Sozialgericht Stuttgart Urteil, 17. Juni 2010 - S 6 SB 7503/09

bei uns veröffentlicht am17.06.2010

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 2009 verurteilt, dem Kläger das Merkzeichen „aG“ zuzuerkennen.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten und Auslagen des Klägers.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten im Rahmen der Durchführung des Behindertenrechts nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) darüber, ob der Kläger die erforderlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ im Sinne einer außergewöhnlichen Gehbehinderung erfüllt.
Erstmals waren bei dem 1931 geborenen Kläger unter Bewertung des Grads der Behinderung (GdB) in Höhe von 30 mit Bescheid des Versorgungsamts Stuttgart vom 28. Oktober 1988 als Behinderungen festgestellt worden: „Degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit Folgeerscheinungen, Schulter-Arm-Syndrom rechts, degenerative Veränderungen am rechten Knie- und linken Sprunggelenk, geringe Bewegungseinschränkung des linken Zeigefingers und Daumens im Endgelenk, Aufhebung der Berührungsempfindlichkeit an den Fingern der linken Hand auf der Beuge- und teilweise auf der Streckseite.“ - Nach Hinzutretens eines Karzinomsleidens erfolgte mit Bescheid des Versorgungsamts Stuttgart vom 3. August 1998 eine Anhebung des Gesamt-GdB auf 60 mit einer entsprechenden Erweiterung und teilweisen Umformulierung des Leidenstenors. Merkzeichen im Rahmen der Durchführung des Nachteilsausgleichs waren seinerzeit weder beantragt noch festgestellt worden.
Der Kläger trat mit einem am 30. September 2008 bei der Beklagten eingegangenen Antrag auf Erhöhung des GdB und Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ hervor und führte antragsbegründend u. a. auch eine zur operativen Behandlung vorgemerkte Spinalstenose an. Im Rahmen des von der Beklagten eingeleiteten Verwaltungsverfahrens legte alsdann auch Orthopäde Dr. F./Sindelfingen einen ärztlichen Befundschein vor und bezeichnete hierbei das Gehvermögen als stark reduziert vor dem Hintergrund von Spinalkanalstenose und aktivierten Arthrosen der Wirbelgelenke sowie massiven degenerativen Veränderungen der Bandscheiben mit teilweise Nervenkontakt, schilderte ergänzend auch ähnliche degenerativ bedingte Verschleißerscheinungen im Bereich der Kniegelenke und bewertete das Gehvermögen mit maximal 30 bis 50 Metern. In unmittelbarem Anschluss an eine vorangegangene stationäre Anschlussheilbehandlung (AHB), durchgeführt in der Zeit vom 29. Oktober 2008 bis 19. November 2008 in der Sana-Klinik Zollernalb/Albstadt nach vorangegangenen stationären operativen Eingriffen im Bereich der Lendenwirbelsäule vom 8. Oktober und 20. Oktober 2008 erweiterte der Kläger seinen Neufeststellungsantrag zunächst auch noch um die Zuerkennung weiterer Merkzeichen den Nachteilsausgleich betreffend.
In Auswertung der weiteren zwischenzeitlich auch bei der Beklagten eingegangenen medizinischen Unterlagen äußerte sich nach Aktenlage alsdann Internist Dr. L. unter dem 10. Februar 2009 in dem Sinne, dass der Gesamt-GdB auch wegen zwischenzeitlicher Heilungsbewährung des behandelten Karzinomleidens nunmehr mit 50 zu bewerten sei. Hierbei legte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde: „1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, Spinalkanalstenose operiert (Teil-GdB: 40), 2. Berufsunfallbedingte Gebrauchseinschränkung der linken Hand (Teil-GdB: 25), 3. Schwerhörigkeit (Teil-GdB: 20), 4. Verlust der Prostata (Teil-GdB: 10) und 5. Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Funktionsbehinderung beider Sprunggelenke (Teil-GdB 10).“ Hinsichtlich des Merkzeichens „aG“ wurden ohne weitere Begründung die erforderlichen Voraussetzungen als nicht gegeben bezeichnet.
Nach erfolgter Anhörung des Klägers stellte die Beklagte mit dem angefochtenen Ausgangsbescheid vom 4. Mai 2009 den Gesamt-GdB auf nunmehr 50 fest unter gleichzeitiger Zuerkennung des Merkzeichens „G“, lehnte indessen ohne weitere sachbezogene Ausführungen zur Begründung die Erteilung des Merkzeichens „aG“ ab. Im Rahmen des von ihm angestrengten Widerspruchsverfahrens bezog sich der Kläger auch auf eine entsprechende ärztliche Bescheinigung des Orthopäden Dr. F./Sindelfingen vom 26. Juni 2009, der nach näherer Darstellung des Restgehvermögens - zusammengefasst - das Merkzeichen „aG“ als indiziert bezeichnet hatte. Für die Beklagte überprüfte alsdann die Aktenlage Dr. H. am 17. August 2009, bewertete hier die Funktionsbehinderungen beider Knie-, Sprung- und Hüftgelenke etwas höher mit einem Teil-GdB in Höhe von 20 und bezeichnete in der Gesamt-Bewertung den zugrunde zu legenden GdB im Ergebnis unverändert als den Betrag von 60 erreichend, die Voraussetzungen für „aG“ jedoch deshalb nicht als erfüllt, da die verordnungsseitig vorgegebene Vergleichbarkeit mit einem Doppeloberschenkel-amputierten nicht vorliege. Mit dem vorliegend insoweit nicht streitbefangenen Teil-Abhilfebescheid der Beklagten vom 24. August 2009 erfolgte dann der Sache nach die Beibehaltung des bisherigen Gesamt-GdB in Höhe von 60. Bezüglich „aG“ bestätigte mit dem gleichfalls angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2009 indessen die Beklagte mit etwas ausführlicheren Darstellungen im Begründungsteil die vorangegangene Verwaltungsentscheidung.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der am 9. November 2009 per Fax und am Folgetag im Original bei dem Sozialgericht Stuttgart eingegangenen Klage. Klagbegründend bezeichnet der Kläger die erforderlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung von „aG“ bei ihm als gegeben. Hierzu trägt er im Einzelnen auch vor, seine gesamte Lendenwirbelsäule sei eingesteift mit der Folge regelmäßiger Tage dauernder Wurzelreizerscheinungen bei erheblicher Schmerzhaftigkeit ohne Linderungsaussicht. Auch bestünden erhebliche Schmerzen im Bereich der beiden Kniegelenke sowie der Sprunggelenke mit erheblichen Wasseransammlungen im Bereich der Beine. Da er bei dem Restgehvermögen erhebliche Kraft und Energie aufwenden müsse, benötige er schon nach 20 bis 30 m Wegstrecke eine längere Pause von fünf bis zehn Minuten Dauer, zumal er wegen des erbrachten Kraftaufwands dann auch schon völlig „durchgeschwitzt“ und seine Muskulatur total verkrampft sei. Auch zur entsprechenden Entkrampfung müsse er sich alsdann jeweils hinsetzen bzw. bei mangelnden Sitzmöglichkeiten sich an irgendetwas festhalten, wobei nach den jeweiligen Pausen sich diese Prozedur alsdann wiederholen müsse.
Während des weiteren gerichtlichen Streitverfahrens gelangte ein neueres ärztliches Attest des Internisten E. /Sindelfingen vom 10. Mai 2010 ebenso zu den Akten wie ein Arztbrief des Orthopäden Dr. F. vom 29. März 2010, worin dieser u. a. die Indikation zur prothetischen Versorgung auch vor dem Hintergrund einer fortgeschrittenen Gonarthrose mit medial aufgebrauchtem Gelenkspalt sowie deutlicher retropatellaren Arthrose im Bereich des rechten Knies darstellte.
Der Kläger stellt sinngemäß den Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 2009 zu verurteilen, bei dem Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsaugleichs/des Merkzeichens „aG“ festzustellen.
10 
Die Beklagte beantragt
11 
Klagabweisung.
12 
Sie bezeichnet die Klage als sachlich-rechtlich nicht begründet und bezieht sich insbesondere auf die vorangegangenen genannten versorgungsärztlichen Stellungnahmen sowie die Begründung des erwähnten Widerspruchsbescheids.
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Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird verwiesen auf den Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakte der Beklagten (Aktenzeichen 06/35/326 992) und denjenigen der gerichtlichen Streitakte. Diese waren auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Urteilsberatung.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die frist- und formgerecht zu dem zuständigen Sozialgericht Stuttgart erhobene Klage ist zulässig und begründet.
15 
Streitgegenstand der vorliegenden kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist im Kern die Beantwortung der Frage, ob die Beklagte in der erforderlichen Übereinstimmung zu der maßgeblichen Sach- und Rechtslage dem Kläger die Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ versagen konnte. Das ist vorliegend indessen zur Überzeugung des erkennenden Gerichts nicht der Fall. Da der Kläger mithin durch die zugrundeliegenden und insoweit von ihm noch angefochtenen Verwaltungs-entscheidungen in rechtswidriger Weise in seinen Rechten beeinträchtigt wird, hatte die Klage den erstrebten Erfolg.
16 
Dass der Kläger faktisch massiv gehbehindert ist, ist zwischen den Beteiligten der Sache nach unstreitig und war von ihm auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht in zurückhaltender Darstellungsweise überzeugend erläutert worden. Insoweit bedarf es deshalb keines weiteren Eingehens auf diesen Tatsachenkomplex.
17 
Problematisch ist vielmehr die Rechtsgrundlage, vor deren Hintergrund die Beklagte zu der abschlägigen Verwaltungsentscheidung kam. Entgegen ihrer Ansicht nach konnte sich die Beklagte nämlich nicht auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten maßgeblichen Verwaltungsentscheidung (sc. Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2009) stützen, wie sie unter Verwendung gängiger Textbausteine hier v. a. auf die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) verwiesen hat. In Langfassung bedeutet das, dass sie als Ausgangspunkt für ihre Beurteilung Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 (VwV-StVO), neu bekannt gemacht am 26. Januar 2001 (BAnz 2001, Nr. 21, S. 1419) und zuletzt geändert am 17. Juli 2009 (BAnz Nr. 110, S. 2598), genommen hat.
18 
Hiernach ist „außergewöhnlich gehbehindert“ im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeugs bewegen kann (Rn. 129 der Verwaltungsvorschrift). Erläuternd wird der angesprochene Personenkreis umschrieben als „Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig oberschenkelamputierte Menschen, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese zu tragen oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind“ (Rn. 130 der Verwaltungsvorschrift). Der durch die letztgenannten Formulierungen umschriebene Personenkreis findet seine wortwörtliche Wiederholung in Abschnitt D 3. lit. b der als „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) bezeichneten Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV] vom 10. Dezember 2008; BGBl. I S. 2412), die von dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassen wurde.
19 
Ermächtigungsgrundlage der VwV-StVO vom 22. Oktober 1998 in der Fassung vom 17. Juli 2009 ist gemäß dortigem Artikel 1 seinerseits § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG. Beachtlich ist hierbei allerdings, dass die Zielrichtung dieser Ermächtigungsgrundlage eine andere ist, nämlich dem Wortlaut nach Regelungen betreffend „sonstige zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen, für Zwecke der Verteidigung, zur Verhütung einer über das verkehrsübliche Maß hinausgehenden Abnutzung der Straßen oder zur Verhütung von Belästigungen erforderlichen Maßnahmen über den Straßenverkehr“. Eine rechtliche Verknüpfung der VwV-StV zu § 6 Abs. 1 Nr. 14 des StVG fehlt indessen.
20 
Unter rechtlichen Gesichtspunkten hat das zur Folge, dass der erforderliche juristische Querbezug der von der Beklagten zugrunde gelegten VersMedV hier sich - zurückhaltend formuliert - nicht ohne Weiteres erschließt. Hinzu tritt auch der Umstand, dass beispielsweise § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG mittlerweile durch Artikel 1 Nr. 1. des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und Veränderung des Gesetzes zur Änderung der Anlagen 1 und 3 des ATP-Übereinkommens vom 3. Februar 2009 (BGBl. I S. 150) nunmehr teilweise neu gefasst wurde. Die sich hieraus ergebende Ermächtigungs-grundlage für entsprechende Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrats für das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bezieht sich nunmehr auf „die Beschränkung des Haltens und Parkens zu Gunsten der Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel sowie die Schaffung von Parkmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, mit beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie für blinde Menschen, insbesondere in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung oder Arbeitsstätte“, wobei der zusätzlich aus sozialpolitischen Erwägungen neu begünstigte Personenkreis durch die Hereinnahme ansonsten unüblicher fachmedizinischer Ausdrücke in den direkten Gesetzestext gezielt war auf sog. „Contergan-Opfer“.
21 
Folgerichtigerweise wäre nunmehr insoweit mangels entsprechender Anpassung die Aufzählung in D 3 lit. b der VersMedV zwischenzeitlich zumindest unvollständig geworden. Der nunmehr speziell angesprochene Personenkreis bliebe bei strikter Beachtung der Neureglung mangels entsprechender Nachführung im untergesetzlichen Bereich mithin in seiner Rechtsposition zumindest gefährdet, zumal die Ergänzung der VwV-StVO durch Rn. 135 zu Nr. 11 (Ausnahmegenehmigungen für schwerbehinderte Menschen) nicht geeignet ist, rechtlich fragwürdige Ermächtigungsgrundlagen ersetzen zu können.
22 
Auch muss erstaunen, dass im Rahmen der Prüfung der Rechtsförmlichkeit erkennbar übersehen wurde, dass die Verordnungskompetenz innerhalb der Bundesregierung gem. § 6 Abs. 2 bis 4 StVG primär bei dem geschäftsführenden Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung liegt. Eine Beteiligung des die VersMedV erlassenden Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ist indessen an keiner Stelle vorgesehen und lasse sich selbst bei großzügiger Interpretation von § 6 Abs. 4 StVG nicht etwa im Sinne einer Übertragung der Kompetenz weg vom federführenden (Verkehrs-)Ressort konstruieren. Mithin fehlt es letztlich für „aG“ en einer rechtlich tragfähigen Ermächtigungsgrundlage, da hier die VersMedV aus Gründen fehlerhafter Kompetenzberühmung nicht anwendbar ist.
23 
Sinngemäß ein Gleiches gilt auch für den in Rn. 130 der genannten Verwaltungsvorschrift umschriebenen Personenkreis (s. o.). In der Vergangenheit war diese Umschreibung gleichwohl sachliche Grundlage jahrelanger Verwaltungspraxis. Diese ihrerseits zeichnete sich indessen dadurch aus, dass die dortige Auflistung im Sinne eines „Numerus clausus“ verstanden wurde und nicht als das, wie sie vor dem Hintergrund der wesentlich allgemeineren Formulierung des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG nur verstanden werden konnte im Sinne einer Darstellung sog. „Regelbeispiele“ ohne abschließenden Charakter.
24 
Bezeichnend für die einschlägige Problematik mit vielfach als ungerecht empfundenen Ergebnissen war in der Folge immerhin, dass auf landesrechtlicher Ebene zunehmend Lösungsmöglichkeiten eingeführt wurden durch Einführung des sog. „aG-light“ oder auch für das Bundesland Berlin z. B. das zusätzliche Merkzeichen „T“ (= synonym für Taxibenutzung). Auch bemühte sich die einschlägige Rechtsprechung (so insbesondere zuletzt Bundessozialgericht, Urteil vom 29. März 2007 [B 9a SB/1/06 R] - m. w. N.) um praktikablere Lösungsformen, wenngleich auch unter - zutreffendem - Hinweis auf stringende Beurteilungskriterien, vor allem auch vor dem Hintergrund einer nicht beliebigen Vermehrbarkeit öffentlichen Parkraums als knappem Gut. Besondere Schwierigkeiten mussten sich indessen dann einstellen, ging es um erheblich körperlich beeinträchtigte Behinderte, die vornehmlich aufgrund innerer Erkrankungen nicht ohne Weiteres unter den Personenkreis von Doppeloberschenkelamputierten u. dgl. zu subsumieren waren. Unbeschadet des Umstands, dass § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG vom Wortlaut her eine Limitierung auf diesen Personenkreis gerade nicht zwingend vorgab, lief die Verwaltungspraxis in eine andere Richtung und war im Sinne vormaliger Rechtsauslegung auch nur in Einzelfällen limitiert korrigierbar.
25 
Für das vorliegende Streitverfahren ist alleine maßgeblich die neue Rechtslage, wie sie sich seit 1. Januar 2009 durch Inkrafttreten der VersMedV ergeben musste. Anstelle der vormals in jahrzehntelanger Entwicklung, hervorgehend aus dem Bereich der Kriegsopferversorgung schon zur Kaiserzeit, heraus entwickelten ministeriellen „Anhaltspunkte für die ärztliche Begutachtung ...“ (AHP, zuletzt neu herausgegeben im Jahr 2008) mit deren letztlich ungeklärten Rechtscharakter trat nunmehr die neue Verordnung mit dem erklärten Ziel einer Angleichung an auch verfassungsrechtlich gebotene Standards (s. insbes. Giese in MedSach 2010, S. 85 ff.). In der Konsequenz bedeutet das allerdings, dass das einschlägige Beurteilungswesen mit den sich daraus ergebenden (justiziablen) Verwaltungsentscheidungen an den rechtlichen Vorgaben messen lassen muss, den die Rechtsordnung hierfür vorsieht.
26 
Als Ermächtigungsgrundlage für die VersMedV wird für die Feststellung der Behinderung und entsprechender Ausweise gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX nun ohne erkennbare weitere Differenzierungen nach Regelungsbereichen § 30 Abs. 17 BVG herangezogen, zumal die übrigen in dem SGB IX enthaltenen Verordnungsermächtigungen ohnedies andere Regelungsgegenstände haben und ansonsten auch § 126 SGB IX im Bereich des Nachteilsausgleichs außer einer dort mehr oder minder unverbindlichen (weiteren) Gesetzeszieldarstellung in Abs. 2 nur eine Besitzstandsregelung trifft.
27 
§ 30 Abs. 17 BVG, eingeführt mit Wirkung ab 21. Dezember 2007 durch Artikel 1 Nr. 32 lit. i des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) betrifft indessen - soweit vorliegend maßgeblich - indessen lediglich eine Ermächtigung, die Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen, (GdS) sowie noch einige Komplexe für die Bewertung von Hilflosigkeit und Pflegezulage zu regeln. Nicht von dieser Ermächtigungsgrundlage erfasst ist jedoch insoweit zumindest der Teil des Ausweiswesens, der die Umschreibung der notwendigen sachlichen Grundlagen entsprechender Vergünstigungsmerkmale zur Sicherung des Nachteilsausgleichs betrifft.
28 
Zur Überzeugung des Gerichts erfasst § 30 Abs. 17 BVG bereits vom Wortlaut her nicht die in den VersMedV festgehaltenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung entsprechender Ausweise im Rahmen der Durchführung des Nachteilsausgleichs, vorliegend insbesondere betreffend „aG“. Entsprechende rechtliche Zweifel waren in Rechtsprechung und Literatur bereits in der Vergangenheit geäußert worden (s. z. B. LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 14. August 2009 [L 8 SB 1691/08] sowie vom 20. November 2009 [Aktenzeichen L 8 SB 3887/08] und Dau in jurisPR-SozR 4/2009 Anm. 4 dort Nr. 5. Fazit).
29 
Nach Artikel 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. § 30 Abs. 17 BVG genügt zumindest für die vorliegend zur Beurteilung anstehenden Komplexe des Nachteilsausgleichs zur Überzeugung des Gerichts diesen bindenden verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht. Hierbei ist es eine allgemein bekannte Tatsache, dass die einschlägige Spruchpraxis insbesondere des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) alleine in der Datenbank JURIS (mittlerweile annähernd 400 Positionen umfassend) sich im Verlauf der Rechtsprechung des obersten Bundesgerichts verfeinert und präzisiert hat im Sinne einer Aufstellung erhöhter Genauigkeitsstandards. Hierbei macht es im Übrigen - soweit erkennbar - auch keinen entscheidenden Unterschied, ob nun Bereiche der sog. „darreichenden Verwaltung“ oder solche der „eingreifenden Verwaltung“ jeweils Beurteilungs-gegenstand waren.
30 
§ 30 Abs. 17 BVG, eingebettet in spezialrechtliche leistungsrechtliche Definierungen im Rahmen eines Spezialgesetzes, das diesen Charakter trotz seines Heranwachsens als Muttergesetz des gesamten sozialen Entschädigungsrechts nicht verloren hat, lässt indessen an keiner Stelle eine Zielrichtung für den Verordnungsgeber erkennen, wie er nun im Einzelnen im Bereich des Behindertenrechts beispielsweise für das in der Praxis bedeutsame Ausweiswesen in Zusammenhang mit Nachteilsausgleichen zu regeln hat. Hier findet sich zwar eine einfach-rechtliche Zielvorgabe in § 1 Abs. 1 SGB IX in Gestalt einer ausdrücklichen Statuierung staatlicher Leistungspflichten zur Sicherstellung von Selbstbestimmung und gleichberechtigter Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Der Sache nach ist das eigentlich nichts Neues, da sich eine entsprechende Zielbestimmung bereits u. a. in § 10 des Allgemeinen Teils des Sozialgesetzbuchs (SGB I) seit Anfang an befindet. Gleichwohl blieben in der Praxis dieser Zielvorgaben merkwürdig unbeachtet, was insbesondere den mit dem Inkrafttreten des SGB IX ausdrücklich gesetzgeberischerseits angestrebten Paradigmen-Wechsel im Sinne einer Stärkung des Teilhabeanspruchs (i. w. S.) betrifft. In der einschlägigen Fachliteratur sind hier allenfalls erste Ansätze erkennbar (vgl. u. a. Knickrehm, SGb 2008, S. 226 ff. und Dau, a.a.O. - jeweils m. w. N.).
31 
Diese Zielvorgaben blieben indessen in der Praxis mangels eindeutiger weiterer einfach-rechtlicher Konkretisierung in einer als merkwürdig zu bezeichnenden Weise nicht umgesetzt. Ob einer der Mitgründe hierfür auch das natürliche Beharrungsvermögen einer jahrzehntelang gewachsenen Spezialverwaltung und deren ministeriellem Überbau mit ursächlich sein mussten mag Spekulation bleiben. Es bedurfte jedenfalls von außen kommender Anstöße, hier wenigstens ein juristisches Problembewusstsein auf eine breitere Basis zu stellen, wobei z. B. - wenngleich noch nach altem Recht - die sog. „Zucker-Rechtsprechung“ des Bundessozialgerichts, ausgehend von dem Urteil vom 24. April 2008 (B 9/9a SB 10/06 R) ebenso gehört wie das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Dezember 2009 (Aktenzeichen L 13 SB 235/07) mit den dortigen Hinweisen auf bindendes supranationales Rechts (Rn. 34) oder zuletzt BSG, Urteil vom 29. April 2010 (Aktenzeichen B 9 SB 2/09 R, dort insbes. Rn. 42 f., wenngleich dort zu vordergründig anderem Bezug) und - von einem gänzlich anderen Ansatz her hierzu allerdings noch kritisch z. b. Luthe (in SGb 2009, S. 569 ff. - m. w. N.) - durch den Bundesrat mit dessen Entschließung vom 28. November 2008 unter der Zielrichtung einer Überprüfung unter besonderer Berücksichtigung der Vorgaben der individueller bezogenen ICF (= Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit; BR-Drs. 767/08). Folgerichtigerweise wurde auch aus berufenem Munde die VersMedV sinngemäß als Übergangsrecht im Sinne eines ersten Schrittes in eine neue Richtung bezeichnet (s. Giese, a. a. O.).
32 
Bezogen auf das vorliegende Streitverfahren hat das unter sinngemäßer Heranziehung der vormals gültigen einschlägigen Beurteilungskriterien, die schon mangels konträrer ausdrücklicher Aufhebungs- bzw. Außerkraft-Regelung weiter Anwendung finden müssen, um den betroffenen Personenkreis nicht im rechtlosen Raum stehen lassen zu müssen, das zur Konsequenz, dass das in der beschriebenen Weise äußerst eingeschränkte konkrete Restgehvermögen des Klägers die erforderlichen Kriterien für die streitige Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ erfüllt.
33 
Die auf letztlich formale Gesichtspunkte reduzierte Interpretation seitens der beklagten Verwaltung in Gestalt der angefochtenen Entscheidungen konnte keinen Bestand haben. Zum Einen mangelte es insoweit der erforderlichen hinreichend tragfähigen förmlichen Rechtsgrundlage. Zum Anderen würde dem grundrechtlich verbrieften Anspruch des Klägers auf Erhaltung seiner Menschenwürde im Sinne des Artikel 2 Abs. 1 GG nicht entsprochen werden können, beließe man ihn in einem starren Beurteilungsschema, das - wenngleich in einstmals guter Absicht - für Schwerstkriegsversehrte entwickelt worden war und in dieser Rigidität nunmehr schon der Sache nach nicht mehr zeitangemessen ist.
34 
Vorliegend war mithin zu entscheiden wie geschehen. - Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 183, 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Gründe

