Landessozialgericht NRW Urteil, 25. Sept. 2014 - L 9 AL 219/13
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.07.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Gründungszuschuss.
3Die 1983 geborene Klägerin war nach dem Zweiten Juristischen Staatsexamen (mündliche Prüfung am 21.04.2010) und einer Zeit der Arbeitslosigkeit ab 18.10.2010 als Sachbearbeiterin bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 39 Stunden pro Woche und einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von zuletzt 2.626,66 Euro beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war bis zum 17.10.2012 befristet.
4Am 16.01.2012 wandte sich die Klägerin per E-Mail an ihren früheren Arbeitsvermittler, Herrn T. Darin trug sie vor, sie habe ursprünglich vorgehabt, zum November 2010 sich als selbstständige Rechtsanwältin zuzulassen und von ihm seinerzeit einen Existenzgründerkurs (vom 20.09.2010 bis zum 01.10.2010) erhalten; sie habe dann kurzfristig ein Angebot wahrgenommen, als Sachbearbeiterin bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben tätig zu werden; hierbei handele es sich um ein befristetes Arbeitsverhältnis und um eine Bezahlung nach 9 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst; sie habe bei Beginn dieser Tätigkeit angestrebt, nebenbei als Rechtsanwältin zu arbeiten; die Rechtsanwaltskammer sei diesem Verlangen nicht nachgekommen und habe ihren Antrag jetzt endgültig abgelehnt; sie habe sich nunmehr entschlossen, der bereits seit einiger Zeit geplanten Selbstständigkeit nachzukommen, einmal aus dem Grund des befristeten Arbeitsverhältnisses, zum anderen wegen der fehlenden beruflichen Entwicklung, wegen der Bezahlung und nicht zuletzt wegen der Nachversicherung im Versorgungswerk, welche ihr bis April des Jahres möglich sei. Sie bat um einen kurzen Überblick über die Neuerungen beim Gründungszuschuss. Des Weiteren sei es für sie wichtig zu erfahren, inwiefern es sich auswirken würde, wenn sie beim jetzigen Arbeitgeber kündigen würde und unmittelbar den Gründungszuschuss beantragen würde, wegen der Sperrzeit.
5Die Klägerin beendete das Beschäftigungsverhältnis am 10.02.2012 durch Eigenkündigung zum 31.03.2012. An gleichen Tag meldete sie sich arbeitslos zum 01.04.2012, einem Sonntag, und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).
6Am 16.03.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten für eine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwältin die Gewährung eines Gründungszuschusses. Die Tätigkeit sollte nach den eigenen Angaben der Klägerin am 02.04.2012 beginnen.
7Am 26.03.2012 wurde die Klägerin durch Bescheid der Rechtsanwaltskammer L zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und als Rechtsanwältin in die Rechtsanwaltskammer L aufgenommen.
8Seit dem 02.04.2012 war die Klägerin als selbstständige Rechtsanwältin in einer Bürogemeinschaft mit drei weiteren Rechtsanwälten tätig. Den entsprechenden Vertrag über die Anmietung eines Büros, der eine Kündigungsfrist von drei Monaten vorsieht, hatte die Klägerin bereits im März 2012 geschlossen. Die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit zeigte die Klägerin der Beklagten durch eine Veränderungsmitteilung vom 12.04.2012 an. In ihrem Businessplan, den sie im Rahmen der Beantragung des Gründungszuschuss bei der Beklagten einreichte, gab sie außerdem an, 55 Stunden wöchentlich für ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin aufzuwenden.
9Mit Bescheid vom 20.04.2012 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit vom 01.04.2012 bis 23.06.2012 wegen der am 10.02.2012 erfolgten Eigenkündigung der Klägerin fest. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage beim Sozialgericht (SG) Köln.
10Mit Bescheid vom 02.08.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Gründungszuschuss ab. Sie verwies darauf, dass sie unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit keine Existenzgründungen fördere, die innerhalb einer Sperrzeit begonnen würden; es bestehe nach selbst verursachter Arbeitslosigkeit keine Notwendigkeit, sie mit Fördermitteln zur Existenzgründung zu unterstützen. Darüber hinaus könne eine Existenzgründung nur dann gefördert werden, wenn nach Ablauf der Förderung eine Tragfähigkeit zu erwarten sei und die Bestreitung des Lebensunterhaltes nach sechs Monaten sichergestellt sei; dies sei aber nach der Rentabilitätsvorschau erst im Oktober 2014 der Fall, da sie erst dann mit einem Überschuss über 950 Euro monatlich rechne.
11Gegen diese Entscheidung wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch und machte geltend, sie sei nicht dauerhaft in den Arbeitsmarkt integriert gewesen. Eine Eigenkündigung sei kein Ausschlussgrund für die Bewilligung eines Gründungszuschusses; sie könne bereits nach Ablauf der Förderung einen Betrag in Höhe von mehr als 950 Euro vorweisen.
12Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, sie habe durch ermessenslenkende Weisungen sichergestellt, dass über das ganze Jahr hinweg nach einheitlichen und sachgerechten Kriterien über die Anträge auf Gründungszuschuss entschieden werde. Das Interesse der Klägerin liege darin, den Gründungszuschuss zu erhalten. Sie habe ihre Beschäftigungslosigkeit selbst verursacht, um die Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses zu schaffen. Bereits aus § 2 Abs. 5 SGB III ergebe sich, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit ein zumutbares Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen hätten. Eine selbst verursachte Beschäftigungslosigkeit mit dem Ziel, sich selbstständig zu machen, rechtfertige keine Gewährung von Gründungszuschuss aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung. Dies stehe nicht im Interesse der Versichertengemeinschaft. Das persönliche Interesse der Klägerin an einer Förderung müsse daher hinter den Interessen der Versichertengemeinschaft an einer zweckentsprechenden, bedarfsorientierten und sparsamen Verwendung der Beitragsmittel zurückstehen.
13Die Klägerin hat am 26.10.2012 Klage beim Sozialgericht (SG) Köln erhoben.
14Sie hat die Auffassung vertreten, die Sperrzeit sei zu Unrecht festgestellt worden. Die Beklagte stelle sachfremde Erwägungen an. Sie habe gegenüber dem Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales eingeräumt, dass es wenig realistisch sei, einen Gründungszuschuss zu versagen, da es sich auch nach einer Neuregelung um eine "Quasipflichtleistung" handele; Ausnahmen seien lediglich dann denkbar, wenn die selbstständige hauptberufliche Tätigkeit einen derart hohen Gewinn abzuwerfen erwarten lasse, dass ein Gründungszuschuss nicht erforderlich sei. Der Gesetzgeber sehe weder nach altem noch nach neuem Recht vor, dass eine Eigenkündigung den Anspruch ausschließe.
15Die Klägerin hat beantragt,
16den Bescheid der Beklagten vom 02.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr Gründungszuschuss ab dem 02.04.2012 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen,
17hilfsweise,
18den Bescheid der Beklagten vom 02.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012 aufzuheben und der Beklagten aufzugeben, über ihren Antrag auf Gewährung des Gründungszuschusses vom 16.03.2012/28.06.2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
19Die Beklagte hat beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie hat auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.
22Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
23Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 11.07.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Bewilligung eines Gründungszuschusses oder erneute Bescheidung ihres Antrages auf dessen Bewilligung. Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 SGB III für die Gewährung eines Gründungszuschusses, was zwischen den Beteiligten unstreitig sei, erfüllt. Auch die Sperrzeit sei für die Voraussetzungen gemäß § 93 Abs. 3 SGB III unerheblich. Allerdings stehe die Gewährung von Gründungszuschuss im Ermessen der Beklagten. Das Ermessen sei hier weder im Sinne einer Gewährung auf Null reduziert, noch litten die Bescheide der Beklagten an Ermessensfehlern.
24Gegen dieses ihr am 17.07.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, dem 19.08.2013, Berufung eingelegt. Sie wiederholt im Wesentlichen ihre Auffassung, wonach die Beklagte die Gewährung von Gründungszuschuss ermessensfehlerhaft abgelehnt habe. Die Entscheidungen des BSG, wonach für die Gewährung eines Gründungszuschusses ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld gegeben sein müsse, beträfen andere Fälle. Sie habe unabhängig von der Sperrzeit Anspruch auf Arbeitslosengeld. Sie habe sich nach ihrem Zweiten Staatsexamen weiter beworben und auch nach ihrer Kündigung den Arbeitsmarkt weiter aktiv beobachtet. Am 01.04.2012 habe sie sich natürlich nicht beworben. Ihr Vertrag mit den anderen Rechtsanwälten über die Begründung der Bürogemeinschaft enthalte eine Ausstiegsklausel für den Fall, dass sie ein adäquates Beschäftigungsverhältnis finde.
25Die Klägerin beantragt,
26das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.07.2013 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 02.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr Gründungszuschuss ab dem 02.04.2012nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen,
27hilfsweise,
28den Bescheid der Beklagten vom 02.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012 aufzuheben und der Beklagten aufzugeben, über ihren Antrag auf Gewährung des Gründungszuschusses vom 16.03.2012/28.06.2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
29Die Beklagte beantragt,
30die Berufung zurückzuweisen.
31Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
32Mit Urteil vom 11.07.2012 hat das SG Köln auch die Klage gegen den Sperrzeitbescheid vom 20.04.2012 abgewiesen. Die dagegen unter dem Az.: L 9 AL 218/13 eingelegte Berufung hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.09.2014 zurückgenommen.
33Der Senat hat die Klägerin auf die Entscheidungen des BSG vom 11.03.2014 - B 11 AL 10/13 R - und des Senats vom 16.04.2014 - L 9 AL 297/13 - hingewiesen und die maßgeblichen Gründe der Entscheidungen erläutert.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
35Entscheidungsgründe:
36Die zulässige, insbesondere gemäß § 64 Abs. 3 SGG fristgerecht erhobene Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses oder auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber.
37Nach § 93 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der hier nach Maßgabe von § 422 Abs. 1 SGB III anwendbaren, ab dem 01.04.2012 geltenden Fassung können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Der Gründungszuschuss kann nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
381. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht, 2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 3. ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
39Entgegen der Auffassung des SG und der Beteiligten fehlt es bereits an diesen tatbestandlichen Voraussetzungen, so dass die Beklagte gar keine Ermessensentscheidung zu treffen hatte und es auch nicht auf etwaige Ermessensfehler der Beklagten ankommt.
401. Die Klägerin hat durch die Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit zum 02.04.2012 nicht im Sinne von § 93 Abs. 1 SGB III ihre Arbeitslosigkeit beendet, denn sie war zu keinem Zeitpunkt vor der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit im Sinne von §§ 137 Abs. 1 Nr. 1, 138 Abs. 1 SGB III arbeitslos. Ihr fehlte deshalb auch der nach § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III erforderliche Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß §§ 136 Abs. 1 Nr. 1, 137 Abs. 1 SGB III schon dem Grunde nach.
41Bis zum 31.03.2012 stand die Klägerin in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, das mehr als 15 Wochenstunden umfasste, und war dort auch trotz ihrer Kündigung nicht freigestellt, so dass sie nicht im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III beschäftigungslos war. Am Sonntag, dem 01.04.2012, dem Tag vor Beginn ihrer selbstständigen Tätigkeit, war die Klägerin zwar beschäftigungslos. Sie war dennoch nicht arbeitslos, weil sie sich nicht bemüht hat, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (§ 138 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB III), und auch nicht im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 3 SGB III subjektiv verfügbar war.
42Die Klägerin hatte ausweislich ihrer E-Mail an ihren früheren Arbeitsvermittler vom 16.01.2012 von Anfang an vor, sich spätestens im April als Rechtsanwältin selbstständig zu machen, u.a. weil sie glaubte, bei einer Zulassung als selbstständige Rechtsanwältin bis zu diesem Zeitpunkt noch die Voraussetzungen für die Nachversicherung im Versorgungswerk der Rechtsanwälte zu erfüllen. Sie hat zudem noch vor dem Wirksamwerden ihrer Arbeitslosmeldung und vor dem Eintritt ihrer Beschäftigungslosigkeit am 01.04.2012 am 16.03.2012 die Gewährung eines Gründungszuschusses beantragt und dabei bereits angegeben, dass die selbstständige Tätigkeit am 02.04.2014 beginnen sollte. Vor allem hat sie bereits am 26.03.2012 die Zulassung als Rechtsanwältin erhalten. Da die Erteilung der Zulassung nach den Angaben der Rechtsanwaltskammer L auf deren Homepage "einige Zeit" in Anspruch nimmt, ist davon auszugehen, dass die Klägerin einige Zeit vor dem 26.03.2012 bereits die Zulassung beantragt hat. Weiterhin hat die Klägerin die notwendigen Verträge zur Begründung der Bürogemeinschaft mit den anderen Rechtsanwälten bereits im März 2012 geschlossen.
43Berücksichtigt man nun noch, dass der einzige Tag, an dem die Klägerin beschäftigungslos im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III war, nämlich am 01.04.2012, ein Sonntag war, ist es offensichtlich, dass sich die Klägerin tatsächlich zu keinem Zeitpunkt während ihrer Beschäftigungslosigkeit u.a. durch Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit (§ 138 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 SGB III) um die Beendigung ihrer Beschäftigungslosigkeit bemüht hat. Hierfür hatte sie in Anbetracht der vor der Beschäftigungslosigkeit bereits erfolgten Zulassung als Rechtsanwältin und des bereits zum 02.04.2012 anvisierten Beginn der selbstständigen Tätigkeit keinen Anlass. Sie auch selbst eingeräumt, dass sie sich am 01.04.2012 nicht beworben hat.
44In jedem Fall war die Klägerin am 01.04.2012 nicht bereit, eine zumutbare, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung aufzunehmen (§ 138 Abs. 5 Nr. 3 SGB III). Sie war bereits vor dem 01.04.2012 auf die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit fixiert und hat alles Notwendige (Anwaltszulassung, Abschluss des Mietvertrags etc.) für den Beginn der selbstständigen Tätigkeit am Montag, dem 02.04.2012, vorbereitet, so dass für sie am 01.04.2012 die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung von vornherein nicht in Betracht gekommen wäre. Aus der in den Vertrag über den Beitritt zur Bürogemeinschaft aufgenommenen Ausstiegsklausel folgt nichts anderes. Diese Klausel dient offensichtlich in erster Linie dazu, der Klägerin den Ausstieg für den Fall zu ermöglichen, dass ihre selbstständige Tätigkeit keinen ausreichenden wirtschaftlichen Erfolg hat. Daran, dass die Klägerin am 01.04.2012 auf die mehr als 15 Stunden wöchentlich umfassende selbstständige Tätigkeit fixiert war, ändert die Klausel jedoch nichts. Da zudem der 01.04.2012 ein Sonntag war, musste die Klägerin auch nicht mit Stellenangeboten und Vermittlungsmaßnahmen der Beklagten rechnen. Soweit die Klägerin in ihrem Antrag auf Gewährung von Alg andere Angaben zur ihrer angeblichen subjektiven Verfügbarkeit gemacht hat, sind diese unglaubhaft und nur vorgeschoben. Die Klägerin wollte, indem sie den Beginn der selbstständigen Tätigkeit auf den 02.04.2012 veranschlagt und bewusst eine kleine Lücke zwischen der Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses und dem Beginn der selbstständigen Tätigkeit gelassen hat, lediglich für einen Tag einen Anspruch auf Alg konstruieren, um in den Genuss von Gründungszuschuss zu kommen. Subjektive Verfügbarkeit lag deshalb tatsächlich nicht vor (vgl. zum Ganzen BSG, Urt. v. 11.03.2014 - B 11 AL 10/13 R -, juris Rn. 18, sowie, in einem ähnlichen Fall, den vor Veröffentlichung der Entscheidung des BSG ergangenen, mittlerweile rechtskräftigen Beschluss des Senats vom 16.04.2014 - L 9 AL 297/13 -, juris Rn. 37 ff.).
452. Die Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III liegen im Übrigen auch unabhängig von den Ausführungen zu 1. wegen des Sperrzeitbescheids vom 20.04.2012, der nach Rücknahme der Berufung im Verfahren L 9 AL 218/13 im Sinne von § 77 SGG bindend, d.h. bestandskräftig geworden ist, nicht vor.
46Es ist höchstrichterlich geklärt, dass mit "Anspruch" nicht lediglich ein nach § 137 Abs. 1 SGB III entstandenes und fortbestehendes Stammrecht gemeint ist. Vielmehr liegt ein "Anspruch" im Sinne von § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III nur vor, wenn die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Anspruchs auf Zahlung von Alg gegeben sind (BSG, Urt. v. 05.05.2010 - B 11 AL 11/09 R -, juris Rn. 16 m.w.N.). Daran fehlt es, wenn der Anspruch auf die jeweilige Entgeltersatzleistung ruht (vgl. BSG, Urt. v. 24.06.1993 - 11 RAr 1/92 -, juris Rn. 17).
47Nach diesen Grundsätzen hatte die Klägerin unabhängig von ihrer nach den Ausführungen zu 1. fehlenden Arbeitslosigkeit bis zur Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit am 02.04.2012 keinen "Anspruch" auf Alg, weil ihr allein für den 01.04.2012 in Betracht kommender Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen der mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 20.04.2012 festgestellten Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 SGB III a.F. bzw. § 159 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB III am 01.04.2012 geruht hat. Dementsprechend hat die Klägerin auch für keinen Tag vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Anspruch auf Zahlung von Alg.
48Ein anderes Ergebnis folgt entgegen der Auffassung des SG nicht aus § 93 Abs. 3 SGB III, wonach der Gründungszuschuss nicht geleistet wird, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 SGB III vorliegen oder vorgelegen hätten. Diese Vorschrift modifiziert erkennbar nicht die Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 Nr. 1 SGB III. Sie soll vielmehr sicherstellen, dass die Sanktionsabsicht der Ruhensvorschriften nicht umgangen werden kann (so die Begründung zur Einführung der Regelung beim Überbrückungsgeld ab 01.01.2002 durch das Job-AQTIV-Gesetz v.10.12.2001 (BGBl I 2001, 3443), vgl. BT-Drs. 14/6944, S. 33 zu § 57; zum Ganzen Kuhnke, in: jurisPK-SGB III, § 93 Rn. 28), also auf keinen Fall die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III erleichtern. § 93 Abs. 3 SGB III kommt mithin nur dann zur Anwendung, wenn die Voraussetzungen für einen Gründungszuschuss nach § 93 Abs. 1 und 2 SGB III erfüllt sind, z.B. wenn während des Bezugs von Gründungszuschuss eine Ruhenstatbestand im Sinne der §§ 156 bis 159 SGB III eintritt oder nach Beginn der Zahlung von Alg der entsprechende Anspruch zum Ruhen kommt, wie z.B. bei Verwirklichung einer Sperrzeit bei Arbeitsablehnung gemäß § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 SGB III. In diesen Fällen bewirkt § 93 Abs. 3 SGB III, dass der an sich mit Beginn der selbstständigen Tätigkeit entstandene Anspruch auf Gründungszuschuss zum Ruhen kommt und Gründungszuschuss nicht gezahlt wird (vgl. insoweit auch Winkler, in: Gagel, SGB III, § 93 Rn. 27, Stand: April 2012). Wenn jedoch, wie hier, zu keinem Zeitpunkt vor Beginn der selbstständigen Tätigkeit wegen eines Ruhenstatbestandes ein Anspruch auf Zahlung einer Entgeltersatzleistung besteht, kann ein Anspruch auf Gründungszuschuss gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. schon gar nicht entstehen (zum Ganzen bereits der rechtskräftige Beschluss des Senats vom 16.04.2014 - L 9 AL 297/13 -, juris Rn. 41 ff.).
493. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
504. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
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Urteil einreichenLandessozialgericht NRW Urteil, 25. Sept. 2014 - L 9 AL 219/13 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Die Agenturen für Arbeit erbringen insbesondere Dienstleistungen für Arbeitgeber, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, indem sie
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Arbeitgeber regelmäßig über Ausbildungs- und Arbeitsmarktentwicklungen, Ausbildungsuchende, Fachkräfteangebot und berufliche Bildungsmaßnahmen informieren sowie auf den Betrieb zugeschnittene Arbeitsmarktberatung und Vermittlung anbieten und - 2.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Vorbereitung der Berufswahl und zur Erschließung ihrer beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten beraten, Vermittlungsangebote zur Ausbildungs- oder Arbeitsaufnahme entsprechend ihren Fähigkeiten unterbreiten sowie sonstige Leistungen der Arbeitsförderung erbringen.
(2) Die Arbeitgeber haben bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf die Beschäftigung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und von Arbeitslosen und damit die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung einzubeziehen. Sie sollen dabei insbesondere
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im Rahmen ihrer Mitverantwortung für die Entwicklung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Anpassung an sich ändernde Anforderungen sorgen, - 2.
vorrangig durch betriebliche Maßnahmen die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung sowie Entlassungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vermeiden, - 3.
Arbeitnehmer vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses frühzeitig über die Notwendigkeit eigener Aktivitäten bei der Suche nach einer anderen Beschäftigung sowie über die Verpflichtung zur Meldung nach § 38 Abs. 1 bei der Agentur für Arbeit informieren, sie hierzu freistellen und die Teilnahme an erforderlichen Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung ermöglichen.
(3) Die Arbeitgeber sollen die Agenturen für Arbeit frühzeitig über betriebliche Veränderungen, die Auswirkungen auf die Beschäftigung haben können, unterrichten. Dazu gehören insbesondere Mitteilungen über
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zu besetzende Ausbildungs- und Arbeitsstellen, - 2.
geplante Betriebserweiterungen und den damit verbundenen Arbeitskräftebedarf, - 3.
die Qualifikationsanforderungen an die einzustellenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, - 4.
geplante Betriebseinschränkungen oder Betriebsverlagerungen sowie die damit verbundenen Auswirkungen und - 5.
Planungen, wie Entlassungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vermieden oder Übergänge in andere Beschäftigungsverhältnisse organisiert werden können.
(4) Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf ihre beruflichen Möglichkeiten einzubeziehen. Sie sollen insbesondere ihre berufliche Leistungsfähigkeit den sich ändernden Anforderungen anpassen.
(5) Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben zur Vermeidung oder zur Beendigung von Arbeitslosigkeit insbesondere
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.
(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
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bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht, - 2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und - 3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.
