Sozialgericht Karlsruhe Entscheidung, 08. Apr. 2013 - S 4 U 1525/12

bei uns veröffentlicht am08.04.2013

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Neufeststellung der seiner Verletztenrente zugrunde liegenden Höhe des Jahresarbeitsverdienstes.
Der 1947 geborene Kläger erlitt am 2. Januar 1971 während seines Medizinstudiums in Schweden einen Arbeitsunfall. Wegen der Folgen des Unfalls bezog er zunächst auf der Grundlage des Bescheids der Beklagten vom 25. April 1974 Verletztenrente auf der Grundlage einer MdE von 40 vom Hundert als Vollrente. Bei der MdE blieb es. Entsprechend der vom Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 5. Dezember 1979 (L 2 Ua 1135/77) für Recht erkannten und vom Bundessozialgericht mit Urteil vom 24. Juni 1981 (2 RU 11/80) bestätigten Entscheidung legte die Beklagte mit Ausführungsbescheid vom 25. September 1981 der konkreten Rentenberechnung einen Jahresarbeitsverdienst für die Zeit vom 16 Juni 1974 bis zum 31. Dezember 1976 von 36.000,- DM, für die Zeit vom 1. Januar 1977 bis zum 31. Dezember 1977 von 36.958,59 DM, für die Zeit vom 1. Januar 1978 bis zum 31. Dezember 1978 von 54.209,78 DM, für die Zeit vom 1. Januar 1979 bis zum 31. Dezember 1979 von 57.950,35 DM und für die Zeit vom 1. Januar 1980 bis auf Weiteres von 60.000,- DM zugrunde.
Unter dem 5. Juni 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihn abzufinden. Diesem Antrag entsprach die Beklagte mit Abfindungsbescheid vom 22. Juli 2009. In diesem Bescheid gewährte die Beklagte dem Kläger auf der Grundlage einer Verletztenrente nach einer MdE von 40 vom Hundert einen Abfindungsbetrag von 56.946,33 EUR. Mit schriftlicher Erklärung vom 27. Juli 2009 erkannte der Kläger den Abfindungsbescheid als verbindlich an und verzichtete auf den gesetzlichen Rechtsbehelf des Widerspruchs.
Unter dem 1. September 2009 wandte sich der Kläger sodann erneut an die Beklagte und bat um Überprüfung des seiner Verletztenrente zugrunde gelegten Jahresarbeitsverdienstes (Assistenzarzt der Chirurgie). Dabei vertrat er die Auffassung, dass er so zu stellen sei, als hätte sich der Unfall nicht ereignet. Zum Unfallzeitpunkt, so der Kläger, habe er die Absicht gehabt, Spezialist auf dem Gebiet der kosmetisch-plastischen Chirurgie zu werden. Deshalb sei seiner Rentenberechnung ein Jahresarbeitsverdienst als kosmetisch-plastischer Chirurg und nicht als Assistenzarzt in der Chirurgie zugrunde zu legen.
Diesen Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte im Zugunstenverfahren mit Bescheid vom 25. November 2011 ab. Dabei entschied die Beklagte eine Rücknahme des Leistungsbescheids vom 25. September 1981 und Neuberechnung der dem Kläger gewährten Verletztenrente auf der Grundlage eines höheren Jahresarbeitsverdienstes (als plastisch-kosmetischer Chirurg) sei nicht möglich. Die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes auf der Grundlage des ortsüblichen Entgelts eines Assistenzarztes der Chirurgie habe im Fall des Klägers das Bundessozialgericht mit Urteil vom 24. Juni 1981 (2 RU 11/80) sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach rechtsfehlerfrei bestätigt. Mit Ausführungsbescheid vom 25. September 1981 sei der Jahresarbeitsverdienst, orientiert am ortsüblichen Entgelt eines Assistenzarztes der Chirurgie entsprechend dem vom Kläger erstrittenen bundessozialgerichtlichen Urteils vom Beklagten festgestellt worden. Da sich aus den Schreiben und Mitteilungen des Klägers und nach der aktuellen Rechtsprechung keinerlei neuen Tatsachen oder Erkenntnisse ergäben, die bei Erlass des Ausführungsbescheides vom 25. September 1981 nicht bereits bekannt gewesen oder berücksichtigt worden seien und keine ursprünglich nicht beachtete Tatsachen oder sonstigen Erkenntnisse vorlägen, die für eine neuerliche Entscheidung wesentlich seien, ergäben sich keine Hinweise, die für eine Unrichtigkeit der Vorentscheidung (Ausführungsbescheid vom 25. September 1981) sprächen. Damit komme dem Ausführungsbescheid vom 25. September 1981 weiter Bindungswirkung zu.
Den dagegen vom Kläger am 30. November 2011 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2012 als unbegründet zurück.
Am 23. April 2012 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben.
Der Kläger ist weiter der Auffassung, seine Verletztenrente sei rückwirkend auf der Grundlage des Jahresarbeitsverdienstes eines plastischen Chirurgen - und nicht nur auf derjenigen eines orthopädischen Assistenzarztes - festzustellen. Ein plastischer Chirurg verdiene pro Jahr durchschnittlich 360.000,-- EUR, eine Orthopäde aber nur 193.800,-- EUR. Er sei nämlich nachträglich so zu stellen, wie er gestanden hätte, hätte es den Unfall nicht gegeben. Hätte es den Unfall nicht gegeben, wäre er plastischer Chirurg geworden. Sachliche Gründe, den Jahresarbeitsverdienst junger Ärzte im Widerspruch zu der tatsächlichen Entwicklung des Referenzkriteriums (Approbation) prinzipiell an ein Einkommen zu koppeln, das erwiesenermaßen bei weitem nicht dem Durchschnittseinkommen eines Arztes entspreche, gebe es nicht. Daher sehe er sich in seinen Grund- und Menschenrechten, insbesondere in seinem Anspruch auf Gleichbehandlung und Gleichheit vor dem Gesetz verletzt. Eine auf dem Gleichheitsprinzip fußende Anerkennung der völlig veränderten Relation zwischen dem Einkommen eines Arztes, der nur eine Approbation habe, und einem durchschnittlichen Arzteinkommen, sei der Sache nach nichts anderes als die notwendige Neubewertung völlig veränderter sozioökonomischer Verhältnisse analog zu der Neubewertung von Diagnosen, die es vor 100 Jahren noch nicht gegeben habe, aber auch analog zu der Neubewertung völlig veränderten sozioökonomischer Verhältnisse hinsichtlich des Scheidungsrechtes. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, warum man die historische Entwicklung bei der einen Basis des Jahresarbeitsverdienstes, nämlich den neu hinzukommenden Diagnosen berücksichtige, während man die historische Entwicklung bei der anderen Basis des Jahresarbeitsverdienstes, nämlich die nicht mehr existierende Koppelung zwischen Approbation und dadurch ermöglichtem durchschnittlichen Einkommen als Arzt nicht nur während der kurzen Zeit als Medizinalassistent, sondern natürlich auch danach, als nicht existent behandelnder Punkt.
Der Kläger beantragt - soweit erkennbar - der Sache nach,
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den Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 25. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung ihres Ausführungsbescheids vom 25. September 1981 zu seinen Gunsten der Berechnung seiner Verletztenrente für die Zeit vom 16. Juni 1974 bis zur Rentenabfindung im Jahre 2009 und bei der Berechnung des Rentenabfindungsbetrags den Jahresarbeitsverdienst eines plastisch-kosmetischen Chirurgen zugrunde zu legen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bezieht sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
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Das Gericht hat die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid mit Verfügung vom 5. Juli 2012 angehört. Die Beklagte hat sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt. Der Kläger ist dem unter Hinweis auf den Wunsch einer möglichen Verhandlung zur Vernehmung der Gegenseite entgegengetreten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Behördenakten (3 Bände) und den Inhalt der Prozessakte (S 4 U 1525/12) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Das Gericht hat den Rechtsstreit nach vorheriger Anhörung der Beteiligten gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz - SGG - durch Gerichtsbescheid entscheiden können. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Widerspruchs des Klägers zur beabsichtigten Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid. Denn das Gesetz sieht die Möglichkeit zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid auch dann vor, wenn einer der Verfahrensbeteiligten widerspricht (vgl. aktuell Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 5. März 2013, S 1 U 4282/12, JURIS Rn. 15. m. w. N. und Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. Februar 2012, L 12 AS 2038/10, JURIS Rn. 20). Eine mündliche Verhandlung ist unter dem Gesichtspunkt des fair trial erst dann anzuordnen, wenn ein Kläger Schwierigkeiten hat, sich schriftlich verständlich zu machen und zur Sache auszudrücken, z. B. weil er Ausländer ist. All dies ist beim Kläger, einem promovierten Facharzt der Psychiatrie, ersichtlich nicht der Fall.
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
18 
Der Bescheid der Beklagten vom 25. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger kann von der Beklagten nicht verlangen, zu seinen Gunsten des Ausführungsbescheid der Beklagten vom 25. September 2011 zur Berechnung seiner Verletztenrente abzuändern und den Jahresarbeitsverdienst für die Zeit vom 16. Juni 1974 bis ins Jahr 2009 (Abfindungsbescheid vom 22. Juni 2009) auf der Grundlage eines höheren Jahresarbeitsverdienstes - entsprechend dem Durchschnittseinkommen eines plastisch-kosmetischen Chirurgen - feststellen zu lassen.
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Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X sind rechtswidrige, nicht begünstigende Verwaltungsakte, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, das bei Erlass der Verwaltungsakte das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Bestimmung ermöglicht es, von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte bei Vorliegen neuer Tatsache und Beweismittel abzuweichen. Dafür ist vorliegend aber aus zwei unabhängig voneinander vorliegenden Gründen nichts ersichtlich:
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1. Der Kläger hat sich mit der verbindlichen Annahme des Abfindungsbescheids vom 22. Juli 2009 unter Verzicht auf gesetzliche Rechtsbehelfe (schriftliche Erklärung vom 27. Juli 2009) des Überprüfungsrechts nach § 44 SGB X begeben.
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Eine Verpflichtung zur Abänderung, Rücknahme oder Überprüfung des Abfindungsbescheids nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil infolge des hier nach Maßgabe von § 78 SGB VII ergangenen Abfindungsbescheides weder eine Sozialleistung nicht erbracht noch Beiträge erhoben worden sind. Auch ein rechtswidriger Abfindungsbescheid stellt nämlich nicht selbständig die Höhe der Sozialleistung fest, sondern legt deren Feststellung nur zugrunde. Auf dieser Basis regelt er lediglich die nicht teilbare begünstigende Abfindung des zuvor möglicherweise zu niedrig festgestellten Rentenanspruchs mit der Folge des Wegfalls der Rentengewährung. Damit entfallen durch den Abfindungsbescheid keine Sozialleistungen, da er diese lediglich in eine andere - gewünschte - Leistungsform umwandelt (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 28. September 1999, B 2 U 32/98 R, JURIS Rn. 31; Kranig in Hauck, SGB VII, K § 76 Rn. 20).
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Eine Rücknahme nach § 44 Abs. 2 SGB X kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Abfindungsbescheid ist kein belastender, sondern ein ausschließlich begünstigender Verwaltungsakt, weil durch ihn das Recht auf Abfindung begründet wird (vgl. Legaldefinition in § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Zwar kann auch ein leistungsgewährender Verwaltungsakt insoweit nicht begünstigend sein, als er keine höhere Leistung gewährt. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Betroffene antragsgemäß beschieden worden ist (KassKomm-Steinwedel, § 44 SGB X Rn. 24). Mit dem Erlass dieses Abfindungsbescheides vom 22. Juli 2009 hat die Beklagte aber dem antragsgemäßen Willen des Klägers auf Abfindung der Verletztenrente entsprochen und einen Rechtszustand geschaffen, der seinerzeit ausschließlich zu seinen Gunsten wirkt (vgl. hierzu BSG, a.a.O., Rn. 32; Bayerisches LSG, Urteil vom 18. Januar 1989 - L 2 U 110/87 - HV-Info 1989, 1401 m.w.N.). Er wurde nicht angefochten und ist damit rechtsverbindlich geworden (§ 77 SGG).
23 
Nachteile der Abfindung bestehen allerdings darin, dass auf künftige Rentenleistungen, insbesondere deren Anpassung, verzichtet wird. Die somit bestehende Doppelnatur der Entscheidung, sich für eine Abfindung zu entschließen, ist aber demjenigen, der den Antrag auf Abfindung stellt, bereits bei Antragstellung bewusst. Die Abfindung beinhaltet denknotwendig das Risiko einer geringeren Leistung gegenüber einer dauerhaften Rentengewährung. Diesen für die Zukunft gegebenenfalls eintretenden wirtschaftlichen Nachteil nimmt derjenige, der einen Antrag auf Abfindung stellt, somit in Kauf; er ist nur eine mittelbare Folge der Entscheidung dessen, der eine Abfindung beantragt. Demnach ist ein Abfindungsbescheid, jedenfalls soweit damit der Unfallversicherungsträger das Recht auf Abfindung anerkannt und dem darauf gerichteten Antrag in vollem Umfange entsprochen hat, ein allein begünstigender Verwaltungsakt (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 33 m.w.N.).
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Aber auch soweit die Beklagte für die Zeit zwischen 1974 und 2009 zugunsten des Klägers mit der ihm gewährten Verletztenrente einen Sozialleistung erbracht hat, hält das Gericht eine Überprüfung des dieses Rentengewährung zugrunde liegenden Jahresarbeitsverdienstes nach § 44 SGB X infolge der klägerseitig beantragten und sodann vorbehaltlos verbindlich erklärten Abfindung für ausgeschlossen. Dabei misst das Gericht der schriftlichen Erklärung des Klägers vom 27. Juli 2009, den Abfindungsbescheid vom 22. Juli 2009 als verbindlich anzuerkennen und auf Rechtsbehelfe zu verzichten, der Sache nach den Charakter einer materiell-rechtlich wirkenden Verzichtserklärung nach § 46 Abs. 1 SGB I zu. Dafür orientiert sich das Gericht an der Rechtsprechung, der zu folge ein gerichtlicher Vergleich ausdrücklich oder konkludent zugleich einen materiell-rechtlichen Verzicht enthalten kann, der auch in Ansehung des § 46 SGB 1 Bestand hat (vgl. BSG, Urteil vom 15. Oktober 1985 - 11a RA 58/84 = SozR 2200 § 1251 Nr. 115 und Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2012, L 13 AS 500/12, JURIS Rn. 27). Ein solcher materiell-rechtlicher Verzicht in einem gerichtlichen Vergleich steht auch der Anwendung des § 44 SGB X entgegen. Nichts anders darf aus Gründen der Rechtseinheit für den hier vorliegenden Fall einer gewährten und endgültig angenommenen Abfindung gelten.
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2. Unabhängig vom Vorstehenden kann das Begehren des Klägers aber auch unter Anwendung des § 44 SGB X keinen Erfolg haben. Nach der zum Zeitpunkt des Unfalls des Klägers am 2. Januar 1971 gültigen Vorschrift des § 573 Abs. 1 RVO ist der für die Berechnung einer Verletztenrente maßgebliche Jahresarbeitsverdienst von dem Zeitpunkt an neu festzusetzen, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. Die Vorschrift des § 573 Abs. 1 RVO hat folgenden Wortlaut gehabt:
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„Befand sich der Verletzte zur Zeit des Arbeitsunfalls noch in einer Schul- oder Berufsausbildung, so wird, wenn es für den Berechtigten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung neu berechnet. Der neuen Berechnung ist das Entgelt zugrunde zu legen, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich ist.“
27 
Diese Vorschrift entspricht inhaltlich dem heute geltenden § 90 Abs. 1 SGB VII, der folgenden Wortlaut hat:
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„Tritt der Versicherungsfall vor Beginn der Schulausbildung oder während einer Schul- oder Berufsausbildung der Versicherten ein, wird, wenn es für die Versicherten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst von dem Zeitpunkt an neu festgesetzt, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. Der Neufestsetzung wird das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarifvertrag vorgesehen ist; besteht keine tarifliche Regelung, ist das Arbeitsentgelt maßgebend, das für derartige Tätigkeiten am Beschäftigungsort der Versicherten gilt.“
29 
Beide Vorschriften stellen eine Ausnahme von dem im Unfallversicherungsrecht geltenden Grundsatz dar, dass die Leistungen sich an dem Lebensstandard unmittelbar vor dem Eintritt des Versicherungsfalls orientieren sollen (vgl. so die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - in BSGE 31, 38, 40; 47, 137, 140, zuletzt Urteil vom 18. September 2012, B 2 U 11/11 R, JURIS Rn. 17). Grundsätzlich sind also die Verdienstverhältnisse vor dem Versicherungsfall für die Zukunft die maßgebliche Grundlage der Geldleistungen; spätere Erwerbsaussichten sind bei der Feststellung des Jahresarbeitsverdienstes regelmäßig nicht zu berücksichtigen. Lediglich, um Unbilligkeiten zu vermeiden, sollen Personen wie der Kläger, die bereits während ihrer Ausbildung - hier: während des Medizinstudiums - einen Versicherungsfall erleiden so gestellt werden, als hätten sie den Versicherungsfall nach der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung erlitten. Rechtlich entscheidend kommt es mithin darauf an, wann der Kläger seine Berufsausbildung abgeschlossen hat.
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Der Begriff der Berufsausbildung wird in § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VII selbst nicht definiert. Seine Bedeutung muss daher aus dem Wortsinn sowie dem systematischen Zusammenhang und dem Zweck der Regelung erschlossen werden. Zu den mit § 90 Abs. 1 SGB VII inhaltlich übereinstimmenden Vorläufervorschriften des § 565 Abs. 1 RVO a.F. und später des § 573 Abs. 1 RVO hat das Bundessozialgericht wiederholt entschieden, dass ihnen ein eigenständiger Begriff der Berufsausbildung zugrunde liegt und auf die aus anderen Bereichen des Sozialrechts geläufigen Begriffsbestimmungen deshalb bei der Auslegung nicht ohne weiteres zurückgegriffen werden kann (BSGE 18, 136, 141 = SozR Nr. 5 zu § 565 RVO a.F.; SozR 2200 § 573 Nr. 2 S 3; Urteil vom 4 Dezember 1991 - 2 RU 69/90 - HV-Info 1992, 598; Urteil vom 7. Februar 2006, B 2 U 3/05 R, JURIS Rn. 15) .
31 
Nach dem Wortsinn dient eine Berufsausbildung der Vermittlung und dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten, die zur späteren Ausübung des Berufes benötigt werden. Daran anknüpfend hat das BSG für die Anwendung des § 90 SGB VII und seiner Vorläufervorschriften stets eine geregelte, zu einem qualifizierten beruflichen Abschluss führende Ausbildung vorausgesetzt (so z.B. BSGE 60, 258 = SozR 2200 § 573 Nr. 12 - Ausbildung zum Steuerberater und Wirtschaftsprüfer; SozR 3-2200 § 573 Nr. 2 - Ausbildung zum Bauingenieur; Urteil vom 26. März 1986 - 2 RU 32/84 = HV-Info 1986, 860 - Ausbildung zur Hauswirtschaftslehrerin; Urteil vom 4. Dezember 1991 - 2 RU 69/90 = HV-Info 1992, 598 - Ausbildung zum staatlich geprüften Landwirt). Dieses Begriffsverständnis deckt sich mit der im Berufsbildungsgesetzes (BBiG) vom 14. August 1969 (BGBl. I S. 1112), neugefasst durch Gesetz vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931) beschriebenen Aufgabenstellung, nach der die Berufsausbildung die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln und den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen hat (§ 1 Abs. 3 BBiG). Nicht als Berufsausbildung gewertet wurde im Gegensatz dazu eine bloße berufliche Weiterbildung zur Erlangung eines bestimmten Status oder zur Verbesserung der Qualifikation und der beruflichen Chancen und Verdienstmöglichkeiten (z.B. BSGE 12, 109 = SozR Nr. 2 zu § 565 RVO a.F. - Facharztausbildung eines approbierten Arztes; BSGE 14, 5 = SozR Nr. 3 zu § 565 RVO a.F. - Ableistung der Vorbereitungszeit für die kassenärztliche Tätigkeit; BSGE 19, 252 = SozR Nr. 6 zu § 565 a.F. - Qualifizierung eines Tarifangestellten einer Krankenkasse zum Dienstordnungs-Angestellten), und zwar auch dann nicht, wenn während der Weiterbildungsphase - vergleichbar einer Ausbildungssituation - die reguläre Berufstätigkeit unterbrochen und ein niedrigeres Entgelt bezogen wurde (BSGE 18, 136 = SozR Nr. 5 zu § 565 RVO a.F. - Promotion eines Diplom-Chemikers; Urteil vom 30. Oktober 1991 - 2 RU 61/90 = HV-Info 1992, 428 - Promotionsstudium eines Arztes). Auch diese Abgrenzung findet ihre Entsprechung im BBiG, wo zwischen Berufsausbildung auf der einen und beruflicher Fortbildung (§ 1 Abs. 4 BBiG) auf der anderen Seite unterschieden wird.
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Dass der Begriff der Berufsausbildung in § 90 SGB VII und seinen Vorläufervorschriften nicht über den Wortsinn hinaus auf andere Formen beruflicher Bildung ausgedehnt werden kann, folgt auch aus dem Ausnahmecharakter der gesetzlichen Regelung, den die Rechtsprechung stets betont hat (BSGE 19, 252, 254 = SozR Nr. 6 zu § 565 RVO a.F.; BSG SozR Nr. 7 zu § 565 RVO a.F. Bl Aa 11; BSG Urteil vom 26. März 1986 - 2 RU 32/84 = HV-Info 1986, 860; BSG Urteil vom 4. Dezember 1991 - 2 RU 69/90 = HV-Info 1992, 598). Mit der Möglichkeit, bei Eintritt des Versicherungsfalls während einer Schul- oder Berufsausbildung die Bemessungsgrundlage anzuheben, weicht das Gesetz für einen Sonderfall von dem die Unfallversicherung beherrschenden Grundsatz ab, dass die Verdienstverhältnisse vor dem Arbeitsunfall für alle Zukunft die maßgebende Grundlage der Geldleistungen bleiben und spätere Erwerbsaussichten bei der Feststellung des Jahresarbeitsverdienstes nicht zu berücksichtigen sind (BSGE 31, 38, 40 = SozR Nr. 1 zu § 573 RVO; BSGE 38, 216, 218 = SozR 2200 § 573 Nr. 2 S 6; BSGE 47, 137, 140 = SozR 2200 § 573 Nr. 9 S. 26). Einzig Personen, die bereits während der Zeit der Ausbildung für einen späteren Beruf einen Arbeitsunfall erleiden und deshalb im Jahre vor dem Unfall regelmäßig noch kein Arbeitsentgelt, sondern allenfalls eine geringe Ausbildungsvergütung erhalten haben, sollen zur Vermeidung von Härten geschützt und so gestellt werden, als hätten sie den Unfall nach der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung erlitten. Eine solche genau umschriebene Ausnahmeregelung kann nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung auf andere, vermeintlich ähnlich liegende Sachverhalte erstreckt werden.
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Allerdings ist der Anwendungsbereich des § 90 SGB VII weiter als der des BBiG und erstreckt sich auch auf Bereiche der beruflichen Bildung, für die dieses Gesetz nicht oder nur eingeschränkt gilt, wie etwa die Hochschulausbildung oder die Ausbildung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder in einem Handwerksberuf (vgl. § 3 BBiG).
34 
An diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, ist die Ausbildung zum Arzt nach der Rechtsprechung mit der Erteilung der Approbation abgeschlossen (vgl. zuletzt ausführlich Landessozialgericht Berlin Brandenburg, Urteil vom 1. November 2010, L 3 U 59/10, JURIS, Rn. 37 ff). Die Bundesärzteordnung geht von einem einheitlichen Beruf des Arztes aus. Dem entsprechend stellt weder der Amtsarzt noch der Facharzt oder ein sonstiger, sich einem speziellen Tätigkeitsbereich widmende Arzt, einen besonderen Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz dar. Die Approbation ist die staatliche Erlaubnis zur Ausübung eines akademischen Heilberufs. Mit der Erteilung der Approbation besteht die Berechtigung eigenverantwortlich Patienten zu behandeln und sich in freier Praxis niederzulassen. Die Approbation bedeutet hingegen nicht sogleich die Berechtigung gesetzlich versicherte Patienten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ambulant zu behandeln. Das Recht der ärztlichen Weiterbildung liegt an der Schnittstelle zwischen dem Berufszugangsrecht des Arztes und der Berufsausübung. Begrifflich endet indes die Ausbildung zum Arzt nach der Bundesärzteordnung (§ 3 Abs. 1 Bundesärzteordnung) mit der Erteilung der Approbation. Im Anschluss hieran beginnt die berufsbegleitende Phase der ärztlichen Weiterbildung. An deren Ende steht die Anerkennung einer Facharztbezeichnung. Die Approbation schließt also die ärztliche Ausbildung ab. Die Anerkennung einer Facharztbezeichnung schließt demgegenüber die ärztliche Weiterbildung ab. Während die Ausbildung zum Arzt ein Basiswissen vermitteln soll, aufgrund dessen die Berufsausübung der Heilkunde am Menschen unter der Bezeichnung Arzt oder Ärztin gestattet wird, dient die Facharztausbildung allein einer Spezialisierung allgemeinärztlichen Fachwissens auf einem eingegrenzten Fachgebiet. Deshalb ist der Facharzt im Verhältnis zum Arzt auch kein besonderer eigener Beruf, sondern lediglich eine Ausprägung des einheitlichen Arztberufes. Rechtlich fällt die ärztliche Weiterbildung als Teil der Berufsausübung in die Kompetenz des Landesgesetzgebers, während die Ausbildung und damit das Berufszugangsrecht in die Regelungskompetenz des Bundes fällt (vgl. Bundesverfassungsgericht BVerfGE 33, 125 ff - „Facharztbeschluss“ - ).
35 
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus europäischem Recht. Zum einen sind die Begrifflichkeiten der einschlägigen Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates 2005/36/EG vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom 30. September 2005, S. 22) nicht identisch mit dem in § 573 Abs. 1 RVO/§ 90 Abs. 1 SGB VII verwandten Begriff des Ausbildung. Darüber hinaus verhält sich die EG-Richtlinie jedenfalls ausdrücklich nicht dazu, wann eine ärztliche Ausbildung abgeschlossen ist. In Art. 24 ff. der Richtlinie werden lediglich Mindestanforderungen festgelegt, bei deren Erfüllung z. B. eine gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen erfolgen muss und die Dienst- und Niederlassungsfreiheit gewährt ist. Im Gegenteil, die Art. 29 und 30 der Richtlinie beschäftigen sich explizit mit der Ausübung der Tätigkeit des praktischen Arztes - also des Arztes, der sich nach der Approbation nicht zum Facharztarzt weitergebildet hat - und dessen besonders erworbenen Rechten. Dies deutet darauf hin, auch nach europäischem Recht die ärztliche Ausbildung mit der Approbation für beendet zu halten.
36 
Wenn der Kläger demgegenüber darauf hinweist, dass ein wirtschaftliches Überleben als Arzt ohne Facharztqualifikation praktisch nicht möglich sei, so mag es der ökonomischen Vernunft entsprechen, eine Facharztqualifikation zu erlangen. Allein dies rechtfertigt es jedoch nicht, die Erlangung der Facharztqualifikation der Ausbildung im Sinne von § 573 Abs. 1 RVO und/oder § 90 Abs. 1 SGB VII zuzuordnen. Denn die Sicherung oder Verbesserung von Verdienstmöglichkeiten gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 7. Februar 2006, B 2 U 3/05 R, JURIS, Rn. 16 unter Hinweis auf ältere Rechtsprechung, BSGE 12, 109, Facharztausbildung eines approbierten Arztes) nicht zur Ausbildung. In diesem Zusammenhang ist nochmals auf den Ausnahmecharakter von § 573 Abs. 1 RVO und § 90 Abs. 1 SGB VII zu verweisen, der nur eine enge Auslegung des Begriffs „Ausbildung“ gestattet. Zum anderen ist eine Berufsausübung als Arzt ohne Facharztqualifikation keineswegs unmöglich oder nur ausnahmsweise möglich. Denn über die Niederlassung als kassenärztlicher Vertragsarzt hinaus bestehen vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten in Gesundheitsämtern, bei Sozialversicherungsträgern, bei Versorgungsämtern, beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen, bei privaten Krankenversicherungen sowie bei anderen Versicherungen, in medizinischen Rehabilitationseinrichtungen, in Laboratorien, in der medizinischen Forschung, in der Pharmabranche, im Verlagswesen, im Verbandswesen der Ärzte und anderenorts. Darüber hinaus kann eine niedergelassene privatärztliche Tätigkeit ausgeübt werden. Hier ist auch eine Kombination mit anderen - angestellten - Tätigkeiten denkbar. Auch stellt die Tätigkeit als Assistenzarzt - auch wenn sie regelmäßig nicht auf Lebenszeit, so doch auf einige Jahre, ausgeführt wird - grundsätzlich eine vollwertige Tätigkeit dar.
37 
Wenn somit bei einem Assistenzarzt, der einen Arbeitsunfall erleidet, bei der Verletztenrente nicht berücksichtigt werden kann, ob dieser noch eine Weiterbildung zum Facharzt plante, kann dies erst recht nicht für jemanden gelten, der sich, wie der Kläger, zum Zeitpunkt des Unfalls noch im Studium befunden hat. Daher kommt es rechtlich erheblich auch nicht darauf an, ob die Mehrheit der niedergelassenen Ärzte in Deutschland über eine Facharztausbildung verfügt oder nicht. Beweiserhebungen in dieser Richtung sind mangels Entscheidungserheblichkeit nicht veranlasst gewesen.
38 
Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass der Kläger durch den angefochtenen Bescheid auch nicht in seinem allgemeinen Gleichheitsrecht (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt worden ist.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.

