Sozialgericht Duisburg Urteil, 21. Aug. 2014 - S 10 R 282/13
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2013 verurteilt, der Klägerin unter Zugrundelegung einer am 17.03.2014 eingetretenen vollen Erwerbsminderung auf Zeit Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.10.2014 bis zum 30.09.2016 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
1
Tatbestand:
2Im Streit ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
3Die am 24.05.1964 geborene Klägerin lebt seit 1973 in der Bundesrepublik Deutschland und war zuletzt von 1985 bis 1989 als Hauswirtschaftshelferin in der Wäscherei eines Altenheimes versicherungspflichtig tätig. Sie bezieht seit dem 01.08.2007 Arbeitslosengeld (Alg) II.
4Die Klägerin stellte am 23.05.2012 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine psychiatrische Begutachtung durch Dr. D., der aufgrund einer am 19.07.2012 durchgeführten Untersuchung feststellte, bei der Klägerin bestehe eine derzeitig mittelgradig ausgeprägte rezidivierende Depression und anamnestisch eine posttraumatische Belastungsstörung. Dr. D. kam zu dem Ergebnis, es liege aufgrund dieser Gesundheitsstörungen eine reduzierte psychische Belastbarkeit vor, wobei die Klägerin bei zumutbarer Willensanstrengung leichte geistige und körperliche Tätigkeiten ohne wesentlichen Zeitdruck und ohne wesentlichen Publikumsverkehr in einem zeitlichen Umfang von 6 Stunden täglich und mehr ausüben könne. Auf der Grundlage dieser sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mit der Begründung ab, die Klägerin könne noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.
5Die Klägerin erhob am 23.08.2012 Widerspruch gegen diesen Bescheid und bezog sich zur Begründung auf eine ärztliche Bescheinigung der behandelnden Dipl.-Psych. S. D. vom 04.09.2012, in der ausgeführt wurde, die Klägerin leide an einer gegenwärtig mittelgradigen Episode einer rezidivierenden depressiven Störung und einer posttraumatischen Belastungsstörung und sei aufgrund dieser Erkrankungen nicht in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Daraufhin holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. E. ein, der aufgrund einer Untersuchung vom 13.12.2012 eine ängstlich, selbstunsicher und vermeidend geprägte Störung der Persönlichkeitsentwicklung lebensbegleitend und eine Migräne diagnostizierte und feststellte, die Klägerin könne noch Tätigkeiten ohne Nachtschichtbedingungen, ohne großen Zeitdruck, ohne intensiven Kundenkontakt mit einfachen intellektuellen Anforderungen regelmäßig und vollschichtig ausüben, wobei es sich am Besten um Arbeiten mit einem hohen Routineanteil handeln sollte. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 07.03.2013 mit der Begründung zurück, die Klägerin könne noch körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten leidensangepasster Art regelmäßig und in einem zeitlichen Umfang von täglich 6 Stunden und geringfügig mehr ausüben. Mit diesem Restleistungsvermögen könne sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden.
6Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 18.03.2013 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit lägen vor, weil sie z. Z. gesundheitlich nicht in der Lage sei, einer körperlich leichten und geistig einfachen Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von 3 Stunden täglich nachzugehen.
7Die Klägerin beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2013 zu verurteilen, ihr unter Zugrundelegung einer am 17.03.2014 eingetretenen vollen Erwerbsminderung auf Zeit Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 01.10.2014 bis zum 30.09.2016 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie ist der Ansicht, die Klägerin sei nicht voll erwerbsgemindert, da sie körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von 6 Stunden täglich und mehr ausüben könne. Soweit das Gericht ein psychiatrisches Gutachten der Sachverständigen B. Vortkamp eingeholt habe, sei dieses nicht verwertbar, da es unter Beteiligung einer weiteren Ärztin erstellt worden sei und aus dem Gutachten nicht hervorgehe, welche Daten jeweils von der Sachverständigen und von der Hilfsperson erhoben und ausgewertet worden seien.
12Das Gericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Psychiaterin Dr. K., des Allgemeinmediziners Dr. G., der Dipl.-Psych. S. D., des Augenarztes Dr. Seipolt sowie der Neurologin und Psychiaterin Dr. Henke eingeholt. Hinsichtlich des Gesundheitszustandes und des Leistungsvermögens der Klägerin im Erwerbsleben ist darüber hinaus Beweis erhoben worden durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens der B. V. aufgrund Untersuchungen vom 17.03. und 24.03.2014 und einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme der Frau V. vom 12.06.2014 zu der Frage, in welcher Art und Weise Frau Dr. H. an der Erstellung des Gutachtens mitgewirkt hat. Wegen der Einzelheiten und des Ergebnisses der Begutachtung wird auf Blatt 44 bis 87 und 91 bis 93 der Gerichtsakte Bezug genommen.
13Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
14Entscheidungsgründe:
15Die Klage ist zulässig und begründet.
16Der Bescheid der Beklagten ist insoweit rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), als die Klägerin für den Zeitraum vom 01.10.2014 bis zum 30.09.2016 einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit hat.
17Nach § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs 1 S 2 SGB VI). Volle Erwerbsminderung liegt nach § 43 Abs 2 S 2 SGB VI vor, wenn Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein; dagegen ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann (§ 43 Abs 3 SGB VI).
18Die Klägerin ist voll erwerbsgemindert, da sie aufgrund ihrer Gesundheitsstörungen seit März 2014 gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden erwerbstätig zu sein. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der durchgeführten medizinischen Beweisaufnahme fest.
19Danach leidet die Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet an einer posttraumatischen Belastungsstörung, die sich als verzögerte Reaktion auf während der Kindheit und der Jugend regelmäßig erlebte massive Misshandlungen und sexuelle Übergriffe durch den Vater entwickelt hat. Auf dem Boden der posttraumatischen Belastungsreaktion hat sich bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung entwickelt, wobei zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung durch die Sachverständige B. V. eine mittelgradige depressive Episode vorlag. Darüber hinaus besteht bei der Klägerin eine ängstliche Persönlichkeitsstörung, die durch Gefühle von Anspannung, Besorgtheit, Unsicherheit und Minderwertigkeit gekennzeichnet ist.