 
14 
Die frist- und formgerecht zu dem zuständigen Sozialgericht Stuttgart erhobene Klage ist zulässig und begründet.
15 
Streitgegenstand der vorliegenden kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist im Kern die Beantwortung der Frage, ob die Beklagte in der erforderlichen Übereinstimmung zu der maßgeblichen Sach- und Rechtslage dem Kläger die Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ versagen konnte. Das ist vorliegend indessen zur Überzeugung des erkennenden Gerichts nicht der Fall. Da der Kläger mithin durch die zugrundeliegenden und insoweit von ihm noch angefochtenen Verwaltungs-entscheidungen in rechtswidriger Weise in seinen Rechten beeinträchtigt wird, hatte die Klage den erstrebten Erfolg.
16 
Dass der Kläger faktisch massiv gehbehindert ist, ist zwischen den Beteiligten der Sache nach unstreitig und war von ihm auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht in zurückhaltender Darstellungsweise überzeugend erläutert worden. Insoweit bedarf es deshalb keines weiteren Eingehens auf diesen Tatsachenkomplex.
17 
Problematisch ist vielmehr die Rechtsgrundlage, vor deren Hintergrund die Beklagte zu der abschlägigen Verwaltungsentscheidung kam. Entgegen ihrer Ansicht nach konnte sich die Beklagte nämlich nicht auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten maßgeblichen Verwaltungsentscheidung (sc. Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2009) stützen, wie sie unter Verwendung gängiger Textbausteine hier v. a. auf die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) verwiesen hat. In Langfassung bedeutet das, dass sie als Ausgangspunkt für ihre Beurteilung Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 (VwV-StVO), neu bekannt gemacht am 26. Januar 2001 (BAnz 2001, Nr. 21, S. 1419) und zuletzt geändert am 17. Juli 2009 (BAnz Nr. 110, S. 2598), genommen hat.
18 
Hiernach ist „außergewöhnlich gehbehindert“ im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeugs bewegen kann (Rn. 129 der Verwaltungsvorschrift). Erläuternd wird der angesprochene Personenkreis umschrieben als „Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig oberschenkelamputierte Menschen, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese zu tragen oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind“ (Rn. 130 der Verwaltungsvorschrift). Der durch die letztgenannten Formulierungen umschriebene Personenkreis findet seine wortwörtliche Wiederholung in Abschnitt D 3. lit. b der als „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) bezeichneten Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV] vom 10. Dezember 2008; BGBl. I S. 2412), die von dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassen wurde.
19 
Ermächtigungsgrundlage der VwV-StVO vom 22. Oktober 1998 in der Fassung vom 17. Juli 2009 ist gemäß dortigem Artikel 1 seinerseits § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG. Beachtlich ist hierbei allerdings, dass die Zielrichtung dieser Ermächtigungsgrundlage eine andere ist, nämlich dem Wortlaut nach Regelungen betreffend „sonstige zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen, für Zwecke der Verteidigung, zur Verhütung einer über das verkehrsübliche Maß hinausgehenden Abnutzung der Straßen oder zur Verhütung von Belästigungen erforderlichen Maßnahmen über den Straßenverkehr“. Eine rechtliche Verknüpfung der VwV-StV zu § 6 Abs. 1 Nr. 14 des StVG fehlt indessen.
20 
Unter rechtlichen Gesichtspunkten hat das zur Folge, dass der erforderliche juristische Querbezug der von der Beklagten zugrunde gelegten VersMedV hier sich - zurückhaltend formuliert - nicht ohne Weiteres erschließt. Hinzu tritt auch der Umstand, dass beispielsweise § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG mittlerweile durch Artikel 1 Nr. 1. des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und Veränderung des Gesetzes zur Änderung der Anlagen 1 und 3 des ATP-Übereinkommens vom 3. Februar 2009 (BGBl. I S. 150) nunmehr teilweise neu gefasst wurde. Die sich hieraus ergebende Ermächtigungs-grundlage für entsprechende Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrats für das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bezieht sich nunmehr auf „die Beschränkung des Haltens und Parkens zu Gunsten der Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel sowie die Schaffung von Parkmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, mit beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie für blinde Menschen, insbesondere in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung oder Arbeitsstätte“, wobei der zusätzlich aus sozialpolitischen Erwägungen neu begünstigte Personenkreis durch die Hereinnahme ansonsten unüblicher fachmedizinischer Ausdrücke in den direkten Gesetzestext gezielt war auf sog. „Contergan-Opfer“.
21 
Folgerichtigerweise wäre nunmehr insoweit mangels entsprechender Anpassung die Aufzählung in D 3 lit. b der VersMedV zwischenzeitlich zumindest unvollständig geworden. Der nunmehr speziell angesprochene Personenkreis bliebe bei strikter Beachtung der Neureglung mangels entsprechender Nachführung im untergesetzlichen Bereich mithin in seiner Rechtsposition zumindest gefährdet, zumal die Ergänzung der VwV-StVO durch Rn. 135 zu Nr. 11 (Ausnahmegenehmigungen für schwerbehinderte Menschen) nicht geeignet ist, rechtlich fragwürdige Ermächtigungsgrundlagen ersetzen zu können.
22 
Auch muss erstaunen, dass im Rahmen der Prüfung der Rechtsförmlichkeit erkennbar übersehen wurde, dass die Verordnungskompetenz innerhalb der Bundesregierung gem. § 6 Abs. 2 bis 4 StVG primär bei dem geschäftsführenden Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung liegt. Eine Beteiligung des die VersMedV erlassenden Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ist indessen an keiner Stelle vorgesehen und lasse sich selbst bei großzügiger Interpretation von § 6 Abs. 4 StVG nicht etwa im Sinne einer Übertragung der Kompetenz weg vom federführenden (Verkehrs-)Ressort konstruieren. Mithin fehlt es letztlich für „aG“ en einer rechtlich tragfähigen Ermächtigungsgrundlage, da hier die VersMedV aus Gründen fehlerhafter Kompetenzberühmung nicht anwendbar ist.
23 
Sinngemäß ein Gleiches gilt auch für den in Rn. 130 der genannten Verwaltungsvorschrift umschriebenen Personenkreis (s. o.). In der Vergangenheit war diese Umschreibung gleichwohl sachliche Grundlage jahrelanger Verwaltungspraxis. Diese ihrerseits zeichnete sich indessen dadurch aus, dass die dortige Auflistung im Sinne eines „Numerus clausus“ verstanden wurde und nicht als das, wie sie vor dem Hintergrund der wesentlich allgemeineren Formulierung des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG nur verstanden werden konnte im Sinne einer Darstellung sog. „Regelbeispiele“ ohne abschließenden Charakter.
24 
Bezeichnend für die einschlägige Problematik mit vielfach als ungerecht empfundenen Ergebnissen war in der Folge immerhin, dass auf landesrechtlicher Ebene zunehmend Lösungsmöglichkeiten eingeführt wurden durch Einführung des sog. „aG-light“ oder auch für das Bundesland Berlin z. B. das zusätzliche Merkzeichen „T“ (= synonym für Taxibenutzung). Auch bemühte sich die einschlägige Rechtsprechung (so insbesondere zuletzt Bundessozialgericht, Urteil vom 29. März 2007 [B 9a SB/1/06 R] - m. w. N.) um praktikablere Lösungsformen, wenngleich auch unter - zutreffendem - Hinweis auf stringende Beurteilungskriterien, vor allem auch vor dem Hintergrund einer nicht beliebigen Vermehrbarkeit öffentlichen Parkraums als knappem Gut. Besondere Schwierigkeiten mussten sich indessen dann einstellen, ging es um erheblich körperlich beeinträchtigte Behinderte, die vornehmlich aufgrund innerer Erkrankungen nicht ohne Weiteres unter den Personenkreis von Doppeloberschenkelamputierten u. dgl. zu subsumieren waren. Unbeschadet des Umstands, dass § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG vom Wortlaut her eine Limitierung auf diesen Personenkreis gerade nicht zwingend vorgab, lief die Verwaltungspraxis in eine andere Richtung und war im Sinne vormaliger Rechtsauslegung auch nur in Einzelfällen limitiert korrigierbar.
25 
Für das vorliegende Streitverfahren ist alleine maßgeblich die neue Rechtslage, wie sie sich seit 1. Januar 2009 durch Inkrafttreten der VersMedV ergeben musste. Anstelle der vormals in jahrzehntelanger Entwicklung, hervorgehend aus dem Bereich der Kriegsopferversorgung schon zur Kaiserzeit, heraus entwickelten ministeriellen „Anhaltspunkte für die ärztliche Begutachtung ...“ (AHP, zuletzt neu herausgegeben im Jahr 2008) mit deren letztlich ungeklärten Rechtscharakter trat nunmehr die neue Verordnung mit dem erklärten Ziel einer Angleichung an auch verfassungsrechtlich gebotene Standards (s. insbes. Giese in MedSach 2010, S. 85 ff.). In der Konsequenz bedeutet das allerdings, dass das einschlägige Beurteilungswesen mit den sich daraus ergebenden (justiziablen) Verwaltungsentscheidungen an den rechtlichen Vorgaben messen lassen muss, den die Rechtsordnung hierfür vorsieht.
26 
Als Ermächtigungsgrundlage für die VersMedV wird für die Feststellung der Behinderung und entsprechender Ausweise gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX nun ohne erkennbare weitere Differenzierungen nach Regelungsbereichen § 30 Abs. 17 BVG herangezogen, zumal die übrigen in dem SGB IX enthaltenen Verordnungsermächtigungen ohnedies andere Regelungsgegenstände haben und ansonsten auch § 126 SGB IX im Bereich des Nachteilsausgleichs außer einer dort mehr oder minder unverbindlichen (weiteren) Gesetzeszieldarstellung in Abs. 2 nur eine Besitzstandsregelung trifft.
27 
§ 30 Abs. 17 BVG, eingeführt mit Wirkung ab 21. Dezember 2007 durch Artikel 1 Nr. 32 lit. i des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) betrifft indessen - soweit vorliegend maßgeblich - indessen lediglich eine Ermächtigung, die Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen, (GdS) sowie noch einige Komplexe für die Bewertung von Hilflosigkeit und Pflegezulage zu regeln. Nicht von dieser Ermächtigungsgrundlage erfasst ist jedoch insoweit zumindest der Teil des Ausweiswesens, der die Umschreibung der notwendigen sachlichen Grundlagen entsprechender Vergünstigungsmerkmale zur Sicherung des Nachteilsausgleichs betrifft.
28 
Zur Überzeugung des Gerichts erfasst § 30 Abs. 17 BVG bereits vom Wortlaut her nicht die in den VersMedV festgehaltenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung entsprechender Ausweise im Rahmen der Durchführung des Nachteilsausgleichs, vorliegend insbesondere betreffend „aG“. Entsprechende rechtliche Zweifel waren in Rechtsprechung und Literatur bereits in der Vergangenheit geäußert worden (s. z. B. LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 14. August 2009 [L 8 SB 1691/08] sowie vom 20. November 2009 [Aktenzeichen L 8 SB 3887/08] und Dau in jurisPR-SozR 4/2009 Anm. 4 dort Nr. 5. Fazit).
29 
Nach Artikel 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. § 30 Abs. 17 BVG genügt zumindest für die vorliegend zur Beurteilung anstehenden Komplexe des Nachteilsausgleichs zur Überzeugung des Gerichts diesen bindenden verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht. Hierbei ist es eine allgemein bekannte Tatsache, dass die einschlägige Spruchpraxis insbesondere des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) alleine in der Datenbank JURIS (mittlerweile annähernd 400 Positionen umfassend) sich im Verlauf der Rechtsprechung des obersten Bundesgerichts verfeinert und präzisiert hat im Sinne einer Aufstellung erhöhter Genauigkeitsstandards. Hierbei macht es im Übrigen - soweit erkennbar - auch keinen entscheidenden Unterschied, ob nun Bereiche der sog. „darreichenden Verwaltung“ oder solche der „eingreifenden Verwaltung“ jeweils Beurteilungs-gegenstand waren.
30 
§ 30 Abs. 17 BVG, eingebettet in spezialrechtliche leistungsrechtliche Definierungen im Rahmen eines Spezialgesetzes, das diesen Charakter trotz seines Heranwachsens als Muttergesetz des gesamten sozialen Entschädigungsrechts nicht verloren hat, lässt indessen an keiner Stelle eine Zielrichtung für den Verordnungsgeber erkennen, wie er nun im Einzelnen im Bereich des Behindertenrechts beispielsweise für das in der Praxis bedeutsame Ausweiswesen in Zusammenhang mit Nachteilsausgleichen zu regeln hat. Hier findet sich zwar eine einfach-rechtliche Zielvorgabe in § 1 Abs. 1 SGB IX in Gestalt einer ausdrücklichen Statuierung staatlicher Leistungspflichten zur Sicherstellung von Selbstbestimmung und gleichberechtigter Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Der Sache nach ist das eigentlich nichts Neues, da sich eine entsprechende Zielbestimmung bereits u. a. in § 10 des Allgemeinen Teils des Sozialgesetzbuchs (SGB I) seit Anfang an befindet. Gleichwohl blieben in der Praxis dieser Zielvorgaben merkwürdig unbeachtet, was insbesondere den mit dem Inkrafttreten des SGB IX ausdrücklich gesetzgeberischerseits angestrebten Paradigmen-Wechsel im Sinne einer Stärkung des Teilhabeanspruchs (i. w. S.) betrifft. In der einschlägigen Fachliteratur sind hier allenfalls erste Ansätze erkennbar (vgl. u. a. Knickrehm, SGb 2008, S. 226 ff. und Dau, a.a.O. - jeweils m. w. N.).
31 
Diese Zielvorgaben blieben indessen in der Praxis mangels eindeutiger weiterer einfach-rechtlicher Konkretisierung in einer als merkwürdig zu bezeichnenden Weise nicht umgesetzt. Ob einer der Mitgründe hierfür auch das natürliche Beharrungsvermögen einer jahrzehntelang gewachsenen Spezialverwaltung und deren ministeriellem Überbau mit ursächlich sein mussten mag Spekulation bleiben. Es bedurfte jedenfalls von außen kommender Anstöße, hier wenigstens ein juristisches Problembewusstsein auf eine breitere Basis zu stellen, wobei z. B. - wenngleich noch nach altem Recht - die sog. „Zucker-Rechtsprechung“ des Bundessozialgerichts, ausgehend von dem Urteil vom 24. April 2008 (B 9/9a SB 10/06 R) ebenso gehört wie das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Dezember 2009 (Aktenzeichen L 13 SB 235/07) mit den dortigen Hinweisen auf bindendes supranationales Rechts (Rn. 34) oder zuletzt BSG, Urteil vom 29. April 2010 (Aktenzeichen B 9 SB 2/09 R, dort insbes. Rn. 42 f., wenngleich dort zu vordergründig anderem Bezug) und - von einem gänzlich anderen Ansatz her hierzu allerdings noch kritisch z. b. Luthe (in SGb 2009, S. 569 ff. - m. w. N.) - durch den Bundesrat mit dessen Entschließung vom 28. November 2008 unter der Zielrichtung einer Überprüfung unter besonderer Berücksichtigung der Vorgaben der individueller bezogenen ICF (= Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit; BR-Drs. 767/08). Folgerichtigerweise wurde auch aus berufenem Munde die VersMedV sinngemäß als Übergangsrecht im Sinne eines ersten Schrittes in eine neue Richtung bezeichnet (s. Giese, a. a. O.).
32 
Bezogen auf das vorliegende Streitverfahren hat das unter sinngemäßer Heranziehung der vormals gültigen einschlägigen Beurteilungskriterien, die schon mangels konträrer ausdrücklicher Aufhebungs- bzw. Außerkraft-Regelung weiter Anwendung finden müssen, um den betroffenen Personenkreis nicht im rechtlosen Raum stehen lassen zu müssen, das zur Konsequenz, dass das in der beschriebenen Weise äußerst eingeschränkte konkrete Restgehvermögen des Klägers die erforderlichen Kriterien für die streitige Zuerkennung des Merkzeichens „aG“ erfüllt.
33 
Die auf letztlich formale Gesichtspunkte reduzierte Interpretation seitens der beklagten Verwaltung in Gestalt der angefochtenen Entscheidungen konnte keinen Bestand haben. Zum Einen mangelte es insoweit der erforderlichen hinreichend tragfähigen förmlichen Rechtsgrundlage. Zum Anderen würde dem grundrechtlich verbrieften Anspruch des Klägers auf Erhaltung seiner Menschenwürde im Sinne des Artikel 2 Abs. 1 GG nicht entsprochen werden können, beließe man ihn in einem starren Beurteilungsschema, das - wenngleich in einstmals guter Absicht - für Schwerstkriegsversehrte entwickelt worden war und in dieser Rigidität nunmehr schon der Sache nach nicht mehr zeitangemessen ist.
34 
Vorliegend war mithin zu entscheiden wie geschehen. - Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 183, 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Stuttgart Urteil, 17. Juni 2010 - S 6 SB 7503/09

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Sozialgericht Stuttgart Urteil, 17. Juni 2010 - S 6 SB 7503/09 zitiert 20 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


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Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 30


(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereich

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(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädig

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Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 35


(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtun

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 6 Verordnungsermächtigungen


(1) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bun

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Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 126 Verfahren und Inkrafttreten der Vereinbarung


(1) Der Leistungserbringer oder der Träger der Eingliederungshilfe hat die jeweils andere Partei schriftlich zu Verhandlungen über den Abschluss einer Vereinbarung gemäß § 125 aufzufordern. Bei einer Aufforderung zum Abschluss einer Folgevereinbarung

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Sozialgericht Stuttgart Urteil, 17. Juni 2010 - S 6 SB 7503/09 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Bundessozialgericht Urteil, 29. Apr. 2010 - B 9 SB 2/09 R

bei uns veröffentlicht am 29.04.2010

Tatbestand 1 Streitig ist die Aufhebung eines Feststellungsbescheides nach dem Schwerbehindertenrecht bei einem Ausländer, dessen Aufenthalt in Deutschland zunächst gest

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(1) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates über Folgendes zu erlassen:

1.
die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr, insbesondere über
a)
den Inhalt und die Gültigkeitsdauer von Fahrerlaubnissen, insbesondere unterschieden nach Fahrerlaubnisklassen, über die Probezeit sowie über Auflagen und Beschränkungen zu Fahrerlaubnissen,
b)
die erforderliche Befähigung und Eignung von Personen für ihre Teilnahme am Straßenverkehr, das Mindestalter und die sonstigen Anforderungen und Voraussetzungen zur Teilnahme am Straßenverkehr,
c)
die Ausbildung und die Fortbildung von Personen zur Herstellung und zum Erhalt der Voraussetzungen nach Buchstabe b und die sonstigen Maßnahmen, um die sichere Teilnahme von Personen am Straßenverkehr zu gewährleisten, insbesondere hinsichtlich Personen, die nur bedingt geeignet oder ungeeignet oder nicht befähigt zur Teilnahme am Straßenverkehr sind,
d)
die Prüfung und Beurteilung des Erfüllens der Voraussetzungen nach den Buchstaben b und c,
e)
Ausnahmen von einzelnen Anforderungen und Inhalten der Zulassung von Personen, insbesondere von der Fahrerlaubnispflicht und von einzelnen Erteilungsvoraussetzungen,
2.
das Verhalten im Verkehr, auch im ruhenden Verkehr,
3.
das Verhalten der Beteiligten nach einem Verkehrsunfall, das geboten ist, um
a)
den Verkehr zu sichern und Verletzten zu helfen,
b)
Feststellungen zu ermöglichen, die zur Geltendmachung oder Abwehr von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen erforderlich sind, insbesondere Feststellungen zur Person der Beteiligten, zur Art ihrer Beteiligung, zum Unfallhergang und zum Versicherer der unfallbeteiligten Fahrzeuge,
4.
die Bezeichnung von im Fahreignungsregister zu speichernden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten
a)
für die Maßnahmen nach den Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe nebst der Bewertung dieser Straftaten und Ordnungswidrigkeiten als schwerwiegend oder weniger schwerwiegend,
b)
für die Maßnahmen des Fahreignungsbewertungssystems, wobei
aa)
bei der Bezeichnung von Straftaten deren Bedeutung für die Sicherheit im Straßenverkehr zugrunde zu legen ist,
bb)
Ordnungswidrigkeiten mit Punkten bewertet werden und bei der Bezeichnung und Bewertung von Ordnungswidrigkeiten deren jeweilige Bedeutung für die Sicherheit des Straßenverkehrs und die Höhe des angedrohten Regelsatzes der Geldbuße oder eines Regelfahrverbotes zugrunde zu legen sind,
5.
die Anforderungen an
a)
Bau, Einrichtung, Ausrüstung, Beschaffenheit, Prüfung und Betrieb von Fahrzeugen,
b)
die in oder auf Fahrzeugen einzubauenden oder zu verwendenden Fahrzeugteile, insbesondere Anlagen, Bauteile, Instrumente, Geräte und sonstige Ausrüstungsgegenstände, einschließlich deren Prüfung,
6.
die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr, insbesondere über
a)
die Voraussetzungen für die Zulassung, die Vorgaben für das Inbetriebsetzen zulassungspflichtiger und zulassungsfreier Fahrzeuge, die regelmäßige Untersuchung der Fahrzeuge sowie über die Verantwortung, die Pflichten und die Rechte der Halter,
b)
Ausnahmen von der Pflicht zur Zulassung sowie Ausnahmen von einzelnen Anforderungen nach Buchstabe a,
7.
die Einrichtung einer zentralen Stelle zur Erarbeitung und Evaluierung von verbindlichen Prüfvorgaben bei regelmäßigen Fahrzeuguntersuchungen,
8.
die zur Verhütung von Belästigungen anderer, zur Verhütung von schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung erforderlichen Maßnahmen,
9.
die Maßnahmen
a)
über den Straßenverkehr, die zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit oder zu Verteidigungszwecken erforderlich sind,
b)
zur Durchführung von Großraum- und Schwertransporten,
c)
im Übrigen, die zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen oder zur Verhütung einer über das verkehrsübliche Maß hinausgehenden Abnutzung der Straßen erforderlich sind, insbesondere bei Großveranstaltungen,
10.
das Anbieten zum Verkauf, das Veräußern, das Verwenden, das Erwerben oder das sonstige Inverkehrbringen von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen,
11.
die Kennzeichnung und die Anforderungen an die Kennzeichnung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen,
12.
den Nachweis über die Entsorgung oder den sonstigen Verbleib von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen, auch nach ihrer Außerbetriebsetzung,
13.
die Ermittlung, das Auffinden und die Sicherstellung von gestohlenen, verlorengegangenen oder sonst abhanden gekommenen Fahrzeugen, Fahrzeugkennzeichen sowie Führerscheinen und Fahrzeugpapieren einschließlich ihrer Vordrucke, soweit nicht die Strafverfolgungsbehörden hierfür zuständig sind,
14.
die Überwachung der gewerbsmäßigen Vermietung von Kraftfahrzeugen und Anhängern an Selbstfahrer,
15.
die Beschränkung des Straßenverkehrs einschließlich des ruhenden Verkehrs
a)
zugunsten schwerbehinderter Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, mit beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie zugunsten blinder Menschen,
b)
zugunsten der Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel,
c)
zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe oder zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen,
16.
die Einrichtung von Sonderfahrspuren für Linienomnibusse und Taxen,
17.
die Einrichtung und Nutzung von fahrzeugführerlosen Parksystemen im niedrigen Geschwindigkeitsbereich auf Parkflächen,
18.
allgemeine Ausnahmen von den Verkehrsvorschriften nach Abschnitt I oder von auf Grund dieser Verkehrsvorschriften erlassener Rechtsverordnungen zur Durchführung von Versuchen, die eine Weiterentwicklung dieser Rechtsnormen zum Gegenstand haben.
Rechtsverordnungen nach Satz 1 Nummer 18 über allgemeine Ausnahmen von Verkehrsvorschriften nach diesem Gesetz sind für die Dauer von längstens fünf Jahren zu befristen; eine einmalige Verlängerung der Geltungsdauer um längstens fünf Jahre ist zulässig. Rechtsverordnungen können nicht nach Satz 1 erlassen werden über solche Regelungsgegenstände, über die Rechtsverordnungen nach Absatz 2 erlassen werden dürfen. Die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen nach Satz 1 umfasst auch den straßenverkehrsrechtlichen Schutz von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder den Schutz zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche Unfallbeteiligter.

