Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 06. Juni 2012 - 4 U 30/12

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2012:0606.4U30.12.0A
06.06.2012
1

Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Nr. 3 ZPO).

2

Die Berufung ist offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

I.

1.

3

Der Kläger ist klagebefugt. Der Senat hat das in der Vergangenheit im Einklang mit der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. z. B. BGH WRP 2008, 1513; 2044) mehrfach festgestellt (vgl. z. B. Hinweisbeschlüsse vom 16.12.2011 - 4 U 148/11 -; 20.12.2007 - 4 U 104/07 - jeweils m. w. N.).

4

Die Beklagte macht vergeblich geltend, dass im vorliegenden Fall etwas anderes gelte, weil dem Kläger zu wenig Gewerbetreibende ihrer Wettbewerbssparte angehören würden.

5

Zur Beurteilung der Frage, ob dem Kläger eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG angehört, sind diejenigen Mitglieder des Klägers zu berücksichtigen, die sich auf demselben räumlichen und sachlichen Markt mit der Beklagten als Wettbewerber begegnen, also um Kunden konkurrieren können. Der maßgebliche Markt wird im Wesentlichen durch die Geschäftstätigkeit des werbenden Unternehmens bestimmt. Die den sachlichen Markt betreffende Voraussetzung, dass Waren- oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art betrieben werden müssen, ist weit auszulegen (BGH, Urteil vom 1. März 2007 - I ZR 51/04 - Krankenhauswerbung; OLG Celle, Urteil vom 19.01.2006 - 13 U 191/05 - jeweils m. w. N.). Die Beklagte räumt ein, dass dem Kläger 21 Unternehmen angehören, die auf dem Markt der Ergänzungsmittel tätig sind. Das ist bereits eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern (vgl. BGH, a. a. O.). Hinzukommt, dass auch weitere 13 Mitglieder des Klägers zu berücksichtigen sind, die Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Mittel vertreiben, sowie (mindestens) 14 weitere Mitglieder, die im Versandhandel Nahrungsergänzungsmittel und Gesundheitsartikel verkaufen, weil auch diese Wettbewerber mit der Beklagten um dieselben Kunden konkurrieren können.

2.

6

Dass der Kläger sachlich und finanziell nicht ausreichend ausgestattet sei, ist durch die vorgenannte Rechtsprechung und die dem Senat bekannte Jahrzehnte lange Tätigkeit des Klägers widerlegt. Vergleichbares gilt für die Behauptung, dem Kläger fehlten ausreichende Kenntnisse auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts.

3.

7

Schließlich ergibt sich die Klagebefugnis des Klägers auch aus § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, weil der Kläger - wie sich aus dem für ihn vorgelegten Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main) vom 17.07.2003 (1 U 190/02) ergibt  -,  in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagegesetzes eingetragen ist.

II.

8

Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass es sich bei den vom Kläger beanstandeten Werbeaussagen der Beklagten um irreführende Angaben handelt (§§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG), so dass dem Kläger nach § 8 Abs. 1 UWG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zusteht.

9

Die im Internetauftritt der Beklagten gemachten Aussagen, dass der "V…" vor dem Hintergrund des Umstandes, dass viele Menschen "egal ob Jung oder Alt" an einem "im Einzelnen näher bezeichneten" Nährstoff- und Vitaminmangel leiden würden, was sich erst Jahre später zeige, den Körper mit "der ausreichenden Menge und Vielfalt an Vitaminen und Mineralstoffen..." versorge, im Alter fit halte und vorzeitigem Altern vorbeuge, enthält irreführende, gesundheitsbezogene Angaben, die gegen Art. 3, 5 Abs. 1 a, 10 Abs. 1 HCV (Health-Claims-Verordnung) verstoßen. Danach ist eine Werbeaussage insbesondere irreführend, wenn einem Lebensmittel gesundheitsbezogene Wirkungen beigemessen werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. Die Beklagte behauptet noch nicht einmal, dass die genannten - eindeutig gesundheitsbezogenen - Angaben in irgendeiner Weise wissenschaftlich gesichert seien.

10

Die weitere Werbeaussage, dass das Getränk "ohne Zucker" (Internetauftritt) bzw. "ohne Kristallzucker" (Getränkeverpackung) sei, ist ebenfalls irreführend. Sie verstößt gegen Art. 8 HCV und § 6 Abs. 1 NKV (Verordnung über nährwertbezogene Angaben bei Lebensmittel und die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln).

11

Die Werbung suggeriert, dass das Getränk keinen "Zucker" bzw. "Kristallzucker" enthalte. Das ist nach den Feststellungen des Sachverständigen W… in seinem schriftlichen Gutachten vom 7. November 2010 unrichtig, weil das Getränk Glucose, Maltrodextrin und Fructose, mithin Zuckerarten im Sinne der Richtlinie 2001/117/EG enthält. Diese Zutaten werden zwar auf der Verpackung erwähnt. Mangels weiterer Angaben lässt sich jedoch nicht erkennen, dass die Zuckerarten denselben Brennwert wie "normaler" (Kristall-) Zucker aufweisen und deshalb zu keiner verminderten Brennwertzufuhr führen. Der sich hinter der Angabe "ohne Zucker" bzw. "ohne Kristallzucker" verbergende Hinweis auf eine angeblich schlankheitsfördernde Wirkung, ist deshalb irreführend.

III.