20Aufgrund dieser Erkrankungen ist das Leistungsvermögen der Klägerin sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht maßgeblich eingeschränkt. Die Klägerin kann aufgrund der verminderten Belastbarkeit nur noch geistig einfache Arbeiten mit geringen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbe- wusstsein und Zuverlässigkeit verrichten. Im Hinblick auf die erhöhte psychovegetative Labilität und die verminderte Stresstoleranz sind ihr Arbeiten unter Wechselschicht- und Nachtschichtbedingungen, unter besonderem Zeitdruck und mit häufigem Publikumsverkehr nicht möglich. Die Belastbarkeit der Klägerin ist z. Z. so erheblich eingeschränkt, dass auch unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen ein Leistungsvermögen von weniger als 3 Stunden täglich besteht. Dies ergibt sich daraus, dass die Stresstoleranz der Klägerin als sehr gering zu beurteilen ist und ihre Fähigkeit, alltägliche Konflikte auszuhalten und adäquat zu bewältigen, erheblich reduziert ist. Darüber hinaus besteht bei der Klägerin eine erhöhte affektive Irritierbarkeit, eine erhebliche psychovegetative Labilität und eine verminderte Belastbarkeit für Konzentrationsaufgaben. Die Fähigkeit, sich im Rahmen einer Erwerbstätigkeit flexibel auf ungewohnte Situationen oder neue Aufgaben einzustellen, ist eingeschränkt. Aufgrund ihrer eingeschränkten psychophysischen Belastbarkeit und ihrer störungsimmanent begrenzten Kompensationsmöglichkeit würde die Klägerin durch die Ausübung einer 3-stündigen oder länger dauernden Erwerbstätigkeit überfordert, was mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer weiteren Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes führen würde.
21Die Kammer folgt hinsichtlich dieser Feststellungen der Sachverständigen B. V ... Die von der Sachverständigen getroffenen Feststellungen zu den Erkrankungen der Klägerin und die vor dem Hintergrund der Erkrankungen vorgenommene sozialmedizinische Leistungsbeurteilung war für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend. Die Sachverständige hat sich detailliert mit den einzelnen Krankheitsbildern und den geltend gemachten Beschwerden der Klägerin auseinandergesetzt, Art und Schwere der daraus resultierenden Funktionsstörungen dargelegt und die sich daraus ergebenden Konsequenzen in sozialmedizinischer Hinsicht nachvollziehbar beschrieben. Ihre sozialmedizinische Leistungsbeurteilung wird bestätigt durch die Psychiaterin Dr. K., bei der die Klägerin in der Zeit von November 2005 bis Januar 2012 langjährig in Behandlung war. Dr. Klocker führt in ihrem Befundbericht aus, dass die Klägerin an rezidivierenden depressiven Episoden und Anteilen einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung leide und im Rahmen der langjährigen Behandlung lediglich eine Stabilisierung auf reduziertem Niveau mit fortbestehender Minderbelastbarkeit erreichbar gewesen sei. Dementsprechend sei die Klägerin auch bei der letzten Untersuchung vor ihrem Umzug im Januar 2012 krankheitsbedingt nicht ausreichend belastbar gewesen für eine vollschichtige Tätigkeit. Die die Klägerin anschließend seit Februar 2012 behandelnde Neurologin und Psychiaterin Dr. H. führt in ihrem vom Gericht eingeholten Befundbericht ebenfalls aus, dass die Klägerin gesundheitlich nicht in der Lage sei, vollschichtig einer Tätigkeit nachzugehen. Sie könne allenfalls eine leichte Tätigkeit mit einer tatsächlichen Arbeitszeit unter 3 Stunden mit entsprechenden Pausen ohne Zeitdruck und ohne Publikumsverkehr ausüben. Schließlich bestätigt die langjährig behandelnde Psychotherapeutin S. D. in ihrem Befundbericht die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung und einer posttraumatischen Belastungsstörung und die Einschätzung der Sachverständigen B. V., dass die Klägerin nicht in der Lage ist, einer Berufstätigkeit nachzugehen. Danach ist es im Rahmen der langjährigen psychotherapeutischen Behandlung nicht gelungen, eine ausreichende psychische und körperliche Belastbarkeit herzustellen. Da schon die normalen Alltagssituationen die Klägerin regelmäßig in psychophysische Überforderungssituationen bringen würden, wäre nach der Einschätzung der Psychotherapeutin D. bereits eine Teilzeittätigkeit eine so starke Überforderung für die Klägerin, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine psychische und/oder körperliche Dekompensation die Folge wäre.
22Die von der Sachverständigen B. V. vorgenommene sozialmedizinische Leistungsbeurteilung wird zur Überzeugung der Kammer durch die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. D. und des Dr. E. nicht widerlegt. Zum Einen geht das Gericht von einem seit den gutachterlichen Untersuchungen durch Frau V. und Dr. H. vom 17.03.2014 bzw. 24.03.2014 nachgewiesenen unter 3-stündigem Leistungsvermögen aus, während die Untersuchungen bei Dr. D. und Dr. E. im Juli 2012 bzw. im Dezember 2012 stattfanden. Zum Anderen hält das Gericht die sozialmedizinischen Leistungsbeurteilungen sowohl des Dr. D. als auch des Dr. E. für nicht überzeugend, weil nicht alle psychiatrischen Erkrankungen der Klägerin berücksichtigt worden sind. Die posttraumatische Belastungsstörung wird bei Dr. D. lediglich als anamnestische Diagnose angegeben, während sie in dem Gutachten des Dr. E. keine Erwähnung und Berücksichtigung gefunden hat. Dagegen hat die Sachverständige B. V. überzeugend dargelegt, dass die typischen Merkmale einer posttraumatischen Belastungsstörung wie das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flash-backs), in Träumen und Alpträumen, situative Ängste sowie eine erhöhte Reizbarkeit und Schreckhaftigkeit bei der Klägerin vorliegen würden, so dass von einer unvollständig remittierten posttraumatischen Belastungsstörung auszugehen sei. Zudem fehlt in dem Gutachten des Dr. E. darüber hinaus die Berücksichtigung der bei der Klägerin langjährig bestehenden rezidivierenden depressiven Störung, die in der Vergangenheit bereits zu mehreren mehrmonatigen stationären Behandlungen geführt hat und sowohl im Rahmen der Begutachtung durch Dr. D., als auch bei der gutachterlichen Untersuchung durch B. V. im Ausprägungsgrad einer mittelgradigen depressiven Episode diagnostiziert worden ist. Die Sachverständige B. V. hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass die langjährige bestehende depressive Störung in der sozialmedizinischen Beurteilung nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben könne, auch wenn zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. E. im Juli 2012 die depressive Symptomatik remittiert gewesen sei.
23Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das psychiatrische Gutachten der B. V. in prozessualer Hinsicht in vollem Umfang verwertbar, obwohl die vom Gericht ernannte Sachverständige die Ärztin Dr. H.bei der Erstellung des Gutachtens hinzugezogen hat. § 407 a Abs 2 S 2 letzter Halbsatz ZPO, der nach § 118 Abs 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar ist, erlaubt einem vom Gericht ernannten Sachverständigen, sich zur Erledigung des Gutachtenauftrages anderer Personen, dh auch anderer Ärzte zu bedienen. Erforderlich ist insoweit, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige die volle persönliche Verantwortung für das Gutachten übernimmt. Dies hat die Sachverständige B. V. uneingeschränkt getan, indem sie das Gutachten mit dem Zusatz "aufgrund eigener Exploration und Urteilsbildung" eigenhändig unterschrieben hat (vgl. Meyer-Keller Komm. zum SGG § 118 Rn 11g mwN). Zudem hat die Sachverständige B. V. entsprechend der Vorschrift des § 407 a Abs 2 S 2 ZPO den Umfang der Mitarbeit der Ärztin Dr. H. angegeben und diese namhaft gemacht, indem sie am Ende des Gutachtens ausgeführt hat, das Gutachten sei unter Mitarbeit der Ärztin Frau H. erstellt worden, die als ärztliche Hilfskraft bei der Anamneseerhebung, den Testauswertungen und den Befunddokumentationen hinzugezogen worden sei.
24Schließlich hat die Sachverständige B. V. auch nicht die Grenze der erlaubten Mitarbeit überschritten, was zur Folge hätte, dass das Gutachten nicht verwertet werden könnte. Nach der zu § 407 a Abs 2 ZPO ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, wird die Grenze der erlaubten Mitarbeit überschritten, wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit eines weiteren Arztes gefolgert werden kann, dass der beauftragte Sachverständige seine das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden Zentralaufgaben nicht selbst wahrgenommen, sondern delegiert hat (vgl. BSG vom 05.05.2009, Az.: B 13 R 535/08 B mwN). Bei der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens ist es daher erforderlich, dass der Sachverständige eine persönliche Begegnung mit dem Probanden und ein explorierendes Gespräch im wesentlichen Umfang selbst durchführt (BSG vom 17.04.2013, Az.: B 9 V 36/12 B; BSG vom 05.05.2009, Az.: B 13 R 535/09 B).
25Aus den Ausführungen der Sachverständigen B. V. in ihrer vom Gericht eingeholten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme ergibt sich, dass sie die das Gutachten prägenden Zentralaufgaben selbst wahrgenommen und nicht auf die Mitarbeiterin Dr. H. delegiert hat. Danach fand im Rahmen des Untersuchungstermins vom 24.03.2014 eine längere persönliche Begegnung der Sachverständigen B. V. mit der Klägerin und ein ausführliches Explorationsgespräch statt. Die Sachverständige hat eine Befragung der Klägerin zum Beschwerdebild und zur Entwicklung der Beschwerden durchgeführt, eine biographische Anamnese unter konfliktdynamischen Aspekten erhoben und den psychopathologischen Befund unter Einbeziehung des klinischen Eindruckes, der Verhaltensbeobachtung und der beziehungsdiagnostischen Wahrnehmung erhoben. Zudem wurde die Interpretation der Testergebnisse und deren Bewertung im Gesamt-Kontext ausschließlich durch die Sachverständige B. Vortkamp vorgenommen. Somit hat die Sachverständige einen unverzichtbaren Kern von ihr selbst zu erbringender Zentralaufgaben selbst wahrgenommen und nicht delegiert, so dass die Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 407 a Abs 2 ZPO eingehalten wurden. Aufgrund der Angaben der Klägerin im Untersuchungstermin vom 21.08.2014, dass die Begutachtung durch Frau V. so abgelaufen sei, wie dies von Frau V. in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme dargestellt worden sei, bestehen seitens des Gerichts keine Zweifel, dass die Angaben der Sachverständigen zutreffend sind und die von der Sachverständigen zu erbringenden Zentralaufgaben nicht auf die mitarbeitende Ärztin Dr. H. übertragen worden sind. Soweit die Beklagte die Auffassung vertreten hat, es müsse im Einzelnen nachvollziehbar sein, welche Daten von welcher der beteiligten Personen jeweils erhoben und ausgewertet worden seien, werden Anforderungen gestellt, die sich weder aus dem Gesetz herleiten lassen, noch der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 407 Abs 2 S 2 ZPO entsprechen. Aus dem Gutachten muss sich nicht ergeben, welche einzelnen anamnestischen Angaben, welche einzelnen Befunde und welche einzelnen Daten jeweils von der Sachverständigen bzw. von der hinzugezogenen ärztlichen Hilfskraft erhoben worden sind. Vielmehr ist nach § 407 a Abs 2 S 2 ZPO lediglich der Umfang der Tätigkeit der mitarbeitenden Person unter dem Gesichtspunkt anzugeben, ob eine persönliche Begegnung der Sachverständigen mit dem Probanden und ein explorierendes Gespräch stattgefunden hat, was als unverzichtbarer Bestandteil der Übernahme der vollen Verantwortung für das Gutachten anzusehen ist. Die Sachverständige B. V. hat nicht nur dargelegt, dass eine persönliche Begegnung in Gestalt eines ausführlichen Explorationsgespräches stattgefunden hat, sondern hat darüber hinaus substantiiert den Inhalt und den Umfang der von ihr durchgeführten Exploration dargelegt, so dass nachvollziehbar geworden ist, dass sie den unverzichtbaren Kern der von ihr selbst zu erbringenden zentralen Aufgaben selbst wahrgenommen und nicht delegiert hat. Damit hat die Sachverständige das Gutachten innerhalb der nach § 407 a Abs 2 S 2 ZPO gezogenen Grenzen erstellt, so dass das Gutachten uneingeschränkt verwertbar ist.
26Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit. Nach § 102 Abs 2 S 1 SGB VI sind Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit grundsätzlich auf Zeit zu leisten. Die in § 102 Abs 1 S 4 SGB VI geregelte Ausnahme, wonach Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, unbefristet geleistet werden, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, greift nicht ein. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann eine Unwahrscheinlichkeit der Behebung einer Leistungsminderung im Sinne des § 102 Abs 1 S 4 SGB VI erst dann angenommen werden, wenn alle therapeutischen Maßnahmen ausgeschöpft bzw. nicht erfolgversprechend sind. Die Sachverständige B. V. hat jedoch Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt, die noch nicht durchgeführt worden sind und langfristig zu einer Besserung des Gesundheitszustandes und der Leistungsfähigkeit der Klägerin führen können. Sie hat insbesondere die Durchführung einer psychotraumatologischen Behandlung in einem stationären oder teilstationären Setting in einer spezialisierten Einrichtung empfohlen. Der Umstand, dass die Erfolgsaussichten dieser Behandlungsmaßnahmen nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden können, führt nicht zur Annahme der Unwahrscheinlichkeit der Behebung der Leistungseinschränkung, da aufgrund des gesetzlichen Regel-Ausnahme-Verhältnisses Unsicherheiten der Prognose zu Lasten der Klägerin gehen (BSG vom 29.03.2006, Az.: B 13 RJ 31/05 R).
27Der Beginn der Erwerbsminderungsrente ergibt sich aus § 101 Abs 1 SGB VI, wonach befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des 7. Kalendermonats geleistet werden. Aufgrund der seit dem 17.03.2014 nachgewiesenen vollen Erwerbsminderung auf Zeit ist die Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 01.10.2014 zu leisten. Da die Sachverständige bei Inanspruchnahme einer psychotraumatologischen Behandlung in einer spezialisierten Einrichtung und einer anschließenden intensivierten psychotherapeutischen ambulanten Behandlung von einem Behandlungserfolg bei der Klägerin erst nach Ablauf von zwei Jahren ausgeht, war die Rente bis zum 30.09.2016 zu gewähren.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Duisburg Urteil, 21. Aug. 2014 - S 10 R 282/13
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(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
- 1.
teilweise erwerbsgemindert sind, - 2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und - 3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
- 1.
voll erwerbsgemindert sind, - 2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und - 3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
- 1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und - 2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:
- 1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, - 2.
Berücksichtigungszeiten, - 3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt, - 4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.
(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.
(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.
(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.
(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.
(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.
Tenor
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Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. Mai 2012 insoweit aufgehoben, als es die Ansprüche der Klägerin auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen sowie auf Gewährung einer höheren Grundrente, eines höheren Berufsschadensausgleichs und einer höheren Ausgleichsrente betrifft.
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In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
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Im Übrigen wird die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen.
Gründe
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I. Mit Urteil vom 24.5.2012 hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Folgen rechtsstaatswidriger Maßnahmen der DDR, auf Gewährung zeitlich früherer, höherer und zusätzlicher Versorgungsleistungen sowie auf Herausgabe von Erstattungsbeträgen verneint. Die Geltendmachung weiterer Ansprüche hat es als unzulässig angesehen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Vorliegen von Verfahrensmängeln sowie einer Divergenz (Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 und 3 SGG) begründet.
- 2
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist teilweise zulässig und begründet. Im Übrigen ist sie unzulässig.
- 3
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Die Klägerin hat ausweislich ihres in mehrere Punkte gegliederten Berufungsantrages eine Anzahl materieller Ansprüche verfolgt, die auch prozessual voneinander getrennt behandelt und etwa gemäß § 202 SGG iVm § 301 ZPO nach jeweiliger Entscheidungsreife durch Teilurteile hätten erledigt werden können(Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 125 RdNr 3a). Das Vorliegen von Revisionszulassungsgründen ist grundsätzlich für jeden abtrennbaren, tatsächlich und rechtlich selbstständigen Teil des Streitstoffes gesondert zu prüfen (vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 160 RdNr 28a mwN).
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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie vorliegend - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 S 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
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Diese Darlegung ist der Klägerin hinsichtlich der als Verfahrensmangel gerügten Verwertung des Gutachtens des Prof. Dr. F durch das LSG gelungen. Die Rüge ist auch erfolgreich. Durch die Heranziehung und Verwertung des bereits im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. F vom 24.7.2001 hat das LSG § 118 Abs 1 SGG iVm § 407a Abs 2 ZPO verletzt. Diese Vorschriften betreffen unmittelbar zwar nur die Einholung von Sachverständigengutachten durch das Gericht selbst. Aber auch für die Einholung eines Gutachtens durch die Verwaltung gelten gemäß § 21 SGB X ähnliche Grundsätze(s auch § 26 VwVfG). Danach besteht für Sachverständige die Pflicht zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschriften vorgesehen ist (§ 21 Abs 3 S 1 SGB X). Zudem muss der Sachverständige unparteiisch sein. Er darf von der Teilnahme am Verwaltungsverfahren weder kraft Gesetzes noch wegen Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossen sein (§§ 16, 17 SGB X; s auch §§ 20, 21 VwVfG, dazu Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl 2012, § 26 RdNr 31). Auch die inhaltlichen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Sachverständigengutachten, wie sie § 407a Abs 2 ZPO normiert, muss ein im Verwaltungsverfahren eingeholtes Gutachten grundsätzlich erfüllen(vgl Ramsauer, aaO, RdNr 30).