(2) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen ohne Zustimmung des Bundesrates über Folgendes zu erlassen:

1.
die Typgenehmigung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, sofern sie unionsrechtlichen Vorgaben unterliegt, über die Fahrzeugeinzelgenehmigung, sofern ihr nach Unionrecht eine Geltung in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zukommt, sowie über das Anbieten zum Verkauf, das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme, das Veräußern oder die Einfuhr von derart genehmigten oder genehmigungspflichtigen Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, insbesondere über
a)
die Systematisierung von Fahrzeugen,
b)
die technischen und baulichen Anforderungen an Fahrzeuge, Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten, einschließlich der durchzuführenden Prüfverfahren zur Feststellung der Konformität,
c)
die Sicherstellung der Übereinstimmung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge mit einem genehmigten Typ bei ihrer Herstellung,
d)
den Zugang zu technischen Informationen sowie zu Reparatur- und Wartungsinformationen,
e)
die Bewertung, Benennung und Überwachung von technischen Diensten,
f)
die Kennzeichnung und Verpackung von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für Fahrzeuge oder
g)
die Zulassung von Teilen und Ausrüstungen, von denen eine ernste Gefahr für das einwandfreie Funktionieren wesentlicher Systeme von Fahrzeugen ausgehen kann,
2.
die Marktüberwachung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge,
3.
die Pflichten der Hersteller und ihrer Bevollmächtigten, der Einführer sowie der Händler im Rahmen
a)
des Typgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1,
b)
des Fahrzeugeinzelgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1 oder
c)
des Anbietens zum Verkauf, des Inverkehrbringens, der Inbetriebnahme, des Veräußerns, der Einfuhr sowie der Marktüberwachung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge oder
4.
die Technologien, Strategien und andere Mittel, für die festgestellt ist, dass
a)
sie die Leistungen der Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständigen technischen Einheiten für Fahrzeuge bei Prüfverfahren unter ordnungsgemäßen Betriebsbedingungen verfälschen oder
b)
ihre Verwendung im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens oder des Fahrzeugeinzelgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1 aus anderen Gründen nicht zulässig ist.

(3) In Rechtsverordnungen nach Absatz 1 oder Absatz 2 können hinsichtlich der dort genannten Gegenstände jeweils auch geregelt werden:

1.
die Erteilung, Beschränkung oder Entziehung von Rechten, die sonstigen Maßnahmen zur Anordnung oder Umsetzung, die Anerkennung ausländischer Berechtigungen oder Maßnahmen, die Verwaltungsverfahren einschließlich der erforderlichen Nachweise sowie die Zuständigkeiten und die Ausnahmebefugnisse der vollziehenden Behörden im Einzelfall,
2.
Art, Inhalt, Herstellung, Gestaltung, Lieferung, Ausfertigung, Beschaffenheit und Gültigkeit von Kennzeichen, Plaketten, Urkunden, insbesondere von Führerscheinen, und sonstigen Bescheinigungen,
3.
die Anerkennung, Zulassung, Registrierung, Akkreditierung, Begutachtung, Beaufsichtigung oder Überwachung von natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder von sonstigen Einrichtungen im Hinblick auf ihre Tätigkeiten
a)
der Prüfung, Untersuchung, Beurteilung und Begutachtung von Personen, Fahrzeugen oder Fahrzeugteilen sowie der Herstellung und Lieferung nach Nummer 2,
b)
des Anbietens von Maßnahmen zur Herstellung oder zum Erhalt der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b oder
c)
der Prüfung und Zertifizierung von Qualitätssicherungssystemen,
einschließlich der jeweiligen Voraussetzungen, insbesondere der Anforderungen an die natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder an die Einrichtungen, an ihre Träger und an ihre verantwortlichen oder ausführenden Personen, einschließlich der Vorgabe eines Erfahrungsaustausches sowie einschließlich der Verarbeitung von personenbezogenen Daten über die die Tätigkeiten ausführenden oder hieran teilnehmenden Personen durch die zuständigen Behörden, durch die natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder durch die Einrichtungen in dem Umfang, der für ihre jeweilige Tätigkeit und deren Qualitätssicherung erforderlich ist,
4.
Emissionsgrenzwerte unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung zum Zeitpunkt des Erlasses der jeweiligen Rechtsverordnung,
5.
die Mitwirkung natürlicher oder juristischer Personen des Privatrechts bei der Aufgabenwahrnehmung in Form ihrer Beauftragung, bei der Durchführung von bestimmten Aufgaben zu helfen (Verwaltungshilfe), oder in Form der Übertragung bestimmter Aufgaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5, 6, 7 oder 9 Buchstabe b oder Absatz 2 auf diese Personen (Beleihung), insbesondere
a)
die Bestimmung der Aufgaben und die Art und Weise der Aufgabenerledigung,
b)
die Anforderungen an diese Personen und ihre Überwachung einschließlich des Verfahrens und des Zusammenwirkens der zuständigen Behörden bei der Überwachung oder
c)
die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch diese Personen, insbesondere die Übermittlung solcher Daten an die zuständige Behörde,
6.
die Übertragung der Wahrnehmung von einzelnen Aufgaben auf die Bundesanstalt für Straßenwesen oder das Kraftfahrt-Bundesamt oder
7.
die notwendige Versicherung der natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder der sonstigen Einrichtungen in den Fällen der Nummer 3 oder Nummer 5 zur Deckung aller im Zusammenhang mit den dort genannten Tätigkeiten entstehenden Ansprüche sowie die Freistellung der für die Anerkennung, Zulassung, Registrierung, Akkreditierung, Begutachtung, Beaufsichtigung, Überwachung, Beauftragung oder Aufgabenübertragung zuständigen Bundes- oder Landesbehörde von Ansprüchen Dritter wegen Schäden, die diese Personen oder Einrichtungen verursachen.

(4) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 und 8 oder Absatz 2, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 3, können auch erlassen werden

1.
zur Abwehr von Gefahren, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen,
2.
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, die von Fahrzeugen ausgehen, oder
3.
zum Schutz der Verbraucher.
Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 und 8, auch in Verbindung mit Absatz 3, können auch erlassen werden
1.
zum Schutz der Bevölkerung in Fußgängerbereichen oder verkehrsberuhigten Bereichen, der Wohnbevölkerung oder der Erholungssuchenden vor Emissionen, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen, insbesondere zum Schutz vor Lärm oder vor Abgasen,
2.
für Sonderregelungen an Sonn- und Feiertagen oder
3.
für Sonderregelungen über das Parken in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr.

(5) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 oder 2 können auch zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union und zur Durchführung von zwischenstaatlichen Vereinbarungen im Anwendungsbereich dieses Gesetzes erlassen werden.

(6) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5 oder 8 oder nach Absatz 2, sofern sie jeweils in Verbindung mit Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 oder Satz 2 Nummer 1 erlassen werden, oder Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 werden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gemeinsam erlassen. Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 11, 13 oder 14 oder nach Absatz 3 Nummer 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 1 oder 6 können auch zum Zweck der Bekämpfung von Straftaten erlassen werden. Im Fall des Satzes 2 werden diese Rechtsverordnungen vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gemeinsam erlassen. Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 oder 8 oder nach Absatz 2, sofern sie jeweils in Verbindung mit Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 erlassen werden, werden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gemeinsam erlassen.

(7) Keiner Zustimmung des Bundesrates bedürfen Rechtsverordnungen

1.
zur Durchführung der Vorschriften nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 in Verbindung mit Absatz 3 oder
2.
über allgemeine Ausnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 18, auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 6.
Vor ihrem Erlass sind die zuständigen obersten Landesbehörden zu hören.

(8) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, jedoch unbeschadet des Absatzes 6,

1.
sofern Verordnungen nach diesem Gesetz geändert oder abgelöst werden, Verweisungen in Gesetzen und Rechtsverordnungen auf diese geänderten oder abgelösten Vorschriften durch Verweisungen auf die jeweils inhaltsgleichen neuen Vorschriften zu ersetzen,
2.
in den auf Grund des Absatzes 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 7 erlassenen Rechtsverordnungen enthaltene Verweisungen auf Vorschriften in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union zu ändern, soweit es zur Anpassung an Änderungen jener Vorschriften erforderlich ist, oder
3.
Vorschriften der auf Grund des Absatzes 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 7 erlassenen Rechtsverordnungen zu streichen oder in ihrem Wortlaut einem verbleibenden Anwendungsbereich anzupassen, sofern diese Vorschriften durch den Erlass entsprechender Vorschriften in unmittelbar im Anwendungsbereich dieses Gesetzes geltenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union unanwendbar geworden oder in ihrem Anwendungsbereich beschränkt worden sind.

(9) In den Rechtsverordnungen nach Absatz 1, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 6, kann mit Zustimmung des Bundesrates die jeweilige Ermächtigung ganz oder teilweise auf die Landesregierungen übertragen werden, um besonderen regionalen Bedürfnissen angemessen Rechnung zu tragen. Soweit eine nach Satz 1 erlassene Rechtsverordnung die Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt, sind diese befugt, die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise auf andere Landesbehörden zu übertragen.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.

(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch

a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung,
b)
eine Kriegsgefangenschaft,
c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit,
d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist,
e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen,
f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.

(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.

(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muß, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, daß sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 642, 916, 1 174, 1 524 oder 1 876 Euro (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Für die Ermittlung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage sind die in der Verordnung zu § 30 Abs. 17 aufgestellten Grundsätze maßgebend. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Hirnbeschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I.

(2) Wird fremde Hilfe im Sinne des Absatzes 1 von Dritten aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet und übersteigen die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wird die Pflegezulage um den übersteigenden Betrag erhöht. Leben Beschädigte mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft, ist die Pflegezulage so zu erhöhen, dass sie nur ein Viertel der von ihnen aufzuwendenden angemessenen Kosten aus der pauschalen Pflegezulage zu zahlen haben und ihnen mindestens die Hälfte der pauschalen Pflegezulage verbleibt. In Ausnahmefällen kann der verbleibende Anteil bis zum vollen Betrag der pauschalen Pflegezulage erhöht werden, wenn Ehegatten, Lebenspartner oder ein Elternteil von Pflegezulageempfängern mindestens der Stufe V neben den Dritten in außergewöhnlichem Umfang zusätzliche Hilfe leisten. Entstehen vorübergehend Kosten für fremde Hilfe, insbesondere infolge Krankheit der Pflegeperson, ist die Pflegezulage für jeweils höchstens sechs Wochen über Satz 2 hinaus so zu erhöhen, dass den Beschädigten die pauschale Pflegezulage in derselben Höhe wie vor der vorübergehenden Entstehung der Kosten verbleibt. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder Elternteil nicht nur vorübergehend keine Pflegeleistungen erbringt; § 40a Abs. 3 Satz 3 gilt.

(3) Während einer stationären Behandlung wird die Pflegezulage nach den Absätzen 1 und 2 Empfängern von Pflegezulage nach den Stufen I und II bis zum Ende des ersten, den übrigen Empfängern von Pflegezulage bis zum Ablauf des zwölften auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats weitergezahlt.

(4) Über den in Absatz 3 bestimmten Zeitpunkt hinaus wird die Pflegezulage während einer stationären Behandlung bis zum Ende des Kalendermonats vor der Entlassung nur weitergezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte erhalten ein Viertel der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder der Elternteil bis zum Beginn der stationären Behandlung zumindest einen Teil der Pflege wahrgenommen hat. Daneben wird die Pflegezulage in Höhe der Kosten weitergezahlt, die aufgrund eines Pflegevertrages entstehen, es sei denn, die Kosten hätten durch ein den Beschädigten bei Abwägung aller Umstände zuzumutendes Verhalten, insbesondere durch Kündigung des Pflegevertrages, vermieden werden können. Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III erhalten, soweit eine stärkere Beteiligung der schon bis zum Beginn der stationären Behandlung unentgeltlich tätigen Pflegeperson medizinisch erforderlich ist, abweichend von Satz 2 ausnahmsweise Pflegezulage bis zur vollen Höhe nach Absatz 1, in Fällen des Satzes 3 jedoch nicht über den nach Absatz 2 Satz 2 aus der pauschalen Pflegezulage verbleibenden Betrag hinaus.

(5) Tritt Hilflosigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gleichzeitig mit der Notwendigkeit stationärer Behandlung oder während einer stationären Behandlung ein, besteht für die Zeit vor dem Kalendermonat der Entlassung kein Anspruch auf Pflegezulage. Für diese Zeit wird eine Pflegebeihilfe gezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte, die mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten eine Pflegebeihilfe in Höhe eines Viertels der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I. Soweit eine stärkere Beteiligung der Ehegatten, Lebenspartner oder eines Elternteils oder die Beteiligung einer Person, die den Beschädigten nahesteht, an der Pflege medizinisch erforderlich ist, kann in begründeten Ausnahmefällen eine Pflegebeihilfe bis zur Höhe der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I gezahlt werden.

(6) Für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Pflege im Sinne des Absatzes 1 bedürfen, werden, wenn geeignete Pflege sonst nicht sichergestellt werden kann, die Kosten der nicht nur vorübergehenden Heimpflege, soweit sie Unterkunft, Verpflegung und Betreuung einschließlich notwendiger Pflege umfassen, unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge übernommen. Jedoch ist den Beschädigten von ihren Versorgungsbezügen zur Bestreitung der sonstigen Bedürfnisse ein Betrag in Höhe der Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und den Angehörigen ein Betrag mindestens in Höhe der Hinterbliebenenbezüge zu belassen, die ihnen zustehen würden, wenn Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben wären. Bei der Berechnung der Bezüge der Angehörigen ist auch das Einkommen der Beschädigten zu berücksichtigen, soweit es nicht ausnahmsweise für andere Zwecke, insbesondere die Erfüllung anderer Unterhaltspflichten, einzusetzen ist.

(1) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates über Folgendes zu erlassen:

1.
die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr, insbesondere über
a)
den Inhalt und die Gültigkeitsdauer von Fahrerlaubnissen, insbesondere unterschieden nach Fahrerlaubnisklassen, über die Probezeit sowie über Auflagen und Beschränkungen zu Fahrerlaubnissen,
b)
die erforderliche Befähigung und Eignung von Personen für ihre Teilnahme am Straßenverkehr, das Mindestalter und die sonstigen Anforderungen und Voraussetzungen zur Teilnahme am Straßenverkehr,
c)
die Ausbildung und die Fortbildung von Personen zur Herstellung und zum Erhalt der Voraussetzungen nach Buchstabe b und die sonstigen Maßnahmen, um die sichere Teilnahme von Personen am Straßenverkehr zu gewährleisten, insbesondere hinsichtlich Personen, die nur bedingt geeignet oder ungeeignet oder nicht befähigt zur Teilnahme am Straßenverkehr sind,
d)
die Prüfung und Beurteilung des Erfüllens der Voraussetzungen nach den Buchstaben b und c,
e)
Ausnahmen von einzelnen Anforderungen und Inhalten der Zulassung von Personen, insbesondere von der Fahrerlaubnispflicht und von einzelnen Erteilungsvoraussetzungen,
2.
das Verhalten im Verkehr, auch im ruhenden Verkehr,
3.
das Verhalten der Beteiligten nach einem Verkehrsunfall, das geboten ist, um
a)
den Verkehr zu sichern und Verletzten zu helfen,
b)
Feststellungen zu ermöglichen, die zur Geltendmachung oder Abwehr von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen erforderlich sind, insbesondere Feststellungen zur Person der Beteiligten, zur Art ihrer Beteiligung, zum Unfallhergang und zum Versicherer der unfallbeteiligten Fahrzeuge,
4.
die Bezeichnung von im Fahreignungsregister zu speichernden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten
a)
für die Maßnahmen nach den Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe nebst der Bewertung dieser Straftaten und Ordnungswidrigkeiten als schwerwiegend oder weniger schwerwiegend,
b)
für die Maßnahmen des Fahreignungsbewertungssystems, wobei
aa)
bei der Bezeichnung von Straftaten deren Bedeutung für die Sicherheit im Straßenverkehr zugrunde zu legen ist,
bb)
Ordnungswidrigkeiten mit Punkten bewertet werden und bei der Bezeichnung und Bewertung von Ordnungswidrigkeiten deren jeweilige Bedeutung für die Sicherheit des Straßenverkehrs und die Höhe des angedrohten Regelsatzes der Geldbuße oder eines Regelfahrverbotes zugrunde zu legen sind,
5.
die Anforderungen an
a)
Bau, Einrichtung, Ausrüstung, Beschaffenheit, Prüfung und Betrieb von Fahrzeugen,
b)
die in oder auf Fahrzeugen einzubauenden oder zu verwendenden Fahrzeugteile, insbesondere Anlagen, Bauteile, Instrumente, Geräte und sonstige Ausrüstungsgegenstände, einschließlich deren Prüfung,
6.
die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr, insbesondere über
a)
die Voraussetzungen für die Zulassung, die Vorgaben für das Inbetriebsetzen zulassungspflichtiger und zulassungsfreier Fahrzeuge, die regelmäßige Untersuchung der Fahrzeuge sowie über die Verantwortung, die Pflichten und die Rechte der Halter,
b)
Ausnahmen von der Pflicht zur Zulassung sowie Ausnahmen von einzelnen Anforderungen nach Buchstabe a,
7.
die Einrichtung einer zentralen Stelle zur Erarbeitung und Evaluierung von verbindlichen Prüfvorgaben bei regelmäßigen Fahrzeuguntersuchungen,
8.
die zur Verhütung von Belästigungen anderer, zur Verhütung von schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung erforderlichen Maßnahmen,
9.
die Maßnahmen
a)
über den Straßenverkehr, die zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit oder zu Verteidigungszwecken erforderlich sind,
b)
zur Durchführung von Großraum- und Schwertransporten,
c)
im Übrigen, die zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen oder zur Verhütung einer über das verkehrsübliche Maß hinausgehenden Abnutzung der Straßen erforderlich sind, insbesondere bei Großveranstaltungen,
10.
das Anbieten zum Verkauf, das Veräußern, das Verwenden, das Erwerben oder das sonstige Inverkehrbringen von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen,
11.
die Kennzeichnung und die Anforderungen an die Kennzeichnung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen,
12.
den Nachweis über die Entsorgung oder den sonstigen Verbleib von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen, auch nach ihrer Außerbetriebsetzung,
13.
die Ermittlung, das Auffinden und die Sicherstellung von gestohlenen, verlorengegangenen oder sonst abhanden gekommenen Fahrzeugen, Fahrzeugkennzeichen sowie Führerscheinen und Fahrzeugpapieren einschließlich ihrer Vordrucke, soweit nicht die Strafverfolgungsbehörden hierfür zuständig sind,
14.
die Überwachung der gewerbsmäßigen Vermietung von Kraftfahrzeugen und Anhängern an Selbstfahrer,
15.
die Beschränkung des Straßenverkehrs einschließlich des ruhenden Verkehrs
a)
zugunsten schwerbehinderter Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, mit beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie zugunsten blinder Menschen,
b)
zugunsten der Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel,
c)
zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe oder zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen,
16.
die Einrichtung von Sonderfahrspuren für Linienomnibusse und Taxen,
17.
die Einrichtung und Nutzung von fahrzeugführerlosen Parksystemen im niedrigen Geschwindigkeitsbereich auf Parkflächen,
18.
allgemeine Ausnahmen von den Verkehrsvorschriften nach Abschnitt I oder von auf Grund dieser Verkehrsvorschriften erlassener Rechtsverordnungen zur Durchführung von Versuchen, die eine Weiterentwicklung dieser Rechtsnormen zum Gegenstand haben.
Rechtsverordnungen nach Satz 1 Nummer 18 über allgemeine Ausnahmen von Verkehrsvorschriften nach diesem Gesetz sind für die Dauer von längstens fünf Jahren zu befristen; eine einmalige Verlängerung der Geltungsdauer um längstens fünf Jahre ist zulässig. Rechtsverordnungen können nicht nach Satz 1 erlassen werden über solche Regelungsgegenstände, über die Rechtsverordnungen nach Absatz 2 erlassen werden dürfen. Die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen nach Satz 1 umfasst auch den straßenverkehrsrechtlichen Schutz von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder den Schutz zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche Unfallbeteiligter.

(2) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen ohne Zustimmung des Bundesrates über Folgendes zu erlassen:

1.
die Typgenehmigung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, sofern sie unionsrechtlichen Vorgaben unterliegt, über die Fahrzeugeinzelgenehmigung, sofern ihr nach Unionrecht eine Geltung in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zukommt, sowie über das Anbieten zum Verkauf, das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme, das Veräußern oder die Einfuhr von derart genehmigten oder genehmigungspflichtigen Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, insbesondere über
a)
die Systematisierung von Fahrzeugen,
b)
die technischen und baulichen Anforderungen an Fahrzeuge, Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten, einschließlich der durchzuführenden Prüfverfahren zur Feststellung der Konformität,
c)
die Sicherstellung der Übereinstimmung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge mit einem genehmigten Typ bei ihrer Herstellung,
d)
den Zugang zu technischen Informationen sowie zu Reparatur- und Wartungsinformationen,
e)
die Bewertung, Benennung und Überwachung von technischen Diensten,
f)
die Kennzeichnung und Verpackung von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für Fahrzeuge oder
g)
die Zulassung von Teilen und Ausrüstungen, von denen eine ernste Gefahr für das einwandfreie Funktionieren wesentlicher Systeme von Fahrzeugen ausgehen kann,
2.
die Marktüberwachung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge,
3.
die Pflichten der Hersteller und ihrer Bevollmächtigten, der Einführer sowie der Händler im Rahmen
a)
des Typgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1,
b)
des Fahrzeugeinzelgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1 oder
c)
des Anbietens zum Verkauf, des Inverkehrbringens, der Inbetriebnahme, des Veräußerns, der Einfuhr sowie der Marktüberwachung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge oder
4.
die Technologien, Strategien und andere Mittel, für die festgestellt ist, dass
a)
sie die Leistungen der Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständigen technischen Einheiten für Fahrzeuge bei Prüfverfahren unter ordnungsgemäßen Betriebsbedingungen verfälschen oder
b)
ihre Verwendung im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens oder des Fahrzeugeinzelgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1 aus anderen Gründen nicht zulässig ist.

