Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 08. Jan. 2013 - 3 W 146/12


Gericht
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf
10.921,49 €
festgesetzt.
Gründe
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Die gemäß §§ 46 Abs. 2, 2. Alternative, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt in der Sache nicht zum Erfolg.
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Gemäß § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Entscheidend ist, ob von dem Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung genügend objektive Gründe vorliegen, die die Befürchtung wecken könnten, der Richter stehe dem Rechtsstreit nicht mehr unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BGH NJW 1995, 1677; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 29. Auflage 2012, § 42 Rdnr. 9). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
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Der Antragsteller stützt sein Ablehnungsgesuch im Wesentlichen darauf, der Richter sei aufgrund einer fehlerhaften Meinung zu einer technischen Frage sachlich voreingenommen, habe die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers in ihren Ausführungen durch "Anbrüllen" unterbrochen und habe sie durch sein Angebot, mit ihr in den Gerichtsgarten zu gehen, um ihr dort die Eigenschaften von Erde anschaulich zu machen, "verunglimpft".
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Zutreffend ist das Landgericht in seinem angefochtenen Beschluss vom 17. August 2012 davon ausgegangen, dass dies eine Ablehnung nicht rechtfertigt. Zwar weist der Antragsteller zu Recht darauf hin, dass es unerheblich sei, ob der abgelehnte Richter selbst das Ablehnungsgesuch für begründet hält oder nicht (so etwa BVerfGE 73, 335; BVerfGE 99, 56 m. w. N.; Vollkommer, a.a.O.). Dies ist jedoch hier unschädlich, da es sich insoweit ersichtlich nur um eine Hilfserwägung der Kammer gehandelt hat, die für die Sachentscheidung keine Rolle spielt.
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Soweit der Antragsteller die angeblich unzutreffende Meinung des abgelehnten Richters zu einer technischen Einzelfrage dahingehend interpretiert, der Richter sei voreingenommen, ist dies ebenfalls unbeachtlich. Selbst wenn die Meinung des Richters tatsächlich fehlerhaft wäre, was nach dem bisherigen Akteninhalt nicht feststeht, könnte dies grundsätzlich eine Ablehnung nicht rechtfertigen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Befangenheitsablehnung kein Instrument zur Fehler- und Verfahrenskontrolle (vgl. BGH NJW 2002, 2396; Vollkommer, a.a.O. Rdnr. 28 mit ausführlichen weiteren Nachweisen) und kommt es insoweit auf die Fehlerhaftigkeit einer geäußerten (Rechts-) Auffassung nicht an (vgl. etwa OLG Schleswig, OLG R 2002, 327; Vollkommer, a.a.O. Rdnr. 28). Wäre es anders, wäre eine umfassende Erörterung der vorläufigen Rechtsauffassung eines Gerichts von vorneherein unmöglich. Dies widerspräche allen Grundsätzen der Zivilprozessordnung über die Durchführung der mündlichen Verhandlung (vgl. OLG Schleswig, OLG R 2004, 561). Über die Richtigkeit der Rechtsansichten und der Verfahrensweise eines Richters ist nicht im Ablehnungsverfahren, sondern in einem etwaigen Rechtsmittelverfahren zu entscheiden (KG, KG R Berlin 2000, 310). Etwas anderes gilt nur, wenn das Vorgehen und die Äußerungen des abgelehnten Richters so grob fehlerhaft sind, dass sich auch bei einer verständig urteilenden Partei der Anschein der Voreingenommenheit des Richters geradezu aufdrängen muss. Dies ist der Fall, wenn der Richter die seiner richterlichen Tätigkeit auch verfassungsrechtlich gesetzten Schranken so grob missachtet, dass dies den Anschein von Willkür erweckt und sich für die Beteiligten der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung geradezu aufdrängen muss. Dabei kann von Willkür nur dann ausgegangen werden, wenn das Vorgehen des Richters schlechterdings nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unvertretbar ist (Senat, Beschluss vom 21. August 2012, Az.: 3 W 89/12; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. Januar 2012, Az.: 10 W 42/11; OLG Saarbrücken, OLG R 2008, 355; KG, KG R 2005, 291).
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Gemessen hieran liegen weder in der durch den abgelehnten Richter geäußerten Auffassung zu einer einzelnen technischen Frage noch in der Gesamtschau (vgl. OLG Schleswig, Beschluss v. 30.9.2004, Az. 16 W 126/04, zitiert nach juris) der übrigen vom Antragsteller ins Feld geführten Umstände hinreichende Gründe dafür vor, an der gebotenen Objektivität und Neutralität des abgelehnten Richters zu zweifeln.