Gründe

 
16 
Das Gericht hat den Rechtsstreit nach vorheriger Anhörung der Beteiligten gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz - SGG - durch Gerichtsbescheid entscheiden können. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Widerspruchs des Klägers zur beabsichtigten Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid. Denn das Gesetz sieht die Möglichkeit zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid auch dann vor, wenn einer der Verfahrensbeteiligten widerspricht (vgl. aktuell Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 5. März 2013, S 1 U 4282/12, JURIS Rn. 15. m. w. N. und Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. Februar 2012, L 12 AS 2038/10, JURIS Rn. 20). Eine mündliche Verhandlung ist unter dem Gesichtspunkt des fair trial erst dann anzuordnen, wenn ein Kläger Schwierigkeiten hat, sich schriftlich verständlich zu machen und zur Sache auszudrücken, z. B. weil er Ausländer ist. All dies ist beim Kläger, einem promovierten Facharzt der Psychiatrie, ersichtlich nicht der Fall.
17 
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
18 
Der Bescheid der Beklagten vom 25. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger kann von der Beklagten nicht verlangen, zu seinen Gunsten des Ausführungsbescheid der Beklagten vom 25. September 2011 zur Berechnung seiner Verletztenrente abzuändern und den Jahresarbeitsverdienst für die Zeit vom 16. Juni 1974 bis ins Jahr 2009 (Abfindungsbescheid vom 22. Juni 2009) auf der Grundlage eines höheren Jahresarbeitsverdienstes - entsprechend dem Durchschnittseinkommen eines plastisch-kosmetischen Chirurgen - feststellen zu lassen.
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Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X sind rechtswidrige, nicht begünstigende Verwaltungsakte, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, das bei Erlass der Verwaltungsakte das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Bestimmung ermöglicht es, von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte bei Vorliegen neuer Tatsache und Beweismittel abzuweichen. Dafür ist vorliegend aber aus zwei unabhängig voneinander vorliegenden Gründen nichts ersichtlich:
20 
1. Der Kläger hat sich mit der verbindlichen Annahme des Abfindungsbescheids vom 22. Juli 2009 unter Verzicht auf gesetzliche Rechtsbehelfe (schriftliche Erklärung vom 27. Juli 2009) des Überprüfungsrechts nach § 44 SGB X begeben.
21 
Eine Verpflichtung zur Abänderung, Rücknahme oder Überprüfung des Abfindungsbescheids nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil infolge des hier nach Maßgabe von § 78 SGB VII ergangenen Abfindungsbescheides weder eine Sozialleistung nicht erbracht noch Beiträge erhoben worden sind. Auch ein rechtswidriger Abfindungsbescheid stellt nämlich nicht selbständig die Höhe der Sozialleistung fest, sondern legt deren Feststellung nur zugrunde. Auf dieser Basis regelt er lediglich die nicht teilbare begünstigende Abfindung des zuvor möglicherweise zu niedrig festgestellten Rentenanspruchs mit der Folge des Wegfalls der Rentengewährung. Damit entfallen durch den Abfindungsbescheid keine Sozialleistungen, da er diese lediglich in eine andere - gewünschte - Leistungsform umwandelt (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 28. September 1999, B 2 U 32/98 R, JURIS Rn. 31; Kranig in Hauck, SGB VII, K § 76 Rn. 20).
22 
Eine Rücknahme nach § 44 Abs. 2 SGB X kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Abfindungsbescheid ist kein belastender, sondern ein ausschließlich begünstigender Verwaltungsakt, weil durch ihn das Recht auf Abfindung begründet wird (vgl. Legaldefinition in § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Zwar kann auch ein leistungsgewährender Verwaltungsakt insoweit nicht begünstigend sein, als er keine höhere Leistung gewährt. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Betroffene antragsgemäß beschieden worden ist (KassKomm-Steinwedel, § 44 SGB X Rn. 24). Mit dem Erlass dieses Abfindungsbescheides vom 22. Juli 2009 hat die Beklagte aber dem antragsgemäßen Willen des Klägers auf Abfindung der Verletztenrente entsprochen und einen Rechtszustand geschaffen, der seinerzeit ausschließlich zu seinen Gunsten wirkt (vgl. hierzu BSG, a.a.O., Rn. 32; Bayerisches LSG, Urteil vom 18. Januar 1989 - L 2 U 110/87 - HV-Info 1989, 1401 m.w.N.). Er wurde nicht angefochten und ist damit rechtsverbindlich geworden (§ 77 SGG).
23 
Nachteile der Abfindung bestehen allerdings darin, dass auf künftige Rentenleistungen, insbesondere deren Anpassung, verzichtet wird. Die somit bestehende Doppelnatur der Entscheidung, sich für eine Abfindung zu entschließen, ist aber demjenigen, der den Antrag auf Abfindung stellt, bereits bei Antragstellung bewusst. Die Abfindung beinhaltet denknotwendig das Risiko einer geringeren Leistung gegenüber einer dauerhaften Rentengewährung. Diesen für die Zukunft gegebenenfalls eintretenden wirtschaftlichen Nachteil nimmt derjenige, der einen Antrag auf Abfindung stellt, somit in Kauf; er ist nur eine mittelbare Folge der Entscheidung dessen, der eine Abfindung beantragt. Demnach ist ein Abfindungsbescheid, jedenfalls soweit damit der Unfallversicherungsträger das Recht auf Abfindung anerkannt und dem darauf gerichteten Antrag in vollem Umfange entsprochen hat, ein allein begünstigender Verwaltungsakt (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 33 m.w.N.).
24 
Aber auch soweit die Beklagte für die Zeit zwischen 1974 und 2009 zugunsten des Klägers mit der ihm gewährten Verletztenrente einen Sozialleistung erbracht hat, hält das Gericht eine Überprüfung des dieses Rentengewährung zugrunde liegenden Jahresarbeitsverdienstes nach § 44 SGB X infolge der klägerseitig beantragten und sodann vorbehaltlos verbindlich erklärten Abfindung für ausgeschlossen. Dabei misst das Gericht der schriftlichen Erklärung des Klägers vom 27. Juli 2009, den Abfindungsbescheid vom 22. Juli 2009 als verbindlich anzuerkennen und auf Rechtsbehelfe zu verzichten, der Sache nach den Charakter einer materiell-rechtlich wirkenden Verzichtserklärung nach § 46 Abs. 1 SGB I zu. Dafür orientiert sich das Gericht an der Rechtsprechung, der zu folge ein gerichtlicher Vergleich ausdrücklich oder konkludent zugleich einen materiell-rechtlichen Verzicht enthalten kann, der auch in Ansehung des § 46 SGB 1 Bestand hat (vgl. BSG, Urteil vom 15. Oktober 1985 - 11a RA 58/84 = SozR 2200 § 1251 Nr. 115 und Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2012, L 13 AS 500/12, JURIS Rn. 27). Ein solcher materiell-rechtlicher Verzicht in einem gerichtlichen Vergleich steht auch der Anwendung des § 44 SGB X entgegen. Nichts anders darf aus Gründen der Rechtseinheit für den hier vorliegenden Fall einer gewährten und endgültig angenommenen Abfindung gelten.
25 
2. Unabhängig vom Vorstehenden kann das Begehren des Klägers aber auch unter Anwendung des § 44 SGB X keinen Erfolg haben. Nach der zum Zeitpunkt des Unfalls des Klägers am 2. Januar 1971 gültigen Vorschrift des § 573 Abs. 1 RVO ist der für die Berechnung einer Verletztenrente maßgebliche Jahresarbeitsverdienst von dem Zeitpunkt an neu festzusetzen, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. Die Vorschrift des § 573 Abs. 1 RVO hat folgenden Wortlaut gehabt:
26 
„Befand sich der Verletzte zur Zeit des Arbeitsunfalls noch in einer Schul- oder Berufsausbildung, so wird, wenn es für den Berechtigten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung neu berechnet. Der neuen Berechnung ist das Entgelt zugrunde zu legen, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich ist.“
27 
Diese Vorschrift entspricht inhaltlich dem heute geltenden § 90 Abs. 1 SGB VII, der folgenden Wortlaut hat:
28 
„Tritt der Versicherungsfall vor Beginn der Schulausbildung oder während einer Schul- oder Berufsausbildung der Versicherten ein, wird, wenn es für die Versicherten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst von dem Zeitpunkt an neu festgesetzt, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. Der Neufestsetzung wird das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarifvertrag vorgesehen ist; besteht keine tarifliche Regelung, ist das Arbeitsentgelt maßgebend, das für derartige Tätigkeiten am Beschäftigungsort der Versicherten gilt.“
29 
Beide Vorschriften stellen eine Ausnahme von dem im Unfallversicherungsrecht geltenden Grundsatz dar, dass die Leistungen sich an dem Lebensstandard unmittelbar vor dem Eintritt des Versicherungsfalls orientieren sollen (vgl. so die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - in BSGE 31, 38, 40; 47, 137, 140, zuletzt Urteil vom 18. September 2012, B 2 U 11/11 R, JURIS Rn. 17). Grundsätzlich sind also die Verdienstverhältnisse vor dem Versicherungsfall für die Zukunft die maßgebliche Grundlage der Geldleistungen; spätere Erwerbsaussichten sind bei der Feststellung des Jahresarbeitsverdienstes regelmäßig nicht zu berücksichtigen. Lediglich, um Unbilligkeiten zu vermeiden, sollen Personen wie der Kläger, die bereits während ihrer Ausbildung - hier: während des Medizinstudiums - einen Versicherungsfall erleiden so gestellt werden, als hätten sie den Versicherungsfall nach der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung erlitten. Rechtlich entscheidend kommt es mithin darauf an, wann der Kläger seine Berufsausbildung abgeschlossen hat.
30 
Der Begriff der Berufsausbildung wird in § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VII selbst nicht definiert. Seine Bedeutung muss daher aus dem Wortsinn sowie dem systematischen Zusammenhang und dem Zweck der Regelung erschlossen werden. Zu den mit § 90 Abs. 1 SGB VII inhaltlich übereinstimmenden Vorläufervorschriften des § 565 Abs. 1 RVO a.F. und später des § 573 Abs. 1 RVO hat das Bundessozialgericht wiederholt entschieden, dass ihnen ein eigenständiger Begriff der Berufsausbildung zugrunde liegt und auf die aus anderen Bereichen des Sozialrechts geläufigen Begriffsbestimmungen deshalb bei der Auslegung nicht ohne weiteres zurückgegriffen werden kann (BSGE 18, 136, 141 = SozR Nr. 5 zu § 565 RVO a.F.; SozR 2200 § 573 Nr. 2 S 3; Urteil vom 4 Dezember 1991 - 2 RU 69/90 - HV-Info 1992, 598; Urteil vom 7. Februar 2006, B 2 U 3/05 R, JURIS Rn. 15) .
31 
Nach dem Wortsinn dient eine Berufsausbildung der Vermittlung und dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten, die zur späteren Ausübung des Berufes benötigt werden. Daran anknüpfend hat das BSG für die Anwendung des § 90 SGB VII und seiner Vorläufervorschriften stets eine geregelte, zu einem qualifizierten beruflichen Abschluss führende Ausbildung vorausgesetzt (so z.B. BSGE 60, 258 = SozR 2200 § 573 Nr. 12 - Ausbildung zum Steuerberater und Wirtschaftsprüfer; SozR 3-2200 § 573 Nr. 2 - Ausbildung zum Bauingenieur; Urteil vom 26. März 1986 - 2 RU 32/84 = HV-Info 1986, 860 - Ausbildung zur Hauswirtschaftslehrerin; Urteil vom 4. Dezember 1991 - 2 RU 69/90 = HV-Info 1992, 598 - Ausbildung zum staatlich geprüften Landwirt). Dieses Begriffsverständnis deckt sich mit der im Berufsbildungsgesetzes (BBiG) vom 14. August 1969 (BGBl. I S. 1112), neugefasst durch Gesetz vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931) beschriebenen Aufgabenstellung, nach der die Berufsausbildung die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln und den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen hat (§ 1 Abs. 3 BBiG). Nicht als Berufsausbildung gewertet wurde im Gegensatz dazu eine bloße berufliche Weiterbildung zur Erlangung eines bestimmten Status oder zur Verbesserung der Qualifikation und der beruflichen Chancen und Verdienstmöglichkeiten (z.B. BSGE 12, 109 = SozR Nr. 2 zu § 565 RVO a.F. - Facharztausbildung eines approbierten Arztes; BSGE 14, 5 = SozR Nr. 3 zu § 565 RVO a.F. - Ableistung der Vorbereitungszeit für die kassenärztliche Tätigkeit; BSGE 19, 252 = SozR Nr. 6 zu § 565 a.F. - Qualifizierung eines Tarifangestellten einer Krankenkasse zum Dienstordnungs-Angestellten), und zwar auch dann nicht, wenn während der Weiterbildungsphase - vergleichbar einer Ausbildungssituation - die reguläre Berufstätigkeit unterbrochen und ein niedrigeres Entgelt bezogen wurde (BSGE 18, 136 = SozR Nr. 5 zu § 565 RVO a.F. - Promotion eines Diplom-Chemikers; Urteil vom 30. Oktober 1991 - 2 RU 61/90 = HV-Info 1992, 428 - Promotionsstudium eines Arztes). Auch diese Abgrenzung findet ihre Entsprechung im BBiG, wo zwischen Berufsausbildung auf der einen und beruflicher Fortbildung (§ 1 Abs. 4 BBiG) auf der anderen Seite unterschieden wird.
32 
Dass der Begriff der Berufsausbildung in § 90 SGB VII und seinen Vorläufervorschriften nicht über den Wortsinn hinaus auf andere Formen beruflicher Bildung ausgedehnt werden kann, folgt auch aus dem Ausnahmecharakter der gesetzlichen Regelung, den die Rechtsprechung stets betont hat (BSGE 19, 252, 254 = SozR Nr. 6 zu § 565 RVO a.F.; BSG SozR Nr. 7 zu § 565 RVO a.F. Bl Aa 11; BSG Urteil vom 26. März 1986 - 2 RU 32/84 = HV-Info 1986, 860; BSG Urteil vom 4. Dezember 1991 - 2 RU 69/90 = HV-Info 1992, 598). Mit der Möglichkeit, bei Eintritt des Versicherungsfalls während einer Schul- oder Berufsausbildung die Bemessungsgrundlage anzuheben, weicht das Gesetz für einen Sonderfall von dem die Unfallversicherung beherrschenden Grundsatz ab, dass die Verdienstverhältnisse vor dem Arbeitsunfall für alle Zukunft die maßgebende Grundlage der Geldleistungen bleiben und spätere Erwerbsaussichten bei der Feststellung des Jahresarbeitsverdienstes nicht zu berücksichtigen sind (BSGE 31, 38, 40 = SozR Nr. 1 zu § 573 RVO; BSGE 38, 216, 218 = SozR 2200 § 573 Nr. 2 S 6; BSGE 47, 137, 140 = SozR 2200 § 573 Nr. 9 S. 26). Einzig Personen, die bereits während der Zeit der Ausbildung für einen späteren Beruf einen Arbeitsunfall erleiden und deshalb im Jahre vor dem Unfall regelmäßig noch kein Arbeitsentgelt, sondern allenfalls eine geringe Ausbildungsvergütung erhalten haben, sollen zur Vermeidung von Härten geschützt und so gestellt werden, als hätten sie den Unfall nach der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung erlitten. Eine solche genau umschriebene Ausnahmeregelung kann nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung auf andere, vermeintlich ähnlich liegende Sachverhalte erstreckt werden.
33 
Allerdings ist der Anwendungsbereich des § 90 SGB VII weiter als der des BBiG und erstreckt sich auch auf Bereiche der beruflichen Bildung, für die dieses Gesetz nicht oder nur eingeschränkt gilt, wie etwa die Hochschulausbildung oder die Ausbildung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder in einem Handwerksberuf (vgl. § 3 BBiG).
34 
An diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, ist die Ausbildung zum Arzt nach der Rechtsprechung mit der Erteilung der Approbation abgeschlossen (vgl. zuletzt ausführlich Landessozialgericht Berlin Brandenburg, Urteil vom 1. November 2010, L 3 U 59/10, JURIS, Rn. 37 ff). Die Bundesärzteordnung geht von einem einheitlichen Beruf des Arztes aus. Dem entsprechend stellt weder der Amtsarzt noch der Facharzt oder ein sonstiger, sich einem speziellen Tätigkeitsbereich widmende Arzt, einen besonderen Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz dar. Die Approbation ist die staatliche Erlaubnis zur Ausübung eines akademischen Heilberufs. Mit der Erteilung der Approbation besteht die Berechtigung eigenverantwortlich Patienten zu behandeln und sich in freier Praxis niederzulassen. Die Approbation bedeutet hingegen nicht sogleich die Berechtigung gesetzlich versicherte Patienten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ambulant zu behandeln. Das Recht der ärztlichen Weiterbildung liegt an der Schnittstelle zwischen dem Berufszugangsrecht des Arztes und der Berufsausübung. Begrifflich endet indes die Ausbildung zum Arzt nach der Bundesärzteordnung (§ 3 Abs. 1 Bundesärzteordnung) mit der Erteilung der Approbation. Im Anschluss hieran beginnt die berufsbegleitende Phase der ärztlichen Weiterbildung. An deren Ende steht die Anerkennung einer Facharztbezeichnung. Die Approbation schließt also die ärztliche Ausbildung ab. Die Anerkennung einer Facharztbezeichnung schließt demgegenüber die ärztliche Weiterbildung ab. Während die Ausbildung zum Arzt ein Basiswissen vermitteln soll, aufgrund dessen die Berufsausübung der Heilkunde am Menschen unter der Bezeichnung Arzt oder Ärztin gestattet wird, dient die Facharztausbildung allein einer Spezialisierung allgemeinärztlichen Fachwissens auf einem eingegrenzten Fachgebiet. Deshalb ist der Facharzt im Verhältnis zum Arzt auch kein besonderer eigener Beruf, sondern lediglich eine Ausprägung des einheitlichen Arztberufes. Rechtlich fällt die ärztliche Weiterbildung als Teil der Berufsausübung in die Kompetenz des Landesgesetzgebers, während die Ausbildung und damit das Berufszugangsrecht in die Regelungskompetenz des Bundes fällt (vgl. Bundesverfassungsgericht BVerfGE 33, 125 ff - „Facharztbeschluss“ - ).
35 
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus europäischem Recht. Zum einen sind die Begrifflichkeiten der einschlägigen Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates 2005/36/EG vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom 30. September 2005, S. 22) nicht identisch mit dem in § 573 Abs. 1 RVO/§ 90 Abs. 1 SGB VII verwandten Begriff des Ausbildung. Darüber hinaus verhält sich die EG-Richtlinie jedenfalls ausdrücklich nicht dazu, wann eine ärztliche Ausbildung abgeschlossen ist. In Art. 24 ff. der Richtlinie werden lediglich Mindestanforderungen festgelegt, bei deren Erfüllung z. B. eine gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen erfolgen muss und die Dienst- und Niederlassungsfreiheit gewährt ist. Im Gegenteil, die Art. 29 und 30 der Richtlinie beschäftigen sich explizit mit der Ausübung der Tätigkeit des praktischen Arztes - also des Arztes, der sich nach der Approbation nicht zum Facharztarzt weitergebildet hat - und dessen besonders erworbenen Rechten. Dies deutet darauf hin, auch nach europäischem Recht die ärztliche Ausbildung mit der Approbation für beendet zu halten.
36 
Wenn der Kläger demgegenüber darauf hinweist, dass ein wirtschaftliches Überleben als Arzt ohne Facharztqualifikation praktisch nicht möglich sei, so mag es der ökonomischen Vernunft entsprechen, eine Facharztqualifikation zu erlangen. Allein dies rechtfertigt es jedoch nicht, die Erlangung der Facharztqualifikation der Ausbildung im Sinne von § 573 Abs. 1 RVO und/oder § 90 Abs. 1 SGB VII zuzuordnen. Denn die Sicherung oder Verbesserung von Verdienstmöglichkeiten gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 7. Februar 2006, B 2 U 3/05 R, JURIS, Rn. 16 unter Hinweis auf ältere Rechtsprechung, BSGE 12, 109, Facharztausbildung eines approbierten Arztes) nicht zur Ausbildung. In diesem Zusammenhang ist nochmals auf den Ausnahmecharakter von § 573 Abs. 1 RVO und § 90 Abs. 1 SGB VII zu verweisen, der nur eine enge Auslegung des Begriffs „Ausbildung“ gestattet. Zum anderen ist eine Berufsausübung als Arzt ohne Facharztqualifikation keineswegs unmöglich oder nur ausnahmsweise möglich. Denn über die Niederlassung als kassenärztlicher Vertragsarzt hinaus bestehen vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten in Gesundheitsämtern, bei Sozialversicherungsträgern, bei Versorgungsämtern, beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen, bei privaten Krankenversicherungen sowie bei anderen Versicherungen, in medizinischen Rehabilitationseinrichtungen, in Laboratorien, in der medizinischen Forschung, in der Pharmabranche, im Verlagswesen, im Verbandswesen der Ärzte und anderenorts. Darüber hinaus kann eine niedergelassene privatärztliche Tätigkeit ausgeübt werden. Hier ist auch eine Kombination mit anderen - angestellten - Tätigkeiten denkbar. Auch stellt die Tätigkeit als Assistenzarzt - auch wenn sie regelmäßig nicht auf Lebenszeit, so doch auf einige Jahre, ausgeführt wird - grundsätzlich eine vollwertige Tätigkeit dar.
37 
Wenn somit bei einem Assistenzarzt, der einen Arbeitsunfall erleidet, bei der Verletztenrente nicht berücksichtigt werden kann, ob dieser noch eine Weiterbildung zum Facharzt plante, kann dies erst recht nicht für jemanden gelten, der sich, wie der Kläger, zum Zeitpunkt des Unfalls noch im Studium befunden hat. Daher kommt es rechtlich erheblich auch nicht darauf an, ob die Mehrheit der niedergelassenen Ärzte in Deutschland über eine Facharztausbildung verfügt oder nicht. Beweiserhebungen in dieser Richtung sind mangels Entscheidungserheblichkeit nicht veranlasst gewesen.
38 
Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass der Kläger durch den angefochtenen Bescheid auch nicht in seinem allgemeinen Gleichheitsrecht (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt worden ist.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Karlsruhe Entscheidung, 08. Apr. 2013 - S 4 U 1525/12