(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2013 wird zurückgewiesen.
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Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Streitig ist, ob der Kläger in der Zeit vom 1. bis 3.10.2007 Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld hat.
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Der Kläger war vom 1.4.1998 bis 30.6.2006 als Rechtsanwalt abhängig beschäftigt. Für das Jahr 2006 war in seiner Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III und in der Lohnsteuerkarte der Ehefrau die Lohnsteuerklasse V eingetragen. Zum 1.7.2006 schloss er einen Partnervertrag mit den Rechtsanwälten R., G. und Kollegen aus H., mit denen er nun selbstständig in M. tätig war. Der Kläger wurde aus der Sozialversicherung abgemeldet. Er beantragte die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses in der Arbeitslosenversicherung, das die beklagte Bundesagentur für Arbeit (BA) bis zur Beendigung des Partnervertrags am 30.9.2007 durchführte.
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Am 4.9.2007 beantragte der Kläger für eine beabsichtigte selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt einen Gründungszuschuss. Die Beklagte bewilligte diesen für die Zeit vom 4.10.2007 bis 7.7.2008 (nur) in Höhe von 1563,60 Euro monatlich. Das auf höheren Gründungszuschuss gerichtete Klageverfahren ruht mit Rücksicht auf den vorliegenden - insoweit präjudiziellen - Rechtsstreit über höheres Arbeitslosengeld (Alg).
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Am 13.9.2007 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 1.10.2007 bei der Beklagten arbeitslos, beantragte Alg und meldete sich zum 4.10.2007 sogleich wieder aus dem Leistungsbezug ab, weil er eine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt aufnehme. In seinem Antrag gab er auf die Frage nach der am Jahresbeginn eingetragenen Lohnsteuerklasse an: "Einkommensteuer". Die Beklagte bewilligte ihm für die fraglichen drei Tage Alg bemessen nach Lohnsteuerklasse VI bei einem Leistungssatz von 25,61 Euro täglich und erhöhte dieses auf den Widerspruch des Klägers unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze Ost auf 41,37 Euro täglich (Änderungsbescheid vom 17.1.2008).
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Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch; weder seien das Bemessungsentgelt von täglich 151,67 Euro nachvollziehbar noch die zugrunde gelegte Lohnsteuerklasse VI. Vielmehr sei das Alg nach Lohnsteuerklasse III zu berechnen, weil seine Ehefrau deutlich weniger verdiene als er. Die Beklagte holte beim Einwohnermeldeamt der Stadt W. eine Auskunft ein. Danach war dem Kläger für 2007 eine Lohnsteuerkarte mit Lohnsteuerklasse V, seiner Ehefrau eine solche mit Lohnsteuerklasse III ausgestellt worden. Mit Bescheid vom 8.7.2008 bewilligte die Beklagte nunmehr Alg, berechnet nach einem Entgelt in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze Ost und Lohnsteuerklasse V; es ergab sich ein Leistungssatz von täglich 42,12 Euro. Mit zugleich ergangenem Widerspruchsbescheid vom 8.7.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 17.1.2008 als unzulässig und den Widerspruch gegen die Bescheide vom 1.11.2007 und 8.7.2008 als unbegründet zurück. Das Bemessungsentgelt sei unter Berücksichtigung der für die neuen Bundesländer geltenden Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt worden. Der Berechnung des Alg sei zutreffend die Lohnsteuerklasse V zugrunde gelegt worden.
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Der Kläger hat vor dem Sozialgericht (SG) Klage erhoben. Es sei unzutreffend, auf die aktuelle Steuerkarte abzustellen, weil er als Selbstständiger keine Lohnsteuer zu entrichten habe. Deshalb könne die ausgestellte Lohnsteuerklasse nicht maßgeblich sein. Vielmehr müsse das Alg nach Lohnsteuerklasse III berechnet und bewilligt werden. Das SG hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 27.1.2011). Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung von höherem Alg. Die Beklagte habe der Berechnung der Leistung zutreffend Lohnsteuerklasse V zugrunde gelegt.
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Der Kläger hat Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er ist dabei geblieben, dass bei einem Selbstständigen nicht auf die Eintragung in der Lohnsteuerkarte abgestellt werden könne. Zwar habe er einen Lohnsteuerklassenwechsel veranlassen können. Ein solcher Wechsel wäre aber nachteilig gewesen. Er sei an eine unzweckmäßige Lohnsteuerklassenwahl nicht gebunden.
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Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 21.2.2013). Grundsätzlich sei die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte 2007 zu Beginn des Jahres maßgeblich, hier also Lohnsteuerklasse V. Allerdings habe der selbstständige Kläger keine Lohnsteuerkarte bekommen müssen. Deshalb spreche viel dafür, der Eintragung keine Bedeutung beizumessen. Letztlich könne dies aber dahinstehen; denn wenn dem Kläger keine Lohnsteuerkarte ausgestellt worden wäre, hätte sein Alg dennoch nach der Lohnsteuerklasse V bemessen werden müssen. Mangels Ausstellung einer Lohnsteuerkarte sei maßgeblich, welche Lohnsteuerklasse eingetragen worden wäre, wenn eine Lohnsteuerkarte ausgestellt worden wäre (unter Hinweis auf BSG vom 22.2.1984 - 7 RAr 52/82 - RdNr 18). Da die Lohnsteuerklasse des Klägers mit der Lohnsteuerklasse seiner Ehefrau korrespondieren müsse und bei dieser Lohnsteuerklasse III eingetragen gewesen sei, habe der Kläger nur die Lohnsteuerklasse V erhalten können.
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Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt, das Urteil des LSG verletze § 133 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB III idF bis 31.3.2012. Für die Berechnung des Alg sei in seinem Fall die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte 2007 nicht maßgeblich, weil sie für ihn keine Bedeutung habe. Auch habe das LSG nicht fiktiv prüfen dürfen, welche Lohnsteuerklasse ausgehend von derjenigen der Ehefrau einzutragen wäre. Vielmehr sei die Steuerklasse zugrunde zu legen, die den tatsächlichen Lebensverhältnissen entspreche. Bei Selbstständigen könne nur auf die Einkünfte des jeweiligen Kalenderjahres abgestellt werden. Nach dem Gewicht der erzielten Einkünfte wäre für den Kläger die Lohnsteuerklasse III, für die Ehefrau die Lohnsteuerklasse V die sachgerechte Steuerklasse gewesen. Die Erwägung des LSG, er habe die Möglichkeit zum Steuerklassenwechsel gehabt, sei theoretisch zwar nicht völlig abzulehnen, es sei aber schon zweifelhaft, ob das Finanzamt einem entsprechenden Antrag des Klägers gefolgt wäre.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2013 und des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. Januar 2011 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 1. November 2007, 17. Januar 2008, 8. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. bis 3. Oktober 2007 Arbeitslosengeld berechnet nach Lohnsteuerklasse III zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Klägers ist in der Sache unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).
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Gegenstand der Revision ist eine Anfechtungsklage gegen die Begrenzung der Höhe des bewilligten Alg im Bescheid vom 1.11.2007, den Änderungsbescheiden vom 17.1.2008 und vom 8.7.2008, die gemäß § 86 Abs 1 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden sind, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheids - ebenfalls - vom 8.7.2008 sowie - damit verbunden - eine auf höheres, nach Lohnsteuerklasse III berechnetes Alg gerichtete Leistungsklage. Diese kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG)ist auch ohne exakte Bezifferung der Höhe der begehrten Leistung zulässig (BSG vom 21.3.2002 - B 7 AL 46/01 R - DBlR 4756, SGB III/§ 137 und Juris).
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Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat für die Zeit vom 1. bis 3.10.2007 keinen Anspruch auf Zahlung von höherem, nach der Lohnsteuerklasse III bemessenem Alg.
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1. Das LSG hat mangels hiergegen gerichteter Verfahrensrügen für den Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass der Kläger die Voraussetzungen für den Bezug von Alg nach den §§ 117 f SGB III idF vom 19.11.2004 (SGB III aF) erfüllte. Er war arbeitslos, meldete sich arbeitslos und erfüllte die Anwartschaftszeit (§ 118 Abs 1 SGB III aF), weil er nach dem Ende seiner letzten abhängigen Beschäftigung ein Versicherungsverhältnis auf Antrag nach § 28a SGB III begründet und innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat.
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Der Kläger stand nicht in einer Beschäftigung, war also beschäftigungslos, bemühte sich, die Beschäftigungslosigkeit zu beenden, und war verfügbar (§ 119 Abs 1 SGB III aF), weil er bereit gewesen ist, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung auszuüben.
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Zwar erscheint es bei lebensnaher Betrachtungsweise durchaus fraglich, ob ein selbstständig Tätiger, dessen Tätigkeit am 30.9.2007 endet, für drei Tage eine abhängige Beschäftigung sucht (§ 119 Abs 1 Nr 1 SGB III aF), wenn er - wie vorliegend - schon vor der Arbeitslosmeldung am 4.9.2007 einen Antrag auf Gründungszuschuss stellt, sich mit der Arbeitslosmeldung ab dem 4.9.2007 wieder aus dem Alg-Bezug abmeldet und damit deutlich macht, dass er wenige Tage nach dem Ende der letzten selbstständigen Tätigkeit wiederum eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen möchte. In solchen Fällen ist auch zweifelhaft, ob ein solcher Arbeitsloser tatsächlich bereit ist, in dem verbleibenden Zeitraum von drei Tagen eine abhängige Beschäftigung aufzunehmen (§ 119 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 5 SGB III aF). Denkbar erschiene auch, dass er zwischen den beiden Tätigkeiten nur eine kurze zeitliche Lücke gelassen hat, um den Anspruch auf Alg und diesem nachfolgend den Anspruch auf Gründungszuschuss entstehen zu lassen.
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Diese Fragen müssen aber dahingestellt bleiben, weil das LSG für den Senat bindend festgestellt hat, dass der Kläger beschäftigungssuchend und verfügbar war; insbesondere sei er bereit gewesen, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende abhängige Beschäftigung aufzunehmen.
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Nach § 129 Nr 1 SGB III aF beträgt das Alg für Arbeitslose, die mindestens ein Kind iS des § 32 Abs 1, 3, 5 Einkommensteuergesetz (EStG) haben, 67 vH des pauschalierten Nettoentgelts (erhöhter Leistungssatz), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Der Bemessungsrahmen wird gemäß § 130 Abs 3 Nr 1 SGB III aF auf zwei Jahre erweitert, weil der Kläger im einjährigen Bemessungszeitraum(§ 130 Abs 1 SGB III aF)weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt hat. Im erweiterten Bemessungsrahmen vom 1.10.2005 bis 30.9.2007 liegen 273 Tage mit Bezug von Arbeitsentgelt, sodass es keiner fiktiven Bemessung bedarf. Das Bemessungsentgelt ist gemäß § 131 SGB III aF das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Im Bemessungszeitraum erzielte der Kläger ein Entgelt von 57.100 Euro, woraus sich ein durchschnittliches tägliches Entgelt von 172,53 Euro errechnen würde. Dieses Entgelt wird aber gemäß § 341 SGB III nur bis zum Beitrag von 1/360 der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung Ost (BBG-Ost) für den Kalendertag berücksichtigt, weil der Kläger es in den neuen Bundesländern erzielte und es nur in dieser Höhe beitragspflichtig war(§ 131 Abs 1 S 1 SGB III aF). Die BBG-Ost lag 2007 bei 4550 Euro monatlich oder 151,67 Euro täglich. Dieser Betrag ist der Bemessung des Alg als Bemessungsentgelt zugrunde gelegt worden.
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Gemäß § 133 Abs 1 SGB III idF des 4. Gesetzes zur Änderung des Dritten Buchs Sozialge-setzbuch und anderer Gesetze vom 19.11.2004 (BGBl I 2902; im Folgenden: § 133 SGB III aF) ist das Leistungsentgelt das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Vom Bemessungsentgelt sind abzuziehen
1. eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 vH des Bemessungsentgelts,
2. die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle, die sich nach dem vom Bundesministerium der Finanzen aufgrund des § 51 Abs 4 Nr 1a EStG bekannt gegebenen Programmablaufplan bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 10c Abs 2 EStG in dem Jahr, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt und
3. der Solidaritätszuschlag.
Bei der Berechnung der Abzüge nach den Nr 2 und 3 sind Freibeträge und Pauschalen, die nicht jedem Arbeitnehmer zustehen, nicht zu berücksichtigen.
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Nach § 133 Abs 2 S 1 SGB III aF richtet sich die Feststellung der Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden mit Wirkung von dem Tag an berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen.
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Nach Abs 3 der Vorschrift werden die Lohnsteuerklassen, wenn die Ehegatten sie gewechselt haben, von dem Tag an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn darunter
1. die neu eingetragene Lohnsteuerklasse dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen oder
2. sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitsentgelt ergibt, das geringer ist als das Alg, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe.
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Die Berechnung des Alg des Klägers entspricht diesen gesetzlichen Vorgaben.Diese gelten auch für Selbstständige. Im vorliegenden Fall ist nach § 133 Abs 2 S 1 SGB III aF für das Alg des Klägers die Lohnsteuerklasse maßgeblich, die zu Beginn es Jahres, in dem sein Anspruch auf Alg entstand, auf der Lohnsteuerkarte eingetragen war. Da zu Beginn des Jahres 2007 auf der Lohnsteuerkarte des Klägers die Lohnsteuerklasse V eingetragen war, ist diese für die Bemessung des Alg maßgeblich. Zweck der Regelung des § 133 Abs 2 S 1 SGB III aF ist es, den Steuerabzug so vorzunehmen, wie der Arbeitslose ihn in dem von ihm angestrebten Beschäftigungsverhältnis(§ 119 Abs 1 Nr 2 und 3 SGB III aF) hinzunehmen hätte (BSG vom 22.2.1984 - 7 RAr 52/82 - SozSich 1984, 215 = DBlR 2955, AFG/§ 113; Jakob, aaO). Deshalb ist für die Berechnung des Alg der in der Arbeitslosenversicherung auf Antrag pflichtversicherten Selbstständigen auch dann auf die in der Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse abzustellen, wenn wegen selbstständiger Tätigkeit im Bemessungszeitraum ein Lohnsteuerabzugsverfahren nicht stattgefunden hat. Die zu Jahresbeginn eingetragenen Lohnsteuerabzugsmerkmale haben auch für diese Personengruppe Tatbestandswirkung (vgl allgemein zur Tatbestandswirkung: BSG vom 26.11.1986 - 7 RAr 55/85 - BSGE 61, 45 = SozR 4100 § 113 Nr 5; Jakob in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, 5. Aufl 2013, § 153 RdNr 16). (Unterjährige) Änderungen der Lohnsteuerklasse sind vorliegend ebenfalls nicht zu berücksichtigen, da solche nicht vorgenommen wurden; insbesondere hat kein Wechsel von Lohnsteuerklassen unter Ehegatten stattgefunden.
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Die Beklagte hat das Alg des Klägers unter Berücksichtigung eines Lohnsteuerabzugs nach Lohnsteuerklasse V zutreffend berechnet.
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3. Soweit der Kläger mit der Revision einwendet, die Regelung treffe auf ihn nicht zu, weil er keine Lohnsteuer zu entrichten habe, verkennt er, dass im SGB III eine Ausnahme von der Berechnung des Alg für bestimmte Personengruppen, die nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen, nicht geregelt ist. § 28a SGB III eröffnet dem dort begünstigten Personenkreis lediglich die Möglichkeit, auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis zur Arbeitslosenversicherung zu begründen, das ua die Anwartschaft auf Alg(§ 123 SGB III aF) erfüllt. Aus der Regelung ergibt sich für die Personen, die als einkommenssteuerpflichtige Selbstständige ein solches Versicherungspflichtverhältnis begründen, keine abweichende Regelung für die Bemessung ihres Anspruchs auf Alg. Auch § 133 SGB III aF(jetzt § 153 SGB III)lässt sich keine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Regelung zur Berechnung des Alg für die nach § 28a SGB III versicherten Personen entnehmen.
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Aus Sinn und Zweck der Arbeitslosenversicherung ergibt sich nichts anderes. Das SGB III ist darauf gerichtet, dem Eintritt von Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken, diese zu verkürzen und Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zu unterstützen (§ 1 SGB III). Die Agenturen für Arbeit erbringen Dienstleistungen für Arbeitgeber, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (§ 2 Abs 1 SGB III). Entsprechend sind Arbeitsuchende iS des SGB III Personen, die eine Beschäftigung als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer suchen (§ 15 S 2 SGB III). Auch die Voraussetzungen der §§ 117 f SGB III aF(jetzt §§ 136 f SGB III) machen deutlich, dass Alg an Personen zu leisten ist, die eine abhängige Beschäftigung suchen. Dementsprechend sind die gesetzlichen Reglungen zur Berechnung des Alg darauf ausgelegt, in einem pauschalisierenden und typisierenden Verfahren (vgl Mutschler in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 153 RdNr 6; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III K § 153 RdNr 14) aus dem Bemessungsentgelt das Leistungsentgelt für den Zahlungsanspruch zu ermitteln. Dass der Gesetzgeber sich dazu eines pauschalierenden und für alle Versicherten gleichmäßigen Verfahrens bedient, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl BVerfG vom 23.10.2007 - 1 BvR 2089/07 - SozR 4-4300 § 133 Nr 5).
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Der Kläger kann nicht einwenden, die eingetragene Lohnsteuerklasse entspreche nicht den "tatsächlichen Verhältnissen". Zum einen sieht § 133 SGB III aF(jetzt § 153 SGB III) nicht vor, tatsächlich bestehende steuerrechtliche Merkmale außer Betracht zu lassen. Dies wird nur ausnahmsweise in § 133 Abs 3 S 2 SGB III aF angeordnet, wenn der Arbeitslose vor Eintritt des Versicherungsfalls einen Ausfall des Arbeitsentgelts zu verzeichnen und deshalb Anspruch auf lohnsteuerfreie Entgeltersatzleistung hatte. Dies war hier nicht der Fall. Im Übrigen will die Regelung gerade verhindern, dass hypothetische Verhältnisse für die Berechnung des Alg herangezogen werden.
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Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich kein anderes Ergebnis, wenn man den Kläger so behandeln würde, als sei ihm keine Lohnsteuerkarte ausgestellt worden. Denn wenn einem Arbeitslosen - etwa wegen vorheriger selbstständiger Tätigkeit - zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, keine Lohnsteuerkarte ausgestellt war, ist der Berechnung der Leistung Alg die Lohnsteuerklasse zugrunde zu legen, die eingetragen worden wäre, wenn eine Lohnsteuerkarte ausgestellt worden wäre (BSG vom 22.2.1984 - 7 RAr 52/82 - SozSich 1984, 215 = DBlR 2955, AFG/§ 113; Behrend in Eicher/Schlegel, Kommentar zum SGB III, Stand August 2007, § 133 RdNr 50; sogar Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, K § 153 RdNr 57). Da auf der Lohnsteuerkarte der Ehefrau des Klägers die Lohnsteuerklasse III eingetragen war, wäre dem Kläger eine Karte mit Lohnsteuerklasse V auszustellen gewesen.
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Vorliegend kommt hinzu, dass eine Berechnung des Alg nach Lohnsteuerklasse III dazu führen müsste, dass der Ehefrau des Klägers, falls in ihrer Person ebenfalls ein Anspruch auf Alg entstanden wäre, dieses gemäß § 133 SGB III aF ebenfalls nach Lohnsteuerklasse III zu zahlen wäre. Die Zahlung von Alg nach Lohnsteuerklasse III an beide Ehegatten ist aber gesetzlich nicht vorgesehen.
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Auch ohne die nur gedachte Arbeitslosigkeit der Ehefrau führte die vom Kläger begehrte Berechnungsweise zu Ungleichheiten. Denn Ehegatten oder Lebenspartner, von denen der eine Teil beschäftigt ist und der andere Teil Leistungen bei Arbeitslosigkeit bezieht, müssen sich entscheiden, ob bei dem beschäftigten Ehegatten der Lohnsteuerabzug nach Lohnsteuerklasse III und bei dem anderen Teil das Alg nach Lohnsteuerklasse V berechnet wird oder ob - umgekehrt - der Lohnsteuerabzug beim beschäftigten Ehepartner nach Lohnsteuerklasse V erfolgt und das Alg des anderen nach Lohnsteuerklasse III bemessen wird. Demgegenüber würde die vom Kläger vorgeschlagene Lösung dazu führen, dass er Alg berechnet nach Lohnsteuerklasse III erhielte, während bei seiner Ehefrau für dieselben Zeiträume Lohnsteuer ebenfalls nach Lohnsteuerklasse III abgezogen wurde.
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Zwar mag es im Verhältnis des selbstständig tätigen Klägers zu seiner abhängig beschäftigten Ehefrau steuerrechtlich sachgerecht gewesen sein, dass er Einkommensteuervorauszahlung leistete und die Ehefrau ihre Abzüge steuerrechtlich dadurch gering hielt, dass sie Lohnsteuerklasse III wählte. Mit Eintritt des Klägers in ein System zur Absicherung von Beschäftigten hätten die Eheleute im Hinblick auf die ab 1.10.2007 zu erwartenden Entgeltersatzleistungen ihre bisherige Steuerklassenwahl aber ändern können. Dass dies nicht geschehen ist, zeigt, dass den Ehepartnern die bisherige Wahl von Steuermerkmalen im Rahmen der bestehenden Dispositionsfreiheit (vgl § 39 Abs 4 S 1 und 4 EStG; siehe auch § 118 Abs 2, § 133 Abs 3 SGB III aF),weiterhin sachgerecht erschien. Diese Dispositionsfreiheit ist einer der Gründe dafür, dass die BA die steuerliche Richtigkeit und Zweckmäßigkeit der Steuerklassenwahl grundsätzlich nicht überprüfen, sondern als gegeben hinnehmen soll (noch zum AFG: BSG vom 12.7.1989 - 7 RAr 58/88 - SozR 4100 § 113 Nr 9 S 55).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.08.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Gründungszuschusses.