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Jedenfalls hat ein Gericht, welches unter Verzicht auf Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zulässigerweise ein bereits im Verwaltungsverfahren eingeholtes Sachverständigengutachten (§ 21 Abs 1 S 2 Nr 2, Abs 3 SGB X) im Wege des Urkundsbeweises (s Keller, aaO, § 128 RdNr 7 f mwN; BSG Urteil vom 8.12.1988 - 2/9b RU 66/87 - Juris) verwerten will, sicherzustellen, dass der das Gutachten verantwortlich Unterzeichnende die Vorschriften des § 407a Abs 2 ZPO beachtet hat. Dies folgt zwingend daraus, dass im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten in der Regel kein geringerer Beweiswert beizumessen ist als gerichtlich eingeholten Gutachten (s Keller, aaO, mwN).
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Gemäß § 407a Abs 2 S 1 ZPO ist der Sachverständige nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Soweit er sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt (§ 407a Abs 2 S 2 ZPO). Nach der zu § 407a Abs 2 ZPO ergangenen Rechtsprechung des BSG muss der Sachverständige die zentralen Aufgaben der Begutachtung selbst erbringen(Keller, aaO, § 118 RdNr 11h mwN). Inwieweit die Durchführung der persönlichen Untersuchung des Probanden zum sog unverzichtbaren Kern der vom Sachverständigen selbst zu erfüllenden Zentralaufgaben zählt, hängt von der Art der Untersuchung ab. Je stärker die Untersuchung auf objektivierbare und dokumentierbare organmedizinische Befunde bezogen ist, umso eher ist die Einbeziehung von Mitarbeitern möglich (Keller, aaO). Bei psychologischen und psychiatrischen Gutachten muss der Sachverständige die persönliche Begegnung mit dem Probanden und das explorierende Gespräch im wesentlichen Umfang selbst durchführen (BSG Beschluss vom 18.9.2003 - B 9 VU 2/03 B - SozR 4-1750 § 407a Nr 1; BSG Beschluss vom 5.5.2009 - B 13 R 535/08 B - Juris; Keller, aaO).
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Die Klägerin hat mit der Nichtzulassungsbeschwerde - zutreffend - darauf hingewiesen, auf ein Verbot der Verwertung des Gutachtens des Prof. Dr. F schon in ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 10.5.2010 gegenüber dem LSG hingewiesen zu haben. Darin hat die Klägerin behauptet, Prof. Dr. F lediglich auf dem Flur des Instituts gesehen zu haben, als er Dr. L zugerufen habe, dass er nun zum Zahnarzt ginge. Die gutachterlichen Untersuchungen seien von Dr. L durchgeführt worden. Diesem erheblichen Einwand gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens des Prof. Dr. F wegen einer Verletzung des § 407a Abs 2 ZPO ist das LSG nicht nachgegangen. Allein der vom LSG in diesem Zusammenhang genannte Umstand, dass Prof. Dr. F das Gutachten mit der Formulierung "einverstanden aufgrund eigener Untersuchung und Urteilsbildung" unterzeichnet hat (Urteilsumdruck S 31) belegt angesichts der detaillierten und abweichenden Darstellung der Klägerin nicht, dass der Sachverständige die Klägerin tatsächlich persönlich untersucht hat. Zweifel sind hier auch deshalb geboten, weil nicht festgestellt ist, dass der im Verwaltungsverfahren beauftragte Sachverständige Prof. Dr. F wie bei einer Beauftragung durch ein Gericht eindringlich auf seine Pflichten nach § 407a Abs 2 ZPO hingewiesen worden ist.
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Die Klägerin hat das Recht zur Rüge dieses Mangels des Gutachtens des Prof. Dr. F auch nicht im laufenden Gerichtsverfahren nach Maßgabe des § 295 ZPO verloren. Nach dieser gemäß § 202 SGG entsprechend anwendbaren Vorschrift(BSG SozR 1500 § 160a Nr 61 mwN) kann die Verletzung einer das Verfahren betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung (…) den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste. Zwar hat die Klägerin die Verwertung dieses im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens vor der Entscheidung des SG nicht gerügt. Es bestand dafür indes keine Veranlassung, denn der angefochtene Verwaltungsakt ist nicht auf dieses Gutachten, sondern auf das am 17.9.2002 von Dr. H erstattete Gutachten gestützt worden. Darüber hinaus hat das SG erst in seinem Urteil vom 13.6.2007 auf das Gutachten von Prof. Dr. F Bezug genommen. Nachdem das SG dieses Gutachten in seinem Urteil verwertet hatte, ist das erstmalige Eingehen der Klägerin darauf im Rahmen ihrer Berufungsbegründung ausreichend. Die Klägerin hat auch dadurch das Rügerecht nicht verloren, dass sie der Verwertung des Gutachtens des Prof. Dr. F in der mündlichen Verhandlung des LSG nicht erneut ausdrücklich widersprochen hat. § 295 ZPO ist auf den sog Anwaltsprozess zugeschnitten und verlangt dem Anwalt ab, eine bereits schriftsätzlich angebrachte Verfahrensrüge in der nächsten mündlichen Verhandlung des Gerichts zu wiederholen. Hiervon ist bei einem nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten eine Ausnahme zu machen, weil das Gericht grundsätzlich auf eine angemessene und sachdienliche Antragstellung hinzuwirken hat (§ 112 Abs 2 S 2 SGG) und nicht rechtskundige Beteiligte durch eine Regelung wie § 295 ZPO, die zu einem Verlust des Rügerechts führt, überrascht sein können(BSG SozR 4-1750 § 407a Nr 1 = SGb 2004, 363 mit zust Anm von Roller; ebenso zum Zivilprozess Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl 2012, § 295 RdNr 9 mwN).