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Sozialgericht Karlsruhe Entscheidung, 08. Apr. 2013 - S 4 U 1525/12 zitiert 16 §§.

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 45 Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen de

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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 77


Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Berufsbildungsgesetz - BBiG 2005 | § 1 Ziele und Begriffe der Berufsbildung


(1) Berufsbildung im Sinne dieses Gesetzes sind die Berufsausbildungsvorbereitung, die Berufsausbildung, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung. (2) Die Berufsausbildungsvorbereitung dient dem Ziel, durch die Vermittlung von Gru

Bundesärzteordnung - BÄO | § 3


(1) Die Approbation als Arzt ist auf Antrag zu erteilen, wenn der Antragsteller 1. (weggefallen)2. sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt,3. n

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 90 Neufestsetzung nach Altersstufen


(1) Ist der Versicherungsfall vor Vollendung des 30. Lebensjahres eingetreten, wird, wenn es für die Versicherten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst mit Vollendung des 30. Lebensjahres auf 100 Prozent der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Bezugs

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 46 Verzicht


(1) Auf Ansprüche auf Sozialleistungen kann durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden; der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. (2) Der Verzicht ist unwirksam, soweit durch ihn and

Berufsbildungsgesetz - BBiG 2005 | § 3 Anwendungsbereich


(1) Dieses Gesetz gilt für die Berufsbildung, soweit sie nicht in berufsbildenden Schulen durchgeführt wird, die den Schulgesetzen der Länder unterstehen. (2) Dieses Gesetz gilt nicht für 1. die Berufsbildung, die in berufsqualifizierenden oder v

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 78 Abfindung bei Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 40 vom Hundert


(1) Versicherte, die Anspruch auf eine Rente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 vom Hundert oder mehr haben, können auf ihren Antrag durch einen Geldbetrag abgefunden werden. Das gleiche gilt für Versicherte, die Anspruch auf mehrere R

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Sozialgericht Karlsruhe Entscheidung, 08. Apr. 2013 - S 4 U 1525/12 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Sozialgericht Karlsruhe Entscheidung, 08. Apr. 2013 - S 4 U 1525/12

bei uns veröffentlicht am 08.04.2013

Tenor Die Klage wird abgewiesen.Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand  1 Der Kläger begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Neufeststellung der seiner Verletztenrente zugrunde liegenden Höhe des Jahresarbeitsverdienstes.2 Der 1947 g

Bundessozialgericht Urteil, 18. Sept. 2012 - B 2 U 11/11 R

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Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. März 2011 wird zurückgewiesen.
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Sozialgericht Karlsruhe Entscheidung, 08. Apr. 2013 - S 4 U 1525/12

bei uns veröffentlicht am 08.04.2013

Tenor Die Klage wird abgewiesen.Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand  1 Der Kläger begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Neufeststellung der seiner Verletztenrente zugrunde liegenden Höhe des Jahresarbeitsverdienstes.2 Der 1947 g

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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Versicherte, die Anspruch auf eine Rente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 vom Hundert oder mehr haben, können auf ihren Antrag durch einen Geldbetrag abgefunden werden. Das gleiche gilt für Versicherte, die Anspruch auf mehrere Renten haben, deren Vomhundertsätze zusammen die Zahl 40 erreichen oder übersteigen.

(2) Eine Abfindung kann nur bewilligt werden, wenn

1.
die Versicherten das 18. Lebensjahr vollendet haben und
2.
nicht zu erwarten ist, daß innerhalb des Abfindungszeitraumes die Minderung der Erwerbsfähigkeit wesentlich sinkt.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Auf Ansprüche auf Sozialleistungen kann durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden; der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.

(2) Der Verzicht ist unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Ist der Versicherungsfall vor Vollendung des 30. Lebensjahres eingetreten, wird, wenn es für die Versicherten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst mit Vollendung des 30. Lebensjahres auf 100 Prozent der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Bezugsgröße neu festgesetzt. Wurde die Hochschul- oder Fachhochschulreife erworben, tritt an die Stelle des Wertes 100 Prozent der Wert 120 Prozent der Bezugsgröße.

(2) Der Jahresarbeitsverdienst wird mit Vollendung der in § 85 genannten weiteren Lebensjahre entsprechend dem Prozentsatz der zu diesen Zeitpunkten maßgebenden Bezugsgröße neu festgesetzt.

(3) In den Fällen des § 82 Absatz 2 Satz 2 sind die Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. März 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt höhere Verletztenrente auf Grund eines höheren zu berücksichtigenden Jahresarbeitsverdienstes (JAV).

2

Der 1978 geborene Kläger wurde im Jahre 1986 auf dem Heimweg von der Schule von einem Lkw angefahren und zog sich erhebliche Verletzungen zu. Der Rechtsvorgänger der Beklagten (der Rheinische GUV) erkannte den Unfall in einem Bescheid vom 22.7.1988 als Arbeitsunfall an und stellte in dem Bescheid vom 31.1.1994 sein Recht auf Verletztenrente nach einer MdE von 90 vH fest. Dessen Jahreswert ergab sich aus dem Produkt aus dieser MdE und dem JAV. Als JAV wurden der Rentenberechnung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Klägers 40 vH und danach 60 vH (Bescheid vom 12.7.1996) der im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls maßgebenden Bezugsgröße zu Grunde gelegt.

3

Am 1.7.1997 begann der damals 19jährige Kläger bei der J. GmbH eine Ausbildung zum Fachinformatiker - Fachrichtung Anwendungsentwicklung, die er am 15.6.2000 erfolgreich abschloss. Nach dem Ende der Ausbildung schied er aus dem Unternehmen aus und nahm ein Informatikstudium auf.

4

In dem Bescheid vom 4.6.2004 stellte der Rheinische GUV fest, dem Kläger stehe ab 1.7.2000 höhere Verletztenrente zu. Dies ergebe sich aus einem höheren JAV, der gemäß § 90 Abs 1 SGB VII ab dem 16.6.2000, dem Tag nach Beendigung seiner Ausbildung, auf 21 381,09 EUR festgesetzt werde. Zur Begründung wird ausgeführt, die Neuberechnung des JAV erfolge auf Grundlage des Verdienstes eines Datenverarbeitungskaufmanns - Fachrichtung Fachinformatiker. Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, die zur Ermittlung des JAV zu Grunde gelegte Berufsbezeichnung entspreche nicht dem von ihm erreichten Abschluss als "Fachinformatiker - Anwendungsentwicklung". Mit Widerspruchsbescheid vom 13.2.2008 wies die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des Rheinischen GUV den Widerspruch des Klägers zurück.

5

Mit der Klage zum SG hat der Kläger weiterhin vorgetragen, er habe keine Ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann im Einzelhandel, sondern eine Ausbildung zum Fachinformatiker mit der Fachrichtung Anwendungsentwicklung absolviert, weshalb von dem ortsüblichen Entgelt eines Fachinformatikers auf dem Gebiet der Anwendungsentwicklung auszugehen sei. Angesichts der mit der Note "gut" abgeschlossenen Ausbildung sei ein JAV von mindestens 30 000,00 EUR angemessen.

6

Mit Urteil vom 31.3.2009 hat das SG die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Berechnung der Verletztenrente des Klägers einen anderen JAV unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu Grunde zu legen und ihm hierüber einen neuen Bescheid zu erteilen. Nach § 90 Abs 1 SGB VII sei ein anderer JAV zu Grunde zu legen, weil dieser an dem Entgelt in dem durch die Ausbildung angestrebten Beruf auszurichten sei.

7

Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten am 31.3.2011 das Urteil des SG "geändert" und die Klage abgewiesen. Der JAV sei hier ab dem Tag nach dem Ende der Ausbildung des Klägers und damit ab 16.6.2000 neu festzusetzen gewesen. Es sei nach § 90 Abs 1 Satz 2 SGB VII der Tarifvertrag des Ausbildungsbetriebs zu Grunde zu legen. Habe - wie hier - ein zum Ausbildungsziel führendes Ausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz zwischen dem Versicherten und einem Ausbildungsbetrieb bestanden, sei der für dieses Unternehmen seiner Art nach am Stichtag, dh dem Tag nach dem Ende der Ausbildung, geltende Tarifvertrag maßgeblich. Denn maßgebend sei nicht der berufsspezifische, sondern der branchenspezifische Tarifvertrag, der für das Unternehmen generell in Betracht komme. Hierauf sei auch dann abzustellen, wenn der Versicherte nach dem Ausbildungsende aus dem Unternehmen ausscheide, um ein Studium aufzunehmen. Dabei komme es auch nicht darauf an, ob der Versicherte im Ausbildungsunternehmen eine seiner Ausbildung entsprechende Tätigkeit hätte aufnehmen können. Für die ausnahmslose Anknüpfung an den für das Ausbildungsunternehmen seiner Art nach geltenden Tarifvertrag spreche insbesondere der Sinn und Zweck des § 90 SGB VII.

8

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom LSG zugelassenen Revision. Er rügt eine Verletzung des § 90 Abs 1 SGB VII. Der Gesetzeswortlaut stelle ausdrücklich darauf ab, dass der Tarifvertrag für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters zu Grunde zu legen sei. Es sei kein gesetzlicher Anhalt dafür ersichtlich, dass an die wirtschaftliche Ausrichtung des Ausbildungsbetriebs angeknüpft werden könne. Er habe stets unwidersprochen vorgetragen, dass er im technischen und gerade nicht im kaufmännischen Bereich ausgebildet worden sei.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. März 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31. März 2009 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat im Ergebnis zutreffend das Urteil des SG aufgehoben und (sinngemäß) die gemäß § 54 Abs 4 SGG zulässige Kombination aus zulässiger Anfechtungs- und zulässiger (unechter) Leistungsklage abgewiesen. Der Kläger hat ab dem 1.7.2000 keinen Anspruch auf Feststellung eines noch höheren Werts seines Rechts auf Verletztenrente, als ihm die Beklagte in dem Bescheid vom 4.6.2004 (Widerspruchsbescheid vom 13.2.2008) nach Aufhebung des bis dahin festgestellten niedrigeren Werts insoweit unangefochten neu zuerkannt hatte. Dem Kläger stand kein Anspruch auf höhere Rente unter "Festsetzung" eines höheren JAV nach § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII zu, weil er die Ausbildung planmäßig und ohne Verzögerung beendet hatte (hierzu unter 1.). Eine analoge Anwendung des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII auf Fallgestaltungen wie die vorliegende scheidet aus, weil § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII insofern keine Lücke aufweist (vgl unter 2.).

12

Ein höherer Rentenanspruch hätte für den Kläger gemäß § 56 Abs 3 SGB VII ab dem 1.7.2000 nur bestehen können, wenn ein noch höherer JAV, der zweite Wertfaktor der Rentenhöhe neben seiner unveränderten MdE von 90 vH, rechtlich maßgeblich geworden (= "neu festzusetzen" gewesen) wäre. Obwohl der Versicherungsfall schon 1986, also vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1.1.1997, eintrat, war dies hier gemäß § 214 Abs 2 Satz 1 SGB VII nach § 90 Abs 1 SGB VII zu beurteilen. Danach wird, wenn der Versicherungsfall ua während der Schulausbildung, wie hier, eingetreten ist, falls dies für den Versicherten günstiger ist, der nach § 90 Abs 1 Satz 2 SGB VII aus Tarifvertrag, hilfsweise aus dem am Betriebsort geltenden Arbeitsentgelt zu ermittelnde neue JAV von dem Zeitpunkt an rechtlich maßgeblich, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre.

13

1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII waren nicht erfüllt. Zwar hatte der Kläger seine Berufsausbildung am 1.7.1997 begonnen. Er hatte sie aber am 15.6.2000 erfolgreich und ohne Verzögerung abgeschlossen.

14

§ 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII bestimmt, dass dann, wenn der Versicherungsfall vor Beginn der Schulausbildung oder während einer Schul- oder Berufsausbildung eintritt, der JAV, wenn es für den Versicherten günstiger ist, von dem Zeitpunkt an neu festgesetzt wird, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII gewährt einen neuen höheren JAV als den im Zeitpunkt des Versicherungsfalls maßgeblich gewordenen Ausgangs-JAV mithin nur, wenn die Ausbildung nicht oder verzögert abgeschlossen wurde. Es heißt in der Norm ausdrücklich nicht, dass der JAV von dem Zeitpunkt an neu festzusetzen ist, in dem die Ausbildung "beendet wurde oder" ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. Die Vorschrift setzt damit als Zeitpunkt für die Neufestsetzung des JAV einen fiktiven Zeitpunkt fest, nämlich den, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre.

15

Der Regelung des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII liegt wegen des hypothetisch formulierten Wortlautes ("voraussichtlich beendet worden wäre") und nicht zuletzt auch auf Grund der Überschrift der Norm ("Neufestsetzung nach voraussichtlicher Schul- oder Berufsausbildung oder Altersstufen") der typisierende Gedanke zu Grunde, dass der zuvor erlittene Versicherungsfall der Grund dafür ist, dass die Ausbildung später als vorgesehen oder überhaupt nicht abgeschlossen wurde. Für eine solche Sichtweise spricht im Übrigen auch § 90 Abs 4 SGB VII, der § 90 Abs 1 SGB VII ergänzt. Danach wird für den Fall, dass sich bei Eintritt des Versicherungsfalls vor Beginn der Berufsausbildung auch unter Berücksichtigung der weiteren Schul- oder Berufsausbildung nicht feststellen lässt, welches Ausbildungsziel die Versicherten voraussichtlich erreicht hätten, ein bestimmter näher bezeichneter Wert des JAV festgelegt. Eine solche Unmöglichkeit der Feststellung ist indes aber nur für Fälle denkbar, in denen die Berufsausbildung nicht plangemäß abgeschlossen wurde, in denen also eine fiktive Betrachtungsweise erforderlich ist.

