Sozialgericht Düsseldorf Beschluss, 22. Feb. 2016 - S 2 KA 390/15 ER

ECLI:ECLI:DE:SGD:2016:0222.S2KA390.15ER.00
22.02.2016

Tenor

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Düsseldorf Beschluss, 22. Feb. 2016 - S 2 KA 390/15 ER

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Sozialgericht Düsseldorf Beschluss, 22. Feb. 2016 - S 2 KA 390/15 ER

Referenzen - Gesetze

Sozialgericht Düsseldorf Beschluss, 22. Feb. 2016 - S 2 KA 390/15 ER zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 50 Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen


(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten. (2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatt

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 77


Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Sozialgericht Düsseldorf Beschluss, 22. Feb. 2016 - S 2 KA 390/15 ER zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Sozialgericht Düsseldorf Beschluss, 22. Feb. 2016 - S 2 KA 390/15 ER zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 13. Mai 2015 - B 6 KA 25/14 R

bei uns veröffentlicht am 13.05.2015

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. November 2013 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freib

Bundessozialgericht Urteil, 22. Okt. 2014 - B 6 KA 44/13 R

bei uns veröffentlicht am 22.10.2014

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 30. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 02. Apr. 2014 - B 6 KA 20/13 R

bei uns veröffentlicht am 02.04.2014

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. November 2012 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Lan

Bundessozialgericht Urteil, 28. Aug. 2013 - B 6 KA 50/12 R

bei uns veröffentlicht am 28.08.2013

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 14. Dez. 2011 - B 6 KA 13/11 R

bei uns veröffentlicht am 14.12.2011

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. November 2010 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 08. Dez. 2010 - B 6 KA 38/09 R

bei uns veröffentlicht am 08.12.2010

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2008 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an

Bundessozialgericht Urteil, 23. Juni 2010 - B 6 KA 7/09 R

bei uns veröffentlicht am 23.06.2010

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 03. Feb. 2010 - B 6 KA 37/08 R

bei uns veröffentlicht am 03.02.2010

Tatbestand 1 Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Regressbescheiden wegen der Verordnung autologer Tumorvakzine (Quartale II und III/1998, I, II und IV/1999).

Referenzen

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. November 2012 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Laborleistungen, die die Klägerin, ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) am Universitätsklinikum, auf Überweisung von Hochschulambulanzen des Universitätsklinikums erbracht hat.

2

Das klagende MVZ, das seit dem Quartal II/2005 mit drei angestellten Ärzten - zwei Allgemeinmedizinern und einem Laborarzt - an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, wird in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) geführt. Alleiniger Gesellschafter der GmbH ist das Universitätsklinikum D an der Technischen Universität D Bereits seit dem 1.1.2001 waren die Hochschulambulanzen des genannten Universitätsklinikums gemäß § 117 SGB V zur ambulanten ärztlichen Behandlung gesetzlich Krankenversicherter in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang ermächtigt. Die Vergütung erfolgte in Form von Fallpauschalen bei gleichzeitiger Festlegung von Fallzahlobergrenzen.

3

Mit Honorarbescheid vom 25.10.2005 setzte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) das Honorar der Klägerin für das Quartal II/2005 auf 9552,94 Euro fest. Bei der Berechnung dieses Honorars waren alle Laborleistungen, die die Klägerin auf Überweisung des Universitätsklinikums erbracht hatte (1825 Fälle) von der Honorarforderung abgesetzt worden. Zur Begründung dieser Berichtigung verwies die Beklagte auf einen Beschluss ihres Vorstandes, wonach Eingriffe in die Gesamtvergütung durch Überweisung aus dem Universitätsklinikum an das MVZ unterbunden werden sollten. Es bestehe der Verdacht, dass das MVZ vorrangig mit dem Ziel gegründet worden sei, aufgrund besserer Abrechnungsmöglichkeiten Leistungen in den vertragsärztlichen Bereich zu verschieben. Die Prüfung der Abrechnung des MVZ habe diesen Gestaltungsmissbrauch bestätigt.

4

Dem dagegen eingelegten Widerspruch half die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.5.2006 insoweit ab, als Laborleistungen, die nicht auf Überweisung der nach § 117 Abs 1 SGB V ermächtigten Hochschulambulanzen, sondern auf Überweisung von aus Sicherstellungsgründen ermächtigten Ärzten und Einrichtungen des Universitätsklinikums erbracht worden waren, nachvergütet wurden. Soweit die auf Überweisung der nach § 117 Abs 1 SGB V ermächtigten Hochschulambulanzen erbrachten Leistungen von der Honorarforderung der Klägerin abgesetzt worden waren, wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass die nach § 117 Abs 1 SGB V ermächtigten Hochschulambulanzen nicht befugt seien, Teilleistungen auf vertragsärztliche Leistungserbringer zu verlagern, weil dies Sinn und Zweck des Hochschulambulanzvertrages zuwiderlaufe. Zudem seien Überweisungen durch eine ermächtigte Krankenhausfachambulanz gemäß § 24 Abs 2 Satz 4 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä)/§ 27 Abs 2 Satz 4 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä) unzulässig, wenn die betreffenden Leistungen auch in der Einrichtung selbst oder in verselbstständigten Organisationseinheiten desselben Krankenhauses erbracht werden könnten. Dies sei hier der Fall, weil die Laborleistungen von dem Institut für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin des Universitätsklinikums erbracht werden könnten. Klage und Berufung der Klägerin waren ohne Erfolg (Urteil des SG vom 28.7.2010, Urteil des LSG vom 14.11.2012). Das LSG hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

5

Gemäß § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 4 EKV-Ä seien Überweisungen durch eine ermächtigte Krankenhausfachambulanz nicht zulässig, wenn die betreffenden Leistungen in dieser Einrichtung oder in Polikliniken und Ambulatorien als verselbstständigte Organisationseinheiten desselben Krankenhauses erbracht werden könnten. Zu den "ermächtigten Krankenhausfachambulanzen" im Sinne dieser Bestimmung gehörten auch die Hochschulambulanzen, die nach § 117 Abs 1 SGB V zur ambulanten ärztlichen Behandlung der Versicherten ermächtigt seien. Bei den Hochschulambulanzen handele es sich um Einrichtungen zur ambulanten Behandlung von Patienten und damit um Ambulanzen. Die Hochschulambulanzen befänden sich an zugelassenen Krankenhäusern und sie seien auch fachspezifisch, nämlich nach medizinischen Fachgebieten gegliedert. Damit wiesen Hochschulambulanzen alle Merkmale einer "Krankenhausfachambulanz" auf. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei der Begriff der ermächtigten Krankenhausfachambulanz nicht untrennbar mit den fortbestehenden Einrichtungen des DDR-Gesundheitswesens nach § 311 Abs 2 SGB V verbunden. Zwar tauche in dieser Vorschrift der Begriff der Fachambulanz neben denjenigen der "Poliklinik" und des "Ambulatoriums" auf. Bei den erwähnten Fachambulanzen handele es sich jedoch nicht um "ermächtigte Krankenhausfachambulanzen" iS des § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 3 EKV-Ä, weil diese Fachambulanzen nicht aufgrund einer Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnähmen, sondern kraft Gesetzes zugelassen seien. Die genannte Regelung des BMV-Ä/EKV-Ä erfasse nach ihrem klaren Wortlaut dagegen nur "ermächtigte" Fachambulanzen an Krankenhäusern. Damit gelte das Überweisungsverbot gerade nicht für die Fachambulanzen iS des § 311 Abs 2 SGB V. Die Bundesmantelverträge differenzierten genau zwischen Ermächtigung und Zulassung. Der 1995 eingeführte § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 4 EKV-Ä ähnele zwar einer für das Beitrittsgebiet geschaffenen Übergangsvorschrift, nach der Überweisungen durch Einrichtungen nach § 311 Abs 2 SGB V nicht zulässig gewesen seien, wenn diese Leistungen in den Einrichtungen erbracht werden konnten. Diese Übergangsvorschrift sei jedoch nicht in die seit 1995 geltende Fassung der Bundesmantelverträge übernommen worden. Lediglich mit der Wendung "Polikliniken und Ambulatorien als verselbstständigte Organisationseinheiten desselben Krankenhauses" nehme § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 4 EKV-Ä auf § 311 Abs 2 SGB V Bezug. Daraus lasse sich jedoch nicht ableiten, dass unter die "ermächtigten Krankenhausfachambulanzen" nur fortbestehende Einrichtungen des DDR-Gesundheitswesens fielen.

6

Selbst wenn die davon abweichende Auffassung der Klägerin zuträfe, würde das zu keinem für sie günstigeren Ergebnis führen, weil sich die Hochschulklinik, die Alleingesellschafterin des klagenden MVZ sei, im Beitrittsgebiet befinde. Nach der Rechtsprechung des BSG seien die von Hochschulen getragenen Fachambulanzen iS des § 311 Abs 2 SGB V Hochschulambulanzen iS des § 117 Abs 1 SGB V. Daraus sei zu folgern, dass umgekehrt auch Hochschulambulanzen Fachambulanzen seien. Auch der erkennbare Zweck der genannten Regelung im BMV-Ä/EKV-Ä spreche für diese Auslegung. Die Einrichtungen sollten dazu angehalten werden, alle bei einem Versicherten im Krankheitsfall erforderlichen diagnostischen und therapeutischen Leistungen, die sie tatsächlich erbringen könnten und rechtlich erbringen dürften, selbst zu erbringen. Das in § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 4 EKV-Ä geregelte Überweisungsverbot sei mit höherrangigem Recht und insbesondere dem Grundrecht aus Art 12 Abs 1 GG vereinbar. Dass die Laborleistungen, die die Klägerin auf Überweisung des Hochschulklinikums erbracht habe, auch durch das Universitätsklinikum selbst, nämlich das Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin hätten erbracht werden können, sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Diese Hochschulambulanz sei zur Erbringung der Laborleistungen auch berechtigt gewesen. Die Unzulässigkeit der Überweisungen müsse die Klägerin gegen sich gelten lassen. Die ordnungsgemäße Überweisung sei Grundvoraussetzung für einen Honoraranspruch. Zwar führe nicht jede unzulässige Überweisung dazu, dass der ausführende Arzt bzw die ausführenden Einrichtungen von der Abrechnung einer gleichwohl erbrachten Leistung ausgeschlossen sei. Der ausführende Arzt sei aber jedenfalls verpflichtet, die vertragsärztliche Verordnung auf Vollständigkeit und Plausibilität zu prüfen. Im vorliegenden Fall sei die Unzulässigkeit der Überweisung für die Klägerin aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Beherrschung durch die Trägerin der überweisenden Hochschulambulanz erkennbar gewesen und die Klägerin könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen.

7

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Entgegen der Auffassung des LSG gelte das Überweisungsverbot des § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 4 EKV-Ä nicht für Hochschulambulanzen. Hochschulambulanzen seien keine Krankenhausfachambulanzen im Sinne der genannten Vorschriften der Bundesmantelverträge. Das ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte und Entwicklung des § 311 Abs 2 SGB V. In der Fassung des Jahres 1990 hätten die Bundesmantelverträge kein Überweisungsverbot für ermächtigte Einrichtungen vorgesehen. Im Zuge der Wiedervereinigung sei erstmals eine Einschränkung der Überweisungsbefugnis für Einrichtungen nach § 311 Abs 2 SGB V in die Bundesmantelverträge(§ 6 der Übergangsregelungen) aufgenommen worden. Diese Übergangsregelung sei mit Wirkung zum 1.1.1995 durch § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä abgelöst worden. Anders als die bis zum Ende des Jahres 1994 geltende Übergangsregelung beziehe sich die seit dem 1.1.1995 geltende Vorschrift nicht auf alle von § 311 Abs 2 SGB V erfassten selbstständigen (Polikliniken, Ambulatorien) und unselbstständigen (Krankenhausfachambulanzen) Einrichtungen, sondern nur noch auf die Krankenhausfachambulanzen. Entgegen der Auffassung des LSG folge auch aus der Rechtsprechung des BSG nicht, dass Hochschulambulanzen iS des § 117 SGB V zugleich Fachambulanzen nach § 311 Abs 2 SGB V seien. Selbst wenn mit dem LSG davon auszugehen wäre, dass es sich bei der Hochschulambulanz um eine Krankenhausfachambulanz iS des § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 4 EKV-Ä handeln würde, würde das Überweisungsverbot hier nicht eingreifen, weil weder die ermächtigte Hochschulambulanz noch die in den genannten Vorschriften der Bundesmantelverträge genannten verselbstständigten Einrichtungen (Polikliniken, Ambulatorien) die Laborleistungen erbringen könnten. Zudem sei das Überweisungsverbot in § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 4 EKV-Ä nicht mit höherrangigem Recht vereinbar, weil es an einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigung fehle.

8

Die Absetzung der auf Überweisung der Hochschulambulanzen erbrachten Laborleistungen von der Honorarforderung sei zudem rechtswidrig, weil sie als Empfängerin der Überweisung ein Überweisungsverbot nicht gegen sich gelten lassen müsse. Überweisungen der Hochschulambulanz an Vertragsärzte oder MVZen seien bis zum Jahr 2012 von der Beklagten nicht beanstandet worden. Unter diesen Umständen habe sie nicht damit rechnen müssen, dass die Überweisungen der Hochschulambulanzen von der Beklagten als unzulässig zurückgewiesen würden.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sächsischen LSG vom 14.11.2012 sowie das Urteil des SG Dresden vom 28.7.2010 aufzuheben, den Honorarbescheid vom 25.10.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.5.2006 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, die auf Überweisung der Hochschulambulanzen des Universitätsklinikums erbrachten Laborleistungen zu vergüten.

10

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Sie bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt des angefochtenen Urteils. Auch die Entstehungsgeschichte des § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä spreche für die Auslegung des LSG. Die zum 1.1.1995 eingeführte bundesmantelvertragliche Regelung beziehe sich auf ermächtigte Einrichtungen. § 311 Abs 2 SGB V sehe jedoch bereits in der seit dem 1.1.1993 geltenden Fassung vor, dass die dort genannten Fachambulanzen kraft Gesetzes zur ambulanten Versorgung zugelassen seien.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Klägerin ist in dem Sinne begründet, dass das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache an dieses Gericht zurückzuverweisen ist. Ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die auf Überweisung der nach § 117 Abs 1 SGB V ermächtigten Hochschulambulanzen erbrachten Laborleistungen zu vergüten, kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht entschieden werden.

13

1. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung und Rückforderung ist § 106a Abs 2 Satz 1 SGB V(in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 , insofern in der Folgezeit unverändert). Danach stellt die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 12 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 11 RdNr 13, zur Veröffentlichung für BSGE vorgesehen, mwN). Gegenstand der Prüfung sind die Abrechnungen der "Vertragsärzte". Über § 72 Abs 1 Satz 2 SGB V erstreckt sich diese auch auf MVZen.

14

2. Entgegen der Auffassung des LSG kann die Honorarabrechnung der Klägerin nicht mit der Begründung als unrichtig angesehen werden, dass die den erbrachten Leistungen zu Grunde liegenden Überweisungen durch die Hochschulambulanzen des Universitätsklinikums gegen Bestimmungen der Bundesmantelverträge verstoßen würden. Inhalt und Voraussetzung von Überweisungen durch Vertragsärzte sind Gegenstand des § 24 BMV-Ä/§ 27 EKV-Ä. In Übereinstimmung mit § 95 Abs 4 Satz 2 SGB V, der die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung auf Ermächtigte erstreckt, regelt § 4 Abs 1 Satz 2 BMV-Ä/§ 8 Abs 3 EKV-Ä in der im Jahr 2005 geltenden Fassung(seit 1.10.2013: § 4 Abs 1 Satz 3 BMV-Ä), dass die in den Bundesmantelverträgen für Ärzte getroffenen Regelungen ua für ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist. Danach sind die in § 24 BMV-Ä/§ 27 EKV-Ä getroffenen Regelungen zu Überweisungen auch auf ermächtigte Hochschulambulanzen iS des § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V zu beziehen. Daraus folgt einerseits, dass nicht nur zugelassene Vertragsärzte, sondern auch ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen einschließlich der ermächtigten Hochschulambulanzen im Jahr 2005 grundsätzlich zur Überweisung berechtigt waren. Andererseits mussten diese die sich aus den vertraglichen Bestimmungen zur ärztlichen Überweisung ergebenden Beschränkungen gegen sich gelten lassen.

15

a. Die in den Bundesmantelverträgen getroffenen Regelungen zu Überweisungen sind entgegen der Auffassung der Klägerin nicht mangels ausreichender Ermächtigungsgrundlage unwirksam. Das LSG hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die gesetzliche Grundlage in § 82 Abs 1 SGB V findet. Danach vereinbart die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KÄBV) mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen (seit der Änderung durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378: mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen) den allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge. Der inhaltliche Rahmen dieser Verträge ergibt sich aus dem gesetzlichen Auftrag in § 72 Abs 2 SGB V. Danach ist die vertragsärztliche Versorgung ua durch schriftliche Verträge der KÄVen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. § 82 Abs 1 SGB V kann als gesetzliche Grundlage für Vereinbarungen der Partner der Bundesmantelverträge nicht mit der Begründung in Frage gestellt werden, dass die Regelung nicht hinreichend bestimmt sei und dass es deshalb an der notwendigen demokratischen Legitimation für die Regelung eines Überweisungsvorbehaltes fehlen würde. Die Kriterien des Art 80 Abs 1 Satz 2 GG sind hier nicht anwendbar. Dessen Vorgabe, dass Ermächtigungsgrundlagen nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmt sein müssen, betrifft Rechtsverordnungen, aber nicht Vereinbarungen der Partner der Bundesmantelverträge und Regelungen in den Bewertungsmaßstäben. Daher bedarf es für die im SGB V vorgesehene Normsetzung durch Verträge keiner gemäß Art 80 Abs 1 Satz 2 GG eng umrissenen gesetzlichen Grundlage (BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 21 ff). Das steht allerdings einer Anwendung der in Art 80 Abs 1 Satz 2 GG genannten Maßstäbe bei der Bestimmung des Gestaltungsspielraums des untergesetzlichen Normgebers insbesondere bei Regelungen mit intensiverem Bezug zu Grundrechten nicht generell entgegen. Dem entsprechend hat der Senat im Rahmen der Prüfung von auf § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 9 iVm § 101 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V beruhenden Bestimmungen der Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) die gesetzlichen Ermächtigungen darauf hin untersucht, ob sie Inhalt Zweck und Ausmaß der vom GBA zu treffenden Entscheidungen in ausreichendem Maße vorgeben und die wesentlichen Fragen selbst regeln(BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 11 RdNr 35). Die in dem entschiedenen Fall zu beurteilenden Bestimmungen zur Bedarfsplanung haben einen intensiven Bezug zur grundrechtlich geschützten Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung; ein vergleichbarer Grundrechtsbezug besteht nicht bei den Regelungen des BMV-Ä, die Überweisungen zum Gegenstand haben.

16

Grundsätzlich nicht zu beanstanden ist auch § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä in der seit dem 1.10.2013 geltenden Fassung (vgl DÄ 2013, A-1809). Danach sind Überweisungen durch ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen und ermächtigte Ärzte nur noch zulässig, soweit die Ermächtigung dies vorsieht; in der Ermächtigung sind die von der Überweisungsbefugnis umfassten Leistungen festzulegen. Auf diese Neufassung des BMV-Ä kommt es indes für die Beurteilung der Frage, ob die streitgegenständlichen Leistungen im Quartal II/2005 im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften erbracht und abgerechnet worden sind, nicht an. Im Übrigen soll die Neuregelung jedenfalls nach Auffassung der KÄBV nur für die ab dem 1.10.2013 neu ermächtigten Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen gelten (vgl DÄ 2013, A-2104). In der hier maßgebenden vor dem 1.10.2013 geltenden Fassung enthielt der BMV-Ä/EKV-Ä keine Vorschriften, die einer Überweisung durch die Hochschulambulanz an das klagende MVZ entgegensteht.

17

b. Das LSG hat sich zur Begründung seiner davon abweichenden Auffassung, nach der die Überweisungen der Hochschulambulanzen an die Klägerin nicht zulässig gewesen seien, auf § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 4 EKV-Ä in der hier maßgebenden vom 1.1.1995 (BMV-Ä, DÄ 1995 A-625, 632) bzw vom 1.7.1994 (EKV-Ä, DÄ 1994, A-1967, 1975) bis zum 30.9.2013 geltenden Fassung gestützt. Danach sind Überweisungen "durch eine ermächtigte Krankenhausfachambulanz" nicht zulässig, wenn die betreffenden Leistungen "in dieser Einrichtung erbracht werden können oder in Polikliniken und Ambulatorien als verselbstständigte Organisationseinheiten desselben Krankenhauses erbracht werden." Diese Regelung schränkt jedoch nicht die Überweisung durch Hochschulambulanzen, sondern allein die Überweisung durch "Krankenhausfachambulanzen" ein. Hochschulambulanzen werden in § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V legal definiert als Ambulanzen, Institute und Abteilungen der Hochschulkliniken, die auf Verlangen von Hochschulen oder Hochschulkliniken zur ambulanten ärztlichen Behandlung der Versicherten und der in § 75 Abs 3 SGB V genannten Personen zu ermächtigen sind. Diese Hochschulambulanzen sind keine Krankenhausfachambulanzen iS des § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 4 EKV-Ä.

18

Die Bedeutung des Begriffs der Krankenhausfachambulanz erschließt sich entgegen der Auffassung des LSG nicht aus der isolierten Betrachtung der Wortbestandteile "Krankenhaus", "Fach" bzw "fachspezifisch" und "Ambulanz". Vielmehr kann der Sinngehalt nur dem gesamten Wort "Krankenhausfachambulanz", dem Zusammenhang, in dem es verwendet wird, und dem historischen Kontext, in dem diese Regelung in den BMV-Ä eingefügt wurde, entnommen werden.

19

aa. Während die ambulante Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland vor der Wiedervereinigung überwiegend durch niedergelassene Ärzte sichergestellt wurde, waren dafür in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) überwiegend ärztlich geleitete Einrichtungen insbesondere in Gestalt von Polikliniken und Ambulatorien (vgl DDR-Handbuch, 3. Aufl 1985, Band 1 S 557, 560) daneben aber auch Abteilungen von Krankenhäusern zuständig, die als Krankenhausambulanz, Fachambulanz (BSG SozR 3-2500 § 311 Nr 6 S 44; SozR 4-2500 § 311 Nr 1 RdNr 15, 18, 22; BSGE 75, 226, 230 = SozR 3-2500 § 311 Nr 3 S 21) oder auch als Krankenhausfachambulanz (vgl BSG Urteil vom 5.11.1997 - 6 RKa 94/96 - MedR 1998, 227, 229; vgl Wasem, Vom staatlichen zum kassenärztlichen System: eine Untersuchung des Transformationsprozesses der ambulanten ärztlichen Versorgung in Ostdeutschland, 1997, S 83 ff, 99, 203, 251) bezeichnet wurden. Im Unterschied zu Polikliniken und Ambulatorien, die zwar vielfach mit Krankenhäusern institutionell und organisatorisch verbunden waren, aber selbstständige Organisationseinheiten bildeten, waren die Fachambulanzen bzw Krankenhausfachambulanzen den ehemals staatlichen Krankenhäusern in der DDR unmittelbar angegliedert (vgl BSGE 75, 226, 229 f = SozR 3-2500 § 311 Nr 3 S 20; BSG Urteil vom 5.11.1997 - 6 RKa 94/96 - MedR 1998, 227, 229). Daran anknüpfend sah § 2 Krankenkassen-Vertragsgesetz vom 13.9.1990 (GBl DDR 1990 I S 1533) vor, dass neben Kassen(zahn)ärzten auch "Polikliniken und Ambulatorien mit angestellten Fachärzten" zur "Aufrechterhaltung der ambulanten ärztlichen Versorgung … durch bestehende … Gesundheitseinrichtungen" sowie "Fachambulanzen an Krankenhäusern jeglicher Trägerschaft" die ambulante Versorgung in der DDR sicherstellen. Die Vorschriften des Krankenkassen-Vertragsgesetzes vom 13.9.1990 wurden jedoch nicht mehr umgesetzt, sondern durch die weitere politische Entwicklung mit der Wiedervereinigung überholt. Die Übergangsregelung des § 311 Abs 2 Satz 1 SGB V idF des Einigungsvertrages, die eine Zulassung von Gesundheitseinrichtungen aus den neuen Bundesländern kraft Gesetzes vorsah, erfasste - anders als § 2 Krankenkassen-Vertragsgesetz - zunächst ausschließlich Polikliniken und Ambulatorien, nicht jedoch die als Fachambulanzen oder Krankenhausfachambulanzen bezeichneten unselbstständigen Krankenhausabteilungen, die zwar unter den Bedingungen des Gesundheitswesens der DDR ebenfalls ambulante Behandlungen erbrachten, jedoch in organisatorischer und personeller Hinsicht in den Klinikbetrieb eingebunden waren(vgl BSGE 75, 226, 228 ff = SozR 3-2500 § 311 Nr 3 S 19 ff).

20

Bezogen auf die Einrichtungen nach § 311 Abs 2 SGB V bestimmte § 6 Abs 1 Anhang zum BMV-Ä(DÄ 1991, A-51 f) sowie § 6 Abs 1 Anhang zum EKV-Ä(DÄ 1991, A-138 f) in der ab 1.1.1991 geltenden Fassung, dass Überweisungen nicht zulässig sind, wenn diese Leistungen in diesen Einrichtungen erbracht werden können. Bei den Einrichtungen nach § 311 Abs 2 SGB V handelt es sich nach § 3 Abs 1 Satz 2 des Anhangs um Polikliniken einschließlich ihrer Außenstellen (zB Dispensaire), selbstständige Polikliniken sowie Polikliniken als verselbstständigte Organisationseinheiten in Krankenhäusern (mit eigenem Haushalts- und Stellenplan, hauptamtlichem Leiter, hauptamtlichen Ärzten).

21

Mit der Novellierung durch das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung - Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) wurde der Anwendungsbereich des § 311 Abs 2 SGB V erweitert, indem diabetologische, nephrologische, onkologische und rheumatologische Ambulanzen mit Dispensaireauftrag in die Übergangsregelung einbezogen wurden(zu Fachambulanzen in kirchlicher Trägerschaft vgl BSGE 74, 64 = SozR 3-2500 § 311 Nr 2; SozR 3-2500 § 311 Nr 5). Der Gesetzesänderung waren Diskussionen auch im Bereich der Ärzteschaft vorausgegangen, in denen Bedenken gegen die Einbeziehung dieser Fachambulanzen in die für das Beitrittsgebiet geltende Übergangsregelung des § 311 Abs 2 SGB V und damit deren Zulassung kraft Gesetzes geäußert und die Auffassung vertreten wurde, dass eine bedarfsabhängige Ermächtigung von Krankenhausfachambulanzen in den neuen Bundesländern ausreichend sei. Dabei wurde der Begriff der Krankenhausfachambulanz soweit ersichtlich ausschließlich mit Bezug auf die Fachambulanzen an Krankenhäusern im Beitrittsgebiet verwendet (vgl zB DÄ 1992, A-1206 mit dem Titel "Krankenhausfachambulanzen, Von Wettbewerb kann keine Rede sein" oder DÄ 1992, A-1936: "Krankenhausfachambulanzen, 'Ein Kuckucksei für niedergelassene Ärzte' "; vgl auch Wasem, Vom staatlichen zum kassenärztlichen System: eine Untersuchung des Transformationsprozesses der ambulanten ärztlichen Versorgung in Ostdeutschland, 1997, S 251 mit Hinweis auf ein Schreiben der KBV an das Bundesministerium für Gesundheit vom 1.8.1991, in dem die Position vertreten wird, dass "Krankenhausfachambulanzen jedweder Trägerschaft … vom Anwendungsbereich des § 311 Abs 2 SGB V ausgenommen seien).

22

Mit Wirkung zum 1.7.1994 (EKV-Ä) bzw zum 1.1.1995 (BMV-Ä) wurden die seit dem 1.1.1991 geltenden Bundesmantelverträge einschließlich der jeweils als Anlage 1 vereinbarten Übergangsregelungen für die neuen Bundesländer durch neue Vereinbarungen abgelöst. Bestandteil dieser Neuregelung waren § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 4 EKV-Ä, die die oben dargestellte Überweisungsbeschränkung für "ermächtigte Krankenhausfachambulanzen" zum Gegenstand hatten. Vor dem Hintergrund insbesondere der Diskussion, die um die Änderung des § 311 Abs 2 SGB V durch das GSG geführt worden war, kann der Begriff der Krankenhausfachambulanz in diesem Zusammenhang nur dahin verstanden werden, dass die unselbstständigen "Fachambulanzen" an den ehemals staatlichen Krankenhäusern in den neuen Bundesländern gemeint waren.

23

bb. Für dieses Verständnis spricht auch, dass der Begriff der Krankenhausfachambulanz in § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 4 EKV-Ä im Kontext mit "Polikliniken und Ambulatorien als verselbstständigte Organisationseinheiten" verwendet wird. Auch das LSG zieht nicht in Zweifel (S 11 f des Urteils), dass diese Wendung auf einen Zusammenhang mit den Gesundheitseinrichtungen der DDR und der dazu im Zuge der Wiedervereinigung getroffenen Übergangsregelung des § 311 Abs 2 SGB V hinweist, in der - vor der Ergänzung um den Begriff der Arztpraxis durch das GSG - dasselbe Begriffspaar verwendet worden war. Mit der Unterscheidung zwischen den (unselbstständigen) Krankenhausfachambulanzen und "Polikliniken und Ambulatorien als verselbstständigte Organisationseinheiten" bezieht sich die Regelung deutlich erkennbar auf die aus der DDR bekannten Strukturen im Gesundheitswesen. Hinweise dafür, dass mit dem Begriff der "Poliklinik" hier die früher in Westdeutschland so bezeichneten Hochschulambulanzen gemeint gewesen sein könnten, vermag der Senat dagegen nicht zu erkennen. Ferner sind keine Hinweise dafür ersichtlich, dass die Regelung des § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 4 EKV-Ä auf das Urteil vom 28.10.1992 (6 RKa 28/90) reagiert haben könnte, in dem der Senat entschieden hat, dass weder eine gesetzliche noch eine bundesmantelvertragliche Grundlage für eine Einschränkung der Überweisungsbefugnis von Hochschulkliniken (damals: Polikliniken) existiere. Aus Sicht des Senats spricht deshalb alles dafür, dass nicht nur die Begriffe "Polikliniken" und "Ambulatorien", sondern auch der Begriff der "Krankenhausfachambulanz" in § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 4 EKV-Ä allein auf die fortbestehenden Einrichtungen aus dem Gesundheitswesen der DDR zu beziehen sind.

24

cc. Auch die Systematik des BMV-Ä/EKV-Ä spricht dagegen, dass der Begriff der Krankenhausfachambulanz im Sinne eines Oberbegriffs verstanden werden könnte, der die Hochschulambulanz nach § 117 SGB V einschließt. Als ein solcher Oberbegriff ist im BMV-Ä/EKV-Ä der Begriff der "ermächtigten ärztlich geleiteten Einrichtung" etabliert (vgl zB § 4 Abs 1 BMV-Ä/§ 8 Abs 1, Abs 3 EKV-Ä). Dieser wird auch in Regelungen verwendet die die Überweisung betreffen (vgl § 24 Abs 1 Satz 1 BMV-Ä/§ 27 Abs 1 Satz 1 EKV-Ä). Dass in § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 4 EKV-Ä ein anderer Begriff - nämlich der der Krankenhausfachambulanz - Verwendung findet, spricht dagegen, dass damit das gleiche gemeint ist. Ebenso wenig spricht dafür, den Begriff der Krankenhausfachambulanz als gleichbedeutend mit dem Begriff der Poliklinik (§ 117 Abs 1 SGB V in der vor dem 1.1.2003 geltenden Fassung) oder der Hochschulambulanz (§ 117 Abs 1 in der Fassung des Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom 23.4.2002, BGBI I 2002, 1412) anzusehen.

25

dd. Zutreffend weist das LSG allerdings darauf hin, dass die Fachambulanzen, auf die sich die Übergangsregelung des § 311 Abs 2 Satz 1 SGB V idF des GSG erstreckt, nicht ermächtigt, sondern seit dem 1.1.1993 kraft Gesetzes zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen waren und dass diese Regelung zum Zeitpunkt der Vereinbarung des BMV-Ä bzw EKV-Ä in der seit 1.1.1995 (BMV-Ä) bzw 1.7.1994 (EKV-Ä) geltenden Fassung bereits in Kraft getreten war. Daraus kann nach Auffassung des Senats jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass in § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 4 EKV-Ä mit der Wendung "ermächtigte Krankenhausfachambulanz" keine ehemaligen Einrichtungen des Gesundheitswesens der DDR gemeint sind. So könnte mit der Formulierung dem Umstand Rechnung getragen worden sein, dass sich die Übergangsregelung des § 311 Abs 2 SGB V in der ab dem 1.1.1993 geltenden Fassung nicht auf alle Fachambulanzen erstreckte, sondern ausschließlich auf die diabetologischen, nephrologischen, onkologischen und rheumatologischen Fachambulanzen mit Dispensaireauftrag sowie solche in kirchlicher Trägerschaft (vgl BSGE 75, 226, 227 = SozR 3-2500 § 311 Nr 3 S 18). Fachambulanzen, die nicht unter die Übergangsregelung des § 311 Abs 2 SGB V fielen, wurden teilweise zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt, wobei die Voraussetzungen umstritten waren(vgl Wasem, Vom staatlichen zum kassenärztlichen System: eine Untersuchung des Transformationsprozesses der ambulanten ärztlichen Versorgung in Ostdeutschland, 1997, S 202 f). Aus Sicht des Senats kann jedoch auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Verwendung des Begriffs der Ermächtigung in der Sache unzutreffend war und dass die Vertragsparteien die zum 1.1.1993 in Kraft getretene Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 311 Abs 2 SGB V auf bestimmte Fachambulanzen an Krankenhäusern in den neuen Bundesländern unberücksichtigt gelassen haben. Im vorliegenden Zusammenhang kommt es darauf nicht an. Jedenfalls kann allein aus dem Umstand, dass § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä/§ 27 Abs 2 Satz 4 EKV-Ä auf ermächtigte und nicht auf zugelassene Krankenhausfachambulanzen abstellt, nicht der Schluss gezogen werden, dass die Regelung für ermächtigte Hochschulambulanzen iS des § 117 Abs 1 SGB V gelten würde.

26

ee. Entgegen der Auffassung des LSG können auch dem Urteil des Senats vom 26.1.2000 (B 6 KA 47/98 R - SozR 3-2500 § 311 Nr 6) keine Hinweise dafür entnommen werden, dass Hochschulambulanzen als Fachambulanzen iS des § 311 Abs 2 Satz 1 SGB V anzusehen wären. Die genannte Entscheidung des Senats hatte die Frage zum Gegenstand, ob sich die Vergütung von Fachambulanzen iS des § 311 Abs 2 SGB V nach den für Hochschulambulanzen geltenden Grundsätzen richtet, wenn Träger einer solchen Fachambulanz eine Hochschule ist. Diese Frage hat der Senat bejaht, damit aber nicht die Aussage verbunden, dass Fachambulanzen iS des § 311 Abs 2 SGB V Hochschulambulanzen seien, sondern dargelegt, dass Hochschulen auch Träger von Einrichtungen nach § 311 Abs 2 SGB V sein können. Dadurch werden diese Einrichtungen jedoch nicht zu Hochschulambulanzen iS des § 117 Satz 1 SGB V. Grundlage der Zulassung von im Beitrittsgebiet bestehenden Fachambulanzen bleibt § 311 Abs 2 SGB V. Erst recht lässt die Entscheidung nicht den vom LSG gezogenen Umkehrschluss zu, dass Hochschulambulanzen damit Fachambulanzen iS des § 311 Abs 2 SGB V sein müssten. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Senat seine Rechtsprechung, nach der sich die Vergütung von Fachambulanzen iS des § 311 Abs 2 SGB V nach den für Hochschulambulanzen (damals: "Polikliniken") geltenden Grundsätzen richtet, nicht auf die - hier maßgebende - seit dem 1.1.2003 geltende Rechtslage übertragen hat (BSG SozR 4-2500 § 311 Nr 1).

27

3. Aus dem Umstand, dass die Bundesmantelverträge in der hier maßgebenden, vor dem 1.10.2013 geltenden Fassung keine Regelung enthalten, die einer Überweisung durch die Hochschulambulanzen des Universitätsklinikums entgegenstehen, folgt indes nicht notwendig, dass die Überweisungen an das klagende MVZ zulässig waren. Vielmehr ist nicht auszuschließen, dass solche Beschränkungen Inhalt von Verträgen nach § 117 Abs 1 Satz 3 SGB V(a.) oder der nach § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V erteilten Ermächtigung(b.) der Hochschulambulanz sind. Ferner kann eine im vorliegenden Zusammenhang relevante Einschränkung der Befugnis zur Überweisung aus einer getroffenen Vereinbarung zur Vergütung der Leistungen des Universitätsklinikums D in pauschalierter Form nach § 120 Abs 3 Satz 1 SGB V folgen(c.). Dazu hat das LSG - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen getroffen.

28

a. Gemäß § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V ist der Zulassungsausschuss auf Verlangen von Hochschulen oder Hochschulkliniken verpflichtet, die Hochschulambulanzen zur ambulanten ärztlichen Behandlung der Versicherten und der in § 75 Abs 3 SGB V genannten Personen zu ermächtigen. Auf die Ermächtigung besteht ein Rechtsanspruch, der nicht von einer Bedarfsprüfung abhängt. Gemäß § 117 Abs 1 Satz 2 SGB V ist die Ermächtigung so zu gestalten, dass die Hochschulambulanzen die Untersuchung und Behandlung in dem für Lehre und Forschung erforderlichen Umfang durchführen können. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die inhaltliche Gestaltung der Ermächtigung und die quantitative Begrenzung allein an den Bedürfnissen von Forschung und Lehre und nicht am Ziel der Sicherstellung einer ausreichenden vertragsärztlichen Versorgung auszurichten (vgl BSGE 82, 216, 221 = SozR 3-5520 § 31 Nr 9 S 37 f; BSG SozR 3-5540 § 5 Nr 4 S 17 f; BSG SozR 4-2500 § 117 Nr 1 RdNr 35; Knittel in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand: September 2013, § 117 SGB V RdNr 7). Das Nähere zur Durchführung der Ermächtigung regeln nach § 117 Abs 1 Satz 3 SGB V die KÄVen im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen(vor der Änderung durch das GKV-WSG mWv 1.7.2008: Verbänden der Ersatzkassen) gemeinsam und einheitlich durch Vertrag mit den Hochschulen oder Hochschulkliniken.

29

Auch wenn die nach § 117 Abs 1 SGB V ermächtigten Hochschulambulanzen allein im Interesse von Forschung und Lehre ermächtigt werden, wirken sie an der Versorgung der Versicherten mit(vgl BSGE 104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7, RdNr 18). Die Hochschulen nehmen insoweit Aufgaben der Krankenversorgung wahr (vgl BVerfGE 57, 70, 95 f). Die Leistungen der Hochschulambulanzen stellen auch medizinisch notwendige Behandlungen dar. Bezogen auf den einzelnen Behandlungsfall ist eine Abgrenzung des Forschungs- und Lehranteils nicht möglich (BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 8 S 43 f). Die Leistungen der Hochschulambulanzen sind insgesamt Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 20 RdNr 21) und leisten dazu faktisch einen wesentlichen Beitrag (vgl Lauterbach, ua, Bestandsaufnahme der Rolle von Ambulanzen der Hochschulkliniken in Forschung, Lehre und Versorgung an ausgewählten Standorten, Gutachten im Auftrag des BMBF, 2003; Beeretz in: Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltsverein, 2008, S 283 ff; Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Weiterentwicklung der ambulanten Universitätsmedizin in Deutschland vom 2.7.2010, S 24 f, im Internet abrufbar unter http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/10052-10.pdf). Auch Hochschulambulanzen haben ihre Leistungen im Rahmen und nach den Regeln der vertragsärztlichen Versorgung und unter Beachtung der Regeln der ärztlichen Kunst (vgl § 76 Abs 4 SGB V) zu erbringen.

30

Daraus folgt, dass Hochschulambulanzen die Möglichkeit haben müssen, Patienten zu überweisen, wenn sie zB erforderliche diagnostische Untersuchungen nicht selbst erbringen können oder dürfen. Dies entspricht im Übrigen der berufsrechtlichen Verpflichtung, rechtzeitig andere Ärzte hinzuzuziehen oder ihnen den Patienten zur Fortsetzung der Behandlung zu überweisen, soweit dies für die Diagnostik und Therapie erforderlich ist (vgl Abschnitt C Nr 2 Musterberufsordnung 1997, entsprechend Abschnitt B § 7 Abs 3 Musterberufsordnung 1997 in der Fassung der Beschlüsse des 114. Deutschen Ärztetages 2011). Ferner besteht die Möglichkeit, dass bestimmte Leistungen durch den niedergelassenen Arzt kostengünstiger erbracht werden können. Soweit Labordiagnostik durch einen Arzt für Laboratoriumsmedizin erbracht wird, folgt die Erforderlichkeit einer Überweisung im Übrigen aus dem Umstand, dass ua diese Arztgruppe gemäß § 13 Abs 4 BMV-Ä nur auf Überweisung in Anspruch genommen werden kann.

31

Gleichwohl können Überweisungen von Hochschulambulanzen auch im Hinblick auf die Ausrichtung der Ermächtigung an den Bedürfnissen von Forschung und Lehre Beschränkungen unterworfen werden. So kann in den Verträgen nach § 117 Abs 1 Satz 3 SGB V geregelt werden, dass Leistungen, die intern, also durch die Hochschule bzw deren ermächtigte Hochschulambulanzen erbracht werden können, nicht durch Überweisung auf zugelassene Ärzte oder MVZen verlagert werden dürfen. Soweit der Senat mit Urteil vom 28.10.1992 (6 RKa 28/90) entschieden hat, dass die Befugnis von Hochschulambulanzen (nach damaliger Terminologie: "Polikliniken") zur Überweisung an zugelassene Ärzte durch den Poliklinikvertrag (heute: Hochschulambulanzvertrag nach § 117 Abs 1 Satz 3 SGB V) nicht wirksam beschränkt werden können, hält er daran nicht mehr fest. Die Entscheidung ist zu der Rechtslage unter Geltung der RVO ergangen. Ob die Rechtsprechung auf die Rechtslage unter Geltung des zum 1.1.1989 in Kraft getretenen SGB V übertragen werden kann, hat der Senat in seiner damaligen Entscheidung ausdrücklich offengelassen (aaO, Juris RdNr 27). Auch für die vorliegende Entscheidung kommt es darauf nicht an. Jedenfalls können die in dem Urteil vom 28.10.1992 entwickelten Maßstäbe nicht auf die Rechtslage seit der grundlegenden Neufassung der §§ 117, 120 SGB V mit dem FPG zum 1.1.2003 übertragen werden.

32

Die Leistungen der Hochschulambulanzen werden seit dem 1.1.2003 unmittelbar von den Krankenkassen und nicht mehr von der KÄV aus der Gesamtvergütung bezahlt. Bei Leistungen, die von einer Hochschulambulanz veranlasst werden, hängt die Vergütungspflicht der Krankenkasse davon ab, ob Einrichtungen der Hochschule selbst ("intern") oder ob andere zugelassene oder ermächtigte Ärzte oder Institutionen außerhalb der Hochschule ("extern") beauftragt werden. Der Pauschalierung nach § 120 Abs 3 Satz 1 SGB V können nur die Leistungen unterfallen, die "von den Hochschulambulanzen" erbracht werden, also nur die intern veranlassten Leistungen. Davon können Anreize ausgehen, möglichst viele Leistungen, die in der jeweils behandelnden Ambulanz nicht selbst erbracht werden können, extern zu veranlassen, um die Pauschalen nicht für die Kosten dieser Leistungen "einsetzen" zu müssen. Diese Anreize werden noch stärker, wenn der externe Überweisungsempfänger - wie hier - ein Tochterunternehmen der Hochschule ist, so dass es wirtschaftlich gesehen zu einer Zusatzvergütung - Pauschale und vertragsärztliches Honorar - kommen kann. Darauf durften die Vertragspartner des Hochschulambulanzvertrages nach § 117 Abs 1 Satz 3 SGB V auch schon im Jahr 2005 reagieren und vorgeben, in welchem Umfang Überweisungen an Leistungserbringer außerhalb der Hochschule oder Hochschulklinik zulässig sind. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darauf an, ob die einzelne Laboruntersuchung für Zwecke der Lehre notwendig ist. Dass der Forschungs- und Lehranteil jeder einzelnen Leistung konkret bestimmt werden kann, ist nicht erforderlich. Jedenfalls soweit "banale" Laboruntersuchungen im stationären Bereich der Universitätsklinik nicht in hinreichender Anzahl anfallen, müssen diese durch Hochschulambulanzen erbracht werden können, schon weil die dort studierenden oder weiterzubildenden Personen auch Erfahrungen mit der Durchführung solcher Untersuchungen machen müssen.

33

Zu der Frage, ob die Überweisung der streitgegenständlichen Laboruntersuchungen durch Regelungen des Hochschulambulanzvertrages ausgeschlossen sind, hat das LSG Feststellungen nicht getroffen. Nach dem Vorbringen der Beteiligten besteht allerdings Anlass zu Zweifeln, ob in dem hier maßgebenden Zeitraum überhaupt ein wirksamer Vertrag nach § 117 Abs 1 Satz 3 SGB V bestanden hat. Notwendiger Partner eines solchen Vertrages ist die KÄV. Soweit für den hier maßgebenden Zeitraum lediglich ein Vertrag der Hochschule mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen ohne Beteiligung der KÄV zustande gekommen sein sollte, kann es sich dabei um eine Vergütungsvereinbarung iS des § 120 Abs 2 Satz 2 SGB V, nicht jedoch um eine wirksame Vereinbarung zur Durchführung der nach § 117 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V erteilten Ermächtigung handeln.

