Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 27. Nov. 2012 - 3 A 113/12

bei uns veröffentlicht am27.11.2012

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem Verfassungsgerichtshof des Saarlandes wird gemäß Art. 97 Nr. 3 der Verfassung des Saarlandes in Verbindung mit Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Kommunalfinanzausgleichsgesetz (KFAG) i.d.F. des Gesetzes zur Reform der Saarländischen Verwaltungsstrukturen (VSRG) vom 21.11.2007, ABl. 2393 (2398) mit Art. 120 Abs. 1 der Verfassung des Saarlandes vereinbar ist.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten einen höheren als den mit Bescheid des Beklagten vom 4.1.2008 für das Jahr 2008 festgesetzten Ausgleichsbetrag nach § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Kommunalfinanzausgleichsgesetz - KFAG – in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Saarländischen Verwaltungsstrukturen - VSRG - vom 21.11.2007, ABl. 2393 (2398) – im Folgenden: KFAG 2008 –.

Durch den genannten Bescheid setzte der Beklagte zur Abgeltung der Aufwendungen aus der Wahrnehmung von Aufgaben des Landrates als untere staatliche Verwaltungsbehörde (§ 16 Abs. 5 KFAG) gegenüber der Klägerin den Ausgleichsbetrag für das Jahr 2008 auf 2.767.656,00 EUR fest. Zur Begründung ist ausgeführt, dieser Betrag ergebe sich unter Berücksichtigung einer Zahl von 177.870 Einwohnern und der durch die Änderung des Kommunalfinanzausgleichsgesetzes im Rahmen des Verwaltungsstrukturreformgesetzes erfolgten Festsetzung der Zuweisungen für die Landeshauptstadt Saarbrücken für das Jahr 2008 auf 15,56 EUR je Einwohner ihres Gebietes.

Gegen den ihr am 16.1.2008 zugestellten Bescheid hat die Klägerin am 13.2.2008 Klage erhoben.

Sie hat geltend gemacht, sie habe gegenüber dem Land einen Anspruch auf Übernahme der Kosten, die ihr durch die Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde entstünden. In dem auf der Grundlage des § 16 Abs. 5 Satz 1 KFAG 2008 ergangenen Bescheid vom 4.1.2008 sei ein diesen Aufwendungen entsprechender Betrag jedoch nicht enthalten. Während sie gemäß § 16 Abs. 5 Nr. 1 a KFAG in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Saarländischen Verwaltungsstrukturen - VSRG - vom 21.11.2007 (im Folgenden: KFAG a.F.) zur Abgeltung der Aufwendungen aus der Erfüllung von Aufgaben, die bis zum Jahr 1996 einschließlich vom Landrat als untere staatliche Verwaltungsbehörde wahrgenommen wurden, jährlich 22,68 EUR je Einwohner ihres Gebietes erhalten habe, sei der entsprechende Pauschalbetrag mit Inkrafttreten des VSRG in § 16 Abs. 5 Satz 1 KFAG 2008 auf 15,56 EUR abgesenkt worden. Dies beruhe auf der im Gesetzgebungsverfahren und vom Beklagten geäußerten Rechtsauffassung, dass es sich bei der Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde durch die Klägerin aufgrund des Optionsmodells, welches seit der zum 1.1.2008 in Kraft getretenen Änderung des § 58 Landesbauordnung – LBO – auch für die Klägerin gelte, nicht mehr um eine kostenerstattungspflichtige Auftragsangelegenheit handele.

Dies treffe jedoch nicht zu, weshalb § 16 Abs. 5 Satz 1 KFAG 2008 im Widerspruch zu Art. 120 der Verfassung des Saarlandes (SVerf) stehe. Die Nichtzuweisung ausreichender Mittel trotz Übertragung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde stelle einen Verstoß gegen das in dieser Verfassungsnorm verankerte Konnexitätsprinzip dar.