16

Für eine strikte Begrenzung der Regelung des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII auf die Fälle der verzögerten oder nicht beendeten Ausbildung spricht auch die rechtsgeschichtliche Entwicklung der Norm. In der Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz ) vom 7.8.1996 (BGBl I 1254) heißt es, die Vorschrift enthalte eine Neuregelung über eine pauschalierte, an der Bezugsgröße orientierte Neufestsetzung des JAV für bestimmte Unfälle im Kindesalter. In der Verwaltungspraxis und in der Rechtsprechung hätten sich bei der Anwendung des § 573 RVO dann Feststellungsschwierigkeiten ergeben, wenn sich der Versicherungsfall im frühen Lebensalter ereignet habe und sich weder aus der Zeit vor dem Versicherungsfall noch aus dem weiteren Werdegang des Kindes nach dem Versicherungsfall ausreichende Anhaltspunkte über dashypothetische Ausbildungsziel (ohne den Unfall) herleiten ließen (BT-Drucks 13/2204, S 96).

17

Auch die Vorgängervorschriften des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII enthielten - in unterschiedlicher Ausprägung - jeweils hypothetische (typisierende) Elemente. Der Grundsatz, dass bei der Rentenberechnung von den Einkommensverhältnissen des Verletzten während des letzten Jahres vor dem Arbeitsunfall auszugehen ist, gilt seit dem Unfallversicherungsgesetz vom 6.7.1884 (RGBl S 69). Als Ergänzung war geregelt, dass zugunsten des Verletzten für das letzte Jahr vor dem Arbeitsunfall ein (fiktiver) Arbeitsverdienst anzunehmen ist, wenn der Verletzte vor dem Unfall noch kein volles Jahr in dem Betrieb beschäftigt war oder keinen Lohn oder weniger als das 300fache des ortsüblichen Tagelohns bezogen hatte (vgl etwa § 5 Abs 3 bis 5 des Unfallversicherungsgesetzes vom 6.7.1884, § 10 des Gewerbeunfallversicherungsgesetzes vom 5.7.1900 - RGBl S 573, 585 - und §§ 563 ff RVO vom 19.7.1911 - RGBl S 509). Ein hypothetisch-typisierendes Element enthielt dann die mit Art 11 des Dritten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 20.12.1928 (RGBl I 405) für Versicherte, die im Feuerwehrdienst oder in Betrieben zur Hilfeleistung bei Unglücksfällen beschäftigt sind, neu eingefügte Sondervorschrift des § 569b RVO, dessen Abs 3 folgenden Wortlaut hatte: "War der Verletzte zur Zeit des Unfalls noch in seiner Berufs- oder Schulausbildung begriffen, so ist für die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes ein Erwerbseinkommen zu Grunde zu legen, wie es der Verletzte nach Vollendung seiner Ausbildung gehabt haben würde".

18

Auch in dem mit Art 1 Nr 1 des Sechsten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9.3.1942 (RGBl I 107) neu eingefügten § 565 RVO wird auf einen fiktiven Gesichtspunkt abgestellt. Dessen Abs 1 lautete wie folgt: "Befand sich der Verletzte zur Zeit des Unfalls noch in einer Berufs- oder Schulausbildung, so wird von dem Zeitpunkt ab, in welchem die begonnene Ausbildung voraussichtlich abgeschlossen worden wäre, der Jahresarbeitsverdienst nach dem Entgelt berechnet, der dann für Personen gleicher Ausbildung durch Tarif oder sonst allgemein für einzelne Berufsjahre festgesetzt ist; hierbei sind Verdiensterhöhungen, die von der Erreichung eines bestimmten Lebens- oder Berufsjahres ab allgemein festgesetzt sind, die der Verletzte aber voraussichtlich erst nach Vollendung seines dreißigsten Lebensjahres erreicht hätte, nicht zu berücksichtigen."

19

Der durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz ) vom 30.4.1963 (BGBl I 241) geschaffene § 573 RVO ist die unmittelbare Vorgängerregelung des § 90 SGB VII und war in seinem Abs 1 wie folgt formuliert: "Befand sich der Verletzte zur Zeit des Arbeitsunfalls noch in einer Schul- oder Berufsausbildung, so wird, wenn es für den Versicherten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung neu berechnet". Wenngleich das hypothetische Element in dieser Vorschrift mit dem Wort "voraussichtlich" nicht mehr so deutlich in Erscheinung tritt wie in § 565 RVO, waren inhaltliche Änderungen nicht beabsichtigt. Denn in der Begründung zum Entwurf des UVNG heißt es zur Regelung des § 573 RVO(§ 574 RVO in der Entwurfsfassung, BT-Drucks IV/120, S 11, 57): "Auch für Jugendliche und in der Ausbildung befindliche Verletzte sieht bereits § 565 RVO einen Ausgleich für Mindereinnahmen vor. Diese Regelung wird in § 574 beibehalten."

20

Aus diesen Vorgängervorschriften des § 90 SGB VII(vgl zur Entwicklung seit 1884 bis zur Schaffung des § 573 RVO auch: Windelen, SGb 1970, 408) und dem der heutigen Fassung des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII jeweils ähnlichen bzw sogar gleich lautenden Wortlaut, sowie aus dem Umstand, dass sich Anhaltspunkte für eine andere Sichtweise aus allen angeführten Gesetzgebungsmaterialien nicht entnehmen lassen, folgt, dass von § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII jedenfalls nicht diejenigen Fallgestaltungen erfasst werden sollen, in denen die Ausbildung infolge des Arbeitsunfalls weder abgebrochen worden ist noch sie sich verzögert hat(vgl auch BSG, Urteil vom 7.11.2000 - B 2 U 31/99 R - Juris RdNr 20, SozR 3-2700 § 90 Nr 1; Merten in: Eichenhofer/Wenner, SGB VII, 1. Aufl 2010, § 90 RdNr 27).

21

In § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII wurde mithin nur die Voraussetzung in das Gesetz aufgenommen, dass die Ausbildung sich verzögert hatte oder ggf aus sonstigen Gründen nicht beendet wurde. Denn nur in solchen Fällen wurde durch den ursprünglichen Versicherungsfall in abstrakter, typisierender Wertung, also nicht als tatbestandliche Voraussetzung im Einzelfall, ein weiterer Schaden verursacht. Nur dieser (typisierend angenommene) zusätzliche Folgeschaden des Versicherungsfalls rechtfertigt ausnahmsweise eine Ersetzung des Ausgangs-JAV durch einen neuen (günstigeren) JAV. Für diesen ist das hypothetische Arbeitsentgelt bestimmend, das in einem Tarifvertrag oder hilfsweise am Beschäftigungsort üblicherweise in dem Zeitpunkt der voraussichtlichen (aber eben nicht eingetretenen) Beendigung der Ausbildung für Personen gleicher Ausbildung und Alters vorgesehen ist (und ohne den Ausfall oder die Verzögerung des Ausbildungsabschlusses bei Beendigung der Ausbildung typischerweise voraussichtlich erzielt worden wäre). Die Verletzten, die ihre Ausbildung rechtzeitig beenden, haben typischerweise zu diesem Zeitpunkt keinen weiteren Nachteil, weil sie entsprechend höher entlohnt werden.

22

Sachgrund für diese gesetzliche, also materiell-rechtlich direkt eintretende Änderung der abstrakten Schadensbewertung des Ausgangs-JAV ist, dass es unbillig wäre, solche jungen Verletzten trotz des weiteren Folgeschadens an diesem JAV festzuhalten. Damit durchbricht diese Ausnahmeregelung, wie alle in § 90 SGB VII geregelten Ausnahmen, materiell-rechtlich den gesetzlichen Grundsatz, dass der im Zeitpunkt des Versicherungsfalls maßgebliche Ausgangs-JAV für die gesamte Zeit, für die das Recht besteht, maßgeblich bleibt. Dieser Sachgrund der Norm spricht im Übrigen dagegen, dass die Norm aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 3 Abs 1 GG) zugunsten von Verletzten mit zeitgerechtem Ausbildungsabschluss korrigiert werden müsste (vgl hierzu im Einzelnen unten 2. c).

23

2. Das Begehren des Klägers hätte daher nur Erfolg haben können, wenn § 90 Abs 1 SGB VII analog anzuwenden gewesen wäre und dies einen noch höheren neuen JAV ergeben hätte, als von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden vom 4.6.2004/13.2.2008 zu Grunde gelegt wurde. § 90 Abs 1 SGB VII ist aber auf Verletzte, die ihre Ausbildung zeitgerecht abgeschlossen haben, nicht entsprechend anzuwenden.

24

a) Die Voraussetzungen für eine Analogie, nach der sich die Anwendung der Vorschrift des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII auch auf die Fallgestaltungen erstrecken würde, in denen die Ausbildung plangemäß abgeschlossen worden ist, sind jedoch nicht gegeben. Diese Voraussetzungen lägen nur dann vor, wenn 1. eine (anfängliche oder nachträgliche) Gesetzeslücke besteht, 2. der nicht geregelte Tatbestand dem gesetzlich festgelegten ähnlich ist und 3. beide Tatbestände wegen ihrer Ähnlichkeit gleich zu bewerten sind (vgl BSG, Urteil vom 4.5.1999 - B 4 RA 55/98 R, SozR 3-2600 § 34 Nr 1 unter Verweis auf BSG SozR 4100 § 107 Nr 4 S 4 f; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 202 ff).

25

b) Es fehlt hier bereits an der ersten Voraussetzung einer zulässigen Analogie, dem Vorliegen einer Gesetzeslücke, die durch richterliche Rechtsfortbildung geschlossen werden könnte, denn die Regelung des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII enthält keine planwidrige Unvollständigkeit. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Gesetz den Kreis derjenigen, die bei typisierender Bewertung ihrer Schutzbedürftigkeit ausnahmsweise nicht weiter der Regelberechnung des JAV unterliegen, nur unvollständig erfasst hätte (vgl zu diesem Gesichtspunkt bei der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung von beurlaubten Berufssoldaten BSG, Urteil vom 29.7.2003 - B 12 KR 15/02 R, Juris RdNr 21, SozR 4-4100 § 169 Nr 1). Vielmehr erfasst das Gesetz im Rahmen der Neufeststellungsansprüche Fallgestaltungen, für die der Gesetzgeber typisierend davon ausgeht, dass es unbillig ist, für die Gewährung der Verletztenrente das tatsächliche Arbeitseinkommen der jeweils erfassten Personenkreise bei der Ermittlung des JAV zu Grunde zu legen. Insofern liegt dem § 90 SGB VII(iVm den §§ 82 ff SGB VII) ein stimmiges Konzept zu Grunde.

26

aa) § 90 Abs 1 SGB VII entspricht - wie bereits oben zu 1. dargestellt - im Wesentlichen dem am 1.1.1997 außer Kraft getretenen § 573 Abs 1 RVO(vgl Begründung zu Art 1 § 90 des Entwurfs eines UVEG, BT-Drucks 13/2204 S 96), der seinerseits mit Wirkung vom 1.7.1963 durch Art 1 des UVNG vom 30.4.1963 (BGBl I 241) in die damals neugefasste RVO übernommen wurde und dem der in wesentlichen Teilen inhaltsgleiche § 565 RVO vorausging, der durch das Sechste Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9.3.1942 (RGBl I 107) in die RVO eingefügt worden war.

27

Nach der bereits dargestellten Zweckbestimmung des § 90 Abs 1 SGB VII sollen - ebenso wie bei den genannten Vorgängervorschriften - Personen, die schon vor oder während der Zeit der Ausbildung für einen Beruf einen Arbeitsunfall erleiden und deshalb im Jahre vor dem Unfall regelmäßig noch nicht das volle Arbeitsentgelt erzielt haben, zur Vermeidung von Härten geschützt und so gestellt werden, als hätten sie den Unfall nach der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung - bei höherem JAV - erlitten(vgl BSG, Urteil vom 7.11.2000 - B 2 U 31/99 R, Juris RdNr 17, SozR 3-2700 § 90 Nr 1 unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 4.12.1991 - 2 RU 69/90, HV-Info 1992, 598 mwN; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 90 RdNr 2, Stand: 01/2007; Merten in: Eichenhofer/Wenner, SGB VII, 1. Aufl 2010, § 90 RdNr 4). Die zum Unfall führende Tätigkeit muss bei in Ausbildung stehenden Versicherten kein Teil der Ausbildung sein. Insoweit muss also kein innerer Zusammenhang zwischen der Schul- oder Berufsausbildung und der zum Unfall führenden Verrichtung gegeben sein; vielmehr genügt der zeitliche Zusammenhang mit der Ausbildung (BSGE 38, 216, 218, 219 = SozR 2200 § 573 Nr 2; BSGE 47, 137, 140 = SozR 2200 § 573 Nr 9; BSG, Urteil vom 24.6.1981 - 2 RU 11/80 - EzS 128/79; Ricke in: Kasseler Kommentar, § 90 SGB VII RdNr 4, Stand: Dezember 2010; Keller in: Hauck/Noftz, SGB VII, K § 90 RdNr 4, Stand: März 2012).

28

Die in § 90 SGB VII normierten Neufestsetzungsansprüche regeln dabei im Einzelnen, weshalb eine notwendigerweise vorangehende Erstfeststellung der Höhe der Rente wegen eines nachträglich gemäß § 90 SGB VII erheblich gewordenen hypothetischen Umstandes, der zu einem günstigeren JAV zu einem späteren Zeitpunkt führte, nach Maßgabe des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X aufgehoben und ein höherer Rentenwert neu festgesetzt werden muss, worauf der Versicherte ggf einen Anspruch hat.

29

bb) Grundsätzlich wird durch die gesetzliche Unfallversicherung mittels der (hier umstrittenen) Verletztenrente (anteilig nach dem MdE-Grad) das durch den Versicherungsfall abstrakt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im weiteren Leben (möglicherweise) nicht mehr erzielbare Gesamteinkommen ersetzt. Deshalb wird zu dessen Schätzung im Rahmen der §§ 82 ff SGB VII grundsätzlich auf das Gesamteinkommen des letzten Kalenderjahres vor dem Versicherungsfall abgestellt, weil dies auch in der gesetzlichen Unfallversicherung zumeist eine hinreichende Beurteilungsgrundlage für das wirtschaftliche Ergebnis bildet, das der Verletzte ohne den Versicherungsfall voraussichtlich (weiterhin) erlangt hätte.

30

Dies geschieht aber schon bei der Erstfeststellung nicht schematisch, sondern mit Blick auf die Frage, ob und inwieweit die Entwicklung in diesem Jahr den wirtschaftlichen Standard wiedergibt, wie er ohne den Versicherungsfall fortbestanden hätte.

31

Im Rahmen der Regelberechnung regelt das Gesetz ab § 82 Abs 1 Satz 2 SGB VII bis § 86 sowie in § 88 SGB VII im Einzelnen Fallgruppen, in denen ua die Regelberechnung aus § 82 Abs 1 Satz 1 SGB VII keine gerechte oder billige Grundlage für die Schätzung des Entgangenen bildet. Soweit die Grundregelung und diese speziellen gesetzlichen Regelungen gleichwohl zu einem im Einzelfall erheblich unbilligen Ergebnis führen, sieht § 87 SGB VII subsidiär für die meisten von ihnen eine Einzelfall-Schätzung des JAV nach billigem Ermessen vor.

32

Schon bei der Erstfestsetzung der Rentenhöhe werden zur Schätzung des JAV ua nach § 82 Abs 2 Satz 2 und Satz 3 sowie § 82 Abs 4 SGB VII Hypothesen über den ohne den Versicherungsfall fortgesetzten oder erstmals eingetretenen Einkommensverlauf relevant. Schon hier hat das Gesetz die besondere Problematik der Regelberechnung für Berufsanfänger speziell aufgegriffen. Insbesondere § 82 Abs 2 Satz 3 SGB VII zeigt, dass die Erstschätzung des JAV vom Gesetz dann für möglicherweise "unangemessen" gehalten wird, wenn der Versicherungsfall binnen einen Jahres nach Abschluss der Berufsausbildung eintritt. Dann kann es unbillig sein, den Versicherten an einer ungünstigen Regelberechnung nach dem letzten Kalenderjahr vor dem Versicherungsfall festzuhalten, weil das keine angemessene Basis für die Schätzung ist, was er ohne den Versicherungsfall erlangt hätte.

33

cc) Gerade bei Kindern und Jugendlichen kann die Regelberechnung der Erstfeststellung allerdings grob unangemessen werden, wenn unberücksichtigt bleibt, dass ihr danach vermutlich fortgesetztes Gesamteinkommen (JAV der Erstfeststellung) unter Umständen nicht das wiedergibt, was sie im späteren Leben ohne den Versicherungsfall voraussichtlich als Einkommen zur Lebensführung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt abstrakt hätten erlangen können. Dann würde schon abstrakt nicht hinreichend beachtet, welche Einbußen der Versicherungsfall zur Folge hatte.

34

Der Gesetzgeber hat diese Problematik in § 90 Abs 1 bis § 90 Abs 6 SGB VII typisierend geregelt. Alle Absätze der Vorschrift regeln Ansprüche auf Neufestsetzung der Höhe von Versicherungsleistungen (also Aufhebung des Höchstwerts der bisherigen Wertfestsetzung des Rechts auf Leistung und Feststellung eines höheren Werts), die von einem zuvor bereits festgestellten, dh als maßgeblich zu Grunde gelegten JAV abhängen. Gemeinsame Voraussetzung ist, dass zeitlich danach ein Ereignis (in hypothetischer und typisierender Beurteilung wegen des Versicherungsfalls) nicht oder verspätet eingetreten ist, das ein höheres Gesamteinkommen/Arbeitsentgelt erbracht hätte als es bei der Erstfestsetzung des JAV zu Grunde gelegt worden ist.

35

Den einzelnen Absätzen des § 90 SGB VII liegt damit das folgende stimmige Konzept zu Grunde:

-       

§ 90 Abs 1 SGB VII regelt zunächst Folgendes: Tritt der Versicherungsfall vor oder während der Schul- oder Berufsausbildung ein und ist der Höchstwert des Rechts auf Leistung bereits wirksam festgestellt, ist dieser aufzuheben und ein höherer Wert neu festzustellen, falls der JAV für den Versicherten günstiger ist, der sich nach Maßgabe von § 90 Abs 1 Satz 2 SGB VII für den Tag ergibt, an dem der Versicherte seine Ausbildung voraussichtlich beendet hätte. Hat er sie an diesem Tag beendet, gibt es keinen Raum für eine hypothetische Prüfung. Auch ist ihm, der seine Ausbildung pünktlich abgeschlossen hat, in der für das Gesetz erlaubten typisierenden Betrachtung kein weiterer Nachteil aus dem Versicherungsfall entstanden, weil er typischerweise nicht durch den Versicherungsfall gehindert ist, ein dem Tarifentgelt des § 90 Abs 1 Satz 2 SGB VII entsprechendes Gesamteinkommen zu erzielen.

-       

Ist hingegen der Versicherungsfall vor der Berufsausbildung eingetreten und die Erstfeststellung des Höchstwerts der Versicherungsleistung wirksam festgestellt worden und vollendet der Versicherte das 21. Lebensjahr (oder später das 25. Lebensjahr) und lässt sich nicht feststellen, welches Ausbildungsziel der Versicherte ohne den Versicherungsfall voraussichtlich erreicht hätte, ist der JAV ab diesem Tag mit 75 vH der Bezugsgröße (später 100 vH) anzusetzen (§ 90 Abs 1 iVm § 90 Abs 4 SGB VII).

-       

§ 90 Abs 2 SGB VII erfasst dann die Fälle, in denen nach der Erstfeststellung bei unter dreißigjährigen Versicherten diese vor Vollendung des 30. Lebensjahres an tarifvertraglichen oder ortsüblichen Erhöhungen des Arbeitsentgelts nicht teilgenommen haben, die zur Zeit des Versicherungsfalls für Personen mit gleichartiger Tätigkeit für den späteren Fall vorgesehen waren, dass sie ein bestimmtes Berufsjahr erreicht oder ein bestimmtes Lebensjahr vollendet hatten. Ihnen ist in der gesetzlichen typisierenden Betrachtung regelmäßig wegen des Versicherungsfalls die Entgelterhöhung entgangen. Wenn diese einen günstigeren JAV brächte, besteht ein Neufeststellungsanspruch.

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Hat in den Fällen von § 90 Abs 1 oder Abs 2 SGB VII der Versicherungsfall eine Erwerbstätigkeit unmöglich gemacht, entsteht gemäß § 90 Abs 3 SGB VII, falls es günstiger ist, ein Neufeststellungsanspruch jeweils und sogar über das 30. Lebensjahr hinaus, falls zur Zeit des Versicherungsfalls tarifvertraglich oder ortsüblich spätere Entgelterhöhungen nach Lebensalter, Berufsjahren oder Ablauf von Bewährungszeiten vorgesehen sind und diese Voraussetzungen erfüllt werden.

-       

Unter Berücksichtigung des § 90 Abs 5 und des § 90 Abs 6 SGB VII sowie insbesondere auch der subsidiären Billigkeitsregelung in § 91 SGB VII mit der nochmals subsidiären Neufeststellung nach billigem Ermessen ergibt sich damit ein stimmiges Konzept, das typisierend Fallgestaltungen regelt, in denen das Gesetz typische Fälle erfasst, in denen davon ausgegangen werden kann, dass das eigentlich nach der Regelberechnung der §§ 82 ff SGB VII zu Grunde zu legende Arbeitseinkommen als unbillig erscheint. Dementsprechend ist es auch nicht gesetzesplanwidrig, dass eine Neufeststellung dann nicht beansprucht werden kann, wenn aus dem Versicherungsfall (typisch gesehen) kein durch den Versicherungsfall bedingter weiterer Einkommensnachteil eingetreten ist, der von der Regelberechnung nicht erfasst wäre.

-       

Im Übrigen wird selbst bei denjenigen, die lediglich von der Regelberechnung erfasst werden und keinen Anspruch auf Neufeststellung nach § 90 SGB VII haben, im Falle eines besonders niedrigen Erwerbseinkommens im letzten Jahr vor dem Versicherungsfall in jedem Fall entweder der Mindest-JAV des § 85 SGB VII oder - bei Kindern, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben - ein besonders gesetzlich festgelegter JAV zu Grunde gelegt (§ 86 SGB VII).