3Die am 00.00.1977 geborene Klägerin war ab dem 07.11.2005 als angestellte Rechtsanwältin bei der Rechtsanwaltssozietät Dr. F & Partner beschäftigt. Am 20.09.2010 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitsuchend. Mit Datum vom 28.09.2010 wurde ein (mündlicher) Antrag auf Gründungszuschuss bei der Beklagten erfasst. Die Klägerin schloss mit Unterschriften vom 19. und 22.10.2010 einen Aufhebungsvertrag mit ihrem bisherigen Arbeitgeber. Unter Ziffer 1 heißt es, Arbeitnehmerin und Arbeitgeber seien sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zur Vermeidung einer betriebsbedingten Beendigungskündigung mit Ablauf des 31.10.2010 sein Ende finden werde. Nach Abschluss des Aufhebungsvertrages wurde die Klägerin von ihrem bisherigen Arbeitgeber freigestellt.
4Die Klägerin meldete sich am 25.10.2010 bei der Beklagten zum 01.11.2010 arbeitslos. Am 26.10.2010 schloss die Klägerin mit zwei weiteren Personen, ihrem Vater sowie ihrem jetzigen Prozessbevollmächtigten, einen Partnerschaftsvertrag im Sinne des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes. Gemäß § 2 des Vertrages ist Gegenstand der Partnerschaft die gemeinschaftliche Berufsausübung der Partner als Rechtsanwälte. Gemäß § 3 Abs. 1 des Partnerschaftsvertrages ist die Klägerin mit 30 Prozent an der Partnerschaft beteiligt. Jeder Partner ist gemäß § 3 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrages verpflichtet, der Partnerschaft seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Gemäß § 11 Abs. 1 des Partnerschaftsvertrages beginnt die Partnerschaft zum 02.11.2010, spätestens mit ihrer Eintragung in das Partnerschaftsregister. Gemäß § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrages ist jeder Partner berechtigt, die Partnerschaft mit einer Jahresfrist zum Geschäftsjahresschluss zu kündigen. Unter dem 26.10.2010 meldeten die Klägerin und ihre Partner die Partnerschaftsgesellschaft zur Eintragung in das Partnerschaftsregister bei dem Amtsgericht F an.
5Am 28.10.2010 ging bei der Beklagten das ausgefüllte Formular zum Antrag auf Arbeitslosengeld ein. Darin verneinte die Klägerin die Angabe zur Ausübung einer Nebenbeschäftigung / -tätigkeit als Selbstständige. Auf Blatt 3 des Formulars findet sich die handschriftliche Ergänzung "ab 02.11. Selbstständigkeit" mit Unterschrift der Klägerin.
6Mit Bescheid vom 28.10.2010 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe für die Zeit vom 01.11.2010 bis zum 23.01.2011 wegen der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses bei dem bisherigen Arbeitgeber fest, sowie die Minderung des Anspruchs um 90 Tage. Zudem führte die Beklagte aus, auch nach Ablauf der Sperrzeit würden keine Leistungen gezahlt, weil die Klägerin ab dem 02.11.2010 selbstständig sei. Mit Bescheid vom 02.11.2010 hob die Beklagte "die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 02.11.2010" wegen der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit auf. Dass zuvor ein Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ergangen ist, ist weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich. Die Bescheide wurden bestandskräftig. Der Klägerin erhielt mithin für keinen Tag Arbeitslosengeld ausgezahlt.
7Am 28.10.2010 ging bei der Beklagten zudem der von der Klägerin ausgefüllte Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ein. Die Klägerin legte dazu unter anderem einen Businessplan, den Partnerschaftsvertrag vom 26.10.2010 sowie eine Bestätigung des Finanzamtes zur angezeigten freiberuflichen Tätigkeit ab dem 02.11.2010 vor. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses mit Bescheid vom 24.11.2010 ab mit der Begründung, eine Eigenkündigung und damit die schuldhafte Herbeiführung von Beschäftigungslosigkeit zum Zwecke des Erhalts von Gründungszuschuss sei mit dem Sinn und Zweck der Rechtsnorm des § 57 SGB III grundsätzlich nicht vereinbar. Gründungszuschuss könne deshalb nicht gewährt werden.
8Am 01.12.2010 legte die Klägerin Widerspruch ein. Dem Aufhebungsvertrag sei die Androhung einer Kündigung vorausgegangen. Auf den Gründungszuschuss bestehe ein gebundener Anspruch, wenn die Merkmale des Leistungstatbestandes vorlägen. Die Anspruchsvoraussetzungen lägen vor. Die Ablehnungsentscheidung unter Hinweis auf Sinn und Zweck der Rechtsnorm sei nicht vom Wortlaut der Norm getragen. Die Einschränkungen eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs entgegen den Wortlaut der Norm stelle eine teleologische Reduktion zu Lasten eines Grundrechtsträgers da und sei ein Verstoß gegen das aus dem Rechtstaatsprinzip folgende Bestimmtheitsgebot. Die Hinweise auf "enge zeitliche Zusammenhänge" und einen "Mitnahmeeffekt" seien weder tragfähig noch zulässig. Das Gesetz selbst regle den Fall der Eigenkündigung, als Rechtsfolge sei jedoch nicht die Streichung, sondern nur die Verschiebung um die Sperrfrist von 90 Tagen vorgesehen.
9Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2011 als unbegründet zurück. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 57 SGB III sei es nicht, generell den Einstieg in die Selbstständigkeit zu fördern, sondern einen zusätzlichen Weg aus der Arbeitslosigkeit zu eröffnen. Es seien nur Personen zu fördern, bei denen Arbeitslosigkeit tatsächlich eingetreten sei. Soweit jemand aus anderen Gründen als der Beendigung seiner Arbeitslosigkeit die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit plane, genüge dies nicht, um die Voraussetzungen zu erfüllen. Die bloße Mitnahme des Gründungszuschusses bei der unabhängig von der Arbeitslosigkeit geplanten Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit schließe einen Anspruch auf den Zuschuss aus. Die Klägerin habe die Planung der Selbstständigkeit bereits im September 2009 angezeigt. Sie habe einen Aufhebungsvertrag ohne Einhaltung der Kündigungsfrist beschlossen und Arbeitslosigkeit zum 01.11.2010 selbst herbeigeführt. Es könne davon ausgegangen werden, dass mit Abschluss des Aufhebungsvertrages auch ein anderes Beschäftigungsverhältnis hätte gewählt werden können. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Antrag auf Gründungszuschuss lediglich einen Mitnahmeeffekt darstelle und nicht Arbeitslosigkeit beenden sollte.
10Die Klägerin hat am 21.01.2011 Klage beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren Bezug genommen und ergänzend vorgetragen, sie habe sich im August 2010 an die Wirtschaftsförderung gewandt und dort sei ihr erläutert worden, es bestehe die Möglichkeit, einen Gründungszuschuss zu beantragen. Es sei dort erklärt worden, der Gründungszuschuss werde auch gewährt, wenn man durch eine Eigenkündigung das Arbeitsverhältnis beende. Voraussetzung für die Gewährung sei, dass man mindestens einen Tag lang arbeitslos sei. Hintergrund sei gewesen, dass ihr bisheriger Arbeitgeber ihr im gesamten Verlauf des Jahres 2010 vermittelt habe, dass es dort keine Zukunft für sie geben würde. Es habe Schwierigkeiten unter den Partnern, auch unter Beteiligung ihres Vaters, gegeben. Es wäre ohne Abschluss des Aufhebungsvertrages eine betriebsbedingte Kündigung erklärt worden. Die von der Beklagten vertretene Auslegung der Norm führe zu der widersinnigen Folge, dass zunächst eine längere Zeit abgewartet werden müsse, bevor ein Gründungszuschuss beantragt werden könne. Zudem sei davon auszugehen, dass sich eine entsprechende Verwaltungspraxis herausgebildet habe, die den von der Klägerin beschrittenen Weg zur Gewährung des Gründungszuschusses ermögliche. Sofern im Fall der Klägerin davon abgewichen worden sei, liege ein Verstoß gegen das Willkürverbot vor. Die Nichtgewährung des Gründungszuschusses sei zudem unbillig. Es sei eine erhebliche Anfangsinvestition zu tätigen gewesen.
11Die Klägerin hat beantragt,
12den Bescheid vom 24.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Gründungszuschuss für die Zeit ab 24.01.2011 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat im Wesentlichen auf ihre Begründung im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Sinn und Zweck des Gründungszuschusses sei es, Arbeitslosigkeit zu beenden und nicht Arbeitslosigkeit herbeizuführen, um Gründungszuschuss zu erhalten.
16Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung die Klägerin angehört. Insoweit wird das Sitzungsprotokoll vom 30.08.2013 Bezug genommen.
17Mit Urteil vom 30.08.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses gemäß § 57 SGB III in der bis zum 27.12.2011 geltenden Fassung (SGB III a.F.), weil die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Klägerin habe bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit spätestens am 02.11.2010 keinen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III gehabt. Die Klägerin habe sich zwar zum 01.11.2010 arbeitslos gemeldet und auch die Anwartschaftszeit erfüllt. Sie sei jedoch nicht arbeitslos gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 119 SGB III a.F. gewesen, denn sie sei nicht verfügbar im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 SGB III a.F. gewesen. Sie habe weder eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben können (§ 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III a.F.), noch war sei sie bereit gewesen, jede Beschäftigung im Sinne der Nr. 1 anzunehmen und auszuüben (§119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III a.F.).
18Die Klägerin sei spätestens ab dem 02.11.2010 durch den Partnerschaftsvertrag in ihrer Arbeitskraft anderweitig gebunden gewesen. Die Bindung durch den Partnerschaftsvertrag habe der Aufnahme einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung entgegen gestanden. Die Klägerin hätte allenfalls am 01.11.2010 einer Beschäftigung nachgehen können. Ein auf einen Tag befristetes Beschäftigungsverhältnis entspreche jedoch nicht den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, insbesondere nicht Beschäftigungen, auf die die Beklagte die Vermittlungsbemühungen im Falle der Klägerin als Volljuristin in erster Linie zu erstrecken habe. Die Klägerin sei auch nicht bereit gewesen, sich vom Partnerschaftsvertrag zu lösen. Dieser habe eine Kündigung mit einer Frist von einem Jahr zum Ende des Geschäftsjahres vorgesehen, so dass eine Lösung frühestens zum 31.12.2011 hätte erfolgen können. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, es wäre möglich gewesen, wenn sie mit den Partnern gesprochen und ihnen erklärt hätte, dass sie ein "gutes anderes Angebot" habe, habe die Kammer darin keine ausreichende Bereitschaft zur Lösung von den Verpflichtungen gesehen.
19Die Klägerin sei auch nicht bereit im Sinne des § 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III a.F. gewesen, jede Beschäftigung anzunehmen und auszuüben. Nach ihren Erklärungen in der mündlichen Verhandlung wäre sie allenfalls bereit gewesen, Beschäftigungen nur zu konkreten Bedingungen im Hinblick auf Entgelt, Ortsnähe und Inhalt der Tätigkeit anzunehmen. Angebote, die diese Bedingungen nicht erfüllt hätten, wären für sie nach ihren Einlassungen in der mündlichen Verhandlung nicht infrage gekommen. Die von der Klägerin formulierten Bedingungen hätten der subjektiven Verfügbarkeit insbesondere deshalb entgegen gestanden, weil diese wesentlich enger ausgestaltet gewesen seien, als die gesetzlich vorgesehenen Kriterien für zumutbare Beschäftigungen gemäß § 121 SGB III a.F. So habe die Klägerin unter anderem zu ihren finanziellen Vorstellungen bei einem Arbeitsangebot erklärt, es hätte ein Verdienst ab 4.500 Euro brutto und jedenfalls mehr als in ihrem vorherigen Arbeitsverhältnis sein sollen. Zumutbar sei jedoch gemäß § 121 Abs. 3 SGB III a.F. eine Beschäftigung im Hinblick auf das Arbeitsentgelt (nur) dann nicht, wenn dieses erheblich niedriger ist, als das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zugrunde liegende Arbeitsentgelt. Nicht zumutbar sei in den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit nur eine Minderung von mehr als 20 Prozent.
20Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 04.10.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.10.2013 Berufung eingelegt. Sie meint § 57 Abs. 2 SGB III a.F. setze nur voraus, dass grundsätzlich ein Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen bestehe. Es würde dem gesetzgeberischen Ziel einer Gründungsförderung zuwider laufen, wenn derjenige, der ein Gründungsvorhaben ins Auge fasse, von vornherein gehindert wäre, Dispositionen mit wirtschaftlichen Bindungen einzugehen, oder gezwungen wäre Dispositionen etwa in Gestalt von Mietverträgen oder auch Gesellschaftsverträgen unter eine auflösende Bedingung zu stellen. In jedem Fall wäre eine teleologische Reduktion des Wortlauts des § 57 Abs. 2 SGB III geboten, denn ein Gründungsvorhaben ohne Eingehung vertraglicher Bindungen sei in der Praxis letztlich nicht denkbar. Im Übrigen sei sie sowohl objektiv als auch subjektiv verfügbar gewesen. Ihre Gehaltsvorstellungen seien in Anbetracht ihrer Qualifikationen keinesfalls übertrieben gewesen. Sie habe zudem lediglich Wunschvorstellungen vor dem Hintergrund ihrer mit der geplanten Selbstständigkeit verbundenen Erwartungen geäußert. Das SG hätte darauf abstellen müssen, was sie getan hätte, wenn sie keine partnerschaftlichen Bindungen eingegangen wäre. Im Übrigen sei ihr von der Beklagten erklärt worden, dass in entsprechenden Fällen stets ein Gründungszuschuss gewährt würde. Ein Verstoß gegen diese Verwaltungspraxis sei willkürlich und verletzte sie in ihrem Grundrecht aus Art 3 Abs. 1 GG. Schließlich ändere auch die Sperrzeit nichts am Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB III a.F. Dies folge sowohl aus § 57 Abs. 3 SGB III a.F. als auch aus der bisherigen Rechtsprechung und Literatur.
21Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
22das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.08.2013 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.01.2011 zu verurteilen, ihr für die Zeit ab dem 24.01.20111 Gründungszuschuss nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
23Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
26Mit Richterbrief vom 04.03.2014 hat der Senat die Beteiligten unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 05.05.2010 - B 11 AL 11/09 R - darauf hingewiesen, dass der geltend gemachte Anspruch auch daran scheitern dürfte, dass die Klägerin bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 02.11.2010 wegen der bestandkräftig festgestellten Sperrzeit keinen konkreten Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld hatte. Er hat die Beteiligten ferner darüber in Kenntnis gesetzt, dass eine Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beabsichtigt ist, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Beratungen des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die Berufung ist nach einstimmiger Auffassung der Berufsrichter des Senats zulässig, aber nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält der Senat in Anbetracht der eindeutigen Sach- und Rechtslage nicht für erforderlich Das Rechtsmittel wird daher ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§ 153 Abs. 4 SGG).
30Das SG hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses § 57 SGB III in der hier anwendbaren, vom 01.09.2009 bis zum 27.12.2011 geltenden Fassung (SGB III a.F.).
31Nach § 57 Abs. 1 SGB III a.F. haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Der Gründungszuschuss wird nach § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. geleistet, wenn der Arbeitnehmer
321. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat oder b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buche gefördert worden ist, 2. bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, dessen Dauer nicht allein auf § 127 Absatz 3 beruht, von mindestens 90 Tagen verfügt, 3. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 4. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
33Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
341. Die Klägerin hat durch die Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit zum 02.11.2010 nicht im Sinne von § 57 Abs. 1 SGB III a.F. ihre Arbeitslosigkeit beendet, denn sie war zu keinem Zeitpunkt im Sinne von §§ 118 Abs. 1 Nr. 1, 119 SGB III in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung (SGB III a.F.) arbeitslos. Sie war durchgehend bis zum 02.11.2010 zumindest nicht im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 3 SGB III subjektiv verfügbar. Trotz ihrer Freistellung durch ihren bisherigen Arbeitgeber nach Abschluss des Aufhebungsvertrages Ende Oktober 2010 hat sie sich bis zum 31.10.2010 den Vermittlungsbemühungen der Beklagte nicht zur Verfügung gestellt, denn sie hat sich erst zum 01.11.2010 arbeitslos gemeldet. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin aber auch am 01.11.2010 nicht bereit war, eine nach § 121 SGB III a.F. zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Insoweit schließt sich der Senat nach eigener Prüfung den zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
35Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Bewertung. Da sich die Klägerin durch § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrags vom 26.10.2010 jedenfalls bis zum 31.12.2011 vertraglich gebunden hatte und nach ihren Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vor dem SG seit Längerem eine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwältin in einer eigenen Kanzlei aufnehmen wollte, ist ihre Behauptung, sie wäre am 01.11.2010 zur Aufnahme einer Beschäftigung bereit gewesen, wenn ihr eine angeboten worden wäre, schlicht nicht glaubhaft. Die Klägerin hat seit Ende Oktober 2010 ausschließlich auf ihre selbstständige Tätigkeit hingearbeitet und am Wochenende vor dem 01.11.2010, einem Montag, die Räumlichkeiten der neu gegründeten Kanzlei bezogen. Zudem wusste sie, dass am 01.11.2010, einem Feiertag in Nordrhein-Westfalen, garantiert kein Vermittlungsangebot der Beklagten erfolgen und ihre in der Arbeitslosmeldung erklärte Bereitschaft zur Beschäftigungsaufnahme keinerlei Folgen nach sich ziehen würde. Insgesamt erscheint deshalb diese formelle Erklärung nur vorgeschoben, um für einen Tag vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach zu konstruieren und so in den Genuss von Gründungszuschuss zu kommen. Dass die Klägerin tatsächlich nicht bereit war, eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen zeigen nicht zuletzt auch ihre Ausführungen im Berufungsverfahren, in denen sie zu bedenken gibt, die von ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem SG geäußerten Gehaltsvorstellungen seien vor dem Hintergrund ihrer mit entsprechenden Erwartungen verbundenen Selbstständigkeit zu betrachten. Letztlich räumt die Klägerin damit ein, dass sie bereits am 01.11.2010 auf ihre selbstständige Tätigkeit fixiert gewesen ist, was in Anbetracht des bereits geschlossenen und zur Anmeldung zum Partnerschaftsregister vorgelegten Partnerschaftsvertrages auch nachvollziehbar ist. Wenn sie weiterhin meint, dass SG hätte auch darauf abstellen müssen, was sie getan hätte, wenn sie keine partnerschaftlichen Bindungen eingegangen wäre, belegt dies gerade, dass die zum 02.11.2010 begonnene Tätigkeit ihrer subjektiven Verfügbarkeit am 01.11.2010 tatsächlich entgegen stand. Bei der subjektiven Verfügbarkeit handelt es sich um eine Tatsache, die hypothetischen Betrachtungen nicht zugänglich ist.
36Dass die Klägerin am 01.11.2010 arbeitslos gewesen ist, steht auch nicht aufgrund bestandskräftiger Bescheide der Beklagten fest. Im Bescheid vom 02.11.2010 hat die Beklagte zwar wörtlich "die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld" aufgehoben. Ein Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld und die Feststellung eines zum 01.11.2010 entstandenen Stammrechts auf Arbeitslosengeld ist jedoch nicht ergangen. Die Klägerin hat den Erlass eines solchen Bewilligungsbescheids nicht behauptet. Auch die Aktenlage gibt insoweit nichts her. Der Bescheid vom 02.11.2010 selbst enthält, wie bereits das SG zutreffend dargelegt hat, entsprechende Regelungen nicht.
37Da die Klägerin mithin zu keinem Zeitpunkt arbeitslos war, kann auch dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 SGB III a.F. auch deshalb nicht vorliegen, weil es an der erforderlichen Kausalität zwischen der Beendigung der Arbeitslosigkeit und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit fehlt, weil das gesamte Vorgehen der Klägerin darauf angelegt war, Arbeitslosigkeit für genau einen Tag zu konstruieren, um einen Gründungszuschuss zu erhalten.
382. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen liegen auch die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. nicht vor. Die Klägerin hat bis zur Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit weder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Tätigkeit ausgeübt noch einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III gehabt.
39Es ist höchstrichterlich geklärt, dass mit "Anspruch" nicht lediglich ein nach § 118 Abs. 1 SGB III entstandenes und fortbestehendes Stammrecht gemeint ist. Vielmehr liegt ein "Anspruch" im Sinne von § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB III a.F. nur vor, wenn die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs auf die jeweilige Entgeltersatzleistung gegeben sind (BSG, Urt. v. 05.05.2010 - B 11 AL 11/09 R -, juris Rn. 16 m.w.N.). Daran fehlt es, wenn der Anspruch auf die jeweilige Entgeltersatzleistung ruht (vgl. BSG, Urt. v. 24.06.1993 - 11 RAr 1/92 -, juris Rn. 17).
40Nach diesen Grundsätzen hatte die Klägerin unabhängig von ihrer nach den Ausführungen zu 1. fehlenden Arbeitslosigkeit bis zur Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit am 02.11.2010 keinen "Anspruch" auf Arbeitslosengeld als die hier allein in Betracht kommende Entgeltleistung, weil ihr allein für den 01.11.2010 denkbarer Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen der mit Bescheid vom 28.10.2010 bestandskräftig festgestellten Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 SGB III a.F. am 01.11.2010 geruht hat. Dementsprechend ist der Klägerin auch für keinen Tag, d.h. auch nicht für den 01.11.2010, Arbeitslosengeld tatsächlich gezahlt worden.
41Ein anderes Ergebnis folgt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus § 57 Abs. 3 SGB III a.F., wonach der Gründungszuschuss nicht geleistet wird, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 142 bis 144 SGB III a.F. vorliegen oder vorgelegen hätten. Diese Vorschrift modifiziert erkennbar nicht die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a SGB III a.F. Sie soll vielmehr sicherstellen, dass die Sanktionsabsicht der Ruhensvorschriften nicht umgangen werden kann (so die Begründung zur Einführung der Regelung beim Überbrückungsgeld ab 01.01.2002 durch das Job-AQTIV-Gesetz v.10.12.2001 (BGBl I 2001, 3443), vgl. BT-Drs. 14/6944, S. 33 zu § 57; zum Ganzen Kuhnke, in: jurisPK-SGB III, § 93 Rn. 28), also auf keinen Fall die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB III erleichtern. § 57 Abs. 3 SGB III a.F. kommt mithin nur dann zur Anwendung, wenn die Voraussetzungen für einen Gründungszuschuss nach § 57 Abs. 1 und 2 SGB III a.F. erfüllt sind, z.B. wenn während des Bezugs von Gründungszuschuss eine Ruhenstatbestand im Sinne der §§ 142 bis 144 SGB III a.F. eintritt oder nach Beginn der Zahlung einer Entgeltersatzleistung der entsprechende Anspruch zum Ruhen kommt, wie z.B. bei Verwirklichung einer Sperrzeit bei Arbeitsablehnung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 SGB III a.F. In diesen Fällen bewirkt § 57 Abs. 3 SGB III a.F., dass der an sich mit Beginn der selbstständigen Tätigkeit entstandene Anspruch auf Gründungszuschuss zum Ruhen kommt und Gründungszuschuss nicht gezahlt wird (vgl. insoweit auch Winkler, in: Gagel, SGB III, § 93 Rn. 27, Stand: April 2012). Wenn jedoch, wie hier, zu keinem Zeitpunkt vor Beginn der selbstständigen Tätigkeit wegen eines Ruhenstatbestandes ein Anspruch auf Zahlung einer Entgeltersatzleistung besteht, kann ein Anspruch auf Gründungszuschuss gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB III a.F. schon gar nicht entstehen.
