Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 08. Dez. 2017 - 4 W 64/17

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2017:1208.4W64.17.00
bei uns veröffentlicht am08.12.2017

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Tenor

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

1

Der Kläger will den Beklagten auf Rückzahlung eines im Jahr 2015 gewährten Privatdarlehens in Höhe von 42.000,00 € nebst Zinsen in Anspruch nehmen. Mit der Behauptung, der Beklagte unterhalte zwischenzeitlich keinen inländischen Wohnsitz mehr und sei nach Auskunft der Meldebehörde seines letzten Wohnortes in Deutschland nach San José, Costa Rica, verzogen, eine ladungsfähige Anschrift dort habe er trotz Nachforschung bei den Eltern des Beklagten nicht in Erfahrung bringen können, hat der Kläger die öffentliche Zustellung der Klageschrift vom 24.02.2017 nach § 185 ZPO beantragt. Dieses Begehren hat die Erstrichterin abgelehnt, weil der Kläger (noch) nicht alle ihm zumutbaren Nachforschungen entfaltet habe, um den Aufenthaltsort des Beklagten zu ermitteln. Mit seiner Beschwerde dagegen verfolgt der Kläger weiterhin das Ziel der öffentlichen Bekanntmachung der Klage.

II.

2

Das Rechtsmittel ist nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, wahrt die gesetzliche Form und Frist (§ 569 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) und ist auch im Übrigen verfahrensrechtlich bedenkenfrei.

3

In der Sache bleibt die sofortige Beschwerde ohne Erfolg. Die Erstrichterin hat zu Recht und mit zutreffender Begründung dahin entschieden, dass der Kläger noch nicht hinreichend dargetan und nachgewiesen hat, dass er das Erforderliche und ihm Mögliche zur Ermittlung des unbekannten Aufenthalts des Beklagten als Zustellungsadressaten getan hat. Die Voraussetzungen für die begehrte Bewilligung einer öffentlichen Zustellung der Klage liegen deshalb derzeit nicht vor.

4

1. Nach § 185 Nr. 1 ZPO kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Unbekannt ist der Aufenthalt einer Person nur dann, wenn nicht nur das Gericht, sondern auch die Allgemeinheit den Aufenthalt des Zustellungsadressaten nicht kennt. Dabei ist es zunächst Sache der Partei, die durch die Zustellung begünstigt wird, alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um den Aufenthalt des Zustellungsempfängers zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht darzulegen. Dies gilt auch dann, wenn die Zustellung - wie bei einer Zivilklage (§§ 166 Abs. 2, 271 Abs. 1 ZPO) - von Amts wegen vorzunehmen ist. Wegen der besonderen Bedeutung der Zustellung für die Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) sind dabei an die Feststellung, dass die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung vorliegen, im Erkenntnisverfahren hohe Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 04.07.2012, XII ZR 94/10, Rdnrn. 16 ff, in juris; Urteil vom 06.12.2012, VII ZR 74/12, Rdnrn. 16 ff, in juris, jeweils m.w.N.).

5

2. Daran gemessen durfte es der Kläger hier nicht mit der Nachfrage bei dem für die letzte Meldeadresse des Beklagten in Deutschland zuständigen Einwohnermeldeamt und mit der ergebnislosen persönlichen Befragung der Eltern des Beklagten nach dessen genauem Aufenthaltsort in Costa Rica bewenden lassen. Es genügt auch nicht, dass der Kläger über die ihm bekannte E-Mail-Adresse des Beklagten diesem durch seinen anwaltlichen Vertreter am 09.05.2017 eine Kopie der Klageschrift mit der Aufforderung zur Kontaktaufnahme und zur Bezahlung der Klageforderung hat übermitteln lassen. Denn der Umstand, dass die bloße nochmalige Zahlungsaufforderung in der E-Mail vom 09.05.2017 unbeantwortet geblieben ist, rechtfertigt nicht zugleich den Schluss, dass sich der Beklagte auch auf eine elektronische Aufforderung zur Offenbarung seiner postalischen Erreichbarkeit mit ausdrücklicher Ankündigung der widrigenfalls beabsichtigten Beantragung der öffentlichen Klagezustellung zu seiner ladungsfähigen Adresse verschwiegen hätte; dagegen spricht mit Gewicht das Risiko des für den Beklagten drohenden endgültigen Rechtsverlusts im Falle einer rechtswirksamen öffentlichen Zustellung.

