Sozialgericht Gelsenkirchen Beschluss, 23. Mai 2016 - S 5 SF 319/15 E
Gericht
Tenor
Die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 14.12.2015 gegen die Festsetzung der Vergütung im Rahmen der Prozesskostenhilfe vom 03.12.2015 wird zurückgewiesen.
1
Gründe:
2I. Streitig ist die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren für ein von dem Erinnerungsführer vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen geführten Verfahren.
3Dem Erinnerungsverfahren liegt ein am 04.02.2014 anhängiges Klageerfahren zugrunde, in welchem die Antragstellerin – die Mandantin des Erinnerungsführers – sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid wendete. Das Verfahren endete durch gerichtlichen Vergleich in dem Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten am 13.11.2015. In diesem Vergleich wurde der angefochtene Bescheid nicht verändert, sondern lediglich eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen.
4Mit Beschluss vom 31.03.2014 wurde der Antragstellerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Erinnerungsführers bewilligt.
5Der Erinnerungsführer beantragte im Rahmen der Prozesskostenhilfeliquidation unter dem 13.11.2015 die Festsetzung folgender Gebühren und Auslagen:
6Einigungs-/Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV 300,00 EUR Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV 300,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV 280,00 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV 20,00 EUR Fahrtkosten Nr. 7003 VV 10,50 EUR Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV 25,00 EUR "½ Widerspr" - 150,00 EUR Summe netto 935,50 EUR 19 % Umsatzsteuer 117,75 EUR Zwischensumme 1113,25 EUR Abzüglich Vorschuss - 142,80 EUR Summe 970,45 EUR
7Mit Beschluss vom 03.12.2015 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Gelsenkirchen die Kosten in Höhe von 434,95 EUR fest. Dabei berücksichtigte er folgende Gebühren und Auslagen:
8Einigungs-/Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV 0,00 EUR Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV 300,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV 280,00 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV 20,00 EUR Fahrtkosten Nr. 7003 VV 10,50 EUR Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV 25,00 EUR "½ Widerspr" - 150,00 EUR Summe netto 485,50 EUR 19 % Umsatzsteuer 92,25 EUR Zwischensumme 577,75 EUR Abzüglich Vorschuss - 142,80 EUR Summe 434,95 EUR
9Es sei im Termin kein Vergleich geschlossen worden.
10Unter dem 14.12.2015 hat der Erinnerungsführer gegen den Festsetzungsbeschluss vom 03.12.2015 Erinnerung eingelegt. Für den Anfall der Einigungsgebühr sei eine Ratenzahlungsvereinbarung ausreichend.
11Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der PKH-Nebenakte Bezug genommen.
13II. Die Erinnerung des Erinnerungsführers ist zulässig, jedoch unbegründet.
14Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) i.V.m. § 14 Abs. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, für die anwaltliche Tätigkeit Rahmengebühr. Gemäß §§ 183, 193, 197a SGG fand auf die Antragstellerin als Leistungsempfänger nach dem SGB II das GKG im dem Erinnerungsverfahren zugrunde liegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keine Anwendung.
15Innerhalb dieses Gebührenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass über die Bestimmung dessen, was noch als billig oder schon als unbillig zu gelten hat, leicht Streit entstehen kann. Solchen Streit will der Gesetzgeber möglichst vermeiden, indem er dem Rechtsanwalt ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt hat, das mit der Pflicht zur Berücksichtigung jedenfalls der in § 14 RVG genannten Kriterien verbunden ist. Die Literatur und ihr folgend die Rechtsprechung gesteht dem Rechtsanwalt darüber hinaus einen Spielraum von 20 % (Toleranzgrenze) zu, der von dem Dritten wie auch von den Gerichten zu beachten ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 01.07.2009, Az.: B 4 AS 21/09 R, m.w.N.; Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 31.10.2006, Az.: VI ZR 261/05 = NJW-RR 2007, 420, 421; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 17.8.2005, Az.: 6 C 13/04 = juris Rn. 21; Mayer in: Gerold/Schmidt, Kommentar zum RVG, 18. Auflage 2008, Rn. 12, m.w.N.). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG).
16Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls entspricht die von dem Erinnerungsführer getroffene Gebührenbestimmung hinsichtlich der Einigungs- / Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG nicht der Billigkeit. Denn diese Gebühr ist nicht angefallen.
17Die bloße Vereinbarung einer Ratenzahlungsvereinbarung ist jedenfalls für den Bereich des SGB II, sofern die Vereinbarung hinter der gesetzlichen Bestimmung des § 43 SGB II zurückbleibt, nicht ausreichend für die Erfüllung des Tatbestandes der Einigungsgebühr.
18Dabei liegt zunächst die Voraussetzung der Nr. 1000 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VV RVG nicht vor, soweit die Klage gegen den Bescheid nicht weiter verfolgt wurde. Denn die Gebühr entsteht nicht, wenn sich der Vertrag auf einen Verzicht beschränkt (Nr. 1000 Abs. 1 S. 2 VV RVG).
19Auch folgt aus der Zahlungsvereinbarung nichts anderes. Denn weder lag ein vorläufiger Verzicht auf die gerichtliche Geltendmachung noch lag zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses ein zur Vollstreckung geeigneter Titel vor. Denn die Klage gegen einen Erstattungsbescheid hat gem. § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung.
20Dabei soll durch die Neuregelung der Nr. 1000 VV RVG eine Erweiterung der Einigungsgebühr eintreten (BT-Drs.17/11471). Aus diesem gesetzgeberischen Ziel einer Erweiterung der die Einigungsgebühr auslösenden Sachverhalte folgt, dass jedenfalls dann, wenn die Einigung die Merkmale eines Vergleichs i.S. von § 779 BGB erfüllt eine Vergleichsgebühr angefallen wäre, regelmäßig auch eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG entsteht (BGH, Beschluss vom 17. September 2008 – IV ZB 14/08 –, Rn. 7).
21Die Merkmale eines Vergleichs - ein gegenseitiges Nachgeben - sind jedoch nicht erfüllt. Auch ist die Verwirklichung des Anspruchs der Beklagten nicht unsicher. Denn die Beklagte könnte ohne Nachgeben der Klägerin gem. § 43 SGB II gegen ihren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II aufrechnen.
22Die weiteren Gebühren und Auslagen zwischen den Beteiligten stehen nicht im Streit und sind vom Gericht auch nicht zu beanstanden.
23Rechtsmittelbelehrung:
24Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen möglich, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- EUR übersteigt.
25Die Beschwerde ist binnen von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht Gelsenkirchen, Bochumer Str. 79, 45886 Gelsenkirchen, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
26Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstr. 54, 45130 Essen, schriftlich ocer zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
27Die Einreichung in elektronischer Form erfolgt durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle. Diese ist über die Internetseite www.sg-gelsenkirchen.nrw.de erreichbar. Die elektronische Form wird nur gewahrt durch eine qualifiziert signierte Datei, die den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Sozialgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO SG) vom 07.11.2012 (GV.NRW, 551) entspricht. Hierzu sind die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten Signatur nach § 2 Nummer 3 des Signaturgesetzes vom 16.05.2001 (BGBl. I, 876) in der jeweils geltenden Fassung zu versehen. Die qualifizierte elektronische Signatur und das ihr zugrunde liegende Zertifikat müssen durch das Gericht überprüfbar sein. Auf der Internetseite www.justiz.nrw.de sind die Bearbeitungsvoraussetzungen bekanntgegeben.
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(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.
(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.
(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.
(1) Die Jobcenter können gegen Ansprüche von leistungsberechtigten Personen auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufrechnen mit
- 1.
Erstattungsansprüchen nach § 50 des Zehnten Buches, - 2.