42Soweit die Klägerin meint, aus der vorstehend zitierten Rechtsprechung des BSG ergebe sich gerade im Gegenteil, dass die von ihr verwirklichte Sperrzeit einem Anspruch auf Gründungszuschuss nicht entgegen stehe, hat sie die Ausführungen des BSG nicht verstanden und aus dem Zusammenhang gerissen. Der Rechtsprechung des BSG lässt sich zwar entnehmen, dass eine Unterbrechung des Bezugs einer Entgeltersatzleistung für die Dauer einer Sperrzeit nichts an der Erfüllung der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB III a.F. ändert (vgl. BSG, Urt. v. 24.06.1993 - 11 RAr 1/92 -, juris Rn. 16; Urt. v. 05.05.2010 - B 11 AL 11/09 R -, juris Rn. 18 ff., 22 a.E.). Diese Rechtsprechung betrifft jedoch das Tatbestandsmerkmal "bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit" und damit das Erfordernis eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Anspruch auf Entgeltersatzleistung, d.h. dem Ende ihrer Zahlung, und dem Beginn der selbstständigen Tätigkeit (hierauf bezieht sich erkennbar auch die Kommentierung von Winkler, a.a.O. Rn. 26). Auf den erforderlichen zeitlichen Zusammenhang kommt es hier jedoch nicht an. Hier liegt auch keine Unterbrechung des Bezugs einer Entgeltersatzleistung vor. Vielmehr hatte die Klägerin wegen der bestandskräftig festgestellten Sperrzeit vor der Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit noch nicht einmal für einen Tag Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld. Nach der Rechtsprechung des BSG ist aber notwendige Bedingung für einen Anspruch auf Gründungszuschuss, dass der Anspruch auf Entgeltersatzleistung zumindest für einen Tag dem Grunde nach entstanden ist und auch nicht ruht, d.h. die Entgeltersatzleistung für mindestens einen Tag vor der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit tatsächlich zu zahlen ist (deutlich BSG, Urt. v. 05.05.2010 - B 11 AL 11/09 R -, juris Rn. 3, 17; Jüttner, in: NK-SGB III, 5. Aufl. 2013, § 93 Rn. 19; Winkler, in: Gagel, SGB III, § 93 Rn. 25, Stand: April 2012). Daran fehlt es hier.
433. Die sonstigen Erwägungen, mit denen die Klägerin den geltend gemachten Anspruch zu begründen versucht, entbehren jeglicher rechtlich tragfähigen Grundlage.
44Für eine "teleologische Reduktion" oder "Billigkeit" lässt die Vorschrift des § 57 SGB III a.F. keinen Raum. Die Klägerin verkennt zudem den Zweck dieser Vorschrift. Diese bezweckt nicht allgemein die Förderung von Existenzgründungen. Ziel der Vorschrift ist vielmehr die Beendigung von Arbeitslosigkeit durch Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Es liegt auf der Hand, dass die bewusste Beendigung einer abhängigen Beschäftigung zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit und die künstliche und hier auch nur scheinbare Begründung von zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit, um einen Gründungszuschuss "mitzunehmen", der Intention des Gesetzgebers nicht entspricht.
45Auf eine für sie günstige Verwaltungspraxis der Beklagten kann sich die Klägerin nicht berufen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Gründungszuschuss könnten durch eine rechtswidrige Verwaltungspraxis der Beklagten nicht ausgehebelt werden. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG, der, wie der Klägerin als Rechtsanwältin eigentlich bekannt sein müsste, keine Gleichheit im Unrecht gewährleistet.
46Schließlich hilft der Klägerin auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch nicht weiter. Insoweit kann dahinstehen, ob der Beklagten überhaupt rechtswidriges Handeln, etwa eine fehlerhafte Beratung, zur Last gelegt werden kann. In jedem Fall können durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch die gesetzlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 und 2 SGB III a.F. nicht umgangen oder modifiziert werden, denn der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist von seiner Rechtsfolge her nur auf die Vornahme einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichtet. Ebenso wenig vermag der sozialrechtliche Herstellungsanspruch etwas an der Verwirklichung des Tatbestandes einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe durch die Klägerin und ihrer fehlenden subjektiven Verfügbarkeit zu ändern. Tatsächliche Gegebenheiten, wie die fehlende Verfügbarkeit, können nicht mit Hilfe eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus der Welt geschafft werden (vgl. BSG, Urt. v. 31.01.2006 - B 11a AL 15/05 R -, juris Rn. 19 m.w.N.).
474. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
485. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung.
(2) Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf ihres letzten Tages, eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endet die Frist mit dem Monat.
(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Wird dieses Gesetzbuch geändert, so sind, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung bis zum Ende der Leistungen oder der Maßnahme die Vorschriften in der vor dem Tag des Inkrafttretens der Änderung geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn vor diesem Tag
- 1.
der Anspruch entstanden ist, - 2.
die Leistung zuerkannt worden ist oder - 3.
die Maßnahme begonnen hat, wenn die Leistung bis zum Beginn der Maßnahme beantragt worden ist.
(2) Ist eine Leistung nur für einen begrenzten Zeitraum zuerkannt worden, richtet sich eine Verlängerung nach den zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Verlängerung geltenden Vorschriften.
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.
(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
- 1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht, - 2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und - 3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.
(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.
(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat, wer
- 1.
arbeitslos ist, - 2.
sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und - 3.
die Anwartschaftszeit erfüllt hat.
(2) Bis zur Entscheidung über den Anspruch kann die antragstellende Person bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll.
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.
(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
- 1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht, - 2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und - 3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.
(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.
(1) Arbeitslos ist, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und
- 1.
nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), - 2.
sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und - 3.
den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).
(2) Eine ehrenamtliche Betätigung schließt Arbeitslosigkeit nicht aus, wenn dadurch die berufliche Eingliederung der oder des Arbeitslosen nicht beeinträchtigt wird.
(3) Die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten werden zusammengerechnet.
(4) Im Rahmen der Eigenbemühungen hat die oder der Arbeitslose alle Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung zu nutzen. Hierzu gehören insbesondere
- 1.
die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung, - 2.
die Mitwirkung bei der Vermittlung durch Dritte und - 3.
die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit.
(5) Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer
- 1.
eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, - 2.
Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann, - 3.
bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und - 4.
bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.
Tenor
-
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2013 wird zurückgewiesen.
-
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
- 1
-
Streitig ist, ob der Kläger in der Zeit vom 1. bis 3.10.2007 Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld hat.
- 2
-
Der Kläger war vom 1.4.1998 bis 30.6.2006 als Rechtsanwalt abhängig beschäftigt. Für das Jahr 2006 war in seiner Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III und in der Lohnsteuerkarte der Ehefrau die Lohnsteuerklasse V eingetragen. Zum 1.7.2006 schloss er einen Partnervertrag mit den Rechtsanwälten R., G. und Kollegen aus H., mit denen er nun selbstständig in M. tätig war. Der Kläger wurde aus der Sozialversicherung abgemeldet. Er beantragte die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses in der Arbeitslosenversicherung, das die beklagte Bundesagentur für Arbeit (BA) bis zur Beendigung des Partnervertrags am 30.9.2007 durchführte.
- 3
-
Am 4.9.2007 beantragte der Kläger für eine beabsichtigte selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt einen Gründungszuschuss. Die Beklagte bewilligte diesen für die Zeit vom 4.10.2007 bis 7.7.2008 (nur) in Höhe von 1563,60 Euro monatlich. Das auf höheren Gründungszuschuss gerichtete Klageverfahren ruht mit Rücksicht auf den vorliegenden - insoweit präjudiziellen - Rechtsstreit über höheres Arbeitslosengeld (Alg).
- 4
-
Am 13.9.2007 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 1.10.2007 bei der Beklagten arbeitslos, beantragte Alg und meldete sich zum 4.10.2007 sogleich wieder aus dem Leistungsbezug ab, weil er eine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt aufnehme. In seinem Antrag gab er auf die Frage nach der am Jahresbeginn eingetragenen Lohnsteuerklasse an: "Einkommensteuer". Die Beklagte bewilligte ihm für die fraglichen drei Tage Alg bemessen nach Lohnsteuerklasse VI bei einem Leistungssatz von 25,61 Euro täglich und erhöhte dieses auf den Widerspruch des Klägers unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze Ost auf 41,37 Euro täglich (Änderungsbescheid vom 17.1.2008).
- 5
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Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch; weder seien das Bemessungsentgelt von täglich 151,67 Euro nachvollziehbar noch die zugrunde gelegte Lohnsteuerklasse VI. Vielmehr sei das Alg nach Lohnsteuerklasse III zu berechnen, weil seine Ehefrau deutlich weniger verdiene als er. Die Beklagte holte beim Einwohnermeldeamt der Stadt W. eine Auskunft ein. Danach war dem Kläger für 2007 eine Lohnsteuerkarte mit Lohnsteuerklasse V, seiner Ehefrau eine solche mit Lohnsteuerklasse III ausgestellt worden. Mit Bescheid vom 8.7.2008 bewilligte die Beklagte nunmehr Alg, berechnet nach einem Entgelt in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze Ost und Lohnsteuerklasse V; es ergab sich ein Leistungssatz von täglich 42,12 Euro. Mit zugleich ergangenem Widerspruchsbescheid vom 8.7.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 17.1.2008 als unzulässig und den Widerspruch gegen die Bescheide vom 1.11.2007 und 8.7.2008 als unbegründet zurück. Das Bemessungsentgelt sei unter Berücksichtigung der für die neuen Bundesländer geltenden Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt worden. Der Berechnung des Alg sei zutreffend die Lohnsteuerklasse V zugrunde gelegt worden.
- 6
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Der Kläger hat vor dem Sozialgericht (SG) Klage erhoben. Es sei unzutreffend, auf die aktuelle Steuerkarte abzustellen, weil er als Selbstständiger keine Lohnsteuer zu entrichten habe. Deshalb könne die ausgestellte Lohnsteuerklasse nicht maßgeblich sein. Vielmehr müsse das Alg nach Lohnsteuerklasse III berechnet und bewilligt werden. Das SG hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 27.1.2011). Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung von höherem Alg. Die Beklagte habe der Berechnung der Leistung zutreffend Lohnsteuerklasse V zugrunde gelegt.
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Der Kläger hat Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er ist dabei geblieben, dass bei einem Selbstständigen nicht auf die Eintragung in der Lohnsteuerkarte abgestellt werden könne. Zwar habe er einen Lohnsteuerklassenwechsel veranlassen können. Ein solcher Wechsel wäre aber nachteilig gewesen. Er sei an eine unzweckmäßige Lohnsteuerklassenwahl nicht gebunden.
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Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 21.2.2013). Grundsätzlich sei die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte 2007 zu Beginn des Jahres maßgeblich, hier also Lohnsteuerklasse V. Allerdings habe der selbstständige Kläger keine Lohnsteuerkarte bekommen müssen. Deshalb spreche viel dafür, der Eintragung keine Bedeutung beizumessen. Letztlich könne dies aber dahinstehen; denn wenn dem Kläger keine Lohnsteuerkarte ausgestellt worden wäre, hätte sein Alg dennoch nach der Lohnsteuerklasse V bemessen werden müssen. Mangels Ausstellung einer Lohnsteuerkarte sei maßgeblich, welche Lohnsteuerklasse eingetragen worden wäre, wenn eine Lohnsteuerkarte ausgestellt worden wäre (unter Hinweis auf BSG vom 22.2.1984 - 7 RAr 52/82 - RdNr 18). Da die Lohnsteuerklasse des Klägers mit der Lohnsteuerklasse seiner Ehefrau korrespondieren müsse und bei dieser Lohnsteuerklasse III eingetragen gewesen sei, habe der Kläger nur die Lohnsteuerklasse V erhalten können.
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Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt, das Urteil des LSG verletze § 133 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB III idF bis 31.3.2012. Für die Berechnung des Alg sei in seinem Fall die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte 2007 nicht maßgeblich, weil sie für ihn keine Bedeutung habe. Auch habe das LSG nicht fiktiv prüfen dürfen, welche Lohnsteuerklasse ausgehend von derjenigen der Ehefrau einzutragen wäre. Vielmehr sei die Steuerklasse zugrunde zu legen, die den tatsächlichen Lebensverhältnissen entspreche. Bei Selbstständigen könne nur auf die Einkünfte des jeweiligen Kalenderjahres abgestellt werden. Nach dem Gewicht der erzielten Einkünfte wäre für den Kläger die Lohnsteuerklasse III, für die Ehefrau die Lohnsteuerklasse V die sachgerechte Steuerklasse gewesen. Die Erwägung des LSG, er habe die Möglichkeit zum Steuerklassenwechsel gehabt, sei theoretisch zwar nicht völlig abzulehnen, es sei aber schon zweifelhaft, ob das Finanzamt einem entsprechenden Antrag des Klägers gefolgt wäre.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2013 und des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. Januar 2011 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 1. November 2007, 17. Januar 2008, 8. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. bis 3. Oktober 2007 Arbeitslosengeld berechnet nach Lohnsteuerklasse III zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Klägers ist in der Sache unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).
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Gegenstand der Revision ist eine Anfechtungsklage gegen die Begrenzung der Höhe des bewilligten Alg im Bescheid vom 1.11.2007, den Änderungsbescheiden vom 17.1.2008 und vom 8.7.2008, die gemäß § 86 Abs 1 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden sind, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheids - ebenfalls - vom 8.7.2008 sowie - damit verbunden - eine auf höheres, nach Lohnsteuerklasse III berechnetes Alg gerichtete Leistungsklage. Diese kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG)ist auch ohne exakte Bezifferung der Höhe der begehrten Leistung zulässig (BSG vom 21.3.2002 - B 7 AL 46/01 R - DBlR 4756, SGB III/§ 137 und Juris).
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Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat für die Zeit vom 1. bis 3.10.2007 keinen Anspruch auf Zahlung von höherem, nach der Lohnsteuerklasse III bemessenem Alg.
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1. Das LSG hat mangels hiergegen gerichteter Verfahrensrügen für den Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass der Kläger die Voraussetzungen für den Bezug von Alg nach den §§ 117 f SGB III idF vom 19.11.2004 (SGB III aF) erfüllte. Er war arbeitslos, meldete sich arbeitslos und erfüllte die Anwartschaftszeit (§ 118 Abs 1 SGB III aF), weil er nach dem Ende seiner letzten abhängigen Beschäftigung ein Versicherungsverhältnis auf Antrag nach § 28a SGB III begründet und innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat.
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Der Kläger stand nicht in einer Beschäftigung, war also beschäftigungslos, bemühte sich, die Beschäftigungslosigkeit zu beenden, und war verfügbar (§ 119 Abs 1 SGB III aF), weil er bereit gewesen ist, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung auszuüben.
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Zwar erscheint es bei lebensnaher Betrachtungsweise durchaus fraglich, ob ein selbstständig Tätiger, dessen Tätigkeit am 30.9.2007 endet, für drei Tage eine abhängige Beschäftigung sucht (§ 119 Abs 1 Nr 1 SGB III aF), wenn er - wie vorliegend - schon vor der Arbeitslosmeldung am 4.9.2007 einen Antrag auf Gründungszuschuss stellt, sich mit der Arbeitslosmeldung ab dem 4.9.2007 wieder aus dem Alg-Bezug abmeldet und damit deutlich macht, dass er wenige Tage nach dem Ende der letzten selbstständigen Tätigkeit wiederum eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen möchte. In solchen Fällen ist auch zweifelhaft, ob ein solcher Arbeitsloser tatsächlich bereit ist, in dem verbleibenden Zeitraum von drei Tagen eine abhängige Beschäftigung aufzunehmen (§ 119 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 5 SGB III aF). Denkbar erschiene auch, dass er zwischen den beiden Tätigkeiten nur eine kurze zeitliche Lücke gelassen hat, um den Anspruch auf Alg und diesem nachfolgend den Anspruch auf Gründungszuschuss entstehen zu lassen.
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Diese Fragen müssen aber dahingestellt bleiben, weil das LSG für den Senat bindend festgestellt hat, dass der Kläger beschäftigungssuchend und verfügbar war; insbesondere sei er bereit gewesen, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende abhängige Beschäftigung aufzunehmen.
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Nach § 129 Nr 1 SGB III aF beträgt das Alg für Arbeitslose, die mindestens ein Kind iS des § 32 Abs 1, 3, 5 Einkommensteuergesetz (EStG) haben, 67 vH des pauschalierten Nettoentgelts (erhöhter Leistungssatz), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Der Bemessungsrahmen wird gemäß § 130 Abs 3 Nr 1 SGB III aF auf zwei Jahre erweitert, weil der Kläger im einjährigen Bemessungszeitraum(§ 130 Abs 1 SGB III aF)weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt hat. Im erweiterten Bemessungsrahmen vom 1.10.2005 bis 30.9.2007 liegen 273 Tage mit Bezug von Arbeitsentgelt, sodass es keiner fiktiven Bemessung bedarf. Das Bemessungsentgelt ist gemäß § 131 SGB III aF das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Im Bemessungszeitraum erzielte der Kläger ein Entgelt von 57.100 Euro, woraus sich ein durchschnittliches tägliches Entgelt von 172,53 Euro errechnen würde. Dieses Entgelt wird aber gemäß § 341 SGB III nur bis zum Beitrag von 1/360 der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung Ost (BBG-Ost) für den Kalendertag berücksichtigt, weil der Kläger es in den neuen Bundesländern erzielte und es nur in dieser Höhe beitragspflichtig war(§ 131 Abs 1 S 1 SGB III aF). Die BBG-Ost lag 2007 bei 4550 Euro monatlich oder 151,67 Euro täglich. Dieser Betrag ist der Bemessung des Alg als Bemessungsentgelt zugrunde gelegt worden.
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Gemäß § 133 Abs 1 SGB III idF des 4. Gesetzes zur Änderung des Dritten Buchs Sozialge-setzbuch und anderer Gesetze vom 19.11.2004 (BGBl I 2902; im Folgenden: § 133 SGB III aF) ist das Leistungsentgelt das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Vom Bemessungsentgelt sind abzuziehen
1. eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 vH des Bemessungsentgelts,
2. die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle, die sich nach dem vom Bundesministerium der Finanzen aufgrund des § 51 Abs 4 Nr 1a EStG bekannt gegebenen Programmablaufplan bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 10c Abs 2 EStG in dem Jahr, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt und
3. der Solidaritätszuschlag.
Bei der Berechnung der Abzüge nach den Nr 2 und 3 sind Freibeträge und Pauschalen, die nicht jedem Arbeitnehmer zustehen, nicht zu berücksichtigen.
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Nach § 133 Abs 2 S 1 SGB III aF richtet sich die Feststellung der Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden mit Wirkung von dem Tag an berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen.
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Nach Abs 3 der Vorschrift werden die Lohnsteuerklassen, wenn die Ehegatten sie gewechselt haben, von dem Tag an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn darunter
1. die neu eingetragene Lohnsteuerklasse dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen oder
2. sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitsentgelt ergibt, das geringer ist als das Alg, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe.
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Die Berechnung des Alg des Klägers entspricht diesen gesetzlichen Vorgaben.Diese gelten auch für Selbstständige. Im vorliegenden Fall ist nach § 133 Abs 2 S 1 SGB III aF für das Alg des Klägers die Lohnsteuerklasse maßgeblich, die zu Beginn es Jahres, in dem sein Anspruch auf Alg entstand, auf der Lohnsteuerkarte eingetragen war. Da zu Beginn des Jahres 2007 auf der Lohnsteuerkarte des Klägers die Lohnsteuerklasse V eingetragen war, ist diese für die Bemessung des Alg maßgeblich. Zweck der Regelung des § 133 Abs 2 S 1 SGB III aF ist es, den Steuerabzug so vorzunehmen, wie der Arbeitslose ihn in dem von ihm angestrebten Beschäftigungsverhältnis(§ 119 Abs 1 Nr 2 und 3 SGB III aF) hinzunehmen hätte (BSG vom 22.2.1984 - 7 RAr 52/82 - SozSich 1984, 215 = DBlR 2955, AFG/§ 113; Jakob, aaO). Deshalb ist für die Berechnung des Alg der in der Arbeitslosenversicherung auf Antrag pflichtversicherten Selbstständigen auch dann auf die in der Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse abzustellen, wenn wegen selbstständiger Tätigkeit im Bemessungszeitraum ein Lohnsteuerabzugsverfahren nicht stattgefunden hat. Die zu Jahresbeginn eingetragenen Lohnsteuerabzugsmerkmale haben auch für diese Personengruppe Tatbestandswirkung (vgl allgemein zur Tatbestandswirkung: BSG vom 26.11.1986 - 7 RAr 55/85 - BSGE 61, 45 = SozR 4100 § 113 Nr 5; Jakob in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, 5. Aufl 2013, § 153 RdNr 16). (Unterjährige) Änderungen der Lohnsteuerklasse sind vorliegend ebenfalls nicht zu berücksichtigen, da solche nicht vorgenommen wurden; insbesondere hat kein Wechsel von Lohnsteuerklassen unter Ehegatten stattgefunden.
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Die Beklagte hat das Alg des Klägers unter Berücksichtigung eines Lohnsteuerabzugs nach Lohnsteuerklasse V zutreffend berechnet.