(3) In Rechtsverordnungen nach Absatz 1 oder Absatz 2 können hinsichtlich der dort genannten Gegenstände jeweils auch geregelt werden:

1.
die Erteilung, Beschränkung oder Entziehung von Rechten, die sonstigen Maßnahmen zur Anordnung oder Umsetzung, die Anerkennung ausländischer Berechtigungen oder Maßnahmen, die Verwaltungsverfahren einschließlich der erforderlichen Nachweise sowie die Zuständigkeiten und die Ausnahmebefugnisse der vollziehenden Behörden im Einzelfall,
2.
Art, Inhalt, Herstellung, Gestaltung, Lieferung, Ausfertigung, Beschaffenheit und Gültigkeit von Kennzeichen, Plaketten, Urkunden, insbesondere von Führerscheinen, und sonstigen Bescheinigungen,
3.
die Anerkennung, Zulassung, Registrierung, Akkreditierung, Begutachtung, Beaufsichtigung oder Überwachung von natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder von sonstigen Einrichtungen im Hinblick auf ihre Tätigkeiten
a)
der Prüfung, Untersuchung, Beurteilung und Begutachtung von Personen, Fahrzeugen oder Fahrzeugteilen sowie der Herstellung und Lieferung nach Nummer 2,
b)
des Anbietens von Maßnahmen zur Herstellung oder zum Erhalt der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b oder
c)
der Prüfung und Zertifizierung von Qualitätssicherungssystemen,
einschließlich der jeweiligen Voraussetzungen, insbesondere der Anforderungen an die natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder an die Einrichtungen, an ihre Träger und an ihre verantwortlichen oder ausführenden Personen, einschließlich der Vorgabe eines Erfahrungsaustausches sowie einschließlich der Verarbeitung von personenbezogenen Daten über die die Tätigkeiten ausführenden oder hieran teilnehmenden Personen durch die zuständigen Behörden, durch die natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder durch die Einrichtungen in dem Umfang, der für ihre jeweilige Tätigkeit und deren Qualitätssicherung erforderlich ist,
4.
Emissionsgrenzwerte unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung zum Zeitpunkt des Erlasses der jeweiligen Rechtsverordnung,
5.
die Mitwirkung natürlicher oder juristischer Personen des Privatrechts bei der Aufgabenwahrnehmung in Form ihrer Beauftragung, bei der Durchführung von bestimmten Aufgaben zu helfen (Verwaltungshilfe), oder in Form der Übertragung bestimmter Aufgaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5, 6, 7 oder 9 Buchstabe b oder Absatz 2 auf diese Personen (Beleihung), insbesondere
a)
die Bestimmung der Aufgaben und die Art und Weise der Aufgabenerledigung,
b)
die Anforderungen an diese Personen und ihre Überwachung einschließlich des Verfahrens und des Zusammenwirkens der zuständigen Behörden bei der Überwachung oder
c)
die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch diese Personen, insbesondere die Übermittlung solcher Daten an die zuständige Behörde,
6.
die Übertragung der Wahrnehmung von einzelnen Aufgaben auf die Bundesanstalt für Straßenwesen oder das Kraftfahrt-Bundesamt oder
7.
die notwendige Versicherung der natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder der sonstigen Einrichtungen in den Fällen der Nummer 3 oder Nummer 5 zur Deckung aller im Zusammenhang mit den dort genannten Tätigkeiten entstehenden Ansprüche sowie die Freistellung der für die Anerkennung, Zulassung, Registrierung, Akkreditierung, Begutachtung, Beaufsichtigung, Überwachung, Beauftragung oder Aufgabenübertragung zuständigen Bundes- oder Landesbehörde von Ansprüchen Dritter wegen Schäden, die diese Personen oder Einrichtungen verursachen.

(4) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 und 8 oder Absatz 2, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 3, können auch erlassen werden

1.
zur Abwehr von Gefahren, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen,
2.
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, die von Fahrzeugen ausgehen, oder
3.
zum Schutz der Verbraucher.
Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 und 8, auch in Verbindung mit Absatz 3, können auch erlassen werden
1.
zum Schutz der Bevölkerung in Fußgängerbereichen oder verkehrsberuhigten Bereichen, der Wohnbevölkerung oder der Erholungssuchenden vor Emissionen, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen, insbesondere zum Schutz vor Lärm oder vor Abgasen,
2.
für Sonderregelungen an Sonn- und Feiertagen oder
3.
für Sonderregelungen über das Parken in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr.

(5) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 oder 2 können auch zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union und zur Durchführung von zwischenstaatlichen Vereinbarungen im Anwendungsbereich dieses Gesetzes erlassen werden.

(6) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5 oder 8 oder nach Absatz 2, sofern sie jeweils in Verbindung mit Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 oder Satz 2 Nummer 1 erlassen werden, oder Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 werden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gemeinsam erlassen. Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 11, 13 oder 14 oder nach Absatz 3 Nummer 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 1 oder 6 können auch zum Zweck der Bekämpfung von Straftaten erlassen werden. Im Fall des Satzes 2 werden diese Rechtsverordnungen vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gemeinsam erlassen. Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 oder 8 oder nach Absatz 2, sofern sie jeweils in Verbindung mit Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 erlassen werden, werden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gemeinsam erlassen.

(7) Keiner Zustimmung des Bundesrates bedürfen Rechtsverordnungen

1.
zur Durchführung der Vorschriften nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 in Verbindung mit Absatz 3 oder
2.
über allgemeine Ausnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 18, auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 6.
Vor ihrem Erlass sind die zuständigen obersten Landesbehörden zu hören.

(8) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, jedoch unbeschadet des Absatzes 6,

1.
sofern Verordnungen nach diesem Gesetz geändert oder abgelöst werden, Verweisungen in Gesetzen und Rechtsverordnungen auf diese geänderten oder abgelösten Vorschriften durch Verweisungen auf die jeweils inhaltsgleichen neuen Vorschriften zu ersetzen,
2.
in den auf Grund des Absatzes 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 7 erlassenen Rechtsverordnungen enthaltene Verweisungen auf Vorschriften in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union zu ändern, soweit es zur Anpassung an Änderungen jener Vorschriften erforderlich ist, oder
3.
Vorschriften der auf Grund des Absatzes 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 7 erlassenen Rechtsverordnungen zu streichen oder in ihrem Wortlaut einem verbleibenden Anwendungsbereich anzupassen, sofern diese Vorschriften durch den Erlass entsprechender Vorschriften in unmittelbar im Anwendungsbereich dieses Gesetzes geltenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union unanwendbar geworden oder in ihrem Anwendungsbereich beschränkt worden sind.

(9) In den Rechtsverordnungen nach Absatz 1, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 6, kann mit Zustimmung des Bundesrates die jeweilige Ermächtigung ganz oder teilweise auf die Landesregierungen übertragen werden, um besonderen regionalen Bedürfnissen angemessen Rechnung zu tragen. Soweit eine nach Satz 1 erlassene Rechtsverordnung die Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt, sind diese befugt, die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise auf andere Landesbehörden zu übertragen.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Der Leistungserbringer oder der Träger der Eingliederungshilfe hat die jeweils andere Partei schriftlich zu Verhandlungen über den Abschluss einer Vereinbarung gemäß § 125 aufzufordern. Bei einer Aufforderung zum Abschluss einer Folgevereinbarung sind die Verhandlungsgegenstände zu benennen. Die Aufforderung durch den Leistungsträger kann an einen unbestimmten Kreis von Leistungserbringern gerichtet werden. Auf Verlangen einer Partei sind geeignete Nachweise zu den Verhandlungsgegenständen vorzulegen.

(2) Kommt es nicht innerhalb von drei Monaten, nachdem eine Partei zu Verhandlungen aufgefordert wurde, zu einer schriftlichen Vereinbarung, so kann jede Partei hinsichtlich der strittigen Punkte die Schiedsstelle nach § 133 anrufen. Die Schiedsstelle hat unverzüglich über die strittigen Punkte zu entscheiden. Gegen die Entscheidung der Schiedsstelle ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben, ohne dass es eines Vorverfahrens bedarf. Die Klage ist gegen den Verhandlungspartner und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten.

(3) Vereinbarungen und Schiedsstellenentscheidungen treten zu dem darin bestimmten Zeitpunkt in Kraft. Wird ein Zeitpunkt nicht bestimmt, wird die Vereinbarung mit dem Tag ihres Abschlusses wirksam. Festsetzungen der Schiedsstelle werden, soweit keine Festlegung erfolgt ist, rückwirkend mit dem Tag wirksam, an dem der Antrag bei der Schiedsstelle eingegangen ist. Soweit in den Fällen des Satzes 3 während des Schiedsstellenverfahrens der Antrag geändert wurde, ist auf den Tag abzustellen, an dem der geänderte Antrag bei der Schiedsstelle eingegangen ist. Ein jeweils vor diesem Zeitpunkt zurückwirkendes Vereinbaren oder Festsetzen von Vergütungen ist in den Fällen der Sätze 1 bis 4 nicht zulässig.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen von Frauen und Kindern mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder sowie Menschen mit seelischen Behinderungen oder von einer solchen Behinderung bedrohter Menschen Rechnung getragen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Aufhebung eines Feststellungsbescheides nach dem Schwerbehindertenrecht bei einem Ausländer, dessen Aufenthalt in Deutschland zunächst gestattet war und seit Juni 2007 nur geduldet ist.

2

Der 1957 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er hält sich seit März 2003 in Deutschland auf. Sein Aufenthalt wurde während des letztlich erfolglosen Asylverfahrens gestattet. Unter dem 15.6.2007 wurde dem Kläger eine bis zum 17.9.2007 befristete aufenthaltsrechtliche Duldung erteilt, die in der Folgezeit verlängert wurde.

3

Auf den Antrag des Klägers vom 6.5.2004 stellte das beklagte Land durch Bescheid vom 16.8.2004 wegen verschiedener Gesundheitsstörungen einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie die Schwerbehinderteneigenschaft fest. Einen Antrag auf Änderung/Erhöhung des GdB lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29.12.2005 ab.

4

Nach Bekanntwerden der aufenthaltsrechtlichen Duldung hörte der Beklagte den Kläger durch Schreiben vom 5.7.2007 an und hob mit Bescheid vom 25.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2007 gemäß § 48 SGB X den Bescheid vom 16.8.2004 auf, weil die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX nicht mehr erfüllt seien. Die Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne dieser Vorschrift liege nicht mehr vor, weil der Kläger sich lediglich im Rahmen einer Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in Deutschland aufhalte und damit nicht mehr von einem rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt auszugehen sei. Solche Personen hätten keinen Anspruch auf Feststellungen nach dem SGB IX.

5

Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Stuttgart (SG) abgewiesen (Urteil vom 20.5.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen gemäß § 2 Abs 2 SGB IX iVm § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I seien nicht erfüllt, weil der Kläger im Rahmen der Duldung seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX habe. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 1.9.1999 - B 9 SB 1/99 R - auch bei einem nur geduldeten Ausländer wegen der besonderen Ziele des Schwerbehindertenrechts dessen nicht nur vorübergehendes Verweilen in Deutschland bejaht, wenn sich aus anderen Umständen ergebe, dass der Ausländer sich auf unbestimmte Zeit in Deutschland aufhalten werde. Wegen der seitdem stattgefundenen Veränderungen im Schwerbehindertenrecht und insbesondere auch im Ausländerrecht ließen sich die vom BSG getroffenen Wertungen heute nicht mehr für Sachverhalte wie den vorliegenden heranziehen.

6

Zwar heiße es in der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu § 2 SGB IX(BT-Drucks 14/5074, S 99), auf den der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 12.3.2001 (BT-Drucks 14/5531, S 5) verweise, es bleibe auch bei der Klarstellung der Rechtsprechung, dass gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des Absatzes 2 auch bei Asylbewerbern und geduldeten Ausländern vorliege, wenn besondere Umstände ergäben, dass sie sich auf unbestimmte Zeit in Deutschland aufhalten würden. Angesichts der weiteren gesetzgeberischen Aktivitäten ließen sich diese besonderen Umstände jedoch nur für geduldete Personen mit einem Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX begründen(§ 2 Abs 2 SGB IX). Eine weitere Ausdehnung auf den Kreis der geduldeten Personen ohne Arbeitsplatz sei nicht mehr möglich.

7

Mit der gesetzlichen Neuregelung der Duldung im Rahmen der Reform des Zuwanderungsrechts zum 1.1.2005 und den darin zum Ausdruck gekommenen Intentionen des Gesetzgebers lasse sich für den Fall einer bloßen Duldung weder mit Blick auf den Begriff der Rechtmäßigkeit noch auf denjenigen des gewöhnlichen Aufenthalts allgemein eine Anspruchsberechtigung nach dem SGB IX herleiten. Die Rechtsfigur der Duldung gemäß § 60a AufenthG lasse sich trotz gleicher Begrifflichkeit letztlich nicht mehr mit derjenigen in der Entscheidung des BSG von 1999 gleichsetzen. Soweit das BSG von "Vergünstigungen des Schwerbehindertengesetzes" spreche, entspreche dieser Begriff nicht mehr dem der Nachteilsausgleiche nach dem SGB IX. Die konzeptionellen Vergünstigungen, die das Schwerbehindertenrecht für andere Rechtsbereiche, etwa das Steuerrecht oder das Arbeitsrecht, mit sich bringe, spielten für lediglich geduldete Ausländer regelmäßig keine Rolle.

8

Die Rechtsmittelbelehrung - nach der das Urteil mit der Berufung oder mit der Revision angefochten werden kann - folge aus §§ 143, 144, 161 Abs 1 SGG. In der mündlichen Verhandlung habe der Kläger einen entsprechenden Antrag stellen lassen, dem der Beklagte zugestimmt habe. Nach Ansicht der 13. Kammer habe die vorliegende Rechtssache aufgrund der zu klärenden Fragestellung grundsätzliche Bedeutung. Zudem weiche das Gericht mit der Entscheidung von dem Urteil des BSG aus dem Jahre 1999 ab.

9

Der Kläger hat unter Vorlage einer Zustimmungserklärung des Beklagten beim BSG "Sprungrevision" eingelegt. Er macht die Verletzung materiellen Rechts geltend. Der Auffassung des angefochtenen Urteils, er - der Kläger - befinde sich als Inhaber einer Duldung rechtswidrig im Bundesgebiet, könne nicht gefolgt werden. Vielmehr sei festzustellen, dass er sich zwar ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhalte, dass sein Aufenthalt aber von der Ausländerbehörde wissentlich hingenommen werde und es sich nicht um einen strafbaren Aufenthalt handele. Vor allem spreche sein Krankheitsbild (behandlungsbedürftige Epilepsie nach der Operation eines Hirntumors und chronifizierte depressive Störung bei Verdacht auf organische Persönlichkeitsveränderung und auf posttraumatische Belastungsstörung) dafür, dass er sich den Rest seines Lebens im Bundesgebiet aufhalten werde. Klarer könne ein gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet nicht begründet werden. Das SG verkenne, dass die Duldung kein neues Rechtsinstrument sei, sondern entgegen dem ursprünglichen Gesetzentwurf ins AufenthG wieder aufgenommen worden sei. Das Fortbestehen des Rechtsinstituts der Duldung spreche gegen einen Bedeutungswandel. Schon aus diesem Grund würden die vom BSG in seinem Urteil vom 1.9.1999 angestellten Erwägungen fortgelten.

10

Wie die Praxis zeige, sei die Duldung unverändert mit der Möglichkeit eines im Extremfall sogar lebenslänglichen Inlandsaufenthalts ohne Aufenthaltstitel verbunden. Die Versuche des Gesetzgebers, zB in §§ 104a, 104b AufenthG einem großen Teil der Betroffenen zu einem besseren Status zu helfen, seien von der Praxis der Exekutive nicht gestützt worden. Schon das zeige, dass es sachwidrig sei, auf unabsehbare Dauer in Deutschland lebende Behinderte von den Vergünstigungen des Schwerbehindertenrechts auszuschließen. Es könne auch keine Rede davon sein, dass die Vergünstigungen für geduldete Ausländer bedeutungslos wären. So könnten Eingliederungshilfen gewährt werden. Der Schwerbehindertenausweis erleichtere und beschleunige das gesamte Verwaltungsverfahren für die Eingliederung seelisch wesentlich behinderter Menschen.

11

Soweit das SG einwende, es könne nicht Aufgabe der Versorgungsämter sein, eine Vielzahl von ausländerrechtlichen Erwägungen bei der Erteilung eines Bescheids nach SGB IX zu berücksichtigen, sei zwar einzuräumen, dass sich ein gewisser zusätzlicher Arbeitsaufwand für die Versorgungsverwaltung ergäbe. Insoweit verhalte es sich jedoch ebenso wie mit ärztlichen Befunden, die der Verwaltung auch nicht automatisch vorlägen, sondern beigezogen und eventuell sogar eigenständig erhoben werden müssten.

12

Soweit das SG schließlich bei unveränderter Rechtslage eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit der Behauptung verlange, diese Rechtsprechung missachte die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, übersehe das Gericht die vom europäischen Gesetzgeber selbst geschaffene Verpflichtung, Behinderte nicht zu diskriminieren.

13

Der Kläger beantragt,

 das Urteil des SG Stuttgart vom 20.5.2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 25.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2007 aufzuheben.

14

Der Beklagte beantragt,

 die Revision zurückzuweisen.

15

Er schließt sich dem angefochtenen Urteil an.

16

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision des Klägers ist zulässig.

18

Obwohl das SG die Zulassung der Revision nicht im Tenor des Urteils ausgesprochen hat, ergibt sie sich mit noch hinreichender Deutlichkeit aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils. § 161 Abs 1 Satz 1 SGG, wonach den Beteiligten gegen das Urteil eines SG die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zusteht, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem SG im Urteil oder auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird, verlangt für den Fall der Zulassung im Urteil nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur nicht, dass die Zulassung im Tenor des sozialgerichtlichen Urteils zu erfolgen hat. Die Zulassung im Rahmen der Entscheidungsgründe reicht aus, wenn sie eindeutig durch das Gericht und nicht nur durch dessen Vorsitzenden allein ausgesprochen wird (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 161 RdNr 6 und § 144 RdNr 39 mit zahlreichen Nachweisen).

19

Ein eindeutiger Ausspruch in diesem Sinne liegt vor, wenn etwa die Aussage "das Gericht lässt die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu" in die Entscheidungsgründe aufgenommen wird. Demgegenüber stellt es keinen eindeutigen Ausspruch der Zulassung der Revision dar, wenn das SG allein auf eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung, dass die Revision zulässig sei, verweist (BSG SozR 1500 § 161 Nr 16). Im vorliegenden Fall hat das SG zwar nicht ausdrücklich die Formulierung von der Zulassung der Revision verwendet. Durch den erfolgten gesonderten Hinweis auf die Rechtsmittelbelehrung, in der auf die Möglichkeit der Anfechtung des Urteils durch Berufung oder Revision hingewiesen wird, die Nennung des § 161 Abs 1 SGG sowie die Beschreibung, dass der Kläger "einen entsprechenden Antrag" - iS des § 161 Abs 1 Satz 1 SGG - habe stellen lassen, dem der Beklagte zugestimmt habe, wird indes noch hinreichend deutlich, dass das SG die sogenannte Sprungrevision zugelassen hat. Zudem ist das SG in seiner Begründung ausdrücklich auf das Vorliegen der Zulassungsgründe einer grundsätzlichen Bedeutung und Abweichung eingegangen und hat erklärt, dass die Revision zum BSG daher mögliches Rechtsmittel sei. Dies reicht insgesamt zur Dokumentation der Revisionszulassung durch die erkennende Kammer des SG aus. Im Übrigen bleibt es - wie der vorliegende Fall zeigt - zur Vermeidung von Unklarheiten und entsprechenden Prozessrisiken für den Revisionskläger nach wie vor tunlich, die Zulassung der Revision im Tenor des Urteils auszusprechen.

20

Der Kläger hat die Revision form- und fristgerecht unter Vorlage der schriftlichen Zustimmungserklärung des Beklagten eingelegt und innerhalb der gesetzlichen Frist eine ausreichende Begründung vorgelegt (§ 164 SGG).

21

Die Revision des Klägers ist auch begründet.

22

Der Gegenstand des Revisionsverfahrens deckt sich, da das Urteil des SG in vollem Umfang angegriffen ist, mit dem des Klageverfahrens. Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 25.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2007, mit dem der Bescheid vom 16.8.2004 über die Feststellung eines GdB von 50 sowie der Schwerbehinderteneigenschaft aufgehoben worden ist. Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Diese ist zulässig und begründet. Das die Klage abweisende Urteil des SG und der angefochtene Verwaltungsakt des Beklagten sind aufzuheben, denn beide vom Beklagten getroffenen Entscheidungen sind rechtswidrig.

23

Der Bescheid vom 25.7.2007 ist nicht durch die allein in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X gedeckt. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine Änderung ist wesentlich, wenn der Verwaltungsakt so, wie er ursprünglich nach der damaligen Sach- und Rechtslage zu Recht erlassen wurde, nach der neuen Sach- oder Rechtslage nicht mehr ergehen dürfte. Maßgebend ist das jeweilige materielle Recht (stRspr; BSGE 59, 111, 112 = SozR 1300 § 48 Nr 19; zuletzt BSGE 95, 57 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6; Steinwedel in: Kasseler Komm, Stand Januar 2009, § 48 SGB X, RdNr 13; Schütze in: von Wulffen, SGB X, 6. Aufl 2008, § 48 RdNr 5, 6).

24

Der Bescheid vom 25.7.2007 ist allerdings nicht schon deshalb rechtswidrig, weil er der Regelung des Bescheides vom 29.12.2005 über die Ablehnung der Feststellung eines höheren GdB als 50 widerspräche. Es kann dahinstehen, ob der Bescheid vom 29.12.2005 unausgesprochen auch die Aussage enthält, dass bis dahin keinerlei wesentliche Änderungen in den für den Bescheid vom 16.8.2004 maßgeblichen Verhältnissen eingetreten seien. Dann würde der Bescheid vom 29.12.2005 allerdings einem nach § 48 Abs 1 SGB X ergangenen Aufhebungsbescheid entgegenstehen, der sich auf Änderungen der Sach- oder Rechtslage bis zum 29.12.2005 bezöge. Indes hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 25.7.2007 allein auf eine Änderung der Rechtslage im Jahre 2007 gestützt, so dass es einer etwaigen vorherigen Zurücknahme des Bescheides vom 29.12.2005 nach § 45 Abs 1 SGB X jedenfalls nicht bedurfte.

25

Der durch den angefochtenen Verwaltungsakt aufgehobene Bescheid vom 16.8.2004 enthält zwei Verfügungssätze, nämlich einerseits die Feststellung des GdB mit 50 und andererseits die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers. § 2 SGB IX unterscheidet in den in seinen Absätzen 1 und 2 enthaltenen Definitionen die Begriffe Behinderung und Schwerbehinderung. Während nach § 2 Abs 1 SGB IX Menschen behindert sind, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist, bestimmt § 2 Abs 2 SGB IX Menschen als schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs haben.

26

Die verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen in § 69 SGB IX übernehmen diese rechtsbegriffliche Trennung zwischen Behinderung und Schwerbehinderung. Während nach § 69 Abs 1 SGB IX die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB von wenigstens 20(s § 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX) feststellen, bestimmt § 69 Abs 5 Satz 1 SGB IX, dass die zuständigen Behörden auf entsprechenden Antrag des behinderten Menschen "aufgrund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie im Falle des Absatzes 4 über weitere gesundheitliche Merkmale" ausstellen.

27

Dadurch dass der Beklagte den Bescheid vom 16.8.2004 vollständig aufgehoben hat, hat er beide darin enthaltene Verfügungssätze (Regelungen iS des § 31 SGB X), nämlich sowohl den über die Feststellung des GdB mit 50 als auch den über die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft beseitigt. Dazu war er nicht befugt. Denn entgegen der Auffassung des Beklagten und des SG ist in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Feststellungsbescheides vom 16.8.2004 vorgelegen haben, hinsichtlich beider Verfügungssätze keine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten.

28

Die Aufhebung der Feststellung des GdB mit 50 lässt sich von vornherein nicht mit einem Wegfall des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers begründen. Denn dieses Merkmal ist nicht konstitutiv für die Feststellung eines GdB. Der Anspruch eines behinderten Menschen auf Feststellung des GdB richtet sich nach § 2 Abs 1, § 69 SGB IX. Zwar regelt § 30 Abs 1 SGB I, dass die Vorschriften dieses Gesetzbuchs, also aller Bücher des SGB einschließlich der nach § 68 SGB I einbezogenen besonderen Gesetze, für alle Personen gelten, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben (Territorialitätsprinzip). § 37 Abs 1 SGB I schränkt dieses Prinzip jedoch dadurch ein, dass er die Geltung des Ersten und Zehnten Buchs für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs nur insoweit anordnet, als sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt. Letzteres ist für das Schwerbehindertenrecht hinsichtlich der für Dritte verbindlichen Statusfeststellung nach § 69 SGB IX wegen deren dienender Funktion der Fall(BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 5 RdNr 27; BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6, jeweils RdNr 21).

