Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 27. Sept. 2016 - AN 3 K 16.30877

bei uns veröffentlicht am27.09.2016

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Die Klägerin ist äthiopische Staatsangehörige, Amharin und Christin. Sie wurde am ... in ... geboren.

Die Verfahren der Eltern der Klägerin sind unter den Aktenzeichen AN 3 K 16.30652 und AN 3 K 16.30433 beim Verwaltungsgericht Ansbach anhängig. Auf diese Verfahren wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2015 teilte die Ausländerbehörde dem Bundesamt mit, dass die Klägerin geboren wurde. Daraufhin ging das Bundesamt aufgrund der Antragsfiktion des § 14 a Abs. 2 AsylG mit dem 31. Juli 2015 von einem Asylantrag der Klägerin aus. Mit Schreiben vom 18. September 2015 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber dem Bundesamt mit, der Klägerin drohe bei einer Rückkehr in das Heimatland ihrer Eltern die konkrete Gefahr einer Beschneidung bzw. einer FGM. Dies entspreche den so genannten Traditionen der Familie bzw. des Volkes der Eltern. Die Mutter der Klägerin, die eine Beschneidung ihrer Tochter ablehne, sei selbst einer genitalen Verstümmelung unterzogen worden. Die Familien der Eltern der Klägerin seien aus traditionellen Gründen für eine Beschneidung und dementsprechend bestehe für die Eltern der Klägerin keine Möglichkeit, sich insoweit durchzusetzen und dauerhaft zu verhindern, dass die Klägerin einer FGM unterzogen werde. Hierzu sei - trotz gegenteiliger gesetzlicher Regelungen in Äthiopien - keine Möglichkeit vorhanden, staatlichen Schutz zur Verhinderung einer FGM zu erlangen. Hierzu verwies der Prozessbevollmächtigte auf die Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 20. Oktober 2010 mit dem Titel: „Äthiopien: Gewalt gegen Frauen“. Aus diesen Gründen sei der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Mit Schreiben vom 2. November 2015 legte der Prozessbevollmächtigte ein ärztliches Attest des ... aus ... vom 13. Oktober 2015 vor, nachdem bei der Mutter der Klägerin eine Genitalverstümmelung durchgeführt worden sei.

Mit Schreiben vom 18. Mai 2016 hörte das Bundesamt die Klägerin zur Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes an.

Mit Bescheid vom 29. Juni 2016, der als Einschreiben am 6. Juli 2016 zur Post gegeben wurde, lehnte die Beklagte die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Ziffer 4), forderte die Klägerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen und drohte anderenfalls die Abschiebung nach Äthiopien oder in einen anderen zur Rückübernahme bereiten oder verpflichteten Staat an (Ziffer 5) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6).

Zur Begründung wird ausgeführt, die Mutter der Klägerin lehne eine Beschneidung ab. Deswegen könne die Klägerin ohne Probleme gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Vater nach Äthiopien zurückkehren. Es sei zu erwarten, dass die Familie in der Lage sei, gemeinsam den Lebensunterhalt zu sichern. Sie müssten sich bei einer Rückkehr nicht in den Einflussbereich ihrer Familien begeben, die eine Beschneidung wünschen. Es sei auch entgegen der Ausführungen des Prozessbevollmächtigten sehr wohl möglich, aktiv staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen. Da beide Elternteile gegen eine Beschneidung seien, sei nicht erkennbar, wieso die Klägerin davon bedroht sein sollte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten, der am 15. Juli 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, ließ die Klägerin Klage gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes erheben.

Sie beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Juni 2016 zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, der Klägerin den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und weiterhin hilfsweise festzustellen, dass bei der Klägerin Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2016 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 16. August 2016 wurde die Verwaltungsstreitsache auf die Einzelrichterin übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach

§ 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG (Hauptantrag), noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Hilfsanträge), weshalb der Bescheid rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, §§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Klägerin, die in Deutschland geboren ist, muss für den Fall ihrer Einreise nach Äthiopien nicht mit der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG befürchten.

Zwar ist eine konkret drohende Beschneidung geeignet, Flüchtlingsschutz zu begründen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 14.2.2014 - 1 A 1139/13.A -, juris Rn. 80; VG Aachen, U. v. 16.9.2014 - 2 K 2262/13.A -, juris Rn. 30 m. w. N.; VG Würzburg, U. v. 5.12.2014 - W 3 K 14.30001 -, juris Rn. 31 ff.; VG Ansbach, U. v. 24.9.2015 - AN 3 K 14.30480 - ; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Juni 2014, § 3a AsylG Rn. 35).

Die Eltern der Klägerin erklärten in der mündlichen Verhandlung jedoch übereinstimmend, sie seien gegen die FGM bei ihrer Tochter. Sie befürchteten aber für den Fall ihrer Weigerung soziale Ausgrenzung.

Auch sei eine gewaltsame Wegnahme ihrer Tochter zur Durchführung der Beschneidung denkbar.

Allerdings stellten sie nicht genauer dar, welche Personen eine solche Wegnahme durchführen sollten. Die Bedenken hierzu wurden nur sehr vage und allgemein geäußert. Nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnisquellen ist die Durchführung einer FGM hauptsächlich von der Haltung der Mutter abhängig. Diese wird bei niedrigem Bildungsstand eine FGM eher durchführen lassen, eine höhere Bildung führt eher dazu, dass FGM ausbleibt (Terre des Femmes - Menschenrechte für die Frau e.V. - Äthiopien, 16.9.2015).

Aufgrund der übereinstimmend klar geäußerten Ablehnung der Eltern besteht nicht die erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der der Klägerin in Äthiopien eine Beschneidung droht, zumal sich langsam insgesamt ein Rückgang der Beschneidungen verzeichnen lässt (Bericht des Auswärtigen Amtes zur asyl- und abschieberelevanten Lage in Äthiopien vom 24. Mai 2016 II. 1. 1.8.1. S. 15; Terre des Femmes, a. a. O.). Warum eine FGM bei der Klägerin gegen den klar geäußerten Willen der Eltern durchgeführt werden sollte bzw. es ihnen nicht möglich wäre, sich gegen entsprechende Erwartungen seitens der Familien durchzusetzen, wurde aus dem Vortrag der Eltern nicht deutlich.

Gründe für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG oder für das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurden nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich, nachdem die Klägerin gemeinsam mit ihren Eltern, die ihren Lebensunterhalt werden sichern können, da sie jung und gesund sind, nach Äthiopien einreisen wird.

Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG.

Demnach war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.

Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach

Hausanschrift:

Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift:

Postfach 616, 91511 Ansbach,

zu beantragen.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Gegenstandswert beträgt 5.000,00 EUR, § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

Beschluss:

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung war abzulehnen.

