Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 18. Aug. 2016 - 1 Ws 198/16

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2016:0818.1WS198.16.0A
18.08.2016

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Tenor

Auf die Beschwerde der Verurteilten wird der Beschluss der Kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken vom 2. August 2016 aufgehoben und der Verurteilten Rechtsanwalt Dr. O. B. als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Verurteilten darin entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zu Last.

Gründe

I.

1

Die Verurteilte verbüßt derzeit in der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten, zu der sie das Landgericht Kaiserslautern wegen versuchter Anstiftung zum Mord verurteilt hat.

2

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken hat am 4. März 2016 eine Entlassung zum Halbstrafentermin abgelehnt und ein Prognosegutachten in Auftrag gegeben. Die Verurteilte hat nunmehr beantragt, zum 2/3-Zeitpunkt am 19. Oktober 2016 die Vollstreckung des Strafrestes zu Bewährung auszusetzen und ihr ihren Wahlverteidiger, Rechtsanwalt Dr. B., als Pflichtverteidiger beizuordnen.

3

Mit Beschluss vom 2. August 2016 hat die Strafvollstreckungskammer die beantragte Beiordnung unter Hinweis darauf, dass der Rechtsanwalt nicht im Gerichtsbezirk ansässig ist, abgelehnt. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Verurteilte mit ihrer Beschwerde vom 3. August 2016. Sie führt an, sie werde bereits seit mehreren Jahren von Rechtsanwalt Dr. B. verteidigt und dieser sei zuletzt auch im Verfahren nach § 57 Abs. 2 StGB als Verteidiger für sie tätig gewesen. Die Strafvollstreckungskammer hat der Beschwerde am 4. August 2016 nicht abgeholfen und ergänzt, dass der Rechtsanwalt seinen Sitz nicht einmal im Bezirk des Pfälzischen Oberlandesgerichts habe.

4

Die Generalstaatsanwaltschaft hat am 10. August 2016 beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

5

Die nach § 304 Abs. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Verurteilten war für das vorliegende Vollstreckungsverfahren Rechtsanwalt Dr. O. B. als Pflichtverteidiger beizuordnen.

6

1. Im Vollstreckungsverfahren ist, wovon auch die Strafvollstreckungskammer ausgeht, in entsprechender Anwendung des § 140 Absatz 2 StPO dem Verurteilten ein Verteidiger zu bestellen, wenn die Sach- oder Rechtslage schwierig oder sonst ersichtlich ist, dass der Verurteilte seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann (st. Rspr., vgl. etwa OLG Köln, Beschluss vom 29. Dezember 2015 - 2 Ws 834/15, juris, Rn. 5 m.w.N.). Die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage bemisst sich dabei nicht nach der Schwere der Tatvorwürfe oder der Schwierigkeit der Sache im Erkenntnisverfahren, sondern nach der Schwere des Vollstreckungsfalles für den Verurteilten oder besonderen Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage im Vollstreckungsverfahren. Allerdings besteht dort in weitaus geringerem Maße als in dem kontradiktorisch ausgestalteten Erkenntnisverfahren ein Bedürfnis nach Mitwirkung eines Verteidigers, so dass die drei abschließend genannten Merkmale des § 140 Absatz 2 Satz 1 StPO einschränkend auszulegen sind (OLG Köln, a.a.O. m.w.N.).

7

Vorliegend ergibt sich das Bedürfnis nach Beiordnung eines Verteidigers aus den eingeschränkten Sprachkenntnissen der Verurteilten und der dadurch eingeschränkten Möglichkeit, sich eingehend mit dem von der Strafvollstreckungskammer beauftragten Gutachten auseinandersetzen und an dem Verfahren nach § 454 Abs. 2 S. 3 StPO mitwirken zu können (vgl. hierzu auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. Oktober 2014 - 3 Ws 861/14, juris, Rn. 5; KG, Beschluss vom 10. Februar 2006 - 5 Ws 61/06, juris, Rn. 9). Dieses Defizit ist allein mit der Beiziehung eines Dolmetschers nicht auszugeichen.

8

2. Die Beiordnung durfte vorliegend im Hinblick auf das vorgetragene gewachsene Vertrauensverhältnis über mehrere Jahre und die Vorbefassung in dem Verfahren nach § 57 Abs. 2 StGB auch nicht aufgrund der fehlenden Ansässigkeit des Verteidigers im Gerichtsbezirk abgelehnt werden.