34

b. Indes kann sich eine wirksame Einschränkung der Berechtigung zur Überweisung von Leistungen an externe Leistungserbringer außerhalb des Universitätsklinikums auch aus dem Inhalt der Ermächtigung nach § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V selbst ergeben. Für die Zeit seit dem 1.10.2013 folgt dies bereits aus der Neufassung des § 24 Abs 2 Satz 4 BMV-Ä, der die Zulässigkeit von Überweisungen davon abhängig macht, dass die Ermächtigung dies vorsieht. In dem hier maßgebenden Quartal II/2005 war die Überweisung durch ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen zwar noch nicht von einer positiven Regelung in der Ermächtigung abhängig. Jedenfalls für Hochschulambulanzen konnten jedoch bereits Einschränkungen der Befugnis zur Überweisung in der Ermächtigung wirksam geregelt werden. Das folgt zum einen aus § 117 Abs 1 Satz 2 SGB V. Danach ist die Ermächtigung so zu gestalten, dass die Hochschulambulanzen die Untersuchung und Behandlung der in § 117 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Personen in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang durchführen können. Zum anderen schreibt § 117 Abs 1 Satz 3 SGB V den Abschluss von Verträgen vor, in denen das Nähere zur Durchführung der Ermächtigung zu regeln ist, ohne einen - der Vorgängerregelung des § 368n Abs 3 Satz 7 RVO in der bis zum 31.12.1988 geltenden Fassung entsprechenden - Konfliktregelungsmechanismus für den Fall vorzusehen, dass der Vertrag nicht zu Stande kommt (Grühn in Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 117 RdNr 11; Hencke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: September 2008: § 117 RdNr 5). § 89 SGB V bezieht sich nicht auf dreiseitige Verträge wie die Verträge nach § 117 Abs 1 Satz 3 SGB V, an denen Vertragspartner beteiligt sind, die durch die Mitglieder dieser Schiedsstelle nicht repräsentiert werden können(vgl Hencke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: September 2008, § 89 RdNr 5). Die Landesschiedsstelle nach § 114 SGB V entscheidet nur in den ihr nach dem SGB V zugewiesenen Aufgaben(§ 114 Abs 1 Satz 2 SGB V) - zu denen die Vereinbarung nach § 117 Abs 1 Satz 3 SGB V - nicht gehört. Daher muss die Möglichkeit bestehen, die erforderlichen Regelungen unmittelbar in die Ermächtigung aufzunehmen. Das LSG wird deshalb auch zu prüfen haben, ob die der Hochschulklinik erteilte Ermächtigung Regelungen enthält, die einer Überweisung von Laborleistungen an die Klägerin entgegengestanden haben.

35

c. Einschränkungen der Berechtigung zur externen Überweisung können sich ferner aus dem Inhalt der Vergütungsvereinbarung nach § 120 Abs 2 Satz 2 SGB V ergeben. Nach § 120 Abs 3 Satz 1 SGB V kann die Vergütung von Leistungen ua der Hochschulambulanzen pauschaliert werden. Von der Möglichkeit der Pauschalierung wird in der Praxis regelmäßig Gebrauch gemacht. Derartige Pauschalierungen können bezogen auf die davon umfassten Leistungen wie ein Überweisungsverbot wirken. Wenn etwa für Laboruntersuchungen, die von der behandelnden Ambulanz zwar nicht selbst, wohl aber hochschulintern erbracht werden können und dürfen, Bestandteil der Pauschale für den Behandlungsfall sind, versteht es sich von selbst, dass die damit verbundene Abgeltungswirkung dieser Pauschale nicht dadurch umgangen werden kann, dass ein Teil der bereits pauschal vergüteten Leistung extern überwiesen wird. Insofern gilt nichts Anderes als für Leistungen, die mit einer Fallpauschale nach dem DRG-Fallpauschalensystem abgegolten sind und die deshalb nicht Gegenstand der Ermächtigung eines Arztes zu einer ambulanten Behandlung sein können (vgl BSG SozR 4-2500 § 116 Nr 9).

36

Soweit die Überweisung von Laborleistungen an das MVZ nicht bereits durch den Hochschulambulanzvertrag oder aufgrund des Inhalts der Ermächtigung der Hochschulambulanzen ausgeschlossen ist, kommt es demnach für die Entscheidung darauf an, ob die an die Klägerin überwiesenen Laborleistungen Gegenstand einer Pauschale waren, die die Hochschulambulanz gegenüber den Krankenkassen abgerechnet hat. Das kann der Senat in dem für eine abschließende Entscheidung erforderlichen Umfang nicht klären. Es steht schon nicht fest, ob der in den Akten enthaltene für die Jahre 2001 und 2002 geschlossene Hochschulambulanzvertrag auch im Jahr 2005 fort galt. Zudem kann nach dem Vorbringen der Beteiligten nicht ausgeschlossen werden, dass der Vertrag einvernehmlich teilweise anders praktiziert worden ist, als es sich nach dem Wortlaut der Regelungen aufdrängt. Das könnte der Fall sein, wenn die Beklagte die externe Überweisung von Laborleistungen, die auch intern hätten erbracht werden können, erst dann beanstandet hat, als klar war, dass diese Überweisungen ausschließlich der Klägerin, also einer Tochter der Hochschulkliniken, zu Gute gekommen sind. Deshalb hält es der Senat hier für tunlich iS des § 170 Abs 2 Satz 2 SGG, den Rechtstreit an das LSG zur Klärung der vertraglichen Lage und gegebenenfalls der tatsächlich einvernehmlich praktizierten Umsetzung des Vertrags an das LSG zurückzuverweisen.

37

4. Der Senat stimmt dem LSG ausdrücklich dahingehend zu, dass der Klägerin kein Vergütungsanspruch zusteht, wenn die Überweisungen für Laborleistungen durch die Hochschulambulanzen nicht rechtmäßig waren. Die rechtliche und wirtschaftliche Verflechtung des Hochschulklinikums und der Klägerin schließt es aus, dass sich die Klägerin darauf berufen könnte, nicht gewusst zu haben, dass die Hochschulambulanzen nicht an sie überweisen durften. Insoweit liegen die Dinge hier deutlich anders als in dem am 28.10.1992 (6 RKa 28/90) vom Senat entschiedenen Fall. Dieses Urteil wird vor allem von der Erwägung getragen, dass die Radiologen, an die die Patienten überwiesen worden waren, keinen Anlass hatten, an der Rechtmäßigkeit der Überweisung zu zweifeln und dass deren Vertrauen deshalb zu schützen ist. Die Situation eines von der Hochschule gegründeten MVZ ist damit nicht vergleichbar.

38

5. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits auch im Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Streitig sind sachlich-rechnerische Richtigstellungen wegen Überschreitung der Gesamtpunktzahlvolumina in den Quartalen I/2006 bis IV/2007.

2

Die Klägerin, ein in E. befindliches Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), ist zur vertragsärztlichen Tätigkeit in den Fachgebieten Allgemeinmedizin und Innere Medizin zugelassen.

3

Mit Beschluss vom 21.11.2003 ließ der Zulassungsausschuss (ZA) zunächst die praktische Ärztin Dr. S. mit Wirkung vom 1.1.2004 zur vertragsärztlichen Tätigkeit zu und genehmigte ebenfalls mit Wirkung ab dem 1.1.2004 die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. R. und der Fachärztin für Innere Medizin Dr. Sch. gemäß § 101 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB V iVm § 33 Abs 2 Ärzte-ZV und Nr 23a-h der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (BedarfsplRL) im Rahmen eines Job-Sharing. Mit der Genehmigung war die Festsetzung quartalsbezogener Gesamtpunktzahlen verbunden, die bei der Abrechnung als Leistungsobergrenze maßgeblich sein sollten.

4

Mit Beschluss vom 1.10.2004 gab der ZA dem Antrag auf Zulassung der Klägerin, dem MVZ Dres. R. und Sch., mit Wirkung ab dem 1.10.2004 bzw ab Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides statt. Der Klägerin wurde gemäß § 95 Abs 1 iVm § 101 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB V die Genehmigung zur Beschäftigung von Dr. S. im Rahmen des sog Job-Sharing im Umfang von 40 Wochenstunden ab dem 1.10.2004 bzw ab Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides erteilt. In Analogie zu § 101 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB V wurde die Fortgeltung der in dem Beschluss vom 21.11.2003 festgelegten Gesamtpunktzahlvolumina bestimmt.

5

Die Genehmigung der Klägerin zur Beschäftigung von Dr. S. wurde seitens des Zulassungsausschusses für Ärzte mit Beschluss vom 17.12.2008 zum 31.12.2008 beendet.

6

Mit Honorarbescheid vom 17.7.2006 setzte die Beklagte für das Quartal I/2006 ein Honorar in Höhe von 112 358,41 Euro, mit Honorarbescheid vom 16.10.2006 für das Quartal II/2006 ein Honorar in Höhe von 108 662,73 Euro, mit Honorarbescheid vom 15.1.2007 für das Quartal III/2006 ein Honorar in Höhe von 100 482,95 Euro und für das Quartal IV/2006 mit Honorarbescheid vom 16.4.2007 ein Honorar in Höhe von 127 832,34 Euro fest. Für das Jahr 2007 wurde mit Honorarbescheid vom 16.7.2007 für das erste Quartal ein Honorar in Höhe von 118 908,23 Euro, für das zweite Quartal mit Honorarbescheid vom 15.10.2007 ein Honorar in Höhe von 116 497,95 Euro, für das dritte Quartal mit Honorarbescheid vom 15.1.2008 ein Honorar in Höhe von 103 078,41 Euro und für das vierte Quartal mit Honorarbescheid vom 15.4.2008 ein Honorar in Höhe von 130 572,06 Euro festgesetzt. Eine Berücksichtigung der Gesamtpunktzahlvolumina erfolgte jeweils nicht.

7

Unter dem 10.2.2009 erließ die Beklagte einen Bescheid, mit dem sie wegen Überschreitungen der Gesamtpunktzahlvolumina in den Quartalen I/2006 bis IV/2006 in einem Umfang von insgesamt 3.042.024,5 Punkten einen Betrag in Höhe von insgesamt 113 196,97 Euro zurückforderte. Für die Quartale I/2007 bis IV/2007 wurde mit Bescheid vom 10.3.2009 bei einer Punktzahlüberschreitung von 2.067.732,3 Punkten ein Betrag in Höhe von 84 104,76 Euro zurückgefordert.

8

Die Widersprüche der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 30.11.2009 zurück. Die Einhaltung der Obergrenzen werde aus technischen Gründen stets erst im Nachhinein überprüft. Die Obergrenzen seien aber bekannt gewesen, sodass ein schutzwürdiges Vertrauen nicht entstanden sei.

9

Das SG hat die Klage hiergegen mit Urteil vom 10.11.2011 abgewiesen. Die für die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Abrechnung zuständige Beklagte habe zu Recht eine Begrenzung der abrechenbaren Leistungsmenge angenommen. Diese ergebe sich aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 1.10.2004, der für die Beteiligten bindend sei. Eine Konstellation, in welcher im Falle einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung eines Honorarbescheides nach der Rechtsprechung des BSG Vertrauensschutz gewährt werden könne, liege nicht vor. Insbesondere sei dadurch, dass die Beklagte über längere Zeit hinweg das Honorar ohne Anwendung der Obergrenzen ausgezahlt habe, keine Situation entstanden, die mit der wissentlichen Duldung einer Leistungserbringung ohne die hierzu erforderliche Abrechnungsgenehmigung vergleichbar sei. Es sei zwar davon auszugehen, dass der Beklagten die für die Ermittlung der Überschreitung der Gesamtpunktzahlvolumina notwendigen Zahlen nicht erst bei Erlass der streitgegenständlichen Bescheide bekannt gewesen seien, gleichwohl habe die Klägerin hieraus nicht schließen dürfen, dass die Gesamtpunktzahlvolumina ganz entfallen seien.

10

Mit dem angefochtenen Urteil vom 24.10.2012 hat das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Aufgrund der Überschreitung der bestandskräftig festgesetzten Gesamtpunktzahlvolumina seien die Honorarbescheide für die Quartale I/2006 bis IV/2007 sachlich-rechnerisch unrichtig und daher von der Beklagten zu berichtigen gewesen. Es sei keine der Fallkonstellationen einschlägig, in denen nach der Rechtsprechung des BSG Vertrauensschutz zu gewähren sei. Die sachlich-rechnerische Richtigstellung könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt beanstandet werden, dass sich die Vorläufigkeit von Honorarbescheiden jeweils nur auf begrenzte Teile der Honorarforderung des Vertragsarztes beziehen dürfe. Umfasse die Rückforderung - wie vorliegend - wegen desselben Sachverhaltes mehrere Quartale, sei es nicht zu beanstanden, wenn der gemittelte Umfang der Überschreitung in den betroffenen Quartalen zugrunde gelegt werde; jedenfalls komme die Zugrundelegung eines höheren Toleranzwertes in Betracht. Nach der Rechtsprechung des BSG sei eine Größenordnung von 15 % noch als kleinerer Anteil zu werten, dieser Wert jedoch ausdrücklich nicht als Obergrenze festgelegt, sondern nur die Hälfte des sich aus dem Honorarbescheid ergebenden Betrages als inakzeptabel bezeichnet worden. Die vorliegend zwischen 16,84 % und 35,26 % liegenden Rückforderungen nötigten daher nicht dazu, die Richtigstellung den Anforderungen des § 45 SGB X zu unterwerfen. Die Praktizierung fehlerhafter Honorierung während einer längeren Zeit begründe für sich gesehen keinen Vertrauensschutz; hierfür sei nach der Rechtsprechung des BSG neben der Fallkonstellation, in der die Beklagte ihr Recht zur Richtigstellung bereits verbraucht habe, kein Raum. Selbst wenn eine der vorgenannten Fallgruppen einschlägig sei, könne dies für die Klägerin zu keinem positiven Ergebnis führen, weil den Vertragsärzten des klagenden MVZ jedenfalls die grob fahrlässige Unkenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Honorarberechnungen vorzuwerfen sei. Schließlich führe auch ein eventuelles Mitverschulden der Beklagten an den eingetretenen Überzahlungen nicht zu einem Vertrauensschutz des klagenden MVZ.

11

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. Die angefochtenen Bescheide seien schon formell rechtswidrig, da mangels Anhörung ein Verstoß gegen § 24 Abs 1 SGB X vorliege, der nicht gemäß § 41 SGB X geheilt worden sei. Für eine Nachholung genüge nicht, wenn nur innerhalb des Widerspruchsverfahrens die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werde; ein Anhörungsschreiben habe sie zu keinem Zeitpunkt erhalten. Die streitgegenständlichen Bescheide seien aber auch materiell rechtswidrig. In der Rechtsprechung des BSG sei anerkannt, dass Vertrauensschutzgesichtspunkte greifen, wenn ein ausschließlich in die Risikosphäre der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) fallendes fehlerhaftes Verhalten vorliege und kein Hinweis auf eine etwaige Problematik erteilt worden sei. Der Beklagten sei aufgrund der Beteiligung an dem Verfahren vor dem ZA bekannt gewesen, dass eine Job-Sharing-Konstellation vorgelegen habe und folglich Gesamtpunktzahlvolumina zu berücksichtigen seien. Sie sei daher nach der Rechtsprechung verpflichtet gewesen, darauf hinzuweisen, dass bei Erlass der Honorarbescheide die Gesamtpunktzahlvolumina keine Anwendung gefunden hätten. Zudem habe die sachlich-rechnerische Berichtigung nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X vorgenommen werden können, weil nicht nur ein "kleinerer Anteil" von 15 % der Honorarforderung betroffen gewesen sei. Unter Zugrundelegung der abgerechneten Punkte, nicht der Eurobeträge, seien im Jahr 2006 Anteile zwischen 23,97 % und 35,26 % betroffen gewesen. Gemessen am Gesamthonorar habe die Rückforderung einen Anteil von 25,19 % erfasst. Gleiches gelte im Ergebnis für das Kalenderjahr 2007, in dem zwischen 24,64 % und 16,84 % der abgerechneten Punkte gekürzt worden seien. Bezogen auf das Gesamthonorar habe der Rückforderungsbetrag in Höhe von 84 104,76 Euro einen Anteil von 17,93 % ausgemacht. Es sei damit kein "kleinerer Anteil" mehr betroffen. Zudem sei das LSG im Rahmen seiner Hilfserwägungen zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie, die Klägerin, die Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide gekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Zutreffend sei zwar, dass ihr die Grenzleistungsvolumina bekannt gewesen seien. Jedoch sei ihr nicht bekannt gewesen, dass die Beklagte diese bei Erlass der Honorarbescheide nicht beachtet habe. Dies sei auch nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen.

12

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Oktober 2012 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. November 2011 sowie die Bescheide der Beklagten vom 10. Februar 2009 und 10. März 2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 30. November 2009 aufzuheben.

13

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

14

Sie verteidigt die Urteile des SG und des LSG. Die fehlende Anhörung sei durch Nachholung im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Die streitgegenständlichen Bescheide seien auch materiell rechtmäßig. Es sei keine der Fallgruppen einschlägig, in denen nach der Rechtsprechung des BSG im Falle der sachlich-rechnerischen Richtigstellung von Honorarbescheiden Vertrauensschutz gewährt werden könne. Die Berichtigungsbefugnis sei auch nicht deshalb beschränkt gewesen, weil sich die Vorläufigkeit von Honorarbescheiden nur auf "kleinere Anteile" der Honorarforderung beziehen dürfe. Das BSG habe offen gelassen, ob diese Begrenzung überhaupt für alle Fälle sachlich-rechnerischer Richtigstellungen gelte. Jedenfalls habe das LSG zutreffend ausgeführt, dass die Rechtsprechung des BSG nicht auf Fälle übertragbar sei, in denen der Fehler der Sphäre des Vertragsarztes zuzurechnen sei.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Beklagte war berechtigt, die Abrechnungen der Klägerin sachlich-rechnerisch richtig zu stellen, weil sie die für ihre Job-Sharing-Praxis geltenden Gesamtpunktzahlvolumina in den streitbefangenen Quartalen überschritten hat.

16

1. Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf ein Urteil des 4. Senats des BSG vom 9.11.2010 (B 4 AS 37/09 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 2) das Fehlen der erforderlichen Anhörung rügt, greift dies nicht durch. Zwar ist die Klägerin vor Erlass der Richtigstellungsbescheide nicht angehört worden, die Anhörung ist aber mit dem Widerspruchsverfahrens nachgeholt worden. Eine Heilung des Verfahrensmangels kann nach den mit der Anhörung verfolgten Funktionen noch während des Widerspruchsverfahrens erfolgen, wenn dem Betroffenen während des Vorverfahrens - zB durch Einlegung des Widerspruchs - hinreichende Gelegenheit gegeben worden ist, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (BSG, aaO, RdNr 17 unter Bezugnahme auf BSGE 89, 111, 114 = SozR 3-1300 § 1 Nr 1; BSG SozR 4-1300 § 24 Nr 1). Für die Nachholung der fehlenden Anhörung während eines gerichtlichen Verfahrens hat der 4. Senat in der genannten Entscheidung gefordert, dass sichergestellt wird, dass die Nachholung der Verfahrenshandlung sich in einer dem Anhörungsverfahren möglichst vergleichbaren Situation vollzieht. Die Beklagt hat der Klägerin hier in den Ausgangsbescheiden alle entscheidungserheblichen Haupttatsachen mitgeteilt, sodass sie durch Einlegung des Widerspruchs hinreichend Gelegenheit hatte, sich zu diesen zu äußern.

17

2. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung und Rückforderung ist § 106a Abs 2 Satz 1 SGB V(in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetztes vom 14.11.2003 , insofern in der Folgezeit unverändert). Danach stellt die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 SGB I in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 SGB X verdrängen(stRspr, zB BSGE 89, 62, 66 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42 S 345 f und BSGE 89, 90, 93 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6 f; BSG SozR 4-5520 § 32 Nr 2 RdNr 10; BSGE 96, 1, 2 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 12). Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus(BSG SozR 3-2500 § 76 Nr 2 S 3; BSGE 89, 62, 75 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42 S 355; BSGE 96, 1, 3 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 11; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 12; aaO, Nr 3 RdNr 18).

18

Die Tatbestandsvoraussetzung für eine nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellung nach § 106a Abs 2 Satz 1 SGB V ist vorliegend erfüllt, weil die verbindlich festgesetzten Gesamtpunktzahlvolumina nicht berücksichtigt wurden und daher die Honorarbescheide für die streitbefangenen Quartale rechtswidrig sind. In wessen Verantwortungsbereich die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt, ist unerheblich; einzige tatbestandliche Voraussetzung ist die Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides (vgl BSGE 93, 69, 71 = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 7 - hierzu Engelhard, jurisPR-SozR 44/2004 Anm 1).

19

Der ZA hat auf der Grundlage von Abschnitt 4a Nr 23a ff BedarfsplRL (idF vom 8.1.1999, BAnz Nr 61 S 5243 vom 30.3.1999; seit der Neufassung vom 15.2.2007 mit Wirkung ab dem 1.4.2007, BAnz Nr 64 S 3491 vom 31.3.2007, §§ 23a ff; zur weiteren BedarfsplRL-Änderung, die am 1.1.2013 in Kraft getreten ist, siehe die Neufassung der BedarfsplRL vom 20.12.2012, BAnz vom 31.12.2012, Bekanntmachung Nr 7, mit Neunummerierung der §§ 23a-23m als §§ 40-47, 58-62)mit Beschluss vom 1.10.2004 die Gesamtpunktzahlvolumina für die Job-Sharing-Praxis festgelegt (vgl zur Berechnung der Leistungsbegrenzung BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 12 RdNr 21 ff). Diesen Beschluss hat die Klägerin nicht angegriffen, sodass Bestandskraft eingetreten ist. Auch die Beklagte, die den Honoraranspruch des Vertragsarztes festsetzt, ist an die bestandskräftige Beschränkung des Leistungsumfangs aufgrund der Genehmigung der Anstellung einer Ärztin in der Praxis der Klägerin unter Job-Sharing-Bedingungen gebunden.

20

Die verbindlich festgesetzten Gesamtpunktzahlvolumina hat die Klägerin in den streitbefangenen Quartalen überschritten. Die Überschreitungen der Gesamtpunktzahlvolumina in Höhe von insgesamt 3 042 024,5 Punkten für das Jahr 2006 und 2.067.732,3 Punkten für das Jahr 2007 wurden in den Honorarbescheiden zunächst nicht berücksichtigt.

21

3. Die Befugnis der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der fehlerhaften Honorarbescheide war auch nicht durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes eingeschränkt.

22

a) Der Vertragsarzt kann nach der Rechtsprechung des Senats auf den Bestand eines vor einer endgültigen Prüfung auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit erteilten Honorarbescheides grundsätzlich nicht vertrauen (stRspr zB BSG SozR 3-2500 § 76 Nr 2 S 4; BSGE 89, 90, 94 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 7 mwN; zuletzt: BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 18). Die Auskehrung der Gesamtvergütungsanteile durch die KÄV im Wege der Honorarverteilung ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass diese quartalsmäßig auf die Honoraranforderungen ihrer Vertragsärzte hin Bescheide zu erlassen hat, ohne dass sie - aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen - die Rechtmäßigkeit der Honoraranforderungen hinsichtlich ihrer sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Leistungserbringung bereits umfassend überprüfen konnte. Die Berechtigung der KÄV zur Rücknahme rechtswidriger Honorarbescheide ist nicht auf die Berichtigung von Fehlern aus der Sphäre des Vertragsarztes beschränkt, sondern besteht umfassend, unabhängig davon, in wessen Verantwortungsbereich die allein maßgebliche sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt.

23

Die umfassende Berichtigungsbefugnis der KÄV, die den Besonderheiten und Erfordernissen der Honorarverteilung Rechnung trägt, ist daher im Hinblick auf den gebotenen Vertrauensschutz der Vertragsärzte zu begrenzen. Das gilt nach der Rechtsprechung des Senats sowohl für Unrichtigkeiten, die ihre Ursache in der Sphäre des Vertragsarztes finden, wie auch bei anderen Fehlern, etwa der Unwirksamkeit der generellen Grundlagen der Honorarverteilung. Insbesondere im letztgenannten Fall müssen die Interessen des einzelnen Arztes an der Kalkulierbarkeit seiner Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit einerseits und die Angewiesenheit der KÄV auf die Weitergabe nachträglicher Änderungen der rechtlichen Grundlagen der Honorarverteilung an alle Vertragsärzte andererseits zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht werden (BSGE 93, 69, 72 = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 9 mwN). Zur generellen Sicherstellung dieses Interessenausgleichs und damit zur Beurteilung der Frage, in welchen Konstellationen das Vertrauen des Vertragsarztes auf den Bestand eines rechtswidrigen, ihn begünstigenden Verwaltungsaktes schutzwürdig ist, hat der Senat Fallgruppen herausgearbeitet, in denen die Befugnis zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen aus Gründen des Vertrauensschutzes begrenzt ist (zusammenfassend BSGE 96, 1, 4 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14 ff mwN; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 16; vgl im Einzelnen zu den Fallgruppen Clemens, in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106a SGB V RdNr 189 ff; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: April 2012, K § 106a RdNr 33 ff; Harneit, in: Festschrift 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, 2008, 361, 366 ff; Knopp, Die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen, 2009, 180 ff).

24

b) Die nachträgliche Korrektur eines Honorarbescheids nach den Vorschriften über die sachlich-rechnerische Richtigstellung ist nicht mehr möglich, wenn die Frist von vier Jahren seit Erlass des betroffenen Honorarbescheids bereits abgelaufen ist (BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 16 mwN; vgl jüngst zur Hemmung der vierjährigen Ausschlussfrist BSG Urteil vom 12.12.2012 - B 6 KA 35/12 R - SozR 4-2500 § 106a Nr 10; vgl im Hinblick auf die Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V auch: BSG Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 27/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 37 RdNr 19 ff; Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 45/11 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 16 ff). Eine Rücknahme des Honorarbescheides ist nach Ablauf der Frist nur noch unter Berücksichtigung der Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs 2 Satz 3 iVm Abs 4 Satz 1 SGB X möglich. Diese Fallgruppe ist vorliegend nicht einschlägig, da ersichtlich die Frist von vier Jahren, die nach der Rechtsprechung des Senats am Tag nach der Bekanntgabe des Honorarbescheides beginnt (vgl BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 16; BSG Urteil vom 28.3.2007 - B 6 KA 26/06 R - Juris RdNr 16; BSGE 106, 222, 236 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 60 mwN), nicht abgelaufen ist.

25

c) Weiterhin ist die Befugnis der KÄV zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten eingeschränkt, soweit die KÄV ihre Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung bereits "verbraucht" hat, indem sie die Honoraranforderung des Vertragsarztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat (BSGE 89, 90, 98 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 11 f; bekräftigt in BSG Urteil vom 26.6.2002 - B 6 KA 26/01 R - Juris RdNr 19). In diesem Fall ist die jedem Honorarbescheid innewohnende spezifische Vorläufigkeit und damit die Anwendbarkeit der Berichtigungsvorschriften entfallen (vgl BSGE 93, 69, 74 = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 15). Auch eine solche Fallkonstellation ist hier nicht gegeben.

26

d) Darüber hinaus ist nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Vertrauensschutz der Vertragsärzte zu beachten, wenn die KÄV es unterlassen hatte, bei der Erteilung des Honorarbescheids auf ihr bekannte Ungewissheiten hinsichtlich der Grundlagen der Honorarverteilung oder ihrer Auslegung (BSGE 89, 62, 72 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42 S 352; BSGE 93, 69, 75 = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 16; BSG Urteil vom 26.6.2002 - B 6 KA 26/01 R - Juris RdNr 20) oder auf ein noch nicht abschließend feststehendes Gesamtvergütungsvolumen (BSGE 96, 1, 7 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 20)hinzuweisen und durch einen Vorläufigkeitshinweis zu manifestieren. Der Vorläufigkeitshinweis muss sich dabei nicht ausdrücklich aus dem Honorarbescheid selbst ergeben, es genügt vielmehr, dass sich der Vorbehalt aufgrund bestehender Ungewissheiten ausreichend deutlich aus den Gesamtumständen ergibt (zB BSGE 89, 62, 72 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42 S 352; BSG Urteil vom 26.6.2002 - B 6 KA 26/01 R - Juris RdNr 20; BSGE 96, 1, 7 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 20; BSGE 98, 169, 177 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 28). Hat die KÄV einen derartigen Hinweis in der notwendigen Form unterlassen, sind die Berichtigungsvorschriften zwar weiterhin anwendbar, wegen des durch das Verhalten der KÄV begründeten Vertrauensschutzes der Vertragsärzte ist für die Aufhebung eines Honorarbescheides aber nur Raum, wenn in entsprechender Anwendung des § 45 Abs 2 Satz 3 iVm Abs 4 Satz 1 SGB X Vertrauensausschlusstatbestände gegeben sind(BSGE 96, 1, 5 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 16). Eine solche Fallkonstellation liegt hier nicht vor. Im Hinblick auf den hier maßgeblichen Grund für die Richtigstellung, die Überschreitung der Gesamtpunktzahlvolumina, bestand bei Erlass der Honorarbescheide keine Ungewissheit im genannten Sinn. Weder waren die normativen Grundlagen der Honorarverteilung betroffen, noch Unsicherheiten im Hinblick auf das Gesamtvergütungsvolumen. Die Richtigstellung resultierte vielmehr aus Besonderheiten der Honorarbegrenzung für Job-Sharing-Praxen, über die bei Erlass der Honorarbescheide auch keine Unsicherheit bestand.

27

e) Schließlich ist die Richtigstellungsbefugnis der KÄV begrenzt, wenn die Besonderheiten der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen, die in der Rechtsprechung für die Verdrängung der Regelung des § 45 SGB X durch die Vorschriften über die sachlich-rechnerische Richtigstellung angeführt worden sind, nicht konkret tangiert sind(BSGE 93, 69, 76 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 18 ff; BSGE 96, 1, 6 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 26). Diese Fallgruppe erfasst die fehlerhafte Abrechnung im Einzelfall etwa infolge eines Rechenfehlers oder der versehentlichen Verwendung eines falschen Berechnungsfaktors. Auch in einem solchen Fall wird die Honorarberichtigung zwar nach den einschlägigen bundesmantelvertraglichen Regelungen durchgeführt, im Rahmen des Berichtigungsverfahrens sind indes die speziellen Vertrauensschutztatbestände des § 45 Abs 2 iVm Abs 4 SGB X entsprechend heranzuziehen(vgl BSGE 93, 69, 76 = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 18). Ein solcher Sachverhalt gibt keinen Anlass, von den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen abzuweichen, wonach die Behörde vorbehaltlich der besonderen Tatbestände des § 45 Abs 2 Satz 3 iVm Abs 4 SGB X das Risiko dafür trägt, dass sie einen für den Bürger günstigen Verwaltungsakt erlässt, der sich nachträglich als teilweise rechtswidrig erweist(BSGE 93, 69, 76 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 20). Eine Beschränkung der Richtigstellungsbefugnis der Beklagten ergibt sich auch unter diesem Gesichtspunkt nicht. Die Umsetzung der Bescheide der Zulassungsgremien über die Punktzahlobergrenzen nach Zulassungen oder Arztanstellungen unter Job-Sharing-Bedingungen in den Honorarbescheiden der vertragsärztlichen Praxen betrifft spezifische Umstände der Honorierung der vertragsärztlichen Leistungen. Die ursprünglichen Honorarbescheide der Beklagten gegenüber der Klägerin enthielten dementsprechend keinen Rechenfehler oder vergleichbare Defizite, die Beklagte hatte sie vielmehr bewusst - wie bei allen anderen Job-Sharing-Praxen - zunächst ohne Anwendung der Regelungen über die Leistungsgrenzen erstellt. Ob das für diese Vorgehensweise angeführte Argument einer Entlastung der Verwaltung bei der zeitnahen Erstellung der Honorarbescheide das Gewicht hat, das die Beklagte ihm zumisst, kann auf sich beruhen. Jedenfalls vollzog die Richtigstellung mit der Umsetzung der Folgen einer Überschreitung der Abrechnungsgrenzen einen komplexen Berechnungsschritt bei Festsetzung des vertragsärztlichen Honorars nach. Mit den in der Entscheidung des Senats vom 30.6.2004 (BSGE 93, 69, 76 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 20) angesprochenen individuellen Rechtsanwendungsfehlern ohne Bezug zu den Besonderheiten der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen hat das keine Berührungspunkte.

28

f) Ob daneben ein allgemeiner Vertrauensschutz weiterhin in Betracht kommt, wenn die KÄV die rechtswidrige Erbringung bestimmter Leistungen in Kenntnis aller Umstände längere Zeit geduldet hat, diese später jedoch insgesamt von einer Vergütung ausschließt, kann offen bleiben (vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 16, hieran anknüpfend: Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: April 2012, K § 106a RdNr 33e; ebenso Harneit, in: Festschrift 10 Jahre Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, 2008, 361, 370 ff; Knopp, Die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen, 2009, 181). Die bloße fehlerhafte Zahlung über einen längeren Zeitraum ist jedenfalls nicht geeignet, Vertrauensschutz zu begründen (BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 1 RdNr 24). Es würde ansonsten die 4jährige Ausschlussfrist, innerhalb der die KÄV fehlerhafte Abrechnungen berichtigen kann, leer laufen. Eine vergleichbare Situation mit der wissentlichen Duldung systematisch fachfremder Tätigkeit oder einer Leistungserbringung ohne die hierzu erforderliche Abrechnungsgenehmigung (vgl BSGE 89, 90, 102 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 14; BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 6 S 35) liegt nicht vor. Die Beklagte hat gegenüber allen Job-Sharing-Praxen zunächst Honorarbescheide ohne Berücksichtigung der Obergrenzen erteilt und später eine Neufestsetzung entsprechend der für die einzelne Praxis für das jeweilige Quartal maßgeblichen Punktzahlobergrenzen vorgenommen. Damit konnten für die betroffenen Praxen Unsicherheiten verbunden sein, insbesondere weil den ursprünglichen Honorarbescheiden kein Hinweis beigefügt war, wonach die Umsetzung der Punktzahlobergrenzen einem späteren Bescheid vorbehalten bleibe. Diese Verwaltungspraxis, die die Beklagte bereits seit längerem schon zugunsten einer quartalsgleichen Berücksichtigung der Leistungsgrenzen aufgegeben hat, rechtfertigt für die hier streitbefangenen Quartale jedoch nicht den Vorwurf eines widersprüchlichen Verhaltens. Ein solcher Vorwurf wäre nur gerechtfertigt, wenn die Beklagte zuvor einen Vertrauenstatbestand gesetzt hätte. Daran fehlt es aber. Die Begrenzung der Gesamtpunktzahl erfolgte im Zulassungsverfahren durch den Zulassungsausschuss und nicht die KÄV. Über diese Festsetzung kann die KÄV weder allein noch einvernehmlich mit dem Vertragsarzt disponieren. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die KÄV nach § 23f BedarfsplRL aF(heute § 45 BedarfsplRL) die Anpassungen der Gesamtpunktzahlvolumina vornimmt. Aus der Nichtberücksichtigung der Grenze bei der Honorarberechnung konnte mithin nicht gefolgert werden, dass die Punktzahlbegrenzung von der KÄV aufgehoben worden wäre. Nur dann hätte die KÄV sich mit der Richtigstellung aber zu ihrem früheren Verhalten in Widerspruch gesetzt.

29

g) Es besteht hier auch kein Anlass, über die in der Rechtsprechung des Senats anerkannten Konstellationen hinaus Vertrauensschutz zu gewähren. Ein Schutzbedürfnis der Klägerin, das mit demjenigen in den anerkannten Fallgruppen vergleichbar ist, besteht nicht.

30

4. Die Richtigstellung und Rückforderung kann schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt beanstandet werden, dass die Richtigstellung von Honorarbescheiden sich jeweils nur auf kleinere Anteile der Honorarforderung des Vertragsarztes beziehen darf. Der Senat hat in zwei Entscheidungen, in denen ein Vorläufigkeitsvorbehalt zu beurteilen war, mit dem die KÄV unter Berufung auf umstrittene Regelungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen alle Honorarbescheide versehen hatte, ausgeführt, dass sich die Vorläufigkeit des Honorarbescheides ihrem Gegenstand nach nur auf begrenzte Teile des Honorarbescheides bzw - wirtschaftlich betrachtet - kleinere Anteile der Honorarforderung des Vertragsarztes beziehen darf. Eine Vorläufigkeit, die es ermöglichen würde, das vertragsärztliche Honorar für ein bestimmtes Quartal auf die Hälfte des Betrages zu reduzieren, der sich aus dem Honorarbescheid zunächst ergibt, nähme diesem Bescheid den Charakter als Regelung des Honoraranspruchs des Vertragsarztes für ein Kalendervierteljahr, weil dem Arzt in der Sache lediglich eine Abschlagzahlung zugebilligt würde (BSGE 89, 62, 72 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42 S 352; BSG Urteil vom 26.6.2002 - B 6 KA 26/01 R - Juris RdNr 20). Diese Aussage bezieht sich indes allein auf pauschale Richtigstellungsvorbehalte (vgl BSGE 93, 69, 73 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 13; BSGE 89, 62, 72 = SozR 3-2500 § 85 Nr 42 S 352; BSGE 96, 1, 7 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 21; noch offengelassen im Beschluss vom 3.2.2010 - B 6 KA 22/09 B - Juris RdNr 16; ebenso Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: November 2011, K § 85 RdNr 153c). Nur in diesem Fall liegt eine allein dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuzurechnende Unsicherheit über die Höhe des zu leistenden Honorars vor, die nur in begrenztem Umfang an den Vertragsarzt weitergegeben werden darf. In allen anderen Fällen besteht eine solche Grenze nicht. Es liegt auf der Hand, dass die Beklagte nicht gehindert ist, etwa in Fällen umfangreicher Falschabrechnung die Abrechnung des Vertragsarztes in vollem Umfang und nicht nur hinsichtlich eines prozentualen Anteils richtigzustellen.

31

Ob hier ein "kleinerer Anteil" des Gesamthonorars im Sinne der Rechtsprechung des Senats betroffen war, kann mithin offenbleiben. Es spricht aber viel dafür, dass dies der Fall war. In der Rechtsprechung des Senats ist eine Größenordnung von 15 % noch als "kleinerer Anteil" gewertet worden (vgl BSGE 96, 1, 7 f = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 21 mwN). Dieser Wert wurde jedoch ausdrücklich nicht als Obergrenze bezeichnet. Die Frage, ab welchem Prozentsatz eine Rückforderung dem Honorarbescheid seinen Regelungscharakter nimmt, entzieht sich nach der Rechtsprechung des Senats vielmehr einer generellen Festlegung, weil insoweit die näheren Umstände in die Beurteilung einzubeziehen sind (BSG Beschluss vom 3.2.2010 - B 6 KA 22/09 B - Juris RdNr 18). Zudem ist es, wenn eine Rückforderung wegen desselben Sachverhalts mehrere Quartale umfasst, nicht zu beanstanden, wenn der Beurteilung nicht die einzelne Überschreitung im Quartal, sondern der gemittelte Umfang der Überschreitung über die betroffenen Quartale hinweg zugrunde gelegt wird. Jedenfalls käme in derartigen Fällen die Zugrundelegung eines höheren Toleranzwertes in Betracht (BSG aaO). Gemessen an den Euro-Beträgen lag der durchschnittliche Anteil der Rückforderung am Honorar im Jahr 2006 bei 25,19 % und im Jahr 2007 bei 17,93 %, bezogen auf den gesamten Zeitraum bei 21,56 %. Diese Werte dürften noch nicht als zu hoch angesehen werden.

32

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung des § 154 Abs 2 VwGO. Danach hat die Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. November 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 9. und 12.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Anfechtung einer Nachfolgezulassung durch einen Konkurrenten.

2

Von 1996 bis 2001 hatten die Beigeladenen zu 9. und zu 11. ihre Zusammenarbeit als radiologische Gemeinschaftspraxis genehmigen lassen; der Planungsbereich, in dem die Praxis liegt, ist wegen Überversorgung für Neuzulassungen von Radiologen gesperrt. Bei ihrer späteren Überprüfung sind das LSG und das BSG indessen - in ihren Urteilen vom 17.12.2008 und vom 23.6.2010 im Rahmen eines Honorarrückforderungsstreits - zum Ergebnis gekommen, es habe sich nicht um eine Gemeinschaftspraxis gehandelt: Der Beigeladene zu 11. habe nicht über die erforderliche berufliche und persönliche Selbstständigkeit verfügt, sondern sei faktisch Angestellter einer GbR gewesen, die aus dem Kläger, dem Beigeladenen zu 9. und Dr. M. bestanden habe. Insbesondere habe der Beigeladene zu 11. nicht das wirtschaftliche Risiko der Praxis mitgetragen und sei nicht am Wert der Praxis beteiligt gewesen (Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 17.12.2008 - MedR 2009, 497 = GesR 2009, 206, und des BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4). Der Kläger, der Beigeladene zu 9. und Dr. M. beendeten ihre Zusammenarbeit zum 31.12.2001 wegen Unstimmigkeiten.

3

Ab 2002 bis September 2003 war der Beigeladene zu 9. in Einzelpraxis tätig. Eine (erste) Ausschreibung zur Praxisnachfolge vom Juni 2002 zog er im August 2002 wieder zurück.

4

Im Jahr 2003 vereinbarten die Beigeladenen zu 9. und zu 11. eine gemeinsame Tätigkeit. Der Zulassungsausschuss genehmigte zum 1.10.2003 die Führung einer Gemeinschaftspraxis.

5

Im Januar 2004 beantragte der Beigeladene zu 9. die Ausschreibung seines Sitzes für eine Nachfolgebesetzung (Schreiben vom 15.1.2004 an die KÄV-Bezirksstelle). Die Ausschreibung durch die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) lautete auf einen Vertragsarztsitz "in Gemeinschaftspraxis" (s NdsÄrzteBl 2/2004). Der Beigeladene zu 9. erklärte den Verzicht auf seine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung - unter der Bedingung bestandskräftiger Nachbesetzung - (Schreiben vom 9.6.2004). Bei der Bewerberauswahl - dies ist der Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits - lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag des Klägers ab und bewilligte die Zulassung des Beigeladenen zu 10. (Beschlüsse/Bescheide vom 12.5./27.5.2004). Der beklagte Berufungsausschuss wies den Widerspruch des Klägers zurück (Beschlüsse/Bescheide vom 18.8./28.9.2004, mit Verschiebung des Beginndatums auf den 1.9.2004 wegen eines vom Beigeladenen zu 10. noch zu kündigenden Arbeitsverhältnisses). Zur Begründung ihrer Auswahl führten der Zulassungsausschuss und der Beklagte im Wesentlichen aus, dass gemäß § 103 Abs 4 iVm Abs 6 Satz 2 SGB V das Interesse des in der Gemeinschaftspraxis verbleibenden Partners angemessen zu berücksichtigen sei und dieser, der Beigeladene zu 11., sich dezidiert für eine Zusammenarbeit mit dem Beigeladenen zu 10. und gegen den Kläger ausgesprochen habe. Der Beklagte ordnete in seinem Bescheid zugleich die sofortige Vollziehung der Zulassung des Beigeladenen zu 10. an, sodass die Beigeladenen zu 10. und zu 11. ihre vertragsärztliche Tätigkeit bereits seit dem 1.9.2004 gemeinschaftlich ausüben konnten.

6

Der Kläger hat das SG erfolglos angerufen (Urteil vom 25.7.2007). Das LSG hat seine Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 10.11.2010). Das LSG hat ausgeführt, die Auswahl und Zulassung des Beigeladenen zu 10. könne nicht (mehr) beanstandet werden: Der Anwendung des § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V könne nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Beigeladenen zu 9. und 11. hätten die Gemeinschaftspraxis vor allem deshalb gegründet, damit dem Interesse des in der Praxis verbleibenden Arztes in einem beabsichtigten Nachbesetzungsverfahren maßgebliches Gewicht zukomme. Ausreichend sei, dass nunmehr zwischen den Beigeladenen zu 10. und 11. seit vielen Jahren tatsächlich eine Gemeinschaftspraxis geführt werde. Im Übrigen habe der Kläger aber auch dann keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Praxisnachfolge, wenn sein Vorbringen zugrunde gelegt werde, dass in Wahrheit keine Gemeinschaftspraxis bestanden, sondern der Beigeladene zu 9. eine Einzelpraxis betrieben habe. Für eine hierauf gründbare Praxisnachfolge fehle es jedenfalls an der dafür erforderlichen Ausschreibung des Vertragsarztsitzes des Beigeladenen zu 9. in Einzelpraxis; bisher sei nur eine Ausschreibung für eine Gemeinschaftspraxis erfolgt. Eine Neuausschreibung - nunmehr als Einzelpraxis - könne der Kläger gemäß den Maßstäben des BSG-Urteils vom 28.11.2007 nicht (mehr) beanspruchen: Nach mehr als sieben Jahren bestehe kein Ausschreibungsanspruch mehr; auch gebe es das Substrat der damaligen Praxis aufgrund durchgreifender Umwandlung der Praxisstruktur nicht mehr (Hinweis auf BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 22). Schließlich könne auch nicht in Betracht kommen, wenigstens die Zulassung des Beigeladenen zu 10. aufzuheben; insoweit fehle das Rechtsschutzinteresse des Klägers, der im Wege einer sog offensiven Konkurrentenklage selbst Inhaber der umstrittenen Rechtsposition werden wolle. Für eine bloße Anfechtung im Sinne einer nur defensiven Konkurrentenklage fehle es am Nachrang der angefochtenen Rechtsposition des Beigeladenen zu 10. Mit diesem Ergebnis sei der Kläger nicht etwa rechtsschutzlos geworden: Er hätte gegen die Auswahl des Beigeladenen zu 10. damals im Wege vorläufigen Rechtsschutzes vorgehen, nämlich gegen deren sofortige Vollziehung die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage beantragen, können; außerdem hätte er zeitnah eine neue Ausschreibung (für eine Einzelpraxisnachfolge) verlangen können.