Die Klage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO. Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

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Tenor 1. Die Klagen werden als offensichtlich unbegründet abgewiesen. 2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Die im Jahr 1991 geborene Klä

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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger, nach eigenen Angaben ... geboren, orthodoxer Christ und gehört der Volksgruppe der Shekigna an. Er erklärte, am 4. November 2012 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein und stellte am 21. November 2012 einen Asylantrag.

In seiner Anhörung zur Identitätsklärung am 14. 01.2013 erklärte er, er sei am 4. November 2012 vom ...-Flughafen ... per Direktflug mit ... Airlines nach F. geflogen. Ein Schleuser habe seine Reise organisiert. Er habe diesem vier Fotos gegeben und dann habe der Schleuser für ihn einen Reisepass organisiert. Er sei mit ihm gemeinsam nach Frankfurt gereist. Der Onkel habe den Fluchthelfer organisiert und auch für die Reise 190 000 Birr bezahlt. Probleme wegen des gefälschten Passes habe es am Flughafen nicht gegeben, er habe die Papiere immer selbst vorgezeigt. Eine Visumsabfrage verlief negativ.

Er habe nie einen äthiopischen Reisepass besessen. Seinen Personalausweis habe er bei seiner Familie in Äthiopien gelassen. Seine Mutter und seine Schwester lebten in Äthiopien.

In seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 26. März 2014 erklärte der Kläger, er habe zu seiner Mutter keinen Kontakt. Es gebe kein Telefon. Er habe auch noch Tanten und Onkel seines Vaters in Äthiopien.

Er habe im Januar 2011 die Schule abgebrochen und habe sie anschließend nicht weiter besuchen können. Bis zu seiner Ausreise habe er sich versteckt gehalten. Seine Mutter habe ihn immer mit zu verschiedenen Verwandten in der Gegend ... mitgenommen. Er sei nochmals kurz bei sich zu Hause in ... gewesen, bevor er dann vor seiner Ausreise nach ... gegangen sei.

Befragt zu seinem Verfolgungsschicksal erklärte der Kläger, er habe die Schule nicht in Frieden besuchen können, weil sein Vater oft festgenommen worden sei. Dieser sei verdächtigt worden, mit anderen Parteien zusammen zu arbeiten. Er habe in der Wahlzeit 2005 Flugblätter verteilt, er sei damals 9 Jahre alt gewesen und habe das für seinen Vater gemacht. Es seien Flugblätter von Kinijit gewesen. Der Vater sei verdächtigt worden, mit der OLF zusammen zu arbeiten. Hierzu sei der Kläger selbst auch befragt worden. Es seien EPRDF-Polizisten gewesen, die den Kläger von der Schule abholten und ihn befragten, er gab an, auch geschlagen worden zu sein. Das erste Mal zu seinem Vater sei er in der 10. Klasse befragt worden, für eine Zeitdauer von vier Monaten. Es sei in den Befragungen darum gegangen, dass der Vater Beweismittel versteckt haben solle. Er sollte die Verstecke erraten. Er sei mehrmals auf der Straße oder auf dem Weg nach Hause mitgenommen worden. Es sei auch vorgekommen, dass der Lehrer ihn aus der Klasse gerufen habe und draußen die Polizisten gewartet hätten. Auch seine Mutter sei befragt worden. Er sei zu Befragungen in die Polizeistation in ... mitgenommen und dort geschlagen worden. Sein Vater sei schließlich in der Haft verstorben. Über die politischen Tätigkeiten des Vaters könne er nichts Genaues sagen, er sei ein Regimegegner gewesen und habe sich mit Oppositionellen getroffen. Er sei nicht offiziell vom Schulbesuch suspendiert worden. Vielmehr habe er die Schule nicht mehr besuchen wollen, da er von den polizeilichen Befragungen, die Beweismaterial von den politischen Tätigkeiten des Vaters sichern sollten, eingeschüchtert gewesen sei. Er habe freiwillig auf den Schulbesuch verzichtet. In ... habe er sich bis zu seiner Ausreise bei seinem Onkel väterlicherseits drei Monate lang aufgehalten. Er sei dort fast nie auf die Straße gegangen. Er habe Angst vor der Regierung in Äthiopien. Er habe seinen Vater verloren. Er sei in Deutschland exilpolitisch tätig und sei hier in Deutschland bei der EPPF. Er nehme an Versammlungen teil und schreibe Artikel.

Der Kläger übergab in der Anhörung eine Mitgliedsbestätigung von der EPPF Germany vom 18. Juni 2013 sowie mehrere Teilnahmebescheinigungen von Veranstaltungen der Partei im Zeitraum Mai 2013 bis Februar 2014, mehrere Artikel in der Zeitung ... sowie einen Artikel aus der Zeitschrift ... in der Ausgabe Mai 2013 sowie eine Bestätigung, dass er als Chief Editor der ... tätig sei. Er erklärte, bisher zwei Zeitschriften der ... in seiner Funktion veröffentlicht zu haben. Er habe sich hierfür freiwillig gemeldet. Auf Nachfrage, warum ca. 15 Personen benötigt würden, um eine Zeitschrift von ungefähr 25 bis 35 Seiten herauszugeben, erklärte der Kläger, sie geben die Artikel dem chairman der EPPF Germany und dieser gehe damit zum Verlag und lasse es drucken. Er sammle die Artikel der Mitglieder ein.

Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, dass der Kläger seine exilpolitischen Aktivitäten fortsetze. Er habe am 12. Juli 2014 an die Mitgliedertreffen der EPPF in Nürnberg teilgenommen und könne dies durch eine Bestätigung belegen. Am 21. Dezember 2014 habe der Kläger an der Generalversammlung der EPPF in ... teilgenommen. Auch hierzu liege eine Bestätigung vor. Der Kläger sei weiter als Chief Editor für die Zeitschrift ... der Ausgabe Juni 2014 mitverantwortlich. Eine Kopie des Editorials wurde vorgelegt.

Mit Schreiben vom 11. November 2015 hörte das Bundesamt den Kläger zur Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes an.