9

Bereits nach § 142 Abs. 1 StPO aF (in der bis zum 30. September 2009 geltenden Fassung, nach der „möglichst aus der Zahl der in dem Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwälte“ auszuwählen war) war einem Angeklagten der Anwalt seines Vertrauens als Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn nicht besondere Gründe dagegen sprachen (BVerfG, Entscheidung vom 16. Dezember 1958 - 1 BvR 449/55, juris, Rn. 9). Die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts kam in Betracht, wenn zwischen diesem und dem Verurteilten ein besonderes Vertrauensverhältnis bestand (EGMR, Entscheidung vom 24. August 2010 - 40451/06, juris, Rn. 20) oder dies aus sonstigen Gründen unter Abwägung aller Umstände des Falles ausnahmsweise geboten war (OLG Rostock, Beschluss vom 29. Januar 2008 - I Ws 1/08, juris, Rn. 8 ff.). Nachdem nunmehr § 142 Abs. 1 StPO den Kreis der zu wählenden Anwälte nicht mehr „möglichst“ auf einen im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalt beschränkt, verliert der darin zum Ausdruck kommende Auswahlgesichtspunkt des Interesses der Rechtspflege an der Einsparung zusätzlicher Kosten an Gewicht. Zwar kann unter dem Gesichtspunkt der Verfahrenssicherung und der Möglichkeit einer sachgerechten Verteidigung nach wie vor eine erhebliche Entfernung zwischen Sitz des gewählten Anwalts und Gerichtsort bzw. Vollzugsanstalt einen wichtigen Grund darstellen, der auch einer Bestellung des gewählten Anwalts entgegenstehen kann. Die überschaubare Entfernung zwischen dem Sitz des Rechtsanwalts (Sch.) und dem Gerichtsort bzw. der Vollzugsanstalt (Zweibrücken) und eine entsprechenden Fahrzeit von ca. eineinhalb Stunden sind insoweit aber hinzunehmen (vgl. auch OLG Rostock, a.a.O., Rn. 11).

10

Mithin war es geboten, den mit der Sache vertrauten, sachkundigen Wahlverteidiger beizuordnen. Da sich die Ablehnung durch die Strafvollstreckungskammer nicht auf dessen Person, sondern ausschließlich auf dessen Ansässigkeit bezog, konnte der Senat vorliegend abweichend von § 142 Abs. 1 S. 2 StPO den gewählten Verteidiger beiordnen. Im Übrigen wäre jede andere Entscheidung ermessenfehlerhaft gewesen.

11

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 467 StPO.

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(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)

Tenor

Auf die Beschwerde wird dem Verurteilten unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses Rechtsanwalt Dr. A als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der darin dem Verurteilten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.


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(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)

(1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, daß vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten unzulässig ist, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. Der Verurteilte ist mündlich zu hören. Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn

1.
die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe befürworten und das Gericht die Aussetzung beabsichtigt,
2.
der Verurteilte die Aussetzung beantragt hat, zur Zeit der Antragstellung
a)
bei zeitiger Freiheitsstrafe noch nicht die Hälfte oder weniger als zwei Monate,
b)
bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahre
der Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt oder
3.
der Antrag des Verurteilten unzulässig ist (§ 57 Abs. 7, § 57a Abs. 4 des Strafgesetzbuches).
Das Gericht entscheidet zugleich, ob eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wird.

(2) Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes

1.
der lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen oder
2.
einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, daß Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.
Das Gutachten hat sich namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, daß dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Der Sachverständige ist mündlich zu hören, wobei der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist. Das Gericht kann von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen absehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft darauf verzichten.

(3) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist sofortige Beschwerde zulässig. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(4) Im Übrigen sind § 246a Absatz 2, § 268a Absatz 3, die §§ 268d, 453, 453a Absatz 1 und 3 sowie die §§ 453b und 453c entsprechend anzuwenden. Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird mündlich erteilt; die Belehrung kann auch der Vollzugsanstalt übertragen werden. Die Belehrung soll unmittelbar vor der Entlassung erteilt werden.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Der Antrag des Beschuldigten nach § 141 Absatz 1 Satz 1 ist vor Erhebung der Anklage bei den Behörden oder Beamten des Polizeidienstes oder bei der Staatsanwaltschaft anzubringen. Die Staatsanwaltschaft legt ihn mit einer Stellungnahme unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung vor, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt. Nach Erhebung der Anklage ist der Antrag des Beschuldigten bei dem nach Absatz 3 Nummer 3 zuständigen Gericht anzubringen.

(2) Ist dem Beschuldigten im Vorverfahren ein Pflichtverteidiger gemäß § 141 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 zu bestellen, so stellt die Staatsanwaltschaft unverzüglich den Antrag, dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger zu bestellen, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt.