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Dies gilt insbesondere für das angebliche "Anbrüllen" der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers. Zwar hat der Richter in seiner dienstlichen Stellungnahme gemäß § 44 Abs. 3 ZPO vom 6. Juli 2012 eingeräumt, in einer "kurzen Phase einer Kontroverse laut geworden zu sein" und sich "echauffiert" zu haben. Aus den insoweit übereinstimmenden Schilderungen des abgelehnten Richters, des Antragstellers (Beklagter), des Klägers und der Kammer in dem angefochtenen Beschluss ergibt sich darüber hinaus, dass der abgelehnte Richter längere Ausführungen der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers unterbrochen hat. Grundsätzlich mag ein aufgeregter und unwirscher Tonfall eines Richters in einer solchen Situation auch unerwünscht sein. Es gehört jedoch zur menschlichen und auch richterlichen Ausdrucksweise, Auffassungen - wie etwa Zustimmung oder Ablehnung - durch Modulation der Stimme Gehör und Gewicht zu verschaffen. Allein hieraus ist insoweit kein Rückschluss auf eine etwaige Voreingenommenheit des abgelehnten Richters zu ziehen (vgl. etwa KG, KG R 2000, 310; Sächsisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. Juni 2010, Az.: 3 Sa 666/09, zitiert nach juris). So liegt der Fall hier. Der abgelehnte Richter hat erkennbar versucht, durch die - wenn auch im Ton möglicherweise unnötig scharfe - Unterbrechung der längeren Ausführungen der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers im Rechtsgespräch der Auffassung des Gerichts gemäß § 139 ZPO Gehör zu verschaffen bzw. der Gegenseite Gelegenheit zur Antwort auf das Vorbringen zu geben. Ein Vorwurf des Anscheins der Parteilichkeit ist hieran nicht zu knüpfen.
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Schließlich liegt auch in dem durch den Richter in seiner dienstlichen Stellungnahme selbst dokumentierten Angebot an die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers, ihr im Gerichtsgarten vor Ort die Eigenschaften von "Erde", über die es zwischen dem Richter und der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers offensichtlich zu einer Meinungsverschiedenheit gekommen war, zu demonstrieren, nach verständiger Würdigung kein Versuch der "Verunglimpfung" des Antragstellers oder seiner Prozessbevollmächtigten. Es handelt sich hier um ein - objektiv vernünftigerweise nur als solches zu verstehendes - rein rhetorisches Angebot, mit dem der Richter seinen Ausführungen Nachdruck zu verleihen suchte. Dies mag der Antragsteller in der gegebenen Situation als unangemessen erachtet haben, ist letztlich jedoch lediglich Ausdruck des engagierten Naturells des abgelehnten Richters, was eine konkrete persönliche Voreingenommenheit gegen die Person des Antragstellers oder seiner Prozessbevollmächtigten nicht erkennen lässt.
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Entsprechendes gilt für die Mutmaßungen des Antragstellers, der abgelehnte Richter könne gegen die Person der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers aufgrund eines früheren Prozesses, welchen der abgelehnte Richter in seiner dienstlichen Stellungnahme schlagwortartig als "Verfahren Brotfabrik" gekennzeichnet hat, eine persönliche Abneigung hegen und dies auf das vorliegende Verfahren übertragen. Bereits grundsätzlich verbietet sich ein Rückschluss von einem etwaigen angespannten Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Richter aufgrund früherer Aufeinandertreffen auf eine mögliche Voreingenommenheit des Richters gegenüber einer hieran völlig unbeteiligten Prozesspartei eines aktuellen Rechtsstreits (vgl. BGH, NJW 2002, 2396). Darüber hinaus beruht die hier behauptete negative Einstellung des abgelehnten Richters gegenüber dem Antragsteller oder auch nur deren angeblicher Anschein lediglich auf einer sachlich durch nichts gestützten Mutmaßung des Antragstellers. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die durch den Richter gewählte Bezeichnung "Brotfabrik" für eine vom Antragsteller so bezeichnete "Großbäckerei" nach der - vom Senat so nicht nachvollzogenen - Auffassung des Antragstellers abwertend belegt sein soll.
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Letztlich ist auch kein Hinweis auf eine etwaige Voreingenommenheit des Richters darin zu erkennen, dass er, wie von Antragstellerseite zuletzt unwidersprochen behauptet, die Bezeichnung "Märchenstunde" für den Sachvortrag der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht durch einen Ordnungsruf geahndet habe. Dieser Vorwurf kann den abgelehnten Richter schon deshalb nicht treffen, da eine solche Ahndung in erster Linie dem prozessleitenden Vorsitzenden zugestanden hätte und nicht dem abgelehnten Richter als Beisitzer in der hier in Rede stehenden öffentlichen Sitzung der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 21. Juni 2012.
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Der Wert des Beschwerdeverfahrens richtet sich gemäß §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO nach dem Streitwert der Hauptsache (BGH, Beschluss vom 6. April 2006, Az.: V ZB 194/05, zitiert nach juris).

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(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.
(1) Das Ablehnungsgesuch ist bei dem Gericht, dem der Richter angehört, anzubringen; es kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.
(2) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden. Zur Glaubhaftmachung kann auf das Zeugnis des abgelehnten Richters Bezug genommen werden.
(3) Der abgelehnte Richter hat sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern.
(4) Wird ein Richter, bei dem die Partei sich in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so ist glaubhaft zu machen, dass der Ablehnungsgrund erst später entstanden oder der Partei bekannt geworden sei. Das Ablehnungsgesuch ist unverzüglich anzubringen.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.