Mit Bescheid vom 12. April 2016, der als Einschreiben am 14. April 2016 zur Post gegeben wurde, wurde die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Ziffer 1), der Antrag auf Asylanerkennung wurde abgelehnt (Ziffer 2), der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (Ziffer 3), es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4), der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Äthiopien oder in einen anderen zur Rückübernahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht (Ziffer 5), und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Sachvortrag des Klägers sei zu unsubstantiiert und stütze sich im wesentlichen Punkten auf schwammige und unkonkrete Aussagen, so dass er keine Schutzgewährung herbeizuführen vermöge. Er habe die ausreisebegründenden Umstände nicht umfassend und von sich aus geschildert, seine Darstellungen seien weitgehend knapp geblieben. Außerdem sei kein kausaler Zusammenhang zwischen den Befragungen und der Ausreise des Klägers erkennbar. Nach der Verhaftung des Vaters des Klägers, die wohl im Februar 2010 stattgefunden haben müsse, sei nicht erklärlich, weshalb die Ausreise erst im November 2012 hätte erfolgen sollen. Der Kläger habe knapp zwei Jahre nach der Verhaftung des Vaters ohne Probleme in seiner Heimat leben können. Dass er sich in diesem Zeitraum versteckt gehalten habe, sei nicht überzeugend. Die exilpolitischen Betätigungen des Klägers würden ihm nicht aus dem Kreis der bloßen Mitläufer erkennbar hervorheben. Auch seine Position des Chief Editors führe zu keinem anderen Ergebnis. Immerhin spreche die Tatsache, dass man diesen Posten ohne jegliche Vorkenntnisse einnehmen könne dafür, dass dies insbesondere aus asylverfahrensrelevanten Gründen erfolge.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Bescheidsbegründung Bezug genommen.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten, der am 25. April 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, ließ der Kläger Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben.

Er beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 12. April 2016 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und ihn als Asylberechtigten anzuerkennen,

hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und weiter hilfsweise festzustellen, dass bei dem Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Mit Schreiben vom 29. April 2016 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Das Verfahren der Lebensgefährtin des Klägers ist unter AN 3 K 16.30652, das der gemeinsamen Tochter unter AN 3 K 16.30652 beim Verwaltungsgericht Ansbach anhängig.

Mit Beschluss vom 16. August 2016 wurde die Verwaltungsstreitsache auf die Einzelrichterin übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG (Hauptantrag), noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Hilfsanträge), weshalb der Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

1. Einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter hat der Kläger schon deshalb nicht, weil davon auszugehen ist, dass er entweder auf dem Landweg ins Bundesgebiet und damit zwangsläufig aus einem sicheren Drittstatt (Art. 16a GG, § 26a AsylG) oder mit gültigen Reisedokumenten, die er im Verfahren nicht vorlegt, und damit unverfolgt aus seinem Heimatland aus- und in die BRD eingereist ist.

Aus der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Auskunft der Bundespolizeidirektion Flughafen F./M. vom 18. September 2014 ergibt sich, dass die Einreise des Klägers nach Deutschland, wie er sie geschildert hat, nicht der Wahrheit entsprechen kann.

Die allgemeine Behauptung äthiopischer Asylsuchender, problemlos mit gefälschten Dokumenten über den Flughafen Frankfurt/Main in die Bundesrepublik Deutschland einreisen zu können, ist demnach haltlos. Grundsätzlich werden die seitens der Drittstaatsangehörigen im Rahmen der grenzpolizeilichen Einreisekontrolle vorgelegten Ausweisdokumente eingehend auf Fälschungs- und/oder Verfälschungsmerkmale hin geprüft. Mit Blick auf äthiopische Reisende kann mitgeteilt werden, dass im bisherigen Verlauf des Jahres 2014 im Rahmen der grenzpolizeilichen Einreisekontrolle keine Vorlage verfälschter Reisedokumente festgestellt wurde. Die Grenzübertrittskontrollen richten sich nach den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 Schengener Grenzkodex. Danach werden gemäß Art. 7 Abs. 3 alle Drittstaatsangehörigen, somit auch äthiopische Staatsangehörige, bei der Ein- und Ausreise eingehend kontrolliert. Insbesondere werden überprüft der Ein- und Ausreisestempel im Reisedokument des Drittstaatsangehörigen, um durch einen Vergleich der Ein- und Ausreisedaten festzustellen, ob die zulässige Höchstdauer des Aufenthalts im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten bereits überschritten wurde, es erfolgt die Überprüfung der Abfahrts- und Zielorte des Drittstaatsangehörigen sowie des Zwecks des beabsichtigten Aufenthalts und, soweit erforderlich, die Überprüfung der entsprechenden Belege. Des Weiteren wird überprüft, ob der Drittstaatsangehörige über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts für die beabsichtigte Dauer und den beabsichtigten Zweck des Aufenthalts, für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben. Folglich wird zur Verifizierung des Reisezwecks regelmäßig auch die Vorlage etwaiger Belege, wie beispielsweise Einladungen, Hotelbuchungen sowie Rückflugtickets verlangt. Es ist auch bekannt, dass migrationswillige Drittausländer Schleuserorganisationen nutzen, um nach Europa zu gelangen. Auf die Aufdeckung der in diesem Zusammenhang stehenden Straftaten setzt die Bundespolizei ein hohes Augenmerk.

2. Vorliegend besteht aber auch kein Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG.

Denn schon nach dem Vorbringen des Klägers zu den Gründen seiner Ausreise ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er unmittelbar vor seiner Ausreise Maßnahmen staatlicher Stellen in Anknüpfung an in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Gründen ausgesetzt war und dass er Opfer diskriminierend angewandter polizeilicher Maßnahmen gewesen ist (§ 3 a Abs. 2 Nr. 2 AsylG). Seine Schilderungen sind nicht geeignet, eine staatliche Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes zu begründen.

Der Kläger erklärte, selbst nicht politisch aktiv gewesen zu sein. Er habe lediglich im Jahr 2005 (europäischer Kalender) auf einem wöchentlich stattfindenden Markt Broschüren der Kinijit verteilt. Dann sei es nach dem Tod des Vaters in Haft im August 2010, der Kontakte zur OLF gehabt habe, im Zeitraum September 2010 bis Januar 2011 wöchentlich zu mehrfachen Nachfragen nach politischen Kontakten des Vaters gekommen, was schließlich zu einem Abbruch des Schulbesuchs des Klägers und zu seinem Versteckthalten bis zu seiner Ausreise im November 2012 geführt habe.

Zum einen ist nicht erklärlich, warum es erst nach dem Tod des Vaters in Haft zu den Nachfragen staatlicher Stellen beim Kläger gekommen sein sollte. Dieser zeitliche Zusammenhang erschließt sich dem Gericht nicht. Es hätte doch nahegelegen, den Vater noch zu Lebzeiten durch Ausübung von Druck auf den Sohn zum Sprechen zu bewegen, wenn tatsächlich ein staatliches Verfolgungsinteresse am Vater bestanden haben sollte. Warum dieses Interesse erst in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Tod des Vaters entstanden sein sollte, ist nicht nachvollziehbar. Zudem blieben die vom Kläger beschriebenen „Nachfragen“ und die Suspendierung vom Unterricht nach eigenem Vortrag noch unterhalb der Schwelle dessen, was als Verfolgungshandlung im Sinn des § 3 a AsylG zu qualifizieren wäre. Insbesondere gab er an, die Schule zwar unter dem Druck der Nachfragen, aber nicht zwangsweise verlassen zu haben. Konkrete Anhaltspunkte für eine etwa bevorstehende Inhaftierung aufgrund der Tätigkeiten des Vaters beschrieb der Kläger ebenfalls nicht.