7

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, der Beklagte müsse ihn als Praxisnachfolger für den Beigeladenen zu 9. zulassen. Für die Auswahl des Beigeladenen zu 10. habe es keine Grundlage gegeben. Für die Anwendung des § 106 Abs 6 Satz 2 SGB V sei es unzureichend, wenn eine Gemeinschaftspraxis offensichtlich nur gegründet werde, um in ein beabsichtigtes Praxisnachfolgeverfahren das Interesse des in der Praxis verbleibenden Arztes einzubringen und so zu erreichen, dass der von diesem gewünschte Bewerber die Nachfolgezulassung erhalte. Dies werde dem Sinn des Auswahlverfahrens und der Pflicht der Zulassungsgremien zur Zulassung des besten Bewerbers nicht gerecht; dieser Pflicht komme Verfassungsrang zu, weil es sich um eine einer Berufswahlregelung nahe kommende Ausübungsregelung handele. Werde - wie hier - eine Gemeinschaftspraxis nur gegründet, um von der Bestimmung des § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V zu profitieren, so sei dies nicht schutzwürdig. Insofern hätten die Beigeladenen zu 9. und 11. die Anwendung des § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V erschlichen. Ebenso wie diese führten auch die Beigeladenen zu 10. und 11. nicht tatsächlich eine Gemeinschaftspraxis, sondern arbeiteten nur nach Art einer Praxisgemeinschaft zusammen. Hiervon ausgehend sei die Neuausschreibung der Einzelpraxis (jetzt: des Beigeladenen zu 10.) durchaus noch möglich. Die Praxisräume des aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschiedenen Beigeladenen zu 9. stünden - was dieser und die Beigeladenen zu 10. und 11. zu Unrecht in Abrede stellten - nach wie vor unverändert eingerichtet zur Verfügung und ließen eine sofortige Neuausschreibung als Einzelpraxis zu. Schließlich dürfe er - in dem Fall, dass er mit seiner Revision nicht durchdringe - jedenfalls nicht mit Verfahrenskosten belastet werden, da er den Zulassungsbeschluss angesichts seiner Rechtswidrigkeit legitimerweise anfechte.

8

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 10. November 2010 und des SG Hannover vom 25. Juli 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 18. August/28. September 2004 und des Bescheides des Zulassungsausschusses vom 12./27. Mai 2004 zu verpflichten, ihn - den Kläger - als Praxisnachfolger des Beigeladenen zu 9. zuzulassen und den Zulassungsantrag des Beigeladenen zu 10. abzulehnen.

9

Der Beklagte, die Beigeladenen zu 1. sowie zu 10. und 11. beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

10

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1., 10. und 11. verteidigen das Urteil des LSG. Die Ansicht des Klägers, die Beigeladenen zu 9. und 11. hätten tatsächlich nie eine Gemeinschaftspraxis betrieben, treffe ebenso wenig zu wie die Behauptung des Klägers, die Beigeladenen zu 10. und 11. seien nicht in einer Gemeinschaftspraxis am gemeinsamen Vertragsarztsitz O. Weg in S. tätig. Die jeweiligen, zugrunde liegenden Gesellschaftsverträge seien von der Ärztekammer und von den Zulassungsgremien geprüft worden. Die Heranziehung des § 106 Abs 6 Satz 2 SGB V bei der Praxisnachfolge im Jahr 2004 und die Auswahl des Beigeladenen zu 10. seien nicht zu beanstanden.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das SG und das LSG haben das Begehren des Klägers, die Zulassung des Beigeladenen zu 10. aufzuheben und ihm - dem Kläger - die Zulassung zu erteilen, zu Recht zurückgewiesen.

12

A. Erfolg könnte der Kläger nur haben, wenn er die auf § 103 Abs 4 iVm Abs 6 SGB V gegründete Auswahl des Beigeladenen zu 10. noch nachträglich zu Fall bringen und seine eigene Zulassung erreichen könnte. Einen Anspruch auf Praxisnachfolge hat der Kläger indessen nicht. Zwar sind einzelne Voraussetzungen des § 103 Abs 4 iVm Abs 6 SGB V erfüllt(unten 1. und 2.). Indessen lässt die auf der Grundlage der Ausschreibung vorgenommene Bewerberauswahl Rechtsfehler nicht erkennen (unten 3.).

13

1. Die Praxis ist im Sinne des § 103 Abs 4 Satz 1 SGB V in einem Planungsbereich gelegen, in dem für die hier betroffene Arztgruppe der Radiologen wegen Überversorgung Zulassungsbeschränkungen angeordnet waren (und sind). Die hierzu erforderlichen Feststellungen sind dem Urteil des LSG zu entnehmen; dieses hat ausgeführt, dass für die Radiologen im Planungsbereich S. mit einem (Über-)Versorgungsgrad von 190,8 % Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung angeordnet wurden (LSG-Urteil S 3 iVm S 9). Das Verfahren der Berechnung der Überversorgung und der Festsetzung durch den Landesausschuss (§ 103 Abs 1 und 2 SGB V iVm §§ 9 ff BedarfsplRL) sind rechtlich nicht zu beanstanden, wie der Senat wiederholt entschieden hat (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 1 RdNr 10 ff betr Psychotherapeuten; BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 8 RdNr 11; BSGE 107, 147 = SozR 4-2500 § 101 Nr 9, RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 7 RdNr 14).

14

2. Die Vorinstanzen sind auch zu Recht von einem ausreichend erklärten Zulassungsverzicht im Sinne des § 103 Abs 4 Satz 1 SGB V ausgegangen. Der Beigeladene zu 9. erklärte seinen Verzicht auf seine Zulassung unter der Bedingung bestandskräftiger Nachbesetzung, wie im Urteil des LSG - gemäß § 163 SGG für das Revisionsverfahren bindend - festgestellt ist. Zwar ist der Verzicht als rechtsgestaltende Willenserklärung grundsätzlich bedingungsfeindlich (hierzu Pawlita in jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 103 RdNr 48 mwN). Davon gilt aber im Falle eines Verzichts, der im Zusammenhang mit einem Praxisnachfolgeverfahren erklärt wird, eine Ausnahme, wie Rechtsprechung und Schrifttum einhellig anerkennen (vgl zB LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 12.5.2010 - L 11 KA 9/10 B ER - Juris RdNr 84; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 10.11.2010 - L 3 KA 75/07 - Juris RdNr 32; Pawlita aaO RdNr 48-50 mwN; Flint in Hauck/Noftz, SGB V, § 103 RdNr 38 f; Krauskopf/Clemens in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 29 RdNr 47 iVm 120). Eine solche Ausnahme entspricht einem dringenden praktischen Bedürfnis: Müsste der seine Praxis abgebende Vertragsarzt seinen Verzicht unbedingt erklären, käme danach aber letztlich keine Praxisnachfolge zustande - was aus vielerlei Gründen denkbar ist -, so hätte er seine Praxis entgegen der Konzeption des § 103 Abs 4 SGB V ohne jeden Wertausgleich verloren.

15

3. Die von der zu 1. beigeladenen KÄV vorgenommene Ausschreibung und die vom beklagten Berufungsausschuss getroffene Bewerberauswahl lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Ausschreibung lautete auf einen Vertragsarztsitz "in Gemeinschaftspraxis"; und der Beklagte nahm die Bewerberauswahl nach dem für Gemeinschaftspraxen geltenden Maßstab des § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V vor.

16

Die Beigeladene zu 1. und der Beklagte durften - und mussten - von dem Bestehen einer Gemeinschaftspraxis ausgehen. Entgegen der Ansicht des Klägers waren sie nicht verpflichtet zu überprüfen, ob die Zusammenarbeit zwischen den Beigeladenen zu 9. und zu 11. die Kriterien für eine Gemeinschaftspraxis erfüllte und/oder ob sie die Gemeinschaftspraxis vor allem oder nur deshalb gegründet hatten, um von der Bestimmung des § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V zu profitieren. Für eine solche Überprüfung ist weder bei der Entscheidung der KÄV über die Ausschreibung noch bei der Bewerberauswahl des Zulassungsausschusses Raum.

17

a) Die Entscheidung darüber, ob die Kriterien einer Gemeinschaftspraxis erfüllt sind, wird bereits in dem dafür speziell vorgesehenen Genehmigungsverfahren gemäß § 33 Abs 2 (seit 1.1.2007: Abs 3) Ärzte-ZV getroffen (vgl dazu BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 24; BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 26; BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 65). Eine solche Entscheidung entfaltet Drittbindungswirkung in dem Sinne, dass damit der zuerkannte Status die vertragsärztliche Tätigkeit im Rechtsverhältnis zu Dritten absichert; damit steht im Verhältnis sowohl zu den Versicherten als auch für alle vertragsarztrechtlichen Institutionen grundsätzlich fest, dass es sich um eine Gemeinschaftspraxis handelt mit den dementsprechenden Abrechnungsmöglichkeiten gegenüber der KÄV und den dementsprechenden Verordnungsmöglichkeiten zu Gunsten der Versicherten und zu Lasten der Krankenkassen (vgl dazu zB BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 16; BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 57). Von dieser Drittbindungswirkung besteht eine Ausnahme nur für den Fall, dass - wie im Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung - allein das Rechtsverhältnis zwischen der KÄV und ihrem Mitglied betroffen ist; in diesem rein dualen Verhältnis kann die Frage, ob die Kriterien einer Gemeinschaftspraxis wirklich erfüllt waren, erneut zur Überprüfung gestellt werden (BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 58). Ein derartiges nur duales Verhältnis steht im Falle einer Praxisnachfolge nicht in Rede. Vielmehr wird durch die Nachfolgezulassung ein Leistungserbringer in das System des Vertragsarztrechts integriert mit allen dazugehörenden Folgen der Abrechnungsberechtigung gegenüber der KÄV und der Verordnungsbefugnis zu Gunsten der Versicherten im Verhältnis und zu Lasten der Krankenkassen; schon deswegen kommt eine Ausnahme von der Drittbindungswirkung nicht in Betracht.

18

b) Gegen eine Ausnahme - im Sinne der Möglichkeit nochmaliger Überprüfung der Kriterien der Gemeinschaftspraxis - spricht außerdem noch eine Besonderheit des Praxisnachfolgeverfahrens, nämlich dass sie in besonderem Maße auf zügige Durchführung und Rechtssicherheit ausgerichtet sind. Eine (erneute) Überprüfung, ob vor dem Zulassungsverzicht eine Gemeinschaftspraxis in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben bestanden hat, im Praxisnachfolgeverfahren liefe dem Grundsatz zuwider, dass Praxisnachfolgeverfahren gemäß § 103 Abs 4 - evtl iVm Abs 6 - SGB V zügig durchgeführt werden müssen, wie der Normenkontext und die dazu vorliegende Senatsrechtsprechung ergeben:

19

Der Senat hat in seinem Urteil vom 28.11.2007 zusammenfassend ausgeführt, dass "das über § 103 Abs 4 SGB V geschützte Interesse an der Erhaltung des Praxiswerts, insbesondere der Erhaltung der Patientenschaft, und das Interesse an einer kontinuierlichen Versorgung der Versicherten … zeitnahe und rechtssichere Entscheidungen über Ausschreibung und Nachbesetzung" von Vertragsarztsitzen erfordern(BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25). Zu dem Interesse an der Erhaltung des Praxiswerts, insbesondere der Patientenschaft, und dem Interesse an einer kontinuierlichen Versorgung der Versicherten hat der Senat bereits wiederholt hervorgehoben, dass ein Vertragsarztsitz sich nur so lange für eine Praxisnachfolge eignet, als noch ein Praxissubstrat vorhanden und somit eine Praxis"fortführung" möglich ist (vgl dazu grundlegend BSGE 85, 1, 5 und 7 = SozR 3-2500 § 103 Nr 5 S 31 f und 34; weitere Nachweise dazu in BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 19; vgl ferner BSGE 87, 158, 170 f = SozR 3-2500 § 95 Nr 25 S 118; s auch jüngst BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R - RdNr 21, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Hieran anknüpfend hat der Senat in seinem Urteil vom 28.11.2007 (aus Anlass einer Streitigkeit darüber, ob ein ausscheidender Praxispartner einen Zulassungsverzicht hätte erklären müssen) dargelegt, dass Entscheidungen über Ausschreibung und Nachbesetzung "zeitnah und rechtssicher" getroffen werden müssen und "bei vertragsarztrechtlichen Gemeinschaftspraxen nicht durch … Auseinandersetzungsstreitigkeiten überlagert" und dadurch verzögert werden dürfen (BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25, vgl auch RdNr 26 am Ende; s ferner BSG SozR 3-2500 § 103 Nr 3 S 23). Der Senat hat zudem jüngst im Urteil vom 19.10.2011 zu den Bestimmungen der §§ 99, 101, 103, 104 SGB V über die Bedarfsplanung, die Rechtsfolgen von Überversorgung sowie die Anordnung von Zulassungssperren weiterhin ausgeführt, dass in Planungsbereichen, die überversorgt und für Neuzulassungen gesperrt sind, frei werdende Vertragsarztsitze grundsätzlich entweder wegfallen oder, wenn sie ausnahmsweise fortgeführt werden dürfen - wie es der Gesetzgeber in besonderen Fällen wie § 103 Abs 4 SGB V im Interesse des ausscheidenden Vertragsarztes oder dessen Erben vorgesehen hat -, für andere Bewerber zur Verfügung stehen müssen(zu dieser Alternative s BSG vom 19.10.2011 aaO RdNr 23; ebenso schon BSGE 85, 1, 6 = SozR 3-2500 § 103 Nr 5 S 32 f). Mithin wäre ein Offenhalten von frei werdenden Arztstellen bzw Vertragsarztsitzen nicht nur mit dem Versorgungsinteresse in Gestalt möglichst kontinuierlicher Praxisfortführung unvereinbar, sondern widerspräche auch dem Interesse von Neubewerbern, die durch Zulassungsbeschränkungen in ihrem Grundrecht aus Art 12 Abs 1 GG betroffen sind, an alsbaldiger Niederlassung (zu diesem Interesse vgl BSG vom 19.10.2011 aaO RdNr 23 und früher BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, RdNr 19; BSGE 94, 181 = SozR 4-2500 § 103 Nr 2, RdNr 21, 25 f). Ein Offenhalten liefe ferner dem Interesse des bisherigen Praxisinhabers an bestmöglicher Realisierung des wirtschaftlichen Wertes der Praxis zuwider, das durch § 103 Abs 4 SGB V geschützt ist(vgl hierzu BT-Drucks 12/3937 S 7; s dazu BSG SozR 3-2500 § 103 Nr 3 S 22; BSGE 85, 1, 6 = SozR 3-2500 § 103 Nr 5 S 32; ebenso BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25 zum Schutz des Interesses am Praxiswert durch § 103 Abs 4 SGB V). Ein längeres Offenhalten eines Vertragsarztsitzes bzw einer Arztstelle wäre schließlich aus der Sicht sachgerechter Bedarfsplanung sowie realitätsnaher Berechnung des Versorgungsgrades schwerlich tolerabel: Arztstellen, die vorhanden sind, aber nicht besetzt werden, müssten in der Bedarfsplanung wohl wie besetzte Stellen gewertet werden; sie würden dadurch den Versorgungsgrad rechnerisch - aber der Realität zuwider - erhöhen und somit das Bild der tatsächlichen Versorgung verfälschen (BSG vom 19.10.2011 aaO RdNr 24; zur Unzulässigkeit des Vorhaltens von Vertragsarztsitzen "auf Vorrat" vgl zB BSG SozR 3-5520 § 25 Nr 5 S 39; BSGE 89, 134, 142 f = SozR 3-5520 § 20 Nr 3 S 27; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 16 RdNr 20 am Ende; BSGE 107, 56 = SozR 4-5520 § 20 Nr 3, RdNr 28 am Ende).

20

Aus alledem folgt, dass Praxisnachfolgeverfahren gemäß § 103 Abs 4 - evtl iVm Abs 6 - SGB V zügig durchzuführen sind. Für Überprüfungen, die uU umfangreich und zeitaufwendig sind, ist kein Raum; dies gilt insbesondere für solche Tatbestandsmerkmale, die bereits anderweitig einer Überprüfung unterzogen wurden, wie dies bei der Klärung der Fall ist, ob eine Kooperation von Ärzten den Vorgaben des § 33 Abs 2 Ärzte-ZV entspricht(vgl dazu die oben in RdNr 17 beispielhaft genannten BSG-Entscheidungen).

21

c) Aufgrund des Grundsatzes der Drittbindungswirkung und aufgrund der Notwendigkeit zügiger Durchführung von Praxisnachfolgeverfahren ist die Situation hier anders als bei sachlich-rechnerischen Richtigstellungen, in deren Rahmen der Senat im Urteil vom 23.6.2010 eine Überprüfung des tatsächlichen Bestehens einer Gemeinschaftspraxis - auch ohne rückwirkende Beseitigung der Genehmigung dieses Status - für möglich und geboten erachtet hat (s hierzu BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 56 ff, 58).

22

Eine Übertragung des Urteils vom 23.6.2010 auf den vorliegenden Fall scheitert im Übrigen auch bereits aus einem anderen Grund: Zwar war dort ebenfalls eine "Gemeinschaftspraxis" betroffen, in der der Beigeladene zu 11. tätig war, und der Senat hat die Kriterien für eine Gemeinschaftspraxis als nicht erfüllt und die vorgenommene Honorarrückforderung deshalb als berechtigt angesehen (BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 32 ff). Das betraf aber die Tätigkeit des Beigeladenen zu 11. in einem wesentlich früheren Zeitraum, nämlich in der Zeit von 1996 bis 2001 (vgl oben RdNr 1) . Die Gemeinschaftspraxis hingegen, deren Nachfolgebesetzung vorliegend in Streit steht, ist erst im Jahr 2004 neu gegründet worden.

23

d) Sind mithin die zu 1. beigeladene KÄV bei ihrer Ausschreibung und der beklagte Berufungsausschuss bei seiner Bewerberauswahl zu Recht vom Bestehen einer Gemeinschaftspraxis und der Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in einer solchen ausgegangen, so ist auch die Auswahl des Beigeladenen zu 11. als Praxisnachfolger nicht zu beanstanden. Gemäß § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V sind bei der Nachfolgezulassung in einer Gemeinschaftspraxis die Interessen der in der Praxis verbleibenden Vertragsärzte angemessen zu berücksichtigen; einem Bewerber, mit dem diese ausdrücklich nicht zusammenarbeiten wollen, darf die Zulassung grundsätzlich nicht erteilt werden (vgl BSGE 85, 1, 6 ff = SozR 3-2500 § 103 Nr 5 S 33 ff; BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, RdNr 26-28; vgl auch BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 23, und BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R - RdNr 17 am Ende). Dem hat der Beklagte Rechnung getragen, indem er bei seiner Auswahl dem Wunsch des Beigeladenen zu 11. nach Zusammenarbeit mit dem Beigeladenen zu 10. - und nicht mit dem Kläger - erhebliches Gewicht beimaß. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Auswahl des Beigeladenen zu 10. etwa aus anderen Gründen - wie zB einem offensichtlichen Eignungsmangel - rechtswidrig gewesen sein könnte.

24

4. Das Begehren des Klägers, die Zulassung des Beigeladenen zu 10. aufzuheben und ihn - den Kläger - als Praxisnachfolger zuzulassen, kann schließlich auch deshalb keinen Erfolg haben, weil die Ausschreibung des Vertragsarztsitzes des Beigeladenen zu 9. für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht als Sitz in einer Einzelpraxis, für die er sich für den geeigneteren Nachfolger hält, erfolgte. Wie im vorinstanzlichen Urteil des LSG zutreffend dargelegt ist, erfolgte die Ausschreibung im vorliegenden Fall indessen mit Hinweis darauf, dass es sich um einen Vertragsarztsitz "in Gemeinschaftspraxis" handele.

25

Eine Nachfolgezulassung kann gemäß § 103 Abs 4 Satz 1 SGB V nur aufgrund einer Ausschreibung des neu zu besetzenden Vertragsarztsitzes erfolgen; aufgrund einer Ausschreibung als Gemeinschaftspraxis darf grundsätzlich eine Nachfolgezulassung in eine Einzelpraxis nicht erfolgen (so zutreffend das vorinstanzliche Urteil: LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 10.11.2010 - L 3 KA 75/07 - Juris RdNr 37; vgl auch LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 12.5.2010 - L 11 KA 9/10 B ER - Juris RdNr 83).

26

a) Der Vertragsarztsitz des Beigeladenen zu 9. kann auch nicht nunmehr erneut, ohne Bindung an eine Gemeinschaftspraxis, ausgeschrieben werden, wie das LSG zu Recht weiter ausgeführt hat. Dafür ist schon deshalb kein Raum, weil die Beigeladene zu 1. bei ihrer Ausschreibung und der Beklagte bei seiner Bewerberauswahl vom Vorliegen einer Gemeinschaftspraxis ausgehen mussten (vgl dazu oben RdNr 16 f).

27

Zudem hat der Kläger auch nach den Maßstäben des Senatsurteils vom 28.11.2007 (BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3) keinen Anspruch auf eine neue Ausschreibung. Danach ist eine Ausschreibung jedenfalls nach mehr als sieben Jahren nicht mehr möglich (BSG aaO RdNr 22). Ebenso viel Zeit ist auch im vorliegenden Fall seit dem Ende des Betriebs der hier in Frage stehenden Praxis (Jahr 2004) bereits verstrichen.

28

Nach diesem Senatsurteil kann eine Ausschreibung ferner nur für eine noch real existierende Praxis beansprucht werden; andernfalls fehlt es am notwendigen Anknüpfungspunkt für das Begehren einer Ausschreibung (vgl BSG aaO RdNr 23). Auch dieses Erfordernis ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt; denn es ist davon auszugehen, dass die Praxis, in die einzutreten der Kläger erstrebt, erheblich umstrukturiert worden ist. Das LSG hat dargelegt, dass die Praxis durchgreifend verändert worden sei, insbesondere die wesentlichen Leistungen nicht mehr in der W. Straße, sondern im O. Weg in S. angeboten und erbracht werden. Diesen Ausführungen ist der Kläger zwar entgegengetreten, indem er sie als grundlegend falsch beanstandet hat; er hat aber keine Verfahrensrügen erhoben, indem er zB die Nichtbeachtung gestellter Beweisanträge oÄ gerügt hat. Mithin sind die Feststellungen des LSG über die durchgreifende Umwandlung der Praxisstrukturen für den Senat als Revisionsgericht bindend (vgl § 163 SGG).

29

Aus dieser Umstrukturierung ergibt sich zugleich, dass für die vom Kläger erstrebte Nachfolgezulassung in eine Einzelpraxis kein geeignetes Praxissubstrat mehr vorhanden ist (zu diesem Erfordernis vgl oben RdNr 19 mit BSG-Angaben).

30

b) Daraus, dass die seit der Zulassung des Beigeladenen zu 10. verstrichene Zeit und die Umstrukturierung der betroffenen Praxis dem Anspruch des Klägers auf Neuausschreibung entgegengehalten werden, kann eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf effektiven Rechtsschutz nicht hergeleitet werden.

31

Diesen beiden Gesichtspunkten kommt hier schon deshalb keine ausschlaggebende Bedeutung zu, weil das Zulassungsbegehren schon daran scheitert, dass die Beigeladene zu 1. und der Beklagte - zu Recht - vom Bestehen einer Gemeinschaftspraxis ausgingen und deshalb die Auswahl des Beigeladenen zu 10. nicht zu beanstanden ist (hierzu oben RdNr 16 f iVm 23).

32

Im Übrigen hätte der Kläger - wie schon das LSG hervorgehoben hat - versuchen können, die Vollziehbarkeit der Nachfolgezulassung zu verhindern. Er hätte gegen die Anordnung von deren sofortiger Vollziehung die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragen und dadurch schon damals eine jedenfalls summarische Sachprüfung erreichen können (ebenso der Vorhalt in BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 32 f).

33

An der Obliegenheit des im Konkurrentenstreit unterlegenen Bewerbers, die Begünstigung des erfolgreichen Konkurrenten (auch) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verhindern, hat sich durch die Neuausrichtung der Rechtsprechung des BVerwG zur beamtenrechtlichen Bewerberkonkurrenz nichts geändert. Das BVerwG lässt die Durchbrechung des Grundsatzes der Ämterstabilität nur zu, wenn der Dienstherr die Chancen des unterlegenen Mitbewerbers, effektiven einstweiligen Rechtsschutz zu erlangen, vereitelt hat (vgl BVerwGE 138, 102 = NJW 2011, 695, RdNr 40 ff). Ein solcher Fall hat hier - übertragen auf den vorliegenden Bewerberstreit nach § 103 Abs 4 SGB V - nicht vorgelegen. Selbst wenn es dem Kläger schließlich, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein sollte, ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren anzustrengen, wäre er nicht vollständig ohne Rechtsschutz. Ihm bliebe in jedem Fall noch die Möglichkeit, wegen der aus seiner Sicht erlittenen Rechtswidrigkeiten Schadenersatzansprüche, evtl auch Amtshaftungsansprüche, im Zivilrechtsweg geltend zu machen. Nach der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung reicht es aus, wenn jedenfalls ein Sekundärrechtsschutz besteht (vgl die BVerfG-Angabe in BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 31; vgl auch BSG vom 23.3.2011 - B 6 KA 11/10 R - BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 42).

34

B. Schließlich hat das LSG zu Recht auch die Möglichkeit einer Aufhebung nur der auf § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V gegründeten Auswahl des Beigeladenen zu 10. verneint. Ein Rechtsschutzinteresse daran, nur die Zulassung des Konkurrenten zu Fall zu bringen, ohne selbst die Zulassung zu erstreben, besteht nicht; denn Rechtsschutz wird nach den Grundprinzipien des deutschen Rechtsschutzsystems nur zum Schutz eigener Rechte bzw zur Verfolgung eigener Rechte gewährt. Für nur-fremdschädliche, aber nicht eigennützige Ziele ist der Rechtsweg grundsätzlich nicht eröffnet.

35

Nichts anderes ergibt sich aus der Senatsrechtsprechung zur sog defensiven Konkurrentenanfechtung (vgl dazu BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10, RdNr 19 ff, und stRspr; zuletzt BSG vom 17.8.2011 - B 6 KA 26/10 R - RdNr 19 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Auch hierbei geht es um die Verfolgung bzw den Schutz eigener Rechte: Die Möglichkeit der Abwehr von Begünstigungen eines Konkurrenten ist davon abhängig, dass der Anfechtende eine Rechtsposition innehat, die gegenüber der dem Konkurrenten eingeräumten vorrangig ist und die er gegen konkurrierende Betätigungen des nur nachrangig Berechtigten verteidigt (zB Klage eines zugelassenen Vertragsarztes gegen die Erteilung einer Ermächtigung an einen Krankenhausarzt, vgl dazu zB BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, RdNr 17 ff). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Die Zulassung des Beigeladenen zu 10. ist nicht nachrangig gegenüber dem Zulassungsstatus des Klägers.

36

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von §§ 154 ff VwGO. Der Kläger ist zur Kostentragung verpflichtet, weil er mit seiner Revision erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs 2 VwGO). Dies umfasst auch die Kosten der Beigeladenen zu 1., 10. und 11., die im Revisionsverfahren Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 9. und 12. ist mangels Antragstellung im Revisionsverfahren nicht veranlasst.

37

Für die vom Kläger begehrte Freistellung von Kosten besteht keine Rechtsgrundlage. Zwar können die Gerichte Kosten, die durch das Verschulden eines anderen Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegen und insoweit denjenigen, der im Prozess unterlegen ist, von Kosten freistellen (so die Regelung in § 155 Abs 4 VwGO, deren Anwendung hier aufgrund der Verweisung des § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG auf §§ 154 ff VwGO grundsätzlich in Betracht zu ziehen ist). Diese Regelung betrifft jedoch typischerweise Konstellationen, in denen Fehler im Verfahren selbst zu Mehrkosten geführt haben, zB unzureichende Mitwirkung, Terminsversäumnisse, Verzögerungen bei Verfahrenserklärungen, oder im unmittelbaren Verfahrensvorfeld eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung oder fehlerhafte Beratung oder Auskunft (vgl die Beispiele bei Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 197a RdNr 18; vgl auch Olbertz in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 155 RdNr 26 und 29). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 30. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 8.

Tatbestand

1

Der seit langem als Facharzt für Urologie in B. an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Kläger wendet sich im Wege der offensiven Konkurrentenklage gegen die Zulassung des zu 9. beigeladenen Facharztes für Urologie Dr. K. als Praxisnachfolger für den Urologen Dr. E. in dem - wegen Überversorgung gesperrten - Planungsbereich O.

2

Der für einen Vertragsarztsitz in O. zugelassene Dr. E. unterzeichnete am 8.2.2011 einen Vertrag über eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit den übrigen Partnern der zu 1. beigeladenen BAG sowie am selben Tag einen Vertrag über die Übertragung seines Anteils an dieser überörtlichen BAG auf den Beigeladenen zu 9. Der Zulassungsausschuss genehmigte die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit Wirkung zum 1.4.2011. Der Berufungsausschuss wies den Widerspruch des Klägers mit Beschluss vom 30.11.2011 als offensichtlich unzulässig zurück; der Kläger sei nicht anfechtungsberechtigt. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger Klage erhoben; deren Abweisung ist als Folge des Senatsurteils vom 22.10.2014 im Verfahren B 6 KA 43/13 R rechtskräftig.

3

Am 21.6.2011 stellte Dr. E. einen Antrag auf Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes zum 2.1.2012 und verzichtete am 5.7.2011 zum 1.1.2012 auf seine Zulassung unter der Bedingung, dass der vom Zulassungsausschuss bestimmte Praxisnachfolger rechtskräftig zugelassen werde. Auf die Ausschreibung des Vertragsarztsitzes in der Praxisform BAG bewarben sich unter anderem der Kläger und der Beigeladene zu 9. Der 1962 geborene Kläger ist seit dem 26.11.1987 approbiert und seit dem 23.11.1994 Facharzt für Urologie. Am 1.4.1995 wurde er mit Sitz in B. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. In der Warteliste für eine Zulassung in O. steht der Kläger seit dem 24.11.1994. Er erklärte gegenüber dem Zulassungsausschuss, er wolle die Praxis zunächst als Einzelpraxis in O. fortführen, seinen bisherigen Vertragsarztsitz in B. nachbesetzen lassen und anschließend in eine überörtliche BAG mit seinem derzeitigen BAG-Partner Dr. F. einbringen. Der 1979 geborene Beigeladene zu 9. ist seit dem 12.12.2005 approbiert und seit dem 29.1.2011 Facharzt für Urologie; in der Warteliste für eine Zulassung in O. steht er seit dem 31.3.2011.

4

Der Zulassungsausschuss ließ den Beigeladenen zu 9. mit Wirkung zum 2.1.2012 als Praxisnachfolger des Dr. E. zur vertragsärztlichen Versorgung zu und genehmigte die überörtliche BAG zwischen den Beigeladenen zu 9. und den anderen Partnern der Beigeladenen zu 1. Der beklagte Berufungsausschuss wies die Widersprüche des Klägers mit Beschluss vom 21.3.2012 zurück und ordnete die sofortige Vollziehung der dem Beigeladenen zu 9. erteilten Zulassung unter der Bedingung an, dass Dr. E. auf seine Zulassung endgültig verzichtet, bevor der Beigeladene zu 9. seine Praxistätigkeit aufnimmt. Der Kläger könne bereits aufgrund seines Begehrens, in Einzelpraxis tätig werden zu wollen, nicht zugelassen werden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei geboten, da anderenfalls die Gefahr bestehe, dass das Praxisnachfolgeverfahren ins Leere gehe. Dr. E. hat am 30.3.2012 endgültig auf seine Zulassung zum Ablauf des 31.3.2012 verzichtet.

5

Gegen den Beschluss des Beklagten vom 21.3.2012 hat der Kläger Klage erhoben sowie die Aufhebung der sofortigen Vollziehung und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt. Gegenüber dem SG hat er erklärt, dass er auch die überörtliche BAG mit den übrigen Partnern der Beigeladenen zu 1. fortführen würde; allerdings hätten die übrigen Partner der BAG nicht mit ihm kooperieren wollen. Die ehemaligen Patienten von Dr. E. würde er vor Ort weiterversorgen. Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 16.8.2013 abgelehnt; die gegen den Beschluss des SG erhobene Beschwerde ist erfolglos geblieben (Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 20.2.2014). Mit Urteil vom 30.10.2013 hat das SG die Klage abgewiesen.

6

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beschluss des Beklagten vom 21.3.2012 über die Zulassung des Beigeladenen zu 9. als Vertragsarzt sei zumindest im Ergebnis rechtmäßig. Ob der Beklagte auf den Willen des Klägers, die Praxis des Dr. E. als Einzelpraxis fortführen zu wollen, habe abstellen dürfen, könne dahingestellt bleiben. Jedenfalls habe sich der Beklagte bei der Auswahl an den Interessen der verbleibenden Partner der Beigeladenen zu 1. orientieren dürfen, nur mit dem Beigeladenen zu 9. und nicht mit dem Kläger zusammenarbeiten zu wollen. Dieses Interesse sei gemäß § 103 Abs 6 SGB V berücksichtigungsfähig, da weder ein offensichtlicher Eignungsmangel des Beigeladenen zu 9. vorliege noch die Beigeladene zu 1. unzulässig gegründet worden sei; es sei auch kein Rechtsmissbrauch wegen fehlender praktischer Umsetzung anzunehmen.

7

Um dem Rechtsschutzanspruch der Konkurrenten gerecht zu werden, müsse eine Prüfung der Rechtmäßigkeit einer BAG auch im Nachbesetzungsverfahren inzident zumindest insoweit erfolgen können, als die Genehmigungen - wie vorliegend - noch nicht bestandskräftig geworden seien. Diese Prüfung ergebe, dass die zu 1. beigeladene überörtliche BAG nicht rechtlich unzulässig gegründet worden sei. Das Gesetz eröffne die Möglichkeit der Bildung einer (überörtlichen) BAG auch kurz vor Ausschreibung eines Praxissitzes; die Bildung einer BAG zum Zwecke der Praxisübergabe sei zumindest dann rechtlich zulässig, wenn die Zusammenarbeit mit dem Nachfolger ernstlich gewollt sei; das sei hier auch der Fall. Der Kläger sei auch nicht in seinem Grundrecht auf freie Berufsausübung aus Art 12 Abs 1 GG verletzt. Da er bereits über eine vertragsärztliche Zulassung verfüge, stehe für ihn im vorliegenden Verfahren nicht der Zugang zu einem Beruf in Frage, sondern allein eine bestimmte Art der Berufsausübung, nämlich an dem von ihm gewünschten Praxissitz. Die Kriterien der beruflichen Eignung, des Approbationsalters und der Dauer der ärztlichen Tätigkeit schützten gerade nicht den Kläger, sondern seien nur auf das Interesse der Allgemeinheit, nämlich der Versicherten an einer möglichst leistungsfähigen und lückenlosen ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ausgerichtet. Es sei auch kein Rechtsmissbrauch wegen fehlender praktischer Umsetzung der überörtlichen BAG festzustellen. Für den Zeitraum im Jahr 2011 habe die gemeinsame Behandlung von zwei Patienten festgestellt werden können. Hierin liege eine - wenn auch nur geringe - "gelebte" Zusammenarbeit.

8

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Das SG habe mit Tatbestandswirkung festgestellt, dass die überörtliche BAG nur gegründet worden sei, um auf das Nachbesetzungsverfahren Einfluss auszuüben; damit sei zugleich festgestellt, dass den Angehörigen der Beigeladenen zu 1. der zur wirksamen Gründung erforderliche Wille zur Kooperation gefehlt habe, und dass die Gründung der BAG rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Der Schutz seines - des Klägers - Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art 19 Abs 4 GG erfordere die Überprüfung der Wirksamkeit der Gründung bzw der Genehmigung der Beigeladenen zu 1. entweder im vorliegenden Verfahren oder in dem auf die Anfechtung der BAG-Genehmigung gerichteten Verfahren.

9

Zwar habe das BSG dem Umstand, dass der aus der vertragsärztlichen Versorgung ausscheidende Arzt einer genehmigten BAG angehöre, entscheidende Bedeutung beigemessen, indem es auch die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle der Umstände der Gründung, der Dauer wie des Bestands der BAG wegen einer angeblichen Drittbindungswirkung der BAG-Genehmigung und unter Hinweis auf das Interesse der BAG an einer zügigen Entscheidung über die Nachbesetzung verneint habe. Das rechtmäßige Bestehen einer BAG müsse in einem Nachbesetzungsverfahren zur Wahrung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz inzident zumindest insoweit erfolgen, als die Genehmigung der Bildung einer BAG noch nicht bestandskräftig geworden sei. Die bisherige Rechtsprechung des BSG stelle einseitig auf die Interessen des die Praxis übergebenden Arztes ab und lasse die Grundrechte der Bewerber um die Nachfolgezulassung leerlaufen. Ein rein formales Abstellen auf den Status einer genehmigten BAG ermögliche einen Missbrauch der Rechtsform der BAG im Falle der Vergabe von Vertragsarztsitzen.

10

Entgegen der Ansicht des SG ergebe sich die Unwirksamkeit der Gründung der Beigeladenen zu 1. hier bereits aus ihrem Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Praxisnachfolge. Sei alleiniger Zweck der Gründung der BAG die Einflussnahme auf die Auswahlentscheidung, fehle es bei der Gründung der BAG am Willen zur Kooperation und damit an einem konstitutiven Element für eine wirksame Gründung, und damit sei die BAG unwirksam. Nach dem Willen des Gesetzgebers erfolge die Auswahl des Praxisnachfolgers ausschließlich anhand objektiver Kriterien; nur dann, wenn der nachzubesetzende Vertragsarztsitz in eine BAG integriert gewesen sei, seien ausnahmsweise und ergänzend - keinesfalls ersetzend - auch die Interessen der in der Kooperation verbleibenden Ärzte zu berücksichtigen. Zur Wahrung des Prinzips der Bestenauslese, zur Wahrung der Entscheidungskompetenz der Zulassungsgremien und zur Vermeidung eines Zulassungshandels sei es erforderlich, missbräuchlichen Kooperationen die Genehmigung bzw jedenfalls die Berücksichtigung der Interessen ihrer Mitglieder nach § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V zu versagen.

11

Der Gestaltungsmissbrauch im Zeitpunkt der Gründung folge auch daraus, dass die Genehmigung der BAG mit Dr. E. erst nach Abschluss des Vertrages über die Anteilsübertragung an Dr. K. beantragt worden sei und dass der Vertrag über die Anteilsübertragung lange vor dem Zeitpunkt abgeschlossen worden sei, zu dem die gemeinsame vertragsärztliche Tätigkeit überhaupt erst genehmigt worden sei. Zudem sei nur eine rein formale Einbindung der Praxis des abgebenden Partners in die BAG gewollt gewesen. Auch während der gesamten Dauer der Zugehörigkeit des Dr. E. zur BAG habe es noch am Willen der Partner zur Kooperation im Sinne einer gemeinsamen Behandlung von Patienten gefehlt, sodass hier auch ein Rechtsmissbrauch wegen fehlender praktischer Umsetzung vorliege. Aus lediglich zwei Fällen, in denen ein Patient nicht nur Kontakt zum abgebenden Partner, sondern auch zu einem weiteren Mitglied der Beigeladenen zu 1. gehabt habe, könne nicht auf einen Willen zur Kooperation geschlossen werden.

12

Eine nicht vom Kooperationswillen getragene BAG, die nur zur Umgehung der Bestimmungen zur Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in Einzelpraxis diene, sei unwirksam und missbrauche die Gestaltungsform; die BAG sei auch später rechtsmissbräuchlich nicht umgesetzt worden. Dies führe dazu, dass es keine verbleibenden Ärzte gebe, deren Interessen über § 106 Abs 6 Satz 2 SGB V im Nachbesetzungsverfahren berücksichtigt werden müssten. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Vertragsarztsitz des abgebenden Partners als solcher "in Gemeinschaftspraxis" ausgeschrieben worden sei. Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art 19 Abs 4 GG erfordere eine Ausnahme von diesem Grundsatz, wenn die BAG nicht wirksam oder rechtsmissbräuchlich gegründet worden sei. Da er - der Kläger - der objektiv geeignetste Bewerber sei, sei er als Nachfolger des abgebenden Arztes in Einzelpraxis zuzulassen. Das ergebe sich auch aus Art 12 Abs 1 GG.

13

Selbst wenn man annähme, dass die BAG wirksam begründet worden sei, sei die Revision begründet, weil sein - des Klägers - Interesse daran, als objektiv geeignetster Bewerber als Praxisnachfolger zugelassen zu werden, das Interesse der verbleibenden Partner überwiege. Dieses habe hier geringes Gewicht, weil alleiniges Ziel der BAG-Gründung von vornherein die Zusammenarbeit mit dem Beigeladenen zu 9. gewesen sei, die BAG mit Dr. E. nur für den kürzest möglichen Zeitraum bestanden habe und das Maß der Kooperation zwischen ihm und den übrigen Partnern nicht geringer habe sein können. Es gebe keine objektiv nachvollziehbaren Gründe, aufgrund derer die in der Beigeladenen zu 1. verbleibenden Gesellschafter definitiv nicht mit ihm - dem Kläger - zusammenarbeiten könnten. Insbesondere stehe seine aktuelle Einbindung in eine BAG in B. dem nicht entgegen, weil es wegen der unterschiedlichen Einzugsbereiche an einer unmittelbaren Konkurrenz fehle. Seine ursprüngliche Erklärung, am streitigen Vertragsarztsitz in O. in Einzelpraxis tätig werden zu wollen, habe auf der Rechtsauffassung beruht, dass die Einbindung des Vertragsarztsitzes in die BAG rechtsmissbräuchlich und mithin unwirksam sei. Er habe jedoch wiederholt erklärt, dass er die BAG mit den verbleibenden Partnern der Beigeladenen zu 1. fortsetzen würde.

14

Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Hannover vom 30.10.2013 sowie den Bescheid des Beklagten vom 21.3.2012 aufzuheben, den Antrag des Beigeladenen zu 9. abzulehnen und den Kläger als Praxisnachfolger von Dr. E. zur vertragsärztlichen Versorgung in Einzelpraxis, hilfsweise "in Gemeinschaftspraxis" zuzulassen.

15

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

16

Umstritten sei eine Praxisnachfolgezulassung im Rahmen einer BAG, sodass der Kläger mit seinem Begehren, in Einzelpraxis zugelassen zu werden, von vornherein keinen Erfolg haben könne.

17

Die Beigeladenen zu 1. und zu 9. beantragen ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.

18

Die Rechtmäßigkeit der Genehmigung einer BAG sei nicht im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens zu prüfen, sondern vielmehr dem dafür speziell vorgesehenen Genehmigungsverfahren gemäß § 33 Abs 2 Ärzte-ZV vorbehalten. Die Genehmigung der überörtlichen BAG entfalte Drittbindungswirkung. Die überörtliche BAG sei in rechtmäßiger Weise gegründet worden. Selbst wenn sie ausschließlich zu dem Zweck gegründet worden wäre, das Interesse der verbleibenden Partner im Nachfolgeverfahren durchzusetzen, läge in dieser Vorgehensweise kein Gestaltungsmissbrauch. Es habe tatsächlich eine gemeinschaftliche Berufsausübung der Partner der Beigeladenen zu 1. entsprechend dem Vertrag über eine überörtliche BAG stattgefunden. Es sei eine zunehmende Verflechtung der Praxen und eine auf die gemeinsame Behandlung von Patienten ausgerichtete Zusammenarbeit erfolgt, vor allem durch Schaffung gemeinsamer Strukturen. Auch seien Dr. E. und Dr. J. seit langem freundschaftlich und beruflich verbunden; so seien bereits seit Jahren situative Einzelfallbesprechungen und Urlaubsvertretungen erfolgt.

19

Die Auswahlentscheidung des Beklagten zugunsten des Beigeladenen zu 9. erweise sich als rechtmäßig. Unabhängig davon, wie stark die Interessen der verbleibenden Ärzte im Einzelfall zu gewichten seien, sei es jedenfalls zwingend erforderlich, auch bei einer angeblichen Missbräuchlichkeit der BAG-Gründung deren Interessen zu berücksichtigen. Ein der Zusammenarbeit entgegen stehender objektiv nachvollziehbarer Grund liege hier vor, da der Kläger noch in der Revisionsbegründung geäußert habe, die Praxis als Einzelpraxis fortführen zu wollen. Darüber hinaus sei er bereits in B. als Urologe niedergelassen und damit direkter Konkurrent der Beigeladenen zu 1.

20

Die zu 2. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) führt - ohne einen Antrag zu stellen - aus, der Kläger sei nicht in die Auswahlentscheidung einzubeziehen gewesen, weil er den in BAG ausgeschriebenen Sitz nicht mit den Mitgliedern der Beigeladenen zu 1. habe fortführen wollen. Seine spätere Erklärung, doch zu einer Kooperation bereit zu sein, sei allein vor dem Hintergrund des laufenden Prozesses abgegeben worden. Zudem habe von den in der Praxis verbleibenden Ärzten aus objektiv nachvollziehbaren Gründen nicht erwartet werden können, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, weil absehbar gewesen sei, dass dieser versuchen würde, den Sitz früher oder später aus der BAG herauszulösen und in eine BAG mit seinen bisherigen BAG-Partnern einzubringen.

21

Die übrigen Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch sich geäußert.

Entscheidungsgründe

22

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der beklagte Berufungsausschuss bei der Auswahl des Beigeladenen zu 9. als Praxisnachfolger für Dr. E. und bei der Entscheidung gegen die Bewerbung des Klägers dessen Rechte nicht verletzt hat.

23

1. Das Begehren des Klägers, den Beklagten zu verpflichten, ihn zur Fortführung des Praxisanteils des Dr. E. in O. zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen, ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Als Mitbewerber um die Zulassung im Nachbesetzungsverfahren war der Kläger berechtigt, die zugunsten des Beigeladenen zu 9. getroffene Auswahlentscheidung anzufechten (sog offensive Konkurrentenklage, vgl BSGE 91, 253 = SozR 4-​2500 § 103 Nr 1, RdNr 7 ff; BSGE 94, 181 = SozR 4-​2500 § 103 Nr 2, RdNr 4; BSG SozR 4-​2500 § 103 Nr 12 RdNr 19; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 13 RdNr 28, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

24

2. In der Sache ist die Entscheidung des Beklagten, den Beigeladenen zu 9. als Praxisnachfolger für Dr. E. auszuwählen, nicht zu beanstanden.