29

Nach der Rechtsprechung des BSG reicht es aus, dass dem behinderten Menschen aus der Feststellung des GdB in Deutschland konkrete Vorteile erwachsen können (BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 5 RdNr 27 f; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 6 RdNr 22 f). Demgegenüber ist § 2 Abs 2 SGB IX - entgegen der Ansicht des SG - hier nicht einschlägig, weil er sich nur auf die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch bezieht(vgl dazu auch § 69 Abs 5 SGB IX). Für den Anspruch auf Feststellung eines GdB genügt danach ein sog Inlandsbezug in dem Sinne, dass der behinderte Mensch wegen seines GdB Nachteilsausgleiche im Inland in Anspruch nehmen kann. Dazu bedarf es hier keiner besonderen Tatsachenfeststellungen. Ein ausreichender Inlandsbezug ist für den Kläger allein wegen seines tatsächlichen langjährigen Aufenthalts in Deutschland ohne Weiteres anzunehmen. Eine Feststellung dazu, welche konkreten Nachteilsausgleiche, Vergünstigungen oder sonstigen Vorteile für den Kläger dabei in Betracht kommen, ist nicht erforderlich (s dazu BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 8).

30

Sonstige Änderungen, die eine Aufhebung der Feststellung des GdB mit 50 rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere in Bezug auf den Gesundheitszustand des Klägers und die bei ihm festgestellten Funktionsstörungen. Entsprechende Tatsachen sind vom Beklagten zur Begründung des angefochtenen Bescheides nicht angeführt worden und werden von ihm bis heute nicht geltend gemacht. Auch wenn tatsächliche Feststellungen des SG zur Höhe des GdB des Klägers vollständig fehlen, erübrigt sich daher eine Zurückverweisung der Sache zur ergänzenden Aufklärung des Sachverhalts.

31

Hinsichtlich der mit Bescheid vom 16.8.2004 erfolgten Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers fehlt es - bezogen auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 3 mwN) - ebenfalls an einer wesentlichen Änderung. Insbesondere ist durch die im Jahre 2007 nach Abschluss des Asylverfahrens erfolgte Änderung des aufenthaltsrechtlichen Status des Klägers, der seitdem nur noch im Besitz einer aufenthaltsrechtlichen Duldung ist, dessen Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch iS des § 2 Abs 2 SGB IX nicht entfallen. Nach dieser Vorschrift sind Menschen schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben. Damit umschreibt § 2 Abs 2 SGB IX den begünstigten Personenkreis in einer Weise, die von dem in § 30 Abs 1 SGB I verankerten Territorialitätsprinzip abweicht(vgl § 37 Abs 1 SGB I). Dies zeigt sich schon daran, dass er neben Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt auch einen Arbeitsplatz im Inland ausreichen lässt, wobei das Merkmal "rechtmäßig" eine zusätzliche Besonderheit darstellt. Insgesamt wird diese Bestimmung vom Sinn und Zweck des Schwerbehindertenrechts geprägt. Der allgemeinen Aufgabenstellung der §§ 10 und 29 SGB I folgend hat sich der Staat nach § 1 SGB IX die Pflicht auferlegt, alle Menschen mit Behinderungen - grundsätzlich unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status - durch einen möglichst weitgehenden Ausgleich ihrer Behinderung in die Gesellschaft zu integrieren.

32

Nach der allgemeinen Regelung des § 30 Abs 3 Satz 1 SGB I hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Dabei ist entscheidend, ob ein an den objektiven Verhältnissen zu messender realisierbarer Wille vorhanden ist, an einem bestimmten Ort zu wohnen (vgl hierzu Irmen in Hambüchen, Kindergeld/Erziehungsgeld/Elternzeit, Stand April 2007, § 1 BErzGG, RdNr 29). Den gewöhnlichen Aufenthalt hat demgegenüber jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs 3 Satz 2 SGB I). Die Rechtsprechung des BSG beantwortet die Frage, wann diese Voraussetzungen vorliegen, allein nach den tatsächlichen Umständen, ohne, wie etwa die §§ 7 bis 11 BGB, die Geschäftsfähigkeit der betroffenen Person zu berücksichtigen. Zudem bezieht die Rechtsprechung des BSG auch ein prognostisches Element ein. Die Bejahung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland nach § 30 Abs 3 SGB I hängt danach von einer Prognose über die Dauer des Aufenthalts einer Person in Deutschland ab(vgl hierzu Schlegel in juris PK-SGB I, 1. Aufl 2005, § 30 RdNr 55; Mrozynski, SGB I, 3. Aufl 2003, § 30 RdNr 14 ff, jeweils mwN). Bestimmte Zeiträume, die die Annahme des Beibehaltens und Benutzens der Wohnung bzw des nicht nur vorübergehenden Verweilens an einem Ort begründen oder stützen, sind nicht normiert und auch von der Rechtsprechung nicht hergeleitet worden. Der gewöhnliche Aufenthalt kann danach schon am Tag des Zuzugs begründet werden (s Mrozynski, aaO, § 30 RdNr 19 mwN).

33

Regelmäßig wird bei nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern, deren Aufenthalt in Deutschland von einer staatlichen Entscheidung über die Art und die Dauer ihres Verbleibens abhängt, der aufenthaltsrechtliche Status auch Einfluss auf die tatsächliche Prognose im Rahmen des § 30 Abs 3 SGB I haben. Insbesondere die aufenthaltsrechtliche Duldung nach § 60a Abs 1 AufenthG, der eine Aussetzung der Abschiebung des nicht aufenthaltsberechtigten Ausländers grundsätzlich für längstens sechs Monate vorsieht, kann der Annahme eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts nach § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I entgegenstehen. Diese Verbindung zwischen tatsächlicher Aufenthaltsprognose und aufenthaltsrechtlichem Status eines Ausländers, wie sie zu § 30 Abs 3 SGB I entwickelt worden ist, löst § 2 Abs 2 SGB IX, indem er besonders und eigenständig verlangt, dass der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt "rechtmäßig" sein muss, wobei diese Begriffe durch den Sinn und Zweck des SGB IX geprägt werden.

34

Eine Abweichung von den allgemeinen Begriffen des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts in Bezug auf den aufenthaltsrechtlichen Status eines Ausländers hat das BSG nach Maßgabe des § 37 Satz 1 SGB I zB hinsichtlich des Anspruchs auf Bundeserziehungsgeld nach § 1 Abs 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) angenommen, weil § 1 Abs 6 BErzGG für nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer besondere Bestimmungen über den notwendigen aufenthaltsrechtlichen Status der anspruchsberechtigten Person enthält(s BSG, Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 6/08 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Der nach wie vor in § 1 Abs 1 BErzGG verwendete Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist deswegen nur noch danach zu beurteilen, ob der Ausländer in Bezug auf seinen Lebensmittelpunkt ein reales Verhalten im Sinne eines erkennbaren Willens, sich an einem bestimmten Ort in Deutschland aufhalten zu wollen, gezeigt hat(BSG, aaO). Entsprechende Modifizierungen der Begriffe des "rechtmäßigen" Wohnsitzes und des "rechtmäßigen" gewöhnlichen Aufenthalts sind wegen der Besonderheiten des Schwerbehindertenrechts auch im Rahmen des § 2 Abs 2 SGB IX geboten.

35

Zunächst ist die Rechtmäßigkeit des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts iS des § 2 Abs 2 SGB IX nicht anhand des Aufenthaltsrechts zu beurteilen. Vielmehr bezeichnet sie entsprechend der Zielsetzung des SGB IX die Befugnis des ausländischen behinderten Menschen, am Leben in der deutschen (inländischen) Gesellschaft teilzunehmen. In diesem Sinne ist auch der Aufenthalt von geduldeten Ausländern als rechtmäßig anzusehen. Denn sie sind zwar ausreisepflichtig, aber rechtlich nicht gehindert, sich weiterhin in Deutschland aufzuhalten, solange ihre Abschiebung ausgesetzt ist (vgl § 60a AufenthG). Anders ist es selbstverständlich mit Ausländern, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Die bei der Prüfung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts anzustellende Prognose hat sich dementsprechend an den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles zu orientieren.

36

Das BSG hat schon zum Rechtszustand nach § 1 Schwerbehindertengesetz (SchwbG), der für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ebenfalls einen rechtmäßigen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet verlangte, entschieden, dass das SchwbG behinderte Ausländer auch dann schützt, wenn sie sich nur geduldet seit Jahren in Deutschland aufhalten, ein Ende dieses Aufenthalts unabsehbar ist und die Ausländerbehörde gleichwohl keine Aufenthaltsbefugnis erteilt(BSG, Urteil vom 1.9.1999 - B 9 SB 1/99 R - BSGE 84, 253 = SozR 3-3870 § 1 Nr 1). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts kann danach nur unter Berücksichtigung des Zwecks des jeweiligen Gesetzes hinreichend bestimmt werden, in welchem der Begriff gebraucht ist. Angesichts der Ziele des Schwerbehindertenrechts, nämlich der durch unverzügliche, umfassende und dauernde Maßnahmen zu bewältigenden gesellschaftlichen Integration von behinderten Menschen, liegt, wie das BSG in seiner Entscheidung vom 1.9.1999 zum Ausdruck gebracht hat, auch bei nur geduldeten Ausländern ein nicht nur vorübergehendes Verweilen - und damit ein gewöhnlicher Aufenthalt - vor, wenn andere Umstände ergeben, dass sie sich gleichwohl auf unbestimmte Zeit in Deutschland aufhalten werden. Auch ein nur geduldeter und damit ausländerrechtlich nicht rechtmäßiger Aufenthalt ist danach rechtmäßig im Sinne des SchwbG. Dies ergibt sich im Übrigen aus der aus dem Sozialstaatsprinzip folgenden Verpflichtung der staatlichen Gemeinschaft, körperlich oder geistig behinderte Menschen soweit wie möglich in die Gesellschaft einzugliedern (BSGE 84, 253, 254 ff = SozR 3-3870 § 1 Nr 1 S 2 ff).

37

An dieser Rechtsprechung ist auch für den Rechtszustand nach dem SGB IX im Grundsatz festzuhalten. Sie hat instanzgerichtlich auch in jüngerer Zeit Zustimmung gefunden (SG Bremen, Gerichtsbescheid vom 2.5.2006 - S 3 SB 138/04 -; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.9.2006 - L 10 B 10/06 SB -; SG Lüneburg, Urteil vom 28.3.2007 - S 15 SB 54/05 -; SG Duisburg, Urteil vom 15.6.2007 - S 30 SB 140/04 -; SG Münster, Urteil vom 20.10.2008 - S 2 SB 244/07 -; SG Bremen, Gerichtsbescheid vom 13.8.2009 - S 19 SB 3/09 -; Hessisches LSG, Urteil vom 23.9.2009 - L 4 SB 57/08 -; LSG Nordrhein-Westfalen, angefochtenes Urteil vom 28.10.2009 - L 10 SB 45/08 -; SG Köln, Urteil vom 3.12.2009 - S 31 SB 163/08 -). Entgegen der Auffassung des SG haben die seit 1999 ergangenen gesetzlichen Änderungen im Schwerbehindertenrecht und im Ausländerrecht die rechtlichen Grundlagen des Anspruchs nur geduldet in Deutschland lebender behinderter Ausländer auf Feststellung ihrer Schwerbehinderung nicht verändert.

38

Durch die Eingliederung des Schwerbehindertenrechts in das SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - durch das Gesetz vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) zum 1.7.2001 hat sich in Bezug auf die Schwerbehinderteneigenschaft materiell-rechtlich nichts geändert. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum SGB IX (BT-Drucks 14/5531) betont in seiner Anlage 1, dass der Text des Gesetzentwurfs und der Begründung gleichlautend mit dem Text auf den Seiten 3 bis 136 der BT-Drucks 14/5074 sei. Die genannte Drucksache 14/5074 betrifft den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 16.1.2001. Darin wird zu § 2 des Gesetzentwurfs (Behinderung) angemerkt, dass die Abs 2 und 3 inhaltsgleich die bisherigen Regelungen der §§ 1 und 2 Abs 1 SchwbG übertrügen. Infolgedessen blieben die Feststellungsbescheide der für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden unbeschadet terminologischer Änderungen weiterhin wirksam. Ferner ist ausgeführt, dass es auch bei der Klarstellung der Rechtsprechung bleibe, dass gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des Abs 2 auch bei Asylbewerbern und geduldeten Ausländern vorliege, wenn besondere Umstände ergäben, dass sie sich auf unbestimmte Zeit in Deutschland aufhalten würden (s BT-Drucks 14/5074, S 99). Abgesehen von dem wortlautgleichen Inhalt der alten und neuen Vorschriften belegt diese klarstellende Begründung des Gesetzentwurfs, dass es insbesondere bei Asylbewerbern und geduldeten Ausländern bei der bisherigen durch die Rechtsprechung entwickelten Rechtslage verbleiben soll. Gemeint ist damit zweifellos das Urteil des BSG vom 1.9.1999 (B 9 SB 1/99 R - BSGE 84, 253 = SozR 3-3870 § 1 Nr 1).

39

Da § 2 Abs 2 SGB IX nicht an das Ausländer- bzw Aufenthaltsrecht anknüpft, sondern einen eigenständigen Begriff des rechtmäßigen Wohnsitzes oder Aufenthalts geprägt hat, wirken sich Änderungen des Ausländerrechts von vornherein nicht unmittelbar auf die Auslegung des § 2 Abs 2 SGB IX aus. Dies gilt insbesondere für die Reform des Ausländerrechts durch das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) vom 30.7.2004 (BGBl I 1950). Gerade die Neuregelung der sog Duldung (§ 60a AufenthG) beinhaltet nach wie vor die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung eines Ausländers. Die Duldung wurde abweichend vom ursprünglichen Gesetzentwurf nicht abgeschafft, ihre Anwendung wurde jedoch zugunsten der humanitären Aufenthaltserlaubnis (§ 25 AufenthG) eingeschränkt. Duldungsgründe im Sinne der früheren Vorschrift des § 55 Ausländergesetz sollten leichter und eher zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führen(HK-AuslR/Fränkel, § 25 RdNr 3). Aufenthaltsrechtlich befindet sich der geduldete Ausländer aber nach wie vor in einer Situation, in welcher er nach Ablauf der Duldung jederzeit mit einer Abschiebung rechnen muss. An dieser Beurteilung ändert sich auch dann nichts, wenn über mehrere Jahre hinweg die Duldung immer wieder verlängert worden ist (sog Kettenduldungen), sich der Ausländer also mittlerweile faktisch seit langem in Deutschland aufhält. Nach wie vor ist sein Aufenthalt aufgrund der gemäß § 60a Abs 3 AufenthG fortbestehenden Ausreisepflicht aufenthaltsrechtlich rechtswidrig, wenn auch nicht strafbar. Letztlich ist die ausländer- bzw aufenthaltsrechtliche Duldung grundsätzlich unverändert geblieben. Auswirkungen auf das Schwerbehindertenrecht sind daher nicht ohne Weiteres und unabhängig von den Umständen des Einzelfalles herleitbar.

40

Die bisherige Rechtsprechung des BSG (BSGE 84, 253 = SozR 3-3870 § 1 Nr 1) hat allerdings zur Beurteilung der Frage, ob der geduldete Ausländer nicht nur vorübergehend rechtmäßig in Deutschland verweilt, auf bestimmte Anknüpfungstatsachen abgestellt, die die Annahme stützen, dass er sich auch in Anbetracht einer bloßen Duldung gleichwohl auf unbestimmte Zeit in Deutschland aufhalten werde. Genannt wurden das Bestehen von Abschiebungshindernissen sowie die bisherige jahrelange Duldung des Ausländers. Eine Eingrenzung des Begriffs "jahrelang" wurde nicht vorgenommen, indes für einen mehr als dreieinhalbjährigen geduldeten Aufenthalt bejaht (BSGE 84, 253, 257 f = SozR 3-3870 § 1 Nr 1 S 6).

41

Diese Rechtsprechung des BSG aus dem Jahr 1999 hat der Gesetzgeber des SGB IX zwar nicht zum Anlass genommen, den Begriff des rechtmäßigen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen des § 2 Abs 2 SGB IX selbst näher zu konkretisieren. Andererseits hat er es aber - im Sinne einer Einengung der vom BSG entwickelten allgemeinen Kriterien - unterlassen, die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch - ähnlich der Regelung des § 1 Abs 6 BErzGG - nur denjenigen zuzuerkennen, die im Besitz bestimmter Aufenthaltstitel sind, und so die geduldeten Ausländer ausdrücklich auszunehmen. Bei dieser Gesetzeslage ist aus den dem SGB IX immanenten Grundsätzen herzuleiten, dass ein aufenthaltsrechtlich nur geduldeter Ausländer, dessen GdB mindestens 50 beträgt, Anspruch auf Feststellung der Schwerbehinderung hat, wenn sein Aufenthalt in Deutschland voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird. Diese Beurteilung kann als Prognose schon vor Ablauf einer sechsmonatigen Aufenthaltszeit in Deutschland getroffen werden.

42

Die Orientierung an einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten ist der Definition der Behinderung in § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX zu entnehmen. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs 1 Satz 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die … zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Das Zusammenspiel dieser Vorschriften lässt erkennen, dass das Gesetz typisierend davon ausgeht, dass Funktionsbeeinträchtigungen oder Störungen, die länger als sechs Monate andauern, als die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigend anzusehen sind. Sie lösen Ansprüche auf die in § 1 SGB IX allgemein beschriebenen Leistungen, insbesondere auf Ausgleich und Eingliederung aus. Entsprechendes muss für die Teilhabe von nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern am Leben in der Gesellschaft gelten. Auch sie haben daher Anspruch auf Feststellung ihrer Schwerbehinderung, sobald erkennbar ist, dass bei ihnen die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX erfüllt sind und die Prognose eines über sechsmonatigen Aufenthalts in Deutschland gestellt werden kann(vgl Welti in Lachwitz/Schellhorn/Welti, HK-SGB IX,3. Aufl 2010, § 2 RdNr 48).

43

Die Annahme einer Anspruchsberechtigung von nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern auf Feststellung ihrer Schwerbehinderteneigenschaft, sobald anzunehmen ist, dass sie sich aufenthaltsrechtlich geduldet mehr als sechs Monate in Deutschland aufhalten werden, wird durch das am 1.1.2009 in Kraft getretene Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem fakultativen Protokoll vom 13.12.2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21.12.2008 (BGBl II 1419) untermauert. Damit hat dieses Übereinkommen in Deutschland Gesetzeskraft erlangt (zur Rechtsnatur von durch den Deutschen Bundestag ratifizierten völkerrechtlichen Verträgen s Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl 2009, Art 59 RdNr 17 und 19, jeweils mwN). Nach Art 1 des Übereinkommens ist es sein Zweck, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern. Diese Generalklausel wird durch zahlreiche folgende Artikel konkretisiert, und zwar hinsichtlich der Rechte und Grundfreiheiten der Menschen mit Behinderungen und der daraus erwachsenden Verpflichtungen der Vertragsstaaten. Bereits aus Art 1 Abs 1 des Übereinkommens wird deutlich, dass die Vertragsstaaten die Menschenrechte und Grundfreiheiten allen Menschen mit Behinderungen garantieren ("fördern, schützen und gewährleisten"), ohne dass nach deren Staatsangehörigkeit und/oder Aufenthaltsrecht in dem jeweiligen Vertragsstaat differenziert wird.

44

Nach alledem ist auch bei einem aufenthaltsrechtlich nur geduldeten Ausländer, der sich voraussichtlich länger als sechs Monate in Deutschland aufhalten wird, anzunehmen, dass er iS des § 2 Abs 2 SGB IX seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt rechtmäßig im Geltungsbereich des Gesetzes hat. Das trifft für geduldete Ausländer nicht zu, bei denen aufgrund besonderer Umstände ersichtlich ist, dass die Abschiebung gerade erfolgt oder unmittelbar bevorsteht. Für sie kann eine positive Bleibeprognose nicht gestellt werden. Für die Annahme dieser speziellen Situation einer unmittelbar bevorstehenden Abschiebung bedarf es indes der Feststellung konkreter Umstände. Außerdem scheiden danach auch diejenigen Ausländer aus, die sich im Rahmen eines Visums für Touristen, Geschäftsreisende oder für andere kurzfristige Aufenthalte in Deutschland aufhalten (s § 6 Abs 1 bis 3 AufenthG).

45

Gemessen an diesen Kriterien hat der Kläger zur Zeit des angefochtenen Verwaltungsakts trotz der aufenthaltsrechtlichen Duldung seinen rechtmäßigen Wohnsitz iS des § 2 Abs 2 SGB X weiter in Deutschland gehabt, denn er hat erkennbar seinen Willen gezeigt, auch in Zukunft diese Wohnung im Inland beibehalten und benutzen zu wollen. Dies hat er dadurch hinreichend dokumentiert, dass er entgegen seiner aufenthaltsrechtlichen Verpflichtung zur Ausreise weiterhin in Deutschland verweilt. Nach den Gesamtumständen eines schon im Juli 2007 weit mehr als vier Jahre andauernden Aufenthalts in Deutschland und der Abwesenheit von Anzeichen für eine unmittelbar bevorstehende Abschiebung war im Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheides vom 25.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2007 weiterhin eine positive Aufenthaltsprognose für mehr als sechs Monate zu stellen.