Warum er sich in dieser Situation von Januar 2011 bis November 2012 versteckt haben will, konnte der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht erklären. Er gab an, in dieser Zeit nichts getan, sondern nur auf seine Ausreise gewartet zu haben. Dieses Vorbringen ist schlicht nicht glaubhaft und spricht auch gegen ein unmittelbar vor der Ausreise bestehendes staatliches Verfolgungsinteresse.

Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass der Kläger aus asylfremden Motiven nach Deutschland gereist ist.

Dem demnach unverfolgt aus seinem Heimatland ausgereisten Kläger droht jedoch auch für den Fall seiner Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung durch staatliche Stellen aufgrund seines exilpolitischen Engagements für die EPPF.

In der äthiopischen exilpolitischen Szene gibt es zahlreiche Gruppierungen. Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Grundsätzlich kommt es darauf an, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen als terroristisch angesehen wird und welche Art exilpolitischer Aktivität festgestellt wird (führende Position, Organisationen, gewaltsame Aktionen).

Von Bedeutung ist auch, ob und wie sich eine zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätigt. Die bloße Asylantragstellung im Ausland bleibt, soweit bekannt, ohne Konsequenzen.

Insgesamt ist den Erkenntnisquellen zu entnehmen, die dem Klägervertreter auch bekannt sind, dass die äthiopische Regierung die Aktivitäten der äthiopischen Diaspora genau beobachtet bzw. durch die Auslandsvertretungen beobachten lässt. Spitzenpolitiker von Exilparteien, die der Regierung misslich sind, müssen deshalb im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien mit Verfolgung rechnen. Auch Aktivisten, die sich im Ausland gegen die Regierung aussprechen, drohen in Äthiopien Verfolgungen aufgrund revolutionärer Absichten. Aktivitäten einfacher Parteimitglieder werden hingegen von den äthiopischen Behörden nicht registriert, da den Behörden dazu die Ressourcen fehlen. Es sind allerdings Einzelfälle bekannt geworden, in denen es trotzdem bei Rückkehr zu Verhaftungen gekommen ist. Andererseits sind zahlreiche Fälle von Mitgliedern von Exilparteien bekannt, die nach ihrer Rückkehr nach Äthiopien nicht belangt worden sind.

Insgesamt lässt sich nach Auffassung des Gerichts den Erkenntnisquellen im Wesentlichen entnehmen, dass jedenfalls Personen, die bereits in Äthiopien dem äthiopischen Staat regimekritisch aufgefallen sind und die sich hier in der Bundesrepublik Deutschland exponiert politisch betätigt haben und sich nicht nur als einfache Mitglieder oder bloße Mitläufer darstellen, bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben, zumal der äthiopische Staat in der Bundesrepublik Deutschland die Aktivitäten äthiopischer Staatsangehöriger genau überwacht (vgl. z. B. BayVGH, U. v. 25.2.2008 - 21 B 07.30363 - juris; OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 17.8.2010 - 8 A 4063/06.A - juris).

Unter Würdigung dieser Gesichtspunkte und unter Würdigung der vom Kläger belegten exilpolitischen Tätigkeiten ist sein Engagement nicht als so exponiert einzuschätzen, dass ihm für den Fall seiner Rückkehr nach Äthiopien mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit politisch motivierte Verfolgungsmaßnahmen drohen.

Der Kläger gab selbst an, unpolitisch gewesen zu sein und sich im Heimatland nicht politisch interessiert und engagiert zu haben. Deshalb ist schon nicht glaubhaft, dass er sich nach seiner Ankunft in Deutschland der EPPF aus Gründen angeschlossen hat, die in seiner ernsthaften politischen Überzeugung liegen.

Auch dass er „Chief Editor“ der ... ist, lässt für das Gericht keine andere Bewertung seiner exilpolitischen Tätigkeit zu. Zum einen erklärte der Kläger wiederholt, er habe sich für diese Tätigkeit auf Nachfrage interessiert und sie sei ihm dann übertragen worden. Zum anderen erschöpft sich dieser „Posten“ in dem Zusammentragen verschiedener Veröffentlichungen von exilpolitisch sich betätigenden Asylbewerbern aus Äthiopien. Des Weiteren ist diese Zeitschrift nach Angaben des Klägers seit dem Jahr 2013 erst fünf Mal erschienen, so dass ihr kein relevantes politisches Gewicht zuzukommen scheint. Es gibt eine Vielzahl exilpolitischer Zeitschriften, die in Deutschland erscheinen. Auch beschrieb der Kläger sich selbst in einem Wartezustand bezüglich seiner Tätigkeit, da es im Moment wegen des Zusammenschlusses der EPPF mit Ginbot 7 in Deutschland zu Verzögerungen komme. So habe er auch die Mitgliedschaft bei der neuen Organisation beantragen müssen und es sei hier mit Wartezeiten zu rechnen, deshalb sei er im Moment untätig. Als „freier“ Autor regimekritischer Artikel sei er - so erklärte er in der mündlichen Verhandlung - nicht aktiv. Diese Schilderungen bestätigen den Eindruck, dass es sich beim Kläger um einen unpolitischen Menschen handelt, der keinen eigenen Antrieb verspürt, sich ernsthaft oppositionell zu betätigen. Denn in diesem Falle würde er auch ohne Mitgliedschaft in einer Partei, die sein Engagement „verwaltet“, das Bedürfnis haben, seinen politischen Willen zu äußern. Dies ist beim Kläger nicht der Fall. Die bloßen Absichtserklärungen, dies künftig zu tun, können diesen Eindruck nicht abmildern.

3. Gründe für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach §§ 4 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG sind ebenso wie solche für die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG weder vorgetragen noch ersichtlich.

Beim Kläger handelt es sich um einen jungen und gesunden Mann, dessen Familie (Mutter, Onkel, Tanten) in Äthiopien lebt, auch wenn er - wie fast alle äthiopischen Asylbewerber -angibt, zu dieser, hier: zur Mutter keinen Kontakt zu haben. Er erklärte, vor seiner Ausreise in ... bei einem Onkel gewesen zu sein, so dass er jedenfalls von diesem in der Anfangszeit Unterstützung erhalten kann, auch wenn er im Verfahren seiner in Deutschland geborenen Tochter angab (AN 3 K 16.30877), nicht zu wissen, wohin er gehen solle.

Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG.

Demnach war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.

Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach

Hausanschrift:

Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift:

Postfach 616, 91511 Ansbach,

zu beantragen.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

Beschluss:

Der Gegenstandswert beträgt 5.000,00 EUR, § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

Beschluss:

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung war abzulehnen.

Die Klage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO. Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 18. März 2013 – 23 K 6544/10.A – wird geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.


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Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Dezember 2013 wird in Ziffern 1, 3, 4 und 5 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

I.