6

3. Nach Aktenlage stehen dem Kläger durchaus noch weitere geeignete Maßnahmen zur Ermittlung des Aufenthaltes des Beklagten zur Verfügung, die er bislang nicht genutzt hat:

7

a) So ist schon nicht ersichtlich, dass sich der Kläger ergebnislos beim letzten Vermieter des Beklagten oder bei dem Zustellungspostamt des letzten deutschen Wohnsitzes des Beklagten nach dem etwaigen Bestehen eines Nachsendeauftrages für Postsendungen an eine Anschrift in Costa Rica erkundigt hat.

8

b) Um den aktuellen Aufenthaltsort des Beklagten weiß möglicherweise auch dessen kontoführendes Kreditinstitut, über welches der Beklagte das Darlehen des Klägers vereinnahmt hat.

9

c) Außerdem besteht für den Kläger grundsätzlich auch die Möglichkeit zur Feststellung des Aufenthaltes des Beklagten mit Hilfe der deutschen Auslandsvertretung in Costa Rica, falls der Beklagte nach der Einreise dort z.B. konsularische Hilfe in Anspruch genommen hat. Für eine Aufenthaltsermittlung in Costa Rica kann dabei als konkreter Anknüpfungspunkt dienen, dass der schriftliche Darlehensvertrag der Parteien in § 5 detaillierte Angaben zu einem Grundstück in San José/Costa Rica enthält, mit dem das Darlehen von dem Beklagten besichert werden sollte. Zusätzliche Hinweise zur Aufenthaltsermittlung von Personen in Costa Rica lassen sich im Übrigen dem Internetauftritt der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland San José entnehmen.

10

d) Unabhängig davon dürfte es sich für den Kläger anbieten, den Beklagten unter der ihm bekannten E-Mail-Adresse erneut anzuschreiben mit der Aufforderung, binnen angemessener Frist eine ladungsfähige Anschrift anzugeben und/oder einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen zwecks Vermeidung der öffentlichen Zustellung (vgl. BGH, Urteil vom 06.12.2012 a.a.O, Rdnr. 19; OLG Frankfurt NJW 2009, 2543, 2544). Reagiert der Beklagte darauf nicht, kann er sich später u.U. wegen Rechtsmißbrauchs nicht auf die Unwirksamkeit einer sodann angeordneten öffentlichen Zustellung berufen (vgl. BGH, NJW-RR 2008, 1310; Fischer, LMK 2013, 342575).

11

3. Die von der Rechtsprechung aufgestellten hohen Hürden für die Zulässigkeit der öffentliche Zustellung nach § 185 Nr. 1 ZPO benachteiligen den Kläger im Ergebnis auch nicht in unbilliger Weise. Denn eine unter Verstoß gegen § 185 ZPO angeordnete öffentliche Zustellung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - zumindest wenn die Fehlerhaftigkeit der Zustellung für das Gericht erkennbar war - jedenfalls in dem Sinne unwirksam, dass sie die Zustellungsfiktion des § 188 ZPO nicht auslöst und dementsprechend keine Fristen in Lauf setzt. In einem solchen Fall kommt das Verfahren nicht zum Abschluss. Es ist bei der Entdeckung des Fehlers fortzusetzen, ohne dass es dazu einer Wiedereinsetzung bedarf. Eine (erkennbar) unzulässige öffentliche Zustellung der Klage bewirkt zudem keine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Den verjährungshemmenden Tatbeständen des § 204 BGB liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass der Gläubiger durch aktives Betreiben seines Anspruchs seinen Rechtsverfolgungswillen so deutlich macht, dass der Schuldner gewarnt wird und sich auf eine Inanspruchnahme noch vor Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist einstellen muss. Diese Warnfunktion wird verfehlt, wenn eine Klage öffentlich zugestellt wird, obwohl der Aufenthaltsort des Beklagten nicht allgemein unbekannt ist und eine Zustellung auf anderem Wege möglich gewesen wäre (BGH, NJW 2017, 886, 888 f. m.w.N.).