25

a. Rechtsgrundlage für die Entscheidung der Zulassungsgremien über die Erteilung einer Zulassung im Nachbesetzungsverfahren ist § 103 Abs 4 SGB V. Da bei den auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung gerichteten Vornahmesachen grundsätzlich alle Änderungen der Sachlage bis zur mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz sowie alle Rechtsänderungen, auch soweit sie erst in der Revisionsinstanz eintreten, zu berücksichtigen sind, ist hier grundsätzlich § 103 Abs 4 SGB V in der seit dem 1.1.2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung ( vom 22.12.2011, BGBl I 2983) zugrunde zu legen. Eine Ausnahme gilt aber, sofern dem Vornahmebegehren - wie hier - notwendigerweise eine Abwehrklage in Gestalt einer Drittanfechtung der Begünstigung des für die Praxisnachfolge ausgewählten Bewerbers vorangehen muss. Falls sich für die Zulassung des begünstigten Dritten die Sach- oder Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorteilhafter darstellt, ist dieser Zeitpunkt maßgeblich (vgl BSG SozR 4-​2500 § 103 Nr 12 RdNr 22; BSGE 94, 181 = SozR 4-​2500 § 103 Nr 2, RdNr 5; BSG SozR 4-​2500 § 117 Nr 2 RdNr 8 mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 13 RdNr 30, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

26

Anlass für ein Nachbesetzungsverfahren besteht dann, wenn die Zulassung eines Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, durch Tod, Verzicht oder Entziehung endet und die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll (vgl § 103 Abs 3a Satz 1 nF, Abs 4 Satz 1 aF SGB V). Nach dem bis zum 31.12.2011 geltenden und somit für das im Jahr 2011 durchgeführte Verfahren noch maßgeblichen (Verfahrens-​)Recht wird das Nachbesetzungsverfahren durch einen Antrag des Vertragsarztes oder seiner zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben in Gang gesetzt (§ 103 Abs 4 Satz 1 SGB V aF); nach neuem Recht entscheidet der Zulassungsausschuss, ob überhaupt ein Nachbesetzungsverfahren für den Vertragsarztsitz durchgeführt werden soll (§ 103 Abs 3a Satz 1 SGB V nF). Die KÄV hat sodann diesen Vertragsarztsitz unverzüglich auszuschreiben und eine Liste der eingehenden Bewerbungen zu erstellen (§ 103 Abs 4 Satz 1 SGB V aF wie nF).

27

Die Auswahl des Praxisnachfolgers richtet sich nach § 103 Abs 4 Satz 4 ff sowie Abs 5 Satz 3 SGB V. Nach altem wie nach neuem Recht hat danach der Zulassungsausschuss unter mehreren Bewerbern, die die ausgeschriebene Praxis als Nachfolger des bisherigen Vertragsarztes fortführen wollen, den Nachfolger nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen (§ 103 Abs 4 Satz 4 SGB V). Bei der Auswahl der Bewerber sind gemäß § 103 Abs 4 Satz 5 SGB V(alter wie neuer Fassung) - neben vorliegend nicht relevanten Gesichtspunkten - die berufliche Eignung (Nr 1), das Approbationsalter (Nr 2) und die Dauer der ärztlichen Tätigkeit (Nr 3) zu berücksichtigen. Weitere zu berücksichtigende Kriterien sind - nach neuem Recht - eine Tätigkeit in unterversorgten Gebieten (Nr 4) sowie die Bereitschaft des Bewerbers, besondere Versorgungsbedürfnisse zu erfüllen (Nr 7). Zusätzlich bestimmt § 103 Abs 5 Satz 3 SGB V, dass bei der Auswahl der Bewerber für die Übernahme einer Vertragsarztpraxis nach Absatz 4 die Dauer der Eintragung in die Warteliste zu berücksichtigen ist. Wenn die Zulassung eines Vertragsarztes endet, der die Praxis bisher mit anderen Vertragsärzten gemeinschaftlich ausgeübt hat, sind gemäß § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V ferner die Interessen der in der Praxis verbleibenden Vertragsärzte bei der Auswahl angemessen zu berücksichtigen.

28

b. Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des Beklagten, statt des Klägers den Beigeladenen zu 9. als Praxisnachfolger des Dr. E. zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen, rechtmäßig.

29

aa. Der Kläger konnte schon deswegen nicht als Praxisnachfolger zugelassen werden, weil ein Sitz in einer BAG zu besetzen war und der Kläger bis zum maßgeblichen Zeitpunkt - dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens vor dem Beklagten - erklärt hatte, nur in einer Einzelpraxis als Nachfolger des Dr. E. tätig werden zu wollen.

30

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die Ausschreibung eines Sitzes in einer BAG zur Folge hat, dass sich auch die Auswahl eines Bewerbers auf den Sitz in der BAG beziehen muss und dass aufgrund einer Ausschreibung eines in eine BAG eingebundenen Vertragsarztsitzes grundsätzlich keine Nachfolgezulassung in eine Einzelpraxis erfolgen darf (BSGE 110, 43 = SozR 4-2500 § 103 Nr 9, RdNr 25; BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 49/12 R - RdNr 47, SozR 4-2500 § 103 Nr 13 RdNr 47, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Daher dürfen die Zulassungsgremien Ärzte, die von vornherein nicht in der BAG, sondern nur in einer Einzelpraxis tätig werden wollen und sich gegenüber den Zulassungsgremien nicht einmal hilfsweise zur Kooperation in der BAG bereit erklärt haben, nicht in die Auswahl einbeziehen, soweit ein in eine BAG eingebundener Vertragsarztsitz nachzubesetzen ist.

31

So liegt es hier. Der Kläger hat im Verwaltungsverfahren zu keinem Zeitpunkt erklärt, zumindest hilfsweise mit den verbleibenden Partnern der Beigeladenen zu 1. zusammenarbeiten zu wollen, sondern er hat auf eine Nachfolgebesetzung in Einzelpraxis bestanden. Die im Klageverfahren nachgeschobene Erklärung der entsprechenden Bereitschaft ist ohne rechtliche Bedeutung. Andernfalls hätte der Bewerber es in der Hand, durch eine nachgeschobene Erklärung im gerichtlichen Verfahren die Aufhebung der Auswahlentscheidung des Beklagten allein mit dem Hinweis zu erreichen, nunmehr habe er sich entschlossen, doch in der BAG zu arbeiten mit der Folge, dass er in die Auswahlentscheidung einzubeziehen (gewesen) sei. Im Übrigen überzeugt das Vorbringen des Klägers nicht, seine Äußerungen zur Einzelpraxis seien allein darauf zurückzuführen, dass er die BAG-Gründung für rechtswidrig halte. Der Kläger hat in seinem Zulassungsantrag offengelegt, dass er beabsichtigt, die übernommene Praxis in seine bisherige BAG einzubringen. Von daher ist es äußerst zweifelhaft, ob er wirklich bereit ist, diese gewachsenen Strukturen notfalls aufzugeben und eine Zusammenarbeit mit den Partnern der Beigeladenen zu 1. einzugehen.

32

bb. Aber auch dann, wenn der Kläger in die Auswahl einzubeziehen gewesen wäre, ist die Entscheidung des Beklagten zu seinen Lasten rechtmäßig. Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger nach den in § 103 Abs 4 Satz 5 und Abs 5 Satz 2 SGB V aufgeführten Auswahlkriterien als der besser geeignete Kandidat anzusehen sein dürfte, kam er bei der durch § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V gebotenen angemessenen Berücksichtigung der Interessen der Beigeladenen zu 1. als der in der überörtlichen BAG verbleibenden Praxispartner nicht als Nachfolger des Dr. E. in Betracht.

33

(1) § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V verlangt, dass die Interessen der in der Praxis verbleibenden Vertragsärzte bei der Bewerberauswahl angemessen zu berücksichtigen sind, wenn die Zulassung eines Vertragsarztes endet, der die Praxis bisher gemeinschaftlich mit anderen Vertragsärzten ausgeübt hat.

34

(a) Wie der Senat bereits mit Urteil vom 11.12.2013 (SozR 4-2500 § 103 Nr 13 RdNr 43 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) entschieden hat, gebietet § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V nicht nur die angemessene Berücksichtigung der Interessen der Partner einer örtlichen BAG, sondern in gleicher Weise die Berücksichtigung der Interessen der Partner einer überörtlichen BAG. Eine Differenzierung zwischen örtlicher und überörtlicher BAG wird nicht vorgenommen (BSG aaO mwN). Ausschlaggebend für das Erfordernis, die Interessen der in der Gemeinschaftspraxis bzw BAG verbleibenden Vertragsärzte bei der Bewerberauswahl zu berücksichtigen, war nach der Gesetzesbegründung der Umstand, dass die verbleibenden Mitglieder mit dem Anteilsübernehmer gesellschaftsrechtliche Verbindungen eingehen müssen (BT-​Drucks 12/3937 S 15, zu Art 1 Nr 54). Auch die Partner einer überörtlichen BAG müssen sich im Rahmen ihrer Zusammenarbeit über eine Vielzahl gesellschaftsrechtlicher, arbeitsrechtlicher und organisatorischer Fragen verständigen und entsprechende vertragliche Vereinbarungen treffen.

35

(b) Welche Interessen im Einzelnen berücksichtigungsfähig sind, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Allgemein geht es um das Interesse an einer Fortführung der Gemeinschaftspraxis bzw BAG in einer bestimmten gewachsenen und im Hinblick auf apparativ-technische und personelle Ausstattung der Praxis sowie unter Berücksichtigung der Zahl der zu versorgenden Patienten angemessenen Größe (vgl BSGE 85, 1, 7 = SozR 3-2500 § 103 Nr 5 S 33). Von Bedeutung ist auch, ob damit zu rechnen ist, dass die Kooperation Bestand haben wird (BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, RdNr 26).

36

Zu berücksichtigen ist auf jeden Fall das Interesse der verbleibenden BAG-Partner an einer einvernehmlichen Zusammenarbeit mit dem Praxisnachfolger. Ist ein Bewerber daher nicht gewillt, mit den verbleibenden Partnern eine Kooperation einzugehen, läuft dies deren berechtigten Interessen zuwider. Berücksichtigungsfähig ist (erst recht) auch der Umstand, dass der Mitbewerber bereits einer "konkurrierenden" BAG angehört und demzufolge absehbar ist, dass keine längerfristige Zusammenarbeit gewollt, sondern zu erwarten ist, dass der Mitbewerber alsbald wieder aus der BAG ausscheiden wird, um den Praxissitz in die konkurrierende BAG zu überführen. Es ist ein grundsätzlich legitimes und im Rahmen des § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V berücksichtigungsfähiges Interesse, die wirtschaftlich existenzgefährdende Gefahr zu vermeiden, dass der Mitbewerber die BAG kurz nach der Zulassung wieder verlassen wird, um mit einer anderen BAG zusammenzuarbeiten, bei der er zuvor schon tätig gewesen ist(BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, RdNr 26).

37

(c) Die "angemessene" Berücksichtigung der Interessen setzt einen Abwägungsprozess voraus: Je gewichtiger die Interessen der verbleibenden BAG-Partner sind, desto mehr haben die Interessen der von den Partnern der BAG nicht präferierten Bewerber zurückzutreten. Damit ist zwar nicht in jedem Fall die Berücksichtigung des Wunschkandidaten der BAG geboten, weil es andernfalls bei der Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes, der einer BAG zugehörig ist, überhaupt keines Auswahlverfahrens mehr bedürfte. Jedoch ist ggf ein geringer qualifizierter - aber dennoch "geeigneter" - Bewerber auszuwählen, wenn der besser qualifizierte Bewerber den BAG-Partnern nicht "zumutbar" ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn sich ein Bewerber an der gemeinsamen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht beteiligen und die Tätigkeit des ausscheidenden Arztes in der Gemeinschaftspraxis bzw BAG nicht fortsetzen will (vgl BSGE 85, 1, 7 = SozR 3-2500 § 103 Nr 5 S 33).

38

(d) Nach diesen Maßstäben kommt vorliegend dem Umstand Bedeutung zu, dass der Kläger Mitglied einer im nördlich von O. gelegenen B. ansässigen BAG ist und daher - zumindest was den konkret zu beurteilenden "Zugriff" auf die Patienten in der Stadt O. angeht - unmittelbarer Konkurrent der im (Süd-)Osten von O. ansässigen Beigeladenen zu 1. ist. Hinzu tritt, dass der Kläger bereits in seinem Zulassungsantrag offengelegt hat, dass er beabsichtigt, den Vertragsarztsitz von Dr. E. in seine BAG in B. einzubringen. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass es Aufgabe der Zulassungsgremien ist, bei Bewerbern, die bereits zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind, entsprechende Absichten von Amts wegen zu ermitteln, soweit diese ihre Vorstellungen nicht von sich aus konkretisieren.

39

Die beabsichtige Einbringung des Vertragsarztsitzes in eine andere BAG läuft dem - nach der Senatsrechtsprechung (vgl BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, RdNr 26)gewichtigen - Interesse der in der Beigeladenen zu 1. verbliebenen Partner zuwider, die "wirtschaftlich existenzgefährdende Gefahr" eines alsbaldigen Ausscheidens des Nachfolgers aus der BAG zu vermeiden. Die Auswahl des Klägers läuft daher den Interessen der verbleibenden BAG-Partner zuwider und diesen ist daher - grundsätzlich - der Vorrang zu geben.

40

(2) Der durch § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V vorgeschriebenen angemessenen Berücksichtigung der Interessen der verbleibenden Praxispartner kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die zwischen Dr. E. und den (übrigen) Partnern der Beigeladenen zu 1. gebildete überörtliche BAG nur zum Schein und mit dem Ziel gegründet worden sei, die Auswahlentscheidung im Verfahren um die Praxisnachfolge zu beeinflussen.

41

(a) Vorliegend sprechen allerdings durchaus gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die BAG vorrangig mit dem Ziel einer Beeinflussung des Nachbesetzungsverfahrens gegründet wurde: Schon die vom SG angesprochene zeitgleiche Unterzeichnung der Verträge über die Gründung einer BAG mit Dr. E. und der Übertragung seiner Anteile an dieser BAG auf den Beigeladenen zu 9. bestätigt, dass die BAG in der vereinbarten Zusammensetzung (dh mit Dr. E. als abgebenden Praxisinhaber) von vornherein lediglich für einen begrenzten Zeitraum bestehen sollte. Ebenso lässt dies ohne Weiteres den Schluss zu, dass die BAG allein mit dem Beigeladenen zu 9. fortgesetzt werden sollte. Es bestehen darüber hinaus auch begründete Zweifel, dass die überörtliche BAG überhaupt tatsächlich realisiert wurde. Der Umstand, dass es innerhalb von drei Quartalen zu einer gemeinsamen Behandlung von allenfalls zwei Patienten gekommen ist, ist als Indiz für eine "gelebte" BAG ungeeignet, weil insoweit kein Unterschied zu Praxen besteht, die in keinerlei Verbindung zueinander stehen. Die von der Beigeladenen zu 1. als Beleg für eine gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit angeführten internen Praxisbesprechungen und Vertretungen überzeugen schon deswegen nicht, weil gleichzeitig betont wird, dass Fallbesprechungen und Vertretungen wegen der beruflichen wie auch freundschaftlichen Verbindung zwischen Dr. E. und dem in M. tätigen Partner der Beigeladenen zu 1., Dr. J. auch schon vor Gründung der BAG üblich gewesen seien.

42

(b) Wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 14.12.2011 (BSGE 110, 43 = SozR 4-​2500 § 103 Nr 9, RdNr 17 ff) und vom 11.12.2013 (BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 13 RdNr 47 ff, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) ausgeführt hat, berechtigt auch der Umstand, dass eine BAG-Gründung ausschließlich oder vorwiegend zum Zwecke einer gesteuerten Nachbesetzung eines Praxissitzes erfolgt ist, die Zulassungsgremien nicht dazu, die rechtliche Existenz einer BAG für das Auswahlverfahren bzw bei der Anwendung des § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V außer Betracht zu lassen. Dem steht die Drittbindungswirkung (bzw Tatbestandswirkung) des Bescheides über die Genehmigung der BAG in dem Sinne entgegen, dass andere Behörden bzw Gerichte an diese Entscheidung ohne Rücksicht auf ihren Inhalt gebunden sind (siehe hierzu BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 56 mwN), entgegen.

43

Zur Begründung hat der Senat (BSGE 110, 43 = SozR 4-​2500 § 103 Nr 9, RdNr 17 ff; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 13 RdNr 47 f)darauf verwiesen, dass die Entscheidung darüber, ob die Kriterien einer BAG erfüllt sind, in dem dafür vorgesehenen Genehmigungsverfahren nach § 33 Abs 3 Ärzte-​ZV getroffen wird und diese Entscheidung zum Status der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit grundsätzlich Bindungswirkung auch gegenüber allen vertragsärztlichen Institutionen entfaltet. Daher hat die KÄV bei Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes nicht zu prüfen, ob die Zulassungsgremien den Status der BAG zu Recht zuerkannt haben, oder ob die BAG in erster Linie mit dem Ziel gegründet worden ist, die Auswahlentscheidung für die Nachfolge zu beeinflussen. Auch die Zulassungsgremien haben den Status der BAG im Verfahren um die Nachbesetzung nicht zu prüfen. Gegen die Möglichkeit einer Überprüfung des Status als BAG im Nachbesetzungsverfahren spricht nicht zuletzt die Notwendigkeit, dieses Verfahren zügig durchzuführen (BSGE 110, 43 = SozR 4-​2500 § 103 Nr 9, RdNr 18). Streitigkeiten bereits zum Inhalt der Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes als Sitz in einer Einzelpraxis oder in einer BAG würden das Risiko eines Verfalls des Werts der Praxis erhöhen.

44

Damit ist geklärt, dass die Zulassungsgremien im Nachbesetzungsverfahren die Existenz einer BAG als solches hinzunehmen haben, selbst wenn diese allein mit dem Ziel gegründet wurde, einen bestimmten Praxisnachfolger durchzusetzen, und dass sie die für eine Nachbesetzung innerhalb einer BAG geltenden Regelungen anwenden müssen. Zugleich hat der Senat damit auch geklärt, dass die Zulassungsgremien das Bestehen einer BAG nicht unter dem Gesichtspunkt in Frage stellen dürfen, dass diese faktisch nicht "gelebt" wird. Die Tatbestandswirkung des Genehmigungsbescheides schließt nicht allein die Prüfung der für die Gründung der BAG maßgeblichen Motive aus, sondern auch die Prüfung, ob die BAG nachfolgend in ihrer tatsächlichen Ausgestaltung den Anforderungen an eine BAG genügt. Für eine Inzidentprüfung der BAG-Genehmigung bzw der BAG-Eigenschaft ist daher kein Raum.

45

Eine Ausnahme vom Grundsatz der Drittbindungswirkung kommt gleichfalls nicht in Betracht. Wenn der Kläger darauf verweist, dass der Senat eine solche für den Fall sachlich-rechnerischer Richtigstellungen angenommen hat, lag dem eine andere Situation zugrunde, wie der Senat bereits mit Urteil vom 14.12.2011 (BSGE 110, 43 = SozR 4-2500 § 103 Nr 9, RdNr 21) klargestellt hat. Entgegen der Auffassung des SG steht der Drittbindungswirkung des Bescheides über die Genehmigung der BAG erst recht nicht entgegen, dass der Kläger diesen Bescheid angefochten hat und hierüber noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, da dem Kläger ein derartiges Anfechtungsrecht nicht zusteht (siehe hierzu das Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren B 6 KA 43/13 R).

46

An diesen Grundsätzen hält der Senat auch gegenüber den Bedenken des Klägers fest. Soweit dieser geltend macht, der Senat gewichte den Gesichtspunkt der zügigen Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens zu stark, betrachtet der Kläger die Besonderheiten dieses Verfahrens nicht hinreichend. BAGen haben typischerweise eine bestimmte Größe und ihre Mitglieder nicht selten auch eine spezifische fachliche Ausrichtung oder Subspezialisierung. Ohne diese kontinuierlich zu gewährleisten, kann die BAG ihr Versorgungsangebot nicht aufrechterhalten. Das liegt auf der Hand, wenn nur ein Mitglied der BAG über eine nachgewiesene Befähigung im Rahmen des § 135 Abs 2 SGB V verfügt. Dessen Sitz in der BAG muss zügig nachbesetzt werden können und das wäre in Frage gestellt, wenn die Zulassungsgremien im Nachbesetzungsverfahren ermitteln und beurteilen müssten, ob die BAG zu Recht genehmigt worden ist. Auch der Vorstellung des Klägers, eine solche Prüfung sei zumindest dann geboten, wenn Anhaltspunkte für einen Gestaltungsmissbrauch auf der Hand lägen, kann nicht gefolgt werden. Das Prüfungsprogramm der Zulassungsgremien muss generell und unabhängig vom Einzelfall feststehen; zudem dürfte in einer durch massive Interessengegensätze geprägten Konkurrenzsituation häufig kein Konsens darüber bestehen, wann offenkundige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Gründung der BAG allein auf die Beeinflussung des Nachbesetzungsverfahrens zielt. Im Übrigen wird die Manipulationsanfälligkeit des Nachbesetzungsverfahrens im Kontext des § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V vor allem dadurch ausgelöst, dass die Privilegierung der "verbleibenden" Vertragsärzte nicht an eine Mindestzeit der gemeinschaftlichen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit gebunden ist. An diese Entscheidung des Gesetzgebers ist die Rechtsprechung gebunden. Es ist allein Sache des Gesetzgebers, die im Rahmen der Entwürfe eines Versorgungsstärkungsgesetzes (VSG) seit Mitte Oktober 2014 diskutierte Einführung einer Mindestzeit bei der Privilegierung beruflicher Kooperationen im Rahmen einer aus Versorgungsgründen nicht erforderlichen Nachbesetzung (vgl § 103 Abs 3a Satz 4 SGB V des Entwurfs) modifiziert auch auf die Begünstigung solcher Kooperationen im Rahmen der Auswahlentscheidung zu übertragen.

47

(c) Die Drittbindungswirkung des Genehmigungsbescheides führt allerdings nicht dazu, dass die mit der Gründung einer BAG verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten völlig außer Betracht zu bleiben haben. Vielmehr hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 11.12.2013 (BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 13 RdNr 49, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen)auf die Bedenken reagiert, dass über die Gründung einer BAG die Möglichkeit eröffnet werde, die Zulassung eines bestimmten Bewerbers zu erzwingen, indem die Zusammenarbeit mit allen übrigen Bewerbern ausgeschlossen werde:

48

"Dieser Einwand gibt dem Senat Anlass, seine Rechtsprechung in diesem Punkt zu konkretisieren: Die Bindung der Zulassungsgremien an die Statusentscheidung bezogen auf die Zulassung der BAG hat zwar zur Folge, dass für eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung kein Raum ist. Damit sind die Interessen des oder der in der Praxis verbleibenden Vertragsärzte in Anwendung des § 103 Abs 6 Satz 2 SGB V 'angemessen' zu berücksichtigen. Welches Gewicht dabei den Interessen der verbleibenden Ärzte zukommt, hängt jedoch wesentlich von Intensität und Dauer der bisherigen Zusammenarbeit ab. Das Interesse an der Fortführung einer BAG in einer bestimmten gewachsenen Struktur und einer im Hinblick auf die Zahl der zu behandelnden Patienten angemessenen Größe wird die Zulassung eines Bewerbers, mit dem die in der Praxis verbleibenden Ärzte nicht zusammenarbeiten wollen, in aller Regel ausschließen (vgl BSGE 110, 43 = SozR 4-​2500 § 103 Nr 9, RdNr 23; BSGE 91, 253 = SozR 4-​2500 § 103 Nr 1, RdNr 27; BSGE 85, 1, 6 ff = SozR 3-​2500 § 103 Nr 5 S 33 f).

49

Allerdings ist den Interessen der verbleibenden Ärzte nach einer nur sehr kurzen und nicht sehr intensiven Zusammenarbeit in einer überörtlichen BAG nur ein entsprechend geringes Gewicht bei der Auswahlentscheidung beizumessen. Dies kann im Einzelfall auch eine Einschränkung des in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Grundsatzes erfordern, dass einem Bewerber, mit dem die verbleibenden Vertragsärzte nicht zusammenarbeiten wollen, die Zulassung nicht erteilt werden darf. Gerade in Fällen, in denen die Umstände dafür sprechen, dass die BAG in erster Linie mit dem Ziel gegründet worden ist, die Auswahlentscheidung zu beeinflussen, kann die erforderliche Abwägung mit den übrigen nach § 103 Abs 6 Satz 1 SGB V zu berücksichtigenden Kriterien zur Auswahl eines von den übrigen Mitgliedern der BAG nicht gewünschten Bewerbers führen. Je deutlicher sich also der Eindruck aufdrängt, dass die BAG vorrangig mit dem Ziel gegründet worden ist, Einfluss auf die Nachbesetzung zu nehmen, je kürzer die BAG bestanden hat und je weniger intensiv die Zusammenarbeit innerhalb der BAG war, desto geringeres Gewicht kommt den Interessen der verbleibenden Ärzte bei der Auswahlentscheidung zu.

50

Damit wird die Möglichkeit, die Auswahl eines bestimmten Bewerbers über die Gründung einer BAG zu steuern, jedenfalls eingeschränkt. Durch die Gründung einer BAG mit kurz darauf folgender Nachbesetzung riskieren die in der Praxis verbleibenden Ärzte entweder, mit einem Bewerber zusammenarbeiten zu müssen, der nicht vollständig ihren Vorstellungen entspricht, oder das Scheitern des Nachbesetzungsverfahrens, weil der Gesellschaftsvertrag nicht zustande kommt und der ausgewählte Bewerber den Sitz damit nicht übernehmen kann. Im zuletzt genannten Fall kommt eine neue Ausschreibung nur in Betracht, wenn auch zu diesem Zeitpunkt noch eine fortführungsfähige Praxis existiert. Bezogen auf die BAG bedeutet dies, dass ein funktionsfähiger Praxisanteil noch vorhanden und eine Anknüpfung an die gemeinsam ausgeübte Tätigkeit noch möglich sein muss (vgl BSGE 99, 218 = SozR 4-​2500 § 103 Nr 3, RdNr 19; BSGE 91, 253 = SozR 4-​2500 § 103 Nr 1 RdNr 22)."

51

(d) Nach diesen Maßstäben sind im Nachbesetzungsverfahren des Dr. E. die Voraussetzungen dafür gegeben, den Interessen der verbleibenden Partner der BAG geringeres Gewicht beizumessen: So bestand die BAG mit Dr. E. nur für den relativ kurzen Zeitraum von drei Quartalen, wobei dieser Zeitraum schon deswegen als "kurz" zu werten ist, weil der Antrag auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes von Dr. E. bereits im ersten Quartal des Bestehens der neuen BAG - im Juni 2011 - gestellt wurde. Zudem wurde schon bei Gründung der BAG das baldige Ende der Tätigkeit des Dr. E. vorbestimmt. Außer Frage steht gleichfalls, dass mit der Gründung der BAG Einfluss auf die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes von Dr. E. ausgeübt werden sollte. Eine derartige Zweckbestimmung ist ohne Weiteres anzunehmen, wenn zeitgleich mit der Gründung der BAG mit dem designierten Nachfolger des neu eintretenden BAG-Partners ein Vertrag über die Übertragung der BAG-Anteile geschlossen wird. Schließlich war auch die Zusammenarbeit zwischen Dr. E. und den übrigen Partnern der BAG zumindest "wenig intensiv".

52

(e) Ungeachtet dessen ist aus der zweckgerichteten Gründung der BAG für die zur Entscheidung anstehende Konstellation nicht die Folgerung zu ziehen, dass die Interessen der verbleibenden Praxispartner gegenüber der besseren Eignung des Klägers völlig zurückzutreten haben und dieser somit vom Beklagten als Praxisnachfolger auszuwählen ist. Der Senat hat vielmehr in seinem bereits erwähnten Urteil vom 11.12.2013 (BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 13 RdNr 50, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) darauf hingewiesen, dass die so verstandene "angemessene" Berücksichtigung der Interessen der in der Praxis verbleibenden Vertragsärzte nicht dazu führen darf, dass die Zulassungsgremien einen Bewerber auswählen, mit dem aus objektiv nachvollziehbaren Gründen eine Zusammenarbeit keinesfalls erwartet werden kann:

53

"Die verbleibenden Praxispartner auch einer überörtlichen BAG müssen sich mit dem Nachfolger - neben dem Kaufpreis - über alle Fragen, die Gegenstand des zu schließenden Gesellschaftsvertrags sind, sowie zB über die Anmietung der Praxisräume, Arbeitszeiten, die Anstellung von Personal, den Umgang mit Patientenunterlagen und Fragen der Praxisorganisation einigen (vgl Paßmann, ZMGR 2013, 155, 158). Dies gilt auch für eine BAG, die erst kurz vor der Nachbesetzung gegründet worden ist. Wenn die Zulassungsgremien einen Nachfolger auswählen, obwohl bereits absehbar ist, dass eine Einigung zu den genannten Fragen nicht zustande kommen kann, ist ein Scheitern des Nachbesetzungsverfahrens vorprogrammiert. Deshalb müssen die Zulassungsgremien der Angabe der in der Praxis verbleibenden Ärzte, mit einem bestimmten Bewerber nicht zusammenarbeiten zu wollen, umso größeres Gewicht beimessen, je gewichtiger die Gründe sind, die objektiv gegen die Möglichkeit einer Zusammenarbeit sprechen. Ein Bewerber, mit dem eine Zusammenarbeit aus objektiv nachvollziehbaren Gründen von vornherein ausgeschlossen werden kann, kommt als Nachfolger nicht in Betracht."

54

Hieran hält der Senat fest. Auch eine eindeutig zum Zweck der Beeinflussung des Nachbesetzungsverfahrens erfolgte BAG-Gründung führt entsprechend nicht dazu, dass die verbleibenden Partner es hinnehmen müssten, dass die Wahl auf einen Kandidaten fällt, "mit dem aus objektiv nachvollziehbaren Gründen eine Zusammenarbeit keinesfalls erwartet werden kann". Ein derartiger "objektiv nachvollziehbarer Grund" liegt bereits dann vor, wenn zwischen der BAG, der der ausscheidende Vertragsarzt angehört, und dem Mitbewerber ein Konkurrenzverhältnis besteht, welches einer vertrauensvollen Zusammenarbeit entgegensteht. So liegt der Fall hier.

55

Zumindest in der Stadt O. selbst überschneiden sich die Interessenbereiche der BAG des Klägers, die in B. - nördlich von O. - angesiedelt ist, und der Beigeladenen zu 1. mit südöstlich von O. gelegenen Standorten in M. und D. In einer solchen Situation ist ein der Zusammenarbeit entgegenstehender "objektiv nachvollziehbarer Grund" darin zu sehen, dass eine Zusammenarbeit mit dem "konkurrierenden" Bewerber von vornherein nur für einen begrenzten Zeitraum zu erwarten ist. Dies ist dann der Fall, wenn zwei miteinander konkurrierende BAGen versuchen, den ausgeschriebenen Vertragsarztsitz in ihre BAG zu ziehen und die Partner der einen BAG einen Arzt aus der anderen BAG als neuen Praxispartner aufnehmen müssten. Dies steht einer Zusammenarbeit objektiv entgegen.

56

Vorliegend hat der Kläger zudem bereits in seinem Zulassungsantrag offen gelegt, dass er den Vertragsarztsitz in O. in die BAG einbringen möchte, in der er bereits in B. tätig ist. Sofern nicht absolut überzeugende Gründe dargelegt werden, warum diese Pläne nicht mehr relevant sein sollen (zB Auflösung der BAG im Streit oä), lässt dies die Annahme zu, dass eine Zusammenarbeit mit den Partnern der anderen BAG von vornherein ausgeschlossen werden kann, weil die BAG-Partner damit rechnen müssen, dass ihr neuer Partner alsbald unter Mitnahme des Vertragsarztsitzes die BAG verlassen wird. Für eine gedeihliche Kooperation des Klägers mit den Partnern der zu 1. beigeladenen BAG fehlt deshalb jede Basis.

57

Dass die "Inkompatibilität" zu Lasten eines Mitbewerbers geht, der den BAG-Partnern nicht "zumutbar" ist, aber mit diesen Partnern überhaupt nicht hätte zusammenarbeiten müssen, wenn diese nicht allein zum Zwecke der Beeinflussung des Nachbesetzungsverfahrens eine BAG mit einem zuvor in Einzelpraxis tätigen Arzt gegründet hätten, ist dabei hinzunehmen. Dies gilt nicht zuletzt deswegen, weil eine solche Situation regelmäßig nur dann eintritt, wenn beide Seiten - BAG und Bewerber - jeweils "eigennützige" Interessen verfolgen. Vorliegend hat nicht allein die zu 1. beigeladene BAG Dr. E. nur deshalb in eine BAG einbezogen, um dessen Nachfolger auf dem Vertragsarztsitz selbst auswählen zu können; vielmehr wollte auch der Kläger die Praxis von Dr. E. nicht als solche fortführen, sondern den Sitz ebenfalls in seine BAG ziehen. Hingegen dürften sich zB in Bezug auf einen Bewerber, der erstmals die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung begehrt, schwerlich objektiv nachvollziehbare Ablehnungsgründe feststellen lassen.

58

(f) Dieses Ergebnis ist auch unter Berücksichtigung der vom Kläger angeführten Argumente hinzunehmen. Die Annahme des Klägers, dass der Bewerberauswahl im Sinne einer "Bestenauslese" schon unter Versorgungsgesichtspunkten hohes Gewicht beizumessen sei, geht schon deswegen fehl, weil der nachzubesetzende Vertragsarztsitz überhaupt nicht zur Versorgung der Versicherten benötigt wird (BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 12 RdNr 27). Ob ein Sitz nachbesetzt wird, ist unabhängig von der Qualifikation der Bewerber um die eventuelle Nachfolge zu beurteilen. Nach der gesetzlichen Konzeption sollen frei werdende Sitze in überversorgten Gebieten nämlich wegfallen und nicht erhalten bleiben. Dieses Ziel tritt nur im Hinblick auf die Verwertungsinteressen des ausscheidenden Arztes bzw seiner Rechtsnachfolger zurück. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 29.9.1999 (BSGE 85, 1, 6 = SozR 3-2500 § 103 Nr 5 S 32 f)unter Heranziehung der Motive des Gesetzgebers dargelegt und nachfolgend in ständiger Rechtsprechung wiederholt hat, berücksichtigt der Gesetzgeber mit der ausnahmsweisen Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen in überversorgten Planungsbereichen die finanziellen Interessen des bisherigen Praxisinhabers bzw seiner Erben (siehe hierzu BSGE 85, 1, 6 = SozR 3-2500 § 103 Nr 5 S 32; BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, RdNr 19; BSGE 110, 43 = SozR 4-2500 § 103 Nr 9, RdNr 19; BSGE 110, 34 = SozR 4-2500 § 103 Nr 11, RdNr 20 f; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 12 RdNr 28), welche andernfalls wegen der fehlenden Verwertungsmöglichkeit der Arztpraxis erhebliche Nachteile erleiden würden, und trägt damit den Erfordernissen des Eigentumsschutzes Rechnung (vgl zB BSGE 110, 34 = SozR 4-2500 § 103 Nr 11, RdNr 20 mwN; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 12 RdNr 28). Diese Zielsetzung kommt mit hinreichender Deutlichkeit auch in den Regelungen des § 103 Abs 3a Satz 3 und Abs 4 Satz 9 SGB V zum Ausdruck: Wenn keine privilegierten Nachfolgekandidaten im Raum stehen, kann auf die Nachbesetzung auch verzichtet werden.

59

Auch Art 12 Abs 1 GG gebietet hier kein anderes Ergebnis. Dabei fällt konkret ins Gewicht, dass der Kläger bereits zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist und lediglich eine Erweiterung seiner BAG angestrebt hat, während der Beigeladene zu 9. als Folge der Entscheidung des Beklagten die Möglichkeit der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in der gewünschten Region erhalten hat. Dabei verkennt der Senat nicht, dass auch der Wunsch zugelassener Ärzte, ihre vertragsärztliche Tätigkeit auf einem freiwerdenden Sitz an einem anderen Ort auszuüben, den Schutz des Art 12 Abs 1 GG genießt; schon aus § 103 Abs 4 Satz 5 Nr 4 SGB V ergibt sich weiterhin, dass auch zugelassene Ärzte privilegiert sein können. Das Gewicht der von Art 12 Abs 1 GG geschützten Belange kann aber durchaus differieren, je nachdem, ob es um den Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung in einer bestimmten Region geht oder zwei in BAGen zugelassene Ärzte um einen frei gewordenen Sitz konkurrieren, den beide in ihre BAG einbinden wollen.

60

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels - mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 8. (§ 162 Abs 3 VwGO) - zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. November 2013 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 9. November 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6., die diese selbst tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein in der Rechtsform einer GmbH betriebenes medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), wendet sich gegen die Feststellung, dass ihre Zulassung geendet habe sowie gegen die vorsorglich erklärte Entziehung der Zulassung.

2

Mit Bescheid des Zulassungsausschusses (ZA) vom 5.9.2008, zur Post gegeben am 8.12.2008 wurde die Klägerin mit Wirkung vom 1.10.2008 mit Sitz in T., . zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gleichzeitig wurde ihr die Genehmigung zur Anstellung des Arztes für Nervenheilkunde Dr. B., des Arztes für Innere Medizin Dr. A. und des Arztes für Kinderheilkunde Dr. M. erteilt. Für die Arztgruppen, denen die Ärzte angehören, bestanden im maßgebenden Planungsbereich (B.) Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung. In dem Bescheid wurde verfügt, dass die vertragsärztliche Tätigkeit innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Bescheides aufzunehmen sei. Ferner wurde das Ende der Zulassung von Dr. B., Dr. A. und Dr. M. zum 30.9.2008 festgestellt. Diese hatten auf ihre Zulassung verzichtet, um in dem MVZ als angestellte Ärzte tätig zu werden.

3

Als Betriebsstätte beabsichtigte die Klägerin ein Ärztehaus zu errichten, das zum Zeitpunkt der Erteilung der Zulassung noch nicht existierte. Auch die erforderliche Baugenehmigung lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor; sie wurde am 22.1.2009 durch die Stadt T. erteilt. Im September 2008 und im Mai 2009 zeigte die Klägerin gegenüber der zu 1 beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) die Aufnahme der Tätigkeit des MVZ an. Als Anschrift des MVZ wurde die B. straße in T. angegeben. Unter dieser Hausnummer existierte eine alte Backsteinvilla, die sich im Eigentum der Gründer des MVZ befand und die bis zum 31.8.2009 an die Stiftung L. vermietet war. Die Stiftung nutzte das Gebäude ua für die Betreuung behinderter Menschen in Form einer Wohngruppe. Die Ärzte Dr. B., Dr. A. und Dr. M. führten ihre ärztliche Tätigkeit nach dem Ende ihrer Zulassung an ihren bisherigen Praxisstandorten fort, die sich in einer Entfernung von etwa 200 bis 450 Metern von der angegebenen Anschrift des zugelassenen MVZ befanden. Die Abrechnung der Leistungen erfolgte unter Angabe der Betriebsstättennummer des MVZ.

4

Nachdem der ZA darauf hingewiesen worden war, dass die angestellten Ärzte des MVZ ihre Tätigkeit weiterhin in ihren Arztpraxen und nicht am Sitz des MVZ ausübten, hörte er die Klägerin am 12.2.2010 dazu an. Darauf teilte die Geschäftsführerin der Klägerin dem Beklagten mit, dass Dr. B. und Dr. M. ihre vertragsärztliche Tätigkeit am Sitz des MVZ in der B. straße ausüben würden. Die Telefonnummern ihrer vormaligen Praxen seien beibehalten worden, um die Erreichbarkeit für langjährige Patienten zu gewährleisten. Ferner legte die Mitgründerin und Geschäftsführerin der Klägerin einen Vertrag vom 15.9.2008 über die Anmietung der Räume der "Backsteinvilla" (B. straße) durch das MVZ vor; der Beginn des Mietverhältnisses war in dem Vertrag mit dem 1.10.2008 angegeben. Die Geschäftsführerin der Klägerin ließ in der Folge Räume der Backsteinvilla, die hinsichtlich Größe und Ausstattung zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit kaum geeignet waren, notdürftig und zum Schein als Arztpraxis herrichten. Bei einer Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter des ZA am 11.3.2010 wurde in dem Gebäude, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Grundstück befindet, auf dem das Gebäude für das MVZ errichtet wurde, eine Arzthelferin in einem provisorisch eingerichteten Empfang, jedoch keine Ärzte oder Patienten angetroffen. Praxisschilder wiesen auf Dr. B. und Dr. A. hin, die jedoch nicht anwesend waren und die fünf Tage später telefonisch mitteilten, dass sie von der Geschäftsführung unter Androhung einer Kündigung gezwungen würden, ihre Tätigkeit in für die Ausübung ärztlicher Tätigkeit nicht geeigneten Räumen der "Backsteinvilla" auszuüben.

5

Daraufhin beantragte die Beigeladene zu 1 beim ZA, der Klägerin die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu entziehen und bezog sich zur Begründung neben der Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit unter der angegebenen Anschrift auf Hinweise zu Verstößen gegen den Datenschutz sowie auf Abrechnungsmanipulationen.

6

Ab etwa Mai 2010 nahmen die bei der Klägerin angestellten Ärzte ihre Tätigkeit in den Räumen des inzwischen weitgehend fertiggestellten Neubaus (Ärztehaus) auf. Auf Antrag der Geschäftsführung des MVZ wurde für die "Backsteinvilla" anstelle der Hausnummer 14 die Hausnummer 16 vergeben, während der Neubau die Hausnummer 14 erhielt. Damit entsprach die Anschrift des MVZ dem im Zulassungsbescheid vom 5.9.2008 angegebenen Sitz.

7

Mit Bescheid vom 10.5.2010 entzog der ZA der Klägerin die Zulassung "mit sofortiger Wirkung" und stellte das Ende der erteilten Anstellungsgenehmigungen fest. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin ihre Tätigkeit am Sitz des MVZ in der B. straße , T., nicht aufgenommen habe. Auf gröbliche Pflichtverletzungen, etwa wegen Abrechnungsbetruges sowie Verletzung des Datenschutzes komme es unter diesen Umständen nicht mehr an.

8

Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Bescheid vom 26.7.2010 zurück, stellte unter Hinweis auf § 19 Abs 3 ÄrzteZV das Ende der Zulassung der Klägerin bereits zum 11.3.2009, 24:00 Uhr, sowie das Ende der Genehmigungen zur Beschäftigung der angestellten Ärzte fest und bestätigte hilfsweise die Entscheidung des ZA zur Entziehung der Zulassung der Klägerin. Sowohl bezogen auf die Feststellung des Endes der Zulassung zum 11.3.2009, 24:00 Uhr, als auch bezogen auf die Entziehung der Zulassung ordnete er außerdem die sofortige Vollziehung an. Auf Antrag der Klägerin ordnete das SG Freiburg mit Beschluss vom 19.8.2010 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 26.7.2010 an. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das LSG Baden-Württemberg mit Beschluss vom 11.1.2011 zurück.

9

Die gegen den Bescheid vom 26.7.2010 gerichtete Klage hat das SG Freiburg mit Urteil vom 9.11.2011 abgewiesen. Auf die dagegen eingelegte Berufung hat das LSG Baden-Württemberg das Urteil des SG Freiburg sowie den Bescheid des Beklagten vom 26.7.2010 aufgehoben. Sowohl die Feststellung des Endes der Zulassung zum 11.3.2009 als auch die hilfsweise ausgesprochene Entziehung der Zulassung seien rechtswidrig. Das Ende der Zulassung wegen Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV greife nur ein, wenn es an der Ausübung jeglicher vertragsärztlicher Tätigkeit fehle, nicht jedoch, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit - wie vorliegend - lediglich am falschen Ort ausgeübt werde. Aus dem Umstand, dass diese Tätigkeit als vertragsärztliche Tätigkeit des MVZ von der Klägerin gegenüber der zu 1 beigeladenen KÄV abgerechnet wurde, folge auch, dass es sich um vertragsärztliche Leistungen des MVZ gehandelt habe. Die Entziehung der Zulassung sei ebenfalls rechtswidrig, weil sich der Pflichtverstoß des MVZ zwar als gröblich, in seiner Schwere jedoch nicht als so erheblich erweise, dass die Entziehung der Zulassung als Eingriff in das Recht der Berufsfreiheit nach Art 12 GG gerechtfertigt wäre. Die vertragsärztliche Tätigkeit des MVZ sei ab Mai 2010 tatsächlich am Vertragsarztsitz ausgeübt worden. Im Hinblick auf diese zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten bestehende Situation erweise sich die Entziehung der Zulassung als unverhältnismäßig. Bei der verspäteten Errichtung des MVZ und dem verzögerten Einzug habe es sich um einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Sachverhalt gehandelt, der sich nach Fertigstellung und Bezug des Ärztehauses so nicht wiederholen könne. Die Unverhältnismäßigkeit einer Zulassungsentziehung folge auch aus dem in der Rechtsprechung des BSG entwickelten Rechtsgedanken zum Wohlverhalten im laufenden Zulassungsentziehungsverfahren. Zwar habe das BSG diese Rechtsprechung mit Urteil vom 17.10.2012 (B 6 KA 49/11 R) aufgegeben. Dies gelte jedoch erst für Verfahren, in denen die Entscheidung des Berufungsausschusses nach der Veröffentlichung des Urteils ergehe. Mithin verbleibe es für das vorliegende Verfahren dabei, dass Verhaltensänderungen des Betroffenen bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz zu berücksichtigen seien. Die Missstände hinsichtlich der zunächst pflichtwidrig "dezentral durchgeführten vertragsärztlichen Tätigkeit" seien endgültig abgestellt. Weitere Pflichtverletzungen würden der Klägerin nicht vorgehalten werden können.