46

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates über Folgendes zu erlassen:

1.
die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr, insbesondere über
a)
den Inhalt und die Gültigkeitsdauer von Fahrerlaubnissen, insbesondere unterschieden nach Fahrerlaubnisklassen, über die Probezeit sowie über Auflagen und Beschränkungen zu Fahrerlaubnissen,
b)
die erforderliche Befähigung und Eignung von Personen für ihre Teilnahme am Straßenverkehr, das Mindestalter und die sonstigen Anforderungen und Voraussetzungen zur Teilnahme am Straßenverkehr,
c)
die Ausbildung und die Fortbildung von Personen zur Herstellung und zum Erhalt der Voraussetzungen nach Buchstabe b und die sonstigen Maßnahmen, um die sichere Teilnahme von Personen am Straßenverkehr zu gewährleisten, insbesondere hinsichtlich Personen, die nur bedingt geeignet oder ungeeignet oder nicht befähigt zur Teilnahme am Straßenverkehr sind,
d)
die Prüfung und Beurteilung des Erfüllens der Voraussetzungen nach den Buchstaben b und c,
e)
Ausnahmen von einzelnen Anforderungen und Inhalten der Zulassung von Personen, insbesondere von der Fahrerlaubnispflicht und von einzelnen Erteilungsvoraussetzungen,
2.
das Verhalten im Verkehr, auch im ruhenden Verkehr,
3.
das Verhalten der Beteiligten nach einem Verkehrsunfall, das geboten ist, um
a)
den Verkehr zu sichern und Verletzten zu helfen,
b)
Feststellungen zu ermöglichen, die zur Geltendmachung oder Abwehr von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen erforderlich sind, insbesondere Feststellungen zur Person der Beteiligten, zur Art ihrer Beteiligung, zum Unfallhergang und zum Versicherer der unfallbeteiligten Fahrzeuge,
4.
die Bezeichnung von im Fahreignungsregister zu speichernden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten
a)
für die Maßnahmen nach den Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe nebst der Bewertung dieser Straftaten und Ordnungswidrigkeiten als schwerwiegend oder weniger schwerwiegend,
b)
für die Maßnahmen des Fahreignungsbewertungssystems, wobei
aa)
bei der Bezeichnung von Straftaten deren Bedeutung für die Sicherheit im Straßenverkehr zugrunde zu legen ist,
bb)
Ordnungswidrigkeiten mit Punkten bewertet werden und bei der Bezeichnung und Bewertung von Ordnungswidrigkeiten deren jeweilige Bedeutung für die Sicherheit des Straßenverkehrs und die Höhe des angedrohten Regelsatzes der Geldbuße oder eines Regelfahrverbotes zugrunde zu legen sind,
5.
die Anforderungen an
a)
Bau, Einrichtung, Ausrüstung, Beschaffenheit, Prüfung und Betrieb von Fahrzeugen,
b)
die in oder auf Fahrzeugen einzubauenden oder zu verwendenden Fahrzeugteile, insbesondere Anlagen, Bauteile, Instrumente, Geräte und sonstige Ausrüstungsgegenstände, einschließlich deren Prüfung,
6.
die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr, insbesondere über
a)
die Voraussetzungen für die Zulassung, die Vorgaben für das Inbetriebsetzen zulassungspflichtiger und zulassungsfreier Fahrzeuge, die regelmäßige Untersuchung der Fahrzeuge sowie über die Verantwortung, die Pflichten und die Rechte der Halter,
b)
Ausnahmen von der Pflicht zur Zulassung sowie Ausnahmen von einzelnen Anforderungen nach Buchstabe a,
7.
die Einrichtung einer zentralen Stelle zur Erarbeitung und Evaluierung von verbindlichen Prüfvorgaben bei regelmäßigen Fahrzeuguntersuchungen,
8.
die zur Verhütung von Belästigungen anderer, zur Verhütung von schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung erforderlichen Maßnahmen,
9.
die Maßnahmen
a)
über den Straßenverkehr, die zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit oder zu Verteidigungszwecken erforderlich sind,
b)
zur Durchführung von Großraum- und Schwertransporten,
c)
im Übrigen, die zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen oder zur Verhütung einer über das verkehrsübliche Maß hinausgehenden Abnutzung der Straßen erforderlich sind, insbesondere bei Großveranstaltungen,
10.
das Anbieten zum Verkauf, das Veräußern, das Verwenden, das Erwerben oder das sonstige Inverkehrbringen von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen,
11.
die Kennzeichnung und die Anforderungen an die Kennzeichnung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen,
12.
den Nachweis über die Entsorgung oder den sonstigen Verbleib von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen, auch nach ihrer Außerbetriebsetzung,
13.
die Ermittlung, das Auffinden und die Sicherstellung von gestohlenen, verlorengegangenen oder sonst abhanden gekommenen Fahrzeugen, Fahrzeugkennzeichen sowie Führerscheinen und Fahrzeugpapieren einschließlich ihrer Vordrucke, soweit nicht die Strafverfolgungsbehörden hierfür zuständig sind,
14.
die Überwachung der gewerbsmäßigen Vermietung von Kraftfahrzeugen und Anhängern an Selbstfahrer,
15.
die Beschränkung des Straßenverkehrs einschließlich des ruhenden Verkehrs
a)
zugunsten schwerbehinderter Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, mit beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie zugunsten blinder Menschen,
b)
zugunsten der Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel,
c)
zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe oder zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen,
16.
die Einrichtung von Sonderfahrspuren für Linienomnibusse und Taxen,
17.
die Einrichtung und Nutzung von fahrzeugführerlosen Parksystemen im niedrigen Geschwindigkeitsbereich auf Parkflächen,
18.
allgemeine Ausnahmen von den Verkehrsvorschriften nach Abschnitt I oder von auf Grund dieser Verkehrsvorschriften erlassener Rechtsverordnungen zur Durchführung von Versuchen, die eine Weiterentwicklung dieser Rechtsnormen zum Gegenstand haben.
Rechtsverordnungen nach Satz 1 Nummer 18 über allgemeine Ausnahmen von Verkehrsvorschriften nach diesem Gesetz sind für die Dauer von längstens fünf Jahren zu befristen; eine einmalige Verlängerung der Geltungsdauer um längstens fünf Jahre ist zulässig. Rechtsverordnungen können nicht nach Satz 1 erlassen werden über solche Regelungsgegenstände, über die Rechtsverordnungen nach Absatz 2 erlassen werden dürfen. Die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen nach Satz 1 umfasst auch den straßenverkehrsrechtlichen Schutz von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder den Schutz zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche Unfallbeteiligter.

(2) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen ohne Zustimmung des Bundesrates über Folgendes zu erlassen:

1.
die Typgenehmigung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, sofern sie unionsrechtlichen Vorgaben unterliegt, über die Fahrzeugeinzelgenehmigung, sofern ihr nach Unionrecht eine Geltung in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zukommt, sowie über das Anbieten zum Verkauf, das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme, das Veräußern oder die Einfuhr von derart genehmigten oder genehmigungspflichtigen Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, insbesondere über
a)
die Systematisierung von Fahrzeugen,
b)
die technischen und baulichen Anforderungen an Fahrzeuge, Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten, einschließlich der durchzuführenden Prüfverfahren zur Feststellung der Konformität,
c)
die Sicherstellung der Übereinstimmung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge mit einem genehmigten Typ bei ihrer Herstellung,
d)
den Zugang zu technischen Informationen sowie zu Reparatur- und Wartungsinformationen,
e)
die Bewertung, Benennung und Überwachung von technischen Diensten,
f)
die Kennzeichnung und Verpackung von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für Fahrzeuge oder
g)
die Zulassung von Teilen und Ausrüstungen, von denen eine ernste Gefahr für das einwandfreie Funktionieren wesentlicher Systeme von Fahrzeugen ausgehen kann,
2.
die Marktüberwachung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge,
3.
die Pflichten der Hersteller und ihrer Bevollmächtigten, der Einführer sowie der Händler im Rahmen
a)
des Typgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1,
b)
des Fahrzeugeinzelgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1 oder
c)
des Anbietens zum Verkauf, des Inverkehrbringens, der Inbetriebnahme, des Veräußerns, der Einfuhr sowie der Marktüberwachung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge oder
4.
die Technologien, Strategien und andere Mittel, für die festgestellt ist, dass
a)
sie die Leistungen der Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständigen technischen Einheiten für Fahrzeuge bei Prüfverfahren unter ordnungsgemäßen Betriebsbedingungen verfälschen oder
b)
ihre Verwendung im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens oder des Fahrzeugeinzelgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1 aus anderen Gründen nicht zulässig ist.

(3) In Rechtsverordnungen nach Absatz 1 oder Absatz 2 können hinsichtlich der dort genannten Gegenstände jeweils auch geregelt werden:

1.
die Erteilung, Beschränkung oder Entziehung von Rechten, die sonstigen Maßnahmen zur Anordnung oder Umsetzung, die Anerkennung ausländischer Berechtigungen oder Maßnahmen, die Verwaltungsverfahren einschließlich der erforderlichen Nachweise sowie die Zuständigkeiten und die Ausnahmebefugnisse der vollziehenden Behörden im Einzelfall,
2.
Art, Inhalt, Herstellung, Gestaltung, Lieferung, Ausfertigung, Beschaffenheit und Gültigkeit von Kennzeichen, Plaketten, Urkunden, insbesondere von Führerscheinen, und sonstigen Bescheinigungen,
3.
die Anerkennung, Zulassung, Registrierung, Akkreditierung, Begutachtung, Beaufsichtigung oder Überwachung von natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder von sonstigen Einrichtungen im Hinblick auf ihre Tätigkeiten
a)
der Prüfung, Untersuchung, Beurteilung und Begutachtung von Personen, Fahrzeugen oder Fahrzeugteilen sowie der Herstellung und Lieferung nach Nummer 2,
b)
des Anbietens von Maßnahmen zur Herstellung oder zum Erhalt der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b oder
c)
der Prüfung und Zertifizierung von Qualitätssicherungssystemen,
einschließlich der jeweiligen Voraussetzungen, insbesondere der Anforderungen an die natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder an die Einrichtungen, an ihre Träger und an ihre verantwortlichen oder ausführenden Personen, einschließlich der Vorgabe eines Erfahrungsaustausches sowie einschließlich der Verarbeitung von personenbezogenen Daten über die die Tätigkeiten ausführenden oder hieran teilnehmenden Personen durch die zuständigen Behörden, durch die natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder durch die Einrichtungen in dem Umfang, der für ihre jeweilige Tätigkeit und deren Qualitätssicherung erforderlich ist,
4.
Emissionsgrenzwerte unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung zum Zeitpunkt des Erlasses der jeweiligen Rechtsverordnung,
5.
die Mitwirkung natürlicher oder juristischer Personen des Privatrechts bei der Aufgabenwahrnehmung in Form ihrer Beauftragung, bei der Durchführung von bestimmten Aufgaben zu helfen (Verwaltungshilfe), oder in Form der Übertragung bestimmter Aufgaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5, 6, 7 oder 9 Buchstabe b oder Absatz 2 auf diese Personen (Beleihung), insbesondere
a)
die Bestimmung der Aufgaben und die Art und Weise der Aufgabenerledigung,
b)
die Anforderungen an diese Personen und ihre Überwachung einschließlich des Verfahrens und des Zusammenwirkens der zuständigen Behörden bei der Überwachung oder
c)
die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch diese Personen, insbesondere die Übermittlung solcher Daten an die zuständige Behörde,
6.
die Übertragung der Wahrnehmung von einzelnen Aufgaben auf die Bundesanstalt für Straßenwesen oder das Kraftfahrt-Bundesamt oder
7.
die notwendige Versicherung der natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder der sonstigen Einrichtungen in den Fällen der Nummer 3 oder Nummer 5 zur Deckung aller im Zusammenhang mit den dort genannten Tätigkeiten entstehenden Ansprüche sowie die Freistellung der für die Anerkennung, Zulassung, Registrierung, Akkreditierung, Begutachtung, Beaufsichtigung, Überwachung, Beauftragung oder Aufgabenübertragung zuständigen Bundes- oder Landesbehörde von Ansprüchen Dritter wegen Schäden, die diese Personen oder Einrichtungen verursachen.

(4) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 und 8 oder Absatz 2, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 3, können auch erlassen werden

1.
zur Abwehr von Gefahren, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen,
2.
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, die von Fahrzeugen ausgehen, oder
3.
zum Schutz der Verbraucher.
Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 und 8, auch in Verbindung mit Absatz 3, können auch erlassen werden
1.
zum Schutz der Bevölkerung in Fußgängerbereichen oder verkehrsberuhigten Bereichen, der Wohnbevölkerung oder der Erholungssuchenden vor Emissionen, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen, insbesondere zum Schutz vor Lärm oder vor Abgasen,
2.
für Sonderregelungen an Sonn- und Feiertagen oder
3.
für Sonderregelungen über das Parken in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr.

(5) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 oder 2 können auch zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union und zur Durchführung von zwischenstaatlichen Vereinbarungen im Anwendungsbereich dieses Gesetzes erlassen werden.

(6) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5 oder 8 oder nach Absatz 2, sofern sie jeweils in Verbindung mit Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 oder Satz 2 Nummer 1 erlassen werden, oder Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 werden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gemeinsam erlassen. Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 11, 13 oder 14 oder nach Absatz 3 Nummer 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 1 oder 6 können auch zum Zweck der Bekämpfung von Straftaten erlassen werden. Im Fall des Satzes 2 werden diese Rechtsverordnungen vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gemeinsam erlassen. Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 oder 8 oder nach Absatz 2, sofern sie jeweils in Verbindung mit Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 erlassen werden, werden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gemeinsam erlassen.

(7) Keiner Zustimmung des Bundesrates bedürfen Rechtsverordnungen

1.
zur Durchführung der Vorschriften nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 in Verbindung mit Absatz 3 oder
2.
über allgemeine Ausnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 18, auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 6.
Vor ihrem Erlass sind die zuständigen obersten Landesbehörden zu hören.

(8) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, jedoch unbeschadet des Absatzes 6,

1.
sofern Verordnungen nach diesem Gesetz geändert oder abgelöst werden, Verweisungen in Gesetzen und Rechtsverordnungen auf diese geänderten oder abgelösten Vorschriften durch Verweisungen auf die jeweils inhaltsgleichen neuen Vorschriften zu ersetzen,
2.
in den auf Grund des Absatzes 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 7 erlassenen Rechtsverordnungen enthaltene Verweisungen auf Vorschriften in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union zu ändern, soweit es zur Anpassung an Änderungen jener Vorschriften erforderlich ist, oder
3.
Vorschriften der auf Grund des Absatzes 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 7 erlassenen Rechtsverordnungen zu streichen oder in ihrem Wortlaut einem verbleibenden Anwendungsbereich anzupassen, sofern diese Vorschriften durch den Erlass entsprechender Vorschriften in unmittelbar im Anwendungsbereich dieses Gesetzes geltenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union unanwendbar geworden oder in ihrem Anwendungsbereich beschränkt worden sind.

(9) In den Rechtsverordnungen nach Absatz 1, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 6, kann mit Zustimmung des Bundesrates die jeweilige Ermächtigung ganz oder teilweise auf die Landesregierungen übertragen werden, um besonderen regionalen Bedürfnissen angemessen Rechnung zu tragen. Soweit eine nach Satz 1 erlassene Rechtsverordnung die Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt, sind diese befugt, die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise auf andere Landesbehörden zu übertragen.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.

(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch

a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung,
b)
eine Kriegsgefangenschaft,
c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit,
d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist,
e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen,
f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.

(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.

(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muß, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, daß sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 642, 916, 1 174, 1 524 oder 1 876 Euro (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Für die Ermittlung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage sind die in der Verordnung zu § 30 Abs. 17 aufgestellten Grundsätze maßgebend. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Hirnbeschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I.

(2) Wird fremde Hilfe im Sinne des Absatzes 1 von Dritten aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet und übersteigen die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wird die Pflegezulage um den übersteigenden Betrag erhöht. Leben Beschädigte mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft, ist die Pflegezulage so zu erhöhen, dass sie nur ein Viertel der von ihnen aufzuwendenden angemessenen Kosten aus der pauschalen Pflegezulage zu zahlen haben und ihnen mindestens die Hälfte der pauschalen Pflegezulage verbleibt. In Ausnahmefällen kann der verbleibende Anteil bis zum vollen Betrag der pauschalen Pflegezulage erhöht werden, wenn Ehegatten, Lebenspartner oder ein Elternteil von Pflegezulageempfängern mindestens der Stufe V neben den Dritten in außergewöhnlichem Umfang zusätzliche Hilfe leisten. Entstehen vorübergehend Kosten für fremde Hilfe, insbesondere infolge Krankheit der Pflegeperson, ist die Pflegezulage für jeweils höchstens sechs Wochen über Satz 2 hinaus so zu erhöhen, dass den Beschädigten die pauschale Pflegezulage in derselben Höhe wie vor der vorübergehenden Entstehung der Kosten verbleibt. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder Elternteil nicht nur vorübergehend keine Pflegeleistungen erbringt; § 40a Abs. 3 Satz 3 gilt.

(3) Während einer stationären Behandlung wird die Pflegezulage nach den Absätzen 1 und 2 Empfängern von Pflegezulage nach den Stufen I und II bis zum Ende des ersten, den übrigen Empfängern von Pflegezulage bis zum Ablauf des zwölften auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats weitergezahlt.

(4) Über den in Absatz 3 bestimmten Zeitpunkt hinaus wird die Pflegezulage während einer stationären Behandlung bis zum Ende des Kalendermonats vor der Entlassung nur weitergezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte erhalten ein Viertel der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder der Elternteil bis zum Beginn der stationären Behandlung zumindest einen Teil der Pflege wahrgenommen hat. Daneben wird die Pflegezulage in Höhe der Kosten weitergezahlt, die aufgrund eines Pflegevertrages entstehen, es sei denn, die Kosten hätten durch ein den Beschädigten bei Abwägung aller Umstände zuzumutendes Verhalten, insbesondere durch Kündigung des Pflegevertrages, vermieden werden können. Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III erhalten, soweit eine stärkere Beteiligung der schon bis zum Beginn der stationären Behandlung unentgeltlich tätigen Pflegeperson medizinisch erforderlich ist, abweichend von Satz 2 ausnahmsweise Pflegezulage bis zur vollen Höhe nach Absatz 1, in Fällen des Satzes 3 jedoch nicht über den nach Absatz 2 Satz 2 aus der pauschalen Pflegezulage verbleibenden Betrag hinaus.

(5) Tritt Hilflosigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gleichzeitig mit der Notwendigkeit stationärer Behandlung oder während einer stationären Behandlung ein, besteht für die Zeit vor dem Kalendermonat der Entlassung kein Anspruch auf Pflegezulage. Für diese Zeit wird eine Pflegebeihilfe gezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte, die mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten eine Pflegebeihilfe in Höhe eines Viertels der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I. Soweit eine stärkere Beteiligung der Ehegatten, Lebenspartner oder eines Elternteils oder die Beteiligung einer Person, die den Beschädigten nahesteht, an der Pflege medizinisch erforderlich ist, kann in begründeten Ausnahmefällen eine Pflegebeihilfe bis zur Höhe der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I gezahlt werden.

(6) Für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Pflege im Sinne des Absatzes 1 bedürfen, werden, wenn geeignete Pflege sonst nicht sichergestellt werden kann, die Kosten der nicht nur vorübergehenden Heimpflege, soweit sie Unterkunft, Verpflegung und Betreuung einschließlich notwendiger Pflege umfassen, unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge übernommen. Jedoch ist den Beschädigten von ihren Versorgungsbezügen zur Bestreitung der sonstigen Bedürfnisse ein Betrag in Höhe der Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und den Angehörigen ein Betrag mindestens in Höhe der Hinterbliebenenbezüge zu belassen, die ihnen zustehen würden, wenn Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben wären. Bei der Berechnung der Bezüge der Angehörigen ist auch das Einkommen der Beschädigten zu berücksichtigen, soweit es nicht ausnahmsweise für andere Zwecke, insbesondere die Erfüllung anderer Unterhaltspflichten, einzusetzen ist.

(1) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates über Folgendes zu erlassen:

1.
die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr, insbesondere über
a)
den Inhalt und die Gültigkeitsdauer von Fahrerlaubnissen, insbesondere unterschieden nach Fahrerlaubnisklassen, über die Probezeit sowie über Auflagen und Beschränkungen zu Fahrerlaubnissen,
b)
die erforderliche Befähigung und Eignung von Personen für ihre Teilnahme am Straßenverkehr, das Mindestalter und die sonstigen Anforderungen und Voraussetzungen zur Teilnahme am Straßenverkehr,
c)
die Ausbildung und die Fortbildung von Personen zur Herstellung und zum Erhalt der Voraussetzungen nach Buchstabe b und die sonstigen Maßnahmen, um die sichere Teilnahme von Personen am Straßenverkehr zu gewährleisten, insbesondere hinsichtlich Personen, die nur bedingt geeignet oder ungeeignet oder nicht befähigt zur Teilnahme am Straßenverkehr sind,
d)
die Prüfung und Beurteilung des Erfüllens der Voraussetzungen nach den Buchstaben b und c,
e)
Ausnahmen von einzelnen Anforderungen und Inhalten der Zulassung von Personen, insbesondere von der Fahrerlaubnispflicht und von einzelnen Erteilungsvoraussetzungen,
2.
das Verhalten im Verkehr, auch im ruhenden Verkehr,
3.
das Verhalten der Beteiligten nach einem Verkehrsunfall, das geboten ist, um
a)
den Verkehr zu sichern und Verletzten zu helfen,
b)
Feststellungen zu ermöglichen, die zur Geltendmachung oder Abwehr von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen erforderlich sind, insbesondere Feststellungen zur Person der Beteiligten, zur Art ihrer Beteiligung, zum Unfallhergang und zum Versicherer der unfallbeteiligten Fahrzeuge,
4.
die Bezeichnung von im Fahreignungsregister zu speichernden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten
a)
für die Maßnahmen nach den Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe nebst der Bewertung dieser Straftaten und Ordnungswidrigkeiten als schwerwiegend oder weniger schwerwiegend,
b)
für die Maßnahmen des Fahreignungsbewertungssystems, wobei
aa)
bei der Bezeichnung von Straftaten deren Bedeutung für die Sicherheit im Straßenverkehr zugrunde zu legen ist,
bb)
Ordnungswidrigkeiten mit Punkten bewertet werden und bei der Bezeichnung und Bewertung von Ordnungswidrigkeiten deren jeweilige Bedeutung für die Sicherheit des Straßenverkehrs und die Höhe des angedrohten Regelsatzes der Geldbuße oder eines Regelfahrverbotes zugrunde zu legen sind,
5.
die Anforderungen an
a)
Bau, Einrichtung, Ausrüstung, Beschaffenheit, Prüfung und Betrieb von Fahrzeugen,
b)
die in oder auf Fahrzeugen einzubauenden oder zu verwendenden Fahrzeugteile, insbesondere Anlagen, Bauteile, Instrumente, Geräte und sonstige Ausrüstungsgegenstände, einschließlich deren Prüfung,
6.
die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr, insbesondere über
a)
die Voraussetzungen für die Zulassung, die Vorgaben für das Inbetriebsetzen zulassungspflichtiger und zulassungsfreier Fahrzeuge, die regelmäßige Untersuchung der Fahrzeuge sowie über die Verantwortung, die Pflichten und die Rechte der Halter,
b)
Ausnahmen von der Pflicht zur Zulassung sowie Ausnahmen von einzelnen Anforderungen nach Buchstabe a,
7.
die Einrichtung einer zentralen Stelle zur Erarbeitung und Evaluierung von verbindlichen Prüfvorgaben bei regelmäßigen Fahrzeuguntersuchungen,
8.
die zur Verhütung von Belästigungen anderer, zur Verhütung von schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung erforderlichen Maßnahmen,
9.
die Maßnahmen
a)
über den Straßenverkehr, die zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit oder zu Verteidigungszwecken erforderlich sind,
b)
zur Durchführung von Großraum- und Schwertransporten,
c)
im Übrigen, die zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen oder zur Verhütung einer über das verkehrsübliche Maß hinausgehenden Abnutzung der Straßen erforderlich sind, insbesondere bei Großveranstaltungen,
10.
das Anbieten zum Verkauf, das Veräußern, das Verwenden, das Erwerben oder das sonstige Inverkehrbringen von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen,
11.
die Kennzeichnung und die Anforderungen an die Kennzeichnung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen,
12.
den Nachweis über die Entsorgung oder den sonstigen Verbleib von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen, auch nach ihrer Außerbetriebsetzung,
13.
die Ermittlung, das Auffinden und die Sicherstellung von gestohlenen, verlorengegangenen oder sonst abhanden gekommenen Fahrzeugen, Fahrzeugkennzeichen sowie Führerscheinen und Fahrzeugpapieren einschließlich ihrer Vordrucke, soweit nicht die Strafverfolgungsbehörden hierfür zuständig sind,
14.
die Überwachung der gewerbsmäßigen Vermietung von Kraftfahrzeugen und Anhängern an Selbstfahrer,
15.
die Beschränkung des Straßenverkehrs einschließlich des ruhenden Verkehrs
a)
zugunsten schwerbehinderter Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, mit beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie zugunsten blinder Menschen,
b)
zugunsten der Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel,
c)
zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe oder zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen,
16.
die Einrichtung von Sonderfahrspuren für Linienomnibusse und Taxen,
17.
die Einrichtung und Nutzung von fahrzeugführerlosen Parksystemen im niedrigen Geschwindigkeitsbereich auf Parkflächen,
18.
allgemeine Ausnahmen von den Verkehrsvorschriften nach Abschnitt I oder von auf Grund dieser Verkehrsvorschriften erlassener Rechtsverordnungen zur Durchführung von Versuchen, die eine Weiterentwicklung dieser Rechtsnormen zum Gegenstand haben.
Rechtsverordnungen nach Satz 1 Nummer 18 über allgemeine Ausnahmen von Verkehrsvorschriften nach diesem Gesetz sind für die Dauer von längstens fünf Jahren zu befristen; eine einmalige Verlängerung der Geltungsdauer um längstens fünf Jahre ist zulässig. Rechtsverordnungen können nicht nach Satz 1 erlassen werden über solche Regelungsgegenstände, über die Rechtsverordnungen nach Absatz 2 erlassen werden dürfen. Die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen nach Satz 1 umfasst auch den straßenverkehrsrechtlichen Schutz von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder den Schutz zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche Unfallbeteiligter.