(3) Über die Bestellung entscheidet

1.
das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft oder ihre zuständige Zweigstelle ihren Sitz hat, oder das nach § 162 Absatz 1 Satz 3 zuständige Gericht;
2.
in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 das Gericht, dem der Beschuldigte vorzuführen ist;
3.
nach Erhebung der Anklage der Vorsitzende des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(4) Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann auch die Staatsanwaltschaft über die Bestellung entscheiden. Sie beantragt unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach ihrer Entscheidung, die gerichtliche Bestätigung der Bestellung oder der Ablehnung des Antrags des Beschuldigten. Der Beschuldigte kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen.

(5) Vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. § 136 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. Ein von dem Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht; ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

(6) Wird dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt, den er nicht bezeichnet hat, ist er aus dem Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer (§ 31 der Bundesrechtsanwaltsordnung) auszuwählen. Dabei soll aus den dort eingetragenen Rechtsanwälten entweder ein Fachanwalt für Strafrecht oder ein anderer Rechtsanwalt, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat und für die Übernahme der Verteidigung geeignet ist, ausgewählt werden.

(7) Gerichtliche Entscheidungen über die Bestellung eines Pflichtverteidigers sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Sie ist ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte einen Antrag nach § 143a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 stellen kann.

Tenor

1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

2. Dem Untergebrachten wird die Rechtsanwältin S. aus F. als Pflichtverteidigerin im anstehenden Überprüfungsverfahren nach §§ 67 d, 67 e StGB beigeordnet.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Untergebrachten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

1

Das zulässige (§ 304 Abs. 1 StPO) Rechtsmittel erweist sich als begründet. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Bestellung der Bevollmächtigten des Untergebrachten als notwendige Verteidigerin für das anstehende Überprüfungsverfahren nach §§ 67 d, 67 e StGB.

I.

2

Auch im Vollstreckungsverfahren muss in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 2 StPO ein Verteidiger bestellt werden, wenn die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage oder die Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen, das gebieten (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. auch OLG Hamm NStZ-RR 1999, 319; Meyer-Goßner StPO, 50. Aufl., § 140 Rn. 33 m. w. N.).

3

Die vorstehenden Voraussetzungen erachtet der Senat mit dem Landgericht und der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 18.12.2007 unzweifelhaft für gegeben. Der bereits lange Jahre in psychiatrischen Krankenhäusern untergebrachte Beschwerdeführer ist nach seinen aktenkundigen geistigen Fähigkeiten nicht in der Lage, ohne rechtskundigen Beistand seine rechtlichen Interessen sachgerecht selbst wahrzunehmen.

II.

4

Dem Verurteilten war auch entsprechend seinem Antrag seine bisherige Wahlverteidigerin zur notwendigen Verteidigerin zu bestellen.

5

1. Über die Bestellung des Pflichtverteidigers entscheidet zwar gem. § 141 Abs. 4 StPO der Vorsitzende des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist. Nach § 142 Abs. 1 S. 1 StPO "wählt" dieser den Verteidiger "aus". Daraus ergibt sich, dass die Bestimmung des Pflichtverteidigers grundsätzlich im Ermessen des Vorsitzenden liegt. Dabei hat er die verfassungs- und einfach-rechtlichen Regelungen zu beachten, insbesondere die öffentlichen Interessen (etwa an einem prozessordnungsgemäßen Verfahrensablauf, aber auch fiskalische Gesichtspunkte) gegenüber den Interessen des Beschuldigten abzuwägen.

6

a) Dabei ist das Ermessen des Vorsitzenden durch die mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1997 Gesetz gewordene Neufassung des § 142 Abs. 1 StPO unter Beachtung zuvor vom Bundesverfassungsgericht aufgestellter Grundsätze (BVerfGE 9, 36, 38; 39, 238, 239) aber dahin eingeschränkt worden, dass bei der Auswahl des Verteidigers auch dem Interesse des Beschuldigten, von einem Anwalt seines Vertrauens verteidigt zu werden, ausreichend Rechnung getragen werden muss; macht der Beschuldigte daher von seinem Bezeichnungsrecht Gebrauch und benennt er einen Anwalt seines Vertrauens, so ist ihm dieser grundsätzlich als Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn dem nicht wichtige Gründe entgegenstehen (vgl. BVerfGE a. a. O; BVerfG StV 2002, 601, 602; BGH NJW 2001, 237, 238).