36

Wenn danach ein stimmiges Konzept für die Fallgestaltungen vorliegt, in denen es dem Gesetz unbillig erscheint, die jeweils erfassten Personenkreise an ihrem (zu niedrigen) JAV nach Maßgabe der Regelberechnung nach den §§ 82 ff SGB VII festzuhalten, liegt für die Fallgestaltungen, in denen die Ausbildung - wie hier - plangemäß abgeschlossen worden ist, keine ausfüll-bare Gesetzeslücke vor. Dementsprechend kann § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII auch nicht zu Gunsten des Klägers analog angewandt werden. Das BSG ist nicht dazu befugt, eine - wie oben ausgeführt - rechtlich vollständige, sozial- oder rechtspolitisch jedoch von einzelnen Personen oder Gruppen als defizitär empfundene Regelung fortbildend zu ergänzen und sich damit unter Verkennung seiner eigenen Bindung an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 GG) in die Rolle einer normsetzenden Instanz zu begeben (so auch BSG, Urteil vom 29.7.2003 - B 12 KR 15/02 R, Juris RdNr 22, SozR 4-4100 § 169 Nr 1 unter Hinweis auf BVerfGE 34, 269, 290; 65, 182, 194; 82, 6, 11 ff; 87, 273, 280; ferner BVerfGE 96, 375, 394 f; 113, 88, 103).

37

c) Die entgegenstehenden, damals nicht tragenden und nicht näher begründeten Ausführungen in der zu § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII ergangenen Entscheidung des Senats vom 7.11.2000 - B 2 U 31/99 R - (SozR 3-2700 § 90 Nr 1; vgl zuvor zu § 573 RVO: BSG, Urteil vom 15.6.1983 - 9b/8 RU 58/81 - SozR 2200 § 573 Nr 11) können demgemäß nicht aufrechterhalten bleiben, zumal die Voraussetzungen der Analogie dort nicht geprüft worden sind. Gleiches gilt für die eine solche Analogie befürwortenden Stimmen in der Literatur, die sich - soweit ersichtlich - nicht mit den rechtssystematischen Voraussetzungen der Analogiefähigkeit des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII auseinandersetzen und lediglich die Entscheidung des BSG vom 7.11.2000 (aaO) zustimmend zitieren (vgl etwa Ricke in Kasseler Kommentar, § 90 SGB VII, RdNr 5, Stand: Dezember 2010; Keller in: Hauck/Noftz, SGB VII, K § 90 RdNr 9a, Stand: März 2012; Burchardt in: Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, § 90 RdNr 18a, Stand: März 2007; Rütenik in: juris-PK SGB VII, 1. Aufl 2009, § 90 RdNr 42; Dahm in: Lauterbach, UV , § 90 RdNr 18, Stand: Oktober 2006; Becker in: Lehr- und Praxiskommentar, SGB VII, 3. Aufl 2011, § 90 RdNr 5; Merten in: Eichenhofer/Wenner, SGB VII, § 90 RdNr 27; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 90 SGB VII, RdNr 8.5, Stand 01/2007; Schmitt, SGB VII, 4. Aufl 2009, § 90 RdNr 7; Kater in: Kater/Leube, SGB VII, 1997, § 90 RdNr 27).

38

Die Methode der Analogie ist eine verfassungsrechtlich anerkannte Form der richterlichen Rechtsfortbildung (vgl zB BVerfGE 82, 6, 11 ff mwN). Sie ist allerdings von der dem Gesetzgeber vorbehaltenen Gesetzeskorrektur abzugrenzen. Die vom Verfassungsrecht gezogene Grenze verläuft im allgemeinen dort, wo die Gerichte ohne das Vorhandensein einer sich aus Systematik und Sinn des Gesetzes ergebenden Lücke allein unter Berufung auf allgemeine Rechtsprinzipien, die eine konkrete rechtliche Ableitung nicht zulassen, oder aus rechtspolitischen Erwägungen Neuregelungen oder Rechtsinstitute schaffen (BVerfGE 34, 269, 290; 65, 182, 194). Dem Gericht ist es grundsätzlich verwehrt, sich unter Verkennung seiner eigenen Bindung an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 GG) aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz zu begeben (BVerfGE 82, 6, 11 ff; 87, 273, 280). Demgemäß darf richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie stets nur dann eingesetzt werden, wenn das Gericht auf Grund einer Betrachtung und Wertung des einfachen Gesetzesrechts eine Gesetzeslücke feststellt (vgl BVerfG FamRZ 1995, 1052, 1054). Eine derartige Lücke ist aber nicht bereits dann gegeben, wenn eine erwünschte Ausnahmeregelung fehlt oder eine gesetzliche Regelung aus sozial- oder rechtspolitischen Erwägungen als unbefriedigend empfunden wird (vgl BVerfG NJW 1992, 1219; BVerfGE 65, 182, 194). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese - auch im Interesse der Rechtssicherheit für den einzelnen Bürger - nicht auf Grund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen, die so ggf im Parlament gar nicht erreichbar war (vgl BVerfG FamRZ 1995, 1052, 1054; BVerfGE 82, 6, 12). So spricht die Entscheidung des BSG im zum alten Recht ergangenen Urteil vom 15.6.1983 (aaO, S 35) ohne nähere Gesetzesprüfung von einem "wenig einleuchtenden Ergebnis", das zu korrigieren sei. Eine solche Betrachtungsweise entspricht aber gerade nicht den strengen Voraussetzungen für die "Lücken"schließung durch Analogie. Eine Lücke im Gesetz liegt vielmehr nur dort vor, wo es eine Regelung weder ausdrücklich noch schlüssig getroffen hat und es deshalb nach dem Konzept des Gesetzes, dem "Gesetzesplan", unvollständig und damit ergänzungsbedürftig ist. Keine Gesetzeslücke liegt also vor, wenn die Nichtregelung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände entspricht, seine richterliche Ergänzung also dem "Willen des Gesetzes" widerspricht. Es muss sich um eine dem Plan des Gesetzgebers widersprechende, also eine "planwidrige Unvollständigkeit" handeln (stRspr des BSG, vgl zB Urteil vom 25.2.2010 - B 10 LW 1/09 R - SozR 4-5868 § 13 Nr 5; Urteil des Senats vom 27.5.2008 - B 2 U 21/07 R, Juris RdNr 17, UV-Recht Aktuell 2008, 1162; Urteil vom 16.12.1997 - 4 RA 67/97 - SozR 3-2600 § 58 Nr 13 S 74 f; BSG SozR 4100 § 107 Nr 4 S 4; BSGE 63, 120, 131 = SozR 4100 § 138 Nr 17 S 92; BSGE 25, 150, 151; BSGE 43, 128, 129 = SozR 4100 § 100 Nr 1 S 1; vgl auch Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl 1983, S 39, 197 f), die hier - wie soeben im Einzelnen unter 2 b) dargestellt - gerade nicht vorliegt.

39

Insbesondere verstößt § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG. Es liegt weder eine willkürliche Regelung noch eine ungerechtfertigte Nichtbeachtung, geschweige denn eine unverhältnismäßige, von sachlichen Unterschieden zwischen beiden Personengruppen vor.

40

§ 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII soll - wie oben unter 1. ausgeführt - bei Schülern und Auszubildenden einen typisierenden zusätzlichen Folgeschaden des Versicherungsfalls ausgleichen, nämlich die Tatsache, dass eine Ausbildung nach dem Versicherungsfall lediglich mit Verzögerungen oder überhaupt nicht beendet wurde. Dieser typisierte Schadensfall liegt bei dem Kläger und der von ihm repräsentierten Fallgruppe aber gerade nicht vor, weil die Ausbildung fristgerecht beendet wurde. Solche Versicherte haben daher, in der typisierenden Betrachtung des Gesetzes, keine weiteren (hypothetischen) Nachteile wegen des Versicherungsfalls erlitten. Zwischen den beiden Gruppen - privilegierte Verletzte mit verzögertem oder ausgefallenem Ausbildungsabschluss und typisiert unterstelltem Verzögerungsschaden einerseits und nicht durch § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII privilegierte Verletzte mit fristgerechtem Ausbildungsabschluss - bestehen daher gerade sachliche Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht(vgl BVerfGE 55, 72, 88; 84, 133, 157; 84, 197, 199; 85, 238, 244; 87, 1, 36; 95, 39, 45), dass sie vielmehr eine Ungleichbehandlung beider Gruppen im Lichte des Art 3 Abs 1 GG geradezu geboten erscheinen lassen. Denn andernfalls würde bei einem erfolgreichen Ausbildungsabschluss ein (hypothetischer) "Verzögerungsschaden" ersetzt, der tatsächlich überhaupt nicht vorliegt. Dadurch käme es wohl zu einer verfassungswidrigen Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem.

41

Soweit sich der Senat in der Entscheidung vom 7.11.2000 (aaO) ergänzend auf frühere Entscheidungen des BSG zur anders formulierten Vorgängerregelung des § 573 RVO berufen hat(Urteil vom 15.6.1983 - 9b/8 RU 58/81, SozR 2200 § 573 Nr 11; sowie Urteil vom 5.8.1993 - 2 RU 24/92 - SozR 3-2200 § 573 Nr 2), kann im Übrigen dahinstehen, inwieweit § 573 RVO einer entsprechenden Analogie tatsächlich zugänglich gewesen ist. Denn erst durch das UVEG vom 7.8.1996 (BGBl I 1254) ist das soeben umrissene stimmige Konzept auch deutlich formuliert worden.

42

Da der Kläger durch die angefochtene Höchstwertfestsetzung bereits mehr erhielt, als ihm nach dem Gesetz zusteht, konnte sein Begehren auf noch höhere Rente keinen Erfolg haben.

43

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

(1) Ist der Versicherungsfall vor Vollendung des 30. Lebensjahres eingetreten, wird, wenn es für die Versicherten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst mit Vollendung des 30. Lebensjahres auf 100 Prozent der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Bezugsgröße neu festgesetzt. Wurde die Hochschul- oder Fachhochschulreife erworben, tritt an die Stelle des Wertes 100 Prozent der Wert 120 Prozent der Bezugsgröße.

(2) Der Jahresarbeitsverdienst wird mit Vollendung der in § 85 genannten weiteren Lebensjahre entsprechend dem Prozentsatz der zu diesen Zeitpunkten maßgebenden Bezugsgröße neu festgesetzt.

(3) In den Fällen des § 82 Absatz 2 Satz 2 sind die Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.

(1) Berufsbildung im Sinne dieses Gesetzes sind die Berufsausbildungsvorbereitung, die Berufsausbildung, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung.

(2) Die Berufsausbildungsvorbereitung dient dem Ziel, durch die Vermittlung von Grundlagen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit an eine Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf heranzuführen.

(3) Die Berufsausbildung hat die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Sie hat ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen.

(4) Die berufliche Fortbildung soll es ermöglichen,

1.
die berufliche Handlungsfähigkeit durch eine Anpassungsfortbildung zu erhalten und anzupassen oder
2.
die berufliche Handlungsfähigkeit durch eine Fortbildung der höherqualifizierenden Berufsbildung zu erweitern und beruflich aufzusteigen.

(5) Die berufliche Umschulung soll zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigen.

(1) Ist der Versicherungsfall vor Vollendung des 30. Lebensjahres eingetreten, wird, wenn es für die Versicherten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst mit Vollendung des 30. Lebensjahres auf 100 Prozent der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Bezugsgröße neu festgesetzt. Wurde die Hochschul- oder Fachhochschulreife erworben, tritt an die Stelle des Wertes 100 Prozent der Wert 120 Prozent der Bezugsgröße.

(2) Der Jahresarbeitsverdienst wird mit Vollendung der in § 85 genannten weiteren Lebensjahre entsprechend dem Prozentsatz der zu diesen Zeitpunkten maßgebenden Bezugsgröße neu festgesetzt.

(3) In den Fällen des § 82 Absatz 2 Satz 2 sind die Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.

(1) Dieses Gesetz gilt für die Berufsbildung, soweit sie nicht in berufsbildenden Schulen durchgeführt wird, die den Schulgesetzen der Länder unterstehen.

(2) Dieses Gesetz gilt nicht für

1.
die Berufsbildung, die in berufsqualifizierenden oder vergleichbaren Studiengängen an Hochschulen auf der Grundlage des Hochschulrahmengesetzes und der Hochschulgesetze der Länder durchgeführt wird,
2.
die Berufsbildung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis,
3.
die Berufsbildung auf Kauffahrteischiffen, die nach dem Flaggenrechtsgesetz die Bundesflagge führen, soweit es sich nicht um Schiffe der kleinen Hochseefischerei oder der Küstenfischerei handelt.

(3) Für die Berufsbildung in Berufen der Handwerksordnung gelten die §§ 4 bis 9, 27 bis 49, 53 bis 70, 76 bis 80 sowie 101 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 sowie Nummer 6 bis 10 nicht; insoweit gilt die Handwerksordnung.

(1) Die Approbation als Arzt ist auf Antrag zu erteilen, wenn der Antragsteller

1.
(weggefallen)
2.
sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt,
3.
nicht in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet ist,
4.
nach einem Studium der Medizin an einer wissenschaftlichen Hochschule von mindestens 5 500 Stunden und einer Dauer von mindestens sechs Jahren, von denen mindestens acht, höchstens zwölf Monate auf eine praktische Ausbildung in Krankenhäusern oder geeigneten Einrichtungen der ärztlichen Krankenversorgung entfallen müssen, die ärztliche Prüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes bestanden hat,
5.
über die für die Ausübung der Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt.
Eine in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum abgeschlossene ärztliche Ausbildung gilt als Ausbildung im Sinne der Nummer 4, wenn sie durch Vorlage eines Europäischen Berufsausweises, eines nach dem 20. Dezember 1976 ausgestellten, in der Anlage zu diesem Gesetz aufgeführten ärztlichen Ausbildungsnachweises eines der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines in der Anlage zu diesem Gesetz aufgeführten, nach dem 31. Dezember 1992 ausgestellten ärztlichen Ausbildungsnachweises eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nachgewiesen wird. Bei ärztlichen Ausbildungsnachweisen von nach dem 20. Dezember 1976 der Europäischen Union beigetretenen Mitgliedstaaten wird auf eine Ausbildung abgestellt, die nach dem entsprechenden Datum begonnen wurde; hierfür gilt das Datum des Beitritts oder, bei abweichender Vereinbarung, das hiernach maßgebende Datum, bei ärztlichen Ausbildungsnachweisen eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, mit dem eine besondere Vereinbarung zum Zeitpunkt der Geltung der Verpflichtungen aus den Richtlinien 75/362/EWG und 75/363/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 (ABl. EG Nr. L 167 S. 1 und S. 14) getroffen worden ist, das hiernach maßgebende Datum. Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für Ausbildungsnachweise von Vertragsstaaten, denen Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, ab dem hierfür maßgebenden Zeitpunkt. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Anlage zu diesem Gesetz späteren Änderungen von Anhang V Nummer 5.1.1 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. EU Nr. L 255 S. 22, 2007 Nr. L 271 S. 18) anzupassen. Gleichwertig den in Satz 2 genannten ärztlichen Ausbildungsnachweisen sind nach dem in Satz 2, 3 oder 4 genannten Zeitpunkt von einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder einem Vertragsstaat, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, ausgestellte ärztliche Ausbildungsnachweise, die den in der Anlage zu Satz 2 für den betreffenden Staat aufgeführten Bezeichnungen nicht entsprechen, aber mit einer Bescheinigung der zuständigen Behörde oder Stelle des Staates darüber vorgelegt werden, daß sie eine Ausbildung abschließen, die den Mindestanforderungen des Artikels 24 der Richtlinie 2005/36/EG entspricht, und daß sie den für diesen Staat in der Anlage zu Satz 2 aufgeführten Nachweisen gleichstehen. Eine Approbation wird nicht erteilt, wenn eine ärztliche Prüfung oder ein Abschnitt der ärztlichen Prüfung nach der Rechtsverordnung gemäß § 4 Abs. 1 endgültig nicht bestanden wurde. Satz 7 findet keine Anwendung, wenn der Antragsteller einen nach der Richtlinie 2005/36/EG anzuerkennenden Ausbildungsnachweis besitzt.

(1a) Die zuständigen Behörden des Landes, in dem der ärztliche Beruf ausgeübt wird oder zuletzt ausgeübt worden ist, unterrichten die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats über das Vorliegen strafrechtlicher Sanktionen, über die Rücknahme, den Widerruf und die Anordnung des Ruhens der Approbation oder Erlaubnis, über die Untersagung der Ausübung der Tätigkeit und über Tatsachen, die eine dieser Sanktionen oder Maßnahmen rechtfertigen würden; dabei sind die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten einzuhalten. Erhalten die zuständigen Behörden Auskünfte der zuständigen Behörden von Aufnahmemitgliedstaaten, die sich auf die Ausübung des ärztlichen Berufs auswirken könnten, so prüfen sie die Richtigkeit der Sachverhalte, befinden über Art und Umfang der durchzuführenden Prüfungen und unterrichten den Aufnahmemitgliedstaat über die Konsequenzen, die sie aus den übermittelten Auskünften ziehen. Die Länder benennen die Behörden und Stellen, die für die Ausstellung oder Entgegennahme der in der Richtlinie 2005/36/EG genannten Ausbildungsnachweise und sonstigen Unterlagen oder Informationen zuständig sind, sowie die Behörden und Stellen, die die Anträge annehmen und die Entscheidungen treffen können, die im Zusammenhang mit dieser Richtlinie stehen. Sie sorgen dafür, dass das Bundesministerium für Gesundheit unverzüglich unterrichtet wird. Das Bundesministerium für Gesundheit übermittelt die Informationen unverzüglich den anderen Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission. Die Länder können zur Wahrnehmung der Aufgaben nach den Sätzen 1 bis 3 gemeinsame Stellen bestimmen. Das Bundesministerium für Gesundheit übermittelt nach entsprechender Mitteilung der Länder statistische Aufstellungen über die getroffenen Entscheidungen, die die Europäische Kommission für den nach Artikel 60 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG erforderlichen Bericht benötigt.

(2) Ist die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 nicht erfüllt, so ist Antragstellern, die ihre ärztliche Ausbildung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz abgeschlossen haben und nicht unter Absatz 1 oder § 14b fallen, die Approbation zu erteilen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist. Der Ausbildungsstand ist als gleichwertig anzusehen, wenn die Ausbildung des Antragstellers keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der Ausbildung aufweist, die in diesem Gesetz und in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 geregelt ist. Wesentliche Unterschiede nach Satz 2 liegen vor, wenn

1.
die Ausbildung der Antragsteller sich hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von der deutschen Ausbildung unterscheiden, oder
2.
der Beruf des Arztes eine oder mehrere reglementierte Tätigkeiten umfasst, die in dem Staat, der den Ausbildungsnachweis ausgestellt hat, nicht Bestandteil des Berufs des Arztes sind, und sich die deutsche Ausbildung auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Ausbildungsnachweis der Antragsteller abgedeckt werden.
Fächer unterscheiden sich wesentlich, bei denen Kenntnis und Fähigkeiten eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Berufs sind und bei denen die Ausbildung der Antragsteller gegenüber der deutschen Ausbildung wesentliche Abweichungen hinsichtlich des Inhalts aufweist. Wesentliche Unterschiede können ganz oder teilweise durch Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeglichen werden, die die Antragsteller im Rahmen ihrer ärztlichen Berufspraxis in Voll- oder Teilzeit oder durch lebenslanges Lernen erworben haben, sofern die durch lebenslanges Lernen erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten von einer dafür in dem jeweiligen Staat zuständigen Stelle formell als gültig anerkannt wurden; dabei ist nicht entscheidend, in welchem Staat diese Kenntnisse und Fähigkeiten erworben worden sind. Liegen wesentliche Unterschiede nach den Sätzen 3 bis 5 vor, müssen die Antragsteller nachweisen, dass sie über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die zur Ausübung des Berufs des Arztes erforderlich sind. Dieser Nachweis ist durch eine Eignungsprüfung zu erbringen, die sich auf die festgestellten wesentlichen Unterschiede bezieht. Über die Feststellung der wesentlichen Unterschiede, die zur Auferlegung einer Eignungsprüfung führt, ist den Antragstellern spätestens vier Monate, nachdem der zuständigen Behörde alle erforderlichen Unterlagen vorliegen, ein rechtsmittelfähiger Bescheid zu erteilen. Im Fall des § 81a des Aufenthaltsgesetzes soll der Bescheid innerhalb von zwei Monaten erteilt werden. Die Sätze 2 bis 9 gelten auch für Antragsteller, die über einen Ausbildungsnachweis als Arzt verfügen, der in einem anderen als den in Satz 1 genannten Staaten (Drittstaat) ausgestellt ist und den ein anderer der in Satz 1 genannten Staaten anerkannt hat.

(3) Ist die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 nicht erfüllt, so ist Antragstellern, die über einen Ausbildungsnachweis als Arzt verfügen, der in einem anderen als den in Absatz 2 Satz 1 genannten Staaten (Drittstaat) ausgestellt ist, die Approbation zu erteilen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist. Für die Prüfung der Gleichwertigkeit gilt Absatz 2 Satz 2 bis 6 sowie 8 und 9 entsprechend. Der Nachweis der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten wird durch das Ablegen einer Prüfung erbracht, die sich auf den Inhalt der staatlichen Abschlussprüfung bezieht. Die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sind nach Satz 3 auch nachzuweisen, wenn die Prüfung des Antrags nur mit unangemessenem zeitlichen oder sachlichen Aufwand möglich ist, weil die erforderlichen Unterlagen und Nachweise aus Gründen, die nicht in der Person der Antragsteller liegen, von diesen nicht vorgelegt werden können.

(3a) Wird die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 auf eine Ausbildung gestützt, die außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeschlossen worden ist, sollen die Voraussetzungen der Gleichwertigkeit der Berufsqualifikation nach den Absätzen 2 oder 3 vor den Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, 3 und 5 geprüft werden. Auf Antrag ist dem Antragsteller ein gesonderter Bescheid über die Feststellung der Gleichwertigkeit seiner Berufsqualifikation zu erteilen.

(4) Soll die Erteilung der Approbation wegen Fehlens einer der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 abgelehnt werden, so ist der Antragsteller oder sein gesetzlicher Vertreter vorher zu hören.

(5) Ist gegen den Antragsteller wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet, so kann die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Approbation bis zur Beendigung des Verfahrens ausgesetzt werden.