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3. Soweit der Kläger mit der Revision einwendet, die Regelung treffe auf ihn nicht zu, weil er keine Lohnsteuer zu entrichten habe, verkennt er, dass im SGB III eine Ausnahme von der Berechnung des Alg für bestimmte Personengruppen, die nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen, nicht geregelt ist. § 28a SGB III eröffnet dem dort begünstigten Personenkreis lediglich die Möglichkeit, auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis zur Arbeitslosenversicherung zu begründen, das ua die Anwartschaft auf Alg(§ 123 SGB III aF) erfüllt. Aus der Regelung ergibt sich für die Personen, die als einkommenssteuerpflichtige Selbstständige ein solches Versicherungspflichtverhältnis begründen, keine abweichende Regelung für die Bemessung ihres Anspruchs auf Alg. Auch § 133 SGB III aF(jetzt § 153 SGB III)lässt sich keine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Regelung zur Berechnung des Alg für die nach § 28a SGB III versicherten Personen entnehmen.
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Aus Sinn und Zweck der Arbeitslosenversicherung ergibt sich nichts anderes. Das SGB III ist darauf gerichtet, dem Eintritt von Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken, diese zu verkürzen und Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zu unterstützen (§ 1 SGB III). Die Agenturen für Arbeit erbringen Dienstleistungen für Arbeitgeber, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (§ 2 Abs 1 SGB III). Entsprechend sind Arbeitsuchende iS des SGB III Personen, die eine Beschäftigung als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer suchen (§ 15 S 2 SGB III). Auch die Voraussetzungen der §§ 117 f SGB III aF(jetzt §§ 136 f SGB III) machen deutlich, dass Alg an Personen zu leisten ist, die eine abhängige Beschäftigung suchen. Dementsprechend sind die gesetzlichen Reglungen zur Berechnung des Alg darauf ausgelegt, in einem pauschalisierenden und typisierenden Verfahren (vgl Mutschler in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 153 RdNr 6; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III K § 153 RdNr 14) aus dem Bemessungsentgelt das Leistungsentgelt für den Zahlungsanspruch zu ermitteln. Dass der Gesetzgeber sich dazu eines pauschalierenden und für alle Versicherten gleichmäßigen Verfahrens bedient, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl BVerfG vom 23.10.2007 - 1 BvR 2089/07 - SozR 4-4300 § 133 Nr 5).
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Der Kläger kann nicht einwenden, die eingetragene Lohnsteuerklasse entspreche nicht den "tatsächlichen Verhältnissen". Zum einen sieht § 133 SGB III aF(jetzt § 153 SGB III) nicht vor, tatsächlich bestehende steuerrechtliche Merkmale außer Betracht zu lassen. Dies wird nur ausnahmsweise in § 133 Abs 3 S 2 SGB III aF angeordnet, wenn der Arbeitslose vor Eintritt des Versicherungsfalls einen Ausfall des Arbeitsentgelts zu verzeichnen und deshalb Anspruch auf lohnsteuerfreie Entgeltersatzleistung hatte. Dies war hier nicht der Fall. Im Übrigen will die Regelung gerade verhindern, dass hypothetische Verhältnisse für die Berechnung des Alg herangezogen werden.
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Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich kein anderes Ergebnis, wenn man den Kläger so behandeln würde, als sei ihm keine Lohnsteuerkarte ausgestellt worden. Denn wenn einem Arbeitslosen - etwa wegen vorheriger selbstständiger Tätigkeit - zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, keine Lohnsteuerkarte ausgestellt war, ist der Berechnung der Leistung Alg die Lohnsteuerklasse zugrunde zu legen, die eingetragen worden wäre, wenn eine Lohnsteuerkarte ausgestellt worden wäre (BSG vom 22.2.1984 - 7 RAr 52/82 - SozSich 1984, 215 = DBlR 2955, AFG/§ 113; Behrend in Eicher/Schlegel, Kommentar zum SGB III, Stand August 2007, § 133 RdNr 50; sogar Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, K § 153 RdNr 57). Da auf der Lohnsteuerkarte der Ehefrau des Klägers die Lohnsteuerklasse III eingetragen war, wäre dem Kläger eine Karte mit Lohnsteuerklasse V auszustellen gewesen.
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Vorliegend kommt hinzu, dass eine Berechnung des Alg nach Lohnsteuerklasse III dazu führen müsste, dass der Ehefrau des Klägers, falls in ihrer Person ebenfalls ein Anspruch auf Alg entstanden wäre, dieses gemäß § 133 SGB III aF ebenfalls nach Lohnsteuerklasse III zu zahlen wäre. Die Zahlung von Alg nach Lohnsteuerklasse III an beide Ehegatten ist aber gesetzlich nicht vorgesehen.
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Auch ohne die nur gedachte Arbeitslosigkeit der Ehefrau führte die vom Kläger begehrte Berechnungsweise zu Ungleichheiten. Denn Ehegatten oder Lebenspartner, von denen der eine Teil beschäftigt ist und der andere Teil Leistungen bei Arbeitslosigkeit bezieht, müssen sich entscheiden, ob bei dem beschäftigten Ehegatten der Lohnsteuerabzug nach Lohnsteuerklasse III und bei dem anderen Teil das Alg nach Lohnsteuerklasse V berechnet wird oder ob - umgekehrt - der Lohnsteuerabzug beim beschäftigten Ehepartner nach Lohnsteuerklasse V erfolgt und das Alg des anderen nach Lohnsteuerklasse III bemessen wird. Demgegenüber würde die vom Kläger vorgeschlagene Lösung dazu führen, dass er Alg berechnet nach Lohnsteuerklasse III erhielte, während bei seiner Ehefrau für dieselben Zeiträume Lohnsteuer ebenfalls nach Lohnsteuerklasse III abgezogen wurde.
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Zwar mag es im Verhältnis des selbstständig tätigen Klägers zu seiner abhängig beschäftigten Ehefrau steuerrechtlich sachgerecht gewesen sein, dass er Einkommensteuervorauszahlung leistete und die Ehefrau ihre Abzüge steuerrechtlich dadurch gering hielt, dass sie Lohnsteuerklasse III wählte. Mit Eintritt des Klägers in ein System zur Absicherung von Beschäftigten hätten die Eheleute im Hinblick auf die ab 1.10.2007 zu erwartenden Entgeltersatzleistungen ihre bisherige Steuerklassenwahl aber ändern können. Dass dies nicht geschehen ist, zeigt, dass den Ehepartnern die bisherige Wahl von Steuermerkmalen im Rahmen der bestehenden Dispositionsfreiheit (vgl § 39 Abs 4 S 1 und 4 EStG; siehe auch § 118 Abs 2, § 133 Abs 3 SGB III aF),weiterhin sachgerecht erschien. Diese Dispositionsfreiheit ist einer der Gründe dafür, dass die BA die steuerliche Richtigkeit und Zweckmäßigkeit der Steuerklassenwahl grundsätzlich nicht überprüfen, sondern als gegeben hinnehmen soll (noch zum AFG: BSG vom 12.7.1989 - 7 RAr 58/88 - SozR 4100 § 113 Nr 9 S 55).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.08.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Gründungszuschusses.
3Die am 00.00.1977 geborene Klägerin war ab dem 07.11.2005 als angestellte Rechtsanwältin bei der Rechtsanwaltssozietät Dr. F & Partner beschäftigt. Am 20.09.2010 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitsuchend. Mit Datum vom 28.09.2010 wurde ein (mündlicher) Antrag auf Gründungszuschuss bei der Beklagten erfasst. Die Klägerin schloss mit Unterschriften vom 19. und 22.10.2010 einen Aufhebungsvertrag mit ihrem bisherigen Arbeitgeber. Unter Ziffer 1 heißt es, Arbeitnehmerin und Arbeitgeber seien sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zur Vermeidung einer betriebsbedingten Beendigungskündigung mit Ablauf des 31.10.2010 sein Ende finden werde. Nach Abschluss des Aufhebungsvertrages wurde die Klägerin von ihrem bisherigen Arbeitgeber freigestellt.
4Die Klägerin meldete sich am 25.10.2010 bei der Beklagten zum 01.11.2010 arbeitslos. Am 26.10.2010 schloss die Klägerin mit zwei weiteren Personen, ihrem Vater sowie ihrem jetzigen Prozessbevollmächtigten, einen Partnerschaftsvertrag im Sinne des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes. Gemäß § 2 des Vertrages ist Gegenstand der Partnerschaft die gemeinschaftliche Berufsausübung der Partner als Rechtsanwälte. Gemäß § 3 Abs. 1 des Partnerschaftsvertrages ist die Klägerin mit 30 Prozent an der Partnerschaft beteiligt. Jeder Partner ist gemäß § 3 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrages verpflichtet, der Partnerschaft seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Gemäß § 11 Abs. 1 des Partnerschaftsvertrages beginnt die Partnerschaft zum 02.11.2010, spätestens mit ihrer Eintragung in das Partnerschaftsregister. Gemäß § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrages ist jeder Partner berechtigt, die Partnerschaft mit einer Jahresfrist zum Geschäftsjahresschluss zu kündigen. Unter dem 26.10.2010 meldeten die Klägerin und ihre Partner die Partnerschaftsgesellschaft zur Eintragung in das Partnerschaftsregister bei dem Amtsgericht F an.
5Am 28.10.2010 ging bei der Beklagten das ausgefüllte Formular zum Antrag auf Arbeitslosengeld ein. Darin verneinte die Klägerin die Angabe zur Ausübung einer Nebenbeschäftigung / -tätigkeit als Selbstständige. Auf Blatt 3 des Formulars findet sich die handschriftliche Ergänzung "ab 02.11. Selbstständigkeit" mit Unterschrift der Klägerin.
6Mit Bescheid vom 28.10.2010 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe für die Zeit vom 01.11.2010 bis zum 23.01.2011 wegen der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses bei dem bisherigen Arbeitgeber fest, sowie die Minderung des Anspruchs um 90 Tage. Zudem führte die Beklagte aus, auch nach Ablauf der Sperrzeit würden keine Leistungen gezahlt, weil die Klägerin ab dem 02.11.2010 selbstständig sei. Mit Bescheid vom 02.11.2010 hob die Beklagte "die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 02.11.2010" wegen der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit auf. Dass zuvor ein Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ergangen ist, ist weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich. Die Bescheide wurden bestandskräftig. Der Klägerin erhielt mithin für keinen Tag Arbeitslosengeld ausgezahlt.
7Am 28.10.2010 ging bei der Beklagten zudem der von der Klägerin ausgefüllte Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ein. Die Klägerin legte dazu unter anderem einen Businessplan, den Partnerschaftsvertrag vom 26.10.2010 sowie eine Bestätigung des Finanzamtes zur angezeigten freiberuflichen Tätigkeit ab dem 02.11.2010 vor. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses mit Bescheid vom 24.11.2010 ab mit der Begründung, eine Eigenkündigung und damit die schuldhafte Herbeiführung von Beschäftigungslosigkeit zum Zwecke des Erhalts von Gründungszuschuss sei mit dem Sinn und Zweck der Rechtsnorm des § 57 SGB III grundsätzlich nicht vereinbar. Gründungszuschuss könne deshalb nicht gewährt werden.
8Am 01.12.2010 legte die Klägerin Widerspruch ein. Dem Aufhebungsvertrag sei die Androhung einer Kündigung vorausgegangen. Auf den Gründungszuschuss bestehe ein gebundener Anspruch, wenn die Merkmale des Leistungstatbestandes vorlägen. Die Anspruchsvoraussetzungen lägen vor. Die Ablehnungsentscheidung unter Hinweis auf Sinn und Zweck der Rechtsnorm sei nicht vom Wortlaut der Norm getragen. Die Einschränkungen eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs entgegen den Wortlaut der Norm stelle eine teleologische Reduktion zu Lasten eines Grundrechtsträgers da und sei ein Verstoß gegen das aus dem Rechtstaatsprinzip folgende Bestimmtheitsgebot. Die Hinweise auf "enge zeitliche Zusammenhänge" und einen "Mitnahmeeffekt" seien weder tragfähig noch zulässig. Das Gesetz selbst regle den Fall der Eigenkündigung, als Rechtsfolge sei jedoch nicht die Streichung, sondern nur die Verschiebung um die Sperrfrist von 90 Tagen vorgesehen.
9Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2011 als unbegründet zurück. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 57 SGB III sei es nicht, generell den Einstieg in die Selbstständigkeit zu fördern, sondern einen zusätzlichen Weg aus der Arbeitslosigkeit zu eröffnen. Es seien nur Personen zu fördern, bei denen Arbeitslosigkeit tatsächlich eingetreten sei. Soweit jemand aus anderen Gründen als der Beendigung seiner Arbeitslosigkeit die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit plane, genüge dies nicht, um die Voraussetzungen zu erfüllen. Die bloße Mitnahme des Gründungszuschusses bei der unabhängig von der Arbeitslosigkeit geplanten Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit schließe einen Anspruch auf den Zuschuss aus. Die Klägerin habe die Planung der Selbstständigkeit bereits im September 2009 angezeigt. Sie habe einen Aufhebungsvertrag ohne Einhaltung der Kündigungsfrist beschlossen und Arbeitslosigkeit zum 01.11.2010 selbst herbeigeführt. Es könne davon ausgegangen werden, dass mit Abschluss des Aufhebungsvertrages auch ein anderes Beschäftigungsverhältnis hätte gewählt werden können. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Antrag auf Gründungszuschuss lediglich einen Mitnahmeeffekt darstelle und nicht Arbeitslosigkeit beenden sollte.
10Die Klägerin hat am 21.01.2011 Klage beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren Bezug genommen und ergänzend vorgetragen, sie habe sich im August 2010 an die Wirtschaftsförderung gewandt und dort sei ihr erläutert worden, es bestehe die Möglichkeit, einen Gründungszuschuss zu beantragen. Es sei dort erklärt worden, der Gründungszuschuss werde auch gewährt, wenn man durch eine Eigenkündigung das Arbeitsverhältnis beende. Voraussetzung für die Gewährung sei, dass man mindestens einen Tag lang arbeitslos sei. Hintergrund sei gewesen, dass ihr bisheriger Arbeitgeber ihr im gesamten Verlauf des Jahres 2010 vermittelt habe, dass es dort keine Zukunft für sie geben würde. Es habe Schwierigkeiten unter den Partnern, auch unter Beteiligung ihres Vaters, gegeben. Es wäre ohne Abschluss des Aufhebungsvertrages eine betriebsbedingte Kündigung erklärt worden. Die von der Beklagten vertretene Auslegung der Norm führe zu der widersinnigen Folge, dass zunächst eine längere Zeit abgewartet werden müsse, bevor ein Gründungszuschuss beantragt werden könne. Zudem sei davon auszugehen, dass sich eine entsprechende Verwaltungspraxis herausgebildet habe, die den von der Klägerin beschrittenen Weg zur Gewährung des Gründungszuschusses ermögliche. Sofern im Fall der Klägerin davon abgewichen worden sei, liege ein Verstoß gegen das Willkürverbot vor. Die Nichtgewährung des Gründungszuschusses sei zudem unbillig. Es sei eine erhebliche Anfangsinvestition zu tätigen gewesen.
11Die Klägerin hat beantragt,
12den Bescheid vom 24.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Gründungszuschuss für die Zeit ab 24.01.2011 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat im Wesentlichen auf ihre Begründung im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Sinn und Zweck des Gründungszuschusses sei es, Arbeitslosigkeit zu beenden und nicht Arbeitslosigkeit herbeizuführen, um Gründungszuschuss zu erhalten.
16Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung die Klägerin angehört. Insoweit wird das Sitzungsprotokoll vom 30.08.2013 Bezug genommen.
17Mit Urteil vom 30.08.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses gemäß § 57 SGB III in der bis zum 27.12.2011 geltenden Fassung (SGB III a.F.), weil die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Klägerin habe bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit spätestens am 02.11.2010 keinen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III gehabt. Die Klägerin habe sich zwar zum 01.11.2010 arbeitslos gemeldet und auch die Anwartschaftszeit erfüllt. Sie sei jedoch nicht arbeitslos gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 119 SGB III a.F. gewesen, denn sie sei nicht verfügbar im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 SGB III a.F. gewesen. Sie habe weder eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben können (§ 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III a.F.), noch war sei sie bereit gewesen, jede Beschäftigung im Sinne der Nr. 1 anzunehmen und auszuüben (§119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III a.F.).
18Die Klägerin sei spätestens ab dem 02.11.2010 durch den Partnerschaftsvertrag in ihrer Arbeitskraft anderweitig gebunden gewesen. Die Bindung durch den Partnerschaftsvertrag habe der Aufnahme einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung entgegen gestanden. Die Klägerin hätte allenfalls am 01.11.2010 einer Beschäftigung nachgehen können. Ein auf einen Tag befristetes Beschäftigungsverhältnis entspreche jedoch nicht den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, insbesondere nicht Beschäftigungen, auf die die Beklagte die Vermittlungsbemühungen im Falle der Klägerin als Volljuristin in erster Linie zu erstrecken habe. Die Klägerin sei auch nicht bereit gewesen, sich vom Partnerschaftsvertrag zu lösen. Dieser habe eine Kündigung mit einer Frist von einem Jahr zum Ende des Geschäftsjahres vorgesehen, so dass eine Lösung frühestens zum 31.12.2011 hätte erfolgen können. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, es wäre möglich gewesen, wenn sie mit den Partnern gesprochen und ihnen erklärt hätte, dass sie ein "gutes anderes Angebot" habe, habe die Kammer darin keine ausreichende Bereitschaft zur Lösung von den Verpflichtungen gesehen.
19Die Klägerin sei auch nicht bereit im Sinne des § 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III a.F. gewesen, jede Beschäftigung anzunehmen und auszuüben. Nach ihren Erklärungen in der mündlichen Verhandlung wäre sie allenfalls bereit gewesen, Beschäftigungen nur zu konkreten Bedingungen im Hinblick auf Entgelt, Ortsnähe und Inhalt der Tätigkeit anzunehmen. Angebote, die diese Bedingungen nicht erfüllt hätten, wären für sie nach ihren Einlassungen in der mündlichen Verhandlung nicht infrage gekommen. Die von der Klägerin formulierten Bedingungen hätten der subjektiven Verfügbarkeit insbesondere deshalb entgegen gestanden, weil diese wesentlich enger ausgestaltet gewesen seien, als die gesetzlich vorgesehenen Kriterien für zumutbare Beschäftigungen gemäß § 121 SGB III a.F. So habe die Klägerin unter anderem zu ihren finanziellen Vorstellungen bei einem Arbeitsangebot erklärt, es hätte ein Verdienst ab 4.500 Euro brutto und jedenfalls mehr als in ihrem vorherigen Arbeitsverhältnis sein sollen. Zumutbar sei jedoch gemäß § 121 Abs. 3 SGB III a.F. eine Beschäftigung im Hinblick auf das Arbeitsentgelt (nur) dann nicht, wenn dieses erheblich niedriger ist, als das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zugrunde liegende Arbeitsentgelt. Nicht zumutbar sei in den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit nur eine Minderung von mehr als 20 Prozent.
20Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 04.10.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.10.2013 Berufung eingelegt. Sie meint § 57 Abs. 2 SGB III a.F. setze nur voraus, dass grundsätzlich ein Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen bestehe. Es würde dem gesetzgeberischen Ziel einer Gründungsförderung zuwider laufen, wenn derjenige, der ein Gründungsvorhaben ins Auge fasse, von vornherein gehindert wäre, Dispositionen mit wirtschaftlichen Bindungen einzugehen, oder gezwungen wäre Dispositionen etwa in Gestalt von Mietverträgen oder auch Gesellschaftsverträgen unter eine auflösende Bedingung zu stellen. In jedem Fall wäre eine teleologische Reduktion des Wortlauts des § 57 Abs. 2 SGB III geboten, denn ein Gründungsvorhaben ohne Eingehung vertraglicher Bindungen sei in der Praxis letztlich nicht denkbar. Im Übrigen sei sie sowohl objektiv als auch subjektiv verfügbar gewesen. Ihre Gehaltsvorstellungen seien in Anbetracht ihrer Qualifikationen keinesfalls übertrieben gewesen. Sie habe zudem lediglich Wunschvorstellungen vor dem Hintergrund ihrer mit der geplanten Selbstständigkeit verbundenen Erwartungen geäußert. Das SG hätte darauf abstellen müssen, was sie getan hätte, wenn sie keine partnerschaftlichen Bindungen eingegangen wäre. Im Übrigen sei ihr von der Beklagten erklärt worden, dass in entsprechenden Fällen stets ein Gründungszuschuss gewährt würde. Ein Verstoß gegen diese Verwaltungspraxis sei willkürlich und verletzte sie in ihrem Grundrecht aus Art 3 Abs. 1 GG. Schließlich ändere auch die Sperrzeit nichts am Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB III a.F. Dies folge sowohl aus § 57 Abs. 3 SGB III a.F. als auch aus der bisherigen Rechtsprechung und Literatur.
21Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
22das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.08.2013 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.01.2011 zu verurteilen, ihr für die Zeit ab dem 24.01.20111 Gründungszuschuss nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
23Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
26Mit Richterbrief vom 04.03.2014 hat der Senat die Beteiligten unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 05.05.2010 - B 11 AL 11/09 R - darauf hingewiesen, dass der geltend gemachte Anspruch auch daran scheitern dürfte, dass die Klägerin bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 02.11.2010 wegen der bestandkräftig festgestellten Sperrzeit keinen konkreten Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld hatte. Er hat die Beteiligten ferner darüber in Kenntnis gesetzt, dass eine Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beabsichtigt ist, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Beratungen des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die Berufung ist nach einstimmiger Auffassung der Berufsrichter des Senats zulässig, aber nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält der Senat in Anbetracht der eindeutigen Sach- und Rechtslage nicht für erforderlich Das Rechtsmittel wird daher ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§ 153 Abs. 4 SGG).
30Das SG hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses § 57 SGB III in der hier anwendbaren, vom 01.09.2009 bis zum 27.12.2011 geltenden Fassung (SGB III a.F.).