7

§ 142 Abs. 1 S. 1 StPO bestimmt als gesetzlich normiertes Regelbeispiel für einenwichtigen Grund i. S. d. § 142 Abs. 1 S. 3 2. HS StPO, dass der zu bestellende Verteidiger möglichst aus der Zahl der im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwälte auszuwählen ist. Dem liegt die naheliegende Erwägung zu Grunde, dass die Gerichtsnähe des Verteidigers in der Regel eine wesentliche Voraussetzung für eine sachdienliche Verteidigung sowohl für den Beschuldigten als auch für den Verfahrensablauf ist. Daneben spielen auch fiskalische Überlegungen eine Rolle, wobei hier neben den Interessen der Staatskasse, die für die Vergütung des Pflichtverteidigers zunächst aufzukommen hat, auch diejenigen des Beschuldigten zu berücksichtigen sind, der im Falle seiner Verurteilung auch grundsätzlich die Kosten der Pflichtverteidigung zu tragen hat (§§ 45, 52 RVG; vgl. grundlegend Senatsbeschluss vom 28.11.2001 - I Ws 468/01 - m. w. N.).

8

b) Aus § 142 Abs. 1 S. 1 StPO folgt jedoch nicht, dass der Pflichtverteidiger zwingend in dem jeweiligen Gerichtsbezirk ansässig sein muss und die Bestellung eines auswärtigen Verteidigers schlechthin ausgeschlossen ist. Vielmehr ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung, die dem Beschuldigten - vorliegend dem Untergebrachten - einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung gibt, unter Abwägung aller Umstände zu prüfen, ob ausnahmsweise die Bestellung eines auswärtigen Pflichtverteidigers in Betracht kommt (BGHSt 43, 153, 155 f.). Insbesondere wenn Gerichtsort und Sitz des Rechtsanwalts nicht allzuweit voneinander entfernt sind, hat - trotz damit verbundener Mehrkosten - die Rücksicht auf das Vertrauensverhältnis den Vorrang vor der Ortsnähe (vgl. Meyer-Goßner a. a. O. § 142 Rn. 12 m. w. N.).

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c) Vornehmlich dann, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht, kann das Auswahlermessen des Vorsitzenden eingeschränkt oder sogar auf Null reduziert sein, so dass die Ablehnung der Bestellung des vom Beschuldigten gewünschten (ggf. ortsfernen) Verteidigers ermessensfehlerhaft sein kann (OLG Düsseldorf StV 2000, 412; OLG Stuttgart StV 1989, 521; OLG Koblenz StV 1995, 118, 119).

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Ein solches Vertrauensverhältnis kann u. a. dann gegeben sein, wenn der als Pflichtverteidiger gewünschte Rechtsanwalt in dem betreffenden Verfahren bereits zuvor, unter Umständen schon seit längerer Zeit, als Wahlverteidiger für den Beschuldigten tätig war. Die Tatsachen, die ein solches besonderes Vertrauensverhältnis begründen, sind - soweit sie nicht auf der Hand liegen oder sich offensichtlich aus der Akte ergeben - vom Beschuldigten substantiiert und damit nachvollziehbar darzulegen (vgl. Senatsbeschluss a. a. O.).

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Je weiter allerdings der Kanzleisitz des Rechtsanwalts vom Gerichtsort entfernt ist (hier nach den Feststellungen des Landgerichts immerhin 755 km), je größer die daraus resultierenden Schwierigkeiten sachgerechter Verteidigungstätigkeit und ordnungsgemäßer Verfahrensdurchführung und je höher naturgemäß auch die daraus folgenden Mehrkosten sind, um so höhere Anforderungen sind an die Substantiierung und die Tiefe des Vertrauensverhältnisses zwischen Verteidiger und Mandant zu stellen.

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2. Die danach notwendige Glaubhaftmachung eines hinreichend vertieften besonders intensiven Vertrauensverhältnisses zwischen Verteidigerin und untergebrachtem Mandanten ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren erfolgt. Die über Sachkunde im Bereich der Forensischen Psychiatrie und des Maßregelvollzuges verfügende Verteidigerin vertritt den Untergebrachten seit August 2004 als Wahlverteidigerin und teilweise auch Pflichtverteidigerin. Sie hält - wie im Beschwerdeverfahren glaubhaft gemacht worden ist - seit dieser Zeit regelmäßigen und engen Kontakt brieflicher, telefonischer und persönlicher Art zum Untergebrachten. Sie ist dem Untergebrachten (wenn auch noch zur Zeit seiner Unterbringung in der Klinik N.) bereits zweimal durch die Strafvollstreckungskammer des vormals zuständigen Landgerichts Koblenz zur Pflichtverteidigerin in anstehenden Überprüfungsverfahren hinsichtlich der Fortdauer der Unterbringung beigeordnet worden. Sie ist für den Untergebrachten in Verlegungsangelegenheiten tätig gewesen. Die psychische Erkrankung des Untergebrachten hat sich zeitlebens überwiegend in der Begehung von Sexualdelikten niedergeschlagen, die naturgemäß (auch) im Rahmen des langjährigen Verteidigungsverhältnisses Erörterung gefunden haben dürften, was einerseits für ein mittlerweile gesteigertes Vertrauensverhältnis dieses Untergebrachten zu seiner Verteidigerin streitet, andererseits auch dafür spricht, dass es einem anderen (ortsnäheren) Verteidiger - jedenfalls in der erforderlichen Kürze - eher schwerfallen dürfte, ein entsprechend notwendiges Vertrauensverhältnis zum Untergebrachten zu begründen.