(2) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen ohne Zustimmung des Bundesrates über Folgendes zu erlassen:

1.
die Typgenehmigung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, sofern sie unionsrechtlichen Vorgaben unterliegt, über die Fahrzeugeinzelgenehmigung, sofern ihr nach Unionrecht eine Geltung in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zukommt, sowie über das Anbieten zum Verkauf, das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme, das Veräußern oder die Einfuhr von derart genehmigten oder genehmigungspflichtigen Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, insbesondere über
a)
die Systematisierung von Fahrzeugen,
b)
die technischen und baulichen Anforderungen an Fahrzeuge, Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten, einschließlich der durchzuführenden Prüfverfahren zur Feststellung der Konformität,
c)
die Sicherstellung der Übereinstimmung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge mit einem genehmigten Typ bei ihrer Herstellung,
d)
den Zugang zu technischen Informationen sowie zu Reparatur- und Wartungsinformationen,
e)
die Bewertung, Benennung und Überwachung von technischen Diensten,
f)
die Kennzeichnung und Verpackung von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für Fahrzeuge oder
g)
die Zulassung von Teilen und Ausrüstungen, von denen eine ernste Gefahr für das einwandfreie Funktionieren wesentlicher Systeme von Fahrzeugen ausgehen kann,
2.
die Marktüberwachung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge,
3.
die Pflichten der Hersteller und ihrer Bevollmächtigten, der Einführer sowie der Händler im Rahmen
a)
des Typgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1,
b)
des Fahrzeugeinzelgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1 oder
c)
des Anbietens zum Verkauf, des Inverkehrbringens, der Inbetriebnahme, des Veräußerns, der Einfuhr sowie der Marktüberwachung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge oder
4.
die Technologien, Strategien und andere Mittel, für die festgestellt ist, dass
a)
sie die Leistungen der Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständigen technischen Einheiten für Fahrzeuge bei Prüfverfahren unter ordnungsgemäßen Betriebsbedingungen verfälschen oder
b)
ihre Verwendung im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens oder des Fahrzeugeinzelgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1 aus anderen Gründen nicht zulässig ist.

(3) In Rechtsverordnungen nach Absatz 1 oder Absatz 2 können hinsichtlich der dort genannten Gegenstände jeweils auch geregelt werden:

1.
die Erteilung, Beschränkung oder Entziehung von Rechten, die sonstigen Maßnahmen zur Anordnung oder Umsetzung, die Anerkennung ausländischer Berechtigungen oder Maßnahmen, die Verwaltungsverfahren einschließlich der erforderlichen Nachweise sowie die Zuständigkeiten und die Ausnahmebefugnisse der vollziehenden Behörden im Einzelfall,
2.
Art, Inhalt, Herstellung, Gestaltung, Lieferung, Ausfertigung, Beschaffenheit und Gültigkeit von Kennzeichen, Plaketten, Urkunden, insbesondere von Führerscheinen, und sonstigen Bescheinigungen,
3.
die Anerkennung, Zulassung, Registrierung, Akkreditierung, Begutachtung, Beaufsichtigung oder Überwachung von natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder von sonstigen Einrichtungen im Hinblick auf ihre Tätigkeiten
a)
der Prüfung, Untersuchung, Beurteilung und Begutachtung von Personen, Fahrzeugen oder Fahrzeugteilen sowie der Herstellung und Lieferung nach Nummer 2,
b)
des Anbietens von Maßnahmen zur Herstellung oder zum Erhalt der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b oder
c)
der Prüfung und Zertifizierung von Qualitätssicherungssystemen,
einschließlich der jeweiligen Voraussetzungen, insbesondere der Anforderungen an die natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder an die Einrichtungen, an ihre Träger und an ihre verantwortlichen oder ausführenden Personen, einschließlich der Vorgabe eines Erfahrungsaustausches sowie einschließlich der Verarbeitung von personenbezogenen Daten über die die Tätigkeiten ausführenden oder hieran teilnehmenden Personen durch die zuständigen Behörden, durch die natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder durch die Einrichtungen in dem Umfang, der für ihre jeweilige Tätigkeit und deren Qualitätssicherung erforderlich ist,
4.
Emissionsgrenzwerte unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung zum Zeitpunkt des Erlasses der jeweiligen Rechtsverordnung,
5.
die Mitwirkung natürlicher oder juristischer Personen des Privatrechts bei der Aufgabenwahrnehmung in Form ihrer Beauftragung, bei der Durchführung von bestimmten Aufgaben zu helfen (Verwaltungshilfe), oder in Form der Übertragung bestimmter Aufgaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5, 6, 7 oder 9 Buchstabe b oder Absatz 2 auf diese Personen (Beleihung), insbesondere
a)
die Bestimmung der Aufgaben und die Art und Weise der Aufgabenerledigung,
b)
die Anforderungen an diese Personen und ihre Überwachung einschließlich des Verfahrens und des Zusammenwirkens der zuständigen Behörden bei der Überwachung oder
c)
die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch diese Personen, insbesondere die Übermittlung solcher Daten an die zuständige Behörde,
6.
die Übertragung der Wahrnehmung von einzelnen Aufgaben auf die Bundesanstalt für Straßenwesen oder das Kraftfahrt-Bundesamt oder
7.
die notwendige Versicherung der natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder der sonstigen Einrichtungen in den Fällen der Nummer 3 oder Nummer 5 zur Deckung aller im Zusammenhang mit den dort genannten Tätigkeiten entstehenden Ansprüche sowie die Freistellung der für die Anerkennung, Zulassung, Registrierung, Akkreditierung, Begutachtung, Beaufsichtigung, Überwachung, Beauftragung oder Aufgabenübertragung zuständigen Bundes- oder Landesbehörde von Ansprüchen Dritter wegen Schäden, die diese Personen oder Einrichtungen verursachen.

(4) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 und 8 oder Absatz 2, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 3, können auch erlassen werden

1.
zur Abwehr von Gefahren, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen,
2.
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, die von Fahrzeugen ausgehen, oder
3.
zum Schutz der Verbraucher.
Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 und 8, auch in Verbindung mit Absatz 3, können auch erlassen werden
1.
zum Schutz der Bevölkerung in Fußgängerbereichen oder verkehrsberuhigten Bereichen, der Wohnbevölkerung oder der Erholungssuchenden vor Emissionen, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen, insbesondere zum Schutz vor Lärm oder vor Abgasen,
2.
für Sonderregelungen an Sonn- und Feiertagen oder
3.
für Sonderregelungen über das Parken in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr.

(5) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 oder 2 können auch zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union und zur Durchführung von zwischenstaatlichen Vereinbarungen im Anwendungsbereich dieses Gesetzes erlassen werden.

(6) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5 oder 8 oder nach Absatz 2, sofern sie jeweils in Verbindung mit Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 oder Satz 2 Nummer 1 erlassen werden, oder Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 werden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gemeinsam erlassen. Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 11, 13 oder 14 oder nach Absatz 3 Nummer 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 1 oder 6 können auch zum Zweck der Bekämpfung von Straftaten erlassen werden. Im Fall des Satzes 2 werden diese Rechtsverordnungen vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gemeinsam erlassen. Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 oder 8 oder nach Absatz 2, sofern sie jeweils in Verbindung mit Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 erlassen werden, werden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gemeinsam erlassen.

(7) Keiner Zustimmung des Bundesrates bedürfen Rechtsverordnungen

1.
zur Durchführung der Vorschriften nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 in Verbindung mit Absatz 3 oder
2.
über allgemeine Ausnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 18, auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 6.
Vor ihrem Erlass sind die zuständigen obersten Landesbehörden zu hören.

(8) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, jedoch unbeschadet des Absatzes 6,

1.
sofern Verordnungen nach diesem Gesetz geändert oder abgelöst werden, Verweisungen in Gesetzen und Rechtsverordnungen auf diese geänderten oder abgelösten Vorschriften durch Verweisungen auf die jeweils inhaltsgleichen neuen Vorschriften zu ersetzen,
2.
in den auf Grund des Absatzes 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 7 erlassenen Rechtsverordnungen enthaltene Verweisungen auf Vorschriften in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union zu ändern, soweit es zur Anpassung an Änderungen jener Vorschriften erforderlich ist, oder
3.
Vorschriften der auf Grund des Absatzes 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 7 erlassenen Rechtsverordnungen zu streichen oder in ihrem Wortlaut einem verbleibenden Anwendungsbereich anzupassen, sofern diese Vorschriften durch den Erlass entsprechender Vorschriften in unmittelbar im Anwendungsbereich dieses Gesetzes geltenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union unanwendbar geworden oder in ihrem Anwendungsbereich beschränkt worden sind.

(9) In den Rechtsverordnungen nach Absatz 1, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 6, kann mit Zustimmung des Bundesrates die jeweilige Ermächtigung ganz oder teilweise auf die Landesregierungen übertragen werden, um besonderen regionalen Bedürfnissen angemessen Rechnung zu tragen. Soweit eine nach Satz 1 erlassene Rechtsverordnung die Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt, sind diese befugt, die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise auf andere Landesbehörden zu übertragen.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Der Leistungserbringer oder der Träger der Eingliederungshilfe hat die jeweils andere Partei schriftlich zu Verhandlungen über den Abschluss einer Vereinbarung gemäß § 125 aufzufordern. Bei einer Aufforderung zum Abschluss einer Folgevereinbarung sind die Verhandlungsgegenstände zu benennen. Die Aufforderung durch den Leistungsträger kann an einen unbestimmten Kreis von Leistungserbringern gerichtet werden. Auf Verlangen einer Partei sind geeignete Nachweise zu den Verhandlungsgegenständen vorzulegen.

(2) Kommt es nicht innerhalb von drei Monaten, nachdem eine Partei zu Verhandlungen aufgefordert wurde, zu einer schriftlichen Vereinbarung, so kann jede Partei hinsichtlich der strittigen Punkte die Schiedsstelle nach § 133 anrufen. Die Schiedsstelle hat unverzüglich über die strittigen Punkte zu entscheiden. Gegen die Entscheidung der Schiedsstelle ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben, ohne dass es eines Vorverfahrens bedarf. Die Klage ist gegen den Verhandlungspartner und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten.

(3) Vereinbarungen und Schiedsstellenentscheidungen treten zu dem darin bestimmten Zeitpunkt in Kraft. Wird ein Zeitpunkt nicht bestimmt, wird die Vereinbarung mit dem Tag ihres Abschlusses wirksam. Festsetzungen der Schiedsstelle werden, soweit keine Festlegung erfolgt ist, rückwirkend mit dem Tag wirksam, an dem der Antrag bei der Schiedsstelle eingegangen ist. Soweit in den Fällen des Satzes 3 während des Schiedsstellenverfahrens der Antrag geändert wurde, ist auf den Tag abzustellen, an dem der geänderte Antrag bei der Schiedsstelle eingegangen ist. Ein jeweils vor diesem Zeitpunkt zurückwirkendes Vereinbaren oder Festsetzen von Vergütungen ist in den Fällen der Sätze 1 bis 4 nicht zulässig.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen von Frauen und Kindern mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder sowie Menschen mit seelischen Behinderungen oder von einer solchen Behinderung bedrohter Menschen Rechnung getragen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Aufhebung eines Feststellungsbescheides nach dem Schwerbehindertenrecht bei einem Ausländer, dessen Aufenthalt in Deutschland zunächst gestattet war und seit Juni 2007 nur geduldet ist.

2

Der 1957 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er hält sich seit März 2003 in Deutschland auf. Sein Aufenthalt wurde während des letztlich erfolglosen Asylverfahrens gestattet. Unter dem 15.6.2007 wurde dem Kläger eine bis zum 17.9.2007 befristete aufenthaltsrechtliche Duldung erteilt, die in der Folgezeit verlängert wurde.

3

Auf den Antrag des Klägers vom 6.5.2004 stellte das beklagte Land durch Bescheid vom 16.8.2004 wegen verschiedener Gesundheitsstörungen einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie die Schwerbehinderteneigenschaft fest. Einen Antrag auf Änderung/Erhöhung des GdB lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29.12.2005 ab.

4

Nach Bekanntwerden der aufenthaltsrechtlichen Duldung hörte der Beklagte den Kläger durch Schreiben vom 5.7.2007 an und hob mit Bescheid vom 25.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2007 gemäß § 48 SGB X den Bescheid vom 16.8.2004 auf, weil die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX nicht mehr erfüllt seien. Die Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne dieser Vorschrift liege nicht mehr vor, weil der Kläger sich lediglich im Rahmen einer Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in Deutschland aufhalte und damit nicht mehr von einem rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt auszugehen sei. Solche Personen hätten keinen Anspruch auf Feststellungen nach dem SGB IX.

5

Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Stuttgart (SG) abgewiesen (Urteil vom 20.5.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen gemäß § 2 Abs 2 SGB IX iVm § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I seien nicht erfüllt, weil der Kläger im Rahmen der Duldung seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX habe. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 1.9.1999 - B 9 SB 1/99 R - auch bei einem nur geduldeten Ausländer wegen der besonderen Ziele des Schwerbehindertenrechts dessen nicht nur vorübergehendes Verweilen in Deutschland bejaht, wenn sich aus anderen Umständen ergebe, dass der Ausländer sich auf unbestimmte Zeit in Deutschland aufhalten werde. Wegen der seitdem stattgefundenen Veränderungen im Schwerbehindertenrecht und insbesondere auch im Ausländerrecht ließen sich die vom BSG getroffenen Wertungen heute nicht mehr für Sachverhalte wie den vorliegenden heranziehen.

6

Zwar heiße es in der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu § 2 SGB IX(BT-Drucks 14/5074, S 99), auf den der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 12.3.2001 (BT-Drucks 14/5531, S 5) verweise, es bleibe auch bei der Klarstellung der Rechtsprechung, dass gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des Absatzes 2 auch bei Asylbewerbern und geduldeten Ausländern vorliege, wenn besondere Umstände ergäben, dass sie sich auf unbestimmte Zeit in Deutschland aufhalten würden. Angesichts der weiteren gesetzgeberischen Aktivitäten ließen sich diese besonderen Umstände jedoch nur für geduldete Personen mit einem Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX begründen(§ 2 Abs 2 SGB IX). Eine weitere Ausdehnung auf den Kreis der geduldeten Personen ohne Arbeitsplatz sei nicht mehr möglich.

7

Mit der gesetzlichen Neuregelung der Duldung im Rahmen der Reform des Zuwanderungsrechts zum 1.1.2005 und den darin zum Ausdruck gekommenen Intentionen des Gesetzgebers lasse sich für den Fall einer bloßen Duldung weder mit Blick auf den Begriff der Rechtmäßigkeit noch auf denjenigen des gewöhnlichen Aufenthalts allgemein eine Anspruchsberechtigung nach dem SGB IX herleiten. Die Rechtsfigur der Duldung gemäß § 60a AufenthG lasse sich trotz gleicher Begrifflichkeit letztlich nicht mehr mit derjenigen in der Entscheidung des BSG von 1999 gleichsetzen. Soweit das BSG von "Vergünstigungen des Schwerbehindertengesetzes" spreche, entspreche dieser Begriff nicht mehr dem der Nachteilsausgleiche nach dem SGB IX. Die konzeptionellen Vergünstigungen, die das Schwerbehindertenrecht für andere Rechtsbereiche, etwa das Steuerrecht oder das Arbeitsrecht, mit sich bringe, spielten für lediglich geduldete Ausländer regelmäßig keine Rolle.

8

Die Rechtsmittelbelehrung - nach der das Urteil mit der Berufung oder mit der Revision angefochten werden kann - folge aus §§ 143, 144, 161 Abs 1 SGG. In der mündlichen Verhandlung habe der Kläger einen entsprechenden Antrag stellen lassen, dem der Beklagte zugestimmt habe. Nach Ansicht der 13. Kammer habe die vorliegende Rechtssache aufgrund der zu klärenden Fragestellung grundsätzliche Bedeutung. Zudem weiche das Gericht mit der Entscheidung von dem Urteil des BSG aus dem Jahre 1999 ab.

9

Der Kläger hat unter Vorlage einer Zustimmungserklärung des Beklagten beim BSG "Sprungrevision" eingelegt. Er macht die Verletzung materiellen Rechts geltend. Der Auffassung des angefochtenen Urteils, er - der Kläger - befinde sich als Inhaber einer Duldung rechtswidrig im Bundesgebiet, könne nicht gefolgt werden. Vielmehr sei festzustellen, dass er sich zwar ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhalte, dass sein Aufenthalt aber von der Ausländerbehörde wissentlich hingenommen werde und es sich nicht um einen strafbaren Aufenthalt handele. Vor allem spreche sein Krankheitsbild (behandlungsbedürftige Epilepsie nach der Operation eines Hirntumors und chronifizierte depressive Störung bei Verdacht auf organische Persönlichkeitsveränderung und auf posttraumatische Belastungsstörung) dafür, dass er sich den Rest seines Lebens im Bundesgebiet aufhalten werde. Klarer könne ein gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet nicht begründet werden. Das SG verkenne, dass die Duldung kein neues Rechtsinstrument sei, sondern entgegen dem ursprünglichen Gesetzentwurf ins AufenthG wieder aufgenommen worden sei. Das Fortbestehen des Rechtsinstituts der Duldung spreche gegen einen Bedeutungswandel. Schon aus diesem Grund würden die vom BSG in seinem Urteil vom 1.9.1999 angestellten Erwägungen fortgelten.

10

Wie die Praxis zeige, sei die Duldung unverändert mit der Möglichkeit eines im Extremfall sogar lebenslänglichen Inlandsaufenthalts ohne Aufenthaltstitel verbunden. Die Versuche des Gesetzgebers, zB in §§ 104a, 104b AufenthG einem großen Teil der Betroffenen zu einem besseren Status zu helfen, seien von der Praxis der Exekutive nicht gestützt worden. Schon das zeige, dass es sachwidrig sei, auf unabsehbare Dauer in Deutschland lebende Behinderte von den Vergünstigungen des Schwerbehindertenrechts auszuschließen. Es könne auch keine Rede davon sein, dass die Vergünstigungen für geduldete Ausländer bedeutungslos wären. So könnten Eingliederungshilfen gewährt werden. Der Schwerbehindertenausweis erleichtere und beschleunige das gesamte Verwaltungsverfahren für die Eingliederung seelisch wesentlich behinderter Menschen.

11

Soweit das SG einwende, es könne nicht Aufgabe der Versorgungsämter sein, eine Vielzahl von ausländerrechtlichen Erwägungen bei der Erteilung eines Bescheids nach SGB IX zu berücksichtigen, sei zwar einzuräumen, dass sich ein gewisser zusätzlicher Arbeitsaufwand für die Versorgungsverwaltung ergäbe. Insoweit verhalte es sich jedoch ebenso wie mit ärztlichen Befunden, die der Verwaltung auch nicht automatisch vorlägen, sondern beigezogen und eventuell sogar eigenständig erhoben werden müssten.

12

Soweit das SG schließlich bei unveränderter Rechtslage eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit der Behauptung verlange, diese Rechtsprechung missachte die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, übersehe das Gericht die vom europäischen Gesetzgeber selbst geschaffene Verpflichtung, Behinderte nicht zu diskriminieren.

13

Der Kläger beantragt,

 das Urteil des SG Stuttgart vom 20.5.2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 25.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2007 aufzuheben.

14

Der Beklagte beantragt,

 die Revision zurückzuweisen.

15

Er schließt sich dem angefochtenen Urteil an.

16

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision des Klägers ist zulässig.

18

Obwohl das SG die Zulassung der Revision nicht im Tenor des Urteils ausgesprochen hat, ergibt sie sich mit noch hinreichender Deutlichkeit aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils. § 161 Abs 1 Satz 1 SGG, wonach den Beteiligten gegen das Urteil eines SG die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zusteht, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem SG im Urteil oder auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird, verlangt für den Fall der Zulassung im Urteil nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur nicht, dass die Zulassung im Tenor des sozialgerichtlichen Urteils zu erfolgen hat. Die Zulassung im Rahmen der Entscheidungsgründe reicht aus, wenn sie eindeutig durch das Gericht und nicht nur durch dessen Vorsitzenden allein ausgesprochen wird (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 161 RdNr 6 und § 144 RdNr 39 mit zahlreichen Nachweisen).

19

Ein eindeutiger Ausspruch in diesem Sinne liegt vor, wenn etwa die Aussage "das Gericht lässt die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu" in die Entscheidungsgründe aufgenommen wird. Demgegenüber stellt es keinen eindeutigen Ausspruch der Zulassung der Revision dar, wenn das SG allein auf eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung, dass die Revision zulässig sei, verweist (BSG SozR 1500 § 161 Nr 16). Im vorliegenden Fall hat das SG zwar nicht ausdrücklich die Formulierung von der Zulassung der Revision verwendet. Durch den erfolgten gesonderten Hinweis auf die Rechtsmittelbelehrung, in der auf die Möglichkeit der Anfechtung des Urteils durch Berufung oder Revision hingewiesen wird, die Nennung des § 161 Abs 1 SGG sowie die Beschreibung, dass der Kläger "einen entsprechenden Antrag" - iS des § 161 Abs 1 Satz 1 SGG - habe stellen lassen, dem der Beklagte zugestimmt habe, wird indes noch hinreichend deutlich, dass das SG die sogenannte Sprungrevision zugelassen hat. Zudem ist das SG in seiner Begründung ausdrücklich auf das Vorliegen der Zulassungsgründe einer grundsätzlichen Bedeutung und Abweichung eingegangen und hat erklärt, dass die Revision zum BSG daher mögliches Rechtsmittel sei. Dies reicht insgesamt zur Dokumentation der Revisionszulassung durch die erkennende Kammer des SG aus. Im Übrigen bleibt es - wie der vorliegende Fall zeigt - zur Vermeidung von Unklarheiten und entsprechenden Prozessrisiken für den Revisionskläger nach wie vor tunlich, die Zulassung der Revision im Tenor des Urteils auszusprechen.

20

Der Kläger hat die Revision form- und fristgerecht unter Vorlage der schriftlichen Zustimmungserklärung des Beklagten eingelegt und innerhalb der gesetzlichen Frist eine ausreichende Begründung vorgelegt (§ 164 SGG).

21

Die Revision des Klägers ist auch begründet.

22

Der Gegenstand des Revisionsverfahrens deckt sich, da das Urteil des SG in vollem Umfang angegriffen ist, mit dem des Klageverfahrens. Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 25.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2007, mit dem der Bescheid vom 16.8.2004 über die Feststellung eines GdB von 50 sowie der Schwerbehinderteneigenschaft aufgehoben worden ist. Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Diese ist zulässig und begründet. Das die Klage abweisende Urteil des SG und der angefochtene Verwaltungsakt des Beklagten sind aufzuheben, denn beide vom Beklagten getroffenen Entscheidungen sind rechtswidrig.

23

Der Bescheid vom 25.7.2007 ist nicht durch die allein in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X gedeckt. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine Änderung ist wesentlich, wenn der Verwaltungsakt so, wie er ursprünglich nach der damaligen Sach- und Rechtslage zu Recht erlassen wurde, nach der neuen Sach- oder Rechtslage nicht mehr ergehen dürfte. Maßgebend ist das jeweilige materielle Recht (stRspr; BSGE 59, 111, 112 = SozR 1300 § 48 Nr 19; zuletzt BSGE 95, 57 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6; Steinwedel in: Kasseler Komm, Stand Januar 2009, § 48 SGB X, RdNr 13; Schütze in: von Wulffen, SGB X, 6. Aufl 2008, § 48 RdNr 5, 6).

24

Der Bescheid vom 25.7.2007 ist allerdings nicht schon deshalb rechtswidrig, weil er der Regelung des Bescheides vom 29.12.2005 über die Ablehnung der Feststellung eines höheren GdB als 50 widerspräche. Es kann dahinstehen, ob der Bescheid vom 29.12.2005 unausgesprochen auch die Aussage enthält, dass bis dahin keinerlei wesentliche Änderungen in den für den Bescheid vom 16.8.2004 maßgeblichen Verhältnissen eingetreten seien. Dann würde der Bescheid vom 29.12.2005 allerdings einem nach § 48 Abs 1 SGB X ergangenen Aufhebungsbescheid entgegenstehen, der sich auf Änderungen der Sach- oder Rechtslage bis zum 29.12.2005 bezöge. Indes hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 25.7.2007 allein auf eine Änderung der Rechtslage im Jahre 2007 gestützt, so dass es einer etwaigen vorherigen Zurücknahme des Bescheides vom 29.12.2005 nach § 45 Abs 1 SGB X jedenfalls nicht bedurfte.