12

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass das Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen (BGBl. 1977 Teil II S. 1452, 1453) am 1. Oktober 2016 für die Republik Costa Rica in Kraft getreten ist (BGBl. 2017 Teil II Nr. 3, S. 58).

13

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Bestimmung eines Beschwerdewertes bedarf es nicht, weil eine Festgebühr bestimmt ist (KV 1812 Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 204 Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung


(1) Die Verjährung wird gehemmt durch1.die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,1a.die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 3 Höhe der Kosten


(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 567 Sofortige Beschwerde; Anschlussbeschwerde


(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde E

Zivilprozessordnung - ZPO | § 569 Frist und Form


(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts ande

Zivilprozessordnung - ZPO | § 166 Zustellung


(1) Zustellung ist die Bekanntgabe eines Dokuments an eine Person in der in diesem Titel bestimmten Form. (2) Dokumente, deren Zustellung vorgeschrieben oder vom Gericht angeordnet ist, sind von Amts wegen zuzustellen, soweit nicht anderes bestim

Zivilprozessordnung - ZPO | § 185 Öffentliche Zustellung


Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn1.der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist,2.bei juristischen Perso

Zivilprozessordnung - ZPO | § 188 Zeitpunkt der öffentlichen Zustellung


Das Schriftstück gilt als zugestellt, wenn seit dem Aushang der Benachrichtigung ein Monat vergangen ist. Das Prozessgericht kann eine längere Frist bestimmen.

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Bundesgerichtshof Urteil, 04. Juli 2012 - XII ZR 94/10

bei uns veröffentlicht am 04.07.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 94/10 Verkündet am: 4. Juli 2012 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn

1.
der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist,
2.
bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist,
3.
eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht oder
4.
die Zustellung nicht erfolgen kann, weil der Ort der Zustellung die Wohnung einer Person ist, die nach den §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterliegt.

(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.

(2) Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(3) Der Beschwerdegegner kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses. Liegen die Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage vor, so kann die Beschwerde auch nach Ablauf der Notfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Notfristen erhoben werden.

(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt werde.

(3) Die Beschwerde kann auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, wenn

1.
der Rechtsstreit im ersten Rechtszug nicht als Anwaltsprozess zu führen ist oder war,
2.
die Beschwerde die Prozesskostenhilfe betrifft oder
3.
sie von einem Zeugen, Sachverständigen oder Dritten im Sinne der §§ 142, 144 erhoben wird.

Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn

1.
der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist,
2.
bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist,
3.
eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht oder
4.
die Zustellung nicht erfolgen kann, weil der Ort der Zustellung die Wohnung einer Person ist, die nach den §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterliegt.

(1) Zustellung ist die Bekanntgabe eines Dokuments an eine Person in der in diesem Titel bestimmten Form.

(2) Dokumente, deren Zustellung vorgeschrieben oder vom Gericht angeordnet ist, sind von Amts wegen zuzustellen, soweit nicht anderes bestimmt ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 94/10 Verkündet am:
4. Juli 2012
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Im Erkenntnisverfahren darf eine öffentliche Zustellung nur angeordnet
werden, wenn die begünstigte Partei alle der Sache nach geeigneten und
ihr zumutbaren Nachforschungen angestellt hat, um den Aufenthalt des Zustellungsadressaten
zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber
dem Gericht dargelegt hat.