Ersatzansprüchen nach den §§ 34 und 34a, - 3.
Erstattungsansprüchen nach § 34b oder - 4.
Erstattungsansprüchen nach § 41a Absatz 6 Satz 3.
(2) Die Höhe der Aufrechnung beträgt bei Erstattungsansprüchen, die auf § 41a oder auf § 48 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 in Verbindung mit § 50 des Zehnten Buches beruhen, 10 Prozent des für die leistungsberechtigte Person maßgebenden Regelbedarfs, in den übrigen Fällen 30 Prozent. Die Aufrechnung, die zusammen mit bereits laufenden Aufrechnungen nach Absatz 1 und nach § 42a Absatz 2 insgesamt 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs übersteigen würde, ist unzulässig.
(3) Eine Aufrechnung ist nicht zulässig für Zeiträume, in denen der Auszahlungsanspruch nach § 31b Absatz 1 Satz 1 um mindestens 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs gemindert ist. Ist die Minderung des Auszahlungsanspruchs geringer, ist die Höhe der Aufrechnung auf die Differenz zwischen dem Minderungsbetrag und 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs begrenzt.
(4) Die Aufrechnung ist gegenüber der leistungsberechtigten Person schriftlich durch Verwaltungsakt zu erklären. Sie endet spätestens drei Jahre nach dem Monat, der auf die Bestandskraft der in Absatz 1 genannten Entscheidungen folgt. Zeiten, in denen die Aufrechnung nicht vollziehbar ist, verlängern den Aufrechnungszeitraum entsprechend.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung.
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt
- 1.
bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten, - 2.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen, - 3.
für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen, - 4.
in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen, - 5.
in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 kann die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 ist in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts die nächsthöhere Behörde zuständig, es sei denn, diese ist eine oberste Bundes- oder eine oberste Landesbehörde. Die Entscheidung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Die Stelle kann die Entscheidung jederzeit ändern oder aufheben.
(4) Die aufschiebende Wirkung entfällt, wenn eine Erlaubnis nach Artikel 1 § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S. 1852) geändert worden ist, aufgehoben oder nicht verlängert wird. Absatz 3 gilt entsprechend.
(1) Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.
(2) Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist.
(1) Die Jobcenter können gegen Ansprüche von leistungsberechtigten Personen auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufrechnen mit
- 1.
Erstattungsansprüchen nach § 50 des Zehnten Buches, - 2.
Ersatzansprüchen nach den §§ 34 und 34a, - 3.
Erstattungsansprüchen nach § 34b oder - 4.
Erstattungsansprüchen nach § 41a Absatz 6 Satz 3.
(2) Die Höhe der Aufrechnung beträgt bei Erstattungsansprüchen, die auf § 41a oder auf § 48 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 in Verbindung mit § 50 des Zehnten Buches beruhen, 10 Prozent des für die leistungsberechtigte Person maßgebenden Regelbedarfs, in den übrigen Fällen 30 Prozent. Die Aufrechnung, die zusammen mit bereits laufenden Aufrechnungen nach Absatz 1 und nach § 42a Absatz 2 insgesamt 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs übersteigen würde, ist unzulässig.
(3) Eine Aufrechnung ist nicht zulässig für Zeiträume, in denen der Auszahlungsanspruch nach § 31b Absatz 1 Satz 1 um mindestens 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs gemindert ist. Ist die Minderung des Auszahlungsanspruchs geringer, ist die Höhe der Aufrechnung auf die Differenz zwischen dem Minderungsbetrag und 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs begrenzt.
(4) Die Aufrechnung ist gegenüber der leistungsberechtigten Person schriftlich durch Verwaltungsakt zu erklären. Sie endet spätestens drei Jahre nach dem Monat, der auf die Bestandskraft der in Absatz 1 genannten Entscheidungen folgt. Zeiten, in denen die Aufrechnung nicht vollziehbar ist, verlängern den Aufrechnungszeitraum entsprechend.