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Von diesem Verfahrensmangel betroffen sind allerdings nur die Ansprüche der Klägerin auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen sowie auf Gewährung einer höheren Grundrente, eines höheren Berufsschadensausgleichs und einer höheren Ausgleichsrente, denn nur hinsichtlich dieser Ansprüche ist das genannte Gutachten des Prof. Dr. F von Bedeutung (s Urteil des LSG zu A., B., C. und D.). Hinsichtlich des Anspruchs auf Feststellung einer weiteren schädigungsbedingten Gesundheitsstörung (schwere posttraumatische Belastungsstörung - PTBS -) und der Höhe des Berufsschadensausgleichs hat sich das LSG ausdrücklich auf das Gutachten des Prof. Dr. F gestützt und insbesondere die Feststellung der geltend gemachten schweren PTBS als Schädigungsfolge abgelehnt. Hinsichtlich des Anspruchs auf höhere Grundrente und Ausgleichsrente fehlt zwar eine ausdrückliche Bezugnahme des LSG auf dieses Gutachten. Da die Höhe dieser Leistungen indes von der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) abhängt, die MdE selbst aber von dem Umfang der anerkannten Schädigungsfolgen bestimmt wird, liegt der rechtliche Zusammenhang mit dem Anspruch auf Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen auf der Hand.
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Soweit das LSG zugleich auch über den rechtmäßigen Beginn der Grundrente, des Berufsschadensausgleichs und der Ausgleichsrente entschieden hat, fehlt es an einem entsprechenden rechtlichen Zusammenhang mit der Verneinung des Anspruchs auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen, denn das LSG hat die Ansprüche auf früheren Leistungsbeginn aus Rechtsgründen verneint.
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Auch hinsichtlich der vom LSG als unzulässig angesehenen Anträge der Klägerin (Anfechtung mehrerer Bescheide, die von dem Verfahrensvergleich vom 13.6.2007 erfasst werden; Ansprüche nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz; Ansprüche auf Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie auf Herausgabe eines von der BfA an den Beklagten bezahlten Betrages) sowie hinsichtlich der Ansprüche der Klägerin auf andere Versorgungsleistungen (s Urteil des LSG zu E. - Gewährung eines Ehegatten- und Kinderzuschlages - und F. - Auszahlung der an andere Stellen erstatteten Beträge -) hat das LSG das Gutachten des Prof. Dr. F nicht herangezogen. Es besteht auch kein ausreichender rechtlicher Zusammenhang mit den Ansprüchen, bei denen dies der Fall ist.
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Soweit die Klägerin die Verwertung des Gutachtens des Prof. Dr. F unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten (Verletzung anderer Verfahrensvorschriften und Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) angreift, kommt es nicht darauf an, ob ihr Vorbringen insoweit die Anforderung des § 160a Abs 2 S 3 SGG erfüllt. Denn diesbezüglich greift bereits die Rüge der Verletzung von § 118 Abs 1 SGG, § 407a Abs 2 ZPO durch. Dies gilt entsprechend auch für andere Rügen, die sich auf die Streitpunkte beziehen, die von dieser erfolgreichen Verfahrensrüge erfasst werden (Ansprüche der Klägerin auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen sowie auf Gewährung einer höheren Grundrente, eines höheren Berufsschadensausgleichs und einer höheren Ausgleichsrente). Dementsprechend erübrigt sich ein Eingehen auf die Rüge der Klägerin, das LSG habe Teile ihres Klageantrages unberücksichtigt gelassen, soweit sich die betreffenden Anträge auf die Höhe des Berufsschadensausgleichs ("Bescheid vom 11.9.2009 - R 1 "Ost") und auf die Feststellung von Schädigungsfolgen ("Bezeichnung der schädigungsbedingten Gesundheitsstörungen") beziehen.
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Soweit es die Klägerin als Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) ansieht, dass sie der Berichterstatter in der mündliche Verhandlung als von den SED-Idealen überzeugte Person, also als Täterin und nicht als Opfer, bezeichnet habe, hat sie angesichts des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG keinen im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde rügefähigen Verfahrensmangel bezeichnet. Zunächst kommt es insoweit allein auf die Feststellungen des Gerichts im Urteil selbst, nicht aber auf Äußerungen einzelner Mitglieder des Spruchkörpers vor der Entscheidung an. Die Klägerin hat nicht deutlich gemacht, inwiefern das LSG die von ihr kritisierte Annahme des Berichterstatters seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Darüber hinaus hat die Klägerin keinen Beweisantrag bezeichnet, den das LSG diesbezüglich übergangen haben könnte. Im Übrigen handelt es sich im Kern um die Behauptung einer unrichtigen Beweiswürdigung des LSG. Eine solche Rüge kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 S 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) gestützt werden kann.
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Ansonsten hat die Klägerin ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht, die sich auf das gesamte Berufungsurteil beziehen. Insoweit entspricht die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG. Damit ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig, soweit sie die nicht von der erfolgreichen Verfahrensrüge (Unzulässigkeit der Verwertung des Gutachtens von Prof. Dr. F) erfassten Streitpunkte betrifft.
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In Bezug auf das gesamte Urteil rügt die Klägerin insbesondere unter verschiedenen Gesichtspunkten Verletzungen ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Dieses Verfahrensgrundrecht (Art 103 GG, § 62 SGG) soll nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen mit einbezogen wird (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). Der aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Anspruch auf ein faires Verfahren ist nur verletzt, wenn grundlegende Rechtsschutzstandards, wie das Gebot der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten, das Verbot von widersprüchlichem Verhalten oder von Überraschungsentscheidungen nicht gewahrt werden (vgl BVerfGE 78, 123, 126; BVerfG SozR 3-1500 § 161 Nr 5; BSG SozR 3-1750 § 565 Nr 1; SozR 3-1500 § 112 Nr 2; BSG Beschluss vom 25.6.2002 - B 11 AL 21/02 B -). In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass ein Verstoß gegen § 62 SGG nicht geltend gemacht werden kann, wenn der Beteiligte von gegebenen prozessualen Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, keinen Gebrauch gemacht hat. Dementsprechend hat er mit der Nichtzulassungsbeschwerde darzulegen, dass er seinerseits alles getan habe, um sich Gehör zu verschaffen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22).