b) Allein die ergebnislose Anfrage beim Einwohnermeldeamt und dem Zustellungspostamt
des letzten Wohnsitzes des Zustellungsadressaten genügt
hierfür in der Regel nicht.
BGH, Urteil vom 4. Juli 2012 - XII ZR 94/10 - LG Chemnitz
AG Chemnitz
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 14. Mai 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt nach der Kündigung eines Mietvertrages von der Beklagten die Räumung und Herausgabe von gewerblich genutzten Räumen.
2
Der Kläger vermietete im August 2002 ein in seinem Eigentum stehendes Appartement an die Beklagte zur Nutzung als Wohnraum. Beim Abschluss des schriftlichen Mietvertrages wurde der Kläger durch die Streithelferin der Beklagten (nachfolgend: Streithelferin) vertreten, die mit der Verwaltung der Wohnung beauftragt war. Gleichzeitig mietete die Beklagte in dem Gebäude zwei angrenzende Wohnungen anderer Eigentümer an, wobei diese beim Vertragsschluss ebenfalls von der Streithelferin vertreten wurden. Die drei Wohnungen waren durch verschiedene bauliche Maßnahmen, insbesondere durch den Einbau einer gemeinsamen Eingangstür, zu einer räumlichen Einheit verbunden , in der die Beklagte ein Bordell betreibt.
3
Nachdem der Kläger Kenntnis von der tatsächlichen Nutzung des Appartements als Bordellbetrieb erfahren hatte, kündigte er im August 2008 das Mietverhältnis fristlos. Das Kündigungsschreiben wurde als Einschreiben mit Rückschein an die Adresse der Mietwohnung versandt und konnte der Beklagten dort auch zugestellt werden.
4
Nachdem die Räumungsklage der Beklagten unter dieser Adresse nicht zugestellt werden konnte, hat das Amtsgericht auf Antrag des Klägers die öffentliche Zustellung der Klage angeordnet und nach Ablauf der gesetzten Fristen im schriftlichen Vorverfahren antragsgemäß ein Versäumnisurteil gegen die Beklagte erlassen. Das Versäumnisurteil ist der Beklagten ebenfalls durch öffentliche Bekanntmachung am 2. März 2009 zugestellt worden.
5
Am 20. Mai 2009 hat die Beklagte gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist beantragt.
6
Das Amtsgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen und den Einspruch wegen Verfristung als unzulässig verworfen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

7
Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtstreits an das Berufungsgericht.

I.

8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, das Amtsgericht habe zu Unrecht den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils wirke nicht gegen die Beklagte, so dass ihr Einspruch nicht verfristet sei. Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung setze voraus, dass der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und daher die Zustellung nicht möglich sei. An die Feststellung dieser Voraussetzungen seien durchweg hohe Anforderungen zu stellen, um das rechtliche Gehör zu gewährleisten. Eine Partei, die eine öffentliche Zustellung beantrage, habe daher darzutun und nachzuweisen, dass sie das Erforderliche und Mögliche zur Prüfung des unbekannten Aufenthalts des Zustellungsadressaten getan habe.
9
Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Kläger habe lediglich eine Nachfrage beim Einwohnermeldeamt sowie eine Anschriftenprüfung durch die Deutsche Post AG veranlasst. Ihm seien jedoch weitere Nachforschungen unschwer möglich gewesen. So habe er bei der Streithelferin als Verwalterin der Wohnung nachfragen können, ob die Beklagte vor Ort aufhältlich sei. Solche Nachforschungen oder auch nur ein Anruf bei dem Bordell hätten zweifellos zur Klärung der Aufenthaltsfrage geführt.
10
Somit hätten die Voraussetzungen einer öffentlichen Bekanntmachung für das Amtsgericht erkennbar nicht vorgelegen. Die Zustellung sei zwar grundsätzlich wirksam; Rechtsmittelfristen würden durch sie jedoch nicht in Gang gesetzt. Daher sei der Einspruch der Beklagten nicht verfristet gewesen. Eine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag sei nicht erforderlich gewesen.
11
Der Kläger könne allerdings nicht die Räumung und Herausgabe der Wohnung verlangen, weil er den Mietvertrag nicht ohne die Mitwirkung der Vermieter der beiden anderen Wohnungen habe kündigen können.
12
Da die drei Wohnungen baulich zu einer Einheit verbunden gewesen seien, die von der Beklagten insgesamt gewerblich genutzt werde, bestehe auf Vermieterseite eine Bruchteilsgemeinschaft gemäß § 741 BGB.
13
Grundsätzlich sei bei einer Mehrheit von Vermietern, die untereinander durch das Miteigentum an dem Mietgegenstand verbunden seien, davon auszugehen , dass eine Gemeinschaft im Sinne von § 741 BGB vorliege. Die Kündigung sei in einem solchen Fall wegen der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses von allen Gemeinschaftern zu erklären. Ein solcher Fall sei vorliegend gegeben. Die Beklagte habe zwar drei Wohnraummietverträge mit verschiedenen Eigentümern, die jeweils durch die Streithelferin vertreten worden seien, abgeschlossen. Diese Wohnraummietverträge seien jedoch als Scheingeschäfte gemäß § 117 Abs. 1 BGB unwirksam. Tatsächlich sei von der Beklagten und der Streithelferin als Vertreterin der Eigentümer der Abschluss eines gewerblichen Mietvertrages für ein einheitliches Objekt, bestehend aus den drei Wohnungen , beabsichtigt gewesen. Dies ergebe sich aus den bei dem durchgeführten Ortstermin getroffenen Feststellungen. Die drei Wohnungen seien durch bauliche Veränderungen zu einer Einheit verbunden gewesen. Schon vor der Anmietung der Wohnungen durch die Beklagte sei in den gesamten Räumlichkeiten ein "Studio" betrieben worden. Aus Sicht der Streithelferin und der Beklagten habe daher beim Vertragsschluss die Vorstellung bestanden, dass das Objekt als Einheit angemietet werde und auch nur einheitlich gekündigt werden könne. Dieses Vorstellungsbild der Streithelferin müsse sich der Kläger nach § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Die Voraussetzungen für ein kollusives Zusammenwirken der Beklagten und der Streithelferin zum Nachteil des Klägers seien nicht erfüllt.

