemeindliche Einvernehmen. Die Beklagte lehnte den Bauantrag ab, der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.

6

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Baugenehmigung für den Einbau einer Krypta im Untergeschoss der Kirche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

7

Auf die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen zu 1 hat der Verwaltungsgerichtshof die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage insgesamt abgewiesen; die Berufung der Klägerin hat er zurückgewiesen. Die Umwandlung des betreffenden Abstellraums in eine Krypta sei eine genehmigungspflichtige, aber nicht genehmigungsfähige Nutzungsänderung. Sie sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weil sie den Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplans widerspreche. Zwar handle es sich bei der Krypta um eine - städtebaulich gegenüber der Kirche eigenständig zu würdigende - Anlage für kirchliche Zwecke im Sinne des Ausnahmekatalogs des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Sie sei jedoch wegen Unverträglichkeit mit dem Charakter eines Industriegebiets unzulässig. Das Ermessen für eine ausnahmsweise Zulassung nach § 31 Abs. 1 BauGB sei deshalb entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht eröffnet. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB komme ebenfalls nicht in Betracht. Es spreche alles dafür, dass die private Bestattungsanlage schon die Grundzüge der Planung berühre, die auf ein typisches, die gewerbliche Nutzungsbreite voll ausschöpfendes Industriegebiet ohne konfliktträchtige Ausnahmenutzungen gerichtet gewesen sei. Jedenfalls fehle es aber an Befreiungsgründen. Insbesondere erforderten es Gründe des Wohls der Allgemeinheit nicht, die Krypta trotz ihrer bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit an der vorgesehenen Stelle zu errichten. Dies gelte auch im Lichte der Art. 4 und Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Das Bedürfnis, über eine Krypta in der eigenen Kirche zu verfügen, sei nicht zwingender Bestandteil der Religionsausübung der Klägerin. Der durch die Ablehnung unterhalb dieser Schwelle angesiedelte Eingriff in die Religionsausübungsfreiheit sei durch den Achtungsanspruch der Verstorbenen und das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken gerechtfertigt, das im Industriegebiet weder nach seiner Typik noch nach seiner Eigenart gewährleistet sei. Eine diskriminierende Ungleichbehandlung im Verhältnis zur katholischen Kirche sei ebenfalls nicht zu erkennen.

8

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Revision gegen die vorinstanzlichen Urteile und macht eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2 und Art. 3 Abs. 1 GG sowie ihrer Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 ff. WRV geltend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.

10

Die Einrichtung einer Krypta im Untergeschoss des Kirchengebäudes der Klägerin ist eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB, deren bauplanungsrechtliche Zulässigkeit an §§ 30 ff. BauGB zu messen ist (1). Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass diese Nutzungsänderung im Industriegebiet nicht im Wege einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden kann, weil sie mit dem typischen Charakter eines Industriegebiets unvereinbar ist, steht im Einklang mit Bundesrecht (2). Bundesrechtswidrig sind demgegenüber die Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Auffassung gestützt hat, dass die Krypta auch nicht im Wege einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB genehmigt werden könne (3). Da die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für eine abschließende Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen nicht ausreichen, war die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (4).

11

1. Die beantragte Nutzung des Abstellraums im Untergeschoss des Kirchengebäudes der Klägerin als Krypta ist eine vom Vorhabenbegriff des § 29 Abs. 1 BauGB umfasste, mit geringfügigen baulichen Änderungen verbundene Nutzungsänderung.

12

Eine Nutzungsänderung liegt vor, wenn durch die Verwirklichung eines Vorhabens die einer genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, so dass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem Aspekt neu stellt (Urteil vom 18. Mai 1990 - BVerwG 4 C 49.89 - NVwZ 1991, 264 m.w.N.; Beschlüsse vom 14. April 2000 - BVerwG 4 B 28.00 - juris Rn. 6 und vom 7. November 2002 - BVerwG 4 B 64.02 - BRS 66 Nr. 70 S. 327). Die Variationsbreite der bisherigen Nutzung wird auch dann überschritten, wenn das bisher charakteristische Nutzungsspektrum durch die Änderung erweitert wird (Urteil vom 27. August 1998 - BVerwG 4 C 5.98 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 190 S. 64). So liegen die Dinge hier. Die Nutzung als Begräbnisstätte ist heute für eine Kirche nicht mehr charakteristisch. Im vorliegenden Fall wurde die Krypta zudem von der im Jahre 1994 erteilten Baugenehmigung für die Errichtung der Kirche ausdrücklich ausgenommen und sollte - auf Anregung des Regierungspräsidiums Stuttgart letztlich auch aus der Sicht der Klägerin - einem Nachtrags-Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben.

13

Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB und damit Gegenstand der bauplanungsrechtlichen Prüfung ist jedoch nicht - wie vom Verwaltungsgerichtshof angenommen - die Krypta als selbständige "Hauptanlage", sondern die Änderung von einer Kirche mit Abstellraum zu einer Kirche mit Krypta als Gesamtvorhaben. Geht es um die Änderung einer Nutzung, dürfen die bauliche Anlage und ihre Nutzung nicht getrennt beurteilt werden; sie bilden eine Einheit (Urteil vom 15. November 1974 - BVerwG 4 C 32.71 - BVerwGE 47, 185 <188>). Soll nicht die Nutzung der baulichen Anlage insgesamt, sondern - wie hier - lediglich eines bestimmten Teils der Anlage geändert werden, kann die bauplanungsrechtliche Prüfung hierauf nur beschränkt werden, wenn der betroffene Anlagenteil auch ein selbständiges Vorhaben sein könnte; er muss von dem Vorhaben im Übrigen abtrennbar sein (Urteil vom 17. Juni 1993 - BVerwG 4 C 17.91 - BRS 55 Nr. 72 S. 204). Daran fehlt es hier. Der streitgegenständliche, unter dem Altar gelegene Raum ist untrennbar mit der Kirche im Übrigen verbunden. Nur weil dies so ist, möchte die Klägerin in der Krypta ihre Gemeindepriester beisetzen. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass nach den Glaubensvorstellungen der Klägerin die Verpflichtung besteht, syrisch-orthodoxe Priester in einem geweihten kirchlichen Bestattungsraum beizusetzen (UA S. 17 und 27). Kirche und Krypta stehen deshalb als Gesamtvorhaben zur bauplanungsrechtlichen Prüfung.

14

Die Nutzungsänderung ist auch städtebaulich relevant, weil durch die Aufnahme der neuen Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können (Urteil vom 18. Mai 1990 - BVerwG 4 C 49.89 - a.a.O.). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass das Trauern und Gedenken nicht nur im Innern der Kirche unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, sondern auch außerhalb des Kirchengebäudes bemerkbar sein werde. Wie sich aus den Äußerungen der Klägerin im Baugenehmigungsverfahren sowie aus den von ihr in Bezug genommenen externen Stellungnahmen zum Ritual des Totengedenkens ergebe, solle das Gedenken feierlich zelebriert werden; die Toten sollen mit gelegentlichen Feiern geehrt werden. Zudem sei es Brauch der syrisch-orthodoxen Christen, nach jedem samstäglichen Abendgottesdienst vor den Priestergruften Gedenkgebete zu zelebrieren und an bestimmten Sonntagen und an hohen kirchlichen Feiertagen die Gottesdienste mit einer feierlichen Prozession in die Krypta abzuschließen. Bereits diese Feststellungen rechtfertigen die Annahme, dass durch die beantragte Nutzungsänderung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, auch wenn der Verwaltungsgerichtshof Quantität und Dauer dieser "externen" Traueraktivitäten nicht näher beschrieben und sie "letztlich" selbst nicht für ausschlaggebend gehalten, sondern entscheidend auf die funktionsmäßige städtebauliche Qualität der Krypta als Begräbnisstätte abgestellt hat (UA S. 22).

15

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass eine Kirche mit Krypta zwar grundsätzlich unter die im Industriegebiet gemäß § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulassungsfähigen Anlagen für kirchliche Zwecke fällt, eine Ausnahme vorliegend aber wegen Unverträglichkeit dieser Nutzung mit dem typischen Charakter eines Industriegebiets nicht erteilt werden kann. Dagegen gibt es aus bundesrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.

16

Das Kirchengrundstück liegt nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans, der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung für das gesamte Plangebiet ein Industriegebiet (GI) gemäß § 9 BauNVO festsetzt. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen vermocht. Anhaltspunkte dafür haben sich auch im Revisionsverfahren nicht ergeben. Maßstab für die Zulässigkeit des Vorhabens ist deshalb grundsätzlich § 30 Abs. 1 BauGB. Im Industriegebiet ist eine Kirche mit Krypta nicht gemäß § 9 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig. Zu Recht konzentriert der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung deshalb zunächst auf die Frage, ob die beantragte Nutzungsänderung im Wege einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden kann.

17

a) Im Einklang mit Bundesrecht geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass das Vorhaben eine Anlage für kirchliche Zwecke im Sinne des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist. Unter diesen Begriff fallen Anlagen, die unmittelbar kirchlich-religiösen Zwecken dienen, wie insbesondere ein dem Gottesdienst dienendes Kirchengebäude. Die von der Klägerin errichtete Kirche erfüllt diese Voraussetzungen. Die Krypta ist - wie bereits dargelegt - untrennbar mit der Kirche verbunden. Sie ist nicht nur ein privater Bestattungsplatz im Sinne des § 9 BestattG, sondern, weil sie der Bestattung von Gemeindepriestern dienen soll, die nach der Glaubensvorstellung der Klägerin nur in einem geweihten kirchlichen Raum beigesetzt werden dürfen, selbst Anlage für kirchliche Zwecke.

18

b) In Übereinstimmung mit Bundesrecht geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die ausnahmsweise Zulassungsfähigkeit der beantragten Nutzungsänderung aber am ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der Gebietsverträglichkeit scheitert.

19

Die Prüfung der Gebietsverträglichkeit rechtfertigt sich aus dem typisierenden Ansatz der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung. Der Verordnungsgeber will durch die Zuordnung von Nutzungen zu den näher bezeichneten Baugebieten die vielfältigen und oft gegenläufigen Ansprüche an die Bodennutzung zu einem schonenden Ausgleich im Sinne überlegter Städtebaupolitik bringen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die vom Verordnungsgeber dem jeweiligen Baugebiet zugewiesene allgemeine Zweckbestimmung den Charakter des Gebiets eingrenzend bestimmt (Urteil vom 21. März 2002 - BVerwG 4 C 1.02 - BVerwGE 116, 155 <158>; Beschluss vom 28. Februar 2008 - BVerwG 4 B 60.07 - Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 19 Rn. 6, jeweils m.w.N.). Zu Recht geht der Verwaltungsgerichtshof deshalb davon aus, dass die Gebietsverträglichkeit eine für die in einem Baugebiet allgemein zulässigen und erst recht für die ausnahmsweise zulassungsfähigen Nutzungsarten ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung ist, der eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde liegt und die der Einzelfallprüfung auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 BauNVO vorgelagert ist.

20

Industriegebiete dienen gemäß § 9 Abs. 1 BauNVO ausschließlich der Unterbringung von Gewerbebetrieben, und zwar vorwiegend solcher Betriebe, die in anderen Baugebieten unzulässig sind. Gewerbegebiete dienen gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Die Unterbringung erheblich störender Betriebe ist deshalb dem Industriegebiet vorbehalten und zugleich dessen Hauptzweck.