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Der Gesichtspunkt der Ortsnähe tritt im Rahmen der Interessenabwägung im vorliegenden Einzelfall gegenüber dem festzustellenden besonderen Vertrauensverhältnis zurück. Auch steht vorliegend die erhebliche Ortsferne einer sachdienlichen Verteidigung bzw. einem ordnungsgemäßen Verfahrensablauf nicht entgegen, da sich die Anwesenheit der Verteidigerin im Überprüfungsverfahren auf den Anhörungstermin beschränken dürfte, der üblicherweise weder kurzfristig terminiert noch unterbrochen oder an einem anderen Tag fortgesetzt werden muss.

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Im Ergebnis rückt deshalb der Umstand, dass es sich bei der Verteidigerin nicht nur um eine nicht im Landgerichtsbezirk Stralsund niedergelassene, sondern sogar in erheblicher Entfernung zum Gerichtsort kanzleiansässige Rechtsanwältin handelt, ausnahmsweise in den Hintergrund, so dass die Beiordnung von Rechtsanwältin S. vor der Bestellung eines anderen Pflichtverteidigers Vorrang hat. Sie war deshalb dem Untergebrachten unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses als notwendige Verteidigerin für das anstehende Unterbringungsüberprüfungsverfahren zu bestellen.

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3. Dem steht auch nicht entgegen, dass Rechtsanwältin S. bislang als Wahlverteidigerin tätig geworden ist, da ihr Antrag vom 24.10.2007, sie als Pflichtverteidigerin zu bestellen, die Erklärung enthält, dass die Wahlverteidigung mit der Beiordnung enden soll (vgl. Meyer-Goßner a. a. O., § 142 Rn. 7).

III.

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Die Kosten- und Auslagenentscheidung (zum Ergebnis vgl. BayObLG; StV 2006, 6 ff. m. w. N.) beruht auf § 464 Abs. 1 und 2 StPO i. V. m. einer entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.

(1) Der Antrag des Beschuldigten nach § 141 Absatz 1 Satz 1 ist vor Erhebung der Anklage bei den Behörden oder Beamten des Polizeidienstes oder bei der Staatsanwaltschaft anzubringen. Die Staatsanwaltschaft legt ihn mit einer Stellungnahme unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung vor, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt. Nach Erhebung der Anklage ist der Antrag des Beschuldigten bei dem nach Absatz 3 Nummer 3 zuständigen Gericht anzubringen.

(2) Ist dem Beschuldigten im Vorverfahren ein Pflichtverteidiger gemäß § 141 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 zu bestellen, so stellt die Staatsanwaltschaft unverzüglich den Antrag, dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger zu bestellen, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt.

(3) Über die Bestellung entscheidet

1.
das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft oder ihre zuständige Zweigstelle ihren Sitz hat, oder das nach § 162 Absatz 1 Satz 3 zuständige Gericht;
2.
in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 das Gericht, dem der Beschuldigte vorzuführen ist;
3.
nach Erhebung der Anklage der Vorsitzende des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(4) Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann auch die Staatsanwaltschaft über die Bestellung entscheiden. Sie beantragt unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach ihrer Entscheidung, die gerichtliche Bestätigung der Bestellung oder der Ablehnung des Antrags des Beschuldigten. Der Beschuldigte kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen.

(5) Vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. § 136 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. Ein von dem Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht; ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

(6) Wird dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt, den er nicht bezeichnet hat, ist er aus dem Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer (§ 31 der Bundesrechtsanwaltsordnung) auszuwählen. Dabei soll aus den dort eingetragenen Rechtsanwälten entweder ein Fachanwalt für Strafrecht oder ein anderer Rechtsanwalt, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat und für die Übernahme der Verteidigung geeignet ist, ausgewählt werden.

(7) Gerichtliche Entscheidungen über die Bestellung eines Pflichtverteidigers sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Sie ist ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte einen Antrag nach § 143a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 stellen kann.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.