II.

14
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.
15
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings eine Sachentscheidung über die mit dem Einspruch erhobenen Einwände der Beklagten getroffen, ohne über den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zu entscheiden. Denn das am 2. März 2009 öffentlich zugestellte Versäumnisurteil, gegen das die Beklagte erst am 20. Mai 2009 Einspruch eingelegt hat, war nicht rechtskräftig geworden. Durch die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils wurde die Einspruchsfrist (§ 339 Abs. 2 ZPO) nicht in Gang gesetzt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 185 Nr. 1 ZPO) für eine öffentliche Zustellung erkennbar nicht vorgelegen haben (vgl. BGHZ 149, 311 = NJW 2002, 827, 830).
16
a) Nach § 185 Nr. 1 ZPO kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Unbekannt ist der Aufenthalt einer Person nur dann, wenn nicht nur das Gericht , sondern auch die Allgemeinheit den Aufenthalt des Zustellungsadressaten nicht kennt (BGHZ 149, 311 = NJW 2002, 827, 828). Dabei ist es zunächst Sache der Partei, die durch die Zustellung begünstigt wird, alle geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anzustellen, um den Aufenthalt des Zustellungsempfängers zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht darzulegen. Dies gilt auch, wenn die Zustellung von Amts wegen vorzunehmen ist (MünchKommZPO/Häublein 3. Aufl. § 185 Rn. 6).
17
b) In welchem Umfang die Partei Nachforschungen zum Aufenthalt des Zustellungsadressaten anzustellen hat, wird in Rechtsprechung und Schrifttum allerdings unterschiedlich beurteilt. Vereinzelt wird es für ausreichend angesehen , wenn die Partei ergebnislos beim Einwohnermeldeamt und dem Zustellungspostamtdes letzten Wohnsitzes des Zustellungsadressaten angefragt hat (vgl. OLG Naumburg NJW-RR 2001, 1148 f.; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 33. Aufl. § 185 Rn. 7). Wegen der besonderen Bedeutung der Zustellung für die Gewährung rechtlichen Gehörs sind jedoch an die Feststellung, dass der Aufenthalt des Zustellungsadressaten unbekannt ist, im Erkenntnisverfahren hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BGH Urteil vom 14. Februar 2003 - IXa ZB 56/03 - NJW 2003, 1530 f. unter ausdrücklicher Abgrenzung zum Vollstreckungsverfahren ; vgl. auch Zöller/Stöber ZPO 29. Aufl. § 185 Rn. 2; Dornhöfer in BeckOK ZPO [Stand: April 2012] § 185 Rn. 2). Die überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung und im Schrifttum verlangt deshalb zu Recht, dass die begünstigte Partei alle der Sache nach geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen anstellt, um den Aufenthalt des Zustellungsadressaten zu ermitteln. Die begünstigte Partei ist daher beispielsweise auch gehalten, durch persönliche Nachfragen beim ehemaligen Arbeitgeber, bei dem letzten Vermieter oder bei Hausgenossen und Verwandten des Zustellungsadressaten dessen Aufenthalt zu ermitteln (vgl. OLG Köln Urteil vom 16. Februar 2011 - 11 U 183/10 - juris Rn. 8; OLG Frankfurt MDR 1999, 1402; OLG Zweibrücken FamRZ 1983, 630; MünchKommZPO/Häublein 3. Aufl. § 185 Rn. 2; Zöller /Stöber ZPO 29. Aufl. § 185 Rn. 2; Musielak/Wittschler ZPO 9. Aufl. § 185 Rn. 2). Die vorgenommenen Nachforschungen und deren Ergebnis muss die begünstigte Partei gegenüber dem Gericht darlegen. Hat das Gericht Zweifel an der Darstellung der Partei, ist es, sofern die Zustellung von Amts wegen vorzunehmen ist, auch zu eigenen Überprüfungen verpflichtet (MünchKommZPO /Häublein 3. Aufl. § 185 Rn. 7).
18