12

Mit ihren erstmals im Berufungsverfahren erhobenen Angriffen gegen das Gutachten des Sachverständigen W… kann die Beklagte nicht mehr gehört werden (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Die Beklagte hat erstinstanzlich in der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2011 ausdrücklich erklärt, dass sie eine Erläuterung des Sachverständigengutachtens nicht wünsche. Ihre nunmehr erhobenen Einwände gegen das Sachverständigengutachten hätten in erster Instanz geltend gemacht werden müssen.

13

Im Übrigen weist die auf das Gutachten des Sachverständigen gestützte Beweiswürdigung des Einzelrichters keinen Fehler auf. Sie ist möglich und enthält keine Rechtsfehler.

IV.

14

Der Senat teilt auch die Auffassung des Erstrichters, dass die Drittunterwerfung der Beklagten gegenüber dem Verein "F… e. V." vom 22. Januar 2010 nicht ausreichend ist, um die vermutete Wiederholungsgefahr auszuräumen. Ob eine Drittunterwerfung hierfür genügt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere der Ernsthaftigkeit der Unterlassungserklärung, der Person des Unterlassungsgläubigers und dessen Bereitschaft, dem Vertragsstrafenversprechen im Falle der Zuwiderhandlung Geltung zu verschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 22.06.1989 - I ZR 120/87 -; Senat, Hinweisbeschluss vom 07.09.2010 - 4 U 64/10 -). Der Erstrichter hat die Ernsthaftigkeit der Unterlassungserklärung mit Recht bezweifelt, weil die Beklagte und der Verein "F… e.V." personell miteinander verwoben sind. Der einzelvertretungsberechtigte 2. Vorsitzende des Vereins, der Zeuge Sch… war Gründer der Beklagten, deren Geschäftsführerin nunmehr seine Tochter ist. Seine (getrenntlebende) Ehefrau ist Gesellschafterin. In dem früheren Verfahren vor dem Landgericht Zweibrücken (Az.: HKO 3/09; 4 U 184/09 Senat) hat der Zeuge Sch… bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht am 21. August 2009 angegeben, bei der Beklagten beratend tätig zu sein und die Produktion zu überwachen. Unabhängig davon, ob der Zeuge diese Tätigkeit auch heute noch ausübt, bestehen vor diesem Hintergrund Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Drittunterwerfung, zumal der erste Vorsitzende der Vereins "F… e. V." in dem vorbezeichneten Verfahren in den mündlichen Verhandlungen als Beistand der Beklagten aufgetreten ist, was den Eindruck einer personellen Verflechtung zwischen der Beklagten und dem Verein vertieft.

15

Einer etwa beabsichtigten Stellungnahme wird bis

16

28. Juni 2012

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entgegengesehen.

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I. Der Senat hält die geschilderten Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung im Beschlussverfahren für gegeben. Die Berufung ist ohne Aussicht auf Erfolg. Das Urteil des Landgerichts ist richtig. Zutreffend hat der Vorsitz

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

I.

1

Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Nr. 3 ZPO). Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

2

Die Berufung ist offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

1.

3

Der klagende Verband ist klagebefugt. Er ist nach § 1 Nr. 4 der Unterlassungsklageverordnung vom 03.07.2002 als Wettbewerbsverband i. S. d. Vorschriften des Unterlassungsklagegesetzes anerkannt. Er ist in einer Vielzahl von Prozessen als klagebefugt angesehen worden (vgl. z. B. BGH WRP 2008, 1513; 2044, 1074; Senat, Hinweisbeschluss vom 20.12.2007 – 4 U 104/07 –; 16.03.2010 – 4 U 146/09 –, jeweils m. w. N.).

2.

4

Die durch das erstinstanzliche Urteil verbotene Werbung verstößt gegen Art. 10 Abs. 1 Abs. 2 a, Art. 5 Abs. 1 a, Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über Nährwert und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (sog. Health-Claims, abgekürzt HCV). Daneben verstößt die Werbung auch gegen § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB. Beide Vorschriften sind Marktverhaltensregeln (BGH WRP 2008, 1514 zu den Bestimmungen des LFGB; Hefermehl/Köhler/Bornkamm UWG 28. Aufl. § 4 Rdnr. 11, 136 m. w. N.; Meyer WRP 2008/596), wobei vorrangig die Regeln der HCV gelten (Hefermehl/Köhler/Bornkamm a. a. O.; Meyer a. a. O.). Bezüglich der Produkte „V…-W… A… A… Effect-Kapseln“ und „V…-W… A… Activ-Effect, kalorienarmer Drink“ verstößt die Werbung zudem gegen § 6 NKV. Bei dieser Vorschrift handelt es sich ebenfalls um eine Marktverhaltensregel.