21

Von maßgeblicher Bedeutung für die Frage, welche Vorhaben mit dieser allgemeinen Zweckbestimmung des Industriegebiets unverträglich sind, sind die Anforderungen des jeweiligen Vorhabens an ein Gebiet, die Auswirkungen des Vorhabens auf ein Gebiet und die Erfüllung des spezifischen Gebietsbedarfs (Urteil vom 21. März 2002 a.a.O.). Da Industriegebiete der einzige Baugebietstyp der Baunutzungsverordnung sind, in dem erheblich störende Gewerbebetriebe untergebracht werden können, sind die in § 9 Abs. 3 BauNVO bezeichneten Nutzungsarten nur dann ohne Weiteres gebietsverträglich, wenn sie nicht störempfindlich sind und deshalb mit dem Hauptzweck des Industriegebiets nicht in Konflikt geraten können. Diese Voraussetzung erfüllt eine Kirche - mit oder ohne Krypta - bei typisierender Betrachtung nicht (vgl. auch Beschluss vom 20. Dezember 2005 - BVerwG 4 B 71.05 - Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 21). Eine auf störunempfindliche Anlagen beschränkte ausnahmsweise Zulassungsfähigkeit von "Anlagen für kirchliche Zwecke" im Sinne des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO führt auch nicht dazu, dass dieses Tatbestandsmerkmal leer liefe. Das gilt bereits deshalb, weil nicht alle Anlagen für kirchliche Zwecke in gleicher Weise störempfindlich sind (vgl. etwa die Beispiele bei Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Band V, Stand: Juni 2010, Rn. 82 zu § 4 BauNVO). Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen auch eine störempfindliche Nutzung gebietsverträglich sein kann, etwa weil sie einem aus dem Gebiet stammenden Bedarf folgt, kann offen bleiben, weil weder seitens der Verfahrensbeteiligten geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich ist, dass hier derartige die Gebietsverträglichkeit begründende Umstände gegeben sein könnten.

22

3. Bundesrechtswidrig sind jedoch die Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Annahme gestützt hat, das Vorhaben könne auch nicht im Wege einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB genehmigt werden.

23

Ob die Umwandlung des Abstellraums in eine Krypta die Grundzüge der Planung berührt, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht abschließend entschieden. Nach seiner Auffassung fehlt jedenfalls ein Befreiungsgrund. Auch Gründe des Wohls der Allgemeinheit erforderten es nicht, dass die Krypta trotz ihrer bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit an der vorgesehenen Stelle eingerichtet werde. Das gelte auch bei Bewertung der Grabstättennutzung im Licht der Art. 4 und 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV (UA S. 25). Die Bestattung der Gemeindepriester in der Hauskirche sei kein zwingender Bestandteil der Religionsausübung (UA S. 27). Der verbleibende Eingriff in die Religionsausübungsfreiheit sei gerechtfertigt. Die Krypta erfordere ein Umfeld der Ruhe und Andacht. Dieses Umfeld sei in dem Industriegebiet weder nach seiner Typik noch nach seiner Eigenart gewährleistet. Zudem befinde sich die Krypta nur wenige Meter von der Grenze zum östlichen Nachbargrundstück und nur ca. 17 m von der dortigen großen Produktionshalle entfernt. Diese Situation widerspreche der Würde der in solchem Umfeld bestatteten Toten in hohem Maße. Insofern werde der Achtungsanspruch der Verstorbenen verletzt, der sich nachwirkend aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebe. Darüber hinaus werde bei objektiver Betrachtung auch das durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken beeinträchtigt. Diese verfassungsimmanente Schranke setze sich gegenüber der Beeinträchtigung der Religionsausübungsfreiheit durch und sei auch verhältnismäßig. Dabei sei besonders zu berücksichtigen, dass die Krypta keinesfalls nur am vorgesehenen Ort, sondern (zusammen mit der Kirche) an anderer geeigneter Stelle errichtet werden könnte oder damals hätte errichtet werden können. Das Planungsrecht biete zahlreiche Möglichkeiten, um städtebaulich die Grundlagen für eine pietätvolle Begräbnisstätte zu schaffen (UA S. 28 f.).

24

Mit diesen Erwägungen kann das Vorliegen eines Befreiungsgrundes nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht verneint werden.

25

a) Gründe des Wohls der Allgemeinheit beschränken sich nicht auf spezifisch bodenrechtliche Belange, sondern erfassen alles, was gemeinhin unter öffentlichen Belangen oder öffentlichen Interessen zu verstehen ist, wie sie beispielhaft etwa in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB aufgelistet sind (vgl. Urteil vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <76>). Vom Wortlaut des § 1 Abs. 6 Nr. 6 BauGB erfasst werden die Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge zwar nur, soweit sie von Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellt werden. Die in den Glaubensvorstellungen wurzelnden Belange privatrechtlich organisierter Kirchen und Religionsgesellschaften sind jedoch ebenfalls als öffentliche Belange zu berücksichtigen, sei es als kulturelle Bedürfnisse der Bevölkerung im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB oder als ein in dem nicht abschließenden Katalog des § 1 Abs. 6 BauGB nicht ausdrücklich erwähnter Belang (VGH München, Urteil vom 29. August 1996 - 26 N 95.2983 - VGH n.F. 49, 182 <186> = NVwZ 1997, 1016 <1017 f.> m.w.N.). Das gilt jedenfalls, wenn die betreffende Kirchengemeinde - wie dies bei der Klägerin der Fall sein dürfte - eine nicht unbedeutende Zahl von Mitgliedern hat.

26

b) Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern eine Befreiung im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht erst dann, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf eine andere Weise als durch eine Befreiung nicht entsprochen werden könnte, sondern bereits dann, wenn es zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses "vernünftigerweise geboten" ist, mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Dass die Befreiung dem Gemeinwohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist, reicht demgegenüber nicht aus (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O.; Beschluss vom 6. März 1996 - BVerwG 4 B 184.95 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 35). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Dabei kann es auch auf - nach objektiven Kriterien zu beurteilende - Fragen der Zumutbarkeit ankommen (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 77).

27

Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass das Bedürfnis der Klägerin, ihre verstorbenen Gemeindepriester in der eigenen Kirche beisetzen zu können, kein zwingender Bestandteil ihrer Religionsausübung ist. Nach ihrer Begräbnisregel sei es zwar verboten, syrisch-orthodoxe Priester zusammen mit den Gemeindeangehörigen auf normalen Friedhöfen zu bestatten. Es bestehe die Verpflichtung, diesen Personenkreis in einem geweihten kirchlichen Bestattungsraum beizusetzen. Die Beisetzung müsse jedoch nicht zwingend in der "Hauskirche" erfolgen (UA S. 27).

28

Diese Feststellungen stehen der Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht entgegen. Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern die Zulassung der Krypta auch, wenn Alternativen zur Beisetzung in der eigenen Kirche an sich in Betracht kommen, der Klägerin aber unter den gegebenen Umständen nicht zugemutet werden können. Dass die Klägerin theoretisch an anderer Stelle eine Kirche mit Krypta neu errichten könnte, genügt nicht. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs kann eine Befreiung auch nicht mit dem Argument verweigert werden, dass es planungsrechtlich bereits bei Errichtung der Kirche möglich gewesen wäre, an anderer geeigneter Stelle die Grundlagen für eine pietätvolle Begräbnisstätte zu schaffen. Maßgebend für die Zumutbarkeit ist vielmehr, ob der Klägerin tatsächlich zu nicht unangemessenen Bedingungen ein besser geeignetes Grundstück für die Errichtung einer Kirche mit Krypta auf dem Gebiet der Beklagten zur Verfügung gestanden hätte oder, wenn dies nicht der Fall war, ob sie sich bewusst auf die Errichtung einer Kirche ohne Krypta eingelassen hat. Feststellungen hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof nicht getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin ein besser geeignetes Grundstück zur Verfügung gestanden hätte, sind jedenfalls nach Aktenlage nicht ersichtlich. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge hat das Regierungspräsidium selbst angeregt, dass über die Zulässigkeit einer Krypta im Rahmen eines Nachtragsbaugesuchs entschieden wird. Ausgehend hiervon dürfte der Klägerin nicht entgegengehalten werden können, dass sie den Anspruch auf eine Krypta nicht bereits vor Errichtung der Kirche gerichtlich geltend gemacht hat. Mangels tatsächlicher Feststellungen kann der Senat hierüber jedoch nicht abschließend entscheiden. Eine Bestattung der Gemeindepriester in einem niederländischen Kloster kann der Klägerin wegen der großen Entfernung von fast 500 km jedenfalls nicht zugemutet werden. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Einwand "gut nachvollziehen" können (UA S. 27). Er hat ihn jedoch nicht - wie es geboten gewesen wäre - im Rahmen des "Erforderns" als für eine Befreiung sprechenden Umstand gewürdigt.

29

Die Annahme eines Befreiungsgrundes gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB scheitert auch nicht daran, dass die Krypta - wie der Verwaltungsgerichtshof anführt - an der vorgesehenen Stelle "bauplanungsrechtlich unzulässig" sei (UA S. 25). Richtig ist zwar, dass die Krypta weder allgemein zulässig ist noch im Wege einer Ausnahme zugelassen werden kann und - so ist zu ergänzen - wohl auch bereits die Kirche am betreffenden Standort nicht hätte genehmigt werden dürfen. Dies stellt jedoch kein Hindernis für die Erteilung einer Befreiung dar, sondern eröffnet im Gegenteil erst den Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 BauGB.

30

Schließlich darf bei der einzelfallbezogenen Prüfung des Befreiungsgrundes nicht unberücksichtigt bleiben, dass hier eine Nutzungserweiterung in Frage steht, die zwar bei typisierender Betrachtung gebietsunverträglich ist, aber "vernünftigerweise" an ein vorhandenes Kirchengebäude anknüpft, das aufgrund bestandskräftiger Baugenehmigung im genehmigten Umfang formal legal weitergenutzt werden darf. Das gilt umso mehr, wenn die bestandsgeschützte Kirchennutzung - wie hier - im Einvernehmen mit der Gemeinde genehmigt wurde, die Gemeinde also gewissermaßen selbst den Keim für "vernünftigerweise gebotene" Nutzungserweiterungen gelegt hat. Ob die sich aus der Würde der Toten und der Trauernden ergebenden städtebaulichen Anforderungen an eine Begräbnisstätte der Befreiung entgegen stehen, ist keine Frage des Befreiungsgrundes, sondern der weiteren Voraussetzung, dass die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss.

31

4. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Ob die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht ausdrücklich geprüft. Auch mit den dargelegten grundrechtlichen Erwägungen verfehlt er die nach § 31 Abs. 2 BauGB anzulegenden Prüfungsmaßstäbe. Für eine eigene abschließende Beurteilung dieser Frage durch den Senat fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen (a). Nicht abschließend entschieden hat der Verwaltungsgerichtshof, ob die Grundzüge der Planung berührt werden. Auch der Senat ist hierzu nicht in der Lage (b).

32

a) Der Verwaltungsgerichtshof verfehlt die gemäß § 31 Abs. 2 BauGB anzulegenden Maßstäbe, soweit er der Religionsausübungsfreiheit der Klägerin den Achtungsanspruch der Toten und das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken abstrakt gegenübergestellt und hierbei maßgebend auf die Typik und die Eigenart des Industriegebiets abgestellt hat, anstatt die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen.

33

Geboten ist eine Betrachtung, die die bisherige Situation (hier: Kirche ohne Krypta) dem durch die Abweichung zu ermöglichenden Gesamtvorhaben (hier: Kirche mit Krypta) gegenüberstellt und die Vereinbarkeit des sich daraus ergebenden Unterschieds mit öffentlichen Belangen untersucht. Welche Umstände als öffentliche Belange im Sinne von § 31 Abs. 2 BauGB eine Befreiung ausschließen, lässt sich nicht generell beantworten. In Betracht kommen insbesondere die in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten öffentlichen Belange (vgl. Urteil vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <78>), auch solche, die nicht in der gemeindlichen Planungskonzeption ihren Niederschlag gefunden haben (Roeser, in: Berliner Kommentar, 3. Aufl., Stand: August 2010, Rn. 17 zu § 31; vgl. auch Urteil vom 19. September 2002 - BVerwG 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50 <54>). Ist die Befreiung mit einem öffentlichen Belang in beachtlicher Weise unvereinbar, so vermag sich der die Befreiung rechtfertigende Gemeinwohlgrund im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht durchzusetzen (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 77 f.). Da der Plan gerade unter den Nachbarn einen Ausgleich von Nutzungsinteressen zum Inhalt hat, muss ferner darauf abgehoben werden, ob in den durch den Bebauungsplan bewirkten nachbarlichen Interessenausgleich erheblich störend eingegriffen wird (Beschluss vom 6. März 1996 - BVerwG 4 B 184.95 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 35). Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 77).