c) Auf dieser rechtlichen Grundlage durfte sich das Amtsgericht für die Anordnung der öffentlichen Zustellung des Versäumnisurteils nicht mit den vom Kläger vorgelegten Unterlagen begnügen und hätte die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils ablehnen müssen. Das Berufungsgericht weist insoweit zutreffend darauf hin, dass dem Kläger weitere geeignete Maßnahmen zur Ermittlung des Aufenthaltsorts der Beklagten zur Verfügung standen, die er ungenutzt ließ. Naheliegend wäre gewesen, dass sich der Kläger zunächst mit der Streithelferin als Verwalterin der Eigentumswohnanlage in Verbindung setzt und dort nachfragt, ob ihr der Aufenthalt der Beklagten bekannt ist. Da dem Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits bekannt war, dass die Beklagte in der Wohnung ein Bordell betreibt, war ihm auch zuzumuten, sich unmittelbar telefonisch oder schriftlich an das in der Wohnung betriebene Bordell zu wenden, um dort Erkenntnisse über den Aufenthaltsort der Beklagten zu erhalten. Dazu bestand auch deshalb Anlass, weil dem Kläger bekannt war, dass zuvor die Kündigung des Mietvertrages unter dieser Anschrift an die Beklagte zugestellt werden konnte.
19
d) Eine unter Verstoß gegen § 185 ZPO angeordnete öffentliche Zustellung löst nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Zustellungsfiktion des § 188 ZPO nicht aus und setzt damit keine Frist in Lauf (BGHZ 149, 311, 321 = NJW 2002, 827, 830; BGH Urteil vom 6. Oktober 2006 - V ZR 282/05 - NJW 2007, 303 Rn. 12). Das gilt jedenfalls dann, wenn die öffentliche Zustellung bei sorgfältiger Prüfung der Unterlagen nicht hätte angeordnet werden dürfen, deren Fehlerhaftigkeit für das Gericht also erkennbar war (BGHZ 149, 311, 323 = NJW 2002, 827, 830). In einem solchen Fall, von dem das Berufungsgericht hier ausgeht, kommt das Verfahren nicht zum Abschluss. Es ist bei Entdeckung des Fehlers fortzusetzen, ohne dass es dazu einer Wiedereinsetzung bedarf (BGHZ 149, 311, 322 = NJW 2002, 827, 831; BGH Urteil vom 6. Oktober 2006 - V ZR 282/05 - NJW 2007, 303 Rn. 12).
20
2. Soweit das Berufungsgericht dagegen die vom Kläger erklärte Kündigung mit der Begründung für unwirksam hält, dieser bilde zusammen mit den Eigentümern der beiden anderen Wohnungen eine Bruchteilsgemeinschaft und habe daher die Kündigung des Mietverhältnisses nicht allein erklären können, sind die Erwägungen nicht frei von Rechtsirrtum. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Annahme, dass zwischen dem Kläger und den Eigentümern der beiden anderen Wohnungen eine Bruchteilsgemeinschaft besteht, nicht.
21
a) Zwar geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, dass eine Mehrheit von Vermietern, die Miteigentümer des vermieteten Gegenstandes sind, eine Bruchteilsgemeinschaft nach § 741 BGB bilden, wenn sie keinen weiteren gemeinsamen Zweck verfolgen, ihr Interesse sich mithin allein am Miteigentum an dem vermieteten Gegenstand erschöpft (vgl. Schmidt-Futterer/ Blank Mietrecht 10. Aufl. vor § 535 BGB Rn. 269). Dass an den Mietwohnungen Miteigentum der drei Vermieter besteht, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Es führt in der angegriffenen Entscheidung vielmehr selbst aus, dass die an die Beklagte vermieteten Wohnungen jeweils im Alleineigentum der Vermieter stehen. Da die Eigentumsverhältnisse an den Wohnungen weder durch die rein tatsächlichen baulichen Veränderungen noch durch die Vermietung der drei Wohnungen an dieselbe Mieterin verändert werden, kann unter diesem Gesichtspunkt nicht auf das Vorliegen einer Bruchteilsgemeinschaft geschlossen werden.
22