Die Klägerin ist am ... 2011 in Deutschland als Tochter ihrer äthiopischen Mutter geboren. Ihre Mutter betreibt derzeit unter dem Aktenzeichen W 3 K 13.30186 vor dem Verwaltungsgericht Würzburg eine Klage gegen ein ihr Asylbegehren ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 24. Juni 2013.

Am 16. November 2011 zeigte die Regierung von Mittelfranken dem Bundesamt die Geburt der Klägerin an.

Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 12. Dezember 2012 ließ die Klägerin vortragen, ihr drohe im Fall der Rückkehr nach Äthiopien geschlechtsspezifische Verfolgung, da sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgrund der in Äthiopien herrschenden sozialen Normen beschnitten werden würde.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2013 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte ab und erkannte weder die Flüchtlingseigenschaft noch den subsidiären Schutzstatus zu. Zudem stellte sie fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Klägerin wurde unter Abschiebungsandrohung nach Äthiopien zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung aufgefordert. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Vater der Klägerin sei nicht bekannt. Für die Klägerin gelte gemäß § 14a Abs. 2 2. Alternative AsylVfG der Asylantrag als am 16. November 2011 gestellt. Auf die Durchführung eines Asylverfahrens für das Kind sei nicht verzichtet worden. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Anerkennung als Asylberechtigte lägen nicht vor, weil der abstrakte Hinweis auf die in Äthiopien herrschenden sozialen Normen, mit dem der Antrag begründet werde, nicht den Anforderungen genüge, die an eine substantiierte Sachverhaltsdarstellung zu stellen seien. Konkrete Sachverhalte bzw. Anhaltspunkte, aus denen erkennbar wäre, dass gerade der Klägerin die Gefahr der Genitalverstümmelung drohe, sei nicht geltend gemacht worden. Auch sei nicht geltend gemacht worden, dass die Mutter der Klägerin beabsichtigte, ihre Tochter bei einer Rückkehr nach Äthiopien einer Genitalverstümmelung unterziehen zu lassen. Die in Äthiopien herrschenden sozialen Normen hätten sich dahingehend stark verändert, dass die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung zunehmend rückläufig sei. Es sei nicht anzunehmen, dass die Mutter der Klägerin einem etwa von ihrer Verwandtschaft ausgehenden Druck, die Klägerin beschneiden zu lassen, nicht widerstehen könne.

II.

Gegen den am 18. Dezember 2013 als Einschreiben zur Post gegebene Bescheid ließ die Klägerin am 2. Januar 2014 Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben und in der mündlichen Verhandlung insoweit zurücknehmen, als sie auf die Anerkennung der Klägerin als Asylsuchende gerichtet war. Zuletzt ließ die Klägerin beantragen:

Der Bescheid des Bundesamtes vom 16. Dezember 2013 wird in Ziffern 1, 3, 4 und 5 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen,

hilfsweise der Klägerin subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen,

weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung wurde vorgetragen, die Mutter der Klägerin sei beschnitten. Kehrte die Klägerin alleine zurück, würde sie bestenfalls in die Ursprungsgegend der Familie der oromischen Mutter nach B. R. weitergereicht und dort von einer Familie aufgenommen werden. Sie würde dann zwangsläufig der Beschneidung unterzogen. Auch die Mutter wäre im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien gemeinsam mit der Klägerin nicht dazu in der Lage, diese dauerhaft vor ihrer Beschneidung zu schützen. Verhalte man sich in der äthiopischen Gesellschaft nicht normgemäß, erfolge ein Ausschluss aus der Gesellschaft. Die Beschneidung sei eine soziale Norm, die von der Gruppe gefordert und durchgesetzt werde. Ohne den familiären Rückhalt könne die Mutter der Klägerin allein stehend mit einem Kind nicht überleben.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 22. September 2014 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Verschiedene im Einzelnen benannte Auskünfte und Gutachten wurden zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2014, auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte und die dazugehörigen Verwaltungsakten im Verfahren W 3 K 13.30186 Bezug genommen.

Gründe

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Klage hat zurücknehmen lassen, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist somit lediglich noch das Begehren der Klägerin, den Bescheid des Bundesamtes vom 16. Dezember 2013 in Ziffern 1, 3, 4 und 5 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen, hilfsweise der Klägerin subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die zulässige Klage, über die auch in Abwesenheit von Beteiligten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Die Klägerin hat unter insoweitiger Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 16. Dezember 2013 im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 16. Dezember 2013 ist, soweit er angegriffen ist und dem entgegensteht, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Dies ergibt sich aus Folgendem:

Rechtsgrundlage für die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG i. d. F. d. Bek. vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), zuletzt geändert durch Gesetz vom 31. Oktober 2014 (BGBl I S. 1649). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist, gemäß § 3 Abs. 4 AsylVfG die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK -), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3a Abs. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylVfG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen sowie Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist. § 3a Abs. 2 AsylVfG nennt Handlungen, die als Verfolgung in diesem Sinne gelten können, so z. B. die Anwendung physischer oder psychischer einschließlich sexueller Gewalt, gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden oder Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. In § 3b Abs. 1 AsylVfG werden die in § 3 Abs. 1 AsylVfG verwendeten Begriffe Rasse, Religion, Nationalität, Gruppe und politische Überzeugung näher definiert. Gemäß § 3c AsylVfG kann eine solche Verfolgung ausgehen vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder unter bestimmten Voraussetzungen von nichtstaatlichen Akteuren. Dem gegenüber kann gemäß § 3d AsylVfG Schutz vor Verfolgung vom Staat oder von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geboten werden, sofern sie willens und in der Lage sind, wirksamen Schutz vor Verfolgung nicht nur vorübergehender Art zu bieten. Auf dieser Grundlage wird gemäß § 3e AsylVfG dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylVfG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

Wird einem Ausländer auf dieser Grundlage die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, darf er gemäß § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - i. d. F. d. Bek. vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert mit Gesetz vom 6. September 2013 (BGBl I S. 3556) nicht in den Staat abgeschoben werden, in dem er in der beschriebenen Art und Weise bedroht ist.

Bei der Anwendung dieser Vorschriften können die von der Rechtsprechung und Literatur zu § 60 Abs. 1 AufenthG a. F. und zu § 51 Abs. 1 AuslG entwickelten Rechtsgrundsätze im Wesentlichen herangezogen werden, da inhaltlich an dieser Vorschriften angeknüpft wird. Demzufolge decken sich die Voraussetzungen von § 3 Abs. 1 AsylVfG mit denen nach Art. 16a Abs. 1 GG hinsichtlich der geschützten Rechtsgüter und des politischen Charakters der Verfolgung, wobei § 3 Abs. 1 AsylVfG insofern einen weitergehenden Schutz bietet, als auch selbstgeschaffene subjektive Nachfluchtgründe die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begründen können. Ein Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung, Flucht und Asylantrag wird dabei nicht vorausgesetzt (vgl. BVerwG, B.v. 13.8.1990 - 9 B 100/90 - NVwZ-RR 1991, 215; BVerfG, B.v. 26.5.1993 - 2 BVR 20/93 - BayVBl 1993, 623).