31Nach § 57 Abs. 1 SGB III a.F. haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Der Gründungszuschuss wird nach § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. geleistet, wenn der Arbeitnehmer
321. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat oder b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buche gefördert worden ist, 2. bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, dessen Dauer nicht allein auf § 127 Absatz 3 beruht, von mindestens 90 Tagen verfügt, 3. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 4. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
33Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
341. Die Klägerin hat durch die Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit zum 02.11.2010 nicht im Sinne von § 57 Abs. 1 SGB III a.F. ihre Arbeitslosigkeit beendet, denn sie war zu keinem Zeitpunkt im Sinne von §§ 118 Abs. 1 Nr. 1, 119 SGB III in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung (SGB III a.F.) arbeitslos. Sie war durchgehend bis zum 02.11.2010 zumindest nicht im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 3 SGB III subjektiv verfügbar. Trotz ihrer Freistellung durch ihren bisherigen Arbeitgeber nach Abschluss des Aufhebungsvertrages Ende Oktober 2010 hat sie sich bis zum 31.10.2010 den Vermittlungsbemühungen der Beklagte nicht zur Verfügung gestellt, denn sie hat sich erst zum 01.11.2010 arbeitslos gemeldet. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin aber auch am 01.11.2010 nicht bereit war, eine nach § 121 SGB III a.F. zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Insoweit schließt sich der Senat nach eigener Prüfung den zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
35Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Bewertung. Da sich die Klägerin durch § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrags vom 26.10.2010 jedenfalls bis zum 31.12.2011 vertraglich gebunden hatte und nach ihren Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vor dem SG seit Längerem eine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwältin in einer eigenen Kanzlei aufnehmen wollte, ist ihre Behauptung, sie wäre am 01.11.2010 zur Aufnahme einer Beschäftigung bereit gewesen, wenn ihr eine angeboten worden wäre, schlicht nicht glaubhaft. Die Klägerin hat seit Ende Oktober 2010 ausschließlich auf ihre selbstständige Tätigkeit hingearbeitet und am Wochenende vor dem 01.11.2010, einem Montag, die Räumlichkeiten der neu gegründeten Kanzlei bezogen. Zudem wusste sie, dass am 01.11.2010, einem Feiertag in Nordrhein-Westfalen, garantiert kein Vermittlungsangebot der Beklagten erfolgen und ihre in der Arbeitslosmeldung erklärte Bereitschaft zur Beschäftigungsaufnahme keinerlei Folgen nach sich ziehen würde. Insgesamt erscheint deshalb diese formelle Erklärung nur vorgeschoben, um für einen Tag vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach zu konstruieren und so in den Genuss von Gründungszuschuss zu kommen. Dass die Klägerin tatsächlich nicht bereit war, eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen zeigen nicht zuletzt auch ihre Ausführungen im Berufungsverfahren, in denen sie zu bedenken gibt, die von ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem SG geäußerten Gehaltsvorstellungen seien vor dem Hintergrund ihrer mit entsprechenden Erwartungen verbundenen Selbstständigkeit zu betrachten. Letztlich räumt die Klägerin damit ein, dass sie bereits am 01.11.2010 auf ihre selbstständige Tätigkeit fixiert gewesen ist, was in Anbetracht des bereits geschlossenen und zur Anmeldung zum Partnerschaftsregister vorgelegten Partnerschaftsvertrages auch nachvollziehbar ist. Wenn sie weiterhin meint, dass SG hätte auch darauf abstellen müssen, was sie getan hätte, wenn sie keine partnerschaftlichen Bindungen eingegangen wäre, belegt dies gerade, dass die zum 02.11.2010 begonnene Tätigkeit ihrer subjektiven Verfügbarkeit am 01.11.2010 tatsächlich entgegen stand. Bei der subjektiven Verfügbarkeit handelt es sich um eine Tatsache, die hypothetischen Betrachtungen nicht zugänglich ist.
36Dass die Klägerin am 01.11.2010 arbeitslos gewesen ist, steht auch nicht aufgrund bestandskräftiger Bescheide der Beklagten fest. Im Bescheid vom 02.11.2010 hat die Beklagte zwar wörtlich "die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld" aufgehoben. Ein Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld und die Feststellung eines zum 01.11.2010 entstandenen Stammrechts auf Arbeitslosengeld ist jedoch nicht ergangen. Die Klägerin hat den Erlass eines solchen Bewilligungsbescheids nicht behauptet. Auch die Aktenlage gibt insoweit nichts her. Der Bescheid vom 02.11.2010 selbst enthält, wie bereits das SG zutreffend dargelegt hat, entsprechende Regelungen nicht.
37Da die Klägerin mithin zu keinem Zeitpunkt arbeitslos war, kann auch dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 SGB III a.F. auch deshalb nicht vorliegen, weil es an der erforderlichen Kausalität zwischen der Beendigung der Arbeitslosigkeit und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit fehlt, weil das gesamte Vorgehen der Klägerin darauf angelegt war, Arbeitslosigkeit für genau einen Tag zu konstruieren, um einen Gründungszuschuss zu erhalten.
382. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen liegen auch die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. nicht vor. Die Klägerin hat bis zur Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit weder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Tätigkeit ausgeübt noch einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III gehabt.
39Es ist höchstrichterlich geklärt, dass mit "Anspruch" nicht lediglich ein nach § 118 Abs. 1 SGB III entstandenes und fortbestehendes Stammrecht gemeint ist. Vielmehr liegt ein "Anspruch" im Sinne von § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB III a.F. nur vor, wenn die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs auf die jeweilige Entgeltersatzleistung gegeben sind (BSG, Urt. v. 05.05.2010 - B 11 AL 11/09 R -, juris Rn. 16 m.w.N.). Daran fehlt es, wenn der Anspruch auf die jeweilige Entgeltersatzleistung ruht (vgl. BSG, Urt. v. 24.06.1993 - 11 RAr 1/92 -, juris Rn. 17).
40Nach diesen Grundsätzen hatte die Klägerin unabhängig von ihrer nach den Ausführungen zu 1. fehlenden Arbeitslosigkeit bis zur Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit am 02.11.2010 keinen "Anspruch" auf Arbeitslosengeld als die hier allein in Betracht kommende Entgeltleistung, weil ihr allein für den 01.11.2010 denkbarer Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen der mit Bescheid vom 28.10.2010 bestandskräftig festgestellten Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 SGB III a.F. am 01.11.2010 geruht hat. Dementsprechend ist der Klägerin auch für keinen Tag, d.h. auch nicht für den 01.11.2010, Arbeitslosengeld tatsächlich gezahlt worden.
41Ein anderes Ergebnis folgt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus § 57 Abs. 3 SGB III a.F., wonach der Gründungszuschuss nicht geleistet wird, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 142 bis 144 SGB III a.F. vorliegen oder vorgelegen hätten. Diese Vorschrift modifiziert erkennbar nicht die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a SGB III a.F. Sie soll vielmehr sicherstellen, dass die Sanktionsabsicht der Ruhensvorschriften nicht umgangen werden kann (so die Begründung zur Einführung der Regelung beim Überbrückungsgeld ab 01.01.2002 durch das Job-AQTIV-Gesetz v.10.12.2001 (BGBl I 2001, 3443), vgl. BT-Drs. 14/6944, S. 33 zu § 57; zum Ganzen Kuhnke, in: jurisPK-SGB III, § 93 Rn. 28), also auf keinen Fall die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB III erleichtern. § 57 Abs. 3 SGB III a.F. kommt mithin nur dann zur Anwendung, wenn die Voraussetzungen für einen Gründungszuschuss nach § 57 Abs. 1 und 2 SGB III a.F. erfüllt sind, z.B. wenn während des Bezugs von Gründungszuschuss eine Ruhenstatbestand im Sinne der §§ 142 bis 144 SGB III a.F. eintritt oder nach Beginn der Zahlung einer Entgeltersatzleistung der entsprechende Anspruch zum Ruhen kommt, wie z.B. bei Verwirklichung einer Sperrzeit bei Arbeitsablehnung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 SGB III a.F. In diesen Fällen bewirkt § 57 Abs. 3 SGB III a.F., dass der an sich mit Beginn der selbstständigen Tätigkeit entstandene Anspruch auf Gründungszuschuss zum Ruhen kommt und Gründungszuschuss nicht gezahlt wird (vgl. insoweit auch Winkler, in: Gagel, SGB III, § 93 Rn. 27, Stand: April 2012). Wenn jedoch, wie hier, zu keinem Zeitpunkt vor Beginn der selbstständigen Tätigkeit wegen eines Ruhenstatbestandes ein Anspruch auf Zahlung einer Entgeltersatzleistung besteht, kann ein Anspruch auf Gründungszuschuss gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB III a.F. schon gar nicht entstehen.
42Soweit die Klägerin meint, aus der vorstehend zitierten Rechtsprechung des BSG ergebe sich gerade im Gegenteil, dass die von ihr verwirklichte Sperrzeit einem Anspruch auf Gründungszuschuss nicht entgegen stehe, hat sie die Ausführungen des BSG nicht verstanden und aus dem Zusammenhang gerissen. Der Rechtsprechung des BSG lässt sich zwar entnehmen, dass eine Unterbrechung des Bezugs einer Entgeltersatzleistung für die Dauer einer Sperrzeit nichts an der Erfüllung der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB III a.F. ändert (vgl. BSG, Urt. v. 24.06.1993 - 11 RAr 1/92 -, juris Rn. 16; Urt. v. 05.05.2010 - B 11 AL 11/09 R -, juris Rn. 18 ff., 22 a.E.). Diese Rechtsprechung betrifft jedoch das Tatbestandsmerkmal "bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit" und damit das Erfordernis eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Anspruch auf Entgeltersatzleistung, d.h. dem Ende ihrer Zahlung, und dem Beginn der selbstständigen Tätigkeit (hierauf bezieht sich erkennbar auch die Kommentierung von Winkler, a.a.O. Rn. 26). Auf den erforderlichen zeitlichen Zusammenhang kommt es hier jedoch nicht an. Hier liegt auch keine Unterbrechung des Bezugs einer Entgeltersatzleistung vor. Vielmehr hatte die Klägerin wegen der bestandskräftig festgestellten Sperrzeit vor der Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit noch nicht einmal für einen Tag Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld. Nach der Rechtsprechung des BSG ist aber notwendige Bedingung für einen Anspruch auf Gründungszuschuss, dass der Anspruch auf Entgeltersatzleistung zumindest für einen Tag dem Grunde nach entstanden ist und auch nicht ruht, d.h. die Entgeltersatzleistung für mindestens einen Tag vor der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit tatsächlich zu zahlen ist (deutlich BSG, Urt. v. 05.05.2010 - B 11 AL 11/09 R -, juris Rn. 3, 17; Jüttner, in: NK-SGB III, 5. Aufl. 2013, § 93 Rn. 19; Winkler, in: Gagel, SGB III, § 93 Rn. 25, Stand: April 2012). Daran fehlt es hier.
433. Die sonstigen Erwägungen, mit denen die Klägerin den geltend gemachten Anspruch zu begründen versucht, entbehren jeglicher rechtlich tragfähigen Grundlage.
44Für eine "teleologische Reduktion" oder "Billigkeit" lässt die Vorschrift des § 57 SGB III a.F. keinen Raum. Die Klägerin verkennt zudem den Zweck dieser Vorschrift. Diese bezweckt nicht allgemein die Förderung von Existenzgründungen. Ziel der Vorschrift ist vielmehr die Beendigung von Arbeitslosigkeit durch Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Es liegt auf der Hand, dass die bewusste Beendigung einer abhängigen Beschäftigung zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit und die künstliche und hier auch nur scheinbare Begründung von zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit, um einen Gründungszuschuss "mitzunehmen", der Intention des Gesetzgebers nicht entspricht.
45Auf eine für sie günstige Verwaltungspraxis der Beklagten kann sich die Klägerin nicht berufen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Gründungszuschuss könnten durch eine rechtswidrige Verwaltungspraxis der Beklagten nicht ausgehebelt werden. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG, der, wie der Klägerin als Rechtsanwältin eigentlich bekannt sein müsste, keine Gleichheit im Unrecht gewährleistet.
46Schließlich hilft der Klägerin auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch nicht weiter. Insoweit kann dahinstehen, ob der Beklagten überhaupt rechtswidriges Handeln, etwa eine fehlerhafte Beratung, zur Last gelegt werden kann. In jedem Fall können durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch die gesetzlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 und 2 SGB III a.F. nicht umgangen oder modifiziert werden, denn der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist von seiner Rechtsfolge her nur auf die Vornahme einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichtet. Ebenso wenig vermag der sozialrechtliche Herstellungsanspruch etwas an der Verwirklichung des Tatbestandes einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe durch die Klägerin und ihrer fehlenden subjektiven Verfügbarkeit zu ändern. Tatsächliche Gegebenheiten, wie die fehlende Verfügbarkeit, können nicht mit Hilfe eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus der Welt geschafft werden (vgl. BSG, Urt. v. 31.01.2006 - B 11a AL 15/05 R -, juris Rn. 19 m.w.N.).
474. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
485. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.
(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
- 1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht, - 2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und - 3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.
(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.
Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat, wer
- 1.
arbeitslos ist, - 2.
sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und - 3.
die Anwartschaftszeit erfüllt hat.
(2) Bis zur Entscheidung über den Anspruch kann die antragstellende Person bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll.
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.
(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
- 1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht, - 2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und - 3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.
(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.
Tatbestand
- 1
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Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf einen Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab 12.10.2006.
- 2
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Der 1964 geborene Kläger war seit 1983 als Dachdecker versicherungspflichtig beschäftigt. Nach betriebsbedingter Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30.9.2006 meldete er sich am 27.6.2006 bei der Agentur für Arbeit persönlich arbeitsuchend. Dabei teilte er mit, dass er sich mit einem Kollegen schnellstmöglich selbständig machen wolle. Am 28.9.2006 meldete sich der Kläger sodann mit Wirkung für den 1.10.2006 arbeitslos und beantragte für diesen Tag Arbeitslosengeld (Alg) sowie für die Zeit ab 2.10.2006 einen Gründungszuschuss. In der Folgezeit legte der Kläger einen Lebenslauf sowie einen Businessplan nebst Rentabilitätsvorschau vom 2.10.2006, eine positive Stellungnahme seines Steuerberaters zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 9.10.2006 und eine Gewerbe-Ummeldung zum 12.10.2006 vor. Weil sich der Beginn der selbständigen Tätigkeit nach seinen Angaben auf den 12.10.2006 verschoben hatte, stellte der Kläger am 14.11.2006 einen Kurzantrag auf Weiterzahlung von Alg ab 2.10.2006.
- 3
-
Während die Beklagte dem Kläger für den 1.10.2006 Alg bewilligte (Bescheid vom 10.10.2006), lehnte sie die Gewährung von Alg ab 2.10.2006 mangels Verfügbarkeit ab (Bescheid vom 15.11.2006).
- 4
-
Den Antrag auf einen Gründungszuschuss lehnte die Beklagte ebenfalls ab, weil der Kläger bis zur Aufnahme der Selbständigkeit keinen Anspruch auf Alg gehabt habe und deshalb die Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben seien. Den Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, durch Behördengänge habe sich der geplante Beginn der selbständigen Tätigkeit verschoben, wies die Beklagte zurück (Bescheid vom 27.11.2006, Widerspruchsbescheid vom 11.12.2006).
- 5
-
Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts
vom 28.11.2007; Urteil des Landessozialgerichts vom 28.11.2008).
- 6
-
Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf einen Gründungszuschuss, weil er nicht bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf das hier als Entgeltersatzleistung allein in Betracht kommende Alg bei Arbeitslosigkeit gehabt habe. Nach § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der seit 1.8.2006 geltenden Fassung müsse ein Entgeltersatzanspruch unmittelbar vor der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit bestehen, wofür das sog Stammrecht genüge, während ein konkreter Auszahlungsanspruch nicht erforderlich sei. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Entgeltersatzanspruch und Existenzgründung - wie nach der früheren Rechtslage - reiche nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut jedoch nicht mehr aus. Da der Kläger nach seinen Angaben die selbständige Tätigkeit erst am 12.10.2006 aufgenommen habe, komme unabhängig von den Gründen der Verzögerung ein Anspruch auf einen Gründungszuschuss nur in Betracht, falls am 11.10.2006 ein Anspruch auf Alg bestanden hätte. Das sei aber nicht der Fall, weil der Kläger ab 2.10.2006 den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht mehr zur Verfügung gestanden und sich bis zum 11.10.2006 auch nicht erneut persönlich arbeitslos gemeldet habe. Durch den Bescheid vom 15.11.2006 sei der Antrag auf Alg ab 2.10.2006 zudem bestandskräftig abgelehnt worden. An der fehlenden Verfügbarkeit und dem Beginn der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit lasse sich auch durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nichts ändern. Unabhängig davon fehle es schon an einem Beratungsfehler.
- 7
-
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Nach Sinn und Zweck des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III reiche ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Bezug einer Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit aus. Nur diese Auslegung, der weder der Wortlaut der Vorschrift noch die Gesetzesmotive entgegenstünden, werde dem Ziel der Förderung und der Realität gerecht, weil es sich bei einer Existenzgründung mit den notwendigen Vorbereitungshandlungen um einen komplexen Sachverhalt handele. Einen nahtlosen Übergang von der Arbeitslosigkeit in die Selbständigkeit zu verlangen, entspreche nicht den praktischen Erfordernissen einer Existenzgründung.
- 8
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Der Kläger beantragt,
-
die Urteile des Landessozialgerichts vom 28.11.2008 und des Sozialgerichts vom 28.11.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 12.10.2006 einen Gründungszuschuss zu gewähren.
- 9
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
- 10
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
) .
- 12
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Ob der Kläger einen Anspruch auf einen Gründungszuschuss hat, lässt sich nach den bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beantworten (hierzu unter 2). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Versagung eines Gründungszuschusses aber jedenfalls nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger für die Zeit vom 2. bis 11.10.2006 keinen Anspruch auf Zahlung von Alg hatte (hierzu unter 1).
- 13
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1. Nach § 57 SGB III in der vom 1.8.2006 bis 31.12.2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss (Abs 1). Der Gründungszuschuss wird geleistet, wenn der Arbeitnehmer ua bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat (Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a) und bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Alg von mindestens 90 Tagen verfügt (Abs 2 Satz 1 Nr 2).
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a) Bestehen muss zunächst ein "Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch“. Zu diesen Leistungen gehört nach § 116 SGB III(in der seit dem 1.4.2006 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24.4.2006, BGBl I 926) neben anderen Leistungen (zB Insolvenzgeld) das vom Kläger vor der Existenzgründung bezogene Alg bei Arbeitslosigkeit. Der Begriff "Anspruch" kann bei dieser zuletzt genannten Leistung unterschiedliche Bedeutungen haben und sowohl den Gesamtanspruch aus einer bestimmten Anwartschaft (sog Stammrecht) als auch die daraus resultierenden Einzelansprüche auf Zahlung von Leistungen umfassen (vgl Spellbrink in Eicher/Schlegel, SGB III, § 118 RdNr 23 ff, Stand September 2005).
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Nach § 118 Abs 1 SGB III(in der seit 1.1.2005 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848) haben Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Der Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit entsteht dem Grunde nach als Stammrecht im Sinne eines zu einem subjektiven Recht des Arbeitslosen verfestigten Besitzstandes regelmäßig mit dem Vorliegen der drei in § 118 Abs 1 SGB III genannten Voraussetzungen(vgl § 40 Sozialgesetzbuch Erstes Buch; Valgolio in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 10 RdNr 1). Der aus dem Stammrecht zu realisierende Einzelanspruch auf Zahlung von Alg ist hingegen durch Leistungsantrag (vgl § 323 Abs 1 SGB III in der seit 1.1.2005 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) geltend zu machen und davon abhängig, dass für die konkret beanspruchte Zeit die materiellen Voraussetzungen des § 118 Abs 1 SGB III erfüllt sind.
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Für den Alg-Anspruch als Anspruch auf Entgeltersatzleistung iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III ist davon auszugehen, dass mit "Anspruch" nicht lediglich ein nach § 118 Abs 1 SGB III entstandenes und fortbestehendes Stammrecht gemeint ist(so wohl Stark in NK-SGB III, 3. Aufl, § 57 RdNr 36 ff; vgl auch Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr 54, 56, Stand März 2010). Der erkennende Senat hat bereits zum Überbrückungsgeld nach Maßgabe des § 55a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) darauf hingewiesen, dass allein das Bestehen des Stammrechts auf Alg zur Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dieser dem Gründungszuschuss vorausgehenden Förderleistung (hierzu unter b) nicht als ausreichend erachtet werden kann(vgl BSG SozR 3-4100 § 55a Nr 4 S 24). Hieran ist für die neue Leistung des Gründungszuschusses festzuhalten, auch wenn es entgegen der früheren Regelung zum Überbrückungsgeld nicht mehr, auch nicht wahlweise (wie noch in § 57 Abs 2 Nr 1 Buchst a SGB III idF des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001, BGBl I 3443) auf den Leistungsbezug ankommt (vgl Stark in NK-SGB III, 3. Aufl 2008, § 57 RdNr 36). Abgesehen davon, dass die besondere vierjährige Erlöschensfrist des § 147 Abs 2 SGB III für das Stammrecht auf Alg zu einer unterschiedlichen Behandlung der sonstigen Entgeltersatzleistungsberechtigten beim Zugang zum Gründungszuschuss führen würde, hat diese Leistung den Zweck, den Lebensunterhalt zu sichern und insoweit das infolge der Existenzgründung wegfallende Alg zu kompensieren(vgl BT-Drucks 16/1696 S 30, zu § 57 Abs 1). Ein "Anspruch" auf Alg iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III in der hier anzuwendenden Fassung liegt also vor, wenn die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs auf die jeweilige Entgeltersatzleistung gegeben sind (Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr 56, Stand März 2010).
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Von den materiellen Voraussetzungen ist nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) für das zum 1.10.2006 bewilligte Alg auszugehen. Das ist schon wegen des für beide Beteiligte bindend gewordenen Bewilligungsbescheids vom 10.10.2006 anzunehmen, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beklagte diese Entscheidung später revidiert hat (vgl BSGE 61, 286 = SozR 4100 § 134 Nr 31). Zweifeln daran, ob die Bewilligung rechtmäßig war oder ob der Kläger am 1.10.2006 das für die Arbeitslosigkeit im Sinne des Leistungsrechts ua erforderliche Merkmal der Verfügbarkeit nicht erfüllte, weil er nach seiner damaligen Planung bereits am folgenden Tag eine selbständige Tätigkeit aufnehmen wollte, muss daher an dieser Stelle nicht nachgegangen werden (vgl BSG aaO).