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Soweit die Klägerin zunächst vorbringt, dass die vom LSG für die mündliche Verhandlung vorgesehene Zeit von fünfundvierzig Minuten zu kurz gewesen sei, um den höchst umfangreichen Prozessstoff erschöpfend zu erörtern und ihr vor der Verhandlung der angesetzte Zeitrahmen nicht mitgeteilt worden sei, hat sie eine Verletzung des § 62 SGG nicht hinreichend dargestellt. Für eine mögliche Verletzung des rechtlichen Gehörs eines Beteiligten kommt es nicht auf die beabsichtigte Dauer einer mündlichen Verhandlung, sondern auf deren tatsächliche Dauer und insbesondere darauf an, ob der Beteiligte ausreichend zu Wort gekommen ist. Zur Darlegung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs hätte die Klägerin daher ausführen müssen, dass und welche entscheidungserheblichen Umstände in der mündlichen Verhandlung nicht oder nicht ausreichend erörtert worden sind und inwiefern sie durch die Verhandlungsführung des LSG gehindert worden ist, alle ihr wichtig erscheinenden Gesichtspunkte vorzutragen. Dies hat sie unterlassen. Ihre pauschale Behauptung, sie habe keine Möglichkeit gehabt, Anträge (insbesondere auf Vertagung) zu stellen, reicht insoweit nicht aus.
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Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang beanstandet, dass das LSG ihr persönliches Erscheinen nicht angeordnet habe. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung steht gemäß § 111 Abs 1 SGG im Ermessen des Vorsitzenden des zuständigen Spruchkörpers. Vorrangiger Zweck der Regelung ist die Aufklärung des Sachverhalts besonders bei Beteiligten, die schriftlich nichts vorgetragen haben, oder, sofern sie vertreten sind, zur Aufklärung des Sachverhalts selbst angehört werden sollen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 111 RdNr 2 mwN). Das persönliche Erscheinen kann auch aus anderen Zwecken angeordnet werden, dient jedoch nicht in erster Linie der Gewährung rechtlichen Gehörs. Hierfür ist es ausreichend, wenn der Beteiligte in prozessordnungsgerechter Form von der mündlichen Verhandlung benachrichtigt wird. Dass dies nicht geschehen sei, hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Die Klägerin hat im Übrigen an der mündlichen Verhandlung des LSG teilgenommen, so dass die Nichtanordnung ihres persönlichen Erscheinens für sie allenfalls finanzielle Auswirkungen hat.
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Soweit die Klägerin als weitere Verletzung ihres Anspruchs nach § 62 SGG vorträgt, dass das LSG entgegen ihrer Erwartung nach seiner Beratung nicht in Vergleichsverhandlungen eingetreten sei, sondern ein Urteil verkündet habe, hat sie ebenfalls einen derartigen Verfahrensmangel nicht schlüssig dargestellt. Dabei kommt es nicht auf die subjektiven Vorstellungen der Klägerin, sondern darauf an, ob die Vorgehensweise des LSG unter Berücksichtigung aller Umstände objektiv geeignet war, das rechtliche Gehör der Klägerin zu verletzen. Allein die von der Klägerin genannten Umstände, dass der Berichterstatter sie am 14.5.2012 angerufen und einen Vergleichsvorschlag unterbreitet habe, dass ein am Vortag des Termins mit dem Beklagten geführtes Telefonat diese Möglichkeit aufgezeigt habe und dass dem Beklagten aufgegeben gewesen sei, einen über die Sach- und Rechtslage unterrichteten Beschäftigten zu der Verhandlung zu entsenden, sind nicht geeignet, die beschriebene Erwartung der Klägerin zu begründen. Eine derartige Erwartung wäre nur dann nachvollziehbar, wenn etwa der Senat des LSG seine auf die mündliche Verhandlung folgende Beratung als sog Zwischenberatung bezeichnet hätte oder sogar ausdrücklich angekündigt hätte, mit den Beteiligten nach der Beratung eine weitere Erörterung, uU zum Abschluss eines Vergleichs führen zu wollen. Dass sich das LSG bei Schließung seiner mündlichen Verhandlung so verhalten habe, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
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Soweit die Klägerin schließlich geltend macht, dass das LSG "unklare Anträge der Klägerin formuliert" habe, hat sie weder eine Verletzung des § 106 SGG noch eine solche des § 62 SGG schlüssig dargetan.
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Gemäß § 106 Abs 1 SGG hat der Vorsitzende darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. § 106 SGG verpflichtet demnach das Gericht, sachgerechte Anträge nach den erkennbaren Prozesszielen des Beteiligten herbeizuführen. Ob diese Prozessziele erreichbar sind, ob also die entsprechenden Anträge auch zu dem vom Antragsteller gewünschten Ziel führen, ist indes nicht Gegenstand des § 106 Abs 1 SGG, sondern der Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit der Anträge. Da die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung selbst zahlreiche Anträge gestellt hatte, hätte sie, um eine Verletzung des § 106 Abs 1 SGG darzustellen, folglich im Einzelnen darlegen müssen, dass die ihr vom LSG vorgeschlagenen Anträge nicht den von ihr schriftlich ausgedrückten Prozesszielen entsprochen hätten. Dem wird ihr Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
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Die Klägerin hat zwar (S 36, 37 der Beschwerdebegründung) erklärt, das LSG habe von ihr gestellte Anträge "einfach weggelassen". Eine schlüssige Begründung dieser Behauptung hätte jedoch angesichts der Anzahl und des Umfangs der gestellten Anträge einer genaueren Darstellung (zB einer vergleichenden Synopse der von der Klägerin schriftlich formulierten Anträge einerseits und der vom LSG der Klägerin vorgeschlagenen Anträge andererseits) bedurft. Weiter hätte dargelegt werden müssen, inwiefern es auf weggelassene Teile von Anträgen, soweit sich diese nicht ohnehin auf die von der erfolgreichen Verfahrensrüge erfassten Streitpunkte beziehen, überhaupt ankommt. Zudem hat es die Klägerin unterlassen darzustellen, was sie unternommen hat, um sich insoweit rechtliches Gehör zu verschaffen. Sofern sie sich hinsichtlich der vom LSG vorgeschlagenen Anträge unsicher gewesen wäre, ob diese Anträge ihre Prozessziele vollständig erfassten, hätte sie dies in der Berufungsverhandlung äußern und das LSG um mehr Zeit zur Prüfung oder notfalls um Vertagung bitten müssen. Dass sie dies getan habe, hat sie indes nicht behauptet. Allein der Umstand, dass das LSG ihr zahlreiche Anträge vorgeschlagen habe, die sie in der Kürze der Zeit nicht habe überprüfen können, belegt somit eine Verletzung von §§ 62, 106 Abs 1 SGG nicht.