10

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, dass die Zulassung nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV kraft Gesetzes ende, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen werde. Bei der Fortführung der Tätigkeit durch die angestellten Ärzte des MVZ am Ort ihres früheren Praxissitzes handele es sich nicht um eine Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift. Der Sinn des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV erschöpfe sich nicht in der Vermeidung von Verwerfungen im Rahmen der Bedarfsplanung. Vielmehr sollten in zulassungsbeschränkten Gebieten nur solche Ärzte eine Zulassung erhalten, die auch eine Niederlassungsabsicht hegen. Maßgebend für die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit sei der konkrete Ort mit konkreter Adresse, auf den sich die Zulassung beziehe. Ferner sei zu berücksichtigen, dass MVZ fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen seien und dass der ärztliche Leiter in dem MVZ selbst ärztlich tätig sein müsse. Auch dagegen werde mit der dezentralen Tätigkeit der angestellten Ärzte an unterschiedlichen Orten verstoßen. § 19 Abs 3 Ärzte-ZV verstoße als Regelung zur Berufsausübung nicht gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art 12 GG. Auch soweit die hilfsweise verfügte Entziehung der Zulassung aufgehoben werde, verletze das Urteil des LSG Bundesrecht. Das LSG habe in seiner Entscheidung nicht gewürdigt, dass die Klägerin durch wahrheitswidrige Angaben zur Tätigkeit am Sitz des MVZ in Praxisaufnahmebögen, Arbeitsverträgen, Genehmigungsanträgen und Abrechnungssammelerklärung arglistig und absichtlich getäuscht und damit ihre vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt habe.

11

Der Beklagte und die Beigeladene zu 1. beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20.11.2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 9.11.2011 zurückzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Das Urteil des LSG sei nicht zu beanstanden. Unter "Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit" iS des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV sei die tatsächliche ärztliche Versorgung der GKV-Patienten im betreffenden Planungsbereich zu verstehen. § 19 Abs 3 Ärzte-ZV sei im Zuge der Bedarfsplanung eingeführt worden. Ziel der Vorschrift sei es zu gewährleisten, dass der festzustellende Versorgungsgrad der Versorgungsrealität entspreche. Unter Berücksichtigung des Sinngehalts und der hohen Eingriffsintensität sei die Regelung dahin auszulegen, dass die Tätigkeit auch dann aufgenommen werden könne, wenn sie nicht ausschließlich am Vertragsarztsitz stattgefunden habe. Bei verfassungskonformer Auslegung könne die Ausübung der Tätigkeit an einem anderen Ort als dem Ort der Zulassung jedenfalls nicht automatisch zur Beendigung der Zulassung nach Ablauf von drei Monaten führen. Wegen der durch den Beklagten hilfsweise verfügten Entziehung der Zulassung bezieht sich die Klägerin auf die Gründe des Urteils des LSG. Entgegen der Auffassung des Beklagten habe sich das LSG in seiner Entscheidung auch mit den wahrheitswidrigen Dokumenten, der Täuschung über die Aufnahme der Tätigkeit des MVZ am Vertragsarztsitz und der Gründung des MVZ zu einem erheblich verfrühten Zeitpunkt befasst.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Beklagten gegen das Urteil des LSG ist begründet. Das LSG hat die klagabweisende Entscheidung des SG zu Unrecht aufgehoben.

15

A. Einer Sachentscheidung steht nicht entgegen, dass die bei der Klägerin angestellten Ärzte nicht zum Verfahren beigeladen worden sind. Die Entscheidung über das Ende der Zulassung des MVZ hat für die angestellten Ärzte, die zugunsten der Anstellung durch das MVZ auf ihre Zulassung verzichtet haben (vgl § 103 Abs 4a Satz 1 SGB V), zwar erhebliche praktische Bedeutung. Das ändert aber nichts daran, dass die Zulassung der bei der Klägerin angestellten Ärzte aufgrund ihres Verzichts auf die Zulassung mWv 30.9.2008 geendet hat. Die entsprechende Feststellung des ZA aus dem Bescheid vom 5.9.2008 ist bestandskräftig geworden. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die Frage des Endes der Zulassung des MVZ. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Berufungsausschuss auch das Ende der Genehmigung der Anstellung festgestellt hat. Dabei handelt es sich nicht um eine von dem Ende der Zulassung des MVZ isoliert zu betrachtende Entscheidung, sondern um eine Folge des Endes der Zulassung. Der Status der angestellten Ärzte im MVZ ist stets von dem des zugelassenen MVZ abgeleitet (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 27 RdNr 21; BSG Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 39/11 R - Juris RdNr 22; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 14 RdNr 16). Die Anstellungsmöglichkeit ist nicht als Recht des anzustellenden Arztes, sondern als ausschließliches Recht des MVZ bzw des zugelassenen Praxisinhabers ausgestaltet (zur Anstellung bei einem Vertragsarzt vgl BSGE 78, 291, 293 = SozR 3-5520 § 32b Nr 2 S 3). Adressat der Anstellungsgenehmigung ist also das MVZ, das durch diese zur Anstellung eines Arztes in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis berechtigt wird - nicht der angestellte Arzt (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 27 RdNr 21; BSG Urteil vom 17.10.2012 - B 6 KA 39/11 R - Juris RdNr 22; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 14 RdNr 16; entsprechend bezogen auf die Anstellung bei einem Vertragsarzt: BSGE 78, 291, 292 f = SozR 3-5520 § 32b Nr 2 S 3 mwN). Aus diesem Grund ist der anzustellende oder bereits angestellte Arzt auch in einem Rechtsstreit über die Anstellungsgenehmigung nicht notwendig beizuladen (BSG Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 8/10 R - Juris RdNr 11 = SozR 4-2500 § 103 Nr 7, jedoch insoweit nicht abgedruckt; vgl auch BSG SozR 3-5525 § 32b Nr 1 S 3; BSG SozR 3-5520 § 32b Nr 3 S 9 f). Etwas anderes folgt auch nicht aus der mittelbaren Betroffenheit der angestellten Ärzte in ihrem Grundrecht aus Art 12 Abs 1 GG. Allerdings wird ihnen ggf die Möglichkeit einzuräumen sein, nach der Entziehung der Zulassung "ihres" MVZ weiterhin im bisherigen Planungsbereich vertragsärztlich tätig zu sein, wenn ihnen nicht selbst eine gröbliche Pflichtverletzung zur Last fällt (vgl BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 30 mwN).

16

B. In der Sache kann der Entscheidung des LSG nicht gefolgt werden. Die Feststellung im angefochtenen Bescheid des Beklagten, nach der die Zulassung der Klägerin beendet ist, ist ebenso wenig zu beanstanden wie die hilfsweise Entziehung der Zulassung.

17

1. Die Klägerin hat ihre Tätigkeit als zugelassenes MVZ nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zustellung aufgenommen. Für diesen Fall ordnet § 19 Abs 3 Ärzte-ZV das Ende der Zulassung mit Ablauf der Frist an.

18

a) Der Senat billigt den Zulassungsgremien in ständiger Rechtsprechung die Befugnis zu, deklaratorische Entscheidungen über das Ende der Zulassung zu treffen, um Rechtssicherheit herzustellen und für alle an der vertragsärztlichen Versorgung Beteiligten Klarheit darüber zu schaffen, ob ein Arzt berechtigt ist, vertragsärztlich tätig zu werden (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 2 RdNr 12; vgl auch BSGE 100, 43 = SozR 4-2500 § 95 Nr 14, RdNr 9; BSGE 83, 135, 138 = SozR 3-2500 § 95 Nr 18 S 65; BSGE 78, 175, 183 = SozR 3-5407 Art 33 § 3a Nr 1 S 10).

19

Grundlage der Feststellung des Beklagten, nach der die Zulassung der Klägerin mit Ablauf des 11.3.2009 endet, ist § 19 Abs 3 Ärzte-ZV(in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung - GSG) vom 21.12.1992 (BGBl I 2266). Nach dieser Vorschrift endet die Zulassung, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen wird. Die Zulassung endet nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV kraft Gesetzes und ohne dass es einer Umsetzung durch VA bedürfte, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen(vgl BSG Beschluss vom 29.11.2006 - B 6 KA 35/06 B - RdNr 9; zur ehemals geltenden Altersgrenze für Vertragsärzte vgl BSGE 83, 135, 138 f = SozR 3-2500 § 95 Nr 18 S 66; BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 32 S 154; BSG Beschluss vom 5.11.2003 - B 6 KA 56/03 B - Juris RdNr 8; vgl auch SG Marburg, Gerichtsbescheid vom 8.10.2008 - S 12 KA 284/08, Juris RdNr 35; Dahm in FS 10 Jahre AG Medizinrecht, 2008, 343, 345 f). Die Klägerin hat ihre Tätigkeit als zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenes MVZ nicht innerhalb dieser Frist aufgenommen. Vielmehr haben die Ärzte, die auf ihre Zulassung verzichtet hatten, um bei der Klägerin tätig zu werden, auch noch weit über den Ablauf der Frist hinaus für mehr als ein Jahr ihre ärztliche Tätigkeit weiterhin jeweils am Ort ihrer bisherigen Praxissitze ausgeübt.

20

b) Die Vorschrift des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV ist wirksam. Insbesondere beruht die Vorschrift auf einer rechtmäßigen Ermächtigungsgrundlage und hält sich im Rahmen der Ermächtigung (ebenso: Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV, 2007, § 19 RdNr 17; Dahm, FS 10 Jahre AG Medizinrecht im DAV, 2008, S 343, 344 f; Großbölting/Jaklin, NZS 2002, 525, 527; Kremer/Wittmann, Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, 2. Aufl 2014, RdNr 1397; Schiller in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 5 D RdNr 12; Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 2. Aufl 2014, § 15 RdNr 46; aA, jedoch ohne nähere Begründung: Bedei/Zalewski in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, § 19 Ärzte-ZV, RdNr E 19-4; vgl auch Schallen, Zulassungsverordnung, 8. Aufl 2012, § 19 RdNr 22). Sie steht auch nicht im Widerspruch zu höherrangigem Gesetzesrecht.

21

aa) § 19 Abs 3 Ärzte-ZV ist mit der Vierten Verordnung zur Änderung der Zulassungsordnung für Kassenärzte vom 20.7.1987 (BGBl I 1679 f) eingeführt und mit dem GSG durch den parlamentarischen Gesetzgeber - allerdings nur redaktionell (Ersetzung des Wortes "kassenärztliche" durch "vertragsärztliche") - geändert worden. Der Senat war in der Vergangenheit in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die durch den Gesetzgeber geänderten Bestimmungen der Ärzte-ZV im Rang eines formellen Gesetzes stünden und deshalb keiner gesetzlichen Ermächtigung bedürften (BSGE 91, 164 RdNr 8 ff = SozR 4-5520 § 33 Nr 1, RdNr 7 ff; BSGE 76, 59, 61 = SozR 3-5520 § 20 Nr 1 S 4; BSGE 70, 167, 172 = SozR 3-2500 § 116 Nr 2 S 13 f). Diese Rechtsprechung ist jedoch durch die Entscheidung des BVerfG vom 13.9.2005 (2 BvF 2/03 = BVerfGE 114, 196, 234 ff = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 93 ff; vgl auch BVerfGE 114, 303, 311 ff; BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 65; BSGE 116, 31 = SozR 4-2500 § 272 Nr 1, RdNr 30 mwN; Pawlita in JurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 98 RdNr 12) überholt.

22

Das BVerfG hat in der genannten Entscheidung vom 13.9.2005 die Änderung von Rechtsverordnungen durch den parlamentarischen Gesetzgeber ausdrücklich gebilligt. Aus Gründen der Normklarheit seien die Regelungen jedoch insgesamt auch hinsichtlich der durch den Gesetzgeber geänderten Teile als Rechtsverordnung zu qualifizieren. Die Änderung von Rechtsverordnungen sei zudem nur unter bestimmten Voraussetzungen und Maßgaben mit dem Grundgesetz vereinbar. Dazu gehöre, dass der parlamentarische Gesetzgeber an die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage (Art 80 Abs 1 Satz 2 GG) gebunden sei (BVerfGE 114, 196, 239 f = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 109).

23

Auch unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist § 19 Abs 3 Ärzte-ZV nicht zu beanstanden. Die Vorschrift fällt allerdings nicht unter eine der Gegenstände, die nach dem Katalog des § 98 Abs 2 Nr 1 bis 15 SGB V in den Zulassungsverordnungen zwingend zu regeln sind. So müssen die Zulassungsverordnungen nach § 98 Abs 2 Nr 10 SGB V Vorschriften über "die Voraussetzungen der Zulassungen" enthalten. Dies gilt jedoch nur "hinsichtlich der Vorbereitung und der Eignung zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit sowie die nähere Bestimmung des zeitlichen Umfangs des Versorgungsauftrags aus der Zulassung". Die in § 19 Abs 3 Ärzte-ZV getroffene Regelung zum Ende der Zulassung bei Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit kann nicht unter diesen Wortlaut subsumiert werden.

24

Daraus folgt indes nicht, dass die erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fehlen würde. § 98 Abs 2 Ärzte-ZV zählt lediglich bestimmte spezifische Bereiche auf, zu denen in den Zulassungsverordnungen Regelungen zu treffen sind, beschränkt die Zulassungsverordnungen jedoch nicht darauf. Vielmehr ist ergänzend § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V als Ermächtigungsgrundlage heranzuziehen(vgl Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV, 2008, § 19 RdNr 17; Dahm, FS 10 Jahre AG Medizinrecht im DAV, 2008, S 343, 345). Danach regeln die Zulassungsordnungen das Nähere über die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sowie die zu ihrer Sicherstellung erforderliche Bedarfsplanung (§ 99 SGB V) und die Beschränkung von Zulassungen. Dass die Aufzählung in Abs 2 lediglich der Konkretisierung bezogen auf bestimmte, nicht abschließend aufgezählte Punkte dient, die zwingend zu regeln sind und dass damit ein eigenständiger Anwendungsbereich des § 98 Abs 1 SGB V als Ermächtigungsgrundlage verbleibt, wird auch durch die Entstehungsgeschichte der Regelung bestätigt: § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V geht auf den mit dem Gesetz über Änderungen von Vorschriften des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung und zur Ergänzung des Sozialgerichtsgesetzes(Gesetz über Kassenarztrecht - GKAR) vom 17.8.1955 (BGBl I 513) eingeführten § 368c Abs 1 Satz 1 RVO zurück, der zunächst folgenden Wortlaut hatte: "Die Zulassungsordnungen regeln das Nähere über die Zulassung". Die dem heute geltenden § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V im Wesentlichen entsprechende Fassung erhielt die Regelung mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Kassenarztrechts(Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetz - KVWG) vom 28.12.1976 (BGBl I 3871), mit dem die Wendung "die sonstige Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung sowie die zu ihrer Sicherstellung erforderliche Bedarfsplanung und Beschränkung von Zulassungen" eingefügt wurde. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 7/3336 S 23) sollte der Regelungsbereich der Zulassungsordnungen mit dieser Änderung des Abs 1 erweitert werden. Dies spricht für einen eigenständigen Anwendungsbereich des Abs 1 als Ermächtigungsgrundlage. Auch der Umstand, dass die Verordnungsermächtigung gleichzeitig durch Änderungen der Aufzählung des Abs 2 "konkretisiert" (BT-Drucks 7/3336 S 23) wurde, kann nach Auffassung des Senats nicht dahin verstanden werden, dass der Umfang der Ermächtigung allein durch Abs 2 definiert würde.

25

bb) § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V genügt dem Bestimmtheitsgebot aus Art 80 Abs 1 Satz 2 GG. Danach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Der Gesetzgeber muss also selbst die Grenzen einer solchen Regelung festsetzen und angeben, welchem Ziel sie dienen soll (BVerfGE 2, 307, 334 f; BVerfGE 23, 62, 72). Zur Klärung von Zweck, Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung können - wie auch sonst bei der Auslegung von Normen - neben dem Wortlaut die Entstehungsgeschichte, der Sinnzusammenhang und das Ziel der gesetzlichen Regelung berücksichtigt werden (BVerfGE 19, 354, 361 f). Welche Anforderungen an die Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind, ist vom Regelungsgegenstand und der Eingriffsintensität abhängig. An Regelungen, die erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen eingreifen sind höhere Anforderungen zu stellen, als wenn es sich um Regelungsbereiche handelt, die die Grundrechtsausübung weniger tangieren (vgl BVerfGE 58, 257, 277 f; BVerfGE 62, 203, 210; BVerfGE 113, 167, 269).

26

Bezogen auf die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung und zur Bedarfsplanung hat der Gesetzgeber die wesentlichen Bestimmungen in §§ 95 ff und §§ 99 ff SGB V selbst getroffen und dem Verordnungsgeber mit § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V lediglich die nähere Ausgestaltung bezogen auf die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, die zu ihrer Sicherstellung erforderliche Bedarfsplanung(§ 99 SGB V) und die Beschränkung von Zulassungen übertragen. Der gesetzlich vorgegebenen Zielsetzung entspricht § 19 Abs 3 Ärzte-ZV. Die Vorschrift ist durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Zulassungsordnung für Kassenärzte vom 20.7.1987 (BGBl I 1679) im Zusammenhang mit weiteren Regelungen zur Bedarfsplanung eingeführt worden und regelt das Ende der Zulassung bei Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit allein für von Zulassungsbeschränkungen betroffene Planungsbereiche. Nach der Begründung des für den Erlass der Zulassungsverordnungen damals zuständigen Bundesministeriums zur Einführung des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV soll die Regelung sicherstellen, "daß nur der Antragsteller die Zulassung erhält, der eine konkrete Niederlassungsabsicht in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich hat. Dabei wird davon ausgegangen, daß die Aufnahme der kassenärztlichen Tätigkeit innerhalb einer Frist von drei Monaten zumutbar ist" (BR-Drucks 230/87 S 8). § 19 Abs 3 SGB V regelt damit Näheres zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung iS des § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V. Gleichzeitig besteht ein enger Zusammenhang mit der in § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V ebenfalls angesprochenen Bedarfsplanung und der Beschränkung von Zulassungen. Dies wird auch daran deutlich, dass die § 19 Abs 3 Ärzte-ZV entsprechende Vorschrift für den vertragszahnärztlichen Bereich zusammen mit Regelungen zur Bedarfsplanung bei Überversorgung aufgehoben worden ist(vgl Art 22 Nr 9 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378, 458).

27

Bezogen auf die Eingriffsintensität des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV ist zu berücksichtigen, dass der als Rechtsfolge vorgesehene Verlust der Zulassung zwar schwerwiegend ist. Andererseits sind zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren gemäß § 95 Abs 3 Satz 1 und 2 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht nur berechtigt, sondern im Interesse der Sicherstellung der Versorgung im Umfang des aus der Zulassung folgenden Versorgungsauftrags auch verpflichtet. Für den Fall der Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit hat bereits der Gesetzgeber in § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V die Entziehung der Zulassung verbindlich vorgeschrieben. Die darüber hinausgehenden Rechtsfolgen, die § 19 Abs 3 Ärzte-ZV speziell für Planungsbereiche mit Zulassungsbeschränkungen vorsieht, sind nicht als besonders gravierend zu bewerten. Unter diesen Umständen begegnet es keinen Bedenken, dass das Nähere zur Beendigung der Zulassung speziell für den Fall der Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich auf der Grundlage des § 98 Abs 1 Satz 1 SGB V durch Rechtsverordnung geregelt wurde.

28

cc) § 19 Abs 3 Ärzte-ZV steht auch nicht im Widerspruch zu anderen die Beendigung der Zulassung regelnden Bestimmungen des SGB V(aA Bedei/Zalewski in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, § 19 Ärzte-ZV, S E 19-5; ähnlich: Schallen, Zulassungsverordnung, 8. Aufl 2012, § 19 RdNr 22). Zwar trifft auch § 95 Abs 7 SGB V Regelungen zu den Voraussetzungen, unter denen die Zulassung eines Vertragsarztes(Satz 1) oder eines MVZ (Satz 2) endet, wie zB bei Ablauf eines Befristungszeitraums oder dem Wirksamwerden eines Verzichts. Es handelt sich dabei aber nicht um eine abschließende Regelung von Beendigungsgründen (Schiller in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 5 D RdNr 12). Von § 19 Abs 3 Ärzte-ZV abweichende Bestimmungen enthält die Vorschrift daher nicht. Entsprechendes gilt für § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V, der bestimmt, dass die Zulassung zu entziehen ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Damit erstreckt sich § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V zwar auch auf den Fall der Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit. § 19 Abs 3 Ärzte-ZV trifft dazu jedoch eine spezielle Regelung, die allein für die Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in von Zulassungsbeschränkungen getroffenen Planungsbereichen gilt und die in den Rechtsfolgen über die allgemeine Regelung des § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V insofern hinausgeht, als die Zulassung gemäß § 19 Abs 3 Ärzte-ZV nach Ablauf einer bestimmten Frist kraft Gesetzes endet, ohne dass es einer Entziehung durch VA bedarf. Beide Vorschriften widersprechen einander nicht. Auch wird das Recht der Zulassungsgremien, die Zulassung nach § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V (vorsorglich) zu entziehen, durch § 19 Abs 3 Ärzte-ZV nicht eingeschränkt(zu einer bedingt erteilten Zulassung bei Nichteintritt der Bedingung vgl BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 2 RdNr 13).

29

c) Die Beendigung der Zulassung bei Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in einem wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich verstößt auch nicht gegen die in Art 12 Abs 1 GG geregelte Berufsfreiheit. Grundsätzlich ist es einem Arzt zuzumuten, seine vertragsärztliche Tätigkeit innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufzunehmen. Allerdings ist die Vorschrift unter Berücksichtigung von Art 12 Abs 1 GG einschränkend auszulegen. Einschränkungen im Anwendungsbereich sind geboten, wenn der Arzt die Frist von drei Monaten ohne eigenes Verschulden nicht einhalten kann. Davon ist der Senat im Ergebnis bereits in Fallgestaltungen ausgegangen, in denen die erteilte Zulassung von einem Dritten angefochten worden war und hat im Interesse des effektiven Rechtsschutzes darüber hinaus bei der Praxisnachfolge ausdrücklich auf das Erfordernis der Existenz einer fortführungsfähigen Praxis zum Zeitpunkt der letzten Tatsacheninstanz verzichtet (vgl BSGE 115, 57 = SozR 4-2500 § 103 Nr 13, RdNr 39 f; vgl auch Schiller in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 5 D RdNr 13). Dass die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit innerhalb von drei Monaten im Falle der Anfechtung durch einen Konkurrenten nicht verlangt werden kann, folgt aus dem Umstand, dass der zugelassene Arzt von der durch einen Dritten angefochtenen Zulassung - jedenfalls sobald ihm die Anfechtung bekannt ist - noch keinen Gebrauch machen darf, solange die sofortige Vollziehung der Zulassung nicht angeordnet worden ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 13, 21 mwN).

30

Nach Auffassung des Senats kann bei verfassungskonformer Auslegung des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV die Möglichkeit einer Verlängerung der Frist von drei Monaten auch für andere Fälle einer unverschuldeten Verzögerung der Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht gänzlich ausgeschlossen werden(im Ergebnis ebenso: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 15.3.2006 - L 5 KA 3995/04 - Juris RdNr 24, 29; Schroeder-Printzen in Ratzel/Luxenburg, Handbuch Medizinrecht, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 399; einschränkend, aber ausdrücklich offen gelassen bezogen auf die Möglichkeit, die Frist durch einen rechtzeitigen Ruhensantrag zu verlängern: LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 20.6.2007 - L 7 KA 7/04 - MedR 2008, 393, 395; gegen eine Verlängerungsmöglichkeit dagegen: Dahm in FS 10 Jahre AG Medizinrecht, 2008, 343, 348). Davon ist der Senat bereits in einem unveröffentlichten Beschluss vom 29.11.2006 (B 6 KA 35/06 B - RdNr 9) ausgegangen und hat einem Psychotherapeuten, der geltend gemacht hat, die Tätigkeit wegen einer schweren Erkrankung nicht aufgenommen zu haben, im Grundsatz die Möglichkeit eingeräumt, zur Vermeidung einer Beendigung der Zulassung nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV das Ruhen der Zulassung nach § 95 Abs 5 Satz 1 SGB V iVm § 26 Ärzte-ZV zu beantragen. Unter Bezugnahme auf seine Rechtsprechung zur ehemals geltenden 55-Jahres-Zugangsgrenze (vgl BSG SozR 3-5520 § 25 Nr 5 S 39) hat der Senat eine Verlängerung der Drei-Monats-Frist des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV allerdings davon abhängig gemacht, dass der Ruhensantrag bis zum letzten Tag der Frist gestellt worden ist. Daran hält der Senat fest und geht davon aus, dass die Drei-Monats-Frist nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV bei rechtzeitiger Antragstellung verlängert werden kann, jedenfalls wenn sich die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit aus einem wichtigen, zum Zeitpunkt der Beantragung der Zulassung noch nicht absehbaren Grund ohne eigenes Verschulden verzögert und wenn die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit außerdem in angemessener Frist zu erwarten ist.

31

Danach kann eine Verlängerung der Frist zur Aufnahme der Tätigkeit des MVZ vorliegend nicht in Betracht kommen. Von einer unverschuldeten Versäumung der Frist von drei Monaten kann keine Rede sein, weil zum Zeitpunkt der Beantragung der Zulassung und deren Erteilung mindestens absehbar war, dass die vertragsärztliche Tätigkeit nicht innerhalb der gesetzlichen Frist aufgenommen werden kann. Die "Backsteinvilla", die sich am Sitz des zugelassenen MVZ in der B. straße befand und deren Eigentümer die Gründer des MVZ waren, war auch zum Zeitpunkt der Erteilung der Zulassung noch an die Stiftung L. vermietet, die dort behinderte Menschen in einer Wohngruppe betreute. Räume, in denen das MVZ ohne weiteres hätte betrieben werden können, existierten dort nach den Feststellungen des LSG nicht. Für das "Ärztehaus" in unmittelbarer Nachbarschaft zur "Backsteinvilla", in der das MVZ betrieben werden sollte, war zum Zeitpunkt der Antragstellung und auch zum Zeitpunkt der Zustellung des Zulassungsbescheides im Dezember 2008 noch nicht einmal die Baugenehmigung erteilt worden. Zudem hat die Klägerin nicht nur versäumt, rechtzeitig eine Verlängerung der Frist zur Aufnahme der Tätigkeit des MVZ zu beantragen, sondern im Gegenteil gegenüber dem Zulassungsausschuss und gegenüber der zu 1. beigeladenen KÄV die Existenz eines MVZ an dem Ort, für den die Zulassung erteilt worden war, vorgetäuscht, indem sie im September 2008 und im Mai 2009 wahrheitswidrig die Aufnahme der Tätigkeit des MVZ angezeigt und Abrechnungen unter der Betriebsnummer des MVZ erstellt hat. Nachdem beim ZA Anfang des Jahres 2010 Zweifel an der Existenz des MVZ aufgekommen waren, hat die Klägerin versucht, die Täuschung aufrechtzuerhalten, indem sie noch einmal schriftlich erklärt hat, dass die angestellten Ärzte am Sitz des MVZ in der B. straße tätig seien, zum Beleg ua einen Mietvertrag vorgelegt hat, ausweislich dessen die Räume der "Backsteinvilla" ab dem 1.10.2008 an das MVZ vermietet worden sein sollen und schließlich Räume der "Backsteinvilla" zum Schein als Arztpraxis hergerichtet hat.

32

d) Über § 1 Abs 3 Nr 2 Ärzte-ZV gilt § 19 Abs 3 Ärzte-ZV für MVZ entsprechend. Auf die Frage, ob die Regelung bereits zur Anwendung kommt, wenn für eine der im MVZ vertretenen Arztgruppen Zulassungsbeschränkungen gelten, oder ob auf die Aufnahme der Tätigkeit der von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Arztgruppen abzustellen ist, kommt es vorliegend nicht an, weil für alle drei im MVZ vertretenen Arztgruppen (Nervenheilkunde, Innere Medizin, Kinder- und Jugendmedizin) im Zeitraum der Zulassung der Klägerin und auch noch drei Monate nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung im betroffenen Planungsbereich Zulassungsbeschränkungen galten.

33

e) Das MVZ hat seine Tätigkeit nicht innerhalb von drei Monaten nach der Zustellung des Bescheides über die Zulassung im Dezember 2008 aufgenommen. Vielmehr haben die bei der Klägerin angestellten Ärzte ihre Tätigkeit ohne eine vertragsärztliche Zulassung bis etwa Mai 2010 und damit weit über drei Monate hinaus in den jeweiligen Räumen ihrer Arztpraxen fortgeführt, anstatt gemeinsam am Sitz des MVZ tätig zu werden. Der Bescheid des ZA vom 5.9.2008 ist am 8.12.2008 zur Post gegeben und der Klägerin in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise (vgl § 65 Abs 2 SGB X iVm § 4 Abs 1 Verwaltungszustellungsgesetz für Baden-Württemberg vom 3.7.2007, GBl 2007, 293) mittels Einschreiben durch Übergabe zugestellt worden, sodass die Klägerin ihre Tätigkeit jedenfalls im Laufe des März 2009 hätte aufnehmen müssen. Entgegen der Auffassung des LSG kann in dem Umstand, dass die bei der Klägerin angestellten Ärzte, die zuvor auf ihre Zulassung verzichtet hatten, ihre Tätigkeit am Ort ihrer ehemaligen Praxissitze fortgesetzt haben, nicht die Aufnahme der Tätigkeit des MVZ gesehen werden.

34

aa) Zwar spricht aus Sicht des Senats - auch unter Berücksichtigung der einschneidenden Rechtsfolgen, die § 19 Abs 3 Ärzte-ZV anordnet - einiges dafür, dass nicht jede von der erteilten Zulassung abweichende Form der Leistungserbringung zur Folge hat, dass von einer fehlenden Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit ausgegangen werden könnte. Grundsätzlich ist aber für eine Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit iS des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV zu fordern, dass diese am Vertragsarztsitz bzw - bei der Zulassung eines MVZ - am Sitz des MVZ ausgeübt wird. Die Zulassung ist nach § 18 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV für einen konkreten Sitz zu beantragen und die Zulassung erfolgt gemäß § 95 Abs 1 Satz 7 SGB V, § 24 Abs 1 Ärzte-ZV für diesen Ort(vgl BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 7/14 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 19 mwN). Zulassung und Vertragsarztsitz sind rechtlich so eng miteinander verknüpft, dass der Vertragsarztsitz in seiner rechtlichen Wirkung an dem Statuscharakter der Zulassung teilnimmt (BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 2 RdNr 13). Der Umstand, dass der Vertragsarztsitz in § 95 Abs 1 Satz 7 SGB V als "Ort der Niederlassung" definiert wird, bedeutet nach ständiger Rechtsprechung (vgl BSG SozR 3-5520 § 24 Nr 4 S 15 mwN) nicht, dass auf die Ortschaft iS einer Verwaltungseinheit abzustellen wäre. Vielmehr ist die konkrete Praxisanschrift gemeint. Sowohl Vertragsärzte wie MVZ sind gemäß § 17 Abs 1a BMV-Ä verpflichtet, am Vertragsarztsitz in Form von Sprechstunden zur Verfügung zu stehen. Das MVZ kann diese Verpflichtung nur durch seine angestellten Ärzte bzw seine Vertragsärzte erfüllen.

35

Ob gleichwohl mit dem LSG davon auszugehen ist, dass auch die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit unter einer anderen Anschrift als dem Vertragsarztsitz als Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit iS des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV angesehen werden kann, sodass die Zulassung in einem solchen Fall jedenfalls nicht kraft Gesetzes nach Ablauf von drei Monaten endet(gegen eine solche einschränkende Auslegung des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV zB Hesral in Ehlers, Fortführung von Arztpraxen, 3. Aufl 2009, RdNr 422), lässt der Senat dahingestellt. Für die vorliegende Entscheidung kommt es darauf im Ergebnis nicht an, weil das MVZ seine Tätigkeit nicht nur "am falschen Ort", sondern innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten nach Zustellung des Bescheides über die Zulassung überhaupt nicht aufgenommen hat.

36

bb) Anders als bei einer Berufsausübungsgemeinschaft sind bei einem MVZ nicht die dort tätigen Ärzte Träger der Zulassung, sondern das MVZ selbst (vgl § 95 Abs 1 SGB V). Dem entsprechend richten sich Rechte und Pflichten bezogen auf die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 72 Abs 1, § 95 Abs 3 SGB V in erster Linie unmittelbar an das zugelassene MVZ(BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 14 RdNr 15 f mwN). Insbesondere für den Einsatz der Ärzte und für die Korrektheit der Abrechnung ist das MVZ selbst verantwortlich (BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 21). Dieser Struktur entsprechend ist bei der gemäß § 1 Abs 3 Nr 2 Ärzte-ZV gebotenen Anwendung des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV auf MVZ nicht die Aufnahme (oder Fortführung) der Tätigkeit durch einzelne Ärzte maßgebend, sondern allein die Frage, ob das MVZ als Einrichtung, der die Zulassung erteilt worden ist, seine Tätigkeit innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen hat. Daran fehlt es hier.

37

Nach § 95 Abs 1 Satz 2 SGB V sind MVZ fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen in denen Ärzte, die in das Arztregister nach § 95 Abs 2 Satz 3 SGB V eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Der Begriff der Einrichtung wird im SGB V an verschiedenen Stellen verwendet aber nicht definiert. Zu fordern ist jedenfalls eine räumlich und sachlich abgrenzbare Einheit (so auch: Quaas in Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 17 RdNr 11; Kaya, Rechtsfragen medizinischer Versorgungszentren, 2012, S 92; Konerding, Der Vertragsarztsitz im MVZ, 2009, 48; Dahm, in Dahm/Möller/Ratzel, Rechtshandbuch MVZ, 2005, Kap III RdNr 3). In dieser Einheit müssen nach § 95 Abs 1 Satz 2 SGB V Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen vertreten sein(zu der vorgesehenen, hier noch nicht maßgebenden gesetzlichen Änderung, nach der auf das Merkmal "fachübergreifend" verzichtet werden soll, vgl Art 1 Nr 41 Buchstabe a) aa) des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-VSG, BT-Drucks 18/4095). Ferner muss der ärztliche Leiter selbst in der Einrichtung tätig sein. Letzteres galt nach der Rechtsprechung des Senats (BSG Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 33/10 R - MedR 2012, 695) bereits vor der ausdrücklichen Regelung in § 95 Abs 1 Satz 3 SGB V zum 1.1.2012 durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl I 2983).

38

Eine Einrichtung, die dieser Definition auch nur in Ansätzen entsprechen würde, hat jedenfalls innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung des MVZ nicht existiert. Die Ärzte, die auf ihre Zulassung verzichtet hatten, um bei der Klägerin als angestellte Ärzte tätig zu werden, haben ihre Tätigkeit am Ort ihrer ursprünglichen Arztpraxen fortgesetzt. Weder unter der Anschrift, die mit der Zulassung als Sitz des MVZ bestimmt worden ist, noch an einem anderen Ort sind mehrere Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen im Rahmen einer räumlich und sachlich abgrenzbaren Einheit vertragsärztlich tätig geworden. Bereits weil es an einer Einrichtung im Sinne einer organisatorischen Einheit gefehlt hat, konnte ein ärztlicher Leiter nicht "in der Einrichtung" tätig sein. Der Umstand, dass die erbrachten ärztlichen Leistungen als solche des MVZ abgerechnet wurden und dass die Klägerin nach außen zB bei Überweisungen als MVZ aufgetreten sein mag, hat nicht zur Folge, dass von der Existenz eines MVZ ausgegangen werden könnte. Vielmehr hat die Klägerin die Existenz des MVZ auf diese Weise lediglich vorgetäuscht. Gerade solche bloß "virtuellen" Erscheinungsformen, die "bloß auf dem Papier" existieren, können nicht als Einrichtungen, iS des § 95 Abs 1 Satz 2 SGB V qualifiziert werden(vgl Dahm in Dahm/Möller/Ratzel, Rechtshandbuch MVZ, 2005, Kap III RdNr 4; Quaas in Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, 3. Aufl 2014, § 17 RdNr 11 mwN).

39

Damit steht fest, dass das MVZ seine Tätigkeit nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zustellung aufgenommen hat. Folge ist nach der insoweit eindeutigen Regelung des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV, dass die Zulassung kraft Gesetzes geendet hat.

40

cc) Dagegen kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, dass § 19 Abs 3 Ärzte-ZV im Zuge der Einführung der Bedarfsplanung als notwendige Regelung zur Feststellung des Versorgungsgrades eingeführt worden sei und deshalb nicht eingreifen könne, wenn die in dem MVZ angestellten Ärzte zwar nicht am Sitz des MVZ tätig geworden sind, aber die in der Bedarfsplanung zugrunde gelegte vertragsärztliche Versorgung tatsächlich gewährleistet haben. Zwar trifft es zu, dass die Regelung des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV in einem Zusammenhang mit der Bedarfsplanung steht. Das wird bereits daran deutlich, dass die Vorschrift durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Zulassungsordnung für Kassenärzte vom 20.7.1987 (BGBl I 1679) im Zusammenhang mit weiteren Regelungen zur Bedarfsplanung eingeführt worden ist und auch nur in den von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereichen Anwendung findet (vgl B 1.b bb, RdNr 26). Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass eine Beendigung der Zulassung nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV ausgeschlossen wäre, wenn innerhalb von drei Monaten nach Erteilung der Zulassung irgend eine ärztliche Tätigkeit ausgeübt wird, die tatsächlich zur Deckung des Behandlungsbedarfs auch von gesetzlich Versicherten beiträgt. Ausschlaggebend ist allein, ob gerade das MVZ, dem die Zulassung erteilt worden ist, seine Tätigkeit aufgenommen und damit von der ihm erteilten Zulassung Gebrauch gemacht hat. Das war hier aus den dargestellten Gründen nicht der Fall.

41

f) Der Bescheid des Beklagten war auch nicht deshalb teilweise aufzuheben, weil mit der Feststellung des Endes der Zulassung bereits auf den 11.3.2009, 24:00 Uhr, gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen würde. Zwar hat der ZA der Klägerin die Zulassung erst mit Bescheid vom 10.5.2010 "mit sofortiger Wirkung" entzogen und keine Feststellung zu einem bereits zuvor eingetretenen Ende der Zulassung getroffen. Die davon abweichende Entscheidung des Beklagten verstößt jedoch nicht gegen das Verbot der reformatio in peius.

42

aa) Das Verbot der reformatio in peius ist ein im Rechtsstaatsprinzip verankerter Grundsatz (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 37 RdNr 34), der auch im Verfahren vor den Zulassungsgremien gilt (vgl BSG SozR 3-2500 § 96 Nr 1 S 4; BSGE 71, 274 = SozR 3-1500 § 85 Nr 1). Der Begriff beschreibt die Veränderung der mit dem Widerspruch angegriffenen Verwaltungsentscheidung im Widerspruchsverfahren zuungunsten des Widerspruchsführers (BSGE 71, 274, 275 = SozR 3-1500 § 85 Nr 1 S 2). Der Umstand, dass der Berufungsausschuss mit dessen Anrufung funktionell ausschließlich zuständig wird (vgl BSG SozR 3-2500 § 96 Nr 1), begründet entgegen der Auffassung des Beklagten (S 17 f des Bescheides) keine Abweichung von diesem Grundsatz (zur entsprechenden Fragestellung in den Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 37 RdNr 34).

43

bb) Zur Begründung der Entscheidung, der Klägerin die Zulassung „mit sofortiger Wirkung“ zu entziehen, hat der ZA ua ausgeführt, dass ein Ende der Zulassung nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV nicht festgestellt worden sei, nachdem die Klägerin die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit zum 1.10.2008 angezeigt habe. Die Zulassung eines MVZ erfolge für einen konkreten Vertragsarztsitz. Werde die Tätigkeit an diesem Vertragsarztsitz nicht aufgenommen, ende die Zulassung nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV. Isoliert betrachtet stelle § 19 Abs 3 Ärzte-ZV damit bereits einen Tatbestand für das gesetzliche Ende der Zulassung dar. Unter Bezugnahme auf ein Urteil des Senats vom 5.2.2003 (B 6 KA 22/02 R - SozR 4-2500 § 95 Nr 2) hat der ZA weiter ausgeführt, dass die Möglichkeit bestehe, die Zulassung nach § 95 Abs 6 SGB V zu entziehen, obgleich diese rechtlich nie wirksam geworden sei. Zu der Frage, ob die Zulassung zum Zeitpunkt der Entscheidung über deren Entziehung überhaupt noch bestanden hat oder ob diese bereits zuvor kraft Gesetzes endete, wird in dem Bescheid des ZA danach keine Regelung getroffen. Eine verbindliche, die Klägerin begünstigende Entscheidung dahin, dass er sich auf ein bereits vor dem Zeitpunkt der Entziehung eingetretenes Ende der Zulassung nicht berufen werde, kann der Entscheidung des ZA zur Entziehung der Zulassung "mit sofortiger Wirkung" nicht entnommen werden. Der ZA wäre daher auch für den Fall, dass der Bescheid über die Entziehung der Zulassung bestandskräftig geworden wäre, etwa im Zusammenhang mit einem späteren Streit um Honorarrückforderungen, nicht gehindert gewesen festzustellen, dass das Ende der Zulassung bereits vor der Entziehung kraft Gesetzes eingetreten ist (zum Ende der Zulassung wegen Erreichens der ehemals geltenden Altersgrenze für Vertragsärzte vgl den Beschluss des Senats vom 5.11.2003 - B 6 KA 56/03 B, Juris). Damit war auch der beklagte Berufungsausschuss durch die Entscheidung des ZA zur Zulassungsentziehung nicht gehindert festzustellen, dass die Zulassung bereits vor deren Entziehung gemäß § 19 Abs 3 Ärzte-ZV kraft Gesetzes geendet hat. Denn der Grundsatz der reformatio in peius steht nur einer Änderung des VA im Widerspruchsverfahren zu Lasten des Widerspruchsführers entgegen, die die Ausgangsbehörde aufgrund der Bindung des bereits erlassenen VA nicht mehr hätte vornehmen dürfen (vgl BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 22/14 R, RdNr 27 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; BSGE 53, 284, 287 f = SozR 5550 § 15 Nr 1 S 4 f; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 85 RdNr 5). Der Vertrauensschutz darf also durch die Einlegung des Widerspruchs nicht eingeschränkt werden. Soweit dagegen die Behörde, die einen VA erlassen hat, auch nach dessen Bestandskraft berechtigt ist, ändernde Regelungen oder - wie hier - Feststellungen zu treffen, können diese ebenso im Widerspruchsverfahren getroffen werden (vgl BSGE 71, 274, 276 f = SozR 3-1500 § 85 Nr 1 S 3 f mwN). Für das Verfahren vor dem Berufungsausschuss gilt insofern nichts Anderes.

44

cc) Im Ergebnis war der Beklagte an der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellung zum eingetretenen Ende der Zulassung auch unter dem Gesichtspunkt der reformatio in peius nicht gehindert. Im Übrigen wirkt sich die Beantwortung der Frage, ob die Zulassung kraft Gesetzes entfallen oder aber entzogen worden ist, jedenfalls für die Zeit vor der Aufnahme der Tätigkeit des MVZ etwa im Mai 2010 sowie für die Zeit seit der gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht zum Nachteil der Klägerin aus.

45

(1) Soweit die Klägerin gegenüber der Beigeladenen zu 1. Leistungen abgerechnet hat, die tatsächlich nicht durch das MVZ erbracht worden sind, schützt die streitgegenständliche Zulassung die Klägerin ohnehin nicht vor Honorarrückforderungen: Ein die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllendes MVZ, das sich die Zulassung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verschafft hat, kann grundsätzlich nicht unter Berufung auf den dadurch erworbenen formalrechtlichen Status vertragsärztliche Leistungen erbringen und abrechnen (zur entsprechenden Fragestellung bei der Zulassung als Vertragsarzt: BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 23; BSGE 76, 153, 155 = SozR 3-2500 § 95 Nr 5 S 22 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 368f Nr 1). Voraussetzung eines Anspruchs des MVZ auf Honorar ist unabhängig von der Zulassung, dass die abzurechnenden Leistungen im Übrigen in Übereinstimmung mit den rechtlichen Vorgaben erbracht wurden. Ein zugelassener Leistungserbringer kann grundsätzlich nur Leistungen abrechnen, die er selbst erbracht hat. Zwar kann das MVZ Leistungen nicht unmittelbar, sondern nur durch die dort tätigen angestellten Ärzte/Vertragsärzte erbringen. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Existenz des MVZ als ärztlich geleitete Einrichtung iS des § 95 Abs 1 Satz 2 SGB V grundlegende Voraussetzung für die Abrechnung erbrachter Leistungen durch das MVZ ist. Bereits für Leistungen, die ein Arzt nicht an dem Vertragsarztsitz (§ 24 Abs 1 Ärzte-ZV) erbracht hat, weil er seine Praxis ohne die erforderliche vorherige Genehmigung verlegt hat, steht ihm grundsätzlich kein Anspruch auf Vergütung zu (vgl BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 2). Erst Recht können Leistungen eines MVZ, das zur Zeit der Erbringung der Leistung noch nicht existierte, nicht vergütet werden. In Betracht käme allenfalls eine Abrechnung durch die einzelnen Ärzte, die die Leistung erbracht haben. Voraussetzung wäre aber, dass diese über die erforderliche Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung verfügen. Im Ergebnis kann die im Bescheid des Beklagten getroffene Feststellung zum Ende der Zulassung daher keinen Einfluss auf den Vergütungsanspruch für Leistungen haben, die vor der Aufnahme des Betriebs des MVZ durch Angestellte der Klägerin erbracht worden sind.

46

(2) Auf der anderen Seite kann Vergütungsansprüchen der Klägerin - jedenfalls für die Zeit seit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage durch die ergangenen gerichtlichen Entscheidungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl BSG Beschluss vom 5.6.2013 - B 6 KA 4/13 B, MedR 2013, 826) - die Beendigung der Zulassung nicht entgegengehalten werden:

47

Der Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid die sofortige Wirkung nicht nur der (hilfsweisen) Entziehung der Zulassung, sondern auch der Feststellung des Endes der Zulassung mit Ablauf der Frist des § 19 Abs 3 Ärzte-ZV zum 11.3.2009, 24:00 Uhr, angeordnet. Bezogen auf die getroffene Feststellung zum Ende der Zulassung ist der Regelungsgehalt der Anordnung insofern zweifelhaft, als Rechtsbehelfe im Falle eines Verwaltungsakts, der eine durch Gesetz eingetretene Rechtsfolge lediglich deklaratorisch feststellt, ohnehin keinen Einfluss auf das Eintreten der Rechtsfolge haben können. Dies hat der Senat bereits bezogen auf das Ende der Zulassung wegen Erreichens der ehemals geltenden Altersgrenze von 68 Jahren für Vertragsärzte entschieden (vgl BSGE 100, 43 = SozR 4-2500 § 95 Nr 14, RdNr 26 mwN). Für die deklaratorische Feststellung des Endes der Zulassung wegen Nichtaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV kann insofern nichts anderes gelten als für die deklaratorische Feststellung des Endes der Zulassung wegen Erreichens einer Altersgrenze.