Schutz nach § 3 Abs. 1 AsylVfG wird gewährt, wenn dem Schutzsuchenden bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG genannten Merkmale Rechtsverletzungen aufgrund von Handlungen im Sinne von § 3a AsylVfG durch einen Akteur im Sinne von § 3c AsylVfG in seinem Herkunftsland drohen, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung des Staates ausgrenzen, so dass ihm nicht zuzumuten ist, in sein Herkunftsland zurückzukehren (BVerfG, B.v. 10.7.1989 - 2 BVR 502, 1000, 961/86 - NVwZ 1990, 151 f.; BVerwG, U.v. 29.11.1987 - 1 C 33.71 - BVerwGE 55, 82, 83 m. w. N.).

Für den Erfolg des Antrags muss das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass diese die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu. Demgemäß setzt ein Anspruch auf der Grundlage von § 3 AsylVfG voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei ist es seine Sache, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 8.5.1984 - 9 C 141.83 - Buchholz § 108 VwGO Nr. 147).

An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnisse entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B.v. 29.11.1990 - 2 BvR 1095/90 -InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, U.v. 30.10.1990 - 9 C 72.89 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135).

Dies zugrunde gelegt sind die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylVfG zur Überzeugung des Gerichts im Fall der Klägerin erfüllt. Sie muss bei einem Aufenthalt in Äthiopien mit nichtstaatlichen Verfolgungsmaßnahmen in Form der Genitalverstümmelung rechnen, vor denen sie zu schützen staatliche Institutionen nicht in der Lage sind. Zudem ist keine inländische Fluchtalternative erkennbar.

Genitalverstümmelung ist als Verfolgungshandlung i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3a Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG einzustufen. Denn diese Handlung bezieht sich auf die Geschlechtszugehörigkeit, da sie allein an Frauen und Mädchen vorgenommen wird und werden kann. Sie ist gemäß § 3a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG so gravierend, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, unabhängig davon, in welcher Form sie durchgeführt wird. Denn es geht hierbei um die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit, also um eine gravierende Misshandlung; eine solche Maßnahme stellt generell Verfolgung dar (Marx, AsylVfG, Kommentar, 8. Aufl. 2014 § 3a Rn. 10 m. w. N.).

Demgegenüber kann nicht darauf abgestellt werden, dass eine Genitalverstümmelung den Zweck der Integration bzw. Inklusion der betroffenen Mädchen und Frauen in die jeweilige Gesellschaft als vollwertiges Mitglied verfolge und die Ächtung bzw. der Ausschluss der nicht verstümmelten Frauen mit seinen gegebenenfalls existenzbedrohenden Folgen keine Verfolgung sei. Die Genitalverstümmelung ist gerade darauf gerichtet, die sich weigernden Betroffenen den Traditionen zu unterwerfen und unter Missachtung des Selbstbestimmungsrechtes zu verstümmelten Objekten zu machen (VG Aachen, U.v. 10.5.2010 - 2 K 562/07.A - juris; VG Ansbach, U.v. 14.10.2010 - AN 18 K 10.30254 - juris).

Diese Verfolgung erfolgt wegen der Zugehörigkeit der betroffenen Frau zu einer bestimmten sozialen Gruppe i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3b Abs. 1 Nr. 4, 4. Halbsatz AsylVfG; hiernach gilt eine Gruppe insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtlichen Identität anknüpft. Dies ist bei der weiblichen Genitalverstümmelung der Fall, da sie allein an das Geschlecht anknüpft.

Bei einem Aufenthalt in Äthiopien muss die Klägerin konkret mit einer derartigen Verfolgung rechnen, so dass sie zu Recht eine begründete Furcht vor Verfolgung in diesem Sinne hat.

Weibliche Genitalverstümmelung wird in Äthiopien vorgenommen.

Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Äthiopien (Stand Februar 2014) ist die Genitalverstümmelung seit der Reformierung des Strafgesetzbuches im Jahr 2005 gemäß Art. 565 mit Geldstrafe ab 500 Birr (ca. 20,00 EUR) oder mindestens dreimonatiger, in besonders schweren Fällen mit bis zu zehn Jahren Gefängnisstrafe bedroht. Trotz sinkender Zahlen - nach unterschiedlichen Quellen hat sich die Zahl der Neuverstümmelungen inzwischen auf zwischen 25% und 40% der Mädchen verringert - ist Genitalverstümmelung nach wie vor mit großen regionalen Unterschieden weitverbreitet (Zahlen schwanken auch hier zwischen 56% und über 70% landesweit). Am häufigsten ist sie in ländlichen Gebieten der an Dschibuti und Somalia grenzenden Regionen Somali und Afar sowie in der gesamten Region Oromia anzutreffen. In den Grenzregionen Tigray (Grenze zu Eritrea) und Gambela (Grenze zu Südsudan) ist sie am wenigsten verbreitet. Die Regierung sowie äthiopische und internationale Organisationen führen Kampagnen gegen Genitalverstümmelung durch.

Nach der Informationsschrift des Bundesamtes „Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern“, April 2010, ist Genitalverstümmelung von Frauen und Mädchen in Äthiopien noch weitverbreitet. Laut einer Studie aus dem Jahr 2005 sind 74% der weiblichen Bevölkerung in Äthiopien von Genitalverstümmelung betroffen. In den Regionen Somali, Afar und Dire Dawa sind nahezu alle Frauen von Genitalverstümmelung betroffen, in Oromia und Harari noch mehr als 80%. Die geringsten Raten gibt es in den Regionen Tigray und Gambela mit 29% bzw. 27%. Im Süden des Landes wird weibliche Genitalverstümmelung bei manchen ethnischen Gruppen gar nicht praktiziert. Die Genitalverstümmelung wird meist von traditionellen Hebammen durchgeführt, die oft zuhause und unter sehr unhygienischen Bedingungen arbeiten. Es werden verschiedene Formen der Genitalverstümmelung vorgenommen. Das Alter, in dem der Eingriff vorgenommen wird, ist regional unterschiedlich: In Amhara und Tigray werden Mädchen im 1. Lebensjahr verstümmelt, während sie bei den Somali, Afar und Oromo zwischen sieben und neun Jahre alt sind. Im Jahr 2004 erließ die äthiopische Regierung ein Gesetz gegen die weibliche Genitalverstümmelung, die Strafandrohung liegt zwischen drei Monaten und zehn Jahren Freiheitsstrafe. Außerdem versucht die Regierung durch Presseartikel und Regierungszeitungen dieser Praxis entgegenzuwirken. Darüber hinaus fördert und unterstützt sie NGOs, die Frauen, Lehrer und Dorfvorsteher über die Gefahren der Genitalverstümmelung aufklären. Erste positive Ergebnisse zeigen eine UNICEF-Studie von 2005, in der festgestellt wurde, dass die Unterstützung von weiblicher Genitalverstümmelung bezogen auf ganz Äthiopien abgenommen hat. 2005 ließen 38% der Mütter mindestens eine Tochter genital verstümmeln gegenüber 52% im Jahr 2000. Frauen mit höherem Bildungsgrad und aus einer städtischen Umgebung sind dabei eher bereit, die Genitalverstümmelung aufzugeben. Ein effektiver Schutz gegen die zwangsweise Durchsetzung der Genitalverstümmelung durch staatliche Stellen oder NGOs ist allerdings noch nicht zu erwarten.