5

Nach Art. 3 HCV dürfen gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln nur verwendet werden, wenn sie der genannten Verordnung entsprechen. Nach Art. 5 Abs. 1 a HCV ist die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben nur zulässig, wenn anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen ist, dass das Vorhandensein des Nährstoffes oder der anderen Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einem Lebensmittel oder einer Kategorie von Lebensmitteln eine positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung hat. Nach Art. 10 Abs. 1 HCV sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie den Anforderungen der vorgenannten Vorschrift nicht entsprechen. Die Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Dezember 2008 wurde nach Nr. 1 der Erwägungsgründe beschlossen, weil zunehmend Lebensmittel in der Gemeinschaft mit nährwerts- und gesundheitsbezogenen Angaben gekennzeichnet und mit diesen Angaben für sie Werbung gemacht wird. Um dem Verbraucher ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und um ihm die Wahl zu erleichtern, müssen die im Handel befindlichen Produkte sicher sein und eine angemessene Kennzeichnung aufweisen. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB ist es verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn einem Lebensmittel Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 NKV (Verordnung über nährwertbezogene Angaben bei Lebensmitteln und die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln) ist es verboten, im Verkehr mit Lebensmitteln oder in der Werbung für Lebensmittel Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen zu verwenden, die darauf hindeuten, dass ein Lebensmittel schlankmachende, schlankheitsfördernde oder gewichtsverringernde Eigenschaften besitzt, vorausgesetzt, dass die Angaben irreführend sind (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 01.07.2008 – 6 U 14/08 - bei Juris). Die von der Verfügungsbeklagten vertriebenen Produkte „V…-W… A… A… Effect-Kapseln“ und „V…-W… A… Activ-Effect, kalorienarmer Drink“ sind Nahrungsergänzungsmittel, welche den vorgenannten Vorschriften unterfallen. Soweit die übrigen Produkte („V... - W... F… A… Diät Fix und Fertig Shakes“, „V... - W... F… U… Schlank-Shake“, „V... - W...F… A… Diät-Creme-Suppen“ und „V... - W...F… A… Diätshake“) angeblich Diätmittel i. S. v. § 14 a der DiätV sind, gilt für sie lediglich § 6 Abs. 1 Satz 1 NKV nicht. Diese Mittel unterfallen aber ebenfalls den Bestimmungen der HCV und des LFGB und dürfen daher nicht irreführend sein (vgl. auch BGH, Urteil vom 02.10.2008 – I ZR 220/05 - bei Juris).

3.

6

Der Verfügungskläger hat vorgetragen, dass die Wirksamkeit der von der Verfügungsbeklagten in der Fernsehwerbesendung am 30. März 2011 beworbenen Produkte wissenschaftlich nicht nachgewiesen sei, weil hinreichende wissenschaftliche Erkenntnisse nicht vorliegen würden. Damit hat der Verfügungskläger einen Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG schlüssig dargelegt. Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist es nicht Sache des Verfügungsklägers darzulegen und glaubhaft zu machen, dass die Produkte die behaupteten Wirkungen nicht hätten, sondern Sache der Verfügungsbeklagten - abweichend von dem Grundsatz, dass im Wettbewerbsprozess grundsätzlich der Kläger die Unrichtigkeit einer beanstandeten Werbeaussage nachzuweisen hat - die Wirksamkeit des beworbenen Mittels glaubhaft zu machen hat. Das entspricht der herrschenden Meinung (vgl. auch BGH, Urteile vom 21.01.2010 - I ZR 27/07 -; GRUR 2002, 182; Senat, Hinweisbeschluss vom 16.03.2010, a. a. O.). Es entspricht auch dem Europäischen Verbraucherleitbild, dass überall dort, wo in der Werbung die Gesundheit ins Spiel gebracht wird, besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit und Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen zu stellen sind, wie aus auch dem Erwägungsgrund Nr. 16 der HCV entspricht (vgl. dazu auch OLG Köln, Urteil vom 12.10.2007 - 6 U 56/07 - bei Juris).

4.

7

Die Verfügungsbeklagte hat nicht nachgewiesen, dass ihre Werbeaussagen wissenschaftlich gesichert sind.

8

In dem angefochtenen Urteil ist für den Senat bindend (§ 314 ZPO) festgestellt, dass sich die im Tatbestand genannten Werbeaussagen auf alle dort aufgeführten Produkte („diese Produkte“) bezog, sodass die Verfügungsbeklagte nicht damit gehört werden kann, die Werbeaussagen bezögen sich auf unterschiedliche Produkte.

9

Die Verfügungsbeklagte hat nicht glaubhaft gemacht, dass die in den Werbeaussagen behaupteten Wirkungen wissenschaftlich nachgewiesen sind.

10

Im Einzelnen gilt:

11

4.1. Aussage Nr. 1:

12

„…Das heißt für Sie natürlich, mit S… X… kann die Fettzelle stimuliert werden. Und somit kann natürlich auch der Abbau von Körperfett unterstützt werden. Es werden fettabbauende Enzyme freigesetzt. Und zusätzlich werden hier die Nahrungsfette gebunden.“

13

Diese Aussage suggeriert, dass der Wirkstoff S… X… den Abbau von Körperfett unterstütze und zusätzlich Nahrungsfette binde. Der von der Verfügungsbeklagten vorgelegte (übersetzte) Auszug eines (englischsprachigen) Aufsatzes des Dr. D… in der Zeitschrift Phytomedicine ergibt keinen ausreichenden wissenschaftlichen Nachweis der beworbenen Wirkung. Der Wirksamkeitsnachweis kann nur durch die Vorlage von Studien erbracht werden, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden sind, wobei nicht erforderlich ist, dass die Wirksamkeit als solche in der Fachwelt allgemeinanerkannt und unumstritten ist. Eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist, kann genügen (BGH, Urteil vom 02.10.2008 - I ZR 51/06 -). Wie sich aus dem vom Verfügungskläger vorgelegten Gutachten des Sachverständigen Dr. G… vom 27. Januar 1992 ergibt, ist eine Untersuchung über die Wirksamkeit von Diätmitteln aber wirkungslos, wenn nicht die Bedingungen mitgeteilt werden, unter denen die Diät durchgeführt wurde und die Versagerquote genannt wird. Dem (übersetzten), von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Auszug des Aufsatzes von Dr. Dallas ist nicht zu entnehmen, nach welchen wissenschaftlichen Standards die „klinische Studie“ durchgeführt wurde. Darin wird mitgeteilt, dass zwei Gruppen von jeweils 10 übergewichtigen) Probanten gebildet wurden, die 4 und 12 Wochen mit (einer bestimmten Dosis) S… supplementiert wurden oder ein Placebo erhielten: In der „S…-Gruppe“ habe sich das Körperfett signifikant um bestimmte Prozentzahlen nach 4 bzw. 12 Wochen reduziert; entsprechend habe sich das Körpergewicht signifikant um (bestimmte) Kilogramm nach 4 bis 12 Wochen verringert. Diesen pauschalen Angaben lässt sich nicht entnehmen, wie die Studie im Einzelnen durchgeführt wurde, sodass sie nicht einen Nachweis erbringt, dass sie nach anerkannten, wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde.