34

Diesen bauplanungsrechtlichen Anforderungen werden die verfassungsrechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs auch der Sache nach nicht in jeder Hinsicht gerecht. Zutreffend ist zwar, dass auch der Achtungsanspruch der Verstorbenen und das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken als öffentliche Belange im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB in Betracht kommen, wobei offen bleiben kann, ob der Verwaltungsgerichtshof mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG die richtige grundrechtliche Anknüpfung gewählt hat. Mit den abstrakten Erwägungen, dass eine Krypta ein städtebauliches Umfeld der Ruhe und Andacht erfordere, um der Totenruhe und der Würde der Toten Rechnung zu tragen, und dass dieses Umfeld in einem Industriegebiet weder nach seiner Typik noch nach seiner Eigenart gewährleistet sei, ferner, dass "bei objektiver Betrachtung" das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken beeinträchtigt werde, lässt sich die Versagung einer Befreiung nicht begründen. Maßgebend ist, ob im konkreten Einzelfall ausnahmsweise auch eine Begräbnisstätte in einem Industriegebiet den sich aus der Würde der Toten und der Trauernden ergebenden städtebaulichen Anforderungen genügt. Soweit der Verwaltungsgerichtshof auch die konkreten örtlichen Verhältnisse in den Blick genommen und darauf abgehoben hat, dass sich die Krypta nur wenige Meter von der Grenze zum östlichen Nachbargrundstück und nur ca. 17 m von der dortigen großen Produktionshalle entfernt befinde, in der auch im Schichtbetrieb gearbeitet werde und teilweise auch Lkw-Verkehr im Grenzbereich stattfinde, was in hohem Maße der Würde der in solchem Umfeld bestatteten Toten widerspreche (UA S. 28), fehlen jedenfalls Feststellungen dazu, inwieweit dieser Belang durch die Geschäftigkeit und Betriebsamkeit der industriellen Umgebung konkret beeinträchtigt werden kann, obwohl die Krypta in dem gegenüber der Außenwelt abgeschirmten Kircheninnern gelegen ist. Ähnliches gilt, soweit der Verwaltungsgerichtshof "bei objektiver Betrachtung" auch das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken beeinträchtigt sieht. Insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass die Beisetzung in einem geweihten Kirchenraum nach den Glaubensvorstellungen nicht nur der Syrisch-Orthodoxen Kirche eine besonders würdevolle Form der Bestattung ist.

35

Es fehlen auch Feststellungen, inwieweit durch die Zulassung der Abweichung nachbarliche Interessen konkret betroffen werden können, etwa, ob und gegebenenfalls in welcher Intensität gewerbliche Nutzungen in der Umgebung der Kirche durch die Krypta mit Nutzungseinschränkungen rechnen müssen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass mögliche Nutzungskonflikte bereits mit der Errichtung und Nutzung der Kirche entstanden sein dürften. Allein auf die Feststellung, dass das Trauern und Gedenken auch außerhalb des Kirchengebäudes "bemerkbar" sein werde (UA S. 21), kann die Ablehnung einer Befreiung nicht gestützt werden, weil dies auch auf die in einer Kirche ohne Krypta abgehaltenen Beerdigungs- und Trauergottesdienste zutrifft.

36

b) Mit der Formulierung, es spreche alles dafür, dass die private Bestattungsstätte die Grundzüge der Planung berühre, hat der Verwaltungsgerichtshof zwar deutlich gemacht, dass er dieser Auffassung zuneigt. Tragend festgelegt hat er sich insoweit aber nicht. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen lässt sich derzeit auch hierzu Abschließendes nicht sagen.

37

Ob die Grundzüge der Planung berührt sind, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O.; Beschlüsse vom 5. März 1999 - BVerwG 4 B 5.99 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 39 S. 2 und vom 19. Mai 2004 - BVerwG 4 B 35.04 - BRS 67 Nr. 83). Die Beantwortung der Frage, ob Grundzüge der Planung berührt werden, setzt einerseits die Feststellung voraus, was zum planerischen Grundkonzept gehört und andererseits die Feststellung, ob dieses planerische Grundkonzept gerade durch die in Frage stehende Befreiung berührt wird (vgl. Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Band II, Stand: Juni 2010, Rn. 35 zu § 31 BauGB).

38

Zur ersten Frage hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass die Planung - zum maßgeblichen Zeitpunkt des Planerlasses im Jahr 1970, aber auch nach der tatsächlichen Bebauung - auf ein typisches, die gewerbliche Nutzungsbreite voll ausschöpfendes Industriegebiet ohne konfliktträchtige Ausnahmenutzungen gerichtet gewesen sei (UA S. 25). Weder die Festsetzungen noch die Begründung des Bebauungsplans enthielten Hinweise für die Absicht des Plangebers, das Baugebiet in einer vom Regelfall des § 9 Abs. 1 BauGB abweichenden Weise auszugestalten. Auch die seither verwirklichten Gewerbebetriebe in der näheren und weiteren Umgebung der Kirche ließen eine geradezu "klassische" Industriegebietsnutzung erkennen (UA S. 24), die vorhandenen Betriebe im Bebauungsplangebiet entsprächen der Nutzungsstruktur eines normtypischen Industriegebiets geradezu beispielhaft (UA S. 21). Diese Feststellungen haben zwar Tatsachen (§ 137 Abs. 2 VwGO) sowie die Auslegung des Bebauungsplans als Teil des nicht revisiblen Landesrechts (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) zum Gegenstand. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber mehrere für die Grundzüge der Planung bedeutsame Umstände außer Acht gelassen. Soweit er auf den Zeitpunkt des Planerlasses im Jahr 1970 abstellt, hat er unberücksichtigt gelassen, dass die Plangeberin in Ziffer 1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans (konfliktträchtige) Ausnahmenutzungen gemäß § 9 Abs. 3 BauNVO ausdrücklich zugelassen hat. Auch wenn diese Festsetzung nicht über das hinausgeht, was gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 3 BauNVO auch ohne sie gegolten hätte, bedarf es der Prüfung, welche Bedeutung dem Umstand, dass sich die Gemeinde gleichwohl zu einer ausdrücklichen Regelung veranlasst gesehen hat, bei der Bestimmung der Planungskonzeption beizumessen ist. Soweit der Verwaltungsgerichtshof auch auf die tatsächliche Bebauung im Industriegebiet abgestellt hat, hätte er nicht unberücksichtigt lassen dürfen, dass nicht nur Gewerbebetriebe verwirklicht wurden, sondern im Einvernehmen mit der Beigeladenen zu 1 auch die Kirche der Klägerin. Das ist ein Umstand, dem eine starke Indizwirkung für eine auch gegenüber konfliktträchtigen Ausnahmenutzungen offene Planungskonzeption zukommen kann.

39

Zu der weiteren Frage, ob die planerische Grundkonzeption durch die Befreiung berührt würde, hat der Verwaltungsgerichtshof keine Feststellungen getroffen. Verlässliche Rückschlüsse lassen auch die in anderem Zusammenhang getroffenen Feststellungen nicht zu. Diese Feststellungen wird der Verwaltungsgerichtshof nachzuholen haben, falls es für seine Entscheidung hierauf ankommt. Weil eine planerische Grundkonzeption durch ein Vorhaben nicht mehr berührt werden kann, wenn der mit der Planung verfolgte Interessenausgleich bereits durch die bisherige tatsächliche Entwicklung im Baugebiet nachhaltig gestört ist (zutreffend VGH München, Urteil vom 9. August 2007 - 25 B 05.1337 - juris Rn. 41; nachfolgend Beschluss vom 28. April 2008 - BVerwG 4 B 16.08 -), wird er sich hierbei auch mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob die Grundzüge der Planung bereits durch die Errichtung und Nutzung der Kirche nachhaltig gestört sind und deshalb durch das Hinzutreten der Krypta nicht mehr in einer ins Gewicht fallenden Weise berührt werden können.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 3. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde bleibt erfolglos. Soweit das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Ziffern I und II der Verfügung der Antragsgegnerin vom 13. Januar 2011 sowie auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs hinsichtlich Ziffer IV dieses Bescheides abgelehnt hat, begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken. Das Verwaltungsgericht ist in nicht zu beanstandeter Weise davon ausgegangen, dass bei der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung das Interesse der Antragsgegnerin an einem Vollzug der angefochtenen Verfügung das Interesse der Antragstellerin, von einer Vollziehung vorläufig verschont zu bleiben, überwiegt.

2

Die Begründung der Beschwerde, auf deren Prüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.

3

Die angefochtene Nutzungsuntersagungsverfügung erweist sich, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden ist, als offensichtlich rechtmäßig. Zudem kann sich die Antragsgegnerin weiterhin auf ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Bescheides berufen.

4

Die von der Antragsgegnerin verfügte Nutzungsuntersagung für den Abschluss und die Vermittlung allgemeiner Sportwetten findet ihre Rechtsgrundlage in § 81 Satz 1 Landesbauordnung - LBauO -. Hiernach kann die Bauaufsichtsbehörde, wenn bauliche Anlagen gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Nutzungsänderung dieser Anlagen verstoßen, deren Benutzung untersagen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

5

Eine Nutzungsuntersagung kann bereits dann ausgesprochen werden, wenn für eine Nutzung die erforderliche Genehmigung fehlt. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird in diesem Fall nach § 81 Satz 1 LBauO dadurch Rechnung getragen, dass eine Benutzungsuntersagung nur ergehen darf, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Eine entsprechende Anordnung ist demnach nur dann möglich, wenn nicht offensichtlich eine beantragte Nutzungsänderungsgenehmigung erlassen werden muss (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. Mai 1996 - 8 A 11880/85.OVG - AS 25, 313 und juris, Rn. 19).

6

Die Nutzung eines Teils der Erdgeschossräume in dem Anwesen R.straße … durch die Antragsgegnerin stellt eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar, die nicht genehmigt wurde. Nach § 61 LBauO bedarf die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Genehmigung, soweit in den §§ 62, 67 und 84 LBauO nichts anderes bestimmt ist. § 62 Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe a) LBauO sieht von der Genehmigungspflicht eine Ausnahme bei Gebäuden und Räumen vor, die nicht im Außenbereich liegen, wenn für die neue Nutzung keine anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen als für die bisherige Nutzung gelten.

7

Hinsichtlich der Nutzung als Wettbüro für allgemeine Sportwetten liegt eine Nutzungsänderung im Sinne der genannten Vorschriften vor. Als Nutzungsänderung im bauordnungsrechtlichen Sinne ist jede Änderung der ursprünglich genehmigten Nutzung anzusehen, die sich ihrerseits aus der erteilten Baugenehmigung ergibt (vgl. Jeromin, LBauO, 2. Aufl. 2008, § 3 Rn. 16). Der Inhalt der der Antragstellerin erteilten Baugenehmigung vom 19. Januar 2007 wird durch die unter Nr. 1 der Nebenbestimmungen enthaltene Umschreibung konkretisiert. Darin wird ausgeführt, dass die Baugenehmigung für eine Geschäftsstelle zum gewerbsmäßigen Abschluss und Vermitteln von Wetten bei öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde (Pferdewetten) erteilt wird. Mit dieser Nebenbestimmung wird der Inhalt der Genehmigung dem gestellten Bauantrag entsprechend festgelegt. Da die Antragsgegnerin dem Bauantrag insoweit in vollem Umfang entsprochen hat, ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der in der Nebenbestimmung enthaltenen Einschränkung.

8

Die in dem Wettbüro tatsächlich ausgeübte Nutzung des Abschlusses und der Vermittlung allgemeiner Sportwetten hält den durch die Baugenehmigung gesteckten Rahmen nicht ein und stellt damit eine Nutzungsänderung im bauordnungsrechtlichen Sinne dar.

9

Für diese Nutzungsänderung greift auch nicht die in § 62 Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe a) LBauO vorgesehene Ausnahme von der Genehmigungspflicht. Hinsichtlich der Nutzung des Anwesens R.straße … für allgemeine Sportwetten kann nicht festgestellt werden, dass für die neue Nutzung keine anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen gelten als für die bisherige Nutzung. Vielmehr ist von der Möglichkeit auszugehen, dass die Nutzung eines Wettbüros für allgemeine Sportwetten in bauplanungsrechtlicher Hinsicht geänderten Anforderungen unterliegt und dass damit eine bauplanungsrechtliche Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB vorliegt.