25

Der durch den angefochtenen Verwaltungsakt aufgehobene Bescheid vom 16.8.2004 enthält zwei Verfügungssätze, nämlich einerseits die Feststellung des GdB mit 50 und andererseits die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers. § 2 SGB IX unterscheidet in den in seinen Absätzen 1 und 2 enthaltenen Definitionen die Begriffe Behinderung und Schwerbehinderung. Während nach § 2 Abs 1 SGB IX Menschen behindert sind, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist, bestimmt § 2 Abs 2 SGB IX Menschen als schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs haben.

26

Die verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen in § 69 SGB IX übernehmen diese rechtsbegriffliche Trennung zwischen Behinderung und Schwerbehinderung. Während nach § 69 Abs 1 SGB IX die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB von wenigstens 20(s § 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX) feststellen, bestimmt § 69 Abs 5 Satz 1 SGB IX, dass die zuständigen Behörden auf entsprechenden Antrag des behinderten Menschen "aufgrund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie im Falle des Absatzes 4 über weitere gesundheitliche Merkmale" ausstellen.

27

Dadurch dass der Beklagte den Bescheid vom 16.8.2004 vollständig aufgehoben hat, hat er beide darin enthaltene Verfügungssätze (Regelungen iS des § 31 SGB X), nämlich sowohl den über die Feststellung des GdB mit 50 als auch den über die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft beseitigt. Dazu war er nicht befugt. Denn entgegen der Auffassung des Beklagten und des SG ist in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Feststellungsbescheides vom 16.8.2004 vorgelegen haben, hinsichtlich beider Verfügungssätze keine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten.

28

Die Aufhebung der Feststellung des GdB mit 50 lässt sich von vornherein nicht mit einem Wegfall des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers begründen. Denn dieses Merkmal ist nicht konstitutiv für die Feststellung eines GdB. Der Anspruch eines behinderten Menschen auf Feststellung des GdB richtet sich nach § 2 Abs 1, § 69 SGB IX. Zwar regelt § 30 Abs 1 SGB I, dass die Vorschriften dieses Gesetzbuchs, also aller Bücher des SGB einschließlich der nach § 68 SGB I einbezogenen besonderen Gesetze, für alle Personen gelten, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben (Territorialitätsprinzip). § 37 Abs 1 SGB I schränkt dieses Prinzip jedoch dadurch ein, dass er die Geltung des Ersten und Zehnten Buchs für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs nur insoweit anordnet, als sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt. Letzteres ist für das Schwerbehindertenrecht hinsichtlich der für Dritte verbindlichen Statusfeststellung nach § 69 SGB IX wegen deren dienender Funktion der Fall(BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 5 RdNr 27; BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6, jeweils RdNr 21).

29

Nach der Rechtsprechung des BSG reicht es aus, dass dem behinderten Menschen aus der Feststellung des GdB in Deutschland konkrete Vorteile erwachsen können (BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 5 RdNr 27 f; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 6 RdNr 22 f). Demgegenüber ist § 2 Abs 2 SGB IX - entgegen der Ansicht des SG - hier nicht einschlägig, weil er sich nur auf die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch bezieht(vgl dazu auch § 69 Abs 5 SGB IX). Für den Anspruch auf Feststellung eines GdB genügt danach ein sog Inlandsbezug in dem Sinne, dass der behinderte Mensch wegen seines GdB Nachteilsausgleiche im Inland in Anspruch nehmen kann. Dazu bedarf es hier keiner besonderen Tatsachenfeststellungen. Ein ausreichender Inlandsbezug ist für den Kläger allein wegen seines tatsächlichen langjährigen Aufenthalts in Deutschland ohne Weiteres anzunehmen. Eine Feststellung dazu, welche konkreten Nachteilsausgleiche, Vergünstigungen oder sonstigen Vorteile für den Kläger dabei in Betracht kommen, ist nicht erforderlich (s dazu BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 8).

30

Sonstige Änderungen, die eine Aufhebung der Feststellung des GdB mit 50 rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere in Bezug auf den Gesundheitszustand des Klägers und die bei ihm festgestellten Funktionsstörungen. Entsprechende Tatsachen sind vom Beklagten zur Begründung des angefochtenen Bescheides nicht angeführt worden und werden von ihm bis heute nicht geltend gemacht. Auch wenn tatsächliche Feststellungen des SG zur Höhe des GdB des Klägers vollständig fehlen, erübrigt sich daher eine Zurückverweisung der Sache zur ergänzenden Aufklärung des Sachverhalts.

31

Hinsichtlich der mit Bescheid vom 16.8.2004 erfolgten Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers fehlt es - bezogen auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 3 mwN) - ebenfalls an einer wesentlichen Änderung. Insbesondere ist durch die im Jahre 2007 nach Abschluss des Asylverfahrens erfolgte Änderung des aufenthaltsrechtlichen Status des Klägers, der seitdem nur noch im Besitz einer aufenthaltsrechtlichen Duldung ist, dessen Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch iS des § 2 Abs 2 SGB IX nicht entfallen. Nach dieser Vorschrift sind Menschen schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben. Damit umschreibt § 2 Abs 2 SGB IX den begünstigten Personenkreis in einer Weise, die von dem in § 30 Abs 1 SGB I verankerten Territorialitätsprinzip abweicht(vgl § 37 Abs 1 SGB I). Dies zeigt sich schon daran, dass er neben Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt auch einen Arbeitsplatz im Inland ausreichen lässt, wobei das Merkmal "rechtmäßig" eine zusätzliche Besonderheit darstellt. Insgesamt wird diese Bestimmung vom Sinn und Zweck des Schwerbehindertenrechts geprägt. Der allgemeinen Aufgabenstellung der §§ 10 und 29 SGB I folgend hat sich der Staat nach § 1 SGB IX die Pflicht auferlegt, alle Menschen mit Behinderungen - grundsätzlich unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status - durch einen möglichst weitgehenden Ausgleich ihrer Behinderung in die Gesellschaft zu integrieren.

32

Nach der allgemeinen Regelung des § 30 Abs 3 Satz 1 SGB I hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Dabei ist entscheidend, ob ein an den objektiven Verhältnissen zu messender realisierbarer Wille vorhanden ist, an einem bestimmten Ort zu wohnen (vgl hierzu Irmen in Hambüchen, Kindergeld/Erziehungsgeld/Elternzeit, Stand April 2007, § 1 BErzGG, RdNr 29). Den gewöhnlichen Aufenthalt hat demgegenüber jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs 3 Satz 2 SGB I). Die Rechtsprechung des BSG beantwortet die Frage, wann diese Voraussetzungen vorliegen, allein nach den tatsächlichen Umständen, ohne, wie etwa die §§ 7 bis 11 BGB, die Geschäftsfähigkeit der betroffenen Person zu berücksichtigen. Zudem bezieht die Rechtsprechung des BSG auch ein prognostisches Element ein. Die Bejahung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland nach § 30 Abs 3 SGB I hängt danach von einer Prognose über die Dauer des Aufenthalts einer Person in Deutschland ab(vgl hierzu Schlegel in juris PK-SGB I, 1. Aufl 2005, § 30 RdNr 55; Mrozynski, SGB I, 3. Aufl 2003, § 30 RdNr 14 ff, jeweils mwN). Bestimmte Zeiträume, die die Annahme des Beibehaltens und Benutzens der Wohnung bzw des nicht nur vorübergehenden Verweilens an einem Ort begründen oder stützen, sind nicht normiert und auch von der Rechtsprechung nicht hergeleitet worden. Der gewöhnliche Aufenthalt kann danach schon am Tag des Zuzugs begründet werden (s Mrozynski, aaO, § 30 RdNr 19 mwN).

33

Regelmäßig wird bei nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern, deren Aufenthalt in Deutschland von einer staatlichen Entscheidung über die Art und die Dauer ihres Verbleibens abhängt, der aufenthaltsrechtliche Status auch Einfluss auf die tatsächliche Prognose im Rahmen des § 30 Abs 3 SGB I haben. Insbesondere die aufenthaltsrechtliche Duldung nach § 60a Abs 1 AufenthG, der eine Aussetzung der Abschiebung des nicht aufenthaltsberechtigten Ausländers grundsätzlich für längstens sechs Monate vorsieht, kann der Annahme eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts nach § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I entgegenstehen. Diese Verbindung zwischen tatsächlicher Aufenthaltsprognose und aufenthaltsrechtlichem Status eines Ausländers, wie sie zu § 30 Abs 3 SGB I entwickelt worden ist, löst § 2 Abs 2 SGB IX, indem er besonders und eigenständig verlangt, dass der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt "rechtmäßig" sein muss, wobei diese Begriffe durch den Sinn und Zweck des SGB IX geprägt werden.

34

Eine Abweichung von den allgemeinen Begriffen des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts in Bezug auf den aufenthaltsrechtlichen Status eines Ausländers hat das BSG nach Maßgabe des § 37 Satz 1 SGB I zB hinsichtlich des Anspruchs auf Bundeserziehungsgeld nach § 1 Abs 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) angenommen, weil § 1 Abs 6 BErzGG für nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer besondere Bestimmungen über den notwendigen aufenthaltsrechtlichen Status der anspruchsberechtigten Person enthält(s BSG, Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 6/08 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Der nach wie vor in § 1 Abs 1 BErzGG verwendete Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist deswegen nur noch danach zu beurteilen, ob der Ausländer in Bezug auf seinen Lebensmittelpunkt ein reales Verhalten im Sinne eines erkennbaren Willens, sich an einem bestimmten Ort in Deutschland aufhalten zu wollen, gezeigt hat(BSG, aaO). Entsprechende Modifizierungen der Begriffe des "rechtmäßigen" Wohnsitzes und des "rechtmäßigen" gewöhnlichen Aufenthalts sind wegen der Besonderheiten des Schwerbehindertenrechts auch im Rahmen des § 2 Abs 2 SGB IX geboten.

35

Zunächst ist die Rechtmäßigkeit des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts iS des § 2 Abs 2 SGB IX nicht anhand des Aufenthaltsrechts zu beurteilen. Vielmehr bezeichnet sie entsprechend der Zielsetzung des SGB IX die Befugnis des ausländischen behinderten Menschen, am Leben in der deutschen (inländischen) Gesellschaft teilzunehmen. In diesem Sinne ist auch der Aufenthalt von geduldeten Ausländern als rechtmäßig anzusehen. Denn sie sind zwar ausreisepflichtig, aber rechtlich nicht gehindert, sich weiterhin in Deutschland aufzuhalten, solange ihre Abschiebung ausgesetzt ist (vgl § 60a AufenthG). Anders ist es selbstverständlich mit Ausländern, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Die bei der Prüfung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts anzustellende Prognose hat sich dementsprechend an den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles zu orientieren.

36

Das BSG hat schon zum Rechtszustand nach § 1 Schwerbehindertengesetz (SchwbG), der für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ebenfalls einen rechtmäßigen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet verlangte, entschieden, dass das SchwbG behinderte Ausländer auch dann schützt, wenn sie sich nur geduldet seit Jahren in Deutschland aufhalten, ein Ende dieses Aufenthalts unabsehbar ist und die Ausländerbehörde gleichwohl keine Aufenthaltsbefugnis erteilt(BSG, Urteil vom 1.9.1999 - B 9 SB 1/99 R - BSGE 84, 253 = SozR 3-3870 § 1 Nr 1). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts kann danach nur unter Berücksichtigung des Zwecks des jeweiligen Gesetzes hinreichend bestimmt werden, in welchem der Begriff gebraucht ist. Angesichts der Ziele des Schwerbehindertenrechts, nämlich der durch unverzügliche, umfassende und dauernde Maßnahmen zu bewältigenden gesellschaftlichen Integration von behinderten Menschen, liegt, wie das BSG in seiner Entscheidung vom 1.9.1999 zum Ausdruck gebracht hat, auch bei nur geduldeten Ausländern ein nicht nur vorübergehendes Verweilen - und damit ein gewöhnlicher Aufenthalt - vor, wenn andere Umstände ergeben, dass sie sich gleichwohl auf unbestimmte Zeit in Deutschland aufhalten werden. Auch ein nur geduldeter und damit ausländerrechtlich nicht rechtmäßiger Aufenthalt ist danach rechtmäßig im Sinne des SchwbG. Dies ergibt sich im Übrigen aus der aus dem Sozialstaatsprinzip folgenden Verpflichtung der staatlichen Gemeinschaft, körperlich oder geistig behinderte Menschen soweit wie möglich in die Gesellschaft einzugliedern (BSGE 84, 253, 254 ff = SozR 3-3870 § 1 Nr 1 S 2 ff).

37

An dieser Rechtsprechung ist auch für den Rechtszustand nach dem SGB IX im Grundsatz festzuhalten. Sie hat instanzgerichtlich auch in jüngerer Zeit Zustimmung gefunden (SG Bremen, Gerichtsbescheid vom 2.5.2006 - S 3 SB 138/04 -; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.9.2006 - L 10 B 10/06 SB -; SG Lüneburg, Urteil vom 28.3.2007 - S 15 SB 54/05 -; SG Duisburg, Urteil vom 15.6.2007 - S 30 SB 140/04 -; SG Münster, Urteil vom 20.10.2008 - S 2 SB 244/07 -; SG Bremen, Gerichtsbescheid vom 13.8.2009 - S 19 SB 3/09 -; Hessisches LSG, Urteil vom 23.9.2009 - L 4 SB 57/08 -; LSG Nordrhein-Westfalen, angefochtenes Urteil vom 28.10.2009 - L 10 SB 45/08 -; SG Köln, Urteil vom 3.12.2009 - S 31 SB 163/08 -). Entgegen der Auffassung des SG haben die seit 1999 ergangenen gesetzlichen Änderungen im Schwerbehindertenrecht und im Ausländerrecht die rechtlichen Grundlagen des Anspruchs nur geduldet in Deutschland lebender behinderter Ausländer auf Feststellung ihrer Schwerbehinderung nicht verändert.

38

Durch die Eingliederung des Schwerbehindertenrechts in das SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - durch das Gesetz vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) zum 1.7.2001 hat sich in Bezug auf die Schwerbehinderteneigenschaft materiell-rechtlich nichts geändert. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum SGB IX (BT-Drucks 14/5531) betont in seiner Anlage 1, dass der Text des Gesetzentwurfs und der Begründung gleichlautend mit dem Text auf den Seiten 3 bis 136 der BT-Drucks 14/5074 sei. Die genannte Drucksache 14/5074 betrifft den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 16.1.2001. Darin wird zu § 2 des Gesetzentwurfs (Behinderung) angemerkt, dass die Abs 2 und 3 inhaltsgleich die bisherigen Regelungen der §§ 1 und 2 Abs 1 SchwbG übertrügen. Infolgedessen blieben die Feststellungsbescheide der für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden unbeschadet terminologischer Änderungen weiterhin wirksam. Ferner ist ausgeführt, dass es auch bei der Klarstellung der Rechtsprechung bleibe, dass gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des Abs 2 auch bei Asylbewerbern und geduldeten Ausländern vorliege, wenn besondere Umstände ergäben, dass sie sich auf unbestimmte Zeit in Deutschland aufhalten würden (s BT-Drucks 14/5074, S 99). Abgesehen von dem wortlautgleichen Inhalt der alten und neuen Vorschriften belegt diese klarstellende Begründung des Gesetzentwurfs, dass es insbesondere bei Asylbewerbern und geduldeten Ausländern bei der bisherigen durch die Rechtsprechung entwickelten Rechtslage verbleiben soll. Gemeint ist damit zweifellos das Urteil des BSG vom 1.9.1999 (B 9 SB 1/99 R - BSGE 84, 253 = SozR 3-3870 § 1 Nr 1).

39

Da § 2 Abs 2 SGB IX nicht an das Ausländer- bzw Aufenthaltsrecht anknüpft, sondern einen eigenständigen Begriff des rechtmäßigen Wohnsitzes oder Aufenthalts geprägt hat, wirken sich Änderungen des Ausländerrechts von vornherein nicht unmittelbar auf die Auslegung des § 2 Abs 2 SGB IX aus. Dies gilt insbesondere für die Reform des Ausländerrechts durch das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) vom 30.7.2004 (BGBl I 1950). Gerade die Neuregelung der sog Duldung (§ 60a AufenthG) beinhaltet nach wie vor die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung eines Ausländers. Die Duldung wurde abweichend vom ursprünglichen Gesetzentwurf nicht abgeschafft, ihre Anwendung wurde jedoch zugunsten der humanitären Aufenthaltserlaubnis (§ 25 AufenthG) eingeschränkt. Duldungsgründe im Sinne der früheren Vorschrift des § 55 Ausländergesetz sollten leichter und eher zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führen(HK-AuslR/Fränkel, § 25 RdNr 3). Aufenthaltsrechtlich befindet sich der geduldete Ausländer aber nach wie vor in einer Situation, in welcher er nach Ablauf der Duldung jederzeit mit einer Abschiebung rechnen muss. An dieser Beurteilung ändert sich auch dann nichts, wenn über mehrere Jahre hinweg die Duldung immer wieder verlängert worden ist (sog Kettenduldungen), sich der Ausländer also mittlerweile faktisch seit langem in Deutschland aufhält. Nach wie vor ist sein Aufenthalt aufgrund der gemäß § 60a Abs 3 AufenthG fortbestehenden Ausreisepflicht aufenthaltsrechtlich rechtswidrig, wenn auch nicht strafbar. Letztlich ist die ausländer- bzw aufenthaltsrechtliche Duldung grundsätzlich unverändert geblieben. Auswirkungen auf das Schwerbehindertenrecht sind daher nicht ohne Weiteres und unabhängig von den Umständen des Einzelfalles herleitbar.

40

Die bisherige Rechtsprechung des BSG (BSGE 84, 253 = SozR 3-3870 § 1 Nr 1) hat allerdings zur Beurteilung der Frage, ob der geduldete Ausländer nicht nur vorübergehend rechtmäßig in Deutschland verweilt, auf bestimmte Anknüpfungstatsachen abgestellt, die die Annahme stützen, dass er sich auch in Anbetracht einer bloßen Duldung gleichwohl auf unbestimmte Zeit in Deutschland aufhalten werde. Genannt wurden das Bestehen von Abschiebungshindernissen sowie die bisherige jahrelange Duldung des Ausländers. Eine Eingrenzung des Begriffs "jahrelang" wurde nicht vorgenommen, indes für einen mehr als dreieinhalbjährigen geduldeten Aufenthalt bejaht (BSGE 84, 253, 257 f = SozR 3-3870 § 1 Nr 1 S 6).

41

Diese Rechtsprechung des BSG aus dem Jahr 1999 hat der Gesetzgeber des SGB IX zwar nicht zum Anlass genommen, den Begriff des rechtmäßigen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen des § 2 Abs 2 SGB IX selbst näher zu konkretisieren. Andererseits hat er es aber - im Sinne einer Einengung der vom BSG entwickelten allgemeinen Kriterien - unterlassen, die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch - ähnlich der Regelung des § 1 Abs 6 BErzGG - nur denjenigen zuzuerkennen, die im Besitz bestimmter Aufenthaltstitel sind, und so die geduldeten Ausländer ausdrücklich auszunehmen. Bei dieser Gesetzeslage ist aus den dem SGB IX immanenten Grundsätzen herzuleiten, dass ein aufenthaltsrechtlich nur geduldeter Ausländer, dessen GdB mindestens 50 beträgt, Anspruch auf Feststellung der Schwerbehinderung hat, wenn sein Aufenthalt in Deutschland voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird. Diese Beurteilung kann als Prognose schon vor Ablauf einer sechsmonatigen Aufenthaltszeit in Deutschland getroffen werden.

42

Die Orientierung an einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten ist der Definition der Behinderung in § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX zu entnehmen. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs 1 Satz 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die … zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Das Zusammenspiel dieser Vorschriften lässt erkennen, dass das Gesetz typisierend davon ausgeht, dass Funktionsbeeinträchtigungen oder Störungen, die länger als sechs Monate andauern, als die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigend anzusehen sind. Sie lösen Ansprüche auf die in § 1 SGB IX allgemein beschriebenen Leistungen, insbesondere auf Ausgleich und Eingliederung aus. Entsprechendes muss für die Teilhabe von nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern am Leben in der Gesellschaft gelten. Auch sie haben daher Anspruch auf Feststellung ihrer Schwerbehinderung, sobald erkennbar ist, dass bei ihnen die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX erfüllt sind und die Prognose eines über sechsmonatigen Aufenthalts in Deutschland gestellt werden kann(vgl Welti in Lachwitz/Schellhorn/Welti, HK-SGB IX,3. Aufl 2010, § 2 RdNr 48).

43

Die Annahme einer Anspruchsberechtigung von nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern auf Feststellung ihrer Schwerbehinderteneigenschaft, sobald anzunehmen ist, dass sie sich aufenthaltsrechtlich geduldet mehr als sechs Monate in Deutschland aufhalten werden, wird durch das am 1.1.2009 in Kraft getretene Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem fakultativen Protokoll vom 13.12.2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21.12.2008 (BGBl II 1419) untermauert. Damit hat dieses Übereinkommen in Deutschland Gesetzeskraft erlangt (zur Rechtsnatur von durch den Deutschen Bundestag ratifizierten völkerrechtlichen Verträgen s Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl 2009, Art 59 RdNr 17 und 19, jeweils mwN). Nach Art 1 des Übereinkommens ist es sein Zweck, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern. Diese Generalklausel wird durch zahlreiche folgende Artikel konkretisiert, und zwar hinsichtlich der Rechte und Grundfreiheiten der Menschen mit Behinderungen und der daraus erwachsenden Verpflichtungen der Vertragsstaaten. Bereits aus Art 1 Abs 1 des Übereinkommens wird deutlich, dass die Vertragsstaaten die Menschenrechte und Grundfreiheiten allen Menschen mit Behinderungen garantieren ("fördern, schützen und gewährleisten"), ohne dass nach deren Staatsangehörigkeit und/oder Aufenthaltsrecht in dem jeweiligen Vertragsstaat differenziert wird.

44

Nach alledem ist auch bei einem aufenthaltsrechtlich nur geduldeten Ausländer, der sich voraussichtlich länger als sechs Monate in Deutschland aufhalten wird, anzunehmen, dass er iS des § 2 Abs 2 SGB IX seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt rechtmäßig im Geltungsbereich des Gesetzes hat. Das trifft für geduldete Ausländer nicht zu, bei denen aufgrund besonderer Umstände ersichtlich ist, dass die Abschiebung gerade erfolgt oder unmittelbar bevorsteht. Für sie kann eine positive Bleibeprognose nicht gestellt werden. Für die Annahme dieser speziellen Situation einer unmittelbar bevorstehenden Abschiebung bedarf es indes der Feststellung konkreter Umstände. Außerdem scheiden danach auch diejenigen Ausländer aus, die sich im Rahmen eines Visums für Touristen, Geschäftsreisende oder für andere kurzfristige Aufenthalte in Deutschland aufhalten (s § 6 Abs 1 bis 3 AufenthG).

45

Gemessen an diesen Kriterien hat der Kläger zur Zeit des angefochtenen Verwaltungsakts trotz der aufenthaltsrechtlichen Duldung seinen rechtmäßigen Wohnsitz iS des § 2 Abs 2 SGB X weiter in Deutschland gehabt, denn er hat erkennbar seinen Willen gezeigt, auch in Zukunft diese Wohnung im Inland beibehalten und benutzen zu wollen. Dies hat er dadurch hinreichend dokumentiert, dass er entgegen seiner aufenthaltsrechtlichen Verpflichtung zur Ausreise weiterhin in Deutschland verweilt. Nach den Gesamtumständen eines schon im Juli 2007 weit mehr als vier Jahre andauernden Aufenthalts in Deutschland und der Abwesenheit von Anzeichen für eine unmittelbar bevorstehende Abschiebung war im Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheides vom 25.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2007 weiterhin eine positive Aufenthaltsprognose für mehr als sechs Monate zu stellen.

46

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.