Nach Art.120 Abs. 1 Satz 1 SVerf könnten den Gemeinden und Gemeindeverbänden durch förmliches Gesetz staatliche Aufgaben zur Durchführung übertragen werden. Dabei seien nach Art.120 Abs. 1 Satz 2 SVerf jedoch Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Eine solche Aufgabenübertragung an die Klägerin liege bezüglich der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde für das Jahr 2008 vor. Sowohl im Hinblick auf die Materie als auch auf die gesetzliche Ausgestaltung handele es sich eindeutig um die Übertragung einer Auftragsangelegenheit, d.h. einer staatlichen Aufgabe im Sinne des Art. 120 Abs. 1 SVerf. Die genannte Verfassungsnorm nehme auch keine Differenzierung danach vor, ob die Aufgabenübertragung dem Willen der Kommune entspreche oder ohne oder gegen ihren Wille erfolge. Nach dem im Saarland geltenden dualistischen Aufgabenwahrnehmungsmodell werde lediglich zwischen Selbstverwaltungsangelegenheiten und staatlichen Aufgaben differenziert. Eine den Anforderungen des Art. 120 Abs. 1 SVerf genügende Kostenregelung fehle im vorliegenden Fall jedoch.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4.1.2008 zu verpflichten, ihr für das Jahr 2008 einen höheren Zuschuss zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Nichtberücksichtigung der Aufwendungen für die Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde bei der Festsetzung des Ausgleichsbetrages für die Klägerin nach § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 KFAG 2008 entspreche der gesetzlichen Regelung und sei auch sachgerecht.

Grundlage der Neuermittlung der Zuweisungen nach § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 KFAG 2008 (der sogenannten Kopfbeträge) sei der Zuschussbetrag nach dem Ergebnis der Jahresrechnung 2005 gewesen (Ist-Zuschussbetrag). Die Klägerin habe den Ist-Zuschussbetrag für diejenigen Auftragsangelegenheiten, die nach der Hochzonung von Aufgaben von der Klägerin und den Mittelstädten auf das Land in Umsetzung des sogenannten „Hesse-Gutachtens“ noch bei ihr verbliebenen seien, selbst ermittelt und mit 5.890.621 EUR angegeben. Dabei habe sich der Ist-Kostenzuschussbetrag für die Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde auf 969.364 EUR belaufen. Dieser Betrag sei bei der Festsetzung des Ausgleichsbetrages in § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 KFAG 2008 vollständig gestrichen worden. Nachdem noch eine Effizienzrendite von 20 v.H. abgezogen worden sei, sei der verbleibende Zuschussbetrag von 2.783.760 EUR durch die Einwohnerzahl von 178.914 (Stand: 31.12.2005) dividiert worden, was den nach § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 KFAG 2008 festgesetzten Zuschussbetrag von 15,56 EUR je Einwohner ergeben habe.

Durch die Änderung des § 58 LBO seit dem 1.1.2008 bleibe der Charakter der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde als Auftragsangelegenheit für die Klägerin zunächst unberührt. Allerdings handele es sich nach § 58 LBO in der seit dem 1.1.2008 geltenden Fassung um eine Auftragsangelegenheit, die der Klägerin – wie auch anderen Gemeinden im Saarland – nicht mehr kraft Gesetzes zugewiesen sei, sondern die sie wahrnehmen könne, wenn sie dies beantrage und die gesetzlich normierten Voraussetzungen im Übrigen vorlägen. Erst nach einem entsprechenden Antrag der Gemeinde und einer antragsgemäßen Aufgabenzuweisung durch Änderung der Zuständigkeitsverordnung zur LBO werde die Aufgabe nach eigener, freiwilliger Entscheidung der Gemeinde für sie zur Pflichtaufgabe, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 58 Abs. 2 LBO in der seit dem 1.1.2008 geltenden Fassung vorlägen. Es sei deshalb nur folgerichtig und sachgerecht, wenn sie auch die mit der Aufgabenwahrnehmung verbundenen finanziellen Belastungen trage.