(6) Wenn ein Antragsteller die Approbation auf Grund einer außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeschlossenen Ausbildung für die Ausübung des ärztlichen Berufs beantragt, sind folgende Unterlagen und Bescheinigungen vorzulegen:

1.
ein Identitätsnachweis,
1a.
eine tabellarische Aufstellung der absolvierten Ausbildungsgänge und der ausgeübten Erwerbstätigkeiten,
2.
eine amtlich beglaubigte Kopie der Befähigungsnachweise oder des Ausbildungsnachweises, der zur Aufnahme des entsprechenden Berufs berechtigt sowie gegebenenfalls eine Bescheinigung über die von der betreffenden Person erworbene Berufserfahrung,
2a.
im Fall von Absatz 3 eine Bescheinigung über die Berechtigung zur Berufsausübung im Herkunftsstaat und Unterlagen, die geeignet sind darzulegen, im Inland den ärztlichen Beruf ausüben zu wollen,
3.
die Unterlagen, die von den zuständigen Behörden des Herkunftsstaats ausgestellt wurden und belegen, dass die Erfordernisse nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 erfüllt werden oder, wenn im Herkunftsstaat die vorgenannten Unterlagen nicht ausgestellt werden, eine eidesstattliche Erklärung oder – in den Staaten, in denen es keine eidesstattliche Erklärung gibt – eine feierliche Erklärung, die die betreffende Person vor einer zuständigen Justiz- oder Verwaltungsbehörde oder gegebenenfalls vor einem Notar oder einer entsprechend bevollmächtigten Berufsorganisation des Herkunftsstaats, der eine diese eidesstattliche oder feierliche Erklärung bestätigende Bescheinigung ausstellt, abgegeben hat,
4.
der Nachweis nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3, wobei ein entsprechender Nachweis, der im Herkunftsmitgliedstaat gefordert wird, anerkannt wird oder, wenn im Herkunftsmitgliedstaat kein derartiger Nachweis verlangt wird, eine von einer zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellte Bescheinigung,
5.
eine Bescheinigung der zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats, aus der hervorgeht, dass die Nachweise über die geforderten Ausbildungsvoraussetzungen den in der Richtlinie verlangten Nachweisen entsprechen,
6.
in Fällen des Absatzes 2 oder 3 zusätzliche Nachweise, um feststellen zu können, ob die Ausbildung wesentliche Unterschiede gegenüber der Ausbildung aufweist, die in diesem Gesetz und in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 geregelt ist,
7.
für den Fall, dass sich Ausbildungsnachweise nach Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 2005/36/EG, die von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines Vertragsstaates, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, ausgestellt wurden, auf eine Ausbildung beziehen, die ganz oder teilweise in einer rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen der oben genannten Staaten niedergelassenen Einrichtung absolviert wurde, Unterlagen darüber,
a)
ob der Ausbildungsgang in der betreffenden Einrichtung von der Ausbildungseinrichtung des Ausstellungsmitgliedstaats offiziell bescheinigt worden ist,
b)
ob der ausgestellte Ausbildungsnachweis dem entspricht, der verliehen worden wäre, wenn der Ausbildungsgang vollständig im Ausstellungsmitgliedstaat absolviert worden wäre, und
c)
ob mit dem Ausbildungsnachweis im Hoheitsgebiet des Ausstellungsmitgliedstaats dieselben beruflichen Rechte verliehen werden.
Die Nachweise nach Satz 1 Nr. 3 und 4 dürfen bei ihrer Vorlage nicht älter als drei Monate sein. Haben die zuständigen Behörden berechtigte Zweifel an der Authentizität der in dem jeweiligen Herkunftsmitgliedstaat ausgestellten Bescheinigungen und Ausbildungsnachweise, können sie von den zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats eine Bestätigung der Authentizität dieser Bescheinigungen und Nachweise sowie eine Bestätigung darüber verlangen, dass der Antragsteller die Mindestanforderungen der Ausbildung erfüllt, die in Artikel 24 der Richtlinie 2005/36/EG verlangt werden.
Haben die zuständigen Behörden berechtigte Zweifel an der Berechtigung des Antragstellers zur Ausübung des ärztlichen Berufs, können sie von den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates eine Bestätigung verlangen, aus der sich ergibt, dass dem Antragsteller die Ausübung des ärztlichen Berufs nicht aufgrund eines schwerwiegenden standeswidrigen Verhaltens oder einer Verurteilung wegen strafbarer Handlungen dauerhaft oder vorübergehend untersagt worden ist.

(7) Das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz findet mit Ausnahme des § 17 keine Anwendung.

(8) Die Bundesregierung überprüft die Regelungen zu den Anerkennungsverfahren nach diesem Gesetz und berichtet nach Ablauf von drei Jahren dem Deutschen Bundestag.

(1) Ist der Versicherungsfall vor Vollendung des 30. Lebensjahres eingetreten, wird, wenn es für die Versicherten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst mit Vollendung des 30. Lebensjahres auf 100 Prozent der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Bezugsgröße neu festgesetzt. Wurde die Hochschul- oder Fachhochschulreife erworben, tritt an die Stelle des Wertes 100 Prozent der Wert 120 Prozent der Bezugsgröße.

(2) Der Jahresarbeitsverdienst wird mit Vollendung der in § 85 genannten weiteren Lebensjahre entsprechend dem Prozentsatz der zu diesen Zeitpunkten maßgebenden Bezugsgröße neu festgesetzt.

(3) In den Fällen des § 82 Absatz 2 Satz 2 sind die Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Versicherte, die Anspruch auf eine Rente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 vom Hundert oder mehr haben, können auf ihren Antrag durch einen Geldbetrag abgefunden werden. Das gleiche gilt für Versicherte, die Anspruch auf mehrere Renten haben, deren Vomhundertsätze zusammen die Zahl 40 erreichen oder übersteigen.

(2) Eine Abfindung kann nur bewilligt werden, wenn

1.
die Versicherten das 18. Lebensjahr vollendet haben und
2.
nicht zu erwarten ist, daß innerhalb des Abfindungszeitraumes die Minderung der Erwerbsfähigkeit wesentlich sinkt.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Auf Ansprüche auf Sozialleistungen kann durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden; der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.

(2) Der Verzicht ist unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Ist der Versicherungsfall vor Vollendung des 30. Lebensjahres eingetreten, wird, wenn es für die Versicherten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst mit Vollendung des 30. Lebensjahres auf 100 Prozent der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Bezugsgröße neu festgesetzt. Wurde die Hochschul- oder Fachhochschulreife erworben, tritt an die Stelle des Wertes 100 Prozent der Wert 120 Prozent der Bezugsgröße.

(2) Der Jahresarbeitsverdienst wird mit Vollendung der in § 85 genannten weiteren Lebensjahre entsprechend dem Prozentsatz der zu diesen Zeitpunkten maßgebenden Bezugsgröße neu festgesetzt.

(3) In den Fällen des § 82 Absatz 2 Satz 2 sind die Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. März 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt höhere Verletztenrente auf Grund eines höheren zu berücksichtigenden Jahresarbeitsverdienstes (JAV).

2

Der 1978 geborene Kläger wurde im Jahre 1986 auf dem Heimweg von der Schule von einem Lkw angefahren und zog sich erhebliche Verletzungen zu. Der Rechtsvorgänger der Beklagten (der Rheinische GUV) erkannte den Unfall in einem Bescheid vom 22.7.1988 als Arbeitsunfall an und stellte in dem Bescheid vom 31.1.1994 sein Recht auf Verletztenrente nach einer MdE von 90 vH fest. Dessen Jahreswert ergab sich aus dem Produkt aus dieser MdE und dem JAV. Als JAV wurden der Rentenberechnung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Klägers 40 vH und danach 60 vH (Bescheid vom 12.7.1996) der im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls maßgebenden Bezugsgröße zu Grunde gelegt.

3

Am 1.7.1997 begann der damals 19jährige Kläger bei der J. GmbH eine Ausbildung zum Fachinformatiker - Fachrichtung Anwendungsentwicklung, die er am 15.6.2000 erfolgreich abschloss. Nach dem Ende der Ausbildung schied er aus dem Unternehmen aus und nahm ein Informatikstudium auf.

4

In dem Bescheid vom 4.6.2004 stellte der Rheinische GUV fest, dem Kläger stehe ab 1.7.2000 höhere Verletztenrente zu. Dies ergebe sich aus einem höheren JAV, der gemäß § 90 Abs 1 SGB VII ab dem 16.6.2000, dem Tag nach Beendigung seiner Ausbildung, auf 21 381,09 EUR festgesetzt werde. Zur Begründung wird ausgeführt, die Neuberechnung des JAV erfolge auf Grundlage des Verdienstes eines Datenverarbeitungskaufmanns - Fachrichtung Fachinformatiker. Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, die zur Ermittlung des JAV zu Grunde gelegte Berufsbezeichnung entspreche nicht dem von ihm erreichten Abschluss als "Fachinformatiker - Anwendungsentwicklung". Mit Widerspruchsbescheid vom 13.2.2008 wies die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des Rheinischen GUV den Widerspruch des Klägers zurück.

5

Mit der Klage zum SG hat der Kläger weiterhin vorgetragen, er habe keine Ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann im Einzelhandel, sondern eine Ausbildung zum Fachinformatiker mit der Fachrichtung Anwendungsentwicklung absolviert, weshalb von dem ortsüblichen Entgelt eines Fachinformatikers auf dem Gebiet der Anwendungsentwicklung auszugehen sei. Angesichts der mit der Note "gut" abgeschlossenen Ausbildung sei ein JAV von mindestens 30 000,00 EUR angemessen.

6

Mit Urteil vom 31.3.2009 hat das SG die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Berechnung der Verletztenrente des Klägers einen anderen JAV unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu Grunde zu legen und ihm hierüber einen neuen Bescheid zu erteilen. Nach § 90 Abs 1 SGB VII sei ein anderer JAV zu Grunde zu legen, weil dieser an dem Entgelt in dem durch die Ausbildung angestrebten Beruf auszurichten sei.

7

Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten am 31.3.2011 das Urteil des SG "geändert" und die Klage abgewiesen. Der JAV sei hier ab dem Tag nach dem Ende der Ausbildung des Klägers und damit ab 16.6.2000 neu festzusetzen gewesen. Es sei nach § 90 Abs 1 Satz 2 SGB VII der Tarifvertrag des Ausbildungsbetriebs zu Grunde zu legen. Habe - wie hier - ein zum Ausbildungsziel führendes Ausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz zwischen dem Versicherten und einem Ausbildungsbetrieb bestanden, sei der für dieses Unternehmen seiner Art nach am Stichtag, dh dem Tag nach dem Ende der Ausbildung, geltende Tarifvertrag maßgeblich. Denn maßgebend sei nicht der berufsspezifische, sondern der branchenspezifische Tarifvertrag, der für das Unternehmen generell in Betracht komme. Hierauf sei auch dann abzustellen, wenn der Versicherte nach dem Ausbildungsende aus dem Unternehmen ausscheide, um ein Studium aufzunehmen. Dabei komme es auch nicht darauf an, ob der Versicherte im Ausbildungsunternehmen eine seiner Ausbildung entsprechende Tätigkeit hätte aufnehmen können. Für die ausnahmslose Anknüpfung an den für das Ausbildungsunternehmen seiner Art nach geltenden Tarifvertrag spreche insbesondere der Sinn und Zweck des § 90 SGB VII.

8

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom LSG zugelassenen Revision. Er rügt eine Verletzung des § 90 Abs 1 SGB VII. Der Gesetzeswortlaut stelle ausdrücklich darauf ab, dass der Tarifvertrag für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters zu Grunde zu legen sei. Es sei kein gesetzlicher Anhalt dafür ersichtlich, dass an die wirtschaftliche Ausrichtung des Ausbildungsbetriebs angeknüpft werden könne. Er habe stets unwidersprochen vorgetragen, dass er im technischen und gerade nicht im kaufmännischen Bereich ausgebildet worden sei.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. März 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31. März 2009 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat im Ergebnis zutreffend das Urteil des SG aufgehoben und (sinngemäß) die gemäß § 54 Abs 4 SGG zulässige Kombination aus zulässiger Anfechtungs- und zulässiger (unechter) Leistungsklage abgewiesen. Der Kläger hat ab dem 1.7.2000 keinen Anspruch auf Feststellung eines noch höheren Werts seines Rechts auf Verletztenrente, als ihm die Beklagte in dem Bescheid vom 4.6.2004 (Widerspruchsbescheid vom 13.2.2008) nach Aufhebung des bis dahin festgestellten niedrigeren Werts insoweit unangefochten neu zuerkannt hatte. Dem Kläger stand kein Anspruch auf höhere Rente unter "Festsetzung" eines höheren JAV nach § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII zu, weil er die Ausbildung planmäßig und ohne Verzögerung beendet hatte (hierzu unter 1.). Eine analoge Anwendung des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII auf Fallgestaltungen wie die vorliegende scheidet aus, weil § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII insofern keine Lücke aufweist (vgl unter 2.).

12

Ein höherer Rentenanspruch hätte für den Kläger gemäß § 56 Abs 3 SGB VII ab dem 1.7.2000 nur bestehen können, wenn ein noch höherer JAV, der zweite Wertfaktor der Rentenhöhe neben seiner unveränderten MdE von 90 vH, rechtlich maßgeblich geworden (= "neu festzusetzen" gewesen) wäre. Obwohl der Versicherungsfall schon 1986, also vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1.1.1997, eintrat, war dies hier gemäß § 214 Abs 2 Satz 1 SGB VII nach § 90 Abs 1 SGB VII zu beurteilen. Danach wird, wenn der Versicherungsfall ua während der Schulausbildung, wie hier, eingetreten ist, falls dies für den Versicherten günstiger ist, der nach § 90 Abs 1 Satz 2 SGB VII aus Tarifvertrag, hilfsweise aus dem am Betriebsort geltenden Arbeitsentgelt zu ermittelnde neue JAV von dem Zeitpunkt an rechtlich maßgeblich, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre.

13

1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII waren nicht erfüllt. Zwar hatte der Kläger seine Berufsausbildung am 1.7.1997 begonnen. Er hatte sie aber am 15.6.2000 erfolgreich und ohne Verzögerung abgeschlossen.

14

§ 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII bestimmt, dass dann, wenn der Versicherungsfall vor Beginn der Schulausbildung oder während einer Schul- oder Berufsausbildung eintritt, der JAV, wenn es für den Versicherten günstiger ist, von dem Zeitpunkt an neu festgesetzt wird, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII gewährt einen neuen höheren JAV als den im Zeitpunkt des Versicherungsfalls maßgeblich gewordenen Ausgangs-JAV mithin nur, wenn die Ausbildung nicht oder verzögert abgeschlossen wurde. Es heißt in der Norm ausdrücklich nicht, dass der JAV von dem Zeitpunkt an neu festzusetzen ist, in dem die Ausbildung "beendet wurde oder" ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. Die Vorschrift setzt damit als Zeitpunkt für die Neufestsetzung des JAV einen fiktiven Zeitpunkt fest, nämlich den, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre.

15

Der Regelung des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII liegt wegen des hypothetisch formulierten Wortlautes ("voraussichtlich beendet worden wäre") und nicht zuletzt auch auf Grund der Überschrift der Norm ("Neufestsetzung nach voraussichtlicher Schul- oder Berufsausbildung oder Altersstufen") der typisierende Gedanke zu Grunde, dass der zuvor erlittene Versicherungsfall der Grund dafür ist, dass die Ausbildung später als vorgesehen oder überhaupt nicht abgeschlossen wurde. Für eine solche Sichtweise spricht im Übrigen auch § 90 Abs 4 SGB VII, der § 90 Abs 1 SGB VII ergänzt. Danach wird für den Fall, dass sich bei Eintritt des Versicherungsfalls vor Beginn der Berufsausbildung auch unter Berücksichtigung der weiteren Schul- oder Berufsausbildung nicht feststellen lässt, welches Ausbildungsziel die Versicherten voraussichtlich erreicht hätten, ein bestimmter näher bezeichneter Wert des JAV festgelegt. Eine solche Unmöglichkeit der Feststellung ist indes aber nur für Fälle denkbar, in denen die Berufsausbildung nicht plangemäß abgeschlossen wurde, in denen also eine fiktive Betrachtungsweise erforderlich ist.

16

Für eine strikte Begrenzung der Regelung des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII auf die Fälle der verzögerten oder nicht beendeten Ausbildung spricht auch die rechtsgeschichtliche Entwicklung der Norm. In der Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz ) vom 7.8.1996 (BGBl I 1254) heißt es, die Vorschrift enthalte eine Neuregelung über eine pauschalierte, an der Bezugsgröße orientierte Neufestsetzung des JAV für bestimmte Unfälle im Kindesalter. In der Verwaltungspraxis und in der Rechtsprechung hätten sich bei der Anwendung des § 573 RVO dann Feststellungsschwierigkeiten ergeben, wenn sich der Versicherungsfall im frühen Lebensalter ereignet habe und sich weder aus der Zeit vor dem Versicherungsfall noch aus dem weiteren Werdegang des Kindes nach dem Versicherungsfall ausreichende Anhaltspunkte über dashypothetische Ausbildungsziel (ohne den Unfall) herleiten ließen (BT-Drucks 13/2204, S 96).

17

Auch die Vorgängervorschriften des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII enthielten - in unterschiedlicher Ausprägung - jeweils hypothetische (typisierende) Elemente. Der Grundsatz, dass bei der Rentenberechnung von den Einkommensverhältnissen des Verletzten während des letzten Jahres vor dem Arbeitsunfall auszugehen ist, gilt seit dem Unfallversicherungsgesetz vom 6.7.1884 (RGBl S 69). Als Ergänzung war geregelt, dass zugunsten des Verletzten für das letzte Jahr vor dem Arbeitsunfall ein (fiktiver) Arbeitsverdienst anzunehmen ist, wenn der Verletzte vor dem Unfall noch kein volles Jahr in dem Betrieb beschäftigt war oder keinen Lohn oder weniger als das 300fache des ortsüblichen Tagelohns bezogen hatte (vgl etwa § 5 Abs 3 bis 5 des Unfallversicherungsgesetzes vom 6.7.1884, § 10 des Gewerbeunfallversicherungsgesetzes vom 5.7.1900 - RGBl S 573, 585 - und §§ 563 ff RVO vom 19.7.1911 - RGBl S 509). Ein hypothetisch-typisierendes Element enthielt dann die mit Art 11 des Dritten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 20.12.1928 (RGBl I 405) für Versicherte, die im Feuerwehrdienst oder in Betrieben zur Hilfeleistung bei Unglücksfällen beschäftigt sind, neu eingefügte Sondervorschrift des § 569b RVO, dessen Abs 3 folgenden Wortlaut hatte: "War der Verletzte zur Zeit des Unfalls noch in seiner Berufs- oder Schulausbildung begriffen, so ist für die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes ein Erwerbseinkommen zu Grunde zu legen, wie es der Verletzte nach Vollendung seiner Ausbildung gehabt haben würde".

18

Auch in dem mit Art 1 Nr 1 des Sechsten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9.3.1942 (RGBl I 107) neu eingefügten § 565 RVO wird auf einen fiktiven Gesichtspunkt abgestellt. Dessen Abs 1 lautete wie folgt: "Befand sich der Verletzte zur Zeit des Unfalls noch in einer Berufs- oder Schulausbildung, so wird von dem Zeitpunkt ab, in welchem die begonnene Ausbildung voraussichtlich abgeschlossen worden wäre, der Jahresarbeitsverdienst nach dem Entgelt berechnet, der dann für Personen gleicher Ausbildung durch Tarif oder sonst allgemein für einzelne Berufsjahre festgesetzt ist; hierbei sind Verdiensterhöhungen, die von der Erreichung eines bestimmten Lebens- oder Berufsjahres ab allgemein festgesetzt sind, die der Verletzte aber voraussichtlich erst nach Vollendung seines dreißigsten Lebensjahres erreicht hätte, nicht zu berücksichtigen."

19

Der durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz ) vom 30.4.1963 (BGBl I 241) geschaffene § 573 RVO ist die unmittelbare Vorgängerregelung des § 90 SGB VII und war in seinem Abs 1 wie folgt formuliert: "Befand sich der Verletzte zur Zeit des Arbeitsunfalls noch in einer Schul- oder Berufsausbildung, so wird, wenn es für den Versicherten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung neu berechnet". Wenngleich das hypothetische Element in dieser Vorschrift mit dem Wort "voraussichtlich" nicht mehr so deutlich in Erscheinung tritt wie in § 565 RVO, waren inhaltliche Änderungen nicht beabsichtigt. Denn in der Begründung zum Entwurf des UVNG heißt es zur Regelung des § 573 RVO(§ 574 RVO in der Entwurfsfassung, BT-Drucks IV/120, S 11, 57): "Auch für Jugendliche und in der Ausbildung befindliche Verletzte sieht bereits § 565 RVO einen Ausgleich für Mindereinnahmen vor. Diese Regelung wird in § 574 beibehalten."

20

Aus diesen Vorgängervorschriften des § 90 SGB VII(vgl zur Entwicklung seit 1884 bis zur Schaffung des § 573 RVO auch: Windelen, SGb 1970, 408) und dem der heutigen Fassung des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII jeweils ähnlichen bzw sogar gleich lautenden Wortlaut, sowie aus dem Umstand, dass sich Anhaltspunkte für eine andere Sichtweise aus allen angeführten Gesetzgebungsmaterialien nicht entnehmen lassen, folgt, dass von § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII jedenfalls nicht diejenigen Fallgestaltungen erfasst werden sollen, in denen die Ausbildung infolge des Arbeitsunfalls weder abgebrochen worden ist noch sie sich verzögert hat(vgl auch BSG, Urteil vom 7.11.2000 - B 2 U 31/99 R - Juris RdNr 20, SozR 3-2700 § 90 Nr 1; Merten in: Eichenhofer/Wenner, SGB VII, 1. Aufl 2010, § 90 RdNr 27).