48

Vorliegend hat das SG gleichwohl im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entscheidung des Beklagten angeordnet. Das LSG hat die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen und in der Begründung ua ausgeführt, dass die strengen Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des BVerfG zu Art 12 Abs 1 GG an den Sofortvollzug statusbeendender Entscheidungen im Vertragsarztrecht gestellt werden müssten, auch für die deklaratorische Feststellung des Endes der Zulassung nach § 19 Abs 3 Ärzte-ZV entsprechend gelten müssten. Dem ist nach Auffassung des Senats im Grundsatz zuzustimmen. Allerdings hätte dann nicht lediglich die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet werden dürfen, sondern zumindest auch eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs 2 SGG des Inhalts erlassen müssen, dass die Zulassung vorläufig zu verlängern bzw zu erteilen ist(so auch zu der entsprechenden Konstellation in Streitigkeiten um das gesetzliche Ende der Zulassung wegen Eintritts der ehemals geltenden Altersgrenze für Vertragsärzte: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss 28.11.2007 - L 7 B 153/07 KA ER - Juris RdNr 23; LSG Bayern Beschluss vom 11.7.2008 - L 12 B 1113/07 KA ER - Juris RdNr 15 f; Hessisches LSG Beschluss vom 25.6.2008 - L 4 KA 48/08 B ER - Juris RdNr 15; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 17.5.2005 - L 10 B 10/04 KA ER - GesR 2005, 378 und Beschluss vom 18.9.2007 - L 11 B 17/07 KA ER, Breith 2008, 81; Meschke in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, Zahnärzte-ZV, 2007, § 28 RdNr 3; aA Kremer/Wittmann, Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, 2. Aufl 2015 RdNr 266).

49

Auch wenn das LSG im Tenor der Entscheidung den Beschluss des SG zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bestätigt hat, hat es in den Entscheidungsgründen eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass der Klägerin die Möglichkeit gegeben werden soll, bis zum Abschluss des Klageverfahrens von der ihr ursprünglich erteilten Zulassung Gebrauch zu machen und vertragsärztlich tätig zu sein. So haben soweit ersichtlich auch die Beteiligten die Entscheidung des LSG verstanden. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gebots des effektiven Rechtsschutzes aus Art 19 Abs 4 GG muss die Entscheidung des LSG daher (auch) im Sinne einer Regelungsanordnung ausgelegt werden. Das aber hat zur Konsequenz, dass Vergütungsansprüchen der Klägerin jedenfalls für die Zeit seit dem Ergehen der gerichtlichen Anordnung und bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens nicht entgegengehalten werden kann, dass sie nicht über eine Zulassung verfüge.

50

2. Da die der Klägerin erteilte Zulassung bereits gemäß § 19 Abs 3 Ärzte-ZV kraft Gesetzes geendet hat, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Voraussetzungen der - von dem Beklagten hilfsweise verfügten - Entziehung der Zulassung vorgelegen haben. Wenn die Zulassung nicht bereits kraft Gesetzes entfallen wäre, wäre sie jedoch auch aufgrund der Entziehung beendet. Der Bescheid des Beklagten ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch insoweit nicht zu beanstanden.

51

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Zulassung ist § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V, wonach diese unter anderem dann zu entziehen ist, wenn der Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Dieser Tatbestand gilt gleichermaßen für alle zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer; er gilt auch für ein MVZ, wie sich generell aus der Verweisung des § 72 Abs 1 Satz 2 SGB V und speziell aus dem Verhältnis des § 95 Abs 6 zu dessen Abs 1 SGB V ergibt(BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 22). Eine gröbliche Pflichtverletzung liegt nach der Rechtsprechung des Senats vor, wenn die Verletzung ein Ausmaß erreicht, dass das Vertrauen der vertragsärztlichen Institutionen in die ordnungsgemäße Behandlung des Versicherten und/oder in die Richtigkeit der Leistungsabrechnung so gestört ist, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann (stRspr, vgl BSGE 73, 234, 237 = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 12 f; BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10; BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 23 mwN). Dabei kommt es nicht darauf an, ob den Leistungserbringer ein Verschulden an der Zerstörung des Vertrauens trifft (vgl hierzu BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 10; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 36; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 28 aE). Wenn das Vertrauensverhältnis zerstört ist, kann dies grundsätzlich nicht durch eine spätere gewissenhafte Pflichterfüllung kompensiert werden, sondern nur die Basis für den Aufbau einer neuen Vertrauensbeziehung bilden und so - im Wege eines neuen Zulassungsantrags und dessen Stattgabe - zur Wiederzulassung führen (BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 23).

52

Unter welchen Voraussetzungen bei einem MVZ von einer gröblichen Pflichtverletzung auszugehen ist, die die Entziehung der Zulassung rechtfertigt, hat der Senat in seiner Entscheidung vom 21.3.2012 (BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 24 ff; vgl dazu auch BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 22.3.2013 - 1 BvR 791/12, NZS 2013, 355) im Einzelnen dargelegt. Danach ist bei Pflichtverstößen zu unterscheiden, ob sie vorrangig oder ausschließlich in den Verantwortungsbereich des MVZ selbst fallen oder aber vorrangig in den Verantwortungsbereich der dort beschäftigten Ärzte. Das Fehlverhalten einzelner Ärzte im Bereich ihres Pflichtenkreises (zB Fehlverhalten gegenüber Patienten) muss nicht zwangsläufig die Entziehung der Zulassung zur Folge haben, wenn das MVZ glaubhaft machen kann, solche Verstöße weder gekannt noch geduldet zu haben. Dagegen trifft das MVZ die volle Verantwortung für die korrekte Organisation der Abläufe und für die Leistungsabrechnung.

53

Die hier in Rede stehenden Pflichtverletzungen betreffen den Pflichtenkreis der Klägerin und nicht den der einzelnen angestellten Ärzte. Der Betrieb des MVZ, der die Existenz dafür geeigneter Räume voraussetzt, fällt in die alleinige Verantwortung des MVZ selbst. Die der Klägerin vorzuwerfenden Pflichtverletzungen sind auch als gröblich zu bewerten. Entgegen der Auffassung des LSG ist der Klägerin nicht "allein der formelle Verstoß hinsichtlich des Ortes der Ausübung der ärztlichen Behandlung im Rahmen der Errichtungsphase des MVZ“ entgegenzuhalten. Vielmehr hat die Klägerin über einen Zeitraum von etwa 1 ½ Jahren Leistungen unter der Betriebsstättennummer einer Einrichtung abgerechnet, die tatsächlich nicht existierte. Darüber hinaus hat der Beklagte zutreffend dem Umstand besonderes Gewicht beigemessen, dass die Geschäftsführerin der Klägerin versucht hat, die Täuschung des ZA sowie der zu 1 beigeladenen KÄV auf konkrete Nachfrage durch wahrheitswidrige Angabe zur Existenz des MVZ und zum Ort der Leistungserbringung aufrechtzuerhalten. Dieses Verhalten ist ohne jeden Zweifel geeignet, das Vertrauen der KÄV in die korrekte Organisation der Leistungserbringung und -abrechnung der Klägerin so nachhaltig zu zerstören, dass ihr eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr zuzumuten ist.

54

Entgegen der Auffassung des LSG rechtfertigt der Umstand, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten ihre Tätigkeit als MVZ in den Räumen des Ärztehauses aufgenommen hatte und dass sich der Sachverhalt so nicht mehr wiederholen kann, keine andere Bewertung. Die Entziehung der Zulassung erfordert keine Negativprognose für das künftige Verhalten des Leistungserbringers im Sinne einer Wiederholungsgefahr. § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V ist nicht auf die Steuerung künftigen Verhaltens ausgerichtet, sondern regelt eine nachträgliche Reaktion auf ein in der Vergangenheit liegendes Fehlverhalten(BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 57). Die Klägerin hat im Übrigen deutlich erkennen lassen, dass sie in einer für sie schwierigen Situation - Zulassung ohne die Möglichkeit zu einer regelkonformen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit - nicht den Kontakt mit den Trägern der vertragsärztlichen Versorgung sucht, um mögliche Lösungen abzustimmen. Sie hat vielmehr gezielt und mit großer Energie den wirklichen Sachverhalt verschleiert und ZA sowie KÄV immer wieder getäuscht. Diese Ausrichtung des Verhaltens hat Wirkung über den Kontext der Zulassungssituation 2008/2009 hinaus, weil es nachhaltige Zweifel daran begründet, ob sich die Klägerin in Situationen, in denen die korrekte Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in Frage steht, kooperativ um eine Lösung bemühen würde. Die Klägerin hat deutlich gemacht, dass sie zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Interessen die von ihr tendenziell banalisierten Vorschriften über die vertragsärztliche Versorgung nicht beachtet. Damit ist auch zukunftsbezogen keine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Trägern der vertragsärztlichen Versorgung gesichert.

55

Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats zum sog Wohlverhalten ist die Entscheidung des Beklagten entgegen der Auffassung des LSG nicht zu beanstanden. Das LSG hat nicht übersehen, dass der Senat seine Rechtsprechung aufgegeben hat, nach der zu prüfen war, ob der Arzt bzw das MVZ im Laufe des - der Entscheidung des Berufungsausschuss folgenden - gerichtlichen Verfahrens seine Eignung für die vertragsärztliche Tätigkeit durch sog "Wohlverhalten" zurückgewonnen hat (BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26).

56

Das LSG hat allerdings angenommen, dass die Maßstäbe aus der Rechtsprechung zum Wohlverhalten übergangsweise weiterhin anzuwenden seien, weil das BSG die Wirkung der Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung auf die Verfahren beschränkt habe, in denen die Entscheidung des Berufungsausschusses nach der Veröffentlichung des Urteils vom 17.10.2012 ergehe. Dies trifft indes nicht zu. Vielmehr hat der Senat den Vertrauensschutz weitergehend auf solche Fälle begrenzt, in denen die vom Senat für ein Wohlverhalten vorausgesetzte "Bewährungszeit" von im Regelfall fünf Jahren (vgl BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 55 mwN) seit der Entscheidung des Berufungsausschusses bereits verstrichen war (BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26, RdNr 56). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil der Zeitraum zwischen der Entscheidung des Beklagten (Beschluss/Bescheid vom 26.7.2010) und der Entscheidung des Senats vom 17.10.2012 fünf Jahre nicht erreicht. Selbst der Zeitraum zwischen der Entscheidung des Beklagten vom 26.7.2010 und der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht als letzter Tatsacheninstanz am 20.11.2013 (zur Bemessung des Zeitraums nur zwischen der Entscheidung des Berufungsausschusses bis zur Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz s BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 15 am Ende; BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26, RdNr 47; BSGE 110, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 24, RdNr 55) betrug deutlich weniger als fünf Jahre, sodass bereits nach den Maßstäben, die der Senat in seiner - inzwischen aufgegebenen - Rechtsprechung zum Wohlverhalten entwickelt hatte, eine Wiederherstellung der Vertrauensbasis durch eine nachhaltige Verhaltensänderung nicht in Betracht gekommen wäre.

57

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die unterliegende Klägerin die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6. ist nicht veranlasst; sie haben im gesamten Verfahren keine Anträge gestellt (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2008 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit steht noch ein Regress wegen der Verordnung des zu den Immunglobulinen zählenden Arzneimittels Polyglobin im Quartal IV/2000.

2

Der vom Berufungsgericht als "Beigeladener zu 4." geführte Dr. K., der als Arzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung in Berlin teilnimmt, betreibt eine onkologische Schwerpunktpraxis. In der Zeit vom 1.7.2000 bis zum 31.12.2004 übte er die vertragsärztliche Tätigkeit mit der als "Beigeladene zu 5." geführten Dr. D., einer Ärztin für Allgemeinmedizin, gemeinschaftlich aus. Im Quartal I/2000 verordnete Dr. K. sowie im Quartal IV/2000 ein Mitglied dieser Gemeinschaftspraxis der Patientin H., die bei der Klägerin - einer gesetzlichen Krankenkasse - versichert war, das Arzneimittel Polyglobin.

3

Aufgrund eines gegen die Gemeinschaftspraxis Dres. K./D. gerichteten Antrags der Rechtsvorgängerin der Klägerin setzte der Prüfungsausschuss wegen dieser Verordnungen einen Regress in Höhe von 36 821,34 DM (18 826,45 Euro) gegen Dr. K. und Dr. D. fest. Auf den Widerspruch von Dr. K. und Dr. D. reduzierte der beklagte Beschwerdeausschuss mit seinem an die Gemeinschaftspraxis Dres. K./D. gerichteten Bescheid vom 25.3.2003 die Schadensersatzverpflichtung auf 15 162,56 DM (7752,49 Euro) mit der Begründung, dass Polyglobin im Quartal IV/2000 indikationsgerecht verordnet worden sei; im Übrigen (bezüglich des Quartals I/2000) wies er den Widerspruch zurück.

4

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben und mit Schriftsatz vom 18.8.2003 beantragt, "den Widerspruchsbescheid des Beklagten … aufzuheben und eine Schadensersatzverpflichtung gegenüber dem Vertragsarzt Dr. med. K. in Höhe von 18 826,45 Euro festzusetzen". Zur Begründung hat sie ua ausgeführt, der Beklagte habe in seiner Entscheidung vom 25.3.2003 die zuvor vom Prüfungsausschuss festgesetzte Schadensersatzverpflichtung "gegenüber dem Vertragsarzt Dr. med. M. K." reduziert. Das SG hat die Kassenärztliche Vereinigung, die Krankenkassenverbände (nachfolgend beschränkt auf den BKK-Landesverband) sowie - zu 3. - die Gemeinschaftspraxis Dres. K./D. beigeladen. In der öffentlichen Sitzung des SG hat die Klägerin zu Protokoll beantragt, den Bescheid des Beklagten aufzuheben, soweit für das Quartal IV/2000 die indikationsgerechte Verordnung von Polyglobin festgestellt worden ist, und den Beklagten zu verpflichten, eine Schadensersatzverpflichtung "gegenüber Dr. K. und Dr. D." in Höhe von 11 073,96 Euro festzusetzen. Das SG hat dem Antrag mit Urteil vom 1.11.2006 entsprochen. Das Urteil wurde den Rechtsanwälten D. + B., die ausweislich der mit der Unterschrift von Dr. K. und dem Stempel der Gemeinschaftspraxis Dres. K./D. versehenen Prozessvollmacht zur Vertretung der Beigeladenen zu 3. bevollmächtigt waren, am 18.4.2007 zugestellt.

5

Dagegen haben Dr. K. am 14.5.2007 und Dr. D. am 30.5.2007 Berufung eingelegt. Das LSG hat mit Urteil vom 26.11.2008, in dessen Rubrum es die Gemeinschaftspraxis Dres. K./D. als Beigeladene zu 3., Dr. K. als "Beigeladenen zu 4." sowie als Berufungskläger und Dr. D. als "Beigeladene zu 5." sowie als Berufungsklägerin aufführt, das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei unzulässig, da sich die Ansprüche gegen die (frühere) Gemeinschaftspraxis richteten, sodass ein Regress bzw eine Schadensersatzverpflichtung nur zu Lasten der Beigeladenen zu 3. habe festgesetzt werden dürfen. Einen diesbezüglichen Verpflichtungsantrag habe die Klägerin jedoch erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellt, während er zuvor darauf gerichtet gewesen sei, eine Schadensersatzverpflichtung gegenüber Dr. K. festzusetzen. Durch diese (zulässige) Klageänderung dürften keine Sachurteilsvoraussetzungen umgangen werden; dies sei jedoch vorliegend der Fall. Denn entweder sei der Verpflichtungsantrag auf die Festsetzung eines Schadensersatzes gegenüber beiden Ärzten als Einzelpersonen gerichtet - dann fehle es an einem hierauf gerichteten Verfahren vor dem Beklagten - oder der Verpflichtungsantrag sei auf die Festsetzung eines Schadensersatzes gegenüber der Gemeinschaftspraxis gerichtet - dann fehle es an einer fristgerechten Klageerhebung, weil der erstmals in der mündlichen Verhandlung am 1.11.2006 gestellte Antrag die Klagefrist nicht wahre.

6

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Das LSG habe zu Unrecht angenommen, dass sich die Regressverpflichtung nur gegen die Gemeinschaftspraxis habe richten dürfen. Insbesondere habe es übersehen, dass sich die Haftung der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegenüber Dritten nach den Grundsätzen der Offenen Handelsgesellschaft richte (§§ 128 bis 130 Handelsgesetzbuch). Nach § 128 HGB hafteten alle Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft - auch nach deren Beendigung - persönlich. Zulässigerweise richte sich ein Regressbescheid nicht nur gegen die Gemeinschaftspraxis, sondern auch bzw stattdessen gegen die einzelnen Gesellschafter. Im Übrigen habe das LSG ihren in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Antrag zu Unrecht als Klageänderung angesehen. Vor der Annahme einer Klageänderung hätte es zunächst eine Auslegung des Antrags vornehmen müssen, insbesondere deswegen, weil allen Beteiligten klar gewesen sei, dass es um eine Regressverpflichtung der Gemeinschaftspraxis gegangen sei. Dass dennoch eine Schadensersatzverpflichtung gegen Dr. K. und Dr. D. festgesetzt worden sei, dürfe dem Umstand geschuldet sein, dass dem SG möglicherweise aus einem Parallelverfahren bekannt gewesen sei, dass die Gemeinschaftspraxis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr existiert habe, und es mangels Kenntnis der Rechtsprechung des BSG zum Fortbestehen der Gemeinschaftspraxis versucht habe, das Problem durch Heranziehung der ehemaligen Gemeinschaftspraxispartner zu lösen. Das LSG habe auch die Voraussetzungen für eine fristgerecht erhobene Klage verkannt, denn nach der Rechtsprechung des BVerwG (Beschluss vom 20.1.1993 - 7 B 158/92 -) sei eine geänderte Klage selbst dann nicht unzulässig, wenn ein neuer Beklagter erst nach Ablauf der Klagefrist in das Verfahren einbezogen worden sei.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26.11.2008 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzu(ver)weisen.

8

Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt und von einer Äußerung abgesehen.

9

           

Die Beigeladene zu 3. beantragt, wie sich aus den Ausführungen ihrer ehemaligen Mitglieder ergibt

        

die Revision zurückzuweisen.

10

Dr. K. hält das Urteil des Berufungsgerichts für zutreffend. Ziel der Klage habe es nur sein können, eine Entscheidung zu Lasten des Adressaten der Entscheidung des Beklagten - also der Gemeinschaftspraxis -, nicht aber eine Entscheidung zu Lasten eines Dritten herbeizuführen. Bezüglich seiner - Dr. K. Inanspruchnahme fehle es bereits an der Durchführung eines entsprechenden Verwaltungsverfahrens. Ein Verwaltungsakt, der eine Regressverpflichtung zum Inhalt habe, richte sich nur gegen die Gemeinschaftspraxis, nicht jedoch auch bzw stattdessen gegen die einzelnen Gesellschafter. Insoweit helfe auch § 128 HGB nicht weiter, denn es könne nur gegen die jeweils gerichtlich in Anspruch genommene Partei - also entweder die Gesellschaft oder die Gesellschafter - vollstreckt werden. Eine im Zivilprozess mögliche Klageerweiterung hinsichtlich einzelner Gesellschafter verbiete sich im Sozialgerichtsprozess, da dadurch das notwendige Verwaltungs- und Klageverfahren umgangen werde. Eine Auslegung des eindeutig formulierten Klageantrags sei ausgeschlossen. Die "Beigeladene zu 5." habe bis zur mündlichen Verhandlung nicht gewusst, dass ein Regress auch gegen sie als Gesellschafterin festgesetzt werden könnte; sie habe daher auf die Bestandskraft des Bescheides vertrauen können.

11

Dr. D. hält ebenfalls das Urteil des Berufungsgerichts für zutreffend. Im Laufe eines streitigen Sozialverfahrens könne nicht beliebig zwischen völlig verschiedenen Rechtssubjekten als Verfahrensbeteiligte hin und her gewechselt werden. Für die Klägerin habe die Pflicht bestanden, den Regressantrag hinreichend zu bestimmen. Zwischen einem Gesellschaftsprozess und einem Gesellschafterprozess sei streng zu unterscheiden. Zudem habe es bereits im erstinstanzlichen Verfahren an der notwendigen Beiladung der einzelnen Gesellschafter als nunmehr neue Regressadressaten gefehlt; diese könne insbesondere nicht durch eine Rubrumsberichtigung ersetzt werden.

12

Die übrigen Beigeladenen haben sich weder geäußert noch Anträge gestellt.

13

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 165, 153 iVm § 124 Abs 2 SGG)einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin ist im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet. Das LSG hat die Klage der Klägerin zu Unrecht als unzulässig abgewiesen.

15

1. Der Senat hat das Rubrum dahin gehend berichtigt, dass allein die (ehemalige) Gemeinschaftspraxis als Beigeladene (zu 3.) geführt und diese durch ihre früheren Mitglieder vertreten wird. Eine förmliche Beiladung von Dr. K. bzw Dr. D. ist zu keinem Zeitpunkt erfolgt; eine konkludente Beiladung ist nicht möglich (BFHE 90, 428, 429 = BStBl II 1968, 122; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 75 RdNr 14a).

16

2. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG ist deshalb geboten, weil es den Streitgegenstand verkannt und damit § 123 SGG verletzt hat. Der Auffassung des LSG, die Klägerin habe ihren ursprünglich auf Festsetzung einer Schadensersatzverpflichtung gegenüber Dr. K. gerichteten Verpflichtungsantrag in der mündlichen Verhandlung in einen solchen auf Verpflichtung der Gemeinschaftspraxis geändert, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr ergibt sich im Wege der Auslegung, dass von Anfang an eine Verpflichtung der Gemeinschaftspraxis gewollt war.

17

Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Bei unklaren Anträgen muss das Gericht mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und darauf hinwirken, das sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 123 RdNr 3). Im Übrigen muss dann, wenn der Wortlaut eines Antrags nicht eindeutig ist, im Wege der Auslegung festgestellt werden, welches das erklärte Prozessziel ist (BSGE 63, 93, 94 = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 180; Keller aaO). In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 BGB ist nicht am Wortlaut der Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, welcher sich nicht nur aus dem Wortlaut der Erklärung, sondern auch aus den sonstigen Umständen - etwa dem Inhalt der Verwaltungsakten - ergeben kann. Allerdings können nur solche Umstände bei der Ermittlung des wirklichen Willens berücksichtigt werden, die für das Gericht und die anderen Prozessbeteiligten erkennbar sind (BSGE 63, 93, 94 = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 180 unter Hinweis auf BVerfGE 54, 1, 7).

18

Bei der Auslegung geht das Gericht davon aus, was der Kläger mit der Klage erreichen möchte (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 123 RdNr 3). Im Zweifel wird dieser den Antrag stellen wollen, der ihm am Besten zum Ziel verhilft, wobei anzunehmen ist, dass er alles zugesprochen haben möchte, was ihm aufgrund des Sachverhalts zusteht (Keller aaO mwN). Zur Auslegung ist auch ein Revisionsgericht berufen, ohne dabei an die durch das Tatsachengericht vorgenommene Auslegung gebunden zu sein (BSG Urteil vom 16.5.1995 - 9 RVs 11/94 - juris RdNr 13, unter Hinweis auf BSG SozR 3-1500 § 145 Nr 2 und auf BGHZ 4, 328, 334 mwN).

19

Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich, dass die von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 18.8.2003 gewählte Formulierung des Antrags, "eine Schadensersatzverpflichtung gegenüber dem Vertragsarzt Dr. med. K. … festzusetzen", ganz offensichtlich auf einem Irrtum beruhte. Dies wird aus der nachfolgenden Begründung der Klage deutlich. Dort wird vorgetragen, der Beklagte habe die zuvor vom Prüfungsausschuss festgesetzte Schadensersatzverpflichtung "gegenüber dem Vertragsarzt Dr. med. K." reduziert; diese Aussage ist jedoch erkennbar unzutreffend, da sich sowohl der Prüfantrag der Klägerin als auch der Widerspruchsbescheid des Beklagten gegen die Gemeinschaftspraxis richteten, und die - allein noch streitgegenständliche - Stattgabe des Widerspruches das Quartal IV/2000 und somit eine gegen die Gemeinschaftspraxis gerichtete Forderung betraf.

20

Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin ihren Anspruch nunmehr allein gegenüber Dr. K. geltend machen wollte, lassen sich demgegenüber weder aus dem Schriftsatz noch aus weiteren Umständen entnehmen. Zu einer Inanspruchnahme lediglich einzelner Mitglieder der Gemeinschaftspraxis bestand für die Klägerin keine Veranlassung. Insbesondere verbietet sich die Annahme, dass die Klägerin etwa ein Ausscheiden von Dr. D. aus der Gemeinschaftspraxis berücksichtigen wollte, denn zu dem Zeitpunkt, als der Schriftsatz vom 18.8.2003 verfasst wurde, bestand die von der umstrittenen Regressfestsetzung betroffene Gemeinschaftspraxis noch. Umgekehrt könnte der Umstand, dass die Gemeinschaftspraxis erst Mitte 2000 gegründet wurde und seinerzeit Verordnungsregresse betreffende Verfahren sowohl gegen die zuvor bestehende Einzelpraxis Dr. K. als auch gegen die Gemeinschaftspraxis anhängig waren, dafür sprechen, dass es hierdurch zu einer Verwechslung gekommen ist. Die für eine bloße Falschbezeichnung sprechenden Umstände waren auch für alle Beteiligten ohne weiteres erkennbar.

21

Ist somit davon auszugehen, dass die Klägerin eine Verpflichtung des Beklagten zur Festsetzung eines Regresses gegen die Gemeinschaftspraxis begehrte, so hat sich daran auch nichts dadurch geändert, dass in das Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem SG - vermutlich auf Anregung des Gerichts - ein etwas anders formulierter Antrag aufgenommen worden ist, da nur ein auf Inanspruchnahme der Gemeinschaftspraxis gerichteter Antrag dem Interesse der Klägerin entsprach.

22

3. Im Übrigen ist das LSG zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein Regress wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel nur zu Lasten der Gemeinschaftspraxis hätte festgesetzt werden dürfen. Vielmehr kommt eine Regressfestsetzung sowohl gegen die Gemeinschaftspraxis als auch gegen deren Mitglieder in Betracht.

23

Zutreffend ist allerdings, dass im Regelfall die Gemeinschaftspraxis Regresse wie auch etwaige Honorarkürzungen zu tragen hat (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 16; BSG Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 21/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 57 RdNr 15; s auch BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17 sowie BSG SozR 4-5555 § 15 Nr 1 RdNr 15). Der Senat hat dies damit begründet, dass die Gemeinschaftspraxis durch die gemeinsame Ausübung der (zahn)ärztlichen Tätigkeit geprägt ist und rechtlich gesehen eine Praxis darstellt (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21; s auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 57 RdNr 15). So wird die Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise einer Gemeinschaftspraxis nicht bezogen auf den einzelnen Arzt, sondern bezogen auf die Gemeinschaftspraxis als Einheit geprüft (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 aaO); ebenso treffen sie die wirtschaftlichen Folgen von Falschabrechnungen bzw rechtswidrigen Verordnungen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 22). Die Behandlungen, Abrechnungen und Verordnungen eines Vertragsarztes im Rechtssinne sind solche der Gemeinschaftspraxis, solange er seine Tätigkeit im Status einer Gemeinschaftspraxis ausübt (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 aaO; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 16). Dies gilt auch dann, wenn die Gemeinschaftspraxis zwischenzeitlich beendet wurde, weil sie in vertragsarztrechtlicher Hinsicht für nicht erfüllte Pflichten und Forderungen als fortbestehend gilt ( zum fiktiven Fortbestehen der Gemeinschaftspraxis für schwebende Auseinandersetzungen um Forderungen und Verbindlichkeiten s § 730 Abs 2 Satz 1 BGB und BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 14; BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 11 ).

24

Jedoch tritt neben die Verpflichtung (bzw Haftung) der Gemeinschaftspraxis eine solche ihrer Gesellschafter. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass für Regressansprüche der Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung nicht nur die Gemeinschaftspraxis selbst einzustehen hat, sondern auch jedes ihrer Mitglieder (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 22; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 16; BSG Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 21/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 57 RdNr 15). Sie sind persönlich haftende Schuldner für Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis, die sich zB im Falle rechtswidrigen Behandlungs- oder Verordnungsverhaltens von Praxispartnern ergeben (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 16 mwN). Als Gesellschafter müssen sie für solche Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis auch in eigener Person einstehen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 16 unter Hinweis auf zB Sprau in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 714 RdNr 10 ff mwN; vgl auch zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 22); sie können jeder für sich in Anspruch genommen werden (BSGE 89, 90, 93 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 22). Dementsprechend sind Regress- bzw Rückforderungsbescheide, die nur gegen einen Partner der Gemeinschaftspraxis gerichtet sind, nicht zu beanstanden (BSGE 89, 90, 93 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6; BSG Urteil vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - RdNr 30, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

25

Umgekehrt hat der Senat dem einzelnen Praxispartner das Recht eingeräumt, Forderungen, die gegenüber der Gemeinschaftspraxis geltend gemacht werden, wahlweise zusammen mit seinen Praxispartnern gemeinschaftlich abzuwehren, oder sie - sowohl wenn sie nur gegenüber der Gemeinschaftspraxis als auch wenn sie auch ihm selbst gegenüber geltend gemacht werden - allein abzuwehren (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 16 unter Hinweis auf BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5 und BSG, MedR 2004, 172). Darauf, ob die Gemeinschaftspraxis noch fortbesteht oder bereits aufgelöst ist, kommt es auch insoweit nicht an (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 16; s auch BSG Urteil vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

26

4. In der Sache selbst weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin zu Recht die Verpflichtung des Beklagten zur Festsetzung eines Regresses begehrt hat. Der Senat hat bereits mit Urteilen vom 5.5.2010 (- B 6 KA 6/09 R - BSGE 106, 111 = SozR 4-2500 § 106 Nr 27 und - B 6 KA 20/09 R -) in Verfahren, die ebenfalls Regresse wegen der Verordnung von Polyglobin durch Mitglieder der früheren Gemeinschaftspraxis betrafen, bestätigt, dass in derartigen Fällen ein Ersatzanspruch der Klägerin besteht.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Regressbescheiden wegen der Verordnung autologer Tumorvakzine (Quartale II und III/1998, I, II und IV/1999).

2

Der Kläger zu 1. betrieb bis zum Quartal III/1999 zusammen mit dem Kläger zu 2. eine Gemeinschaftspraxis, die danach in eine Praxisgemeinschaft umgewandelt wurde. Beide waren bzw sind als Fachärzte für Innere Medizin im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gegen sie bzw gegen die von ihnen geführte Gemeinschaftspraxis ergingen Regressbescheide, weil sie in den Quartalen II und III/1998, I, II und IV/1999 autologe Tumorvakzine verordnet hatten, ohne dass sie dazu berechtigt gewesen seien. Die jeweiligen Patienten waren bzw sind bei den zu 2., 9. bis 11. beigeladenen Krankenkassen (KKn) - bzw bei deren Rechtsvorgängern - versichert.

3

Die Verordnungen betrafen das Therapieverfahren der sogenannten aktiv-spezifischen Immunisierung (ASI) mit autologen Tumorvakzinen (Impfungen mit eigenem Körperzellmaterial) bei Patienten, die an Darmkrebs, Nierenkrebs oder Osteosarkom litten. Die Gewinnung autologer Tumorvakzine wird als sogenanntes Rezepturarzneimittel auf Rezeptblättern verordnet und erfolgt für jeden Patienten individuell aus seinen körpereigenen Tumorzellen. Die Bearbeitung und die Injektion der Zellen führte für die Kläger der damalige Pharmahersteller macropharm GmbH bzw für diese Firma der Arzt Dr. N. durch. Dabei fielen je Verordnung bzw Verordnungsserie ca 15.000 DM an. Das vorliegende Revisionsverfahren betrifft insgesamt zehn solcher Verordnung(sseri)en.

4

Die wegen dieser Verordnungen ergangenen Regressbescheide bestätigte - unter Zurückweisung der Widersprüche der Kläger - der beklagte Beschwerdeausschuss. Im Verlauf des sozialgerichtlichen Klageverfahrens ersetzte der Beklagte seine Bescheide durch neue Bescheide vom 9.11.2002. Hierin führte er unter Bezugnahme auf § 106 SGB V aus, dass er von einer vorgängigen Beratung habe absehen können, weil die Kläger - bereits seit 1992 bzw 1997 vertragsärztlich tätig - über das Wirtschaftlichkeitsgebot ausreichend informiert gewesen seien. Zur ASI mit autologen Tumorvakzinen habe es keine Anwendungsempfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und KKn (BA - heute Gemeinsamer Bundesausschuss ) gegeben.

5

Der BA beschloss am 10.4.2000 die Zuordnung der ASI zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden (s Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs 1 SGB V mit der Anfügung der Nr 29 in die Anlage B "nicht anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden", BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828).

6

Das von den Klägern angerufene SG hat ihre Klagen abgewiesen (Gerichtsbescheide vom 18.8.2003, vom 26.8.2003, vom 27.8.2003, vom 8.10.2003, vom 29.10.2003, vom 20.11.2003, vom 19.11.2003 und vom 2.12.2003). Mit ihren dagegen gerichteten Berufungen sind die Kläger nur zu einem geringen Teil erfolgreich gewesen. Das LSG, das die Berufungsverfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hat mit Urteil vom 27.8.2008 auf die Berufung des Klägers zu 2. den Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 insoweit aufgehoben, als dieser einen Regress wegen der Verordnung im Quartal IV/1999 auch gegen den Kläger zu 2. ausgesprochen hatte (L 3 KA 484/03 - in Juris dokumentiert): Hierzu hat das LSG ausgeführt, die Gemeinschaftspraxis habe nur bis zum Quartal III/1999 bestanden und daher habe der Kläger zu 2. diese Verordnung nicht mehr mitzuverantworten, vielmehr habe der Kläger zu 1. sie allein vorgenommen.

7

Im Übrigen hat das LSG in seinem Urteil vom 27.8.2008 die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Der Bescheid vom 9.11.2002, der alleiniger Gegenstand des Verfahrens sei (§ 96 SGG), sei hinsichtlich des Klägers zu 2. im Übrigen rechtmäßig und hinsichtlich des Klägers zu 1. insgesamt rechtmäßig. Der auf eine Einzelfallprüfung nach § 106 SGB V gestützte Regress sei sowohl in formeller als auch in inhaltlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Weder hätte zunächst eine Beratung durchgeführt werden müssen, noch stehe dem Regress eine Überschreitung der Prüfantragsfrist entgegen. Die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Bescheide ergebe sich daraus, dass eine Leistungspflicht der KKn für die ASI nicht bestanden habe. Für diese habe es keine Empfehlung des BA oder des G-BA gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V gegeben. Es habe sich auch nicht um Fälle seltener Krankheiten im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu ausnahmsweise zulässigen sogenannten Einzelimporten gehandelt. Zwar seien die betroffenen Patienten im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG lebensbedrohlich erkrankt; sie hätten an metastasierenden bzw rezidivierenden Karzinomerkrankungen mit infauster Prognose gelitten. Die ASI sei allerdings nur adjuvant zur Lebensverlängerung eingesetzt worden. Es fehle sowohl an Darlegungen zur Nichteignung der allgemein anerkannten medizinischen Standardmaßnahmen als auch an ernsthaften Hinweisen dafür, dass die umstrittene Therapie Aussicht auf positive Einwirkung geboten habe, was erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen Wirkungszusammenhang erfordere. Wirksamkeitsbelege mit Aussagekraft für die hier zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm ergäben sich indessen aus den von den Klägern angeführten Phase-III-Studien nicht. Die von der Firma macropharm selbst veröffentlichte Studie von R. reiche nicht aus, denn sie weise methodische Unzulänglichkeiten auf, wie bereits ein LSG und das BSG ausgeführt hätten. Ferner fehle es an der erforderlichen Dokumentation durch die Kläger. Diese hätten lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen angefertigt, zudem habe die verantwortliche Behandlung jedenfalls in einigen Fällen nach ihren eigenen Berichten nicht bei ihnen gelegen, sondern bei Dr. N. Im Übrigen gebe es Zweifel, ob es sich nicht um ein Massenexperiment gehandelt habe, das als Heilversuch den Anforderungen der Deklaration von Helsinki mit vorheriger Anhörung der Ethik-Kommission und ausdrücklicher Einwilligung der Patienten hätte Rechnung tragen müssen. Schließlich könne zur Rechtfertigung der ASI nicht auf ein sogenanntes Systemversagen wegen verspäteter Entscheidung des BA zurückgegriffen werden. Dies komme allenfalls in Betracht, wenn die Wirksamkeit der Therapie durch wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken aufgrund einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt gewesen sei. Solche Belege hätten bis 1998/1999 nicht vorgelegen, wie sich daraus ableiten lasse, dass der BA kurze Zeit später (10.4.2000) festgestellt habe, dass es an ausreichenden Wirksamkeitsnachweisen fehle; dies habe auch das BSG in seiner ASI-Entscheidung vom 28.3.2000 so bestätigt. Auch dafür, dass sich die ASI 1998/1999 wenigstens in der medizinischen Praxis durchgesetzt habe, lägen keine ausreichenden Belege vor. Aufgrund der nach alledem zu verneinenden Leistungspflicht der KKn für die ASI könne der bei den KKn entstandene Schaden regressiert werden. Wie sich aus der Rechtsprechung des BSG ergebe, sei weder Raum für den Gesichtspunkt, dass ohne den Einsatz der Tumorvakzine - durch andere Behandlungsmaßnahmen - ebenfalls Kosten entstanden wären (sogenannte Vorteilsausgleichung), noch sei bei Verordnungsregressen, die auf § 106 SGB V gestützt seien, ein etwaiges Fehlen von Verschulden bedeutsam.

8

Der Kläger zu 1. hat allein Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß eine falsche Anwendung des § 106 SGB V in formeller und materieller Hinsicht. Entgegen der Auffassung des LSG sei der Prüfantrag nicht fristgerecht mit hinreichender Begründung gestellt worden. Auch in materieller Hinsicht sei der Regress nicht rechtmäßig. Die Auffassung, er und sein Partner, der Kläger zu 2., hätten die ASI nicht verordnen dürfen, treffe nicht zu. Als zulassungsfreie Rezepturarzneimittel hätten die Tumorvakzine keiner Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) bedurft. Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der BA durch sein Schreiben vom 7.6.1999 die Tumorvakzine vorläufig als verordnungsfähig anerkannt habe. Auch wenn dieses Schreiben nicht die rechtliche Form einer Richtlinie habe, sei es zumindest im Rahmen des Vertrauensschutzes bzw Ermessens bei der Regressentscheidung bis zu der ablehnenden Entscheidung des BA vom 10.4.2000 maßgebend gewesen. Das LSG habe auch die Vorgaben des BVerfG vom 6.12.2005 und des sogenannten Systemversagens fehlerhaft verneint. Die Annahme, die vorliegenden statistischen Wirksamkeitsnachweise seien auf die Vakzine der Firma macropharm nicht übertragbar, leide an Defiziten der Sachverhaltsaufklärung. Soweit das LSG der Auffassung sei, die Vakzine der Firma macropharm unterschieden sich wesentlich von denen, zu denen die Wirksamkeitsnachweise vorgelegen hätten, hätte dem zumindest ein Hinweis an die Kläger vorausgehen müssen, damit klägerseits hätte weiter vorgetragen werden können. Die Ansicht des LSG stehe im Gegensatz zu den Feststellungen des Gerichtsgutachters in dem früheren Verfahren des LSG Niedersachsen und der Studie von Vermorken von 1999. Auch gehe es nicht an, die bei unerklärten Krankheiten geminderten Anforderungen an ein Systemversagen bei Krebserkrankungen mit hohen Erkrankungszahlen außer Anwendung zu lassen. Jedenfalls bei Nieren- und Darmkrebs könne nicht einfach von der Zahl der Erkrankungen auf eine Klärung von Entstehung und Verlauf geschlossen werden. Zu beanstanden sei ferner das Erfordernis, die ASI könne nur dann als verordnungsfähig anerkannt werden, wenn auch eine substantiierte Dokumentation erfolgt sei. Derartige Dokumentationen seien vor 10 Jahren noch nicht üblich gewesen und könnten nicht jetzt nachträglich gefordert werden. In Fällen der vorliegenden Art dürfe nur eine Schlüssigkeit gefordert werden. Dem genügten seine - des Klägers zu 1. - Darlegungen, dass es sich bei den Krebserkrankungen in jedem Einzelfall um unheilbare Erkrankungen gehandelt habe, bei denen die ASI eine nicht fern liegende Aussicht auf Heilung bzw jedenfalls Linderung versprochen habe. Die Anforderung einer Dokumentation passe auch nicht zur Durchführung einer Einzelfallprüfung. Diese gebiete nötigenfalls die Heranziehung der Patienten. Insofern liege ein Mangel der Sachaufklärung vor. Schließlich sei zu beanstanden, dass das LSG das Erfordernis eines Verschuldens und einen Ermessensspielraum der Prüfgremien verneint habe. Dies sei weder mit § 106 Abs 5 SGB V noch mit dem verfassungsrechtlichen Willkür- und Übermaßverbot vereinbar. Die Prüfgremien müssten im Rahmen der von ihnen geforderten wertenden Entscheidung eine Verschuldensprüfung vornehmen oder jedenfalls eine Ermessensentscheidung mit einer Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen und den Auswirkungen auf den betroffenen Arzt treffen. Eine Haftung könne im Falle bösgläubiger Ärzte berechtigt sein, aber nicht bei schuldlos handelnden wie den Klägern, die in nachvollziehbarem Vertrauen subjektiv rechtstreu gehandelt hätten. Ein Regress stelle sich als "maßlose" Haftung des Vertragsarztes dar, die einer Garantiehaftung für ein Verhalten von vor 10 Jahren gleichkomme und zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit weder erforderlich noch verhältnismäßig sei.

9

Der Kläger zu 1. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 und die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Hannover vom 18.8.2003, 26.8.2003, 27.8.2003, 8.10.2003, 29.10.2003 und 19.11.2003 sowie die Bescheide des Beklagten vom 9.11.2002 aufzuheben,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 aufzuheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

10

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Die Beigeladene zu 2. beantragt ebenfalls, wie sie schriftsätzlich ausgeführt hat,

die Revision zurückzuweisen.

12

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1., 2., 6., 9. und 10. verteidigen das Urteil des LSG.

13

Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers zu 1. ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet. Das angefochtene Urteil des LSG lässt keine Verletzung von Bundesrecht erkennen. Der angefochtene Arzneikostenregress ist nicht zu beanstanden.

15

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die neuen Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 9.11.2002, mit denen dieser - seine früheren Bescheide gemäß § 96 SGG ersetzend - die Widersprüche gegen die Regressbescheide des Prüfungsausschusses wegen Verordnung autologer Tumorvakzine im Rahmen von ASI-Behandlungen zurückgewiesen, dh die Regressforderungen des Prüfungsausschusses bestätigt hat(zur Anfechtung nur des Widerspruchsbescheids vgl stRspr des BSG, zB BSGE 72, 214, 219 f = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 10 f; BSGE 74, 59, 60 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f). Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide allerdings nur insoweit, als sie sich gegen den Kläger zu 1. gerichtet haben. Der Kläger zu 2. hat das Urteil des LSG nicht angefochten; deshalb sind die Bescheide, soweit sie gegen ihn gerichtet worden sind, bestandskräftig.

16

Da nur noch der Kläger zu 1. das Verfahren im Revisionsverfahren weiter betreibt, stellt sich hier nicht die Frage, ob die Mitglieder der Gemeinschaftspraxis im Rubrum als Gemeinschaftspraxis zu führen sind. Die Befugnis des Klägers zu 1., sowohl die Revision als auch die zugrunde liegende Anfechtungsklage allein zu führen, ist nicht zweifelhaft. Er ist persönlich haftender Schuldner für Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis, die sich zB im Falle rechtswidrigen Behandlungs- oder Verordnungsverhaltens von Praxispartnern ergeben (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21 f; BSG SozR 4-5555 § 15 Nr 1 RdNr 15; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17 mwN; - zum fiktiven Fortbestehen der Gemeinschaftspraxis für schwebende Auseinandersetzungen um Forderungen und Verbindlichkeiten s § 730 Abs 2 Satz 1 BGB und BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 14; BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17). Als Gesellschafter muss er für solche Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis auch in eigener Person einstehen (s zB Sprau in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 714 RdNr 10 ff mwN; vgl auch zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 22). Er kann Forderungen, die gegenüber der Gemeinschaftspraxis geltend gemacht werden, wahlweise zusammen mit seinen Praxispartnern gemeinschaftlich abwehren, oder er kann sie - sowohl wenn sie nur gegenüber der Gemeinschaftspraxis als auch wenn sie auch ihm selbst gegenüber geltend gemacht werden - allein abwehren (BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; vgl auch BSG, MedR 2004, 172). Aus der Befugnis, eigenständig zu handeln, folgt zugleich, dass der Mitgesamtschuldner weder als sogenannter notwendiger Streitgenosse einbezogen noch notwendig beigeladen werden muss (so auch BSGE aaO mwN). Die eigenständige Anfechtungsbefugnis und Aktivlegitimation steht dem Kläger zu 1. nicht nur gegenüber denjenigen Regressforderungen zu, die die Verordnungen in den Quartalen II und III/1998 sowie I und II/1999 betreffen, sondern ohnehin auch gegenüber der Regressforderung für die Verordnung(sserie) im Quartal IV/1999, als die Gemeinschaftspraxis bereits aufgelöst war.

17

2. Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266, die in den Jahren 1998 und 1999 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und MedR 2010, 276, jeweils RdNr 14 mwN). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößenvolumina (aaO Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Nr 2), geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der KKn mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Diese Prüfvereinbarungen (PrüfVen) ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen. Diese waren auch in § 9 Abs 3, § 12 Abs 6 ff der hier einschlägigen PrüfV vorgesehen(vgl zur Nicht-Revisibilität der Feststellung und Auslegung von Landesrecht § 162 SGG, dazu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14 mwN). Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und die Wahl dieser Prüfmethode daher rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Behandlungs- oder Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14).