Insbesondere liege keine Aufgabenübertragung kraft Gesetzes aufgrund einer Entscheidung des Gesetzgebers vor, weshalb das Konnexitätsprinzip des Art. 120 SVerf keine Anwendung finde. Vielmehr handele es sich um eine reine Handlungsoption, die grundsätzlich nicht konnexitätsrelevant sei. Zudem werde bei der antragsgemäßen Aufgabenzuweisung an die Gemeinde gerade deren Leistungsfähigkeit vorausgesetzt. Diese tatbestandliche Voraussetzung trage dem Konnexitätsprinzip ausreichend Rechnung. Das Konnexitätsprinzip finde vorliegend auch deshalb keine Anwendung, weil durch die Änderung des § 58 LBO und der Zuständigkeitsverordnung zur Landesbauordnung ab dem Jahre 2008 der kommunalen Ebene keine neuen staatlichen Aufgaben übertragen worden seien. Es seien lediglich die Regelungen für die Zuständigkeitsverteilung innerhalb der kommunalen Ebene geändert worden. Hierdurch könnten der kommunalen Ebene jedoch keine zusätzlichen Kosten entstehen, deren Deckung vom Landesgesetzgeber zu regeln wäre. Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, mit der grundsätzlichen Aufgabenzuweisung an die Gemeindeverbandsebene Einspareffekte zu erzielen. Wolle eine Gemeinde eine hiervon abweichende Regelung erwirken, müsse sie dies auf Gemeindeebene auch selbst finanzieren.

Sie könne die entsprechenden Kosten weder dem Land unmittelbar in Rechnung stellen, noch eine Umverteilung zu Lasten der übrigen Gemeinden erreichen. Das Begehren der Klägerin führe im Ergebnis dazu, dass alle übrigen saarländischen Gemeinden die bei der Klägerin anfallenden Kosten der Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde mitfinanzieren müssten. Dies sei sachwidrig. Entsprechende Zuweisungen schmälerten nämlich letztlich die Mittel, die nach § 16 Abs. 11 KFAG 2008 als pauschale Zuweisungen zu Investitionen auf alle Gemeinden verteilt würden.

Auch habe sich die Klägerin bereits im Gesetzgebungsverfahren eindeutig dahingehend geäußert, dass sie die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde auch in Zukunft wahrnehmen wolle. Über die entsprechenden finanziellen Folgen sei sie sich dabei bewusst gewesen.

Mit Urteil vom 9.12.2009 - 11 K 136/08 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die zulässige Verpflichtungsklage sei unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Festsetzung eines höheren Ausgleichsbetrages habe. Die in Art. 120 Abs. 1 SVerf enthaltenen Regelungen zum Konnexitätsprinzip stellten keine Anspruchsgrundlage für einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen den Beklagten dar.

Soweit die Klägerin der Auffassung sei, § 16 Abs. 5 Satz 1 KFAG 2008 verstoße mit Blick auf die Nichteinhaltung des Konnexitätsprinzips gegen Art. 120 SVerf, komme eine Vorlage an den Saarländischen Verfassungsgerichtshof nicht in Frage. Die Zulässigkeit einer solchen Vorlage setze voraus, dass die Gültigkeit des Gesetzes, dessen Verfassungswidrigkeit festgestellt werden solle, für den Ausgang des Rechtsstreits allein entscheidungserheblich sei. Dies treffe hier nicht zu. Sei § 16 Abs. 5 Satz 1 KFAG 2008 gültig, so sei der ausgewiesene Ausgleichsbetrag zutreffend berechnet und die Klage abzuweisen; sei die Norm hingegen ungültig, biete sie für das Zahlungsbegehren der Klägerin ebenfalls keine Anspruchsgrundlage und die Verpflichtungsklage sei aus diesem Grunde abzuweisen.

Der Senat hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts auf deren Antrag mit Beschluss vom 28.3.2012 zugelassen.

Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin geltend, zwar ergebe sich aus Art. 120 Abs. 1 SVerf kein unmittelbarer Zahlungsanspruch gegen den Beklagten. Dies sei jedoch unerheblich. Entscheidend für die Beurteilung des Klagebegehrens sei Art. 120 Abs. 1 Satz 3 SVerf, wonach das Land den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Durchführung der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel sichere. Dieser Sicherungsauftrag gehe über den Regelungsauftrag des Satzes 2 weit hinaus und sei konkret auf die aufgabenbezogen erforderlichen Mittel gerichtet.