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b) Die des Weiteren in § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III normierte Voraussetzung eines Anspruchs auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III "bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit“ scheitert entgegen der Annahme der Beklagten nicht daran, dass der Kläger lediglich für den 1.10.2006, nicht aber für die anschließende Zeit vom 2.10. bis 11.10.2006 einen konkreten Zahlungsanspruch auf Alg hatte. Selbst wenn sich die Aufnahme der Tätigkeit (hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 5.5.2010 - B 11 AL 28/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen) des Klägers als selbständiger Baudienstleister damit vom 2.10. auf den 12.10.2006 verschoben haben sollte, stand die Existenzgründung in dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zum Alg-Anspruch. Denn die gesetzliche Regelung verlangt keine Nahtlosigkeit zwischen Existenzgründung und vorausgehendem Alg-Anspruch, sondern lediglich einen engen zeitlichen Zusammenhang. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Rechtsentwicklung der Förderleistung, welche das bis zum 31.7.2006 geregelte Überbrückungsgeld und den zum 1.1.2003 vorübergehend eingeführten Existenzgründungszuschuss (sog Ich-AG, hierzu näher BSGE 101, 224 = SozR 4-4300 § 421l Nr 2) zum 1.8.2006 abgelöst hat.
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aa) Bis zum 31.7.2006 bestimmte § 57 Abs 2 Nr 1 Buchst a SGB III, dass Überbrückungsgeld geleistet wird, wenn der Arbeitnehmer ua in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch bezogen hat oder einen Anspruch darauf hätte. Eine ähnliche Regelung enthielt für den Existenzgründungszuschuss § 421l SGB III, der vom 1.7.2006 an allerdings nur noch auf Altfälle anwendbar war (§ 421l Abs 5 SGB III idF des Fünften Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2005, BGBl I 3676). Nach § 421l Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III wird dieser Zuschuss geleistet, wenn der Existenzgründer ua in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen hat.
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Der Übergang von der Formulierung "in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme" zu der Wendung "bis zur Aufnahme" wird in der Literatur allerdings überwiegend so verstanden, dass die seit 1.8.2006 geltende Rechtslage jede zeitliche Lücke zwischen dem Bestehen eines Anspruchs auf Entgeltersatzleistungen und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ausschließt (Petzold in Hauck/Noftz, SGB III, Stand Dezember 2009, § 57 RdNr 14; Stratmann in Niesel, SGB III, 4. Aufl, § 57 RdNr 5; Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr 54, Stand März 2010; Winkler in Gagel, SGB III, § 57 RdNr 15, Stand Dezember 2006; wohl ebenfalls für Nahtlosigkeit Götze in GK-SGB III, § 57 RdNr 38, Stand Dezember 2006). Ausgehend von der primär arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung der Förderung von Existenzgründungen aus Arbeitslosigkeit (BT-Drucks 16/1696 S 30, zu § 57 Abs 1) gebietet der Wortlaut im historischen Gesamtzusammenhang der Regelung indessen keine Auslegung des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III dahingehend, dass ein Gründungszuschuss nur zu gewähren ist, falls der Existenzgründer bis zum letzten Tag vor der Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit einen Leistungsanspruch auf Zahlung von Alg hatte(vgl Voelzke in Küttner, Personalbuch 2009, Gründungszuschuss <210> RdNr 17).
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bb) Die vom Gesetzgeber bei der Einführung des Gründungszuschusses gewählte Formulierung ist nicht neu. Denn bis zum 31.12.1997 bestimmte schon § 55a Abs 1 Satz 1 AFG, dass Arbeitslosen bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden Überbrückungsgeld gewährt werden kann, wenn der Arbeitslose ua "bis zur Aufnahme" dieser Tätigkeit mindestens vier Wochen Alg oder Alhi bezogen hat. Bei der Einführung des SGB III wurde diese Regelung ohne wesentliche Änderung übernommen, denn nach § 57 Abs 2 Nr 1 Buchst a SGB III in der ab 1.1.1998 geltenden Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.3.1997 (BGBl I 544) konnte Überbrückungsgeld geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer ua "bis zur Aufnahme" der selbständigen Tätigkeit mindestens vier Wochen Alg, Alhi oder Kurzarbeitergeld in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit bezogen hat.
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Nach der Rechtsprechung des Senats zu § 55a AFG(BSG SozR 3-4100 § 55a Nr 2 und 4) war aus der Formulierung "bis zur Aufnahme" entgegen dem Standpunkt der damaligen Bundesanstalt für Arbeit bereits im Geltungsbereich des AFG nicht ohne Ausnahme zu schließen, dass sich der Übergang vom Leistungsbezug zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nahtlos vollziehen muss. Eine enge wörtliche Auslegung hat der Senat abgelehnt, weil sie unter Umständen Ergebnisse zur Folge gehabt hätte, die nicht dem Gesetzeszweck entsprechen, durch die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Fortdauer von Arbeitslosigkeit zu verhüten und im Interesse der Versichertengemeinschaft künftige Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Kurzfristige Unterbrechungen des Leistungsbezugs unmittelbar vor der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit wurden daher jedenfalls unter der Voraussetzung als unschädlich angesehen, dass aus dem erhalten gebliebenen Stammrecht in der Zukunft noch weiterhin Leistungsansprüche realisiert werden könnten, falls die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nicht stattfände (BSG SozR 3-4100 § 55a Nr 2 S 12). Einen noch ausreichenden zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Leistungsbezug und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit hat der Senat bejaht, wenn die Unterbrechung des Leistungsbezugs die Dauer einer Sperrzeit wegen Ablehnung eines Arbeitsangebots nicht überstieg (BSG SozR 3-4100 § 55a Nr 4).
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Hieran anschließend wurden durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (2. SGB III-ÄndG) vom 21.7.1999 (BGBl I 1648) in § 57 Abs 2 Nr 1 SGB III mit Wirkung ab 1.8.1999 die Worte "bis zur Aufnahme" durch die Umschreibung "in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme" ersetzt, was bis zum 31.7.2006 beibehalten wurde. Der Gesetzgeber des 2. SGB III-ÄndG verstand diese Änderung des Normtextes nicht als Ausdruck einer sachlichen Neuregelung, sondern nur als "Klarstellung", dass (ua) zwischen dem vorherigen Leistungsbezug und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit "ein Übergangszeitraum (etwa ein Monat)" liegen dürfe. Zur Begründung dafür hieß es, eine als absolut verstandene Unmittelbarkeit des Übergangs werde den praktischen Erfordernissen bei der Existenzgründung, die keinen punktuellen Vorgang darstelle, nicht gerecht (BT-Drucks 14/873 S 12; vgl aber weitergehend BT-Drucks 15/1515 S 78 zur Unmittelbarkeit iS eines Zeitraums von nicht mehr als einem Monat etwa bei § 28a SGB III; auch BSG SozR 4-4300 § 26 Nr 4 zu § 26 Abs 1 Nr 2 Buchst b SGB III aF). Eine vergleichbare Regelung wurde deshalb auch in die neuartige Leistung des Existenzgründungszuschusses nach § 421l Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III übernommen, die durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I 4621) vorübergehend (vgl § 421l Abs 5 SGB III) zum 1.1.2003 eingeführt wurde. Auch dieser Zuschuss wird bereits geleistet, wenn der Existenzgründer ua "in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme" der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen hat. Eines unmittelbar vorausgehenden Bezugs von Entgeltersatzleistungen bedarf es demgegenüber hier ebenfalls nicht, weil ausweislich der Gesetzesbegründung kurze Phasen der Vorbereitung auf die Selbständigkeit, zB eine Teilnahme an Existenzgründerseminaren, für einen erfolgreichen Übergang sinnvoll sein können (BT-Drucks 15/26 S 22 f). Trotz der partiell abweichenden Formulierung gilt dies in gleicher Weise für den Gründungszuschuss. Denn es handelt es sich um eine aus Elementen des Überbrückungsgeldes und des Eingliederungszuschusses zusammengefügte Leistung, welche inhaltlich an § 57 SGB III und § 421l SGB III in der zum Zeitpunkt ihrer Normierung maßgeblichen Fassung anknüpft(vgl auch Roos, NJW 2009, 8, 9). Dementsprechend weisen die Materialien ausdrücklich darauf hin, dass ua mit § 57 Abs 2 Nr 1 SGB III "notwendige und bewährte Voraussetzungen der bisherigen Regelungen übernommen" werden(BT-Drucks 16/1696 S 31, zu § 57 Abs 2).
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cc) Die zum "engen zeitlichen Zusammenhang" beim Überbrückungsgeld ergangene Entscheidung des 11a. Senats vom 21.3.2007 - B 11a AL 11/06 R (= SozR 4-4300 § 57 Nr 2) ist damit für den Gründungzuschuss insoweit von Bedeutung, als der zeitliche Zusammenhang zwischen der Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit weiterhin unverändert zu bestimmen ist. Der 11a. Senat hat in der genannten Entscheidung zwar offen gelassen, ob für den erforderlichen Zusammenhang ein fester zeitlicher Rahmen vorgegeben werden muss, jedoch angenommen, dass die Wendung "in engem zeitlichen Zusammenhang" das Bestehen einer zeitlichen Lücke zwischen Leistungsbezug und Aufnahme der selbständigen Tätigkeit sogar nahe legt und sich an dem in der Gesetzesbegründung zum 2. SGB III-ÄndG angeführten Zeitraum von etwa einem Monat orientiert (BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 2 RdNr 11, 15). Dieser Zeitraum ist ausgehend von den für den erkennenden Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 12.10.2006 in jedem Fall gewahrt.
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c) Da dem Kläger für den 1.10.2006 Alg mit einer Anspruchsdauer von 360 Tagen zuerkannt, aber antragsgemäß lediglich für einen Tag Alg ausgezahlt worden ist, bestand zugleich ein "Restanspruch" mit einer Dauer von mindestens 90 Tagen bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 12.10.2006 (§ 57 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB III), welcher sich ggf um die Anzahl von Tagen mit Anspruch auf Gründungszuschuss mindert (vgl § 128 Abs 1 Nr 9 SGB III idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende, aaO). Auf die Übergangsvorschrift zu der genannten Voraussetzung eines Restanspruchs von mindestens 90 Tagen (§ 434o SGB III) kommt es nach den Umständen des Falles somit nicht an.
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2. Unabhängig davon lässt sich aber derzeit noch nicht abschließend beurteilen, ob dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf den Gründungszuschuss zusteht. Denn das LSG hat - von seinem Standpunkt konsequent - noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger durch die Aufnahme einer selbständigen und hauptberuflichen Tätigkeit seine Arbeitslosigkeit beendet hat (§ 57 Abs 1 SGB III). Dabei wird - ausgehend vom aufgezeigten Sinn und Zweck des Förderinstruments (hierzu unter 1) - zu beachten sein, dass für das Merkmal der Beendigung von "Arbeitslosigkeit" iS des § 57 Abs 1 SGB III grundsätzlich Beschäftigungslosigkeit beendet worden sein muss(vgl Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr 49, Stand März 2007; weitergehend Voelzke in Küttner, Personalbuch 2009, Gründungszuschuss <210> RdNr 15, und Stratmann in Niesel, SGB III, 4. Aufl, § 57 RdNr 7). Insbesondere fehlt es bislang aber an ausreichenden tatrichterlichen Feststellungen zur Tragfähigkeit (§ 57 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB III) sowie ferner dazu, ob und wann der Kläger seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit dargelegt hat (§ 57 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB III). Im Gegensatz zur früheren Rechtslage statuiert das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (aaO) dabei zum einen ein Nachweiserfordernis der objektiven Tragfähigkeit und zum anderen eine Darlegungslast des Existenzgründers hinsichtlich seiner subjektiven Eignung (vgl Link/Kranz, Der Gründungszuschuss für Existenzgründer, 2007, RdNr 106 ff, 111 ff).
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3. Bei der erneuten Entscheidung wird das LSG auch darüber zu befinden haben, inwieweit außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten sind.
(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat auch, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt.
(2) Bei einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer, die oder der vor Eintritt in die Maßnahme nicht arbeitslos war, gelten die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit als erfüllt, wenn sie oder er
- 1.
bei Eintritt in die Maßnahme einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hätte, der weder ausgeschöpft noch erloschen ist, oder - 2.
die Anwartschaftszeit im Fall von Arbeitslosigkeit am Tag des Eintritts in die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung erfüllt hätte; insoweit gilt der Tag des Eintritts in die Maßnahme als Tag der Arbeitslosmeldung.
(1) Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn
- 1.
die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe), - 2.
die bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldete (§ 38 Absatz 1) oder die arbeitslose Person trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch ihr Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung), - 3.
die oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die von der Agentur für Arbeit geforderten Eigenbemühungen nicht nachweist (Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen), - 4.
die oder der Arbeitslose sich weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 45) oder einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen (Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme), - 5.
die oder der Arbeitslose die Teilnahme an einer in Nummer 4 genannten Maßnahme abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer dieser Maßnahmen gibt (Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme), - 6.
die oder der Arbeitslose sich nach einer Aufforderung der Agentur für Arbeit weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einem Integrationskurs nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes oder an einem Kurs der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a des Aufenthaltsgesetzes teilzunehmen, der jeweils für die dauerhafte berufliche Eingliederung notwendig ist (Sperrzeit bei Ablehnung eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung), - 7.
die oder der Arbeitslose die Teilnahme an einem in Nummer 6 genannten Kurs abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einem dieser Kurse gibt (Sperrzeit bei Abbruch eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung), - 8.
die oder der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis), - 9.
die oder der Arbeitslose der Meldepflicht nach § 38 Absatz 1 nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung).
(2) Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Werden mehrere Sperrzeiten durch dasselbe Ereignis begründet, folgen sie in der Reihenfolge des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 bis 9 einander nach.
(3) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen. Sie verkürzt sich
- 1.
auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte, - 2.
auf sechs Wochen, wenn - a)
das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwölf Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte oder - b)
eine Sperrzeit von zwölf Wochen für die arbeitslose Person nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.
(4) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsablehnung, bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, bei Ablehnung eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung oder bei Abbruch eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung beträgt
- 1.
im Fall des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art drei Wochen, - 2.
im Fall des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art sechs Wochen, - 3.
in den übrigen Fällen zwölf Wochen.
(5) Die Dauer einer Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen beträgt zwei Wochen.
(6) Die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis oder bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung beträgt eine Woche.
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.
(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
- 1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht, - 2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und - 3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.
(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.
(1) Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn
- 1.
die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe), - 2.
die bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldete (§ 38 Absatz 1) oder die arbeitslose Person trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch ihr Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung), - 3.
die oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die von der Agentur für Arbeit geforderten Eigenbemühungen nicht nachweist (Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen), - 4.
die oder der Arbeitslose sich weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 45) oder einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen (Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme), - 5.
die oder der Arbeitslose die Teilnahme an einer in Nummer 4 genannten Maßnahme abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer dieser Maßnahmen gibt (Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme), - 6.
die oder der Arbeitslose sich nach einer Aufforderung der Agentur für Arbeit weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einem Integrationskurs nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes oder an einem Kurs der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a des Aufenthaltsgesetzes teilzunehmen, der jeweils für die dauerhafte berufliche Eingliederung notwendig ist (Sperrzeit bei Ablehnung eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung), - 7.
die oder der Arbeitslose die Teilnahme an einem in Nummer 6 genannten Kurs abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einem dieser Kurse gibt (Sperrzeit bei Abbruch eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung), - 8.
die oder der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis), - 9.
die oder der Arbeitslose der Meldepflicht nach § 38 Absatz 1 nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung).
(2) Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Werden mehrere Sperrzeiten durch dasselbe Ereignis begründet, folgen sie in der Reihenfolge des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 bis 9 einander nach.
(3) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen. Sie verkürzt sich
- 1.
auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte, - 2.
auf sechs Wochen, wenn - a)
das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwölf Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte oder - b)
eine Sperrzeit von zwölf Wochen für die arbeitslose Person nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.
(4) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsablehnung, bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, bei Ablehnung eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung oder bei Abbruch eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung beträgt
- 1.
im Fall des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art drei Wochen, - 2.
im Fall des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art sechs Wochen, - 3.
in den übrigen Fällen zwölf Wochen.
(5) Die Dauer einer Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen beträgt zwei Wochen.
(6) Die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis oder bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung beträgt eine Woche.
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.
(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
- 1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht, - 2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und - 3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.
(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.08.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Gründungszuschusses.
3Die am 00.00.1977 geborene Klägerin war ab dem 07.11.2005 als angestellte Rechtsanwältin bei der Rechtsanwaltssozietät Dr. F & Partner beschäftigt. Am 20.09.2010 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitsuchend. Mit Datum vom 28.09.2010 wurde ein (mündlicher) Antrag auf Gründungszuschuss bei der Beklagten erfasst. Die Klägerin schloss mit Unterschriften vom 19. und 22.10.2010 einen Aufhebungsvertrag mit ihrem bisherigen Arbeitgeber. Unter Ziffer 1 heißt es, Arbeitnehmerin und Arbeitgeber seien sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zur Vermeidung einer betriebsbedingten Beendigungskündigung mit Ablauf des 31.10.2010 sein Ende finden werde. Nach Abschluss des Aufhebungsvertrages wurde die Klägerin von ihrem bisherigen Arbeitgeber freigestellt.
4Die Klägerin meldete sich am 25.10.2010 bei der Beklagten zum 01.11.2010 arbeitslos. Am 26.10.2010 schloss die Klägerin mit zwei weiteren Personen, ihrem Vater sowie ihrem jetzigen Prozessbevollmächtigten, einen Partnerschaftsvertrag im Sinne des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes. Gemäß § 2 des Vertrages ist Gegenstand der Partnerschaft die gemeinschaftliche Berufsausübung der Partner als Rechtsanwälte. Gemäß § 3 Abs. 1 des Partnerschaftsvertrages ist die Klägerin mit 30 Prozent an der Partnerschaft beteiligt. Jeder Partner ist gemäß § 3 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrages verpflichtet, der Partnerschaft seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Gemäß § 11 Abs. 1 des Partnerschaftsvertrages beginnt die Partnerschaft zum 02.11.2010, spätestens mit ihrer Eintragung in das Partnerschaftsregister. Gemäß § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrages ist jeder Partner berechtigt, die Partnerschaft mit einer Jahresfrist zum Geschäftsjahresschluss zu kündigen. Unter dem 26.10.2010 meldeten die Klägerin und ihre Partner die Partnerschaftsgesellschaft zur Eintragung in das Partnerschaftsregister bei dem Amtsgericht F an.
5Am 28.10.2010 ging bei der Beklagten das ausgefüllte Formular zum Antrag auf Arbeitslosengeld ein. Darin verneinte die Klägerin die Angabe zur Ausübung einer Nebenbeschäftigung / -tätigkeit als Selbstständige. Auf Blatt 3 des Formulars findet sich die handschriftliche Ergänzung "ab 02.11. Selbstständigkeit" mit Unterschrift der Klägerin.
6Mit Bescheid vom 28.10.2010 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe für die Zeit vom 01.11.2010 bis zum 23.01.2011 wegen der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses bei dem bisherigen Arbeitgeber fest, sowie die Minderung des Anspruchs um 90 Tage. Zudem führte die Beklagte aus, auch nach Ablauf der Sperrzeit würden keine Leistungen gezahlt, weil die Klägerin ab dem 02.11.2010 selbstständig sei. Mit Bescheid vom 02.11.2010 hob die Beklagte "die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 02.11.2010" wegen der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit auf. Dass zuvor ein Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ergangen ist, ist weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich. Die Bescheide wurden bestandskräftig. Der Klägerin erhielt mithin für keinen Tag Arbeitslosengeld ausgezahlt.
7Am 28.10.2010 ging bei der Beklagten zudem der von der Klägerin ausgefüllte Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ein. Die Klägerin legte dazu unter anderem einen Businessplan, den Partnerschaftsvertrag vom 26.10.2010 sowie eine Bestätigung des Finanzamtes zur angezeigten freiberuflichen Tätigkeit ab dem 02.11.2010 vor. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses mit Bescheid vom 24.11.2010 ab mit der Begründung, eine Eigenkündigung und damit die schuldhafte Herbeiführung von Beschäftigungslosigkeit zum Zwecke des Erhalts von Gründungszuschuss sei mit dem Sinn und Zweck der Rechtsnorm des § 57 SGB III grundsätzlich nicht vereinbar. Gründungszuschuss könne deshalb nicht gewährt werden.
8Am 01.12.2010 legte die Klägerin Widerspruch ein. Dem Aufhebungsvertrag sei die Androhung einer Kündigung vorausgegangen. Auf den Gründungszuschuss bestehe ein gebundener Anspruch, wenn die Merkmale des Leistungstatbestandes vorlägen. Die Anspruchsvoraussetzungen lägen vor. Die Ablehnungsentscheidung unter Hinweis auf Sinn und Zweck der Rechtsnorm sei nicht vom Wortlaut der Norm getragen. Die Einschränkungen eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs entgegen den Wortlaut der Norm stelle eine teleologische Reduktion zu Lasten eines Grundrechtsträgers da und sei ein Verstoß gegen das aus dem Rechtstaatsprinzip folgende Bestimmtheitsgebot. Die Hinweise auf "enge zeitliche Zusammenhänge" und einen "Mitnahmeeffekt" seien weder tragfähig noch zulässig. Das Gesetz selbst regle den Fall der Eigenkündigung, als Rechtsfolge sei jedoch nicht die Streichung, sondern nur die Verschiebung um die Sperrfrist von 90 Tagen vorgesehen.
9Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2011 als unbegründet zurück. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 57 SGB III sei es nicht, generell den Einstieg in die Selbstständigkeit zu fördern, sondern einen zusätzlichen Weg aus der Arbeitslosigkeit zu eröffnen. Es seien nur Personen zu fördern, bei denen Arbeitslosigkeit tatsächlich eingetreten sei. Soweit jemand aus anderen Gründen als der Beendigung seiner Arbeitslosigkeit die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit plane, genüge dies nicht, um die Voraussetzungen zu erfüllen. Die bloße Mitnahme des Gründungszuschusses bei der unabhängig von der Arbeitslosigkeit geplanten Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit schließe einen Anspruch auf den Zuschuss aus. Die Klägerin habe die Planung der Selbstständigkeit bereits im September 2009 angezeigt. Sie habe einen Aufhebungsvertrag ohne Einhaltung der Kündigungsfrist beschlossen und Arbeitslosigkeit zum 01.11.2010 selbst herbeigeführt. Es könne davon ausgegangen werden, dass mit Abschluss des Aufhebungsvertrages auch ein anderes Beschäftigungsverhältnis hätte gewählt werden können. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Antrag auf Gründungszuschuss lediglich einen Mitnahmeeffekt darstelle und nicht Arbeitslosigkeit beenden sollte.
10Die Klägerin hat am 21.01.2011 Klage beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren Bezug genommen und ergänzend vorgetragen, sie habe sich im August 2010 an die Wirtschaftsförderung gewandt und dort sei ihr erläutert worden, es bestehe die Möglichkeit, einen Gründungszuschuss zu beantragen. Es sei dort erklärt worden, der Gründungszuschuss werde auch gewährt, wenn man durch eine Eigenkündigung das Arbeitsverhältnis beende. Voraussetzung für die Gewährung sei, dass man mindestens einen Tag lang arbeitslos sei. Hintergrund sei gewesen, dass ihr bisheriger Arbeitgeber ihr im gesamten Verlauf des Jahres 2010 vermittelt habe, dass es dort keine Zukunft für sie geben würde. Es habe Schwierigkeiten unter den Partnern, auch unter Beteiligung ihres Vaters, gegeben. Es wäre ohne Abschluss des Aufhebungsvertrages eine betriebsbedingte Kündigung erklärt worden. Die von der Beklagten vertretene Auslegung der Norm führe zu der widersinnigen Folge, dass zunächst eine längere Zeit abgewartet werden müsse, bevor ein Gründungszuschuss beantragt werden könne. Zudem sei davon auszugehen, dass sich eine entsprechende Verwaltungspraxis herausgebildet habe, die den von der Klägerin beschrittenen Weg zur Gewährung des Gründungszuschusses ermögliche. Sofern im Fall der Klägerin davon abgewichen worden sei, liege ein Verstoß gegen das Willkürverbot vor. Die Nichtgewährung des Gründungszuschusses sei zudem unbillig. Es sei eine erhebliche Anfangsinvestition zu tätigen gewesen.
11Die Klägerin hat beantragt,
12den Bescheid vom 24.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Gründungszuschuss für die Zeit ab 24.01.2011 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat im Wesentlichen auf ihre Begründung im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Sinn und Zweck des Gründungszuschusses sei es, Arbeitslosigkeit zu beenden und nicht Arbeitslosigkeit herbeizuführen, um Gründungszuschuss zu erhalten.
16Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung die Klägerin angehört. Insoweit wird das Sitzungsprotokoll vom 30.08.2013 Bezug genommen.
17Mit Urteil vom 30.08.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses gemäß § 57 SGB III in der bis zum 27.12.2011 geltenden Fassung (SGB III a.F.), weil die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Klägerin habe bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit spätestens am 02.11.2010 keinen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III gehabt. Die Klägerin habe sich zwar zum 01.11.2010 arbeitslos gemeldet und auch die Anwartschaftszeit erfüllt. Sie sei jedoch nicht arbeitslos gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 119 SGB III a.F. gewesen, denn sie sei nicht verfügbar im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 SGB III a.F. gewesen. Sie habe weder eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben können (§ 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III a.F.), noch war sei sie bereit gewesen, jede Beschäftigung im Sinne der Nr. 1 anzunehmen und auszuüben (§119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III a.F.).
18Die Klägerin sei spätestens ab dem 02.11.2010 durch den Partnerschaftsvertrag in ihrer Arbeitskraft anderweitig gebunden gewesen. Die Bindung durch den Partnerschaftsvertrag habe der Aufnahme einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung entgegen gestanden. Die Klägerin hätte allenfalls am 01.11.2010 einer Beschäftigung nachgehen können. Ein auf einen Tag befristetes Beschäftigungsverhältnis entspreche jedoch nicht den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, insbesondere nicht Beschäftigungen, auf die die Beklagte die Vermittlungsbemühungen im Falle der Klägerin als Volljuristin in erster Linie zu erstrecken habe. Die Klägerin sei auch nicht bereit gewesen, sich vom Partnerschaftsvertrag zu lösen. Dieser habe eine Kündigung mit einer Frist von einem Jahr zum Ende des Geschäftsjahres vorgesehen, so dass eine Lösung frühestens zum 31.12.2011 hätte erfolgen können. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, es wäre möglich gewesen, wenn sie mit den Partnern gesprochen und ihnen erklärt hätte, dass sie ein "gutes anderes Angebot" habe, habe die Kammer darin keine ausreichende Bereitschaft zur Lösung von den Verpflichtungen gesehen.
19Die Klägerin sei auch nicht bereit im Sinne des § 119 Abs. 5 Nr. 3 SGB III a.F. gewesen, jede Beschäftigung anzunehmen und auszuüben. Nach ihren Erklärungen in der mündlichen Verhandlung wäre sie allenfalls bereit gewesen, Beschäftigungen nur zu konkreten Bedingungen im Hinblick auf Entgelt, Ortsnähe und Inhalt der Tätigkeit anzunehmen. Angebote, die diese Bedingungen nicht erfüllt hätten, wären für sie nach ihren Einlassungen in der mündlichen Verhandlung nicht infrage gekommen. Die von der Klägerin formulierten Bedingungen hätten der subjektiven Verfügbarkeit insbesondere deshalb entgegen gestanden, weil diese wesentlich enger ausgestaltet gewesen seien, als die gesetzlich vorgesehenen Kriterien für zumutbare Beschäftigungen gemäß § 121 SGB III a.F. So habe die Klägerin unter anderem zu ihren finanziellen Vorstellungen bei einem Arbeitsangebot erklärt, es hätte ein Verdienst ab 4.500 Euro brutto und jedenfalls mehr als in ihrem vorherigen Arbeitsverhältnis sein sollen. Zumutbar sei jedoch gemäß § 121 Abs. 3 SGB III a.F. eine Beschäftigung im Hinblick auf das Arbeitsentgelt (nur) dann nicht, wenn dieses erheblich niedriger ist, als das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zugrunde liegende Arbeitsentgelt. Nicht zumutbar sei in den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit nur eine Minderung von mehr als 20 Prozent.
20Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 04.10.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.10.2013 Berufung eingelegt. Sie meint § 57 Abs. 2 SGB III a.F. setze nur voraus, dass grundsätzlich ein Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen bestehe. Es würde dem gesetzgeberischen Ziel einer Gründungsförderung zuwider laufen, wenn derjenige, der ein Gründungsvorhaben ins Auge fasse, von vornherein gehindert wäre, Dispositionen mit wirtschaftlichen Bindungen einzugehen, oder gezwungen wäre Dispositionen etwa in Gestalt von Mietverträgen oder auch Gesellschaftsverträgen unter eine auflösende Bedingung zu stellen. In jedem Fall wäre eine teleologische Reduktion des Wortlauts des § 57 Abs. 2 SGB III geboten, denn ein Gründungsvorhaben ohne Eingehung vertraglicher Bindungen sei in der Praxis letztlich nicht denkbar. Im Übrigen sei sie sowohl objektiv als auch subjektiv verfügbar gewesen. Ihre Gehaltsvorstellungen seien in Anbetracht ihrer Qualifikationen keinesfalls übertrieben gewesen. Sie habe zudem lediglich Wunschvorstellungen vor dem Hintergrund ihrer mit der geplanten Selbstständigkeit verbundenen Erwartungen geäußert. Das SG hätte darauf abstellen müssen, was sie getan hätte, wenn sie keine partnerschaftlichen Bindungen eingegangen wäre. Im Übrigen sei ihr von der Beklagten erklärt worden, dass in entsprechenden Fällen stets ein Gründungszuschuss gewährt würde. Ein Verstoß gegen diese Verwaltungspraxis sei willkürlich und verletzte sie in ihrem Grundrecht aus Art 3 Abs. 1 GG. Schließlich ändere auch die Sperrzeit nichts am Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 SGB III a.F. Dies folge sowohl aus § 57 Abs. 3 SGB III a.F. als auch aus der bisherigen Rechtsprechung und Literatur.
21Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
22das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.08.2013 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.01.2011 zu verurteilen, ihr für die Zeit ab dem 24.01.20111 Gründungszuschuss nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
23Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
26Mit Richterbrief vom 04.03.2014 hat der Senat die Beteiligten unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 05.05.2010 - B 11 AL 11/09 R - darauf hingewiesen, dass der geltend gemachte Anspruch auch daran scheitern dürfte, dass die Klägerin bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 02.11.2010 wegen der bestandkräftig festgestellten Sperrzeit keinen konkreten Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld hatte. Er hat die Beteiligten ferner darüber in Kenntnis gesetzt, dass eine Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beabsichtigt ist, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Beratungen des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die Berufung ist nach einstimmiger Auffassung der Berufsrichter des Senats zulässig, aber nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält der Senat in Anbetracht der eindeutigen Sach- und Rechtslage nicht für erforderlich Das Rechtsmittel wird daher ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§ 153 Abs. 4 SGG).
30Das SG hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses § 57 SGB III in der hier anwendbaren, vom 01.09.2009 bis zum 27.12.2011 geltenden Fassung (SGB III a.F.).
31Nach § 57 Abs. 1 SGB III a.F. haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Der Gründungszuschuss wird nach § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. geleistet, wenn der Arbeitnehmer
321. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat oder b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buche gefördert worden ist, 2. bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, dessen Dauer nicht allein auf § 127 Absatz 3 beruht, von mindestens 90 Tagen verfügt, 3. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 4. seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
33Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
341. Die Klägerin hat durch die Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit zum 02.11.2010 nicht im Sinne von § 57 Abs. 1 SGB III a.F. ihre Arbeitslosigkeit beendet, denn sie war zu keinem Zeitpunkt im Sinne von §§ 118 Abs. 1 Nr. 1, 119 SGB III in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung (SGB III a.F.) arbeitslos. Sie war durchgehend bis zum 02.11.2010 zumindest nicht im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 3 SGB III subjektiv verfügbar. Trotz ihrer Freistellung durch ihren bisherigen Arbeitgeber nach Abschluss des Aufhebungsvertrages Ende Oktober 2010 hat sie sich bis zum 31.10.2010 den Vermittlungsbemühungen der Beklagte nicht zur Verfügung gestellt, denn sie hat sich erst zum 01.11.2010 arbeitslos gemeldet. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin aber auch am 01.11.2010 nicht bereit war, eine nach § 121 SGB III a.F. zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Insoweit schließt sich der Senat nach eigener Prüfung den zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
35Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Bewertung. Da sich die Klägerin durch § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrags vom 26.10.2010 jedenfalls bis zum 31.12.2011 vertraglich gebunden hatte und nach ihren Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vor dem SG seit Längerem eine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwältin in einer eigenen Kanzlei aufnehmen wollte, ist ihre Behauptung, sie wäre am 01.11.2010 zur Aufnahme einer Beschäftigung bereit gewesen, wenn ihr eine angeboten worden wäre, schlicht nicht glaubhaft. Die Klägerin hat seit Ende Oktober 2010 ausschließlich auf ihre selbstständige Tätigkeit hingearbeitet und am Wochenende vor dem 01.11.2010, einem Montag, die Räumlichkeiten der neu gegründeten Kanzlei bezogen. Zudem wusste sie, dass am 01.11.2010, einem Feiertag in Nordrhein-Westfalen, garantiert kein Vermittlungsangebot der Beklagten erfolgen und ihre in der Arbeitslosmeldung erklärte Bereitschaft zur Beschäftigungsaufnahme keinerlei Folgen nach sich ziehen würde. Insgesamt erscheint deshalb diese formelle Erklärung nur vorgeschoben, um für einen Tag vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach zu konstruieren und so in den Genuss von Gründungszuschuss zu kommen. Dass die Klägerin tatsächlich nicht bereit war, eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen zeigen nicht zuletzt auch ihre Ausführungen im Berufungsverfahren, in denen sie zu bedenken gibt, die von ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem SG geäußerten Gehaltsvorstellungen seien vor dem Hintergrund ihrer mit entsprechenden Erwartungen verbundenen Selbstständigkeit zu betrachten. Letztlich räumt die Klägerin damit ein, dass sie bereits am 01.11.2010 auf ihre selbstständige Tätigkeit fixiert gewesen ist, was in Anbetracht des bereits geschlossenen und zur Anmeldung zum Partnerschaftsregister vorgelegten Partnerschaftsvertrages auch nachvollziehbar ist. Wenn sie weiterhin meint, dass SG hätte auch darauf abstellen müssen, was sie getan hätte, wenn sie keine partnerschaftlichen Bindungen eingegangen wäre, belegt dies gerade, dass die zum 02.11.2010 begonnene Tätigkeit ihrer subjektiven Verfügbarkeit am 01.11.2010 tatsächlich entgegen stand. Bei der subjektiven Verfügbarkeit handelt es sich um eine Tatsache, die hypothetischen Betrachtungen nicht zugänglich ist.
36Dass die Klägerin am 01.11.2010 arbeitslos gewesen ist, steht auch nicht aufgrund bestandskräftiger Bescheide der Beklagten fest. Im Bescheid vom 02.11.2010 hat die Beklagte zwar wörtlich "die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld" aufgehoben. Ein Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld und die Feststellung eines zum 01.11.2010 entstandenen Stammrechts auf Arbeitslosengeld ist jedoch nicht ergangen. Die Klägerin hat den Erlass eines solchen Bewilligungsbescheids nicht behauptet. Auch die Aktenlage gibt insoweit nichts her. Der Bescheid vom 02.11.2010 selbst enthält, wie bereits das SG zutreffend dargelegt hat, entsprechende Regelungen nicht.
37Da die Klägerin mithin zu keinem Zeitpunkt arbeitslos war, kann auch dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 SGB III a.F. auch deshalb nicht vorliegen, weil es an der erforderlichen Kausalität zwischen der Beendigung der Arbeitslosigkeit und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit fehlt, weil das gesamte Vorgehen der Klägerin darauf angelegt war, Arbeitslosigkeit für genau einen Tag zu konstruieren, um einen Gründungszuschuss zu erhalten.
382. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen liegen auch die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. nicht vor. Die Klägerin hat bis zur Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit weder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Tätigkeit ausgeübt noch einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III gehabt.
39Es ist höchstrichterlich geklärt, dass mit "Anspruch" nicht lediglich ein nach § 118 Abs. 1 SGB III entstandenes und fortbestehendes Stammrecht gemeint ist. Vielmehr liegt ein "Anspruch" im Sinne von § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB III a.F. nur vor, wenn die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs auf die jeweilige Entgeltersatzleistung gegeben sind (BSG, Urt. v. 05.05.2010 - B 11 AL 11/09 R -, juris Rn. 16 m.w.N.). Daran fehlt es, wenn der Anspruch auf die jeweilige Entgeltersatzleistung ruht (vgl. BSG, Urt. v. 24.06.1993 - 11 RAr 1/92 -, juris Rn. 17).
40Nach diesen Grundsätzen hatte die Klägerin unabhängig von ihrer nach den Ausführungen zu 1. fehlenden Arbeitslosigkeit bis zur Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit am 02.11.2010 keinen "Anspruch" auf Arbeitslosengeld als die hier allein in Betracht kommende Entgeltleistung, weil ihr allein für den 01.11.2010 denkbarer Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen der mit Bescheid vom 28.10.2010 bestandskräftig festgestellten Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 SGB III a.F. am 01.11.2010 geruht hat. Dementsprechend ist der Klägerin auch für keinen Tag, d.h. auch nicht für den 01.11.2010, Arbeitslosengeld tatsächlich gezahlt worden.
41Ein anderes Ergebnis folgt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus § 57 Abs. 3 SGB III a.F., wonach der Gründungszuschuss nicht geleistet wird, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 142 bis 144 SGB III a.F. vorliegen oder vorgelegen hätten. Diese Vorschrift modifiziert erkennbar nicht die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a SGB III a.F. Sie soll vielmehr sicherstellen, dass die Sanktionsabsicht der Ruhensvorschriften nicht umgangen werden kann (so die Begründung zur Einführung der Regelung beim Überbrückungsgeld ab 01.01.2002 durch das Job-AQTIV-Gesetz v.10.12.2001 (BGBl I 2001, 3443), vgl. BT-Drs. 14/6944, S. 33 zu § 57; zum Ganzen Kuhnke, in: jurisPK-SGB III, § 93 Rn. 28), also auf keinen Fall die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB III erleichtern. § 57 Abs. 3 SGB III a.F. kommt mithin nur dann zur Anwendung, wenn die Voraussetzungen für einen Gründungszuschuss nach § 57 Abs. 1 und 2 SGB III a.F. erfüllt sind, z.B. wenn während des Bezugs von Gründungszuschuss eine Ruhenstatbestand im Sinne der §§ 142 bis 144 SGB III a.F. eintritt oder nach Beginn der Zahlung einer Entgeltersatzleistung der entsprechende Anspruch zum Ruhen kommt, wie z.B. bei Verwirklichung einer Sperrzeit bei Arbeitsablehnung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 SGB III a.F. In diesen Fällen bewirkt § 57 Abs. 3 SGB III a.F., dass der an sich mit Beginn der selbstständigen Tätigkeit entstandene Anspruch auf Gründungszuschuss zum Ruhen kommt und Gründungszuschuss nicht gezahlt wird (vgl. insoweit auch Winkler, in: Gagel, SGB III, § 93 Rn. 27, Stand: April 2012). Wenn jedoch, wie hier, zu keinem Zeitpunkt vor Beginn der selbstständigen Tätigkeit wegen eines Ruhenstatbestandes ein Anspruch auf Zahlung einer Entgeltersatzleistung besteht, kann ein Anspruch auf Gründungszuschuss gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB III a.F. schon gar nicht entstehen.
42Soweit die Klägerin meint, aus der vorstehend zitierten Rechtsprechung des BSG ergebe sich gerade im Gegenteil, dass die von ihr verwirklichte Sperrzeit einem Anspruch auf Gründungszuschuss nicht entgegen stehe, hat sie die Ausführungen des BSG nicht verstanden und aus dem Zusammenhang gerissen. Der Rechtsprechung des BSG lässt sich zwar entnehmen, dass eine Unterbrechung des Bezugs einer Entgeltersatzleistung für die Dauer einer Sperrzeit nichts an der Erfüllung der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a SGB III a.F. ändert (vgl. BSG, Urt. v. 24.06.1993 - 11 RAr 1/92 -, juris Rn. 16; Urt. v. 05.05.2010 - B 11 AL 11/09 R -, juris Rn. 18 ff., 22 a.E.). Diese Rechtsprechung betrifft jedoch das Tatbestandsmerkmal "bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit" und damit das Erfordernis eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Anspruch auf Entgeltersatzleistung, d.h. dem Ende ihrer Zahlung, und dem Beginn der selbstständigen Tätigkeit (hierauf bezieht sich erkennbar auch die Kommentierung von Winkler, a.a.O. Rn. 26). Auf den erforderlichen zeitlichen Zusammenhang kommt es hier jedoch nicht an. Hier liegt auch keine Unterbrechung des Bezugs einer Entgeltersatzleistung vor. Vielmehr hatte die Klägerin wegen der bestandskräftig festgestellten Sperrzeit vor der Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit noch nicht einmal für einen Tag Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld. Nach der Rechtsprechung des BSG ist aber notwendige Bedingung für einen Anspruch auf Gründungszuschuss, dass der Anspruch auf Entgeltersatzleistung zumindest für einen Tag dem Grunde nach entstanden ist und auch nicht ruht, d.h. die Entgeltersatzleistung für mindestens einen Tag vor der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit tatsächlich zu zahlen ist (deutlich BSG, Urt. v. 05.05.2010 - B 11 AL 11/09 R -, juris Rn. 3, 17; Jüttner, in: NK-SGB III, 5. Aufl. 2013, § 93 Rn. 19; Winkler, in: Gagel, SGB III, § 93 Rn. 25, Stand: April 2012). Daran fehlt es hier.
433. Die sonstigen Erwägungen, mit denen die Klägerin den geltend gemachten Anspruch zu begründen versucht, entbehren jeglicher rechtlich tragfähigen Grundlage.
44Für eine "teleologische Reduktion" oder "Billigkeit" lässt die Vorschrift des § 57 SGB III a.F. keinen Raum. Die Klägerin verkennt zudem den Zweck dieser Vorschrift. Diese bezweckt nicht allgemein die Förderung von Existenzgründungen. Ziel der Vorschrift ist vielmehr die Beendigung von Arbeitslosigkeit durch Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Es liegt auf der Hand, dass die bewusste Beendigung einer abhängigen Beschäftigung zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit und die künstliche und hier auch nur scheinbare Begründung von zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit, um einen Gründungszuschuss "mitzunehmen", der Intention des Gesetzgebers nicht entspricht.
45Auf eine für sie günstige Verwaltungspraxis der Beklagten kann sich die Klägerin nicht berufen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Gründungszuschuss könnten durch eine rechtswidrige Verwaltungspraxis der Beklagten nicht ausgehebelt werden. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG, der, wie der Klägerin als Rechtsanwältin eigentlich bekannt sein müsste, keine Gleichheit im Unrecht gewährleistet.
46Schließlich hilft der Klägerin auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch nicht weiter. Insoweit kann dahinstehen, ob der Beklagten überhaupt rechtswidriges Handeln, etwa eine fehlerhafte Beratung, zur Last gelegt werden kann. In jedem Fall können durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch die gesetzlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 und 2 SGB III a.F. nicht umgangen oder modifiziert werden, denn der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist von seiner Rechtsfolge her nur auf die Vornahme einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichtet. Ebenso wenig vermag der sozialrechtliche Herstellungsanspruch etwas an der Verwirklichung des Tatbestandes einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe durch die Klägerin und ihrer fehlenden subjektiven Verfügbarkeit zu ändern. Tatsächliche Gegebenheiten, wie die fehlende Verfügbarkeit, können nicht mit Hilfe eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus der Welt geschafft werden (vgl. BSG, Urt. v. 31.01.2006 - B 11a AL 15/05 R -, juris Rn. 19 m.w.N.).
474. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
485. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.