18

3. Die durchgeführten Einzelfallprüfungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Weder die vom Kläger erhobenen formellen Rügen (nachfolgend a) noch seine materiellen Beanstandungen (unten b) greifen durch.

19

a) Der Senat folgt nicht der Ansicht des Klägers zu 1., das Prüf- und Regressverfahren hätte hinsichtlich derjenigen Quartale, für welche die Prüfanträge erst nach Ablauf der in der PrüfV normierten Frist gestellt worden seien, nicht durchgeführt werden dürfen. Zwar galt nach § 12 Abs 6 PrüfV(hier zugrunde zu legen in der Fassung vom 24.6.1996) eine Frist von zwölf Monaten nach Quartalsende; innerhalb dieser Frist konnten die KKn die Prüfung der Verordnungsweise nach Einzelfällen beantragen. Aus einer Versäumung dieser Frist kann aber nicht abgeleitet werden, das Prüf- und Regressverfahren dürfe nicht durchgeführt werden.

20

Der Senat hat bereits früher dargelegt, dass solche Fristen nicht zum Schutz des Arztes im Sinne eines Ausschlusses der Verfahrensdurchführung normiert sind, sondern dass sie - auch im Interesse des Arztes - der Verfahrensbeschleunigung dienen, also dem Interesse an effektiver Verfahrensdurchführung (s insbesondere BSG USK 9596 S 526; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 159 f zur Zulässigkeit späterer Antragsnachholung). Wird der Antrag zu spät gestellt, so ist damit dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung nicht Rechnung getragen. Daraus aber ein Hindernis für die Verfahrensdurchführung überhaupt abzuleiten, liefe der Zielrichtung der Regelungen und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- oder Verordnungsweise zuwider.

21

Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn eingeleitet wird, dient eine andere Frist, nämlich die generell für vertragsärztliche Prüf- und Regressverfahren bestehende Vier-Jahres-Frist (zu dieser Frist allgemein zB BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12 ff; BSG MedR 2008, 100, 101 f RdNr 16 ff; vgl jetzt § 106 Abs 2 Satz 7 Halbs 2 SGB V zur Frist von zwei Jahren für Verordnungsregresse wegen Überschreitung von Richtgrößenvolumina). Von dieser Ausschlussfrist und ihrer Funktion unterscheidet sich die Zwölf-Monate-Frist für die Stellung des Prüfantrags mit ihrer Ausrichtung auf Beschleunigung. Würde aus deren Versäumung ein Verfahrenshindernis abgeleitet werden, so würde ihr die Funktion beigemessen, die allein der Vier-Jahres-Frist zukommt.

22

Hat mithin die Nichteinhaltung der Zwölf-Monats-Frist nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt es vorliegend nicht darauf an, ob diese Frist in einem der Regressfälle überschritten wurde. Im Übrigen beginnt sie gemäß § 12 Abs 6 PrüfV jeweils erst ab Quartalsende. Daher wurde sie vorliegend auch ohnehin nur in wenigen Fällen - und jeweils auch nur um wenige Tage - überschritten (Eingang der KK-Anträge für das Quartal II/1998 erst am 12.7.1999 - Fall 2 - und am 20.7.1999 - Fall 1 - und für das Quartal II/1999 erst am 3.7.2000 - Fall 6 -; zu diesen Feststellungen s LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 - L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 4 bis 9 iVm 37).

23

Soweit der Kläger zu 1. der Ansicht ist, entsprechend dem Grundsatz "Beratung vor Regress" hätte kein Regress, sondern nur eine Beratung erfolgen dürfen, trifft das nicht zu. Für Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise ist eine vorgängige Beratung gemäß § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V dann nicht erforderlich, wenn dem Arzt ein Mehraufwand im Ausmaß eines sogenannten offensichtlichen Missverhältnisses anzulasten ist(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 mit Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 296; SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 19; BSG MedR 2004, 577, 578 f). Noch weniger ist eine vorgängige Beratung dann geboten, wenn nicht Unwirtschaftlichkeiten durch einen zu hohen Aufwand, sondern einzelne Fälle gänzlich unzulässiger Verordnungen in Frage stehen, wenn also dem Arzt das Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, ein unzulässiger Off-Label-Use, eine Verordnung entgegen einem Verordnungsausschluss durch die Arzneimittel-Richtlinie (AMRL) oder die Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V angelastet wird, also in Fällen, in denen ein sogenannter Basismangel vorliegt(vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 am Ende; - zu solchen Verordnungsregressfällen vgl Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, , jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 53 ff, 56 ff, 71 ff). Dementsprechend ist in der hier einschlägigen PrüfV ausdrücklich geregelt, dass im Falle von Verordnungen unter Verstoß gegen die Arznei-, Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien Regressfestsetzungen keine vorherige Beratung voraussetzen (§ 12 Abs 10 iVm Abs 12 PrüfV). Die dem gleichwertige Konstellation des Vorwurfs der Unvereinbarkeit von Verordnungen mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V ist hier gegeben.

24

b) Die vom Kläger zu 1. angefochtenen Verordnungsregresse sind inhaltlich nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der ASI bestand weder eine Leistungspflicht der KKn noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten.

25

Der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln besteht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur nach Maßgabe des § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm § 31 Abs 1 SGB V. Aus den dabei mit heranzuziehenden § 2 Abs 1 Satz 3 und § 12 Abs 1 SGB V folgt, dass im Rahmen der GKV nur solche Verordnungen zulässig sind, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, bieten(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 17 mwN).

26

aa) Für die Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hält die Rechtsordnung zwei Verfahren bereit, zum einen für Arzneimittel die Überprüfung im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung - durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach §§ 21 ff AMG oder durch die Europäische Arzneimittel-Agentur nach Europäischem Verordnungs- und Richtlinienrecht -, und zum anderen für Behandlungs- und Untersuchungsmethoden die Überprüfung durch den BA - bzw heute G-BA - gemäß § 135 Abs 1 SGB V. Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit müssen grundsätzlich anhand zuverlässiger wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen aufgrund der Beurteilung einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt sein; dafür ist in beiden vorgenannten Verfahren die Überprüfung durch Auswertung sogenannter randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien vorgesehen.

27

Soweit diese Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, wie es bei Arzneimitteln die Regel ist, bereits im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfolgt, wird eine etwaige zusätzliche Prüfung nach § 135 Abs 1 SGB V als entbehrlich angesehen(vgl zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 19 mwN zur Rspr und zum Streitstand). Bei Arzneimitteln folgt somit im Regelfall aus der Verkehrsfähigkeit zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV (vgl zu diesem Zusammenhang BSG SozR aaO und MedR aaO, jeweils RdNr 19)

28

bb) Von diesen Grundsätzen sind bei Arzneimitteltherapien allerdings Ausnahmen anerkannt. In den Fällen, in denen die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit nach dem AMG ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erlangt werden kann, fehlt die Grundlage dafür, um von der Verkehrsfähigkeit gemäß dem AMG auf die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV schließen zu können.

29

In diesem Sinne hat das BSG zu Fällen aus der ersten Zeit nach der Neuordnung des deutschen Arzneimittelrechts Ende der 70er Jahre ausgesprochen, dass die damalige sogenannte fiktive Zulassung, die übergangsrechtlich bis zur fundierten Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gewährt wurde, nicht für die Annahme der Verordnungsfähigkeit ausreicht (BSG - 1. Senat - BSGE 95, 132 RdNr 18 ff = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 ff; BSG - 1. Senat - BSGE 82, 233, 235 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 17 ff; BSG - 6. Senat - SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 21 ff).

30

Dem ist vergleichbar, wenn - wie vorliegend - ein Arzneimittel ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit deshalb nach dem AMG verkehrsfähig ist, weil es sich um ein sogenanntes Rezepturarzneimittel handelt. Bei Rezepturarzneimitteln, dh solchen, die nicht wie Fertigarzneimittel im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (§ 4 Abs 1 AMG), reicht für die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit eine Herstellungserlaubnis aus (vgl §§ 13 bis 15 iVm § 43 Abs 2 Halbs 2 iVm § 47 AMG); ein Zulassungsverfahren mit Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien ist arzneimittelrechtlich nicht vorgesehen (vgl dazu BSGE 86, 54, 60 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 65 f). Bei solchen Arzneimitteln fehlt es mithin an der fundierten Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, sodass sie zwar verkehrsfähig gemäß dem AMG sind, aber ohne dass daraus abgeleitet werden könnte, dass sie auch verordnungsfähig sind.

31

cc) Anders wiederum liegt der Fall, wenn das Arzneimittel, das arzneimittelrechtlich keiner Zulassung bedarf, so eingesetzt wird, dass darin zugleich eine auf einem bestimmten theoretisch-wissenschaftlichen Konzept fußende Vorgehensweise der Krankenbehandlung liegt (sogenannte Pharmakotherapie - zur Definition s zB BSGE 86, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63 f; zum Methodenbegriff vgl ferner zB BSG - 6. Senat - zB BSGE 84, 247, 249 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 11 S 50 f; BSG SozR 3-5533 Nr 2449 Nr 2 S 9 f; ebenso BSG - 1. Senat - zB BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 14 mwN). Dann liegt eine Behandlungsmethode vor, deren Einsatz im Rahmen der GKV gemäß § 135 Abs 1 SGB V eine positive Empfehlung durch den BA bzw G-BA erfordert. In solchen Fällen ist zwar arzneimittelrechtlich keine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vorgesehen; da aber eine Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V vorliegt, ist das Arzneimittel bzw die dieses einschließende Behandlungsmethode im Verfahren gemäß § 135 Abs 1 SGB V zu überprüfen(BSGE 86, 54, 58, 59 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63, 65; vgl auch zB BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 12 S 55 f). Falls die in diesem Verfahren stattfindende Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien zu einer positiven Empfehlung des BA bzw G-BA führt, ist das Arzneimittel dann auch verordnungsfähig. Kommt es demgegenüber zur Zuordnung zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden, so darf eine Therapie mit diesem Arzneimittel nicht erfolgen; dieses ist nicht verordnungsfähig.

32

Differenziert sind die Fälle zu beurteilen, in denen das Arzneimittel im Rahmen einer Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V eingesetzt werden soll, aber - wie im vorliegenden Fall - im Behandlungszeitpunkt die nach dieser Bestimmung notwendige Überprüfung durch den BA bzw G-BA noch nicht zu einem Ergebnis geführt hat(zur Maßgeblichkeit des Behandlungszeitpunkts s zB BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 69 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 12 ff; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 15 f). Dann ist zu prüfen, ob die Vorenthaltung des Einsatzes in der GKV noch gerechtfertigt ist, ob nämlich die Dauer des Verfahrens noch rechtens ist oder ob die Durchführung des Verfahrens aus sachfremden Gründen verzögert wurde; in letzterem Fall ist weiter zu prüfen, ob die Behandlungsmethode als dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechend bewertet werden kann und deshalb ungeachtet des Noch-Nicht-Vorliegens einer positiven Empfehlung für die GKV freigegeben werden kann (BSGE 86, 54, 60 ff, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66 ff, 69 ff; BSGE 94, 221 RdNr 23 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 24). Bei der ersatzweise gerichtlicherseits vorzunehmenden Bewertung sind die Belege zu würdigen, die im Behandlungszeitpunkt für eine Wirksamkeit sprechen konnten. Dabei sind für eine Wirksamkeitsanerkennung grundsätzlich wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken zu fordern. Im Falle von Krankheiten allerdings, bei denen Entstehung und Verlauf ungeklärt sind, sodass Therapien nur bei Symptomen ansetzen können, und daher die Forderung von Wirksamkeitsbelegen den Anspruch auf umfassende Krankenbehandlung gemäß § 27 Abs 1 SGB V und die damit korrespondierende Behandlungspflicht des Vertragsarztes unmöglich machen würde(vgl zu diesem Ansatz BSGE 86, 54, 60 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66), reicht es ersatzweise aus, wenn sich die in Anspruch genommene Therapie in der medizinischen Praxis und/oder in der medizinischen Fachdiskussion durchgesetzt hat (BSG aaO S 62 bzw S 67 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 37; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 25 ff, 29) bzw - in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen - eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung bzw auf eine positive Einwirkung auf den weiteren Krankheitsverlauf gegeben ist (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33).

33

Auch in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen sind aber weitere einschränkende Voraussetzungen zu beachten. Zwar ergeben sich aus der Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33 f) und dem von diesem herangezogenen Sozialstaatsprinzip sowie aus der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates einerseits Abschwächungen zugunsten der Versicherten (vgl hierzu BVerfGE aaO S 41 ff, 44 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 17 ff, 24 ff; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 24 ff). Andererseits besteht aber auch eine Schutzpflicht in der Weise, dass der Staat den Versicherten davor zu bewahren hat, mit zweifelhaften Therapien behandelt zu werden. Dem dient das Erfordernis fundierter Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Dies darf nicht durch eine vermeintlich großzügige Gestattung der Versorgung mit Arzneimitteln unterlaufen und umgangen werden (vgl BSG aaO RdNr 25 iVm 35). Dementsprechend darf eine Pharmakotherapie, bei der eine fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel nicht stattgefunden hat, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nur eingesetzt werden, wenn der Wirksamkeitszusammenhang, der dieser Arzneimitteltherapie zugeschrieben wird, wenigstens in gewissem Umfang belegt werden kann. Fehlen höherwertige Studien, so können als Beleg auch Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Berichte von Expertenkomitees, Konsensuskonferenzen und Einzelfallberichte in Betracht kommen (vgl Nr 8.2 unter III der NUB-RL; vgl ebenso BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 40 am Ende). Insgesamt müssen - auch bei lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen - erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen jedenfalls individuellen Wirkungszusammenhang vorliegen (BSG aaO RdNr 47). Dabei kommt auch der fachlichen Einschätzung durch den behandelnden Arzt Bedeutung zu (vgl BVerfGE aaO S 50 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5, RdNr 35 am Ende und BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende).

34

dd) Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf die vorliegend zu beurteilenden Verordnungen ergibt sich, dass die vom Kläger zu 1. durchgeführten ASI-Verfahren in der GKV nicht zulässig waren. Die autologen Tumorvakzine wurden im Rahmen einer gemäß § 135 Abs 1 SGB V anerkennungsbedürftigen Behandlungsmethode verordnet, wie das BSG bereits in seiner früheren Entscheidung vom 28.3.2000 ausgeführt hat (BSGE 86, 54, 57 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 62). In dem Zeitpunkt, als der Kläger zu 1. bzw die Gemeinschaftspraxis die Verordnungen vornahm (1998/1999), war das Verfahren der ASI gemäß § 135 Abs 1 SGB V noch beim BA anhängig (dieser gab erst am 10.4.2000 eine - negative - Empfehlung ab, s BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828), sodass also der Fall fehlender Entscheidung des BA bzw G-BA gemäß § 135 Abs 1 SGB V vorlag.

35

Zu der Frage, ob das Verfahren beim BA im Sinne der in RdNr 32 angesprochenen ersten Voraussetzung zu lange dauerte, braucht vorliegend nicht Stellung genommen zu werden. Denn es fehlen jedenfalls die weiteren Voraussetzungen für eine Akzeptanz der Anwendung dieser Therapiemethode: Ausgehend davon, dass die betroffenen Patienten hier an lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen litten (vgl BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 17 betreffend Darmkrebs), bedürfte es wenigstens ausreichender Belege im Sinne erheblicher ernsthafter Hinweise auf einen individuellen Wirkungszusammenhang (s oben RdNr 33 am Ende). Daran fehlt es.

36

Nach den Feststellungen im Berufungsurteil (L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 45) gab es zwar Phase-III-Studien, diesen konnte aber keine Aussagekraft für die vom Kläger zu 1. verordneten Tumorvakzine der Firma macropharm entnommen werden. Denn die Tumorvakzine unterschieden sich nach den vorinstanzlichen Feststellungen schon in der Herstellungsweise der verschiedenen Herstellerfirmen. Diese hatten unterschiedliche Anwendungs- und Verarbeitungsmethoden. Zudem erfolgte die Herstellung jeweils speziell für den jeweiligen Versicherten, sodass sie auch untereinander verschieden waren und individueller Beurteilung bedurften (vgl LSG aaO RdNr 44). Tauglich könnte insoweit lediglich die von der Firma macropharm veröffentlichte Studie von R. sein; diese wies aber nach den Feststellungen im Berufungsurteil (aaO RdNr 45) und auch nach der Wertung des BSG in seinem früheren Urteil (BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70) methodische Unzulänglichkeiten auf.

37

Auch hatte sich die ASI mit autologen Tumorvakzinen nicht etwa schon in der medizinischen Praxis durchgesetzt. Diese Behauptung hat das Berufungsgericht als nicht ausreichend belegt bezeichnet (LSG aaO RdNr 48 bis 51). Die dazu vom Kläger zu 1. erhobene Verfahrensrüge, das LSG habe insoweit den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, greift nicht durch. Die Rüge unzureichender Aufklärung des LSG erfordert im Falle eines Klägers, der bereits dort anwaltlich vertreten gewesen ist, die Darlegung, dass sich dem LSG auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen (vgl zB BVerwGE 131, 186, 189 RdNr 13; s auch zB BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 24 bis 26). In der Revisionsbegründung wird indessen nicht aufgezeigt, aufgrund welcher konkreten Darlegungen des Klägers zu 1. im LSG-Verfahren sich dem LSG weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Mit seinen Ausführungen, entgegen der Auffassung des LSG hätten die vorliegenden Phase-III-Studien durchaus Aussagekraft für die von ihm zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm, setzt der Kläger zu 1. dem LSG lediglich seine gegenteilige Ansicht entgegen. Er müsste aber konkrete Ansatzpunkte für Möglichkeiten des LSG zu weitergehender Aufklärung benennen und darlegen, dass er auf diese schon im LSG-Verfahren hingewiesen habe. Dies ist der Revisionsbegründung so nicht zu entnehmen.

38

Zu diesem Fragenkomplex hat es keines Hinweises des LSG bedurft - wie der Kläger zu 1. geltend macht -. Denn dieser Streitpunkt lag schon während des gesamten Verfahrens zu Tage (s dazu auch schon BSGE 86, 54, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70 ff). Zudem hat bei ihm, da er bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertreten gewesen ist, vorausgesetzt werden können, dass er die Anforderungen kennt, die erfüllt sein müssen, damit das Gericht Anlass zu weiterer Aufklärung hat.

39

Bei den hier betroffenen Behandlungsfällen fehlt zudem eine weitere Voraussetzung, die für die Anerkennung ärztlich sachgerechten Vorgehens erforderlich wäre: Für die ausnahmsweise Zulässigkeit von Verordnungen zweifelhafter Art muss eine ausreichend substantiierte fachliche Einschätzung durch den verordnenden Arzt selbst erkennbar sein (vgl hierzu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende und 50); dafür ist auch eine entsprechende therapiebegleitende Kontrolle und Dokumentation durch den behandelnden Arzt erforderlich (vgl dazu BSG aaO RdNr 50 f; s auch BSG SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8). Indessen lag nach den Feststellungen im Urteil des LSG die Behandlung vor allem in den Händen des Dr. N., der im Auftrag der Firma macropharm die autologen Tumorvakzine herstellte und bearbeitete sowie die ASI bei den Patienten im Wesentlichen durchführte (LSG aaO RdNr 46). Wie im Urteil des LSG festgestellt ist, fertigten der Kläger zu 1. bzw der Partner der damaligen Gemeinschaftspraxis lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen an (LSG aaO RdNr 46).

40

Diese Feststellungen des LSG sind nach alledem tragfähig. Dem LSG fallen keine Verfahrensmängel zur Last. Abgesehen davon, dass die erhobenen Aufklärungsrügen nicht durchgreifen, sind auch keine Verstöße gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ersichtlich. Insbesondere liegen keine ausreichenden Umstände für die Annahme einer unzulässigen Überraschungsentscheidung vor. Dass das LSG, ohne dass dies voraussehbar gewesen wäre, strengere Anforderungen gestellt hätte als die bisherige BSG-Rechtsprechung, kann bei einem anwaltlich vertretenen Kläger nicht anerkannt werden (vgl zB zu vorgenannten Dokumentationsanforderungen: BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 50 f). Der Kläger zu 1. hat das auch nicht in ausreichend substantiierter Weise geltend gemacht.

41

ee) Waren mithin die autologen Tumorvakzine nicht verordnungsfähig, so war Unwirtschaftlichkeit gegeben (zu dieser Gleichsetzung s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 25 mwN). Bei unwirtschaftlicher Verordnungsweise ist die Festsetzung eines Regresses grundsätzlich berechtigt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt vorliegend nicht in Betracht.

42

(1) Ohne Erfolg ist der Einwand des Klägers, ihm könne kein Verschulden oder höchstens vermindertes Verschulden angelastet werden und deshalb sei entweder ein Regress ganz ausgeschlossen oder dieser müsse jedenfalls erheblich herabgesetzt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG setzen Honorarkürzungen oder Verordnungsregresse gemäß § 106 SGB V kein Verschulden des Vertragsarztes voraus(zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 28 mwN, im Anschluss an BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 18; BSG MedR 2004, 577, 578) .

43

Bei Verordnungsregressen der hier vorliegenden Art ist auch kein Raum für eine Ermessensausübung. Bei Regressen, denen unzulässige Verordnungen zugrunde liegen, wie dies beim Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, bei einem unzulässigen Off-Label-Use, bei Verordnung entgegen einem AMRL-Verordnungsausschluss oder bei Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V der Fall ist, kann eine Unwirtschaftlichkeit nur bejaht oder verneint werden(sogenannter Basismangel, vgl oben RdNr 23, vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29). Mit dem Regress lediglich einen Teil der Unwirtschaftlichkeit abzuschöpfen, kann nur in anders gelagerten Fällen in Betracht kommen, zB im Rahmen eines Regresses aufgrund einer sogenannten Durchschnittsprüfung bei insgesamt deutlich höherem Verordnungsvolumen als im Durchschnitt der Arztgruppe und/oder bei einer Anfängerpraxis, evtl auch bei der Belassung von Restüberschreitungen (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30 am Ende; vgl weiterhin BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29 mit Hinweis auf die Fallgruppe "Anfängerpraxis", hierzu s zB Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 145-147 mwN). Bei Rezepturarzneimitteln, die nicht von Apotheken bezogen werden, ist im Übrigen nicht einmal Raum für einen Abzug von Apothekenrabatt und/oder Patienteneigenanteilen (vgl hierzu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 269 mwN; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 32; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 33). Dementsprechend ist in solchen Fällen die Höhe des Regresses dahingehend vorgezeichnet, dass vom Arzt Ersatz der vollen Kosten zu fordern ist. Raum für eine Regressermäßigung aufgrund einer Ermessensentscheidung besteht nicht.

44

(2) Zu Unrecht beruft sich der Kläger weiterhin darauf, dass er jedenfalls vor dem Hintergrund des Schreibens des BA vom 7.6.1999 auf die Zulässigkeit der ASI habe vertrauen dürfen. Ein Vertrauen könnte insoweit ohnehin allenfalls für diejenigen Verordnungen in Betracht gezogen werden, die der Kläger zu 1. nach Bekanntwerden des BA-Schreibens tätigte (also für seine Verordnungen im Quartal IV/1999). Indessen begründet das Schreiben bereits von seinem Inhalt her keinen Vertrauensschutz. Denn der BA hat ausdrücklich mitgeteilt, dass der Behandlungsansatz (die Verordnung autologer Tumorvakzine) "bisher ohne abschließendes Ergebnis" von dem dem BA zuarbeitenden Arbeitsausschuss bearbeitet worden sei und dass daher "eine verbindliche Auskunft … zum jetzigen Zeitpunkt nicht gemacht" werden könne. Da das Schreiben somit schon aufgrund seines "offenen Inhalts" für eine Vertrauensbegründung nicht ausreichen kann, bedarf es keiner Erörterung, ob der vom Kläger zu 1. geltend gemachten rechtlichen Bedeutung auch entgegensteht, dass das Schreiben des BA nicht an ihn selbst gerichtet war und dass es nicht die dem BA durch § 135 Abs 1 SGB V vorgegebene Handlungsform "Richtlinie" aufwies. Ist das Schreiben des BA vom 7.6.1999 mithin für den vorliegenden Fall rechtlich irrelevant, so fehlt der vom Kläger zu 1. erhobenen Verfahrensrüge, das LSG hätte es nicht ausreichend berücksichtigt, die Grundlage.

45

Ein Vertrauenstatbestand kann auch nicht darauf gestützt werden, dass in der Regel aus der arzneirechtlichen Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels dessen Verordnungsfähigkeit folgt. Denn dies betrifft nur den Regelfall von Fertigarzneimitteln, für deren Verkehrsfähigkeit das Zulassungsverfahren mit fundierter Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durchlaufen werden muss, während hier der besondere Fall eines Rezepturarzneimittels zu beurteilen ist. Dass insoweit keine Überprüfung nach dem AMG und typischerweise auch keine dem nahekommende Überprüfung stattgefunden hat, kann bei Ärzten als bekannt vorausgesetzt werden (zur ärztlichen Sachkunde vgl BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 24 mit Hinweis auf zB BSGE 96, 1= SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 34). Von daher bedürfte es besonderer Umstände, um annehmen zu können, der Arzt habe auf die Verordnungsfähigkeit vertrauen dürfen. Hierfür fehlt es an den ausreichenden Anhaltspunkten. Den vom Kläger zu 1. angeführten Gerichtsentscheidungen stehen gegenläufige Entscheidungen gegenüber, in denen die Verordnungsfähigkeit autologer Tumorvakzine verneint wurde (s die Angaben im Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 S 4; vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 30).

46

(3) Ohne Erfolg wendet der Kläger zu 1. ferner ein, er habe sich in schwierigen Konfliktsituationen bei lebensbedrohlichen Erkrankungen dafür entschieden, eine Behandlung durchzuführen, die immerhin von manchen Medizinern und Gerichten gebilligt worden sei, und deshalb sei unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) ein Regress ausgeschlossen. Dabei ist schon zweifelhaft, inwieweit nach der vom Beklagten und von den Vorinstanzen vorgenommenen umfänglichen Prüfung überhaupt noch Raum für eine Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sein kann. Selbst wenn hierfür Raum wäre, könnte dies nicht zu einem Erfolg für den Kläger zu 1. führen. Denn mit den autologen Tumorvakzinen sind Arzneimittel betroffen, bei denen sich Zweifel an der Verordnungsfähigkeit aufdrängen mussten: Eine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in einem Zulassungsverfahren hatte - da Rezepturarzneimittel - erkennbar nicht stattgefunden, eine Empfehlung des BA gab es nicht, und die Studienlage konnte nicht ohne Weiteres als tragfähig angesehen werden (vgl oben RdNr 34 ff). Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits - und daher offenzulassen - ist die Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen ein Arzt, der von einem pharmazeutischen Hersteller zur Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel veranlasst bzw verleitet wird und Regress an die vertragsärztlichen Institutionen leisten muss, Rückgriff gegen den Hersteller nehmen kann.

47

Im Rahmen von Regressen in der GKV ist auch kein Raum für die Berücksichtigung des Gesichtspunktes, dass bei Nicht-Durchführung dieser Arzneimitteltherapie Kosten für andere Behandlungsarten angefallen wären - sogenannte Vorteilsausgleichung - (vgl BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 mwN; BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-2500 § 115b Nr 2 RdNr 21).

48

c) Dem Regress stehen schließlich auch keine Grundrechtspositionen des Klägers zu 1. entgegen. Insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art 12 Abs 1 GG nicht verletzt. Dieses Grundrecht unterliegt - ebenso wie Art 14 Abs 1 GG - einem Gesetzesvorbehalt, darf also durch Gesetz eingeschränkt werden. Das ist durch die vorliegend einschlägigen Bestimmungen der §§ 106, 135 Abs 1 SGB V geschehen. Die Anwendung dieser Regelungen belastet den Kläger zu 1. nicht unverhältnismäßig (vgl oben RdNr 46).

49

4. Nach alledem ist nicht nur der Hauptantrag des Klägers zu 1. auf Bescheidaufhebung zurückzuweisen, sondern ebenso der Hilfsantrag: Für die hilfsweise begehrte Zurückverweisung der Sache an das LSG ist kein Raum, denn der gegenüber dem Kläger zu 1. ausgesprochene Regress hat sich im Revisionsverfahren gemäß vorstehenden Ausführungen abschließend als rechtmäßig erwiesen.

50

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden - im Hinblick auf die Klageerhebung vor diesem Stichtag hier noch anwendbaren - Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Rückforderung vertragsärztlichen Honorars für die Quartale IV/1996 bis I/2001.

2

Der Kläger nahm bis zum 30.6.2004 als Radiologe an der vertragsärztlichen Versorgung in S. teil. Zunächst - ab 1.7.1989 bis zum 30.9.1996 - führte er eine Gemeinschaftspraxis mit Dr. B., welcher auf seine Zulassung zum 30.9.1996 verzichtete. Unter dem 17.7.1996 schloss der Kläger mit dem Arzt für Radiologische Diagnostik und für Strahlentherapie Dr. H. sowie dem Arzt für Radiologische Diagnostik Dr. M. einen "Gesellschaftsvertrag über die Errichtung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis". Danach war vorgesehen, dass Dr. B. nach seinem Ausscheiden seine Geschäftsanteile an Dres. H. und M. verkaufen und diese an seiner Stelle in die Gemeinschaftspraxis eintreten sollten. Als Hauptsitz der Gemeinschaftspraxis wurde S. bestimmt; weitere Praxisteile sollten in V. und im Krankenhaus W. betrieben werden. An Gewinnen und Verlusten sowie am Anlagevermögen waren der Kläger zu ½, die beiden anderen Ärzte zu je ¼ beteiligt. Zum geschäftsführenden Gesellschafter wurde der Kläger bestimmt. Gemäß "Gesellschafterbeschluss" vom 17.7.1996 war die Aufnahme eines weiteren Partners - "voraussichtlich" des zu 2. beigeladenen Dr. Ph. - vorgesehen (Nr 16a des Beschlusses). Der vierte Partner sollte sich gemäß Ziff 18a des Beschlusses "KV-rechtlich im Außenverhältnis ab 1.10.1996 niederlassen, und zwar offiziell in Gemeinschaftspraxis mit Dr. P. "; mit ihm sollte ein "Probejahr (freie Mitarbeit)" vereinbart werden (Nr 18b).

3

Am 30.7.1996 schlossen die "Gemeinschaftspraxis" Dres. P., H. und M. sowie der Beigeladene zu 2. sodann einen sogenannten Kooperationsvertrag. Dieser beinhaltete im Wesentlichen, dass der Beigeladene zu 2. ab dem 1.10.1996 bis zum Ablauf einer Probezeit als "freier Mitarbeiter" der "Gemeinschaftspraxis" tätig werden sollte. Nach beiderseits befriedigendem Ablauf der Probezeit sollte der Mitarbeiter am 1.10.1997 "partnerschaftlich eingebunden werden, und zwar bei Herstellung paritätischer Gesellschaftsanteile" (Ziff 6a der Präambel des Vertrages). Auf ein Mitarbeiterverhältnis waren auch die Detailregelungen (Zahlung eines Festgehalts ua) ausgerichtet. Ein "ggf. dem Zulassungsausschuss vorzulegender Vertrag" sollte zwischen den Vertragsparteien keine eigene Rechtswirkung entfalten (Ziff 2c der Präambel). Nach Ziff 6b der Präambel sollte der Mitarbeiter "im Außenverhältnis" den Gemeinschaftspraxis-Anteil des ausscheidenden Partners Dr. B. "erwerben" (Satz 1), aber hieraus keine Rechte herleiten können (Satz 2). Ebenso war bestimmt, dass der Vertragsarztsitz "der Praxis gehört" und bei "Ausscheiden ohne Gemeinschaftspraxis-Eintritt … vom freien Mitarbeiter … unentgeltlich (formal) zu übertragen" ist (Satz 4).

4

Der Beigeladene zu 2. bewarb sich auf den zur Nachbesetzung ausgeschriebenen Vertragsarztsitz von Dr. B. und wurde vom Zulassungsausschuss zum 1.10.1996 als Facharzt für Diagnostische Radiologie für den Vertragsarztsitz S. zugelassen. Zugleich genehmigte der Zulassungsausschuss den Antrag des Klägers sowie des Beigeladenen zu 2. auf Führung einer Gemeinschaftspraxis. Dres. H. und M. erhielten die Genehmigung zum Führen einer Gemeinschaftspraxis in V. Zu der im Kooperationsvertrag vorgesehenen partnerschaftlichen Einbindung des Beigeladenen zu 2. in die durch Dres. P. (Kläger), H. und M. gebildete "Gemeinschaftspraxis" kam es in der Folgezeit nicht. Insbesondere nahm er nach den Feststellungen des LSG im streitgegenständlichen Zeitraum nicht an Gesellschafterversammlungen teil. Unstimmigkeiten zwischen den beteiligten Ärzten führten dazu, dass die zwischen dem Kläger und Dres. H. und M. bestehende Gesellschaft zum 31.12.2001 beendet wurde. Die zu 1. beigeladene "Gemeinschaftspraxis" wurde zum 31.3.2001 beendet.

5

Die Beigeladene zu 1. rechnete als "Gemeinschaftspraxis Dr. P./Dr. Ph." Leistungen ab, die in der Praxis in S. und in einem ausgelagerten, mit einem CT-Gerät ausgestatteten Praxisteil im Kreiskrankenhaus S. erbracht worden waren. In den Quartalen IV/1996 bis I/2001 erhielt sie Honorarzahlungen in einer Gesamthöhe von 4 145 507,66 DM. Mit inhaltlich identischen, sowohl an den Kläger als auch an den Beigeladenen zu 2. adressierten Bescheiden vom 30.11.2001 - dem Kläger am 5.12.2001 zugestellt - hob die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die Honorarbescheide für die Quartale IV/1996 bis I/2001 auf und forderte die in diesen Quartalen ihres Erachtens zu Unrecht gezahlten Honorare in Höhe von insgesamt 1 785 135,03 DM (von der Beklagten in 880 578,27 Euro umgerechnet) zurück. Beide Ärzte hätten die Genehmigung zur gemeinschaftlichen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit durch vorsätzlich falsche Angaben über die gesellschaftsrechtliche Beteiligung erlangt. Die Höhe des neu festzusetzenden Honorars des Klägers sei unter Zugrundelegung des Fachgruppendurchschnitts ermittelt worden.

6

Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Auf Antrag des Klägers hat das LSG mit Beschluss vom 13.8.2002 (L 3 KA 161/02 ER) die aufschiebende Wirkung des Widerspruches insgesamt angeordnet. Auf die Klage des Klägers hat das SG die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und dies damit begründet, für die Rechtmäßigkeit der Honorarrückforderung komme es allein auf die eingereichten Sammelerklärungen an. Diese seien jedenfalls im Hinblick auf die Leistungserbringung nicht "falsch" (Urteil vom 13.10.2004).

7

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Richtigstellungs- und Rückforderungsbescheid sei rechtmäßig, auch wenn er an den Kläger und den Beigeladenen zu 2., nicht jedoch an die zu 1. beigeladene "Gemeinschaftspraxis" gerichtet gewesen sei. Der Bescheid erweise sich auch inhaltlich als rechtmäßig. Eine Abrechnung sei auch dann falsch, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit, in deren Rahmen die Leistungen erbracht worden seien, nicht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der vertragsärztlichen Versorgung ausgeübt worden sei. Dies gelte auch für den Fall der Leistungserbringung durch eine nur formal bestehende Gemeinschaftspraxis.

8

Für die Rechtmäßigkeit der Honorargewährung komme es nicht nur auf die formelle Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung an, sondern der Vertragsarzt müsse vielmehr auch materiell berechtigt sein, Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen. Daher sei die Beklagte berechtigt, im Falle eines Gestaltungsmissbrauchs der Rechtsformen vertragsärztlicher Kooperation die Honorarabrechnungen der beteiligten Ärzte sachlich-rechnerisch richtig zu stellen. Dies gelte auch für Fälle, in denen nach außen hin eine Gemeinschaftspraxis mit entsprechender Genehmigung des Zulassungsausschusses betrieben worden sei, die Genehmigung aber nicht hätte erteilt werden dürfen oder hätte widerrufen werden müssen, weil eine gemeinschaftliche Berufsausübung nie gewollt gewesen oder später nicht mehr realisiert worden sei. Dieser Fall sei vorliegend gegeben, denn die Beigeladene zu 1. sei ungeachtet ihrer formellen Genehmigung keine Gemeinschaftspraxis gewesen, weil der Beigeladene zu 2. tatsächlich als angestellter Arzt tätig geworden sei.

9

Unverzichtbar für die Annahme einer Tätigkeit in "freier Praxis" sei, dass dem Gesellschafter Mitgliedschaftsrechte in Form von Mitwirkungsrechten, insbesondere Stimmrechten, durch den Gesellschaftsvertrag eingeräumt würden, weil ansonsten nicht angenommen werden könne, dass der Arzt den Einsatz der der Praxis zugeordneten sachlichen und persönlichen Mittel selbst bestimme. Dem Beigeladenen zu 2. seien weder nach Vertragslage noch tatsächlich Mitwirkungsmöglichkeiten an den zentralen, die Struktur der Praxis in S. bestimmenden Entscheidungen eingeräumt worden. Hierüber hätten allein der Kläger und die Dres. H. und M. in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der GbR, die die wirkliche Trägerin der Praxis in S. und V. gewesen sei, befunden. Der Beigeladene zu 2. sei nie in die Gesellschaft aufgenommen worden und habe insbesondere an keiner Gesellschafterversammlung teilgenommen. Dass er bei seiner Arbeit in der CT-Außenstelle selbstständig habe arbeiten können, ändere daran nichts, da die GbR über die Rechtsmacht verfügt habe, sich im Konfliktfall gegen den Beigeladenen zu 2. durchzusetzen. Dieser sei zudem weder an Gewinnen noch Verlusten der Praxis beteiligt gewesen, sondern habe ein festes Gehalt bezogen. Auch eine Beteiligung am Vermögen der Gemeinschaftspraxis habe zu keiner Zeit vorgelegen.

10

Die Beklagte habe die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen in Anknüpfung an die in den strittigen Quartalen unrichtigen Sammelerklärungen durchführen dürfen. Den Kläger treffe auch ein Verschulden, zumindest im Sinne grober Fahrlässigkeit. Er habe aufgrund der Verträge wissen müssen, dass der Beigeladene zu 2. in Wirklichkeit nur die Stellung eines unselbstständig tätigen Assistenten inne gehabt habe. Bei der Neufestsetzung des Honorars sei die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die vom Beigeladenen zu 2. erarbeiteten Honorare zu Unrecht ausgezahlt worden seien. Die Schätzung der verbleibenden Honorare anhand der durchschnittlichen Einnahmen einer radiologischen Einzelpraxis bewege sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil vom 17.12.2008, MedR 2009, 497 = GesR 2009, 206).

11

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Die bundesmantelvertraglichen Bestimmungen über die sachlich-rechnerische Richtigstellung von Honorarforderungen stellten keine ausreichende Rechtsgrundlage für die streitbefangene Honorarrückforderung dar, da die abgerechneten Leistungen entsprechend den Vorgaben des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen erbracht und abgerechnet worden seien. Die Beklagte mache vielmehr einen vermeintlichen "sonstigen Schaden" geltend. Der Anwendung der Regelungen über die sachlich-rechnerische Richtigstellung stehe im Übrigen die Drittbindungswirkung der ihm - dem Kläger - und dem Beigeladenen zu 2. erteilten Gemeinschaftspraxis-Genehmigung entgegen. Diese Genehmigung habe statusbegründenden Charakter. Die Kompetenz der Zulassungsgremien sei abschließend und lückenlos; auch die Beklagte sei an deren Entscheidung gebunden. Diese Kompetenzverteilung und die daraus resultierende Drittbindungswirkung könne die Beklagte nicht dadurch umgehen, dass sie einseitig im Wege der Aufhebung erteilter Honorarbescheide ihre Ansicht durchzusetzen versuche.

12

Selbst wenn man unterstelle, dass der Vertrag über die Gemeinschaftspraxis vertragsarztrechtlich bedenklich sei, könne ihm - dem Kläger - als juristischem Laien, der einen solchen Vertrag unter fachlicher Beratung durch einen bundesweit anerkannten Spezialisten auf dem Gebiet des Vertragsarztrechts abgeschlossen habe, nicht der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs gemacht werden. Die Frage der fehlerhaften Vertragsgestaltung sei erst in das Blickfeld der Beklagten gerückt, nachdem gegen den beratenden Rechtsanwalt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei, das mit einer Verurteilung geendet habe. Der Vertrag sei von ihm - dem Kläger - freiwillig vorgelegt worden; nur dadurch habe die Beklagte Kenntnis von diesem erhalten. Dies spreche gegen die ihm unterstellte Absicht der Irreführung.

13

Im Übrigen sei der Beigeladene zu 2. in "freier Praxis" tätig gewesen; er habe den ausgelagerten Praxisteil am Krankenhaus S. selbstständig und eigenverantwortlich geführt. Der Kooperationsvertrag stehe den Anforderungen einer Tätigkeit in "freier Praxis" nicht entgegen. Der Beigeladene zu 2. habe seine Tätigkeit frei und eigenverantwortlich ausgeübt, habe Beginn, Dauer und Ende seiner Tätigkeit frei bestimmt und über den Einsatz des nichtärztlichen Personals verfügt. Unzutreffend sei auch, dass der Beigeladene zu 2. an keiner Gesellschafterversammlung teilgenommen habe. Unabhängig davon hätte das LSG den Beteiligten einen Hinweis darauf geben müssen, dass es seine Entscheidung wesentlich auf die Feststellung stützen wolle, dass sich aus den Protokollen der Gesellschafterversammlungen eine Mitwirkung des Beigeladenen zu 2. nicht ergebe. Das LSG habe dies jedoch nicht getan und so den Beteiligten keine Möglichkeit gegeben, diesbezüglich Beweis anzutreten. Das Fehlen einer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen vermöge ebenso wenig wie eine feste Gewinnbeteiligung und der Ausschluss einer Verlustbeteiligung die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Arztes zu gefährden. Eine unterschiedliche Ausgestaltung der Rechte der Gesellschafter sei jedenfalls für eine Übergangszeit des "Kennenlernens" von in der Regel drei Jahren - aber auch darüber hinaus - zulässig.

14

Wie das BVerfG entschieden habe, sei der Begriff des "freien Berufes" ein soziologischer Begriff und kein eindeutiger Rechtsbegriff, aus dem präzise normative Wirkungen abgeleitet werden könnten. Es obliege dem Gesetzgeber, die Merkmale eines "freien" Berufs im Einzelnen festzulegen und damit das Berufsbild zu fixieren. Die Unbestimmtheit des § 32 Abs 1 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) lasse eine Auslegung, die konkrete Anforderungen an die Vertragsgestaltung stelle, um so weniger zu, als die Regelung damit in die Nähe einer Berufszugangsregelung gerückt werde. Schließlich verstoße § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV in der Auslegung des LSG gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, wenn sich Partner einer Gemeinschaftspraxis einem drohenden Honorarregress bereits dadurch entziehen könnten, dass sie ihre internen vertraglichen Regelungen geheim hielten. Schließlich scheide, da der angefochtene Bescheid dem Kläger am 5.12.2001 zugestellt worden sei, eine sachlich-rechnerische Richtigstellung von Quartalsbescheiden, die vor dem 5.12.1997 ergangen seien, aus.

15

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 17.12.2008 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Hannover vom 13.10.2004 zurückzuweisen.

16

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

17

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Insbesondere stehe der sachlich-rechnerischen Richtigstellung keine "Drittbindungswirkung" durch die vom Zulassungsausschuss erteilte Gemeinschaftspraxisgenehmigung entgegen. Denn die angefochtenen Bescheide hätten keinen Einfluss auf den Zulassungsstatus des Klägers. Sie - die Beklagte - sei berechtigt, das Honorar einer Scheingemeinschaftspraxis in der Weise zu reduzieren, dass die einzelnen Ärzte so behandelt würden, als wären sie in einer Einzelpraxis tätig gewesen. Es liege ein offenkundiger Rechtsmissbrauch vor, wenn bereits in der Präambel des Kooperationsvertrages bestimmt werde, dass ein ggf dem Zulassungsausschuss vorzulegender Vertrag keine Bindungswirkung entfalten werde. Die behauptete gleichberechtigte Mitwirkung des Beigeladenen zu 2. an Entscheidungen werde durch die vorliegenden Unterlagen widerlegt. Dessen Befragung vor dem LSG habe ergeben, dass er noch nicht einmal Kenntnis gehabt habe, wann die regulären Gesellschafterversammlungen stattgefunden hätten. Für Fälle von Abrechnungsbetrug gelte die vierjährige Verjährungsfrist nicht.

18

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

19

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat seine Klage zu Recht unter Aufhebung des Urteils des SG abgewiesen. Die Beklagte hat die der Beigeladenen zu 1. erteilten Honorarbescheide zu Recht aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung teilweise aufgehoben und von den an ihr beteiligten Ärzten zu viel gezahltes Honorar zurückverlangt. Sie hat den Rückforderungsbetrag auch der Höhe nach zutreffend berechnet.

20

1. Die Entscheidung des LSG ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Soweit der Kläger rügt, das Berufungsgericht habe den Beteiligten einen Hinweis darauf geben müssen, es werde seine Entscheidung wesentlich auf die Feststellung stützen, dass sich aus den Protokollen eine Mitwirkung des Beigeladenen zu 2. an Entscheidungen über "Praxisangelegenheiten" nicht ergebe, macht er einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Sinne einer Überraschungsentscheidung geltend. Eine Überraschungsentscheidung liegt nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (vgl BVerfGE 84, 188, 190; BVerfGE 86, 133, 144 f; BVerfGE 98, 218, 263; zuletzt BVerfG , Beschluss vom 7.10.2009 - 1 BvR 178/09 - juris RdNr 8) wie auch des BSG (BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 4 S 23; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 17)dann vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht.