14

Der Verfügungsbeklagten kann auch nicht gefolgt werden, dass sich ein Teil der Werbeaussage, wonach Nahrungsfette gebunden werden, lediglich auf den weiteren Inhaltsstoff „N…“ bezogen habe, welcher bei dem Interview zuvor genannt wurde.

15

Der Gesamttext der Interviewantwort der Produktpromotorin der Verfügungsbeklagten lautete:

16

„Lassen Sie uns in eine Vorschau gehen! Noch gar nicht präsentiert heute, und das ist die Überraschung des heutigen Tages. Das ist so ein doppler Spezialeffekt, so eine Synergie mit dem wahnsinnigen Inhaltsstoff S… und N…. Das heißt für Sie natürlich, mit S… X… kann die Fettzelle stimuliert werden. Und somit kann natürlich auch der Abbau von Körperfett unterstützt werden. Es werden fettabbauende Enzyme freigesetzt. Und zusätzlich werden die Nahrungsfette gebunden.“

17

Der Aufbau des Textes ergibt eindeutig, dass sich die in der Werbeantwort beworbenen Wirkungen zumindest auch - wenn nicht sogar in erster Linie - auf den Wirkstoff S… X… bezogen, weil bezüglich der Wirkungsweise nicht zwischen den einzelnen Wirkstoffen unterschieden wurde.

18

4.2. Aussage Nr. 2

19

„hier haben Sie mit fünf Mahlzeiten eine kalorienreduzierte Ernährung, wo wir aber auch die Muskelmasse schonen, schützen, wo wir keinen Muskelverlust haben, wo wir aber durch dieses schöne Konzept Gewicht verlieren können.“

20

Die Aussage suggeriert, dass die Produkte zu einer Gewichtsreduzierung ohne Muskelverlust führen. Dass eine solche Wirkungsweise hinreichend wissenschaftlich nachgewiesen ist, hat die Verfügungsbeklagte weder dargetan, noch glaubhaft gemacht.

21

4.3. Aussage Nr. 3 und 4

22

„Sie haben gar nicht das Gefühl, dass Sie in irgendeiner Art und Weise hier jetzt auf irgendetwas verzichten müssen.“

23

und

24

„Das ist auch besonders hilfreich natürlich bei ‘ner Diät. Sie müssen hier auf nichts verzichten.“

25

Die Werbeaussagen machen den Verbraucher glauben, dass mit den von der Verfügungsbeklagten geworbenen Produkten eine Gewichtsreduzierung möglich sei, die nicht von Appetit- oder Hungergefühlen begleitet sei. Die Beklagte hat weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass eine solche Wirkungsweise hinreichend wissenschaftlich nachgewiesen ist. Aus dem von dem Verfügungskläger vorgelegten Gutachten des Sachverständigen Dr. G… vom 27. Januar 1992 ergibt sich, dass solche Gefühle grundsätzlich bei jeder Einhaltung einer Diät zum Gewichtabnehmen auftreten.

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4.4. Aussage Nr. 6

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„normalerweise ist das ja so, wenn man irgendwie ‘ne Diät macht, hört man dann immer: Menschenskind! Da wird der Stoffwechsel runter gefahren. Dann liegt das alles brach. Und wenn ich dann irgendwann wieder anfange, mich normal zu ernähren, dann setze ich doppelt an. Hier habe ich aber auch noch diese Unterstützung, weil eben der Stoffwechsel weiterhin komplett aktiv ist.“

28

Die Aussage suggeriert, dass der - wie auch dem Senat bekannt ist - bei Gewichtsreduktionen typischerweise auftretende Jo-Jo-Effekt bei Anwendung der von der Verfügungsbeklagten beworbenen Produkte zumindest gemildert werde. Die Verfügungsbeklagte hat nicht nachgewiesen, dass eine solche Wirkungsweise wissenschaftlich erwiesen ist.

29

4.5. Aussage Nr. 5 und 7

30

„Dadurch, dass wir natürlich jetzt hier wirklich ein hochwertiges Eiweiß integriert haben, geht er nicht an die Muskelmasse. Das heißt, wir verbrennen dementsprechend mehr Fett, weil wir einfach weniger Kalorien zuführen. Sind aber trotzdem nicht aggressiv, sind trotzdem entspannt den ganzen Tag über. Fallen nicht in so 'n Tief. Das ist sehr wichtig. Und schmeißen nicht alle guten Vorsätze wieder über den Haufen.“

31

und

32

„Sie fallen nicht in ein Stoffwechselloch, in dieses Tief hinein, sondern Sie bleiben aktiv. Die Leistungsfähigkeit bleibt erhalten.“

33

Die Aussagen suggerieren, dass durch Einnahme der von der Verfügungsbeklagten beworbenen Produkte eine Gewichtsreduktion möglich sei, ohne negative, subjektive Begleitempfindungen. Dass eine solche Wirkungsweise wissenschaftlich hinreichend nachgewiesen ist, hat die Verfügungsbeklagte weder dargetan noch glaubhaft gemacht. Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. G… vom 27. Januar 1992 ergibt sich, dass typische Begleiterscheinungen einer Gewichtsreduktion Reizbarkeit, depressive Verstimmungen, Schwindel und Schwäche sind.