Gemäß einer Anfragebeantwortung von ACCORD vom 27. Oktober 2014 „Informationen zur Lage von Frauen mit und ohne familiäre Anknüpfungspunkte bei einer Rückkehr; Lage von Angehörigen der Oromo“ wird ein Bericht von UN-Frauen vom September 2013 zitiert. Hiernach betreffen schädliche traditionelle Praktiken, darunter weibliche Genitalverstümmelungen und Kinderheirat am Land lebende Frauen und Mädchen unverhältnismäßig oft. Obwohl ein genereller politischer Wille besteht, sich mit dem Thema Geschlechterungleichheit zu befassen, sind nur eingeschränkt Kapazitäten zur Finanzierung und Umsetzung von Eingriffen auf Gemeindeebene hinsichtlich gefährdeter Frauen verfügbar.

Nach einer Auskunft des Instituts für Afrikakunde (GIGA) vom 6. September 2006 an das Verwaltungsgericht Ansbach ist die Genitalverstümmelung in Äthiopien auch nach dem Regierungswechsel von 1991 weitverbreitet. Nach einer Erhebung des Ethiopian Demographic and Health Survey aus dem Jahr 2000 sind 80% der Mädchen und Frauen von dieser Praxis betroffen, nach einem Unicef-Bericht aus dem Jahr 2004 sind es in Oromia sogar 99%. Die Verstümmelung wird bei den Oromos meist im Alter zwischen vier Jahren und dem Beginn der Pupertät durchgeführt. Es gibt in Äthiopien zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, die sich gegen die Verstümmelung von Mädchen engagieren und auch im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit tätig sind. Allerdings handelt es sich bei der Praxis um einen Brauch, der bereits seit vorchristlichen und vorislamischen Zeiten in der Region existiert, somit tief in der Kultur verwurzelt ist und daher nur sehr langsam abzuschaffen sein wird, zumal auch viele Frauen selbst hinter der Praxis stehen, die durch hygienische, ästhetische, religiöse und kulturelle Faktoren gerechtfertigt wird. Daher vermögen auch die existierenden Organisationen, die gegen die Genitalverstümmelung eintreten und auch potentiellen Opfern Schutz zu bieten versuchen, keineswegs flächendeckend, sondern allenfalls punktuell Hilfe zu leisten. Es lässt sich am ehesten ein Erfolg bei den Reduzierungen der Genitalverstümmelung im städtischen Umfeld bei Personen mit höherem Bildungsgrad feststellen, nicht jedoch in ländlichen Gebieten. Die Genitalverstümmelungen finden im privaten Raum statt und werden von traditionellen „Beschneiderinnen“ durchgeführt, so dass diese Tradition allein durch die Gesetzgebung nicht unterbunden werden kann. Die Zuverlässigkeit der erhobenen Zahlen hinsichtlich der verstümmelten Frauen und Mädchen und der Neuverstümmelungen ist allerdings nicht gewährleistet, da davon auszugehen ist, dass bei Umfragen teilweise falsche Angaben gemacht werden, um etwaige behördliche Sanktionen zu vermeiden.

Nach dem Bericht von Forward Germany e.V. vom 10. Oktober 2010 (vgl. hierzu VG Ansbach, U.v. 14.10.2010 - AN 18 K 10.30254 - juris Rn. 29) sind die Mütter für die Jungfräulichkeit des Mädchens verantwortlich. Mit allen Mitteln wachen sie darüber und haben somit die absolute Kontrolle über die Mädchen und deren Sexualität. Die Prüfung der Jungfräulichkeit und des Grades der Genitalverstümmelung kann auch von der zukünftigen Schwiegermutter vorgenommen werden. Die Mädchen können keine Anzeige gegen ihre Familie erstatten, da sie mit Sicherheit schlimmste Folgen von Bestrafung erleben werden, wie die Tötung durch die eigenen Familien, wegen Ungehorsamkeit, egal ob die Familie dabei auf dem Land oder in der Großstadt lebt. Das Verlassen der Region, in der sich ein Mädchen oder eine junge Frau befindet, ist für eine Familie kein Hindernis, um das ungehorsame Mädchen seiner Strafe zuzuführen. Wenn ein Mädchen oder eine junge Frau den direkten Einzugsbereich der Familie verlässt, ist sie so noch lange nicht in Sicherheit und kann auch nicht unbehelligt ihr Leben führen. Das Mädchen verkörpert direkt die Ehre der Familie, die sie verletzt, wenn sie sich nicht dem Willen der Familie unterordnet und sogar noch flieht.

Nach einem Gutachten von amnesty international für das VG München vom 5. Oktober 2004 sind in Oromia 99% der Mädchen verstümmelt. Die Praxis der Genitalverstümmelung ist bei allen Religionsgemeinschaften verbreitet.

Aus diesen Berichten und Auskünften ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass die Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen in Äthiopien auch derzeit vielfach vorgenommen wird, insbesondere in ländlichen Gebieten. Sie wird innerhalb der (Groß-)Familie gefördert und gefordert, es wird diesbezüglich ein extrem starker sozialer Druck ausgeübt. Allerdings betrifft die weibliche Genitalverstümmelung nicht unterschiedslos (fast) alle Frauen in Äthiopien, da die Anzahl der Neuverstümmelungen inzwischen deutlich unter 50% liegen und es sich somit lediglich um eine deutliche Anzahl individueller Übergriffe handelt.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin deutlich machen können, dass auch sie persönlich bei einem Aufenthalt in Äthiopien in die konkrete Gefahr kommen würde, einer Genitalverstümmelung unterzogen zu werden. Die Familie der Klägerin stammt aus einem ländlichen Gebiet, nämlich aus dem Ort B. R. bzw. dessen Umgebung im Bundesstaat Oromia. Sie gehört zur Ethnie der Oromos, bei der - wie oben dargelegt - die Genitalverstümmelung besonders weit verbreitet ist. Die Klägerin hat mittels einer fachärztlichen Bescheinigung der Ärztin B. K. vom 28. November 2014 (vgl. Verfahren W 3 K 13.30186) dargelegt, dass ihre Mutter einer Genitalverstümmelung unterzogen worden ist. Dies hat die Mutter der Klägerin, die Klägerin im Verfahren W 3 K 13.30186, durch eigene Schilderungen des Vorgangs untermauert und zudem glaubhaft erläutert, dass die Genitalverstümmelung in ihrer Familie traditionell vorgenommen wurde und wird, so auch an ihren weiblichen Geschwistern und bei weiteren Kindern. Weiterhin hat die Mutter der Klägerin glaubhaft dargestellt, dass ihr Onkel, der nach dem Tod ihres Vaters für die Familie verantwortlich ist, ebenfalls die Genitalverstümmelung unterstützt. Auch für die Großmutter der Klägerin sei die Genitalverstümmelung der Mutter der Klägerin nicht schlimm gewesen.