10

Eine derartige Nutzungsänderung setzt eine Änderung der Nutzungsweise voraus, die insoweit bodenrechtlich relevant ist, als sie die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange berühren kann, womit die Genehmigungsfrage (erneut) aufgeworfen wird. Der Tatbestand einer Nutzungsänderung im Sinne von § 29 BauGB wird von solchen Veränderungen erfüllt, die außerhalb der jeder einzelnen Art von Nutzung eigenen Variationsbreite liegen. Dies kann sowohl dann der Fall sein, wenn für die neue Nutzung weitergehende Vorschriften gelten als für die alte, als auch dann, wenn sich die Zulässigkeit der neuen Nutzung nach derselben Vorschrift bestimmt, hiernach aber anders zu beurteilen ist als die bisherige Nutzung (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 - IV C 8.75 -, NJW 1977, 1932 und juris, Rn. 18; Urteil vom 27. August 1998 - 4 C 5/98 -, NVwZ 1999, 523 und juris, Rn. 17; Beschluss vom 7. November 2002 - 4 B 64/02 -, BRS 66 Nr. 70 und juris, Rn. 6; Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 2010, § 29 BauGB, Rn. 41).

11

Eine hiernach relevante Änderung der Nutzungsweise ergibt sich nicht bereits daraus, dass die genehmigte Nutzung des Wettbüros für Pferdewetten und die derzeit ausgeübte Nutzung für allgemeine Sportwetten unterschiedlichen Nutzungsarten nach den Bestimmungen der Baunutzungsverordnung zuzuordnen wären. Beide Nutzungsvarianten sind vielmehr in ihrer konkreten Ausgestaltung als Vergnügungsstätte einzustufen. Kennzeichen einer derartigen Vergnügungsstätte ist, dass sie als besondere Art von Gewerbebetrieben durch die kommerzielle Unterhaltung der Besucher geprägt wird und dabei in unterschiedlicher Ausprägung den Sexual-, Spiel- oder Geselligkeitstrieb anspricht (vgl. Bielenberg in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 4a BauNVO, Rn. 58; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 4a Rn. 22). Das Wettbüro der Antragstellerin ist ersichtlich nicht lediglich darauf angelegt, Wetten entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie Gewinne auszuzahlen. Vielmehr sollen die Kunden animiert werden, sich während der Sportveranstaltungen in den Räumen des Wettbüros aufzuhalten und die Sportereignisse, auf die sie gewettet haben, in Live-Übertragungen auf den Fernsehmonitoren zu verfolgen, womit gleichzeitig ein Gemeinschaftserlebnis entsteht. Ein entsprechendes Konzept kann der Planzeichnung des Wettbüros entnommen werden, die erkennen lässt, dass die Fläche des Wettbüros über die Erfordernisse hinausgeht, die ein reiner Wettschalter mit sich brächte. Zudem befinden sich dort Sitzgruppen, die über den gesamten Raum verteilt sind, sowie eine größere Monitorwand. Da diese Ausgestaltung nicht hinsichtlich der Sportart variiert, die Gegenstand der Wetten ist, handelt es sich bei dem Wettbüro sowohl hinsichtlich der genehmigten, auf Pferdewetten beschränkten Nutzung als auch bei der tatsächlich ausgeübten erweiterten Nutzung für allgemeine Sportwetten um eine Vergnügungsstätte (vgl. BayVGH, Urteil vom 6. Juli 2005 - 1 B 01.1513 -, juris, Rn. 42; HessVGH, Beschluss vom 19. September 2006 - 3 TG 32161/06 -, NVwZ-RR 2007, 81 und juris, Rn. 3 f., Beschluss vom 25. August 2008 - 3 UZ 2566/07 -, NVwZ-RR 2009, 143 und juris, Rn. 5, Fickert/Fieseler a.a.O., § 4a Rn. 22.23.69; die Frage offen lassend: OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2005 - 10 B 1600/05 -, juris, Rn. 4).

12

Eine geänderte bauplanungsrechtliche Beurteilung des Wettbüros kann sich indessen im Hinblick auf das Rücksichtnahmegebot ergeben. Eine bodenrechtlich relevante Nutzungsänderung entsteht insbesondere daraus, dass Unterschiede hinsichtlich der von der geänderten Nutzung ausgehenden Störungen oder Auswirkungen auf die Umgebung bestehen, die geeignet sind, die Genehmigungsfrage neu aufzuwerfen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. März 1989 - 4 B 24.89 - in NVwZ 1989, 666 und juris, Rn. 3).

13

Hinsichtlich der Nutzung als Wettbüro für allgemeine Sportwetten ergeben sich beachtliche Anhaltspunkte, dass hiervon andere Auswirkungen auf die Umgebung ausgehen, als dies bei einem auf Pferdewetten beschränkten Wettbüro der Fall ist. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass mit der Ausweitung der Sportarten ein erheblich größerer Interessentenkreis angesprochen wird als bei Pferdewetten. Dies wird von der Antragstellerin letztlich auch nicht in Zweifel gezogen. Das Konzept des Wettbüros wird zudem nicht lediglich in Randbereichen angepasst, sondern grundlegend umgestaltet. Die größere Bandbreite an Sportveranstaltungen, die Gegenstand der Wetten sind und deren Live-Übertragungen von den Kunden in den Räumen des Wettbüros verfolgt werden, legt gegenüber den auf eine Sportart konzentrierten Pferdewetten ein abweichendes Nutzerverhalten nahe. Hieraus ergibt sich jedenfalls die Möglichkeit geänderter Auswirkungen auf die Umgebung.

14

Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass sich hinsichtlich der Gesamtzahl der Kunden keine Veränderung ergeben habe, da das Interesse an Pferdewetten in gleichem Maße nachgelassen habe, wie die Attraktivität der allgemeinen Sportwetten gestiegen sei, schließt diese quantitative Feststellung als mögliches Indiz für eine weiterhin nachbarschafts- und umgebungsverträgliche Nutzung nicht bereits das Erfordernis eines erneuten Genehmigungsverfahren aus.

15

Für die Annahme einer bodenrechtlichen Relevanz des Nutzungswechsels kann nicht gefordert werden, dass Beeinträchtigungen tatsächlich nachzuweisen sind. Vielmehr ist entscheidend, dass entsprechende Beeinträchtigungen auftreten können. Ob sie tatsächlich in relevanter Weise vorliegen, muss im Genehmigungsverfahren selbst geprüft werden. Die Annahme einer Nutzungsänderung im bauplanungsrechtlichen Sinne kann nicht auf die Frage verengt werden, ob sich das Vorhaben in materiell-rechtlicher Hinsicht als unzulässig erweist. Vielmehr ist der Begriff in einer die behördliche Kontrollaufgabe berücksichtigenden Weise weit zu fassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1988 - 4 C 50/87 - in BRS 48, Nr. 58 und juris, Rn. 16). Hinzu kommt, dass § 62 Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe a) LBauO, der eine Ausnahme von der ansonsten bestehenden Genehmigungspflicht in bauordnungsrechtlicher Hinsicht normiert, eng auszulegen ist. Eine Genehmigungsfreiheit besteht lediglich dann, wenn feststeht, dass für die neue Nutzung keine anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen gelten. Soweit diese Frage offen bleibt, geben mögliche Unklarheiten Anlass zu einer Überprüfung im Genehmigungsverfahren.

16

Die im Hinblick auf die formelle Illegalität der Nutzungsänderung hiernach gerechtfertigte Nutzungsuntersagung erweist sich auch nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil der Antragstellerin eine entsprechende Genehmigung offensichtlich erteilt werden müsste. Die Nutzungsänderung in ein Wettbüro für allgemeine Sportwetten ist nicht offensichtlich genehmigungsfähig.

17

Das Verwaltungsgericht sieht die von der Antragstellerin vorgenommene Nutzungsänderung deshalb nicht als genehmigungsfähig an, weil das Anwesen R.straße … Teil eines faktischen allgemeinen Wohngebietes sei, in dem Vergnügungsstätten nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO auch ausnahmsweise nicht zugelassen werden könnten. Grundlage dieser Feststellung des Verwaltungsgerichtes ist ein Bestandsverzeichnis der Umgebung des Anwesens. Die Antragstellerin wendet hiergegen in ihrer Beschwerdebegründung ein, dass das Grundstück R.straße … in erster Linie geprägt werde durch die entlang dieser Straße festzustellende Bebauung, die indessen in stärkerem Umfang gewerblich geprägt sei, so dass ein Mischgebiet angenommen werden müsse. Diese unterschiedliche Einschätzung zeigt, dass die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Nutzung des Wettbüros für allgemeine Sportwetten nicht offensichtlich angenommen werden kann. Vielmehr bedarf die Charakterisierung der Umgebung des Vorhabens noch weiterer Aufklärung.

18

Liegen hiernach die Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung offensichtlich vor, so steht auch das besondere öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung nicht in Frage. Dieses öffentliche Interesse ist darin begründet, dass die praktizierte Nutzung nicht genehmigt war, durch die ungenehmigte Nutzung die präventive Kontrolle der Bauaufsicht verhindert wird und dass ungerechtfertigte Vorteile gegenüber denjenigen vermieden werden, die eine geänderte Nutzung erst nach Erteilung einer Genehmigung aufnehmen (vgl. Beschluss des Senats vom 5. Juli 2006 - 8 B 10574/06 -, BRS 70 Nr. 190 und juris, Rn. 13). Diese Dringlichkeit ist nicht dadurch entfallen, dass die Antragsgegnerin die angefochtene Verfügung erst ein knappes Jahr nach Kenntnis von dem betrieblichen Umfang des Wettbüros erlassen hat. Die Antragsgegnerin hat hierzu nachvollziehbar darauf verwiesen, dass ihr ein früheres Einschreiten angesichts von etwa 100 beanstandeten Wettbetrieben in ihrem Zuständigkeitsbereich nicht möglich gewesen sei.

19

Auch hinsichtlich der in dem Bescheid der Antragsgegnerin unter Ziffer IV verfügten Androhung unmittelbaren Zwanges ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, die aufschiebende Wirkung - abgesehen von der Reduzierung der TV-Bildschirme - nicht anzuordnen, rechtlich nicht zu beanstanden. Die nach § 20 AGVwGO von Gesetzes wegen mit Sofortvollzug versehene Zwangsmittelandrohung erweist sich ebenfalls als offensichtlich rechtmäßig, so dass auch insoweit das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt.

20

Die Androhung findet ihre Rechtsgrundlage in § 66 Abs. 1 i.V.m. § 65 Abs. 1 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes - LVwVG -. Hinsichtlich der von der Antragsgegnerin verfügten Nutzungsuntersagung ergibt sich im Einzelfall auch kein Nachrang des unmittelbaren Zwangs gegenüber Ersatzvornahme oder Zwangsgeld. § 65 Abs. 1 LVwVG sieht vor, dass der unmittelbare Zwang angewendet werden kann, wenn die Ersatzvornahme oder das Zwangsgeld nicht zum Ziel führt oder sie untunlich sind. Als untunlich erweist sich die Anwendung von Ersatzvornahme oder Zwangsgeld auch dann, wenn ihr Einsatz zwar Erfolg versprechend ist, der unmittelbare Zwang sich aber im konkreten Fall als wirksamer darstellt (vgl. Engelhardt/App, Verwaltungsvollstreckungsgesetz - Verwaltungszustellungsgesetz, 8. Aufl. 2008, § 12 VwVG, Rn. 9). Da der von der Antragsgegnerin angedrohte unmittelbare Zwang letztlich nur in einem Zugriff auf die Geräte besteht, die für allgemeine Sportwetten genutzt werden, stellt er sich einerseits als wirkungsvoller als eine Ersatzvornahme oder eine Zwangsgeldfestsetzung dar. Andererseits wird die Antragstellerin durch den mit dem unmittelbaren Zwang verbundenen Eingriff, mit dem die Benutzung einzelner Vermögensgegenstände unterbunden werden soll, nicht stärker belastet als durch eines der anderen Zwangsmittel (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. Januar 2010 - 6 B 11030/09.OVG -).

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

22

Der Wert Streitgegenstandes bestimmt sich nach den §§ 47, 53 Abs. 3 und 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... befindet sich ein dreigeschossiges Wohn- und Geschäftshaus, das im Erdgeschoss vier gewerbliche Einheiten aufweist und im Übrigen bzw. in den Obergeschossen zu Wohnzwecken genutzt wird.