21

In § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII wurde mithin nur die Voraussetzung in das Gesetz aufgenommen, dass die Ausbildung sich verzögert hatte oder ggf aus sonstigen Gründen nicht beendet wurde. Denn nur in solchen Fällen wurde durch den ursprünglichen Versicherungsfall in abstrakter, typisierender Wertung, also nicht als tatbestandliche Voraussetzung im Einzelfall, ein weiterer Schaden verursacht. Nur dieser (typisierend angenommene) zusätzliche Folgeschaden des Versicherungsfalls rechtfertigt ausnahmsweise eine Ersetzung des Ausgangs-JAV durch einen neuen (günstigeren) JAV. Für diesen ist das hypothetische Arbeitsentgelt bestimmend, das in einem Tarifvertrag oder hilfsweise am Beschäftigungsort üblicherweise in dem Zeitpunkt der voraussichtlichen (aber eben nicht eingetretenen) Beendigung der Ausbildung für Personen gleicher Ausbildung und Alters vorgesehen ist (und ohne den Ausfall oder die Verzögerung des Ausbildungsabschlusses bei Beendigung der Ausbildung typischerweise voraussichtlich erzielt worden wäre). Die Verletzten, die ihre Ausbildung rechtzeitig beenden, haben typischerweise zu diesem Zeitpunkt keinen weiteren Nachteil, weil sie entsprechend höher entlohnt werden.

22

Sachgrund für diese gesetzliche, also materiell-rechtlich direkt eintretende Änderung der abstrakten Schadensbewertung des Ausgangs-JAV ist, dass es unbillig wäre, solche jungen Verletzten trotz des weiteren Folgeschadens an diesem JAV festzuhalten. Damit durchbricht diese Ausnahmeregelung, wie alle in § 90 SGB VII geregelten Ausnahmen, materiell-rechtlich den gesetzlichen Grundsatz, dass der im Zeitpunkt des Versicherungsfalls maßgebliche Ausgangs-JAV für die gesamte Zeit, für die das Recht besteht, maßgeblich bleibt. Dieser Sachgrund der Norm spricht im Übrigen dagegen, dass die Norm aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 3 Abs 1 GG) zugunsten von Verletzten mit zeitgerechtem Ausbildungsabschluss korrigiert werden müsste (vgl hierzu im Einzelnen unten 2. c).

23

2. Das Begehren des Klägers hätte daher nur Erfolg haben können, wenn § 90 Abs 1 SGB VII analog anzuwenden gewesen wäre und dies einen noch höheren neuen JAV ergeben hätte, als von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden vom 4.6.2004/13.2.2008 zu Grunde gelegt wurde. § 90 Abs 1 SGB VII ist aber auf Verletzte, die ihre Ausbildung zeitgerecht abgeschlossen haben, nicht entsprechend anzuwenden.

24

a) Die Voraussetzungen für eine Analogie, nach der sich die Anwendung der Vorschrift des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII auch auf die Fallgestaltungen erstrecken würde, in denen die Ausbildung plangemäß abgeschlossen worden ist, sind jedoch nicht gegeben. Diese Voraussetzungen lägen nur dann vor, wenn 1. eine (anfängliche oder nachträgliche) Gesetzeslücke besteht, 2. der nicht geregelte Tatbestand dem gesetzlich festgelegten ähnlich ist und 3. beide Tatbestände wegen ihrer Ähnlichkeit gleich zu bewerten sind (vgl BSG, Urteil vom 4.5.1999 - B 4 RA 55/98 R, SozR 3-2600 § 34 Nr 1 unter Verweis auf BSG SozR 4100 § 107 Nr 4 S 4 f; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 202 ff).

25

b) Es fehlt hier bereits an der ersten Voraussetzung einer zulässigen Analogie, dem Vorliegen einer Gesetzeslücke, die durch richterliche Rechtsfortbildung geschlossen werden könnte, denn die Regelung des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII enthält keine planwidrige Unvollständigkeit. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Gesetz den Kreis derjenigen, die bei typisierender Bewertung ihrer Schutzbedürftigkeit ausnahmsweise nicht weiter der Regelberechnung des JAV unterliegen, nur unvollständig erfasst hätte (vgl zu diesem Gesichtspunkt bei der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung von beurlaubten Berufssoldaten BSG, Urteil vom 29.7.2003 - B 12 KR 15/02 R, Juris RdNr 21, SozR 4-4100 § 169 Nr 1). Vielmehr erfasst das Gesetz im Rahmen der Neufeststellungsansprüche Fallgestaltungen, für die der Gesetzgeber typisierend davon ausgeht, dass es unbillig ist, für die Gewährung der Verletztenrente das tatsächliche Arbeitseinkommen der jeweils erfassten Personenkreise bei der Ermittlung des JAV zu Grunde zu legen. Insofern liegt dem § 90 SGB VII(iVm den §§ 82 ff SGB VII) ein stimmiges Konzept zu Grunde.

26

aa) § 90 Abs 1 SGB VII entspricht - wie bereits oben zu 1. dargestellt - im Wesentlichen dem am 1.1.1997 außer Kraft getretenen § 573 Abs 1 RVO(vgl Begründung zu Art 1 § 90 des Entwurfs eines UVEG, BT-Drucks 13/2204 S 96), der seinerseits mit Wirkung vom 1.7.1963 durch Art 1 des UVNG vom 30.4.1963 (BGBl I 241) in die damals neugefasste RVO übernommen wurde und dem der in wesentlichen Teilen inhaltsgleiche § 565 RVO vorausging, der durch das Sechste Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9.3.1942 (RGBl I 107) in die RVO eingefügt worden war.

27

Nach der bereits dargestellten Zweckbestimmung des § 90 Abs 1 SGB VII sollen - ebenso wie bei den genannten Vorgängervorschriften - Personen, die schon vor oder während der Zeit der Ausbildung für einen Beruf einen Arbeitsunfall erleiden und deshalb im Jahre vor dem Unfall regelmäßig noch nicht das volle Arbeitsentgelt erzielt haben, zur Vermeidung von Härten geschützt und so gestellt werden, als hätten sie den Unfall nach der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung - bei höherem JAV - erlitten(vgl BSG, Urteil vom 7.11.2000 - B 2 U 31/99 R, Juris RdNr 17, SozR 3-2700 § 90 Nr 1 unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 4.12.1991 - 2 RU 69/90, HV-Info 1992, 598 mwN; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 90 RdNr 2, Stand: 01/2007; Merten in: Eichenhofer/Wenner, SGB VII, 1. Aufl 2010, § 90 RdNr 4). Die zum Unfall führende Tätigkeit muss bei in Ausbildung stehenden Versicherten kein Teil der Ausbildung sein. Insoweit muss also kein innerer Zusammenhang zwischen der Schul- oder Berufsausbildung und der zum Unfall führenden Verrichtung gegeben sein; vielmehr genügt der zeitliche Zusammenhang mit der Ausbildung (BSGE 38, 216, 218, 219 = SozR 2200 § 573 Nr 2; BSGE 47, 137, 140 = SozR 2200 § 573 Nr 9; BSG, Urteil vom 24.6.1981 - 2 RU 11/80 - EzS 128/79; Ricke in: Kasseler Kommentar, § 90 SGB VII RdNr 4, Stand: Dezember 2010; Keller in: Hauck/Noftz, SGB VII, K § 90 RdNr 4, Stand: März 2012).

28

Die in § 90 SGB VII normierten Neufestsetzungsansprüche regeln dabei im Einzelnen, weshalb eine notwendigerweise vorangehende Erstfeststellung der Höhe der Rente wegen eines nachträglich gemäß § 90 SGB VII erheblich gewordenen hypothetischen Umstandes, der zu einem günstigeren JAV zu einem späteren Zeitpunkt führte, nach Maßgabe des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X aufgehoben und ein höherer Rentenwert neu festgesetzt werden muss, worauf der Versicherte ggf einen Anspruch hat.

29

bb) Grundsätzlich wird durch die gesetzliche Unfallversicherung mittels der (hier umstrittenen) Verletztenrente (anteilig nach dem MdE-Grad) das durch den Versicherungsfall abstrakt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im weiteren Leben (möglicherweise) nicht mehr erzielbare Gesamteinkommen ersetzt. Deshalb wird zu dessen Schätzung im Rahmen der §§ 82 ff SGB VII grundsätzlich auf das Gesamteinkommen des letzten Kalenderjahres vor dem Versicherungsfall abgestellt, weil dies auch in der gesetzlichen Unfallversicherung zumeist eine hinreichende Beurteilungsgrundlage für das wirtschaftliche Ergebnis bildet, das der Verletzte ohne den Versicherungsfall voraussichtlich (weiterhin) erlangt hätte.

30

Dies geschieht aber schon bei der Erstfeststellung nicht schematisch, sondern mit Blick auf die Frage, ob und inwieweit die Entwicklung in diesem Jahr den wirtschaftlichen Standard wiedergibt, wie er ohne den Versicherungsfall fortbestanden hätte.

31

Im Rahmen der Regelberechnung regelt das Gesetz ab § 82 Abs 1 Satz 2 SGB VII bis § 86 sowie in § 88 SGB VII im Einzelnen Fallgruppen, in denen ua die Regelberechnung aus § 82 Abs 1 Satz 1 SGB VII keine gerechte oder billige Grundlage für die Schätzung des Entgangenen bildet. Soweit die Grundregelung und diese speziellen gesetzlichen Regelungen gleichwohl zu einem im Einzelfall erheblich unbilligen Ergebnis führen, sieht § 87 SGB VII subsidiär für die meisten von ihnen eine Einzelfall-Schätzung des JAV nach billigem Ermessen vor.

32

Schon bei der Erstfestsetzung der Rentenhöhe werden zur Schätzung des JAV ua nach § 82 Abs 2 Satz 2 und Satz 3 sowie § 82 Abs 4 SGB VII Hypothesen über den ohne den Versicherungsfall fortgesetzten oder erstmals eingetretenen Einkommensverlauf relevant. Schon hier hat das Gesetz die besondere Problematik der Regelberechnung für Berufsanfänger speziell aufgegriffen. Insbesondere § 82 Abs 2 Satz 3 SGB VII zeigt, dass die Erstschätzung des JAV vom Gesetz dann für möglicherweise "unangemessen" gehalten wird, wenn der Versicherungsfall binnen einen Jahres nach Abschluss der Berufsausbildung eintritt. Dann kann es unbillig sein, den Versicherten an einer ungünstigen Regelberechnung nach dem letzten Kalenderjahr vor dem Versicherungsfall festzuhalten, weil das keine angemessene Basis für die Schätzung ist, was er ohne den Versicherungsfall erlangt hätte.

33

cc) Gerade bei Kindern und Jugendlichen kann die Regelberechnung der Erstfeststellung allerdings grob unangemessen werden, wenn unberücksichtigt bleibt, dass ihr danach vermutlich fortgesetztes Gesamteinkommen (JAV der Erstfeststellung) unter Umständen nicht das wiedergibt, was sie im späteren Leben ohne den Versicherungsfall voraussichtlich als Einkommen zur Lebensführung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt abstrakt hätten erlangen können. Dann würde schon abstrakt nicht hinreichend beachtet, welche Einbußen der Versicherungsfall zur Folge hatte.

34

Der Gesetzgeber hat diese Problematik in § 90 Abs 1 bis § 90 Abs 6 SGB VII typisierend geregelt. Alle Absätze der Vorschrift regeln Ansprüche auf Neufestsetzung der Höhe von Versicherungsleistungen (also Aufhebung des Höchstwerts der bisherigen Wertfestsetzung des Rechts auf Leistung und Feststellung eines höheren Werts), die von einem zuvor bereits festgestellten, dh als maßgeblich zu Grunde gelegten JAV abhängen. Gemeinsame Voraussetzung ist, dass zeitlich danach ein Ereignis (in hypothetischer und typisierender Beurteilung wegen des Versicherungsfalls) nicht oder verspätet eingetreten ist, das ein höheres Gesamteinkommen/Arbeitsentgelt erbracht hätte als es bei der Erstfestsetzung des JAV zu Grunde gelegt worden ist.

35

Den einzelnen Absätzen des § 90 SGB VII liegt damit das folgende stimmige Konzept zu Grunde:

-       

§ 90 Abs 1 SGB VII regelt zunächst Folgendes: Tritt der Versicherungsfall vor oder während der Schul- oder Berufsausbildung ein und ist der Höchstwert des Rechts auf Leistung bereits wirksam festgestellt, ist dieser aufzuheben und ein höherer Wert neu festzustellen, falls der JAV für den Versicherten günstiger ist, der sich nach Maßgabe von § 90 Abs 1 Satz 2 SGB VII für den Tag ergibt, an dem der Versicherte seine Ausbildung voraussichtlich beendet hätte. Hat er sie an diesem Tag beendet, gibt es keinen Raum für eine hypothetische Prüfung. Auch ist ihm, der seine Ausbildung pünktlich abgeschlossen hat, in der für das Gesetz erlaubten typisierenden Betrachtung kein weiterer Nachteil aus dem Versicherungsfall entstanden, weil er typischerweise nicht durch den Versicherungsfall gehindert ist, ein dem Tarifentgelt des § 90 Abs 1 Satz 2 SGB VII entsprechendes Gesamteinkommen zu erzielen.

-       

Ist hingegen der Versicherungsfall vor der Berufsausbildung eingetreten und die Erstfeststellung des Höchstwerts der Versicherungsleistung wirksam festgestellt worden und vollendet der Versicherte das 21. Lebensjahr (oder später das 25. Lebensjahr) und lässt sich nicht feststellen, welches Ausbildungsziel der Versicherte ohne den Versicherungsfall voraussichtlich erreicht hätte, ist der JAV ab diesem Tag mit 75 vH der Bezugsgröße (später 100 vH) anzusetzen (§ 90 Abs 1 iVm § 90 Abs 4 SGB VII).

-       

§ 90 Abs 2 SGB VII erfasst dann die Fälle, in denen nach der Erstfeststellung bei unter dreißigjährigen Versicherten diese vor Vollendung des 30. Lebensjahres an tarifvertraglichen oder ortsüblichen Erhöhungen des Arbeitsentgelts nicht teilgenommen haben, die zur Zeit des Versicherungsfalls für Personen mit gleichartiger Tätigkeit für den späteren Fall vorgesehen waren, dass sie ein bestimmtes Berufsjahr erreicht oder ein bestimmtes Lebensjahr vollendet hatten. Ihnen ist in der gesetzlichen typisierenden Betrachtung regelmäßig wegen des Versicherungsfalls die Entgelterhöhung entgangen. Wenn diese einen günstigeren JAV brächte, besteht ein Neufeststellungsanspruch.

-       

Hat in den Fällen von § 90 Abs 1 oder Abs 2 SGB VII der Versicherungsfall eine Erwerbstätigkeit unmöglich gemacht, entsteht gemäß § 90 Abs 3 SGB VII, falls es günstiger ist, ein Neufeststellungsanspruch jeweils und sogar über das 30. Lebensjahr hinaus, falls zur Zeit des Versicherungsfalls tarifvertraglich oder ortsüblich spätere Entgelterhöhungen nach Lebensalter, Berufsjahren oder Ablauf von Bewährungszeiten vorgesehen sind und diese Voraussetzungen erfüllt werden.

-       

Unter Berücksichtigung des § 90 Abs 5 und des § 90 Abs 6 SGB VII sowie insbesondere auch der subsidiären Billigkeitsregelung in § 91 SGB VII mit der nochmals subsidiären Neufeststellung nach billigem Ermessen ergibt sich damit ein stimmiges Konzept, das typisierend Fallgestaltungen regelt, in denen das Gesetz typische Fälle erfasst, in denen davon ausgegangen werden kann, dass das eigentlich nach der Regelberechnung der §§ 82 ff SGB VII zu Grunde zu legende Arbeitseinkommen als unbillig erscheint. Dementsprechend ist es auch nicht gesetzesplanwidrig, dass eine Neufeststellung dann nicht beansprucht werden kann, wenn aus dem Versicherungsfall (typisch gesehen) kein durch den Versicherungsfall bedingter weiterer Einkommensnachteil eingetreten ist, der von der Regelberechnung nicht erfasst wäre.

-       

Im Übrigen wird selbst bei denjenigen, die lediglich von der Regelberechnung erfasst werden und keinen Anspruch auf Neufeststellung nach § 90 SGB VII haben, im Falle eines besonders niedrigen Erwerbseinkommens im letzten Jahr vor dem Versicherungsfall in jedem Fall entweder der Mindest-JAV des § 85 SGB VII oder - bei Kindern, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben - ein besonders gesetzlich festgelegter JAV zu Grunde gelegt (§ 86 SGB VII).

36

Wenn danach ein stimmiges Konzept für die Fallgestaltungen vorliegt, in denen es dem Gesetz unbillig erscheint, die jeweils erfassten Personenkreise an ihrem (zu niedrigen) JAV nach Maßgabe der Regelberechnung nach den §§ 82 ff SGB VII festzuhalten, liegt für die Fallgestaltungen, in denen die Ausbildung - wie hier - plangemäß abgeschlossen worden ist, keine ausfüll-bare Gesetzeslücke vor. Dementsprechend kann § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII auch nicht zu Gunsten des Klägers analog angewandt werden. Das BSG ist nicht dazu befugt, eine - wie oben ausgeführt - rechtlich vollständige, sozial- oder rechtspolitisch jedoch von einzelnen Personen oder Gruppen als defizitär empfundene Regelung fortbildend zu ergänzen und sich damit unter Verkennung seiner eigenen Bindung an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 GG) in die Rolle einer normsetzenden Instanz zu begeben (so auch BSG, Urteil vom 29.7.2003 - B 12 KR 15/02 R, Juris RdNr 22, SozR 4-4100 § 169 Nr 1 unter Hinweis auf BVerfGE 34, 269, 290; 65, 182, 194; 82, 6, 11 ff; 87, 273, 280; ferner BVerfGE 96, 375, 394 f; 113, 88, 103).

37

c) Die entgegenstehenden, damals nicht tragenden und nicht näher begründeten Ausführungen in der zu § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII ergangenen Entscheidung des Senats vom 7.11.2000 - B 2 U 31/99 R - (SozR 3-2700 § 90 Nr 1; vgl zuvor zu § 573 RVO: BSG, Urteil vom 15.6.1983 - 9b/8 RU 58/81 - SozR 2200 § 573 Nr 11) können demgemäß nicht aufrechterhalten bleiben, zumal die Voraussetzungen der Analogie dort nicht geprüft worden sind. Gleiches gilt für die eine solche Analogie befürwortenden Stimmen in der Literatur, die sich - soweit ersichtlich - nicht mit den rechtssystematischen Voraussetzungen der Analogiefähigkeit des § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII auseinandersetzen und lediglich die Entscheidung des BSG vom 7.11.2000 (aaO) zustimmend zitieren (vgl etwa Ricke in Kasseler Kommentar, § 90 SGB VII, RdNr 5, Stand: Dezember 2010; Keller in: Hauck/Noftz, SGB VII, K § 90 RdNr 9a, Stand: März 2012; Burchardt in: Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, § 90 RdNr 18a, Stand: März 2007; Rütenik in: juris-PK SGB VII, 1. Aufl 2009, § 90 RdNr 42; Dahm in: Lauterbach, UV , § 90 RdNr 18, Stand: Oktober 2006; Becker in: Lehr- und Praxiskommentar, SGB VII, 3. Aufl 2011, § 90 RdNr 5; Merten in: Eichenhofer/Wenner, SGB VII, § 90 RdNr 27; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 90 SGB VII, RdNr 8.5, Stand 01/2007; Schmitt, SGB VII, 4. Aufl 2009, § 90 RdNr 7; Kater in: Kater/Leube, SGB VII, 1997, § 90 RdNr 27).

38

Die Methode der Analogie ist eine verfassungsrechtlich anerkannte Form der richterlichen Rechtsfortbildung (vgl zB BVerfGE 82, 6, 11 ff mwN). Sie ist allerdings von der dem Gesetzgeber vorbehaltenen Gesetzeskorrektur abzugrenzen. Die vom Verfassungsrecht gezogene Grenze verläuft im allgemeinen dort, wo die Gerichte ohne das Vorhandensein einer sich aus Systematik und Sinn des Gesetzes ergebenden Lücke allein unter Berufung auf allgemeine Rechtsprinzipien, die eine konkrete rechtliche Ableitung nicht zulassen, oder aus rechtspolitischen Erwägungen Neuregelungen oder Rechtsinstitute schaffen (BVerfGE 34, 269, 290; 65, 182, 194). Dem Gericht ist es grundsätzlich verwehrt, sich unter Verkennung seiner eigenen Bindung an Gesetz und Recht (Art 20 Abs 3 GG) aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz zu begeben (BVerfGE 82, 6, 11 ff; 87, 273, 280). Demgemäß darf richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie stets nur dann eingesetzt werden, wenn das Gericht auf Grund einer Betrachtung und Wertung des einfachen Gesetzesrechts eine Gesetzeslücke feststellt (vgl BVerfG FamRZ 1995, 1052, 1054). Eine derartige Lücke ist aber nicht bereits dann gegeben, wenn eine erwünschte Ausnahmeregelung fehlt oder eine gesetzliche Regelung aus sozial- oder rechtspolitischen Erwägungen als unbefriedigend empfunden wird (vgl BVerfG NJW 1992, 1219; BVerfGE 65, 182, 194). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese - auch im Interesse der Rechtssicherheit für den einzelnen Bürger - nicht auf Grund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen, die so ggf im Parlament gar nicht erreichbar war (vgl BVerfG FamRZ 1995, 1052, 1054; BVerfGE 82, 6, 12). So spricht die Entscheidung des BSG im zum alten Recht ergangenen Urteil vom 15.6.1983 (aaO, S 35) ohne nähere Gesetzesprüfung von einem "wenig einleuchtenden Ergebnis", das zu korrigieren sei. Eine solche Betrachtungsweise entspricht aber gerade nicht den strengen Voraussetzungen für die "Lücken"schließung durch Analogie. Eine Lücke im Gesetz liegt vielmehr nur dort vor, wo es eine Regelung weder ausdrücklich noch schlüssig getroffen hat und es deshalb nach dem Konzept des Gesetzes, dem "Gesetzesplan", unvollständig und damit ergänzungsbedürftig ist. Keine Gesetzeslücke liegt also vor, wenn die Nichtregelung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände entspricht, seine richterliche Ergänzung also dem "Willen des Gesetzes" widerspricht. Es muss sich um eine dem Plan des Gesetzgebers widersprechende, also eine "planwidrige Unvollständigkeit" handeln (stRspr des BSG, vgl zB Urteil vom 25.2.2010 - B 10 LW 1/09 R - SozR 4-5868 § 13 Nr 5; Urteil des Senats vom 27.5.2008 - B 2 U 21/07 R, Juris RdNr 17, UV-Recht Aktuell 2008, 1162; Urteil vom 16.12.1997 - 4 RA 67/97 - SozR 3-2600 § 58 Nr 13 S 74 f; BSG SozR 4100 § 107 Nr 4 S 4; BSGE 63, 120, 131 = SozR 4100 § 138 Nr 17 S 92; BSGE 25, 150, 151; BSGE 43, 128, 129 = SozR 4100 § 100 Nr 1 S 1; vgl auch Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl 1983, S 39, 197 f), die hier - wie soeben im Einzelnen unter 2 b) dargestellt - gerade nicht vorliegt.