21

Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, denn Art 103 Abs 1 GG begründet keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts (stRspr des BVerfG, vgl BVerfGE 66, 116, 147; BVerfGE 84, 188, 190; BVerfGE 86, 133, 144; BVerfG , Beschluss vom 27.11.2008 - 2 BvR 1012/08 - juris RdNr 6). Prozessbeteiligte - insbesondere anwaltlich vertretene - müssen grundsätzlich von sich aus alle vertretbaren Gesichtspunkte in Betracht ziehen und sich in ihrem Vortrag darauf einstellen (BVerfGE 86, 133, 144 f; BVerfGE 98, 218, 263; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 18 mwN). Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll lediglich verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (BSG Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 32/02 R - NZS 2004, 660 ff unter Hinweis auf BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN). Dementsprechend liegt keine unzulässige Überraschungsentscheidung vor, wenn die betroffene Sach- oder Rechtsfrage bereits Gegenstand von Äußerungen der Beteiligten des Verfahrens war, das zu der angegriffenen Entscheidung führte (BVerfG, , Beschluss vom 12.7.2006 - 2 BvR 513/06 - BVerfGK 8, 376). So liegt es auch hier, denn die Frage einer Tätigkeit des Beigeladenen zu 2. in "freier Praxis" - für deren Beantwortung ggf auch eine Beteiligung an Gesellschafterversammlungen Bedeutung haben kann - hat von Beginn des Verfahrens an im Mittelpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung gestanden.

22

2. Die Beklagte hat die allgemeinen Vorgaben für eine Richtigstellung der Abrechnungen der Beigeladenen zu 1. beachtet.

23

a) Rechtsgrundlage der aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung erfolgten Aufhebung der Honorarbewilligungen für die Quartale IV/1996 bis I/2001 sind hier noch § 45 Abs 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte bzw § 34 Abs 4 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä)(für Zeiträume ab 1.1.2004 vgl nunmehr § 106a SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190).

24

Nach diesen im Wesentlichen gleichlautenden Vorschriften hat die KÄV von Amts wegen oder auf Antrag einer Krankenkasse die Befugnis, die von Vertragsärzten eingereichten Abrechnungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und nötigenfalls richtig zu stellen (stRspr, vgl BSGE 89, 90, 93 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 5 RdNr 13). Dies kann auch im Wege nachgehender Richtigstellung erfolgen (stRspr, vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 10 mwN; BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich weiter, dass der Vertragsarzt das Honorar, das ihm nach sachlich-rechnerischer Abrechnungskorrektur nicht mehr zusteht, erstatten muss (BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 11; BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 13).

25

b) Der Anwendung dieser bundesmantelvertraglichen Regelungen steht nicht entgegen, dass vorliegend nicht Abrechnungsverstöße im engeren Sinne - etwa der fehlerhafte Absatz von Gebührennummern - in Rede stehen. Zwar geht es bei der sachlich-rechnerischen Richtigstellung vor allem um die Auslegung und Anwendung der Gebührenordnungen (s schon BSGE 42, 268, 270 = SozR 2200 § 368n Nr 9, S 21 f), jedoch hat der Senat die entsprechenden bundesmantelvertraglichen Vorschriften in ständiger Rechtsprechung umfassend verstanden.

26

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertrags(zahn)arztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind (BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 10; BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 15; s schon BSG SozR 5557 Nr 5451 Nr 1 S 2). Dies entspricht den Formulierungen in den zu § 106a SGB V erlassenen Richtlinien(vgl § 3 Abs 1 und 2 iVm § 4 der Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der KÄVen und der Krankenkassen, DÄ 2004, A 2555 bzw A 3135; § 5 Abs 1 iVm Abs 3 der Richtlinien der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 106a SGB V, zm 2008, S 111 ff).

27

Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarforderung auf bundesmantelvertraglicher Rechtsgrundlage besteht danach nicht nur im Falle rechnerischer und gebührenordnungsmäßiger Fehler, sondern erfasst auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11). Dementsprechend hat der Senat in seiner Rechtsprechung das Rechtsinstitut der sachlich-rechnerischen Richtigstellung zB bei der Abrechnung fachfremder Leistungen (vgl ua BSGE 93, 170 = SozR 4-2500 § 95 Nr 8; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 1)oder qualitativ mangelhafter Leistungen angewandt, aber auch bei Leistungen eines nicht genehmigten Assistenten (BSG SozR 3-5525 § 32 Nr 1 S 3 f)sowie bei der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs mit Hilfe eines Assistenten (BSG SozR 4-5520 § 32 Nr 2), bei der Abrechnung von Leistungen, die nach stationärer Aufnahme erbracht werden (BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 8; s hierzu auch die Nachweise bei BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11),bei der Nichtbeachtung der bereichsspezifischen Vorschriften zur Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Rahmen der vertragsärztlichen Abrechnung (BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 15)und schließlich bei einem Missbrauch vertragsarztrechtlicher Kooperationsformen (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6; zuletzt BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 17/07 B - juris).

28

Die Beklagte hat die sachlich-rechnerische Richtigstellung daher zu Recht darauf stützen dürfen, dass sich die Beigeladene zu 1. durch die angeblich gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers mit dem Beigeladenen zu 2. vertragsärztliches Honorar verschafft hat, das sie - bzw der Kläger in Einzelpraxis - bei Beachtung der vertragsärztlichen Pflichten nicht hätte erzielen können. Diesen auf pflichtwidriger Verhaltensweise beruhenden Honoraranteil darf die KÄV sachlich-rechnerisch richtig stellen und insoweit bereits ausgezahltes Honorar zurückfordern. Sie ist nicht darauf beschränkt, den Pflichtenverstoß disziplinarisch zu ahnden und/oder auf die Entziehung der Zulassung hinzuwirken (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 12).

29

c) Die Beklagte war auch berechtigt, eine Honorarrückforderung - statt gegenüber der zu 1. beigeladenen "Gemeinschaftspraxis" - gegenüber dem Kläger geltend zu machen.

30

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide, die Quartale betreffen, in denen eine Praxis als Gemeinschaftspraxis (jetzt Berufsausübungsgemeinschaft) geführt wurde, nicht an die Gemeinschaftspraxis, sondern nur an einen der Partner gerichtet wurden (vgl BSGE 89, 90, 93 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6). Die Partner einer Gemeinschaftspraxis können jeder für sich in Anspruch genommen werden (BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 16).

31

Zum anderen rechtfertigt sich der an den Kläger gerichtete Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid auch dadurch, dass eine Gemeinschaftspraxis lediglich pro forma bestand. Weil dies materiell-rechtlich die Zusammenarbeit zweier in "freier Praxis" tätiger Ärzte voraussetzt, der Beigeladene zu 2. jedoch in Wirklichkeit lediglich als Angestellter des Klägers (bzw der "Gesellschaft") tätig war (s dazu unter 3. b cc), war der Kläger somit tatsächlich in Einzelpraxis tätig. Die Beklagte ist - jedenfalls in Bezug auf die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen - nicht an lediglich formal bestehende, materiell-rechtlich jedoch rechtswidrige Statusentscheidungen gebunden (s unter 3. c). "Vertragspartner" der Beklagten war daher der Kläger, so dass auch die Rückabwicklung im Verhältnis Kläger-Beklagte zu erfolgen hat.

32

3. Die Beklagte war auch in der Sache berechtigt, die Abrechnungen der "Gemeinschaftspraxis" für die streitgegenständlichen Quartale richtig zu stellen. Denn die "Gemeinschaftspraxis", der (auch) der Kläger angehörte, hat in dieser Zeit Leistungen abgerechnet, die im Widerspruch zu bindenden Vorgaben des Vertragsarztrechts erbracht wurden. Die vom Zulassungsausschuss genehmigte, aus ihm und dem zu 2. beigeladenen Arzt Dr. Ph. bestehende Gemeinschaftspraxis existierte tatsächlich nicht. Dr. Ph. war lediglich als Angestellter des Klägers tätig, und die Genehmigung zur Beschäftigung eines angestellten Arztes hatte die Beklagte nicht erteilt.

33

Die vertraglich zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 2. vereinbarte Kooperation erfüllte die Voraussetzungen des § 33 Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV nicht, weil der zu 2. beigeladene Dr. Ph. nicht in freier Praxis im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV tätig war. Über die berufliche und persönliche Selbstständigkeit, die für die Ausübung der Tätigkeit des Vertragsarztes in "freier Praxis" erforderlich ist, verfügte Dr. Ph. zu keinem Zeitpunkt. Dieser Arzt trug nach den Vereinbarungen zwischen ihm und dem Kläger das wirtschaftliche Risiko der Praxis nicht mit und war in keiner Weise am Wert der Praxis beteiligt, die durch seine Tätigkeit mit geschaffen wurde. Jedenfalls soweit beides explizit ausgeschlossen ist, wird die ärztliche Tätigkeit nicht mehr in freier Praxis ausgeübt.

34

a) Nach § 33 Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV ist die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit zulässig unter allen zugelassenen Leistungserbringern. Das setzt die (auch materiell rechtmäßige) Zulassung eines jeden einzelnen Mitglieds der Gemeinschaftspraxis voraus (vgl Engelmann, ZMGR 2004, 3, 10). Schon hieran fehlt es. Denn der Beigeladene zu 2. war - wie das LSG zutreffend festgestellt hat - bereits nicht als Arzt in freier Praxis, sondern tatsächlich als "freier Mitarbeiter" tätig. Da das Vertragsarztrecht den Typus des "freien Mitarbeiters" nicht kennt, ist der Beigeladene zu 2. vertragsarztrechtlich als "angestellter Arzt" bzw als "Assistent" zu qualifizieren. Derartige Tätigkeiten sind nur mit entsprechender Genehmigung zulässig; daran fehlte es jedoch.

35

b) Nach § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV hat der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in "freier Praxis" auszuüben. Dies war dem Beigeladenen zu 2. gesellschaftsvertraglich nicht möglich, und er hat es auch tatsächlich nicht getan.

36

aa) Der Begriff der "freien Praxis" ist nicht zu unbestimmt, um hieraus Anforderungen an die vertragsärztliche Tätigkeit abzuleiten. Dem steht auch nicht die Aussage des BVerfG entgegen, dass der (vergleichbare) Begriff "freier Beruf" kein eindeutiger Rechtsbegriff, sondern ein soziologischer Begriff sei, der aus einer bestimmten gesellschaftlichen Situation erwachsen sei und aus dem sich keine präzise normative Wirkungen ableiten ließen (BVerfGE 10, 354, 364). Abgesehen davon, dass das BVerfG diese Aussagen getätigt hat, um der (gegenteiligen) Auffassung entgegenzutreten, dieser Begriff beinhalte einen spezifischen, gesteigerten Gehalt an Freiheit (vgl BVerfG aaO), unterscheidet sich die Situation vornehmlich dadurch, dass der ähnliche Begriff der "freien Praxis" vorliegend nicht im allgemeinen - "soziologischen" - Sinne gebraucht wird, sondern durch die Regelungen in § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV wie auch in § 98 Abs 2 Nr 13 SGB V ("nach den Grundsätzen der Ausübung eines freien Berufes …") normativen Gehalt bekommen hat. Darüber hinaus ist der Begriff der "freien Praxis" durch zahlreiche Entscheidungen des BSG weiter konkretisiert worden (s unter 3. b bb).

37

Im Übrigen hat auch das BVerfG in verschiedenen Entscheidungen den Kerngehalt dieses Begriffes dahingehend umschrieben, dass der Arztberuf durch ein hohes Maß an eigener Verantwortlichkeit und eigenem Risiko in wirtschaftlicher Beziehung charakterisiert sei (BVerfGE 9, 338, 351). Das Berufsbild der freiberuflich Tätigen trage im Ganzen den "unternehmerischen Zug", der auf Selbstverantwortung, individuelle Unabhängigkeit und eigenes wirtschaftliches Risiko gegründet sei (BVerfGE 10, 354, 369). Der frei praktizierende Arzt habe die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft, könne insbesondere seine Arbeitszeit frei einteilen, er trage aber auch das volle wirtschaftliche Berufsrisiko (BVerfGE 16, 286, 294). Mithin wird eine Tätigkeit in "freier Praxis" unzweifelhaft durch die Merkmale individuelle Unabhängigkeit und Tragung des wirtschaftlichen Risikos konkretisiert.

38

bb) Was für eine Tätigkeit persönlich in freier Praxis im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV - im Gegensatz zu einem Angestelltenverhältnis im Sinne des § 32b Ärzte-ZV - erforderlich ist, hat das BSG in seinen Urteilen vom 16.3.1973 (BSGE 35, 247 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte = NJW 1973, 1435), vom 16.7.2003 (BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2)und vom 28.11.2007 (BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3)vorgezeichnet. Das Merkmal erfordert mehr, als nach den §§ 705 ff BGB für die Stellung als Gesellschafter erforderlich ist. Die vertragsärztliche Tätigkeit muss in beruflicher und persönlicher Selbstständigkeit gesichert sein; erhebliche Einflussnahmen Dritter müssen ausgeschlossen sein; insbesondere darf nicht in Wahrheit ein verstecktes Angestelltenverhältnis vorliegen (BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 26, anknüpfend an BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2; vgl auch BSGE 91, 164 RdNr 17, 18 = SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 16, 17; - jeweils betreffend Gemeinschaftspraxis). Zur erforderlichen eigenverantwortlichen Gestaltung ärztlicher Tätigkeit gehört es, dass der Arzt ein wirtschaftliches Risiko trägt, insoweit es maßgebend von seiner Arbeitskraft abhängen muss, in welchem Umfang seine freiberufliche Tätigkeit Einkünfte erbringt (BSGE 35, 247, 252 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte = NJW 1973, 1435, 1437 - betreffend Facharzt für Laboratoriumsmedizin). Zudem muss der Arzt die Befugnis haben, den medizinischen Auftrag nach eigenem Ermessen zu gestalten sowie über die räumlichen und sächlichen Mittel, ggf auch über den Einsatz von Hilfspersonal zu disponieren oder jedenfalls an der Disposition mitzuwirken (BSGE 35, 247, 250 = NJW 1973, 1435, 1436; BSGE 76, 59, 64 = SozR 3-5520 § 20 Nr 1 S 7; BSGE 80, 130, 132 f = SozR 3-5520 § 20 Nr 2 S 13).

39

Somit beinhaltet die Tätigkeit in "freier Praxis" zum einen eine wirtschaftliche Komponente - die Tragung des wirtschaftlichen Risikos wie auch eine Beteiligung an den wirtschaftlichen Erfolgen der Praxis - und zum anderen eine ausreichende Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht.

40

Für das Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, das einem Arzt bei der von ihm bei seinem Antrag auf Zulassung geplanten und dann ausgeübten vertragsärztlichen Tätigkeit verbleibt, können zivilrechtliche Vereinbarungen, die er bezogen auf die Arztpraxis getroffen hat, Bedeutung haben. Dies gilt nicht nur für Gemeinschaftspraxen (hierzu s BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25 f), sondern auch in anderen Fällen, etwa dann, wenn einem Arzt die Praxisräume und -ausstattung von einem anderen zur Verfügung gestellt werden und dieser sich erhebliche Einflussmöglichkeiten auf die Praxisausstattung und den Praxisbetrieb vorbehält. In solchen Fällen ist es Aufgabe der Zulassungsgremien, aber ggf auch der Sozialgerichte und der KÄVen, die zivilrechtlichen Verhältnisse in die Überprüfung einzubeziehen (hierzu zuletzt BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 26 mwN).

41

cc) Die dargestellten Voraussetzungen einer Tätigkeit in "freier Praxis" waren im Falle des Beigeladenen zu 2. schon nicht gegeben, als er zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen wurde. Sie sind angesichts der gescheiterten Aufnahme in die "Gesellschaft" ebenso wenig während seiner anschließenden Tätigkeit eingetreten. Der Beigeladene zu 2. trug nämlich zu keinem Zeitpunkt ein erkennbares wirtschaftliches Risiko (1) und war an der Verwertung des von ihm erarbeiteten Praxiswerts nicht beteiligt (2). Ob er darüber hinaus auch in seiner Dispositionsfreiheit eingeschränkt war, bedarf keiner abschließenden Entscheidung (3).

42

(1) Das Erfordernis, dass es beim Vertragsarzt "maßgebend von seiner Arbeitskraft abhängen" muss, in welchem Umfang seine freiberufliche Tätigkeit Einkünfte erbringt (BSGE 35, 247, 252 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte = NJW 1973, 1435, 1437), ihn also im positiven wie im negativen Sinne die Chance und das Risiko des beruflichen Erfolges oder Misserfolges persönlich treffen müssen, ist der Notwendigkeit geschuldet, den Status des Vertragsarztes von dem Status des angestellten Arztes abzugrenzen. Nur dann ist das Merkmal beruflicher und persönlicher Selbstständigkeit gegeben und liegt nicht ein (verstecktes) Angestelltenverhältnis vor. Dies bedeutet insbesondere, dass der Vertragsarzt nicht wie ein Angestellter nur ein Festgehalt erhalten darf. Vielmehr muss ihm maßgeblich der Ertrag seiner vertragsärztlichen Tätigkeit zugute kommen, ebenso wie ein eventueller Verlust zu seinen Lasten gehen muss. Dieses Erfordernis muss von Anbeginn der vertragsärztlichen Tätigkeit erfüllt sein, kann mithin nicht für die Dauer einer "Probezeit" suspendiert werden.

43

Diese Teilhabe an Gewinn und Verlust der laufenden Praxistätigkeit kann nicht allein auf den Kapitaleinsatz bezogen werden, der bei der ärztlichen Tätigkeit nicht die ausschlaggebende Rolle spielt, wie der Senat bereits in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 16.3.1973 - BSGE 35, 247, 252 = SozR Nr 1 zu § 5 EKV-Ärzte = NJW 1973, 1435, 1436 f ) ausgeführt hat. Fehlender wirtschaftlicher Erfolg einer Praxis wirkt sich im Übrigen vor allem in Gestalt einer Reduzierung des sogenannten Unternehmerlohns aus, weil die laufenden Praxiskosten nicht sogleich einem Umsatzrückgang angepasst werden können, und kann auch zum Auflaufen von Verbindlichkeiten führen. Ob im Übrigen die Gewichtung von Kapitaleinsatz und persönlicher Arbeitskraft des Arztes, die im Urteil vom 16.3.1973 zum Ausdruck kommt, heute im Zuge der Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der vertragsärztlichen Tätigkeit anders vorgenommen werden müsste, bedarf hier keiner Entscheidung.

44

Diese Voraussetzungen lagen, wie vom LSG zutreffend festgestellt, nicht vor:
Nach dem - die Rahmenbedingungen für das Tätigwerden des Beigeladenen zu 2. in der "Gemeinschaftspraxis" regelnden - Kooperationsvertrag sollte der Beigeladene zu 2. kein wirtschaftliches Risiko tragen (Ziff 2a und b der Präambel zum Kooperationsvertrag); gemäß § 4 des Vertrages erhielt er ein Festgehalt("regelmäßige Vergütung pro Arbeitswoche"). Die "Abrechnung von Privat- und Kassenpatienten" oblag allein "den Praxisinhabern" (§ 5 Abs 1 des Vertrages); zudem war der Beigeladene zu 2. "im Innenverhältnis" von allen Honorarkürzungs- und Regressansprüchen freigestellt (§ 2 Abs 6 des Vertrages). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese - eine "Mitunternehmerschaft" des Beigeladenen zu 2. in Bezug auf die Einkünfte ausschließenden - Regelungen in der Folgezeit nicht mehr gegolten haben. Denn zu dessen avisierten Eintritt in die von Dres. P., H. und M. gebildete Gesellschaft ist es unzweifelhaft nicht gekommen, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG bestätigt hat. Der Beigeladene zu 2. hat bekräftigt, dass es bis 2001 bei den im Vertrag vereinbarten Zahlungen geblieben sei und er auch in der Folgezeit ein Festgehalt erhalten habe. Die im Schrifttum erörterte Frage, ob die Zahlung eines Festgewinnanteils für die Annahme einer Tätigkeit in "eigener Praxis" ausreichen kann (s hierzu Gummert/Meier, MedR 2007, 1, 4 f), stellt sich vorliegend nicht, da der Beigeladene zu 2. gerade keine gewinnbezogenen Zahlungen erhalten hat.

45

Auch wenn die für bzw gegen eine Tätigkeit in "freier Praxis" sprechenden Gesichtspunkte grundsätzlich in ihrer Gesamtheit in die Abwägung einzubeziehen sind, stellt der Umstand, dass sich die Einkommenssituation des Beigeladenen zu 2. nicht von der eines "freien Mitarbeiters" bzw der eines Angestellten unterschied, ein so wesentliches Indiz gegen eine selbstständige Tätigkeit in "freier Praxis" dar, dass bereits aus diesem Grunde die Entscheidung des LSG zu bestätigen ist. Daher kann es dahingestellt bleiben, ob der Beigeladene zu 2. im Übrigen Einfluss auf die Führung der - letztlich auch die "Gemeinschaftspraxis" beherrschenden, vom Kläger sowie Dres. H. und M. gebildeten - "Gesellschaft" hatte.

46

Da es bereits an jeglicher Tragung eines wirtschaftlichen Risikos fehlt, kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob im Falle von Gemeinschaftspraxen (bzw Berufsausübungsgemeinschaften) jeder Partner auch substantiell am Gesellschaftsvermögen beteiligt werden muss (s hierzu die Nachweise bei Gummert/Meier, MedR 2007, 1, 6 f mit Fn 57 bis 60) oder ob - ggf auch nur für eine Übergangsfrist - auch eine sogenannte "Null-Beteiligung" unschädlich sein kann. Dieser Aspekt könnte lediglich dann Bedeutung haben, wenn die Bewertung des vorrangigen (einkommensbezogenen) Kriteriums der "Tragung des wirtschaftlichen Risikos" keine eindeutige Aussage erlaubt. Allerdings sprechen gewisse Gesichtspunkte dafür, dass eine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen nicht ausnahmslos erforderlich ist. Wenn ein Arzt sowohl am wirtschaftlichen Gewinn wie auch an einem etwaigen Verlust beteiligt ist, also das Einkommens-Risiko trägt, muss er nicht auch noch zwingend das weitere (Vermögens-)Risiko tragen. So könnten Gestaltungen zulässig sein, in denen Ärzte (gemeinsam) nicht nur die Praxisräume, sondern auch die komplette Praxisausstattung anmieten, ihr Kapitaleinsatz also gegen Null geht, oder in denen ein alteingesessener Vertragsarzt mit einem jungen Arzt, der in fernerer Zukunft die Praxis übernehmen soll, zunächst eine Gemeinschaftspraxis bildet, in der die gesamte Praxisausstattung dem "Alt-Arzt" gehört.

47

(2) Ein wesentlicher Mangel an ausreichender Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit ergab sich ferner daraus, dass dem Beigeladenen zu 2. bei Beendigung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit keine Chance auf Verwertung des auch von ihm erarbeiteten Praxiswertes blieb. Für die Annahme einer gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis ist - unabhängig von der Frage einer Beteiligung der Partner an den Investitionen und Kosten der Praxis - grundsätzlich eine Beteiligung am immateriellen Wert der Praxis (dem sogenannten "Goodwill") erforderlich, da dies Ausfluss der mit einer Tätigkeit in "freier Praxis" verbundenen Chancen ist. Dabei kann die vertragliche Ausgestaltung im Einzelfall unterschiedlich sein (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 14).

48

Zwar sind Einschränkungen des für Einzelpraxen typischen Rechts, im Falle der Aufgabe der Praxistätigkeit über die Verwertung des Praxiswerts - insbesondere durch Ausschreibung des Vertragsarztsitzes in Verbindung mit dem Abschluss eines Vertrages mit dem Praxisnachfolger über einen Kaufpreis in Höhe des Verkehrswertes der Praxis (§ 103 Abs 4 SGB V) - zu verfügen, dann üblich, wenn es sich um eine Gemeinschaftspraxis handelt. Bei ihr sind die Bindungen und Arbeitsteilungen unter den Praxispartnern zu beachten; diese rechtfertigen Beschränkungen der Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit jedes einzelnen Partners. Dabei werden auch die Rechte des Ausscheidenden häufig beschränkt, nämlich zB auf den Anspruch auf Abfindungszahlungen reduziert (s dazu H.-J. Rieger, Verträge zwischen Ärzten in freier Praxis, 8. Aufl 2009: Heidelberger Musterverträge, Heft 41, Teil 2: Kooperationsverträge, Vertrag für Gemeinschaftspraxis, § 14, S 46-48).

49

Selbst derart beschränkte Teilhaberechte am Wert der Praxis waren aber durch den Kooperationsvertrag ausgeschlossen. Dort war insbesondere bestimmt, dass der freie Mitarbeiter den Gemeinschaftspraxis-Anteil "nur im Außenverhältnis" erwirbt und hieraus keine Rechte herleiten kann; zudem hat er den Anteil bei einem Ausscheiden unentgeltlich auf die "Gemeinschaftspraxis" zu übertragen (Ziff 6b der Präambel). Auch ist er nicht am "Good-Will" der Praxis beteiligt (Ziff 7 der Präambel). Selbst wenn man dies ggf für die Dauer einer begrenzten "Probezeit" akzeptieren wollte, käme dies im Falle des Beigeladenen zu 2. schon wegen der auf unbestimmte Zeit fortgesetzten Probezeit nicht zum Tragen.

50

(3) Dahingestellt bleiben kann, ob der Beigeladene zu 2. ausreichende Dispositionsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht besaß. Das Erfordernis, dass der Arzt die Befugnis haben muss, den medizinischen Auftrag nach eigenem Ermessen zu gestalten sowie über die räumlichen und sächlichen Mittel, ggf auch über den Einsatz von Hilfspersonal zu disponieren oder jedenfalls an der Disposition mitzuwirken (BSGE 35, 247, 250 = NJW 1973, 1435, 1436), hat zum Inhalt, dass erhebliche Einflussnahmen Dritter bei der Gestaltung des medizinischen Auftrags und bei der Disposition über das Hilfspersonal ausgeschlossen sein müssen. Entsprechendes gilt für die Disposition über die Sachausstattung der Praxis. Dies sind Ausprägungen der rechtlichen Vorgabe, dass die vertragsärztliche Tätigkeit "persönlich in freier Praxis" ausgeübt werden muss (§ 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV), wofür wesentlich ist, dass er die Verfügungsmacht über die Praxis hat. Selbst wenn die Praxis und deren Inventar nicht unbedingt in seinem Eigentum stehen müssen, muss er neben der Gestaltung des medizinischen Auftrags und neben der Personalhoheit auch in einem gewissen Umfang die Sachherrschaft haben. Nur dann ist eine Verfügungsmacht über die Praxis und eine Tätigkeit "in freier Praxis" gegeben.

51

Nach den Feststellungen des LSG steht nicht in Zweifel, dass der Beigeladene zu 2. bei der Gestaltung des medizinischen Auftrags in ausreichendem Maß "sein eigener Herr" war. Insoweit hat das LSG jedoch zutreffend darauf verwiesen, dass erhebliche (fachliche) Entscheidungs- und Handlungsspielräume allen höheren Dienstleistungen eigen sind. Bezüglich der Frage, ob dem Beigeladenen zu 2. in ausreichendem Maße die Personalhoheit verblieben ist, liegt es schon aus Gründen der - im Gesamtinteresse liegenden - Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Praxis nahe, dass er wohl im ausreichenden Maße über das für seine Tätigkeit erforderliche Personal verfügen konnte. Auch die Weisungsbefugnis gegenüber dem nichtärztlichen Hilfspersonal dürfte angesichts der Notwendigkeiten, die eng mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit zusammenhängen, bestanden haben. Offen bleiben kann, ob dem Beigeladenen zu 2. das Recht zustand, über die Organisation des Inventars und der sächlichen Hilfsmittel, die Materialwirtschaft, die kaufmännische und administrative Ausgestaltung der Arztpraxis zu bestimmen. Zweifellos konnte er nicht über größere Anschaffungen bestimmen, da die Mittel dazu von der "Gesellschaft", an der er nicht beteiligt war, aufgebracht wurden. Andererseits dürften ihm die für seine Tätigkeit erforderlichen Materialien und Geräte zur Verfügung gestanden haben.

52

c) Einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung steht schließlich nicht entgegen, dass der Beigeladene zu 2. formal zugelassen und die zu 1. beigeladene Gemeinschaftspraxis formal genehmigt war, und diese Zulassung bzw Genehmigung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werden kann (vgl hierzu BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 2 RdNr 14 - Genehmigung der Verlegung des Vertragsarztsitzes; dies aufgreifend BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25; LSG Nordhrein-Westfalen, Urteil vom 13.9.2006 - L 11 KA 30/06 - MedR 2008, 50; Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 20 RdNr 47). Denn der Beigeladene zu 2. hätte nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden dürfen, weil - aus den vorstehend dargelegten Gründen - von vornherein die Voraussetzungen für eine Zulassung fehlten; Entsprechendes gilt für die Gemeinschaftspraxis-Genehmigung. In derartigen Fällen steht dem Vertragsarzt ungeachtet des rückwirkend nicht korrigierbaren Status kein Honorar zu (so auch Wenner aaO RdNr 48; Engelmann, ZMGR 2004, 3, 13; Schallen, Zulassungsverordnung, 7. Aufl 2009, § 33 RdNr 142 ff).

53

aa) Ein die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllender oder für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit ungeeigneter Arzt, der sich die Vertragsarztzulassung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verschafft hat, kann nicht unter Berufung auf den dadurch erworbenen formalrechtlichen Status vertragsärztliche Leistungen erbringen und abrechnen (BSGE 76, 153, 155 = SozR 3-2500 § 95 Nr 5 S 22 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 368f Nr 1). Dies gilt entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl Spoerr/Fenner, MedR 2002, 109, 115) nicht allein - wie in den bereits entschiedenen Fällen - dann, wenn es an der erforderlichen Approbation und damit bereits an der Erbringung ärztlicher Leistungen fehlt, und/oder, wenn der Arzt rückwirkend auf seine Zulassung verzichtet hat (vgl Spoerr/Fenner aaO). Vielmehr ist eine Berufung auf einen formalrechtlichen Status - jedenfalls soweit es die Abrechnungsprüfung betrifft - auch in anderen Fällen ausgeschlossen, in denen die Zulassungsgremien eine Zulassung bei Kenntnis der genauen Umstände nicht erteilt hätten bzw nicht hätten erteilen dürfen (in diesem Sinne - Honorarrückforderung im Falle des Rechtsmissbrauchs - auch Gummert/Meier, MedR 2007, 1, 9; vgl weiterhin Clemens/Steinhilper in Laufs/Kern , Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 35 RdNr 78 ff).

54

Dies gilt insbesondere im Falle einer missbräuchlichen Nutzung von Gestaltungsformen. Ein Gestaltungsmissbrauch in Form eines Missbrauchs der Rechtsform liegt nicht nur - wie vom Senat bereits entschieden - dann vor, wenn rechtlich in Praxisgemeinschaft verbundene Ärzte die Patienten wie Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis behandeln (vgl BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 16 ff; BSG, Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 17/07 B - juris), sondern auch in anderen Fällen, in denen die formal gewählte Rechtsform nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Vorliegend haben der Kläger und der Beigeladene zu 2. die Kooperationsform Gemeinschaftspraxis dadurch missbräuchlich genutzt, dass beide die vertragsärztliche Tätigkeit nicht "gemeinsam" ausgeübt haben, sondern faktisch der Kläger in Einzelpraxis tätig war und den Beigeladenen zu 2. - ohne entsprechende Genehmigung - als Assistenten bzw Angestellten beschäftigte.

55

Für die Rechtmäßigkeit der Gewährung vertragsärztlichen Honorars kommt es nicht allein darauf an, dass der Vertragsarzt formell zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sondern er muss vielmehr auch materiell berechtigt sein, Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen (Engelmann, ZMGR 2004, 3, 13 unter Bezugnahme auf BSGE 76, 153, 155 = SozR 3-2500 § 95 Nr 5 S 22 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 368f Nr 1). Zudem sind die mit der Verleihung des Status einer Gemeinschaftspraxis verbundenen Vorteile gegenüber einer Einzelpraxis nur gerechtfertigt, wenn die rechtsförmige Gestaltung der Kooperation die Gewähr dafür bietet, dass die mit der Genehmigung der gemeinsamen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit verbundenen Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrgenommen werden (BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 22).

56

bb) Einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung wie auch einer daraus resultierenden Rückforderung vertragsärztlichen Honorars steht eine etwaige "Tatbestandswirkung" bzw Drittbindungswirkung (zur Terminologie s BSG SozR 3-2500 § 95a Nr 2 S 6; s auch Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl 2008, § 43 RdNr 105) der Zulassung bzw der Gemeinschaftspraxisgenehmigung in dem Sinne, dass andere Behörden bzw Gerichte an diese Entscheidung ohne Rücksicht auf ihren Inhalt gebunden sind (vgl Roos in v. Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, Vor § 39 RdNr 4 mwN),nicht entgegen. Drittbindungswirkung hat der Senat etwa einem Arztregistereintrag im Rahmen eines Zulassungsverfahrens (vgl BSG SozR 3-2500 § 95a Nr 2; BSG SozR 3-2500 § 95c Nr 1; eingrenzend aber BSGE 104, 128 = SozR 4-2500 § 95 Nr 15, RdNr 15 ff) sowie der Approbationsentscheidung im Rahmen einer Arztregistereintragung (BSGE 95, 94 = SozR 4-2500 § 95c Nr 1)beigemessen. Ob eine solche Drittbindungswirkung besteht, ist bereichsspezifisch durch Auslegung der einschlägigen Normen entsprechend ihrem Regelungszweck zu ermitteln; sie kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine Behörde für den Erlass eines gestaltenden bzw konstitutiv-feststellenden Verwaltungsaktes mit einem Regelungsmonopol ausgestattet ist (BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 42 mwN). Sie erfordert das Vorhandensein entsprechender gesetzlicher Regelungen, in denen der Umfang der Bindung wiederum bereichsspezifisch und abhängig von ihrem erkennbaren Regelungszweck unterschiedlich ausgestaltet sein kann (BSG aaO mwN).

57

Es kann dahingestellt bleiben, in welchem Umfang eine Drittbindungswirkung der Entscheidungen der Zulassungsgremien zu bejahen ist, denn zumindest bezogen auf die vorliegende Konstellation wirken sich der Status des zu 2. beigeladenen Arztes als Vertragsarzt wie die ebenfalls statusbegründende Genehmigung der zu 1. beigeladenen Gemeinschaftspraxis nicht auf die Berechtigung der Beklagten aus, aus der gesetzwidrigen Gestaltung der beruflichen Kooperation die notwendigen vergütungsrechtlichen Folgerungen zu ziehen. Der Status des zugelassenen Vertragsarztes und der genehmigten Gemeinschaftspraxis sichern die vertragsärztliche Tätigkeit im Rechtsverhältnis zu Dritten ab (s hierzu schon BSG SozR 4-2500 § 96 Nr 1 RdNr 16 mwN). Die Versicherten können sich darauf verlassen, durch einen zugelassenen Arzt im Rahmen des Sachleistungsprinzips behandelt zu werden; die von einem solchen Arzt ausgestellten Verordnungen sind wirksam und - von der hier nicht relevanten Situation des kollusiven Zusammenwirkens mit einem Apotheker abgesehen - von diesem auszuführen (BSG aaO; vgl auch BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 25). Solange der Status nicht beseitigt ist, wird der betreffende Arzt im Rahmen der Bedarfsplanung berücksichtigt und darf seine organschaftlichen Mitwirkungsrechte innerhalb der KÄV wahrnehmen.

58

Das alles spielt im Rechtsverhältnis zwischen der KÄV und ihrem Mitglied keine Rolle mehr, wenn bekannt ist, dass der Arzt von seiner Zulassung keinen gesetzeskonformen Gebrauch gemacht hat. Für den Rückgriff der KÄV auf die tatsächlichen Verhältnisse bedarf es entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (Spoerr/Fenner, MedR 2002, 109, 112 f) nicht der rückwirkenden Beseitigung des Status (ebenso Engelmann, ZMGR 2004, 3, 13; Clemens/ Steinhilper aaO, RdNr 76 ff). Im Innenverhältnis zur KÄV schützt der verliehene, aber rechtswidrig erlangte bzw genutzte Status den betroffenen Arzt zumindest in vergütungsrechtlicher Hinsicht nicht.

59

Insoweit besteht eine Parallele zur Beamtenernennung, die durch Täuschung herbeigeführt worden ist. Diese ist nicht nichtig, sondern vielmehr mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (vgl § 14 Abs 1 Nr 1 Bundesbeamtengesetz - BBG -). Im Innenverhältnis hat dies ua zur Folge, dass der Beamte die erhaltene Besoldung zu erstatten hat (s hierzu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 23.10.1979 - IV 1423/77 - juris, dort RdNr 18 f), sofern der Dienstherr sein Ermessen (vgl § 15 Satz 4 BBG in der ab 12.2.2009 gültigen Fassung = § 14 Satz 2 BBG in der bis 11.2.2009 gültigen Fassung) nicht dahingehend ausübt, dass sie ihm belassen wird. Im Außenverhältnis zu Dritten sind die bis zur Zustellung der Erklärung der Rücknahme vorgenommenen Amtshandlungen jedoch in gleicher Weise gültig, wie wenn ein Beamter sie ausgeführt hätte (§ 15 Satz 3 BBG). Wegen der mehrpoligen Rechtsbeziehungen im Vertragsarztrecht scheidet hier die rückwirkende Beseitigung des Status aus; vergleichbar dem Dienstherrn im Beamtenverhältnis darf aber die KÄV aus der zu Unrecht erfolgten Verleihung des Status die erforderlichen Konsequenzen ziehen. Ihr gegenüber entfaltet der Status dann keine Schutzwirkung mehr.

60

d) Der Aufhebung der ursprünglichen Honorarbescheide steht auch die vierjährige Ausschlussfrist, innerhalb derer der Bescheid über die sachlich-rechnerische Richtigstellung ergehen muss (s hierzu BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 16; BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12), nicht entgegen. Die Ausschlussfrist beginnt in allen Fällen der Richtigstellung von Honorarbescheiden mit dem Tag nach der Bekanntgabe des für den Abrechnungszeitraum maßgeblichen Honorarbescheids zu laufen (BSG MedR 2008, 100 RdNr 18; BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 18; ebenso das weitere Urteil vom 28.3.2007- B 6 KA 28/06 R -; BSG, Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 28 iVm 31, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), begann mithin für das Quartal IV/1996 mit der Mitte April 1997 erfolgten Bekanntgabe der Honorarbescheide und endete dementsprechend Mitte April 2001. Da der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid erst am 30.11.2001 erlassen worden ist, ist dieser in Bezug auf Teile der Honorarrückforderung nicht innerhalb der Ausschlussfrist erlassen worden.

61

Nach Ablauf der Ausschlussfrist ergehende Kürzungs- bzw Rückforderungsbescheide können - auch wenn die Richtigstellung von fehlerhaften vertragsärztlichen Abrechnungen grundsätzlich kein Verschulden des Vertragsarztes voraussetzt (BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6 RdNr 28)- regelmäßig nur noch dann Rechtswirkungen entfalten, wenn die Vertrauensschutzausschlusstatbestände des § 45 SGB X(Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1) vorliegen (grundlegend BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; ebenso BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12; BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 16; BSG, Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 32, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Dies ist jedoch hier der Fall. Denn die Honorarbescheide beruhen zum einen auf Angaben, die der Kläger grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X), zum anderen hat er die Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X).

62

Für den Senat bestehen auf der Grundlage der Feststellungen des LSG keine Zweifel, dass der Kläger wusste, dass der zu 2. beigeladene Dr. Ph. im Innenverhältnis nicht Mitglied der Gemeinschaftspraxis werden sollte bzw dass es hierzu noch einer ausdrücklichen Aufnahme des Beigeladenen zu 2. in die Gesellschaft bedurft hätte, zu der es später nicht gekommen ist. Die ausdrückliche Wendung in den geschlossenen Verträgen, für die Binnenbeziehungen der Beteiligten soll es auf die den Zulassungsgremien vorgelegten Verträge nicht ankommen, lässt deutlich erkennen, dass den Beteiligten die Unrechtmäßigkeit der Konstruktion bewusst war. Dass diese nach Darstellung des Klägers auf anwaltlicher Beratung beruhte, hat offenbar strafverfahrensrechtliche Konsequenzen für den betroffenen Rechtsanwalt gehabt und mag Schadensersatzansprüche des Klägers gegen diesen Rechtsanwalt begründen. Als langjährig tätiger Vertragsarzt hat der Kläger jedoch gewusst, dass ein Arzt, der weder am Erfolg noch am Wertzuwachs der Praxis beteiligt sein sollte, kein Partner einer Gemeinschaftspraxis sein kann. Im Übrigen hatte der damals beratende Rechtsanwalt M. den Kläger bereits im Jahre 1998 (mit an die Mitglieder der "Gesellschaft" gerichtetem Schreiben vom 9.7.1998) mitgeteilt, dass er erneut auf das "Problem Dr. Ph." gestoßen sei, das er mit den Beteiligten zu unterschiedlichen Zeitpunkten bereits angesprochen habe, und darauf aufmerksam gemacht, dass "aufgrund der neuesten Entwicklungen" KÄVen und Zulassungsausschüsse vermehrt die Auffassung verträten, dass Ärzte, die kein unternehmerisches Risiko trügen, nicht in "freier Praxis" niedergelassen seien. Da die Gefahr einer Rückforderung der Gesamthonorare bestehe, solle das Problem schnell gelöst werden.

63

4. Die verfassungsrechtlichen Erwägungen des Klägers gegen seine Rückzahlungspflicht greifen nicht durch.

64

a) Es begegnet zunächst keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit an eine Tätigkeit in "freier Praxis" zu binden (zur hinreichenden Bestimmtheit des Begriffes s bereits unter 3. b aa). Diese Einschränkung hat vor Art 12 Abs 1 GG Bestand, weil sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und nicht weitergeht, als es die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern. Eingriffszweck und Eingriffsintensität stehen in einem angemessenen Verhältnis zueinander (vgl hierzu BSGE 91, 164 RdNr 14 = SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 13 mwN). Wie bereits dargelegt, dient das Merkmal "in freier Praxis" der Abgrenzung der vertragsärztlichen Tätigkeit im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV von der eines Angestellten im Sinne des § 32b Ärzte-ZV (bzw der eines Assistenten). Diese Abgrenzung ist erforderlich, weil mit der Zuordnung zu der einen oder der anderen Gruppe erheblich voneinander abweichende Rechte und Pflichten verbunden sind. Insbesondere ist im Rahmen einer Beschäftigung von Angestellten und Assistenten eine Ausweitung der Leistungsmenge nur in begrenztem Umfang möglich.

65

b) Soweit der Kläger darüber hinaus einen Gleichheitsverstoß annimmt, weil Ärzte, die keine Verträge vorlegen würden, besser gestellt wären, geht er fehl. Wie der Senat bereits entschieden hat, sind Vertragsärzte verpflichtet, den Zulassungsgremien Verträge über die Gemeinschaftspraxis vorzulegen (BSG, Urteil vom 16.7.2003 - B 6 KA 34/02 R - SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 24; ebenso BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 Nr 3, RdNr 26). Dass die Vorlage solcher Verträge in früheren Zeiten noch nicht üblich gewesen sein mag und es vorliegend nicht um deren Vorlage im Genehmigungsverfahren, sondern in einem Verfahren auf Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung geht, ändert nichts daran, dass auch die KÄVen die Befugnis und Aufgabe haben, die Vorlage der Verträge zu verlangen, wenn dies zur Prüfung der Abrechnung auf ihre sachliche Richtigkeit erforderlich ist (vgl oben 3. b bb letzter Absatz).

66

c) Die rückwirkende Aufhebung der Honorarbescheide und die Pflicht zu vollständiger Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Honorare ist für die betroffenen Ärzte auch (im engeren Sinne) verhältnismäßig, da bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist (vgl BVerfGE 76, 196, 207; BVerfGE 85, 248, 259 mwN; BVerfGE 94, 372, 390). Bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Systems der vertragsärztlichen Versorgung ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Rechtsfolge nicht aus Umständen resultiert, die vom Vertragsarzt nicht zu beeinflussen sind, wie etwa das Überschreiten einer bestimmten Altersgrenze oder eines bestimmten Versorgungsgrades in einem Planungsgebiet (s hierzu BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 75). Vielmehr hat der Kläger die Ursache selbst gesetzt (vgl hierzu BSG aaO), indem er sich bewusst und in zumindest möglicher Kenntnis der Folgen für die gewählte Form der Zusammenarbeit mit dem Beigeladenen zu 2. entschieden hat.

67

Zudem ist die Rechtsfolge unvermeidlich, um die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung zu erhalten. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG haben Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, innerhalb dieses Systems die Funktion, zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Das wird dadurch erreicht, dass dem Vertragsarzt für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden (BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 47 mwN). Daher steht dem Vertragsarzt für Leistungen, die nicht gemäß den Bestimmungen des Vertragsarztrechts erbracht worden sind, auch kein Vergütungsanspruch auf bereicherungsrechtlicher Grundlage zu. Denn die Bestimmungen des Leistungserbringungsrechts über die Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung könnten ihre Steuerungsfunktion nicht erfüllen, wenn der Vertragsarzt die rechtswidrig bewirkten Leistungen über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung im Ergebnis dennoch vergütet bekäme (BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14). Dies gilt selbst dann, wenn bei Wahl der rechtmäßigen Gestaltungsform der Honoraranspruch ebenso hoch gewesen wäre.

68

Diese Aussagen gelten auch für den vorliegenden Fall. Könnten Verstöße gegen die für die Leistungserbringung maßgeblichen Bestimmungen nur mit Wirkung für die Zukunft sanktioniert werden, ginge deren Steuerungsfunktion verloren, weil für Vertragsärzte jeglicher Anreiz fehlte, sich normgemäß zu verhalten. Im Gegenteil bestünde gerade ein Anreiz zu normwidrigen Verhalten, wenn die Früchte des Handelns dem Arzt verblieben.

69

5. Schließlich ist der Rückforderungsbetrag auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Beklagte durfte das verbleibende Honorar im Wege der Schätzung ermitteln und dabei ein Honorar in Höhe des Fachgruppendurchschnitts festsetzen (BSG SozR 3-5550 § 35 Nr 1 S 6, 8). Diese Schätzung hat sich das LSG in nicht zu beanstandender Weise zu Eigen gemacht (zu den Anforderungen vgl BSG aaO S 9).

70

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung von Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil sie keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.