Das Grundstück liegt im Umgriff des am 8. Juli 1996 in Kraft getretenen Bebauungsplanes „...“ der Beigeladenen, der für das streitgegenständliche Grundstück ein Mischgebiet festsetzt. Nach Nr. 1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes sind in dem Mischgebiet die in § 6 Abs. 2 Nrn. 4, 6, 7, 8 Baunutzungsverordnung (BauNVO) genannten Nutzungen gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO nicht zulässig. Ausnahmen im Sinne des § 6 Abs. 3 BauNVO sind gemäß § 1 Abs. 6 BauNVO nicht Bestandteil des Bebauungsplanes.

Am 13. November 2012 stellte das Landratsamt ... (im Folgenden Landratsamt) anlässlich einer Baukontrolle fest, dass der Kläger im Erdgeschoss des Gebäudes in bisher als Ladengeschäft genutzten Räumlichkeiten ein Wettbüro betrieb.

Das Landratsamt forderte den Grundstückseigentümer mit Schreiben vom 13. Dezember 2012 auf, für die bereits erfolgte Nutzungsänderung bis 20. Dezember 2012 einen Bauantrag zu stellen.

Mit Formblatt vom 22. November 2012 beantragte der Kläger über die Beigeladene beim Landratsamt die Erteilung einer Genehmigung für die Nutzungsänderung des Ladengeschäftes in ein Wettbüro mit Sportsbar.

Die Beigeladene versagte am 7. Januar 2013 als Angelegenheit der laufenden Verwaltung der beantragten Nutzungsänderung das gemeindliche Einvernehmen.

Nach vorheriger Anhörung lehnte das Landratsamt mit Bescheid vom 4. Juni 2013, Az. ..., den Antrag des Klägers auf Nutzungsänderung zur Einrichtung eines Wettbüros mit Sportsbar ab (Nr. 1 des Bescheides) und untersagte die bereits ausgeübte Nutzung als Wettbüro mit Sportsbar ab dem Zeitpunkt der Bestandskraft des Bescheides (Nr. 2 des Bescheides).

Zur Begründung des Bescheides führte das Landratsamt im Wesentlichen aus, bei dem Wettbüro mit Sportsbar handle es sich um eine Vergnügungsstätte im Sinne der Baunutzungsverordnung und nicht nur um eine bloße Wettannahmestelle. Auch wenn die Nutzfläche nur 43,85 qm betrage, stehe die kommerzielle Unterhaltung der Besucher des Wettbüros im Vordergrund. Zwar setze der Bebauungsplan für das Grundstück ein Mischgebiet nach § 6 BauNVO fest. Nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes seien aber die nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO grundsätzlich allgemein zulässigen Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO unzulässig. Darüber hinaus sei nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes die Regelung in § 6 Abs. 3 BauNVO nicht Bestandteil des Bebauungsplanes. Die Voraussetzungen für die beantragte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes nach § 31 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) lägen nicht vor. Die Erteilung einer Befreiung würde die Grundzüge der Planung insoweit berühren, als sich im gesamten Bereich des Bebauungsplanes bislang keine Vergnügungsstätte befinde, d. h. der Bebauungsplan diesbezüglich konsequent vollzogen worden sei. Die Erteilung einer Befreiung würde darüber hinaus einen Bezugsfall und einen Ansatz für weitere von der Beigeladenen unerwünschte und mit dem Bebauungsplan nicht vereinbare Nutzungen schaffen. Die bereits ausgeübte Nutzung sei nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß Art. 76 Satz 2 Bayerische Bauordnung (BayBO) zu untersagen. Die Nutzung sei formell und materiell rechtswidrig. Eine Abwägung zwischen dem Interesse des Klägers an einer weiteren rechtswidrigen Nutzung und dem berechtigten Verlangen der Allgemeinheit, eine nicht genehmigungsfähige Nutzung nicht weiter zu dulden, führe zur Anordnung der Nutzungsuntersagung.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 14. Juni 2013, eingegangen bei Gericht am 17. Juni 2013, bei Gericht Klage erhoben und beantragt,

1. den Bescheid des Landratsamtes vom 4. Juni 2013 aufzuheben,

2. den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Nutzungsänderung zur Errichtung eines Wettbüros mit Sportsbar auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... zu erteilen,

3. hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Nutzungsänderung zur Errichtung eines Wettbüros mit Sportsbar auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.

Der Kläger hat die Klageanträge mit Schreiben vom 12. Juli 2013 im Wesentlichen wie folgt begründet. Das Vorhaben sei nach § 30 Abs. 1 BauGB planungsrechtlich zulässig. Ein Wettbüro mit 34,54 qm Netto-Nutzfläche und der beantragten Ausstattung stelle keine Vergnügungsstätte im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO oder des § 7 BauNVO dar. In der Regel handle es sich bei Wettbüros um Räumlichkeiten, deren Nutzung primär darauf gerichtet seien, lediglich Sportwetten zu vermitteln. Für eine städtebauliche Einstufung als Vergnügungsstätte sei es erforderlich, zu ermitteln und städtebaulich zu begründen, worin die städtebaulich nachteiligen Auswirkungen, die von Vergnügungsstätten typischerweise ausgingen, im konkreten Fall bestünden. Zu den vergnügungsstättentypischen Auswirkungen gehöre insbesondere der Lärm, der von der Nutzung selbst ausgehe, wie z. B. von Musikdarbietungen oder Geräuschen von feiernden Teilnehmern sowie Lärm im Zusammenhang mit der An- und Abfahrt der Besucher wie z. B. Motorengeräuschen, Türenschlagen, Gesprächen bei der Verabschiedung etc. Das rechtfertige es, Diskotheken, Tanzlokale etc. als Vergnügungsstätten im Sinne der Baunutzungsverordnung anzusehen. Mit dem Störpotenzial solcher Vergnügungsstätten sei ein Wettbüro der vorliegenden Art aber nicht vergleichbar. Das Wettbüro, so wie es vom Kläger beantragt sei, verfüge über einen Thekenbereich, der dem Platzieren der Wetten und der Aufsicht diene. An den Wänden hingen TV-Geräte, auf denen Sportereignisse gezeigt würden. An den Wänden aufgehängten Monitoren könne der Wettverlauf verfolgt werden. Es stünden Sitzmöglichkeiten zur Verfügung, um etwa Wettscheine auszufüllen. Heiß- und Kaltgetränke könnten aus Automaten bezogen werden. Das Störpotenzial des Wettbüros entspreche daher eher dem einer Schank- und Speisewirtschaft als dem einer Vergnügungsstätte. Auch eine milieubedingte Unruhe könne bei Räumlichkeiten, die lediglich der Vermittlung von Sportwetten dienten, ausgeschlossen werden. Ein Vergleich mit Spielhallen und Spielcasinos verbiete sich, da diese eine eigenständige städtebaulich relevante Nutzungs(unter)art der Vergnügungsstätten darstellten. Es handle sich demnach um einen das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieb sui generis, der in dem festgesetzten Mischgebiet allgemein zulässig sei. Aber auch wenn man vom Vorliegen einer Vergnügungsstätte ausgehe, stehe dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes nach § 31 Abs. 2 BauGB zu. Die Zulassung einer nichtkerngebietstypischen Vergnügungsstätte der vorliegenden geringen Größe in einem gewerblich geprägten Teil des Mischgebietes berühre nicht die Grundzüge der Planung. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass eine auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegende Spielhalle als genehmigungsfähig erachtet worden sei. Ein sog. „Trading-Down-Effekt“ oder ein Kippen des Gebietes sei nicht zu befürchten, da ein schützenswerter Einzelhandel nicht vorhanden sei. Auch unter Berücksichtigung der nachbarlichen Interessen lägen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung vor, da diese angesichts der Vornutzung als Ladengeschäft mit einer Wiederaufnahme der gewerblichen Nutzung rechnen müssten. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung vorlägen, sei diese regelmäßig zu erteilen, zumal auch fiskalische Interessen der Beigeladenen durch die Zulassung des Vorhabens nicht berührt würden.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 5. August 2013 beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung des Antrages auf Klageabweisung hat das Landratsamt in dem Schreiben vom 5. August 2013 im Wesentlichen nochmals ausgeführt, dass es sich bei der streitgegenständlichen Nutzung um eine Vergnügungsstätte im Sinne der Baunutzungsverordnung handle, die nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig sei und auch kein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung für die erstmalige Zulassung einer Vergnügungsstätte im Umgriff des Bebauungsplanes bestehe.

Hierauf hat sich der Kläger mit Schreiben vom 11. September 2013 wie folgt geäußert. Entscheidend für die Einstufung des Wettbüros als Vergnügungsstätte sei ein mit einer Vergnügungsstätte vergleichbares Störpotenzial. Vorliegend unterscheide sich das Störpotenzial der Wettannahmestelle von dem einer Schank- und Speisewirtschaft noch darin, dass keine alkoholischen Getränke ausgeschenkt würden, so dass übermäßiger Alkoholgenuss als relevante Störquelle ausscheide. Im Hinblick auf die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes habe, sei nicht nur der Bereich des festgesetzten Mischgebietes maßgeblich, sondern alle Nutzungen der näheren Umgebung. Deshalb müssten auch die außerhalb des Umgriffs des Bebauungsplanes in der näheren Umgebung vorhandenen Nutzungsarten bei der Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen berücksichtigt werden. Auf dem nördlich der „... Straße“ angrenzenden Grundstück (... Str. ...) befinde sich ein .... Auf dem ebenfalls nördlich der „... Straße“ liegenden Grundstück (... Str. ...) befinde sich ein Lebensmitteldiscounter, der unter Umständen bereits die Schwelle zu einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb überschritten habe. Auch befinde sich in der näheren Umgebung, nämlich im Bereich der Kreuzung „... Straße“/„... Straße“ bereits eine kerngebietstypische Spielhalle. Angesichts dieser die nähere Umgebung prägenden Nutzungen falle ein Wettbüro mit einer Nutzfläche von unter 50 qm städtebaulich nicht ins Gewicht.

Mit Schreiben vom 10. März 2014 machte der Kläger darüber hinaus geltend, er habe zwischenzeitlich bei der Beigeladenen die Fläche des Baulandes des Bebauungsplanes abgefragt, um anhand der festgesetzten Geschossflächenzahl (GFZ) die zulässige Geschossfläche zu errechnen. Im Hinblick auf den Befreiungsantrag sei beabsichtigt, das Verhältnis der Größe des Wettbüros zur Gesamtgeschossfläche in dem Mischgebiet darzustellen. Auf diese Anfrage habe die Beigeladene erklärt, sie könne die gewünschte Auskunft nicht erteilen, da in dem Bebauungsplan keine „Nettobauflächen“ festgelegt worden seien. Im ländlichen Bereich würden solche Erhebungen nicht durchgeführt, da es sich um keinen städtischen Verdichtungsraum handle. Die Grundflächenzahl (GRZ) und die Geschossflächenzahl (GFZ) würden daher standardmäßig nach der Baunutzungsverordnung festgelegt. Da der Beigeladenen das (Netto-)Bauland nicht bekannt sei und auch bei der Aufstellung des Bebauungsplanes nicht bekannt gewesen sei, sei ihr im Zeitpunkt der Abwägung unbekannt gewesen, welches absolute Maß an Grundflächen und Geschossflächen sich in dem Baugebiet entwickeln könne. Diese Unkenntnis sei aber mit dem Gebot einer geordneten städtebaulichen Entwicklung nicht vereinbar. Der Bebauungsplan leide deswegen an einem unheilbaren Abwägungsmangel und sei nichtig. Die planungsrechtliche Zulässigkeit der Wettannahmestelle beurteile sich demnach nach § 34 BauGB.

Auf Nachfrage des Gerichts hat der Kläger mitgeteilt, dass er gegen den Bebauungsplan keinen Normenkontrollantrag gestellt habe und auch keinen stellen werde.

Das Gericht hat am 1. Juli 2014 einen nichtöffentlichen Augenscheinstermin durchgeführt.

Der Kläger und der Beklagte haben in dem Augenscheinstermin, die Beigeladene mit Schreiben vom 21. Oktober 2014 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten, die Gerichtsakte und die Niederschrift über den Augenscheinstermin Bezug genommen.