34

4.6. Aussage Nr. 8

35

„Dann haben wir noch Guarana-Extrakt dabei. Das ist ein ganz anregender Wirkstoff. Dadurch wird Ihr Stoffwechsel angeheizt, ganz besonders der Fettstoffwechsel. Sie können dadurch noch zusätzlich Fett verbrennen und abnehmen.“

36

Auch insoweit hat die Verfügungsbeklagte nicht dargetan, dass die beworbenen Wirkungen hinreichend wissenschaftlich nachgewiesen sind.

II.

37

Einer etwa beabsichtigten Stellungnahme wird bis 16. Januar 2012 entgegengesehen.

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt,
2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt,
3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind,
4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.

(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.

(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 51/04 Verkündet am:
1. März 2007
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Krankenhauswerbung
Für die Annahme, dass ein Verband eine im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG
erhebliche Zahl von Unternehmern als Mitglieder hat, kommt es nicht darauf an,
ob diese Verbandsmitglieder nach ihrer Zahl und ihrem wirtschaftlichem Gewicht
im Verhältnis zu allen anderen auf dem maßgeblichen Markt tätigen Unternehmern
repräsentativ sind.
HeilmittelwerbeG § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
Der Tatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG setzt voraus, dass die Werbung
geeignet ist, das Laienpublikum unsachlich zu beeinflussen und dadurch
zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung zu bewirken (Aufgabe von
BGH, Urt. v. 26.10.2000 - I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 455 = WRP 2001,
400 - TCM-Zentrum).
BGH, Urt. v. 1. März 2007 - I ZR 51/04 - OLG Frankfurt a.M.
LG Fulda
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. März 2007 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, dessen satzungsmäßige Aufgabe es ist, die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs zu überwachen. Die Beklagte, die Stadt F. , ist die Trägerin des Eigenbetriebs Klinikum F. (im Weiteren als "Klinikum" bezeichnet). Sie gibt die Informationsschrift "Medi- zin für O. - Aktuelle Informationen aus dem führenden Krankenhaus der Region" heraus. In den Ausgaben 1/02 und 2/02 dieser Informationsschrift, die als Beilage zur F. Tageszeitung verteilt wurden, waren Angehörige der Heilberufe in der typischen weißen Berufskleidung, zum Teil bei beruflichen Tätigkeiten , abgebildet. Entsprechende Darstellungen enthält auch der Internetauftritt des Klinikums.
2
Der Kläger hat diese Werbung als unzulässige Öffentlichkeitswerbung (im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG) und als wettbewerbswidrig beanstandet. Er hat beantragt, der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr außerhalb der Fachkreise für Heilbehandlungen mit bildlichen Darstellungen von Personen in Berufskleidung und/oder bei Ausübung der Tätigkeit als Angehörige der Heilberufe (gemäß dem Druck "Medizin für O. ", Nr. 1/02, Internet-Ausdruck v. 17.05.2002 und/oder "Medizin für O. ", Nr. 2/02) zu werben.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
4
Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.
5
Mit der (vom Senat zugelassenen) Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