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Gemäß § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Der Senat macht auch zur Beschleunigung des Verfahrens von dieser Möglichkeit hinsichtlich des angefochtenen Urteils in dem Umfang Gebrauch, in dem dieses von dem erfolgreich gerügten Verfahrensmangel betroffen ist. Im Übrigen ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
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Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.
(1) Der zum Sachverständigen Ernannte hat der Ernennung Folge zu leisten, wenn er zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist oder wenn er die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis Voraussetzung der Begutachtung ist, öffentlich zum Erwerb ausübt oder wenn er zur Ausübung derselben öffentlich bestellt oder ermächtigt ist.
(2) Zur Erstattung des Gutachtens ist auch derjenige verpflichtet, der sich hierzu vor Gericht bereit erklärt hat.
(1) Sind Renten befristet, enden sie mit Ablauf der Frist. Dies schließt eine vorherige Änderung oder ein Ende der Rente aus anderen Gründen nicht aus. Renten dürfen nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden.
(2) Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen. Wird unmittelbar im Anschluss an eine auf Zeit geleistete Rente diese Rente unbefristet geleistet, verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.
(2a) Werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, ohne dass zum Zeitpunkt der Bewilligung feststeht, wann die Leistung enden wird, kann bestimmt werden, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit mit Ablauf des Kalendermonats enden, in dem die Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben beendet wird.
(3) Große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Kindererziehung und Erziehungsrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem die Kindererziehung voraussichtlich endet. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.
(4) Waisenrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem voraussichtlich der Anspruch auf die Waisenrente entfällt. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.
(5) Renten werden bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem die Berechtigten gestorben sind.
(6) Renten an Verschollene werden längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten; § 49 gilt entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Feststellung des Rentenversicherungsträgers haben keine aufschiebende Wirkung. Kehren Verschollene zurück, lebt der Anspruch auf die Rente wieder auf; die für den Zeitraum des Wiederauflebens geleisteten Renten wegen Todes an Hinterbliebene sind auf die Nachzahlung anzurechnen.
(1) Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet.
(1a) Befristete Renten wegen voller Erwerbsminderung, auf die Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet, wenn
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entweder - a)
die Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den Träger der Rentenversicherung zur Folge hat, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld entfällt, oder - b)
nach Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den Träger der Rentenversicherung ein Anspruch auf Krankengeld nach § 48 des Fünften Buches oder auf Krankentagegeld von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen endet und
- 2.
der siebte Kalendermonat nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht erreicht ist.
(2) Befristete große Witwenrenten oder befristete große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet.
(3) Ist nach Beginn der Rente ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird die Rente der leistungsberechtigten Person von dem Kalendermonat an um Zuschläge oder Abschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt ist. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Bei einer rechtskräftigen Abänderung des Versorgungsausgleichs gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt nach § 226 Abs. 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit abzustellen ist. § 30 des Versorgungsausgleichsgesetzes bleibt unberührt.
(3a) Hat das Familiengericht über eine Abänderung der Anpassung nach § 33 des Versorgungsausgleichsgesetzes rechtskräftig entschieden und mindert sich der Anpassungsbetrag, ist dieser in der Rente der leistungsberechtigten Person von dem Zeitpunkt an zu berücksichtigen, der sich aus § 34 Abs. 3 des Versorgungsausgleichsgesetzes ergibt. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.
(3b) Der Rentenbescheid der leistungsberechtigten Person ist aufzuheben
- 1.
in den Fällen des § 33 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes mit Wirkung vom Zeitpunkt - a)
des Beginns einer Leistung an die ausgleichsberechtigte Person aus einem von ihr im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht (§ 33 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes), - b)
des Beginns einer Leistung an die ausgleichspflichtige Person aus einem von ihr im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht (§ 33 Abs. 3 des Versorgungsausgleichsgesetzes) oder - c)
der vollständigen Einstellung der Unterhaltszahlungen der ausgleichspflichtigen Person (§ 34 Abs. 5 des Versorgungsausgleichsgesetzes),
- 2.
in den Fällen des § 35 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes mit Wirkung vom Zeitpunkt des Beginns einer Leistung an die ausgleichspflichtige Person aus einem von ihr im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht (§ 36 Abs. 4 des Versorgungsausgleichsgesetzes) und - 3.
in den Fällen des § 37 Abs. 3 des Versorgungsausgleichsgesetzes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Aufhebung der Kürzung des Anrechts (§ 37 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes).
(4) Ist nach Beginn der Rente ein Rentensplitting durchgeführt, wird die Rente von dem Kalendermonat an um Zuschläge oder Abschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Entsprechendes gilt bei einer Abänderung des Rentensplittings.
(5) Ist nach Beginn einer Waisenrente ein Rentensplitting durchgeführt, durch das die Waise nicht begünstigt ist, wird die Rente erst zu dem Zeitpunkt um Abschläge oder Zuschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dem eine Rente aus der Versicherung des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners, der durch das Rentensplitting begünstigt ist, beginnt. Der Rentenbescheid der Waise ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Entsprechendes gilt bei einer Abänderung des Rentensplittings.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.