Gründe

Über die Klageanträge konnte ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten nach § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Juni 2013 zu verpflichten, ihm die beantragte Nutzungsänderung vom 22. November 2012 zur Errichtung eines Wettbüros mit Sportsbar zu erteilen. Er hat auch keinen Anspruch, den Beklagten unter Aufhebung der Nr. 1 des Bescheides vom 4. Juni 2013 zu verpflichten, über den Antrag auf Nutzungsänderung vom 22. November 2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, § 113 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 VwGO. Der ablehnende Bescheid des Landratsamtes vom 4. Juni 2013 ist rechtmäßig.

1.1 Die antragsgegenständliche Nutzungsänderung von einem Ladengeschäft in ein Wettbüro mit Sportsbar ist nach Art. 55 BayBO genehmigungspflichtig.

Eine genehmigungspflichtige Nutzung setzt voraus, dass durch die Verwirklichung des Vorhabens im Wege einer neuen Zweckbestimmung die einer jeden Art von Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und dass für die geänderte Nutzung andere bauplanungs- oder bauordnungsrechtliche Anforderungen in Betracht kommen können als für die bisherige Nutzung (BayVGH, U. v. 19.5.2011 - 2 B 11.353 - BayVBl. 2012, 86). Eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung im Sinne des Art. 55 Abs. 1 BayBO liegt vor, wenn der Anlage wenigstens teilweise eine neue Zweckbestimmung gegeben wird und die Änderung baurechtlich relevant ist (BayVGH, U. v. 18.5.1982 - 1 B-179/79 - BayVBl. 1983, 656). Der bauordnungsrechtliche Begriff der Nutzungsänderung stimmt mit dem bauplanungsrechtlichen Begriff der Nutzung im Sinne des § 29 BauGB überein (vgl. BVerwG, U. v. 11.11.1988 - 4 C 50/87 - NVwZ-RR 1989, 340). Eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB ist ebenfalls ein Vorhaben, durch dessen Verwirklichung die bisherige Variationsbreite der genehmigten Nutzung verlassen wird und bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, so dass sich die Genehmigungsfähigkeit unter bodenrechtlichen Aspekten neu stellt.

Die antragsgegenständliche Nutzungsänderung von einem Ladengeschäft (Verkauf von Fischen) in ein Wettbüro mit Sportsbar verlässt danach die der bisher genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite, da der Anlage eine neue Zweckbestimmung gegeben wird, die auch baurechtlich relevant ist.

1.2. Die beantragte Nutzungsänderung ist nicht genehmigungsfähig.

Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 HalbsBayBOayBO ist die Baugenehmigung bzw. Nutzungsänderungsgenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nur in diesem Fall besteht ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung. Da das Bauvorhaben des Klägers keinen Sonderbau nach Art. 2 Abs. 4 BayBO darstellt, beschränkt sich die Prüfung durch die Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 Satz 1 BayBO auf die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne des Art. 81 Abs. 1 BayBO (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO), beantragte Abweichungen im Sinne des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO (Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO) sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO).

Im vorliegenden Fall stehen der Zulässigkeit der Nutzungsänderung die Festsetzungen des rechtsverbindlichen Bebauungsplanes „...“ der Beigeladenen entgegen und hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes nach § 31 Abs. 2 BauGB.

1.2.1 Der Bebauungsplan ist weder insgesamt noch in Bezug auf seine textlichen Festsetzungen zur Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit von Vergnügungsstätten nichtig.

1.2.1.1 Der Bebauungsplan „...“ ist am 8. Juli 1996 in Kraft getreten.

Der vom Kläger geltend gemachte Abwägungsfehler, dass die Beigeladene in dem Bebauungsplan bei der Festsetzung der jeweiligen maßgeblichen höchstzulässigen Grundflächenzahl (GRZ) bzw. Geschossflächenzahl (GFZ) die in § 17 BauNVO genannten Höchstgrenzen herangezogen habe, ohne „Nettobauflächen“ festzulegen, wäre ungeachtet der Frage, ob darin überhaupt ein Abwägungsfehler zu sehen ist, ein solcher jedenfalls unbeachtlich, weil er ihn nicht nach § 213 Abs. 2 Satz 3 BauGB und § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB in der maßgeblichen Fassung vom 8. Dezember 1986 innerhalb von sieben Jahren seit Bekanntmachung des Bebauungsplanes schriftlich und unter Darlegung des Sachverhaltes, der den Mangel begründen soll, gegenüber der Beigeladenen geltend gemacht hat. Die Vorschrift des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB in der Fassung vom 8. Dezember 1986 umfasst im Grundsatz sowohl Mängel im Abwägungsvorgang als auch im Abwägungsergebnis (vgl. Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: April 2014, § 215 Rn. 11). Ob in atypischen Fällen, in denen ein Bebauungsplan an einem schwerwiegenden Abwägungsmangel leidet, der innerhalb von sieben Jahren gleichwohl nicht geltend gemacht werden konnte oder nicht geltend gemacht worden ist, der Anwendungsbereich des § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB in der Fassung vom 8. Dezember 1986 einer verfassungskonformen Einschränkung bedarf, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Ein gegebenenfalls ausnahmsweise beachtlicher schwerwiegender Mangel des Abwägungsergebnisses liegt nämlich nicht vor. Die Annahme eines schwerwiegenden Mangels wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Plan selbst derart fehlerhaft ist, dass ein Vertrauen auf seine Gültigkeit nicht schutzwürdig ist. Es ist muss sich um Verletzungen von Vorschriften handeln, für die aus rechtsstaatlicher Sicht eine Planerhaltung schlichtweg nicht vertretbar erscheint. Ein schwerwiegender Mangel des Abwägungsergebnisses in diesem Sinne muss sich einem verständigen Beobachter geradezu aufdrängen (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Stand: April 2014, BauGB, § 215 Rn. 5; NdsOVG, U. v. 11.11.2013 - 12 LC 257/12 - juris Rn. 36).

Ungeachtet der Frage, ob vorliegend überhaupt ein Abwägungsmangel gegeben ist, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Vorgehensweise der Beigeladenen, die höchstzulässige Grundflächenzahl (GRZ) bzw. Geschossflächenzahl (GFZ) entsprechend der Regelung in § 17 Abs. 1 BauNVO festzusetzen, einen schwerwiegenden, zur Nichtigkeit des Bebauungsplanes führenden Mangel darstellen könnte.

1.2.1.2 Der Bebauungsplan ist auch nicht teilweise nichtig, soweit er Regelungen zur Zulässigkeit von Vergnügungsstätten trifft.

Nach § 1 Abs. 5 BauNVO kann in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4 bis 9 und 13 BauNVO allgemein zulässig sind, nicht zulässig sein sollen, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebietes gewahrt bleibt. Daneben kann nach § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO auch festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 BauNVO vorgesehen sind, nicht Bestandteil des Bebauungsplanes werden. Danach kann auch der generelle Ausschluss von Vergnügungsstätten Gegenstand einer Festsetzung des Bebauungsplanes sein (vgl. BayVGH, B. v. 16.11.2009 - 1 ZB 07.345 - juris Rn. 16).

Voraussetzung für die Gültigkeit einer solchen Festsetzung ist, dass der Ausschluss im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB für die städtebauliche Entwicklung erforderlich ist. Aus dem Erforderlichkeitsmerkmal lässt sich aber nicht ableiten, dass bauplanerische Festsetzungen nur zulässig sind, wenn sie zur Bewältigung einer bauplanungsrechtlichen Problemlage unentbehrlich oder gar zwingend geboten sind (BVerwG, U. v. 22.1.1993 - 8 C 46/91 - NVwZ 1993, 1102). Was im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich ist, bestimmt sich maßgeblich nach der jeweiligen planerischen Konzeption. Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Ist es das erklärte Ziel der Beigeladenen, mit dem Ausschluss von Vergnügungsstätten die vorhandene Mischgebietsstruktur zu erhalten und zu stärken, erfüllt dies die Anforderungen an die Planrechtfertigung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB.

1.2.2 Bei dem streitgegenständlichen Wettbüro mit Sportsbar handelt es sich um eine Vergnügungsstätte im Sinne der Baunutzungsverordnung.

Ob ein Wettbüro als Vergnügungsstätte einzustufen ist, hängt von der konkreten Ausgestaltung des Wettbüros ab (BayVGH, B. v. 25.4.2013 - 15 ZB 13.274 - juris Rn. 4; OVG RhPf, B. v. 14.4.2011 - 8 B 10278/11 - NVwZ-RR 2011, 645). Dabei kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob bloße ladengeschäftsartige Wettannahmestellen eine „bestimmte Art“ der im Mischgebiet allgemein oder ausnahmsweise zulässigen Nutzungen im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO sind (so auch BayVGH, B. v. 25.4.2013 - 15 ZB 13.274 a. a. O.). Eine solche Wettannahmestelle liegt nämlich jedenfalls in den Fällen nicht vor, in denen das Betriebskonzept nicht lediglich darauf angelegt ist, ähnlich einer bloßen Lotto-Toto-Annahmestelle Wetten entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie Gewinne auszubezahlen. Unter Berücksichtigung der konkreten Ausstattung des Wettbüros kommt im vorliegenden Fall der kommerziellen Unterhaltung der Kunden durch die Teilnahme am Wettspiel in geselliger Runde erhebliche Bedeutung zu. Die vorhandenen Sitzgruppen, die Anzahl der Monitore und die Möglichkeit, nicht-alkoholische Getränke zu sich zu nehmen, dienen ersichtlich dem Zweck, die Gäste dazu zu motivieren, im Wettlokal zu verbleiben, gemeinsam die Spannung des Wettspiels zu erleben und gegebenenfalls auch dazu animiert zu werden, weiter an den angebotenen Wettspielen teilzunehmen. Dient die Ausstattung des Wettbüros dazu, die Kunden dazu zu bewegen, sich während der Sportveranstaltungen in den Räumen des Wettbüros aufzuhalten und die Sportereignisse, auf die sie gewettet haben, in Live-Übertragungen auf den angebrachten Fernsehmonitoren zu verfolgen, kommt dem jeweiligen Gemeinschaftserlebnis erhebliche Bedeutung zu (vgl. zum Ganzen OVG RhPf, B. v. 14.4.2011 - 8 B 10278/11 - NVwZ-RR 2011, 635; VG Augsburg, U. v. 30.1.2014 - Au 5 K 13.777 - juris Rn. 48; VG Augsburg, U. v. 26.9.2013 - Au 5 K 12.1307 - juris Rn. 45; VG Augsburg, U. v. 18.10.2012 - Au 5 K 12.1131 - juris Rn. 30). Kennzeichen von Vergnügungsstätten ist es nämlich, dass bei diesen in unterschiedlicher Ausprägung die kommerzielle Unterhaltung der Kunden bzw. Besucher im Vordergrund steht. Im Unterschied zu einem Ladengeschäft, in dem Waren oder Dienstleistungen angeboten werden, kommt es den Besuchern eines Wettbüros in der hier vorliegenden Ausgestaltung und Ausstattung typischerweise nicht auf die bloße Auswahl und den Erwerb eines Produktes an. Anders als etwa in Lotto-Toto-Annahmestellen, die an eine Verkaufsstelle angegliedert sind, will der typische Besucher eines Wettbüros in der hier vorliegenden Ausgestaltung bzw. Ausstattung eben nicht bloß seine Wette einreichen und einen eventuellen Gewinn kassieren bzw. abholen. Der Reiz des Besuchs des Wettbüros mit Sportsbar besteht in diesem Fall zu einem wesentlichen Anteil auch darin, sich dort aufzuhalten, um sich nach Möglichkeit mit anderen auszutauschen und die Zeit bis zum Eintritt des Wettergebnisses in einer als angenehm empfundenen Weise und Umgebung zu nutzen. Wettbüros ziehen daher ähnlich wie Spielhallen ein anderes Publikum als ein Ladengeschäft bzw. eine bloße Lotto-Toto-Annahmestelle an (vgl. hierzu VGH BW, U. v. 13.5.2005 - 3 S 1524/04 - BauR 2005, 1892).