6
I. Das Berufungsgericht hat die Klage für unzulässig erachtet, weil der Kläger im Streitfall nicht als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen i.S. des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG (a.F.) klagebefugt sei. Ihm gehöre keine erhebliche Zahl von Unternehmen an, die Wettbewerber des Klinikums auf demselben räumlichen und sachlichen Markt seien. Hierzu hat es ausgeführt:
7
Zu den mit dem Klinikum im Wettbewerb stehenden Mitgliedern des Klägers gehörten die Unternehmen, die bundesweit oder im Raum O. Heilbehandlungen im weitesten Sinne anböten. Die für den räumlichen Markt maßgebliche Geschäftstätigkeit des Klinikums erstrecke sich auf den Raum O. , in dem auch die beanstandete Informationsschrift verteilt werde. Der Umstand, dass die Beklagte ihr Klinikum auch im Internet bewerbe, führe zwar dazu, dass die Information zwangsläufig potentielle Verbraucher in aller Welt erreiche; eine Erweiterung des räumlichen Marktes werde damit aber nicht angestrebt und trete auch nicht ein. Auch wenn mittlerweile wohl jedes Krankenhaus sein Angebot im Internet präsentiere, sei die wohnortnahe Versorgung im Bereich der Akutmedizin noch immer die Regel. Das Klinikum werbe nicht mit Behandlungen, die eine hohe Spezialisierung voraussetzten und nicht auch in jedem anderen Krankenhaus der Maximalversorgung vorgenommen werden könnten.
8
In sachlicher Hinsicht sei auf den Markt für Heilbehandlungen abzustellen. Hersteller und Versandhändler von Arzneimitteln kämen als Wettbewerber eines Akutkrankenhauses nicht ernsthaft in Betracht. Die beanstandete Werbung könne auch nicht den Absatz der Waren von Herstellern oder Händlern von Naturheilmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und Medizintechnik beeinträchtigen. Die sieben Kliniken und Kurkliniken, die dem Kläger als Mitglieder angehörten und dem Klinikum auf demselben räumlichen und sachlichen Markt begegneten, stellten keine repräsentative Anzahl von Mitbewerbern dar.
9
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
10
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klagebefugnis des Klägers nicht bereits daraus folgt, dass er zu den in § 1 UKlaV aufgeführten auskunftsberechtigten Wettbewerbsverbänden zählt (vgl. BGH, Urt. v. 16.11.2006 - I ZR 218/03, WRP 2007, 778 Tz 12 - Sammelmitgliedschaft V, m.w.N.).
11
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger sei auch nicht nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. (nunmehr: § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) klagebefugt, ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern.
12
a) Die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 in § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. und seither in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG enthaltene Regelung der Voraussetzungen, unter denen ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend machen kann, betrifft sowohl die prozessuale Klagebefugnis als auch die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung. Dementsprechend muss der Verband nicht nur im Zeitpunkt der beanstandeten Wettbewerbshandlung klagebefugt gewesen sein; seine Klagebefugnis muss vielmehr auch im Revisionsverfahren noch fortbestehen. Bei der Prüfung, ob dies der Fall ist, ist der Senat auch als Revisionsgericht nicht an die tatsächlichen Fest- stellungen des Berufungsgerichts gebunden (vgl. BGH, Urt. v. 18.5.2006 - I ZR 116/03, GRUR 2006, 873 Tz 14 = WRP 2006, 1118 - Brillenwerbung, m.w.N.). Das Revisionsgericht hat vielmehr selbständig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Klagebefugnis erfüllt sind. Dabei ist grundsätzlich zu verlangen, dass die Tatsachen, aus denen sich die Klagebefugnis ergibt, spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorgelegen haben (BGH WRP 2007, 778 Tz 14 - Sammelmitgliedschaft V, m.w.N.).
13
b) Die Klagebefugnis eines Verbands nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.) setzt voraus, dass dieser die Interessen einer erheblichen Zahl von Unternehmern wahrnimmt, die auf demselben Markt tätig sind wie der Wettbewerber, gegen den sich der Anspruch richtet. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass dem Kläger sieben Kliniken und Kurkliniken angehören, die dem Klinikum auf dem Markt für Heilbehandlungen begegnen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe durch die Benennung dieser Mitglieder die Voraussetzungen für seine Klagebefugnis nicht dargetan, wird von der Revision mit Erfolg angegriffen.
14
aa) Der Begriff der Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.) ist weit auszulegen. Die beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen müssen sich ihrer Art nach so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz des einen Unternehmers durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Es reicht aus, dass eine nicht gänzlich unbedeutende potentielle Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann. Ein entsprechendes Wettbewerbsverhältnis wird wesentlich durch die gemeinsame Zugehörigkeit zur selben Branche oder zu zumindest angrenzenden Branchen begründet. Dabei ist auf Seiten des in Anspruch Genommenen auf den Branchenbereich abzustellen, dem die beanstandete Wettbewerbshandlung zuzurechnen ist (vgl. BGH, Urt. v. 16.3.2006 - I ZR 103/03, GRUR 2006, 778 Tz 19 = WRP 2006, 1023 - Sammelmitgliedschaft IV; BGH WRP 2007, 778 Tz 17 - Sammelmitgliedschaft V). Das ist hier der Branchenbereich der Heilbehandlungen. Danach hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, dass die Klinik für "naturgemäße Ganzheitsmedizin" in G. , die bundesweit agierende neurologische Klinik in B. , die Migräneklinik in K. , die Klinik in N. und die drei bundesweit tätigen Kurkliniken, die sämtlich Mitglieder des Klägers sind, bei der Beurteilung zu berücksichtigen sind, ob dieser nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.) klagebefugt ist. Nicht maßgeblich ist, ob das Klinikum der Beklagten gerade bei den Waren oder Dienstleistungen, die mit den beanstandeten Wettbewerbsmaßnahmen beworben worden sind, mit diesen Unternehmen im Wettbewerb steht.
15
bb) Die danach als Wettbewerber des Klinikums zu berücksichtigenden sieben Mitglieder des Klägers sind eine erhebliche Zahl von Unternehmern im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.). Erheblich in diesem Sinn ist die Zahl der Mitglieder des Verbands auf dem einschlägigen Markt dann, wenn diese Mitglieder als Unternehmer, bezogen auf den maßgeblichen Markt, in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbands ausgeschlossen werden kann. Dies kann auch schon bei einer geringen Zahl auf dem betreffenden Markt tätiger Mitglieder anzunehmen sein (vgl. BGH WRP 2007, 778 Tz 18 - Sammelmitgliedschaft V, m.w.N.). Darauf , ob diese Verbandsmitglieder nach ihrer Zahl und ihrem wirtschaftlichem Gewicht im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmern repräsentativ sind, kommt es nicht an.

16
III. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu prüfen haben, ob die beanstandete Werbung der Beklagten gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG verstößt.
17
1. Dabei wird zunächst zu prüfen sein, ob bzw. inwieweit es sich bei dieser Werbung um eine an § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG zu messende produktbezogene Werbung oder aber um eine sog. Imagewerbung handelt, die der Steigerung des Ansehens des Unternehmens dienen soll und von vornherein vom Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes ausgenommen ist (vgl. zu der nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung vorzunehmenden Abgrenzung BGH, Urt. v. 6.7.2006 - I ZR 145/03, GRUR 2006, 949 Tz 23 = WRP 2006, 1370 - Kunden werben Kunden; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 4 UWG Rdn. 11.134; MünchKomm.UWG/Schaffert , § 4 Nr. 11 Rdn. 208, jeweils m.w.N.).
18
2. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG darf für Verfahren und Behandlungen außerhalb der Fachkreise im Sinne von § 2 HWG nicht mit der bildlichen Darstellung von Personen in der Berufskleidung geworben werden, wenn sich die dabei gemachten Werbeäußerungen auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden bei Mensch oder Tier beziehen. Diese Regelung gilt, da § 11 HWG keine dem § 12 Abs. 2 Satz 2 HWG entsprechende Einschränkung enthält, auch für die Werbung von Kliniken, Sanatorien und Kuranstalten (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.1970 - I ZR 14/69, GRUR 1970, 558, 560 - Sanatorium I; Urt. v. 28.3.1985 - I ZR 42/83, GRUR 1985, 936, 937 = WRP 1985, 483 - Sanatorium

II).