Die Zulässigkeit einer Vorlage an den Saarländischen Verfassungsgerichtshof scheitere auch nicht daran, dass auch bei Ungültigkeit der Norm keine Anspruchsgrundlage für das Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsbegehren bestünde. Selbst wenn die beantragte Verpflichtung des Beklagten zur Festsetzung eines höheren Ausgleichsbetrages oder zur Neubescheidung am Fehlen einer Anspruchsgrundlage scheitern sollte, sei zumindest das im Klageantrag enthaltene Anfechtungsbegehren begründet. Der angefochtene Bescheid sei jedenfalls insoweit rechtswidrig, als mit ihm die Festsetzung eines höheren Ausgleichsbetrages abgelehnt werde. § 16 Abs. 5 KFAG 2008 verstoße zumindest dadurch gegen Art.120 Abs. 1 SVerf, dass er ausweislich der Gesetzesbegründung als abschließende Regelung der Erstattung der Kosten übertragener Auftragsangelegenheiten eine Erstattung der Kosten der unteren Bauaufsichtsbehörde vollständig ausschließe.

Hierzu wiederholt und vertieft die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag und trägt insbesondere vor, entgegen der Verfassungsinterpretation des Gesetzgebers und des Beklagten gebe es keinen sachlichen Grund für die Annahme, dass Art. 120 Abs. 1 SVerf zwischen einer „optionalen“ (freiwilligen) und einer nicht optionalen (aufgedrängten) Übertragung staatlicher Aufgaben unterscheide. Maßgeblich für die Anwendung des Art. 120 Abs. 1 SVerf und das Eingreifen des Konnexitätsprinzips sei allein, dass eine staatliche Aufgabe übertragen werde. Denn damit seien die Kommunen kraft ihrer Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) zur vorrangigen Wahrnehmung dieser Aufgaben verpflichtet. Von einer "freiwilligen" Aufgabenwahrnehmung könne daher nicht die Rede sein.

Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie eine Aufgabe durch die Art der Übertragung ihren Charakter als staatliche Auftragsangelegenheit verlieren solle.

Ohne den Antrag der Klägerin nach § 58 Abs. 2 LBO wäre der Regionalverband Saarbrücken gemäß § 58 Abs. 1 Satz 2 LBO untere Bauaufsichtsbehörde, was eine entsprechende Finanzierungslast des Landes zur Folge hätte. Es sei aber nicht nachvollziehbar, weshalb das Land durch den Antrag der Klägerin gemäß § 58 Abs. 2 LBO Kosten einsparen könne, die es ohne diesen Antrag an den Regionalverband hätte zahlen müssen.

Tatsächlich sei bei der Berechnung der Kopfpauschale des § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 KFAG 2008 der Anteil derjenigen Kosten, die durch Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde entstehen, bewusst vollständig ausgeschlossen worden, obwohl hierfür ein Ausgleich hätte erfolgen müssen. Die in dieser Weise ermittelte Pauschale erweise sich als nicht verfassungskonform.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 9.12.2009 – 11 K 136/08 – festzustellen, dass der mit Bescheid des Beklagten vom 4.1.2008 festgesetzte Ausgleichsbetrag zur Abgeltung der Aufwendungen aus der Wahrnehmung von Aufgaben des Landrates als staatliche Verwaltungsbehörde nach § 16 Abs. 5 KFAG mit Rücksicht auf die Wahrnehmung der Aufgaben der Unteren Bauaufsichtsbehörde durch die Klägerin zu niedrig bemessen ist und
den Beklagten zu verpflichten, an die Klägerin mit Rücksicht auf die Wahrnehmung der Aufgaben der Unteren Bauaufsichtsbehörde einen höheren als den darin festgesetzten Ausgleichsbetrag für das Jahr 2008 zu leisten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Berufungsverfahren hält der Beklagte an seiner Auffassung fest, ein Verstoß gegen Art. 120 Abs. 1 SVerf liege nicht vor.