Da die Ausgestaltung und Ausstattung des Wettbüros im vorliegenden Fall den oben dargelegten betrieblichen Abläufen entspricht, ist im Rahmen der für die Einordnung als Vergnügungsstätte im Sinne der Baunutzungsverordnung maßgeblichen typisierenden Betrachtungsweise davon auszugehen, dass von dem Wettbüro mit Sportsbar die städtebaulichen Wirkungen ausgehen, die Vergnügungsstätten typischerweise hervorrufen. Diese spezifischen Wirkungen, die Vergnügungsstätten typischerweise entfalten, sind heranzuziehen, um sie von anderen in der Baunutzungsverordnung geregelten Nutzungsarten abzugrenzen. Die konkrete Intensität der städtebaulich relevanten negativen Folgewirkungen von Vergnügungsstätten kommt darüber hinaus erst im Rahmen der Abgrenzung zwischen den auf Kerngebiete beschränkten kerngebietstypischen Vergnügungsstätten und den sonstigen Vergnügungsstätten zum Tragen. Hierauf kommt es vorliegend aber nicht an, da der Bebauungsplan in dem Bereich, für den er ein Mischgebiet festsetzt, sämtliche Vergnügungsstätten, also auch die nicht kerngebietstypischen Vergnügungsstätten, ausschließt. Da für die Einordnung der Nutzung als Vergnügungsstätte im Rahmen einer abstrakten Betrachtungsweise auf deren spezifische Wirkungen abzustellen ist, die von Vergnügungsstätten typischerweise ausgehen, werden im Übrigen die konkreten Auswirkungen der Vergnügungsstätte im Einzelfall allenfalls für die Frage relevant, ob eine an und für sich zulässige Vergnügungsstätte im Einzelfall nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig ist, weil sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebietes widerspricht, oder nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzulässig ist, weil von ihr Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebietes im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind.

1.2.3 Die Spielhalle mit Sportsbar ist nicht nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO in dem festgesetzten Mischgebiet allgemein zulässig.

Das ergibt sich ungeachtet der Tatsache, dass der Teil des Plangebietes, in dem sich die Vergnügungsstätte befindet, im Hinblick auf die in den Obergeschossen des Wohn- und Geschäftshauses ausschließlich vorhandene Wohnnutzung nicht überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt ist und bereits deshalb die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt sind, daraus, dass in Nr. 1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes - wie oben dargelegt - die allgemeine Zulässigkeit von nicht kerngebietstypischen Vergnügungsstätten wirksam ausgeschlossen wird.

1.2.4 Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung bzw. Nutzungsänderungsgenehmigung unter Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB zu.

Zwar können in einem Mischgebiet Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in den Teilen des Gebietes, die nicht überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind, nach § 6 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zugelassen werden. Ungeachtet der Tatsache, dass der Teil des Plangebietes, in dem sich das Wettbüro mit Sportsbar des Klägers befindet, im Hinblick auf die in den Obergeschossen des Wohn- und Geschäftshauses ausschließlich vorhandene Wohnnutzung nicht überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt ist, setzt ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme aber voraus, dass das Vorhaben ausnahmefähig ist. Eine solche Ausnahmefähigkeit ist vorliegend zu verneinen, da Nr. 1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes - wie oben dargelegt - wirksam auch die ausnahmsweise planungsrechtliche Zulässigkeit von Vergnügungsstätten ausschließt.

1.2.5 Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung bzw. Nutzungsänderungsgenehmigung im Rahmen einer Befreiung von der Festsetzung des Bebauungsplanes, nach der Vergnügungsstätten unzulässig sind, zu.

Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern, § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist, § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB, oder die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde, § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB, und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

Die Grundzüge der Planung bilden die den Festsetzungen des Bebauungsplanes zugrunde liegende und in ihnen zum Ausdruck kommende planerische Konzeption des Planungsträgers. Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt dabei von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege einer Änderungsplanung möglich ist (vgl. BVerwG, B. v. 5.3.1999 - 4 B 5/99 - NVwZ 1999, 1110).

Bei den Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung spricht viel dafür, dass es sich dabei regelmäßig um Grundzüge der Planung handelt. Auch im vorliegenden Fall lässt die ausdrückliche Entscheidung der Beigeladenen, in dem Bereich des festgesetzten Mischgebietes Vergnügungsstätten generell auszuschließen, den Schluss zu, dass sie dies als einen der tragenden städtebaulichen Zielsetzungen des Planungskonzeptes angesehen und den Grundzügen der Planung zugerechnet hat.

Gehört die Festsetzung zu den Grundzügen der Planung kann hiervon im Übrigen nur befreit werden, wenn die Abweichung für das Plangefüge von untergeordneter Bedeutung ist. Die Frage der untergeordneten Bedeutung ist mit Rücksicht auf die Vorbildwirkung einer Befreiung und den Gleichheitssatz nicht nur nach der Auswirkung der einzelnen Befreiung zu beurteilen, sondern auch danach, welche Auswirkungen die Befreiung in gleich gelagerten Fällen zur Folge hätten (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand April 2014, § 31 Rn. 37). Es ist vorliegend nicht von der Hand zu weisen, dass im Falle der Erteilung einer Befreiung dieser eine Vorbildwirkung für gleich gelagerte Fälle im Plangebiet zukäme.

An dieser Einschätzung ändert sich auch ungeachtet der Tatsache, ob der „... Straße“ eine trennende Wirkung zukommt oder nicht, dadurch nichts, dass nördlich der „... Straße“ und damit außerhalb des Umgriffs des Bebauungsplanes „...“ eine gewerbliche Nutzung von einigem Gewicht wie z. B. ein ..., ein Lebensmitteldiscounter und eine Spielhalle vorhanden sind.

Da danach bereits die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht gegeben sind, ist ein Ermessen der Behörde nicht eröffnet.

1.2.6 Da bereits die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung bzw. Nutzungsänderungsgenehmigung nicht erfüllt sind und auch kein Ermessen für die Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes eröffnet ist, steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Aufhebung des ablehnenden Bescheides und erneute Verbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Aufhebung der Anordnung der Nutzungsuntersagung in Nr. 2 des Bescheides vom 4. Juni 2013. Der Bescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Nutzungsuntersagung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 76 Satz 2 BayBO. Danach kann, wenn eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt wird, diese Nutzung untersagt werden.

Die bereits erfolgte Nutzungsänderung von einem Ladengeschäft in ein Wettbüro mit Sportsbar ist nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtig. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen unter Nr. 1.1 Bezug genommen.

Für eine rechtmäßige Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO ist grundsätzlich bereits die formelle Illegalität der Nutzung ausreichend (BayVGH, B. v. 14.8.2006 - ZB 06.1681 - juris Rn. 2; Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Mai 2013, Art. 76 Rn. 282). Ob die geänderte Nutzung materiell-rechtlich genehmigungsfähig ist, spielt grundsätzlich nur dann eine Rolle, wenn die Genehmigungsfähigkeit offensichtlich ist. Dann scheidet nämlich eine Nutzungsuntersagungsverfügung im Rahmen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung gegebenenfalls aus (vgl. Decker in Simon/Busse a. a. O. Art. 76 Rn. 282).

Eine derartige offensichtliche Genehmigungsfähigkeit ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Wie oben unter Nr. 1.2 ausgeführt, ist die beantragte Nutzungsänderung vielmehr materiell-rechtlich nicht genehmigungsfähig.

Die Nutzungsuntersagung in Nr. 2 des Bescheides vom 4. Juni 2013 erweist sich im Ergebnis auch als ermessensgerecht. Das gilt ungeachtet der vom Landratsamt in dem Bescheid gewählten Formulierung, dass die Nutzungsuntersagung gegenüber dem Kläger auszusprechen „war“. Ist nämlich eine ausgeübte Nutzung wie hier planungsrechtlich unzulässig, so macht die Bauaufsichtsbehörde im Regelfall von ihrem Ermessen in einer dem Zweck des Gesetzes entsprechenden Weise Gebrauch, wenn sie die unzulässige Benutzung untersagt, wenn nur so die Rechtsordnung wiederhergestellt werden kann. Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung ist der Ausspruch eines Nutzungsverbotes grundsätzlich eine ermessensgerechte Entscheidung (BayVGH, B. v. 13.3.2012 - 9 ZB 11.769 - juris Rn. 12). Damit genügt die Behörde ihrer Begründungspflicht aus Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) regelmäßig dann, wenn sie zum Ausdruck bringt, dass der beanstandete Zustand wegen seiner Rechtswidrigkeit nicht hingenommen werden kann. Eine weitergehende Begründung der Ermessenserwägungen ist entbehrlich, da es sich bei dem durch Art. 76 Satz 2 BayBO eingeräumten Entschließungsermessen um ein sog. intendiertes Ermessen handelt, die Vorschrift daher für den Regelfall von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne, nämlich hin zur Nutzungsuntersagung, ausgeht, und besondere Gründe vorliegen müssen, um ausnahmsweise eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen (vgl. Decker in Simon/Busse, a. a. O., Art. 76 Rn. 310). Daher wird das behördliche Ermessen nur eröffnet, um in Ausnahmefällen zu ermöglichen, von dem an sich gebotenen Einschreiten abzusehen, wenn dieses nach den konkreten Umständen nicht opportun ist. Besondere Umstände, die ein ausnahmsweises Nichteinschreiten im vorliegenden Fall rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Damit genügen die vom Landratsamt angestellten Ermessenserwägungen zur Begründung der Nutzungsuntersagung den gesetzlichen Anforderungen, da es jedenfalls zum Ausdruck gebracht hat, dass der beanstandete Zustand wegen seiner bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit nicht hingenommen werden kann.

Die Bauaufsichtsbehörde hat auch das ihr zustehende Auswahlermessen hinsichtlich der Störerauswahl ordnungsgemäß ausgeübt. Sind mehrere ordnungsrechtlich verantwortliche Personen vorhanden, kann die Bauaufsichtsbehörde zur Herstellung und Aufrechterhaltung baurechtmäßiger Zustände nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, welchen von mehreren Störern sie in Anspruch nimmt. Dabei ist regelmäßig die verantwortliche Person in Anspruch zu nehmen, die die Gefahr am schnellsten und wirksamsten zu beseitigen in der Lage ist, wobei die Kriterien der Sachnähe, Zumutbarkeit und Billigkeit als Ausfluss des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen sind. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde ihre Verfügung zur Wiederherstellung baurechtmäßiger Zustände nach pflichtgemäßem Ermessen sowohl an den Eigentümer als Zustandsstörer im Sinne des Art. 9 Abs. 2 Landes-, Straf- und Verordnungsgesetz (LStVG) als auch unmittelbar an den Betreiber des Wettbüros als Verhaltensverantwortlichen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG richten. Auch insoweit begegnet daher die in dem Bescheid vom 4. Juni 2013 getroffene Entscheidung, den Kläger als Pächter der streitgegenständlichen Räumlichkeiten als Adressaten der Nutzungsuntersagungsverfügung in Anspruch zu nehmen, keinen rechtlichen Bedenken.

Die zeitliche Verknüpfung der Verpflichtung zur Unterlassung der ausgeübten Nutzung mit dem Zeitpunkt der Bestandskraft des Bescheides ist ebenfalls rechtmäßig und insbesondere auch verhältnismäßig, zumal der streitgegenständliche Bescheid über die bloße Nutzungsuntersagung hinaus keine weitergehenden Anordnungen, z. B. hinsichtlich der Entfernung von für den Betrieb des Wettbüros mit Sportsbar erforderlichen Gegenständen, enthält.

3. Im Ergebnis war daher die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht nach § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, da sie keinen Antrag gestellt und sich nicht am Prozesskostenrisiko beteiligt hat.

Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Bauantrags und eine Nutzungsuntersagung.

Am 31. August 2011 beantragte der Kläger die Genehmigung für einen Umbau und eine Nutzungsänderung des Nebengebäudes auf seinem Grundstück Fl. Nr. ... Gemarkung H. Das 10,825 m lange und 5,99 m breite Nebengebäude, das ca. 50 bis 80 cm von der westlichen Grundstücksgrenze entfernt ist, wurde bisher teils als Doppelgarage und teils als Lager und WC für einen in einem Anbau untergebrachten Laden genutzt. Nach dem Bauplan soll künftig der überwiegende Teil des Nebengebäudes ebenfalls als Ladenfläche genutzt werden. Im Übrigen sind drei Lagerräume und ein WC vorgesehen.