39

Insbesondere verstößt § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG. Es liegt weder eine willkürliche Regelung noch eine ungerechtfertigte Nichtbeachtung, geschweige denn eine unverhältnismäßige, von sachlichen Unterschieden zwischen beiden Personengruppen vor.

40

§ 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII soll - wie oben unter 1. ausgeführt - bei Schülern und Auszubildenden einen typisierenden zusätzlichen Folgeschaden des Versicherungsfalls ausgleichen, nämlich die Tatsache, dass eine Ausbildung nach dem Versicherungsfall lediglich mit Verzögerungen oder überhaupt nicht beendet wurde. Dieser typisierte Schadensfall liegt bei dem Kläger und der von ihm repräsentierten Fallgruppe aber gerade nicht vor, weil die Ausbildung fristgerecht beendet wurde. Solche Versicherte haben daher, in der typisierenden Betrachtung des Gesetzes, keine weiteren (hypothetischen) Nachteile wegen des Versicherungsfalls erlitten. Zwischen den beiden Gruppen - privilegierte Verletzte mit verzögertem oder ausgefallenem Ausbildungsabschluss und typisiert unterstelltem Verzögerungsschaden einerseits und nicht durch § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII privilegierte Verletzte mit fristgerechtem Ausbildungsabschluss - bestehen daher gerade sachliche Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht(vgl BVerfGE 55, 72, 88; 84, 133, 157; 84, 197, 199; 85, 238, 244; 87, 1, 36; 95, 39, 45), dass sie vielmehr eine Ungleichbehandlung beider Gruppen im Lichte des Art 3 Abs 1 GG geradezu geboten erscheinen lassen. Denn andernfalls würde bei einem erfolgreichen Ausbildungsabschluss ein (hypothetischer) "Verzögerungsschaden" ersetzt, der tatsächlich überhaupt nicht vorliegt. Dadurch käme es wohl zu einer verfassungswidrigen Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem.

41

Soweit sich der Senat in der Entscheidung vom 7.11.2000 (aaO) ergänzend auf frühere Entscheidungen des BSG zur anders formulierten Vorgängerregelung des § 573 RVO berufen hat(Urteil vom 15.6.1983 - 9b/8 RU 58/81, SozR 2200 § 573 Nr 11; sowie Urteil vom 5.8.1993 - 2 RU 24/92 - SozR 3-2200 § 573 Nr 2), kann im Übrigen dahinstehen, inwieweit § 573 RVO einer entsprechenden Analogie tatsächlich zugänglich gewesen ist. Denn erst durch das UVEG vom 7.8.1996 (BGBl I 1254) ist das soeben umrissene stimmige Konzept auch deutlich formuliert worden.

42

Da der Kläger durch die angefochtene Höchstwertfestsetzung bereits mehr erhielt, als ihm nach dem Gesetz zusteht, konnte sein Begehren auf noch höhere Rente keinen Erfolg haben.

43

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

(1) Ist der Versicherungsfall vor Vollendung des 30. Lebensjahres eingetreten, wird, wenn es für die Versicherten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst mit Vollendung des 30. Lebensjahres auf 100 Prozent der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Bezugsgröße neu festgesetzt. Wurde die Hochschul- oder Fachhochschulreife erworben, tritt an die Stelle des Wertes 100 Prozent der Wert 120 Prozent der Bezugsgröße.

(2) Der Jahresarbeitsverdienst wird mit Vollendung der in § 85 genannten weiteren Lebensjahre entsprechend dem Prozentsatz der zu diesen Zeitpunkten maßgebenden Bezugsgröße neu festgesetzt.

(3) In den Fällen des § 82 Absatz 2 Satz 2 sind die Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.

(1) Berufsbildung im Sinne dieses Gesetzes sind die Berufsausbildungsvorbereitung, die Berufsausbildung, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung.

(2) Die Berufsausbildungsvorbereitung dient dem Ziel, durch die Vermittlung von Grundlagen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit an eine Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf heranzuführen.

(3) Die Berufsausbildung hat die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Sie hat ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen.

(4) Die berufliche Fortbildung soll es ermöglichen,

1.
die berufliche Handlungsfähigkeit durch eine Anpassungsfortbildung zu erhalten und anzupassen oder
2.
die berufliche Handlungsfähigkeit durch eine Fortbildung der höherqualifizierenden Berufsbildung zu erweitern und beruflich aufzusteigen.

(5) Die berufliche Umschulung soll zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigen.

(1) Ist der Versicherungsfall vor Vollendung des 30. Lebensjahres eingetreten, wird, wenn es für die Versicherten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst mit Vollendung des 30. Lebensjahres auf 100 Prozent der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Bezugsgröße neu festgesetzt. Wurde die Hochschul- oder Fachhochschulreife erworben, tritt an die Stelle des Wertes 100 Prozent der Wert 120 Prozent der Bezugsgröße.

(2) Der Jahresarbeitsverdienst wird mit Vollendung der in § 85 genannten weiteren Lebensjahre entsprechend dem Prozentsatz der zu diesen Zeitpunkten maßgebenden Bezugsgröße neu festgesetzt.

(3) In den Fällen des § 82 Absatz 2 Satz 2 sind die Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.

(1) Dieses Gesetz gilt für die Berufsbildung, soweit sie nicht in berufsbildenden Schulen durchgeführt wird, die den Schulgesetzen der Länder unterstehen.

(2) Dieses Gesetz gilt nicht für

1.
die Berufsbildung, die in berufsqualifizierenden oder vergleichbaren Studiengängen an Hochschulen auf der Grundlage des Hochschulrahmengesetzes und der Hochschulgesetze der Länder durchgeführt wird,
2.
die Berufsbildung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis,
3.
die Berufsbildung auf Kauffahrteischiffen, die nach dem Flaggenrechtsgesetz die Bundesflagge führen, soweit es sich nicht um Schiffe der kleinen Hochseefischerei oder der Küstenfischerei handelt.

(3) Für die Berufsbildung in Berufen der Handwerksordnung gelten die §§ 4 bis 9, 27 bis 49, 53 bis 70, 76 bis 80 sowie 101 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 sowie Nummer 6 bis 10 nicht; insoweit gilt die Handwerksordnung.

(1) Die Approbation als Arzt ist auf Antrag zu erteilen, wenn der Antragsteller

1.
(weggefallen)
2.
sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt,
3.
nicht in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet ist,
4.
nach einem Studium der Medizin an einer wissenschaftlichen Hochschule von mindestens 5 500 Stunden und einer Dauer von mindestens sechs Jahren, von denen mindestens acht, höchstens zwölf Monate auf eine praktische Ausbildung in Krankenhäusern oder geeigneten Einrichtungen der ärztlichen Krankenversorgung entfallen müssen, die ärztliche Prüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes bestanden hat,
5.
über die für die Ausübung der Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt.
Eine in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum abgeschlossene ärztliche Ausbildung gilt als Ausbildung im Sinne der Nummer 4, wenn sie durch Vorlage eines Europäischen Berufsausweises, eines nach dem 20. Dezember 1976 ausgestellten, in der Anlage zu diesem Gesetz aufgeführten ärztlichen Ausbildungsnachweises eines der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines in der Anlage zu diesem Gesetz aufgeführten, nach dem 31. Dezember 1992 ausgestellten ärztlichen Ausbildungsnachweises eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nachgewiesen wird. Bei ärztlichen Ausbildungsnachweisen von nach dem 20. Dezember 1976 der Europäischen Union beigetretenen Mitgliedstaaten wird auf eine Ausbildung abgestellt, die nach dem entsprechenden Datum begonnen wurde; hierfür gilt das Datum des Beitritts oder, bei abweichender Vereinbarung, das hiernach maßgebende Datum, bei ärztlichen Ausbildungsnachweisen eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, mit dem eine besondere Vereinbarung zum Zeitpunkt der Geltung der Verpflichtungen aus den Richtlinien 75/362/EWG und 75/363/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 (ABl. EG Nr. L 167 S. 1 und S. 14) getroffen worden ist, das hiernach maßgebende Datum. Sätze 2 und 3 gelten entsprechend für Ausbildungsnachweise von Vertragsstaaten, denen Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, ab dem hierfür maßgebenden Zeitpunkt. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Anlage zu diesem Gesetz späteren Änderungen von Anhang V Nummer 5.1.1 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. EU Nr. L 255 S. 22, 2007 Nr. L 271 S. 18) anzupassen. Gleichwertig den in Satz 2 genannten ärztlichen Ausbildungsnachweisen sind nach dem in Satz 2, 3 oder 4 genannten Zeitpunkt von einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder einem Vertragsstaat, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, ausgestellte ärztliche Ausbildungsnachweise, die den in der Anlage zu Satz 2 für den betreffenden Staat aufgeführten Bezeichnungen nicht entsprechen, aber mit einer Bescheinigung der zuständigen Behörde oder Stelle des Staates darüber vorgelegt werden, daß sie eine Ausbildung abschließen, die den Mindestanforderungen des Artikels 24 der Richtlinie 2005/36/EG entspricht, und daß sie den für diesen Staat in der Anlage zu Satz 2 aufgeführten Nachweisen gleichstehen. Eine Approbation wird nicht erteilt, wenn eine ärztliche Prüfung oder ein Abschnitt der ärztlichen Prüfung nach der Rechtsverordnung gemäß § 4 Abs. 1 endgültig nicht bestanden wurde. Satz 7 findet keine Anwendung, wenn der Antragsteller einen nach der Richtlinie 2005/36/EG anzuerkennenden Ausbildungsnachweis besitzt.

(1a) Die zuständigen Behörden des Landes, in dem der ärztliche Beruf ausgeübt wird oder zuletzt ausgeübt worden ist, unterrichten die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats über das Vorliegen strafrechtlicher Sanktionen, über die Rücknahme, den Widerruf und die Anordnung des Ruhens der Approbation oder Erlaubnis, über die Untersagung der Ausübung der Tätigkeit und über Tatsachen, die eine dieser Sanktionen oder Maßnahmen rechtfertigen würden; dabei sind die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten einzuhalten. Erhalten die zuständigen Behörden Auskünfte der zuständigen Behörden von Aufnahmemitgliedstaaten, die sich auf die Ausübung des ärztlichen Berufs auswirken könnten, so prüfen sie die Richtigkeit der Sachverhalte, befinden über Art und Umfang der durchzuführenden Prüfungen und unterrichten den Aufnahmemitgliedstaat über die Konsequenzen, die sie aus den übermittelten Auskünften ziehen. Die Länder benennen die Behörden und Stellen, die für die Ausstellung oder Entgegennahme der in der Richtlinie 2005/36/EG genannten Ausbildungsnachweise und sonstigen Unterlagen oder Informationen zuständig sind, sowie die Behörden und Stellen, die die Anträge annehmen und die Entscheidungen treffen können, die im Zusammenhang mit dieser Richtlinie stehen. Sie sorgen dafür, dass das Bundesministerium für Gesundheit unverzüglich unterrichtet wird. Das Bundesministerium für Gesundheit übermittelt die Informationen unverzüglich den anderen Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission. Die Länder können zur Wahrnehmung der Aufgaben nach den Sätzen 1 bis 3 gemeinsame Stellen bestimmen. Das Bundesministerium für Gesundheit übermittelt nach entsprechender Mitteilung der Länder statistische Aufstellungen über die getroffenen Entscheidungen, die die Europäische Kommission für den nach Artikel 60 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG erforderlichen Bericht benötigt.

(2) Ist die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 nicht erfüllt, so ist Antragstellern, die ihre ärztliche Ausbildung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz abgeschlossen haben und nicht unter Absatz 1 oder § 14b fallen, die Approbation zu erteilen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist. Der Ausbildungsstand ist als gleichwertig anzusehen, wenn die Ausbildung des Antragstellers keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der Ausbildung aufweist, die in diesem Gesetz und in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 geregelt ist. Wesentliche Unterschiede nach Satz 2 liegen vor, wenn

1.
die Ausbildung der Antragsteller sich hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von der deutschen Ausbildung unterscheiden, oder
2.
der Beruf des Arztes eine oder mehrere reglementierte Tätigkeiten umfasst, die in dem Staat, der den Ausbildungsnachweis ausgestellt hat, nicht Bestandteil des Berufs des Arztes sind, und sich die deutsche Ausbildung auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Ausbildungsnachweis der Antragsteller abgedeckt werden.
Fächer unterscheiden sich wesentlich, bei denen Kenntnis und Fähigkeiten eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Berufs sind und bei denen die Ausbildung der Antragsteller gegenüber der deutschen Ausbildung wesentliche Abweichungen hinsichtlich des Inhalts aufweist. Wesentliche Unterschiede können ganz oder teilweise durch Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeglichen werden, die die Antragsteller im Rahmen ihrer ärztlichen Berufspraxis in Voll- oder Teilzeit oder durch lebenslanges Lernen erworben haben, sofern die durch lebenslanges Lernen erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten von einer dafür in dem jeweiligen Staat zuständigen Stelle formell als gültig anerkannt wurden; dabei ist nicht entscheidend, in welchem Staat diese Kenntnisse und Fähigkeiten erworben worden sind. Liegen wesentliche Unterschiede nach den Sätzen 3 bis 5 vor, müssen die Antragsteller nachweisen, dass sie über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die zur Ausübung des Berufs des Arztes erforderlich sind. Dieser Nachweis ist durch eine Eignungsprüfung zu erbringen, die sich auf die festgestellten wesentlichen Unterschiede bezieht. Über die Feststellung der wesentlichen Unterschiede, die zur Auferlegung einer Eignungsprüfung führt, ist den Antragstellern spätestens vier Monate, nachdem der zuständigen Behörde alle erforderlichen Unterlagen vorliegen, ein rechtsmittelfähiger Bescheid zu erteilen. Im Fall des § 81a des Aufenthaltsgesetzes soll der Bescheid innerhalb von zwei Monaten erteilt werden. Die Sätze 2 bis 9 gelten auch für Antragsteller, die über einen Ausbildungsnachweis als Arzt verfügen, der in einem anderen als den in Satz 1 genannten Staaten (Drittstaat) ausgestellt ist und den ein anderer der in Satz 1 genannten Staaten anerkannt hat.

(3) Ist die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 nicht erfüllt, so ist Antragstellern, die über einen Ausbildungsnachweis als Arzt verfügen, der in einem anderen als den in Absatz 2 Satz 1 genannten Staaten (Drittstaat) ausgestellt ist, die Approbation zu erteilen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist. Für die Prüfung der Gleichwertigkeit gilt Absatz 2 Satz 2 bis 6 sowie 8 und 9 entsprechend. Der Nachweis der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten wird durch das Ablegen einer Prüfung erbracht, die sich auf den Inhalt der staatlichen Abschlussprüfung bezieht. Die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sind nach Satz 3 auch nachzuweisen, wenn die Prüfung des Antrags nur mit unangemessenem zeitlichen oder sachlichen Aufwand möglich ist, weil die erforderlichen Unterlagen und Nachweise aus Gründen, die nicht in der Person der Antragsteller liegen, von diesen nicht vorgelegt werden können.

(3a) Wird die Voraussetzung des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 4 auf eine Ausbildung gestützt, die außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeschlossen worden ist, sollen die Voraussetzungen der Gleichwertigkeit der Berufsqualifikation nach den Absätzen 2 oder 3 vor den Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, 3 und 5 geprüft werden. Auf Antrag ist dem Antragsteller ein gesonderter Bescheid über die Feststellung der Gleichwertigkeit seiner Berufsqualifikation zu erteilen.

(4) Soll die Erteilung der Approbation wegen Fehlens einer der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 abgelehnt werden, so ist der Antragsteller oder sein gesetzlicher Vertreter vorher zu hören.

(5) Ist gegen den Antragsteller wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet, so kann die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Approbation bis zur Beendigung des Verfahrens ausgesetzt werden.

(6) Wenn ein Antragsteller die Approbation auf Grund einer außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeschlossenen Ausbildung für die Ausübung des ärztlichen Berufs beantragt, sind folgende Unterlagen und Bescheinigungen vorzulegen:

1.
ein Identitätsnachweis,
1a.
eine tabellarische Aufstellung der absolvierten Ausbildungsgänge und der ausgeübten Erwerbstätigkeiten,
2.
eine amtlich beglaubigte Kopie der Befähigungsnachweise oder des Ausbildungsnachweises, der zur Aufnahme des entsprechenden Berufs berechtigt sowie gegebenenfalls eine Bescheinigung über die von der betreffenden Person erworbene Berufserfahrung,
2a.
im Fall von Absatz 3 eine Bescheinigung über die Berechtigung zur Berufsausübung im Herkunftsstaat und Unterlagen, die geeignet sind darzulegen, im Inland den ärztlichen Beruf ausüben zu wollen,
3.
die Unterlagen, die von den zuständigen Behörden des Herkunftsstaats ausgestellt wurden und belegen, dass die Erfordernisse nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 erfüllt werden oder, wenn im Herkunftsstaat die vorgenannten Unterlagen nicht ausgestellt werden, eine eidesstattliche Erklärung oder – in den Staaten, in denen es keine eidesstattliche Erklärung gibt – eine feierliche Erklärung, die die betreffende Person vor einer zuständigen Justiz- oder Verwaltungsbehörde oder gegebenenfalls vor einem Notar oder einer entsprechend bevollmächtigten Berufsorganisation des Herkunftsstaats, der eine diese eidesstattliche oder feierliche Erklärung bestätigende Bescheinigung ausstellt, abgegeben hat,
4.
der Nachweis nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3, wobei ein entsprechender Nachweis, der im Herkunftsmitgliedstaat gefordert wird, anerkannt wird oder, wenn im Herkunftsmitgliedstaat kein derartiger Nachweis verlangt wird, eine von einer zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats ausgestellte Bescheinigung,
5.
eine Bescheinigung der zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats, aus der hervorgeht, dass die Nachweise über die geforderten Ausbildungsvoraussetzungen den in der Richtlinie verlangten Nachweisen entsprechen,
6.
in Fällen des Absatzes 2 oder 3 zusätzliche Nachweise, um feststellen zu können, ob die Ausbildung wesentliche Unterschiede gegenüber der Ausbildung aufweist, die in diesem Gesetz und in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 geregelt ist,
7.
für den Fall, dass sich Ausbildungsnachweise nach Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 2005/36/EG, die von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines Vertragsstaates, dem Deutschland und die Europäische Gemeinschaft oder Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Rechtsanspruch eingeräumt haben, ausgestellt wurden, auf eine Ausbildung beziehen, die ganz oder teilweise in einer rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen der oben genannten Staaten niedergelassenen Einrichtung absolviert wurde, Unterlagen darüber,
a)
ob der Ausbildungsgang in der betreffenden Einrichtung von der Ausbildungseinrichtung des Ausstellungsmitgliedstaats offiziell bescheinigt worden ist,
b)
ob der ausgestellte Ausbildungsnachweis dem entspricht, der verliehen worden wäre, wenn der Ausbildungsgang vollständig im Ausstellungsmitgliedstaat absolviert worden wäre, und
c)
ob mit dem Ausbildungsnachweis im Hoheitsgebiet des Ausstellungsmitgliedstaats dieselben beruflichen Rechte verliehen werden.
Die Nachweise nach Satz 1 Nr. 3 und 4 dürfen bei ihrer Vorlage nicht älter als drei Monate sein. Haben die zuständigen Behörden berechtigte Zweifel an der Authentizität der in dem jeweiligen Herkunftsmitgliedstaat ausgestellten Bescheinigungen und Ausbildungsnachweise, können sie von den zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats eine Bestätigung der Authentizität dieser Bescheinigungen und Nachweise sowie eine Bestätigung darüber verlangen, dass der Antragsteller die Mindestanforderungen der Ausbildung erfüllt, die in Artikel 24 der Richtlinie 2005/36/EG verlangt werden.
Haben die zuständigen Behörden berechtigte Zweifel an der Berechtigung des Antragstellers zur Ausübung des ärztlichen Berufs, können sie von den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates eine Bestätigung verlangen, aus der sich ergibt, dass dem Antragsteller die Ausübung des ärztlichen Berufs nicht aufgrund eines schwerwiegenden standeswidrigen Verhaltens oder einer Verurteilung wegen strafbarer Handlungen dauerhaft oder vorübergehend untersagt worden ist.

(7) Das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz findet mit Ausnahme des § 17 keine Anwendung.

(8) Die Bundesregierung überprüft die Regelungen zu den Anerkennungsverfahren nach diesem Gesetz und berichtet nach Ablauf von drei Jahren dem Deutschen Bundestag.

(1) Ist der Versicherungsfall vor Vollendung des 30. Lebensjahres eingetreten, wird, wenn es für die Versicherten günstiger ist, der Jahresarbeitsverdienst mit Vollendung des 30. Lebensjahres auf 100 Prozent der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Bezugsgröße neu festgesetzt. Wurde die Hochschul- oder Fachhochschulreife erworben, tritt an die Stelle des Wertes 100 Prozent der Wert 120 Prozent der Bezugsgröße.

(2) Der Jahresarbeitsverdienst wird mit Vollendung der in § 85 genannten weiteren Lebensjahre entsprechend dem Prozentsatz der zu diesen Zeitpunkten maßgebenden Bezugsgröße neu festgesetzt.

(3) In den Fällen des § 82 Absatz 2 Satz 2 sind die Absätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.