19
3. Die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG soll insbesondere verhindern, dass durch Abbildungen der Eindruck erzeugt wird, das fragliche Heilmittel oder Behandlungsverfahren werde fachlich empfohlen oder angewendet , und dass die Autorität der Heilberufe dazu ausgenutzt wird, direkt oder indirekt die Vorstellung besonderer Wirksamkeit bestimmter Präparate oder Behandlungen zu wecken (BGH GRUR 1985, 936 - Sanatorium II; BGH, Urt. v. 26.10.2000 - I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 455 = WRP 2001, 400 - TCMZentrum ). Die Vorschrift ist vom historischen Gesetzgeber als abstrakter Gefährdungstatbestand verstanden und vom Senat bisher auch so ausgelegt worden (vgl. BGH GRUR 1985, 936, 937 - Sanatorium II; GRUR 2001, 453, 455 - TCM-Zentrum). An dieser Auslegung kann jedoch mit Rücksicht auf die Tragweite der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit, die durch § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG eingeschränkt wird, nicht festgehalten werden. Im Anschluss an die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Heilmittelwerberecht (vgl. insbesondere - zu § 10 Abs. 1 HWG - BVerfG GRUR 2004, 797) ist vielmehr eine einschränkende Auslegung der Vorschrift geboten. Der Tatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG setzt danach voraus, dass die Werbung geeignet ist, das Laienpublikum unsachlich zu beeinflussen und dadurch zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung zu bewirken (vgl. auch Ring in Bülow/Ring, HWG, 3. Aufl., § 11 Abs. 1 Nr. 4 Rdn. 32a f.).
v.Ungern-Sternberg Büscher Schaffert
Kirchhoff Bergmann
Vorinstanzen:
LG Fulda, Entscheidung vom 03.02.2003 - 2 O 511/02 -
OLG Frankfurt in Kassel, Entscheidung vom 10.02.2004 - 14 U 72/03 -

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt,
2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt,
3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind,
4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.

(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.

(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.

(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.

(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

(2) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:

1.
die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen;
2.
den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, oder die Bedingungen, unter denen die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird;
3.
die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers wie Identität, Vermögen einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums, den Umfang von Verpflichtungen, Befähigung, Status, Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen, Auszeichnungen oder Ehrungen, Beweggründe für die geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs;
4.
Aussagen oder Symbole, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen oder sich auf eine Zulassung des Unternehmers oder der Waren oder Dienstleistungen beziehen;
5.
die Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur;
6.
die Einhaltung eines Verhaltenskodexes, auf den sich der Unternehmer verbindlich verpflichtet hat, wenn er auf diese Bindung hinweist, oder
7.
Rechte des Verbrauchers, insbesondere solche auf Grund von Garantieversprechen oder Gewährleistungsrechte bei Leistungsstörungen.

(3) Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn

1.
sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft oder
2.
mit ihr eine Ware in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellten Ware vermarktet wird, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist.

(4) Angaben im Sinne von Absatz 1 Satz 2 sind auch Angaben im Rahmen vergleichender Werbung sowie bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen, die darauf zielen und geeignet sind, solche Angaben zu ersetzen.

(5) Es wird vermutet, dass es irreführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben, sofern der Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist. Ist streitig, ob und in welchem Zeitraum der Preis gefordert worden ist, so trifft die Beweislast denjenigen, der mit der Preisherabsetzung geworben hat.

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt,
2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt,
3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind,
4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.

(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.

(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

I.

Der Senat hält die geschilderten Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung im Beschlussverfahren für gegeben.

Die Berufung ist ohne Aussicht auf Erfolg. Das Urteil des Landgerichts ist richtig.

Zutreffend hat der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen angenommen, dass der klagende Verband klagebefugt ist. Er ist nach § 1 Nr. 4 der Unterlassungsklageverordnung vom 3. Juli 2002 (BGBl. I, 2565) als Wettbewerbsverband im Sinne der Vorschriften des Unterlassungsklagegesetzes anerkannt. Er ist in einer Vielzahl von Prozessen als Klagebefugt angesehen worden (vgl. z.B. BGH WRP 2008, 1513; 2044, 1074; Senat, Hinweisbeschluss vom 20. Dezember 2007 - 4 U 104/07 -; 16. März 2010 - 4 U 146/09 - jew. m.w.N.).

Gründe

II.

1

Die durch das erstinstanzliche Urteil verbotene Werbung verstößt gegen Art. 10 Abs. 1, Abs. 2 a, Art. 5 Abs. 1 a, Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (sog. Health-Claims, abgekürzt HCV). Daneben verstößt die Werbung auch gegen § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB. Beide Vorschriften sind Marktverhaltensregeln (vgl. BGH WRP 2008, 1514 zu den Bestimmungen des LFGB; Hefermehl/Köhler/Borkamm UWG 27. Aufl. § 4 Rn. 11.136 m.w.N.; Meyer WRP 2008, 596), wobei vorrangig die Regeln der HCV gelten (Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO; Meyer aaO).