Damit hat die Klägerin glaubhaft dargelegt, dass sie bei einem Aufenthalt im Rahmen ihrer (Groß-)Familie sich einer Genitalverstümmelung nicht wird entziehen können, obwohl ihre Mutter die Genitalverstümmelung ablehnt. Denn zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die Mutter der Klägerin als alleinstehende Frau in der patriarchalisch dominierten und von Traditionen stark geprägten Gesellschaft ihres Dorfes und ihrer Großfamilie gegenüber den maßgeblichen - insbesondere älteren und männlichen - Leitfiguren keine greifbare Möglichkeit hätte, die Genitalverstümmelung der Klägerin zu verhindern.

Aus den oben genannten Quellen ergibt sich zudem, dass staatliche äthiopische Stellen oder internationale Organisationen nicht effektiv in der Lage sind, der Klägerin gemäß § 3c Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG vor nichtstaatlichen Akteuren, hier vor den Mitgliedern der Familie und der Gesellschaft der Oromos, Schutz vor Verfolgung zu bieten (vgl. hierzu auch VG Wiesbaden, U.v. 22.10.2013 - 5 K 1230/12.WI.A-n.v.). Demgegenüber kann das Gericht der Haltung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes in seinem Beschluss vom 3. Februar 2006 (9 ZB 05.31075 - juris Rn. 18) nicht folgen; hier stellt der Bayer. Verwaltungsgerichtshof auf eine Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG München vom 24. Januar 2005 ab, wonach Nichtregierungsorganisationen mit sozialem Aufgabengebiet von Genitalverstümmelung bedrohten Mädchen Zuflucht, zum Teil sogar langfristige Zuflucht bieten. Die Auskunft, auf die sich der Bayer. Verwaltungsgerichtshof bezieht, ist zu allgemein gehalten, als dass ihr konkrete Schutzmöglichkeiten entnommen werden könnten. Zudem steht diese Auskunft im Widerspruch zu den oben genannten Unterlagen, die detailliert darlegen, warum kein flächendeckender Schutz durch Nichtregierungsorganisationen und Regierungsorganisationen vor Genitalverstümmelung vorhanden ist. Die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 24. Januar 2005 ist zu oberflächlich und zu unkonkret, als dass sie die detaillierten oben genannten Informationen in Frage stellen könnte.

Eine theoretisch denkbare Rückkehr der Klägerin allein ohne ihre Mutter würde dazu führen, dass sie zwangsläufig als Kind von ihrer Großfamilie aufgenommen werden würde und sich somit ebenfalls nicht der für die Großfamilie zwingenden Genitalverstümmelung entziehen könnte.

Eine inländische Fluchtalternative, beispielsweise in Addis Abeba, ist für die Klägerin und ihre Mutter nicht erkennbar.

Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand Februar 2014, besteht grundsätzlich die Möglichkeit für Opfer staatlicher Repressionen, ihren Wohnsitz in andere Landesteile zu verlegen und somit einer lokalen Bedrohungssituation zu entgehen. Allerdings ist die Gründung einer neuen wirtschaftlichen und sozialen Existenz in anderen Landesteilen angesichts des niedrigen Existenzniveaus, der Schwierigkeit, Land zu erwerben sowie aufgrund ethnischer und sprachlicher Abgrenzungen schwierig. In den größeren Städten ist ein wirtschaftlicher Neuanfang und Vergleich leichter möglich.

Nach der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Äthiopien: Rückkehr einer jungen, alleinstehenden Frau vom 13. Oktober 2009) ist ein Leben für besonders verletzliche Personen, die über kein soziales Netzwerk verfügen und sich das Existenzminimum nicht sichern können, in Äthiopien unzumutbar. Zu diesen Personen gehören u. a. Kinder und alleinstehende Frauen, die weder über eigenes Vermögen noch über familiären Rückhalt verfügen. Die Mehrzahl der Frauen, die alleine in die Stadt kommen, landen in der Prostitution oder als Bedienstete in Haushalten, wo sie verschiedenen Formen der Gewalt ausgesetzt sind. Es ist für alleinstehende Frauen schwierig, sowohl Unterkunft wie auch Arbeitsplatz zu finden. Auch die Wohnungssuche ist ohne Unterstützung von Bekannten schwierig. Nach der Auskunft von ACCORD vom 27. Oktober 2014 (Anfragebeantwortung zu Äthiopien: Informationen zur Lage von Frauen mit und ohne familiäre Anknüpfungspunkte bei einer Rückkehr) sind außereheliche Kinder in Äthiopien ein Tabu. Dies ist nicht akzeptabel, der Großteil dieser Frauen werden als Sexarbeiterin angesehen. Arbeitsmöglichkeiten für alleinstehende Frauen sind nicht vorhanden. Gemäß einer Auskunft von amnesty international vom 5. Oktober 2004 an das Verwaltungsgericht Würzburg dürfte es ohne die Unterstützung der Großfamilie einem Paar mit zwei Kindern kaum möglich sein, sich in Addis Abeba eine Existenz aufzubauen.

Dies macht deutlich, dass es für die Klägerin und ihre Mutter nicht denkbar ist, unabhängig von der (Groß-)Familie andernorts in Äthiopien eine Existenz aufzubauen, zumal es sich um eine alleinstehende Frau mit zwei Kleinkindern handelt. Damit ist die Möglichkeit eines internen Schutzes nach § 3e Abs. 1 AsylVfG nicht erkennbar.

Aus alledem ergibt sich, dass die Klägerin bei einem Aufenthalt in Äthiopien in die konkrete Gefahr einer Genitalverstümmelung geraten würde. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 AsylVfG sind somit gegeben. Deshalb war die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 16. Dezember 2013 in Ziffern 1, 3, 4 und 5 zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen. Über die Hilfsanträge musste deshalb nicht mehr entschieden werden. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 83b AsylVfG, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.

(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.