b) Eine Bruchteilsgemeinschaft kann jedoch auch rechtgeschäftlich begründet werden (Palandt/Sprau BGB 71. Aufl. § 741 Rn. 2). Dies ist der Fall, wenn ein Recht durch Rechtsgeschäft als gemeinschaftliches begründet wird (MünchKommBGB/K. Schmidt 5. Aufl. § 741 Rn. 30). Deshalb führt die rechtsgeschäftliche Begründung einer gemeinschaftlichen Forderung zur Entstehung einer Bruchteilsgemeinschaft, wenn die Beteiligten keinen weiteren gemeinsamen Zweck verfolgen (MünchKommBGB/K. Schmidt 5. Aufl. § 741 Rn. 30). Ob eine rechtsgeschäftlich begründete Bruchteilsgemeinschaft nur an einzelnen Rechten und Forderungen oder auch an einem Rechtsverhältnis - z.B. einem Mietverhältnis - bestehen kann, ist allerdings umstritten (vgl. MünchKommBGB/ K. Schmidt 5. Aufl. § 741 Rn. 18 mwN). Diese Frage kann im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben.
23
c) Voraussetzung für die rechtsgeschäftliche Begründung einer Bruchteilsgemeinschaft ist stets, dass die Beteiligten gemeinsam gehandelt haben oder wirksam vertreten wurden (Gehrlein in BeckOK/BGB [Stand: 1. Mai 2012] § 741 Rn. 7). Hierzu verhält sich das Berufungsurteil nicht. Das Berufungsgericht hat die Frage der wirksamen Vertretung des Klägers nur unter dem Gesichtspunkt des Vollmachtsmissbrauchs behandelt und einen solchen verneint, da ein Zusammenwirken der Beklagten und der Streithelferin zum Nachteil des Klägers nicht erkennbar sei. Auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung, die Streithelferin habe als Stellvertreterin des Klägers einen einheitlichen Mietvertrag über alle drei Wohnungen abgeschlossen, hätte das Berufungsgericht zunächst prüfen müssen, ob die Streithelferin beim Abschluss des Mietvertrages die Grenzen einer ihr erteilten Vollmacht überschritten und damit insoweit als Vertreter ohne Vertretungsmacht (§ 177 BGB) gehandelt hat.
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aa) Ein Vollmachtsmissbrauch liegt vor, wenn sich ein Vertreter bei seinem rechtsgeschäftlichen Handeln im Außenverhältnis zwar im Rahmen der ihm erteilten Vertretungsmacht bewegt, dabei jedoch nicht die ihm im Innenverhältnis zum Vertretenen für ihre Ausübung gezogenen Grenzen beachtet (MünchKommBGB/Schramm 6. Aufl. § 164 Rn. 106). Die Prüfung eines Vollmachtsmissbrauchs setzt daher voraus, dass das abgeschlossene Rechtsgeschäft grundsätzlich von der erteilten Vollmacht erfasst wird. Überschreitet ein Vertreter dagegen die ihm im Außenverhältnis gesetzten Grenzen der erteilten Vollmacht, handelt er insoweit als Vertreter ohne Vertretungsmacht und die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts hängt von der Genehmigung durch den Vertretenen ab (§ 177 Abs. 1 BGB).
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bb) Im vorliegenden Fall war die Streithelferin vom Kläger mit der Verwaltung seiner Eigentumswohnung beauftragt. Inwieweit sie in dieser Funktion überhaupt berechtigt war, für den Kläger Mietverträge abzuschließen, ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen nicht. Das Berufungsgericht geht zwar offensichtlich von der Annahme aus, dass die Streithelferin vom Kläger bevollmächtigt war, für eine Vermietung der Wohnung Sorge zu tragen und in seinem Namen entsprechende Mietverträge abzuschließen. Aber auch dann kann nicht ohne genauere Prüfung davon ausgegangen werden, dass die Streithelferin zu einer Vermietung der Wohnung zur gewerblichen Nutzung - gar zur Nutzung als Bordell - oder dazu bevollmächtigt war, Verträge abzuschließen, die den Kläger zu einem Mitglied einer Bruchteilsgemeinschaft werden lassen.