2

1. Nach Art. 3 HCV dürften gesundheitsbezogene Angaben bei der Aufmachung von Lebensmitteln nur verwendet werden, wenn sie der vorliegenden Verordnung entsprechen. Nach Art. 5 Abs. 1 a HCV ist die Verwendung gesundheitsbezogener Angaben nur zulässig, wenn anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen ist, dass das Vorhandensein des Nährstoffs oder der anderen Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einem Lebensmittel oder einer Kategorie von Lebensmitteln eine positive ernährungsbezogene oder physiologische Wirkung hat. Nach Art. 10 Abs. 1 sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie den Anforderungen der vorgenannten Vorschrift nicht entsprechen. Nach Art. 10 Abs. 2 a) muss das Lebensmittel oder die Lebensmittelwerbung auch einen Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise enthalten. Die Verordnung des europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Dezember 2008 wurde nach Nr. 1 der Erwägungsgründe beschlossen, weil zunehmend Lebensmittel in der Gemeinschaft mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben gekennzeichnet und mit diesen Angaben für sie Werbung gemacht wird. Um dem Verbraucher ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und ihm die Wahl zu erleichtern, müssen die im Handel befindlichen Produkte sicher sein und eine angemessene Kennzeichnung aufweisen.

3

Wie das Landgericht richtig entschieden hat, entspricht die beanstandete Werbung der Beklagten diesen Anforderungen nicht, weil die in der HCV geforderten Angaben fehlen.

4

2. Zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass - abweichend von dem Grundsatz, dass im Wettbewerbsprozess grundsätzlich der Kläger die Unrichtigkeit einer beanstandeten Werbeaussage nachzuweisen hat - vorliegend die Beklagte die Wirksamkeit des beworbenen Mittels nachzuweisen hat. Das entspricht der herrschenden Meinung (vgl. BGH GRUR 2002, 182; Senat, Hinweisbeschluss vom 16. März 2010, aaO, m.w.N.). Es entspricht auch dem europäischen Verbraucherleitbild, dass überall dort, wo in der Werbung die Gesundheit ins Spiel gebracht wird, besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen zu stellen sind, wie es auch dem Erwägungsgrund Nr. 16 der HCV entspricht (vgl. dazu auch OLG Köln, Urteil vom 12. Oktober 2007 - 6 U 56/07 - bei juris). Die von der Beklagten erstinstanzlich erhobene Behauptung, dass das beworbene Produkt die ihm zugesicherten Eigenschaften aufweise, ist pauschal und deshalb unsubstantiiert. Richtig hat das Landgericht deshalb festgestellt, dass die von der Beklagten in der ersten Instanz beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens (ebenso wie die Vernehmung des Zeugen S...) auf eine unzulässige Ausforschung hinauslaufen würde, weil die konkreten Wirkungen des beworbenen Mittels aus dem Sachverständigen (und dem Zeugen) hätten herausgefragt werden müssen.

5

3. Die erstmals in der Berufungsbegründung aufgestellte Behauptung der Beklagten, bei dem Namen "M... V..." handele es sich um eine Marke, welche sie seit mehr als 10 Jahren betreibe, weshalb die Beklagte die Übergangsregel des Art. 27 Abs. 2 HCV in Anspruch nehmen könne, ist unbehelflich. Der Vortrag über die Benutzung einer Marke hätte in erster Instanz erfolgen müssen (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).

6

4. Entgegen der Auffassung der Berufung ergibt sich die Zulässigkeit der beanstandeten Werbung auch nicht aus § 27 Abs. 5 HCV. Denn nach dieser Bestimmung dürfen Angaben im Sinne des Art. 13 Abs. 1 a HCV bis zur Annahme der in Art. 13 in Abs. 3 genannten Liste nur dann weiterverwendet werden, sofern die Angaben dieser Verordnung und den einschlägigen einzelstaatlichen Vorschriften entsprechen.

7

Wie ausgeführt, verstößt die Werbung gegen Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 a HCV. Darüber hinaus verstößt sie auch gegen § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB. Nach dieser Vorschrift ist es irreführend, wenn für Lebensmittel geworben wird, in dem ihnen Wirkungen beigemessen werden, die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind (vgl. BGH WRP 2008, 1513 "Mobil Plus-Kapseln"). Dass das beworbene Produkt "M... V..." sich "positiv auf den gesamten Organismus" auswirke, hat die Beklagte - wie ausgeführt - nicht nachgewiesen.

III.

8

Vergeblich beanstandet die Beklagte, dass das Landgericht sie anteilig verurteilt hat, der Klägerin die entstandenen Abmahnkosten zu ersetzen. Da die Abmahnung - wie ausgeführt - teilweise berechtigt war, hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Abmahnkosten (§§ 683 Abs. 1, 677, 670 BGB). Die Klägerin ist als Verband auch berechtigt, - wie geschehen - pauschale Abmahnkosten geltend zu machen. Die Höhe der Kosten, welche das Landgericht wegen der teilweisen Klageabweisung nur in Höhe von 111,06 € zuerkannt hat, ist unter Berücksichtigung der vergleichbaren Kosten ähnlicher Institutionen nicht unangemessen (vgl. Hefermehl/Bornkamm aaO § 12 Rn. 1.98 m.w.N.).

IV.

9

Die zulässige Anschlussberufung verliert nach § 524 Abs. 4 ihre Wirkung, wenn die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen wird.

V.

10

Einer etwa beabsichtigten Stellungnahme wird bis

11

23. Juli 2010

12

entgegengesehen.