Nach Art. 120 Abs. 1 Satz 1 SVerf könnten den Gemeinden und Gemeindeverbänden durch förmliches Gesetz staatliche Aufgaben zur Durchführung übertragen werden. Jedoch sei die Funktion der unteren Bauaufsichtsbehörde, die ausweislich des § 57 Abs. 1 LBO zweifellos eine staatliche Aufgabe darstelle, der Klägerin nicht durch förmliches Gesetz übertragen worden. § 58 Abs. 1 Satz 2 LBO regele als förmliches Gesetz seit dem 1.1.2008, dass vorbehaltlich anderweitiger Bestimmung in der LBO oder aufgrund der LBO die Landkreise und der Regionalverband Saarbrücken die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörden als Auftragsangelegenheiten wahrnähmen. Die Zuständigkeit der Klägerin als untere Bauaufsichtsbehörde sei indessen nicht in diesem Gesetz, sondern aufgrund des Gesetzes durch Rechtsverordnung - § 1 der Zuständigkeitsverordnung zur Landesbauordnung (ZustV-LBO) vom 23.6.2008 - begründet worden. Verordnungsermächtigung sei § 58 Abs. 2 LBO in der seit dem 1.1.2008 geltenden Fassung, der hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen einen Wertungsspielraum eröffne. Zuvor habe Art. 10 Abs. 5 VSRG die ZustV-LBO vom 31.3.1989 mit Wirkung vom 1.1.2008 dahingehend geändert, dass die Klägerin dort als untere Bauaufsichtsbehörde aufgeführt worden sei. Obwohl die letztgenannte Beauftragung also durch ein Parlamentsgesetz erfolgt sei, habe auch sie als Änderung einer Rechtsverordnung nur Verordnungsrang. Anders als bis zum 31.12.2007 sei die Aufgabe der unteren Bauaufsichtsbehörde der Klägerin also seit dem 1.1.2008 nicht durch förmliches Gesetz übertragen. Die entsprechenden Rechtsfolgen des Art. 120 Abs. 1 Satz 2 und 3 SVerf könnten bereits von daher nicht eintreten.

Im Übrigen werde Sinn und Zweck des Art. 120 SVerf nicht berührt, wenn der Kommune eine staatliche Aufgabe nur auf eigenen Wunsch übertragen werde. Reine Handlungsoptionen seien grundsätzlich nicht konnexitätsrelevant.

Sollte Art. 120 Abs. 1 Satz 1 SVerf die Übertragung einer staatlichen Aufgabe auf Antrag der Kommune durch Rechtsverordnung nicht zulassen, so wären § 58 Abs. 2 LBO und die darauf fußende Zuständigkeitsverordnung verfassungswidrig. Dies könne jedoch nicht zur Anwendbarkeit des Art. 120 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SVerf, sondern nur zur Unzuständigkeit der Klägerin für die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde führen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

II.

Die Streitsache ist nicht entscheidungsreif. Das Verfahren ist gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und dem Verfassungsgerichtshof des Saarlandes gemäß Art. 97 Nr. 3 SVerf die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Kommunalfinanzausgleichsgesetz (KFAG) i.d.F. des Gesetzes zur Reform der Saarländischen Verwaltungsstrukturen (VSRG) vom 21.11.2007, ABl. 2393 (2398) - KFAG 2008 - mit Art. 120 Abs. 1 der Verfassung des Saarlandes vereinbar ist. Von der Beantwortung dieser Frage hängt die im vorliegenden Berufungsverfahren zu treffende Entscheidung ab

vgl. zu den Anforderungen an die Begründung eines Vorlagebeschlusses nach Art. 100 Abs. 1 GG vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.9.2007 – 2 BvL 5/05, 2 BvL 6/05, 2 BvL 7/05 -, juris.

Der von der Klägerin im Berufungsverfahren gestellte Feststellungsantrag ist zulässig. Hierin liegt weder eine Klageänderung gegenüber dem in erster Instanz allein formulierten Verpflichtungsantrag, noch steht § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO dem Feststellungsbegehren entgegen. Die Klägerin bringt mit diesem Antrag ihr im vorliegenden Streitverfahren von Anfang an verfolgtes Ziel, mit Rücksicht auf die Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde für das Jahr 2008 einen höheren als den in § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 KFAG 2008 festgesetzten Ausgleichsbetrag zu erhalten, in der umfassendsten und zweckentsprechenden Weise zum Ausdruck.