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cc) Die Annahme einer Bruchteilsgemeinschaft hätte nicht nur zur Folge, dass der Kläger den Mietvertrag ohne die Mitwirkung der beiden anderen Woh- nungseigentümer nicht kündigen könnte (vgl. hierzu Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 25/09 - NJW 2011, 61 Rn. 20 mwN). Der Kläger würde auch in anderen Belangen erheblich in seinen Rechten beschränkt. Insbesondere könnte der Kläger von der Beklagten nicht mehr unmittelbar die Zahlung der Miete fordern. Der Grundsatz der gemeinsamen Verwaltung (§§ 744, 745 BGB) schließt die Anwendung des § 420 BGB auf Forderungen der Gemeinschaft gegen einen Mieter aus; die Forderungen sind auf eine im Rechtssinne unteilbare Leistung (§ 432 BGB) gerichtet (BGH Urteil vom 28. Mai 2005 - VIII ZR 399/03 - NJW 2005, 3781, 3782). Dem Kläger stünde daher nur ein Anspruch auf einen entsprechenden Teil des Ertrages aus dem gesamten Mietverhältnis zu, der sich ausschließlich gegen die anderen Teilhaber richtet (vgl. BGH Urteil vom 29. Januar 1969 - VIII ZR 20/67 - NJW 1969, 839). Auch sonstige Verwaltungsmaßnahmen wie Reparaturarbeiten, Modernisierungsmaßnahmen und ähnliches wären gemäß §§ 744, 745 BGB ohne die Mitwirkung der beiden anderen Wohnungseigentümer nicht mehr möglich. Zudem wäre der Kläger gemäß § 748 BGB entsprechend seinem Anteil an den Lasten und Kosten beteiligt, die durch die Nutzung und Verwaltung der beiden anderen Wohnungen anfallen.
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d) Das Berufungsgericht hat zum Umfang der Vollmacht der Streithelferin keine Feststellungen getroffen. Die bei dem im Berufungsverfahren durchgeführten Ortstermin gewonnenen Erkenntnisse über den tatsächlichen baulichen Zustand der drei Wohnungen lassen keine zwingenden Rückschlüsse auf den Inhalt der getroffenen Vereinbarungen oder den Umfang der der Streithelferin erteilten Vollmacht zu. Die von der Beklagten beabsichtigte Nutzung der Räumlichkeiten zum Betrieb eines Bordells verlangt auch nicht notwendig die Annahme eines einheitlichen Mietverhältnisses mit allen drei Wohnungseigentümern. Dies mag zwar für die Beklagte vorteilhaft und auch von der Streithelferin intendiert worden sein. Feststellungen, inwieweit die Vollmacht der Streithelferin reicht, werden hierdurch jedoch nicht entbehrlich.
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3. Nach alldem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Auf die Revision ist es aufzuheben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil weitere Feststellungen, insbesondere zum Umfang der der Streithelferin erteilten Vollmacht, zu treffen sind. Das Verfahren ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Dose Schilling Günter Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Chemnitz, Entscheidung vom 17.07.2009 - 16 C 2615/08 -
LG Chemnitz, Entscheidung vom 14.05.2010 - 6 S 317/09 -

Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn

1.
der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist,
2.
bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist,
3.
eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht oder
4.
die Zustellung nicht erfolgen kann, weil der Ort der Zustellung die Wohnung einer Person ist, die nach den §§ 18 bis 20 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterliegt.

Das Schriftstück gilt als zugestellt, wenn seit dem Aushang der Benachrichtigung ein Monat vergangen ist. Das Prozessgericht kann eine längere Frist bestimmen.

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage,
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.

(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.