Eine Baukontrolle am 25. Oktober 2011 ergab, dass das Nebengebäude bereits umgebaut worden war, die in dem Bauplan eingezeichneten Zwischenwände und Innentüren aber fehlten. Die vorhandene Multifunktionsfläche wurde von dem Mieter des Ladens, der dann im Januar 2012 verstorben ist, u. a. als Büro und Lager genutzt.

Mit Bescheid vom 14. August 2012 lehnte das Landratsamt S. den Bauantrag ab und untersagte die Nutzung des Nebengebäudes als Designer-Möbel-Laden. Falls der Kläger diese Pflicht nicht bis spätestens 30. Oktober 2012 oder bei Einlegung von Rechtsmitteln nicht spätestens zwei Monate nach Bestandskraft des Bescheids erfülle, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro fällig. Das Vorhaben halte die Abstandsflächen nicht ein. Für Aufenthaltsräume in grenznahen Gebäuden könne regelmäßig keine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO zugelassen werden, weil es hierfür an den gesetzlichen Voraussetzungen der gerechten Würdigung nachbarlicher Interessen fehle. Nach der typisierenden Bewertung des Gesetzgebers müssten Gebäude mit Aufenthaltsräumen im Interesse der Vermeidung von Nachbarstreitigkeiten in der offenen Bauweise grundsätzlich Abstandsflächen zur Nachbargrenze einhalten. Eine Fallkonstellation nach Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO liege nicht vor. Für die Nutzungsuntersagung genüge, dass die Nutzung ohne Genehmigung ausgeübt werde. Zudem sei das Vorhaben auch materiell illegal. Der Kläger könne als Zustandsstörer in Anspruch genommen werden. Wegen einer früheren ungenehmigten Nutzung der ehemaligen Garage als Blumenladen sei er durch das Landratsamt in persönlichen Gesprächen umfassend darüber informiert worden, dass eine anderweitige Nutzung des grenznahen Gebäudes, insbesondere zu Aufenthaltszwecken, mangels Einhaltung der Abstandsflächen unzulässig sei. Gleichwohl habe er das Garagengebäude erneut ohne Vorliegen einer baurechtlichen Genehmigung zur Nutzung als Laden vermietet.

Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 24. Oktober 2013 macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend.

Der Beklagte beantragt, den Antrag abzulehnen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat sowohl die Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung (1.) als auch die Anfechtungsklage gegen die verfügte Nutzungsuntersagung (2.) zu Recht abgewiesen.

1. Die beantragte Baugenehmigung durfte gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO versagt werden, weil das Bauvorhaben des Klägers die gesetzlich vorgeschriebene Abstandsflächentiefe von 3 m zur Grundstücksgrenze nicht einhält (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BayBO) und somit gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt.

a) Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO verneint. Nach dem Umbau und der Nutzungsänderung handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Gebäude nicht mehr um ein Gebäude ohne Aufenthaltsräume. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus der Legaldefinition des Art. 2 Abs. 2 BayBO nicht, dass die einzelnen Lagerräume jeweils für sich gesehen ein Gebäude bilden, sofern sie einen Zugang von außen haben. Ein eigener Zugang ist zwar unabdingbare Voraussetzung für die selbstständige Benutzbarkeit eines Gebäudes; er reicht aber für die Bejahung der Gebäudeeigenschaft nicht aus. Vielmehr ist zur Abgrenzung zusätzlich auf die Funktion und die bautechnische Ausführung abzustellen (vgl. OVG NW, U. v. 16.10.2008 - 7 A 3096/07 - NVwZ-RR 2009, 277). Im vorliegenden Fall zeigen bereits die Türen zwischen der Ladenfläche und den Lageräumen deren dienende, untergeordnete Funktion. Selbst ein Verzicht auf diese Türen würde aber nichts daran ändern, dass nach der bautechnischen Ausführung die einzelnen Räume nur (unselbstständiger) Teil eines einheitlichen Gebäudes sind, wie dies das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat.

Abgesehen davon ermöglicht Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO nur eine Bebauung ohne Einhaltung der Abstandsflächen bis zu einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m, während das streitgegenständliche Gebäude 10,825 m lang ist.

b) Auch Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ist nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Ein solcher Fall ist hier schon deshalb nicht gegeben, weil das streitgegenständliche Gebäude nicht unmittelbar an der Grundstücksgrenze liegt, sondern zu dieser einen Abstand zwischen ca. 50 und 80 cm einhält (vgl. BayVGH, U. v. 22.11.2006 - 25 B 05.1714 - NVwZ-RR 2007, 512/513 zu einem Abstand zwischen ca. 35 und 60 cm). Nach seinem klaren Wortlaut regelt Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO nur den unmittelbaren Anbau an die Grundstücksgrenze, nicht aber einen grenznahen Anbau mit Abstandsflächen, die kleiner als die gesetzlich vorgeschriebenen sind, wie z. B. bei Traufgassen oder „engen Reihen“ (vgl. BayVGH, U. v. 22.11.2006 a. a. O. m. w. N.). Dies wird durch Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO bestätigt, der die Zulässigkeit von „Abstandsflächen größerer oder geringerer Tiefe“ regelt und letztlich leerlaufen würde, wenn man Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO generell entsprechend auf grenznahe Gebäude anwenden würde. Zwar ist hierdurch nicht ausgeschlossen, dass diese Vorschrift bei sehr geringen seitlichen Grenzabständen ausnahmsweise entsprechend angewendet wird (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 6 Rn. 17), doch ist hierfür im konkreten Fall weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.

c) Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO berufen. Nach dieser Vorschrift gelten Abstandsflächen größerer oder geringerer Tiefe, wenn sich einheitlich abweichende Abstandsflächentiefen aus der umgebenden Bebauung im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ergeben. Diesbezüglich fehlt es bereits in mehrfacher Hinsicht an der gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO erforderlichen Darlegung von Bezugsfällen. Das Vorbringen des Klägers beschränkt sich insoweit auf die bloße Bezugnahme auf das Augenscheinprotokoll, eine im Verwaltungsverfahren abgegebene Stellungnahme und die Klagebegründung, ohne sich mit der diesbezüglichen Argumentation des Verwaltungsgerichts in den Gründen des angefochtenen Urteils auseinanderzusetzen. Zudem fehlt die gebotene Differenzierung zwischen Grenzbebauung und grenznaher Bebauung. Dass sich eine einheitliche seitliche Abstandsflächentiefe aus den genannten Bezugsfällen ergibt, wird auch nicht ansatzweise behauptet. Vielmehr liegt eine einheitlich reduzierte seitliche Abstandsflächentiefe offenkundig nicht vor. Da Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO einen Sonderfall der (offenen) Bauweise regelt, ist bei der Frage, ob sich das Vorhaben des Klägers nach diesem Kriterium im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, ohnehin nicht auf die Bebauung an der M. Straße und der S.-straße, sondern auf die Bebauung an der W.-straße abzustellen. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass bei der überbaubaren Grundstücksfläche der maßgebliche Bereich in der Regel (deutlich) enger zu begrenzen ist als bei der Art der baulichen Nutzung, weil die Prägung, die von der für die Bestimmung der überbaubaren Grundstücksflächen maßgeblichen Stellung der Gebäude auf den Grundstücken ausgeht, im allgemeinen (deutlich) weniger weit reicht als die Wirkungen der Art der baulichen Nutzung (vgl. zuletzt BayVGH, B. v. 25.2.2014 -1 ZB 11.1739 - juris m. w. N.). Entsprechendes gilt bei der Bauweise, die in der Baunutzungsverordnung im gleichen Abschnitt wie die überbaubare Grundstücksfläche geregelt ist und in Bezug auf die Grundstücksgrenzen bestimmt, inwieweit ein Grundstück bebaubar ist (vgl. § 22 Abs. 4 Satz 2 BauNVO). Insoweit wird in aller Regel auf Straßenzüge oder abgegrenzte Teile von Straßenzügen abzustellen sein. Die (offene) Bauweise in der W.-straße wird ersichtlich nicht von der Bauweise in anderen Straßen geprägt.

d) Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zulassung einer Abweichung von den gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen noch hat er insoweit einen Anspruch auf erneute Verbescheidung. Zwar trifft die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht zu, der Kläger habe keinen schriftlichen Antrag nach Art. 63 Abs. 2 BayBO bei der Baugenehmigungsbehörde gestellt (vgl. Bl. 58 und 68 der Bauakte). Gleichwohl ist das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis richtig, weil - wie bereits das Landratsamt auf Seite 3 des Bescheids vom 14. August 2012 festgestellt hat - die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO nicht gegeben sind. Nach dieser Vorschrift kann eine Abweichung nur zugelassen werden, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Dies ist hier wegen der typisierenden Bewertung des Gesetzgebers, wonach Gebäude mit Aufenthaltsräumen im Interesse der Vermeidung von Nachbarstreitigkeiten bei offener Bauweise grundsätzlich Abstandsflächen zur Grundstücksgrenze einhalten müssen, zu verneinen (vgl. BayVGH, U. v. 8.11.1990 - 2 B 89.339 - nicht veröffentlicht). Entgegen der Auffassung des Klägers liegt ein Ausnahmefall nicht deshalb vor, weil die grenzständige überdachte Tiefgaragenzufahrt auf dem Nachbargrundstück die zum Zeitpunkt ihrer Genehmigung gemäß Art. 7 Abs. 5 Satz 1 BayBO 1982 zulässige Gesamtnutzfläche von 50 m² um etwas mehr als 10% überschreitet. Abgesehen davon, dass diese Überschreitung relativ gering ist und die Begrenzung der abstandsflächenrechtlichen Privilegierung bei Garagen auf 50 m² Gesamtnutzfläche inzwischen entfallen ist, würde die Zulassung eines Aufenthaltsraums in den Abstandsflächen wegen des anderen Nutzungszwecks eine neue Qualität haben. Damit würde das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis aus dem Gleichgewicht gebracht, das bisher auch dadurch gekennzeichnet ist, dass das streitgegenständliche Gebäude ebenfalls eine größere Gesamtnutzfläche als 50 m² hat und schon wegen seiner Länge von 10,825 m der Zulassung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO bedarf.

2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen auch insoweit nicht, als das Verwaltungsgericht die Klage gegen die Nutzungsuntersagung abgewiesen hat, mit der die weitere Nutzung des Nebengebäudes als Designer-Möbel-Laden verhindert werden soll.

Rechtsgrundlage für die Nutzungsuntersagung ist Art. 76 Satz 2 BayBO. Nach dieser Bestimmung kann eine rechtswidrige Nutzung auch vorbeugend untersagt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine solche beabsichtigt ist (vgl. BayVGH, U. v. 5.12.2005 - 1 B 03.2567 - juris zum inhaltsgleichen Art. 82 Satz 2 BayBO 1998). So liegt der Fall hier. Der Kläger hat das fragliche Gebäude umgebaut und zur Nutzung als Designer-Möbel-Laden vermietet, obwohl er bereits früher vom Landratsamt darüber unterrichtet worden war, dass eine Nutzung des grenznahen Gebäudes zu Aufenthaltszwecken unzulässig ist. Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht ihn auch nach dem Tod des Mieters als Störer im sicherheitsrechtlichen Sinn angesehen hat. Im Übrigen hat der Kläger in der Klagebegründung vom 8. März 2013 lediglich geltend gemacht, der an den Mieter gerichtete Bescheid gehe wegen dessen Tod ins Leere, nicht aber, dass dies auch für die an ihn gerichtete Nutzungsuntersagung gelte. Vielmehr hat er durch den Vortrag, die für die Aufgabe der untersagten Nutzung gesetzte Frist sei zu kurz (vgl. Klagebegründung vom 31.10.2012), zu erkennen gegeben, dass er diese Nutzung mit einem anderen Mieter fortsetzen will.

Gerade dadurch, dass diese Frist an die Bestandskraft der Nutzungsuntersagung geknüpft wird, bleibt dem Kläger ausreichend Zeit für eine eventuell notwendig werdende Beendigung eines Mietvertrags.

3. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1, § 39 Abs. 1 sowie § 52 Abs. 1 GKG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.