Die vorliegend gegebene prozessuale Konstellation ist insoweit vergleichbar derjenigen in Streitigkeiten, in denen ein Beamter die Amtsangemessenheit und damit die Verfassungsmäßigkeit seiner Alimentation in Frage stellt. In derartigen Verfahrenskonstellationen geht das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung

vgl. BVerwG, Urteile vom 14.11.1985 - 2 C 14/83 -, vom 20.03.2008 - 2 C 49/07 – und vom 28.04.2011 - 2 C 51/08 -, juris

davon aus, dass aufgrund des besoldungsrechtlichen Vorbehalts des Gesetzes und des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers Beamten auch dann, wenn die Verfassungsmäßigkeit ihrer Alimentation in Frage steht, keine Besoldungsleistungen zugesprochen werden können, die gesetzlich nicht vorgesehen sind, und sie vielmehr darauf verwiesen sind, ihren Alimentationsanspruch dadurch geltend zu machen, dass sie Klage auf Feststellung erheben, ihr Nettoeinkommen sei verfassungswidrig zu niedrig bemessen.

Hierin liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weder eine – in der Revisionsinstanz gemäß § 142 VwGO unzulässige - Klageänderung gegenüber einem in erster und zweiter Instanz formulierten Verpflichtungsantrag, noch steht § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO einem solchen Feststellungsbegehren entgegen

vgl. BVerwG, Urteile vom 14.11.1985 - 2 C 14/83 -, vom 20.03.2008 - 2 C 49/07 – und vom 28.04.2011 - 2 C 51/08 -, juris.

Diese Grundsätze können - ungeachtet des Fehlens eines ausdrücklichen Vorbehalts des Gesetzes - auf das vorliegend von der Klägerin verfolgte Begehren übertragen werden. Dieses Begehren, welches die Klägerin ursprünglich nur mit einem Verpflichtungsantrag, nunmehr aber auch mit einem Feststellungsantrag verfolgt, war von Anfang an darauf gerichtet, die Festsetzung eines höheren als des nach Maßgabe des § 16 Abs. 5 KFAG 2008 ermittelten und nach ihrer Auffassung dementsprechend unter Verstoß gegen Art 120 Abs. 1 SVerf zu niedrig bemessenen Ausgleichsbetrages zu erreichen.

Über die sachliche Begründetheit des von der Klägerin im Berufungsverfahren gestellten – zulässigen - Feststellungsantrages kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

Die Entscheidung darüber hängt im Sinne des Art. 100 Abs. 1 GG davon ab, ob § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 KFAG 2008 mit den Vorschriften der Saarländischen Verfassung vereinbar ist oder nicht.

Ist dies zu bejahen, so ist der Feststellungsantrag abzuweisen, weil der Ausgleichsbetrag gesetzeskonform festgesetzt wurde. Ist die genannte Bestimmung dagegen verfassungswidrig, so kann der Senat die von der Klägerin begehrte Feststellung, dass der mit Bescheid des Beklagten vom 4.1.2008 nach Maßgabe des § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 KFAG 2008 festgesetzte Ausgleichsbetrag - verfassungswidrig - zu niedrig bemessen ist, zwar möglicherweise - mit Rücksicht auf den dem Gesetzgeber bezüglich des Inhaltes der nach Art. 120 Abs. 1 SVerf zu treffenden Kostendeckungsregelung zustehenden Gestaltungsspielraum –

vgl. hierzu Grupp in Wendt/Rixecker, Verfassung des Saarlandes, Art. 120 , Rdnrn. 5, 6

ebenfalls (noch) nicht abschließend treffen. Der Senat hätte aber sodann nach einer Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof das Verfahren weiter bis zu einer gegebenenfalls gebotenen Neuregelung durch den Gesetzgeber auszusetzen.

Auch dies stellt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung

BVerfG, ständige Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse vom 8.1.1981 - 2 BvL 3/77, 2 BvL 9/77 -, BVerfGE 56,1 (11) und vom 7.7.1982 - 2 BvL 14/78, 2 BvL 2/79, 2 BvL 7/82 -, BVerfGE 61, 43 ff (56), vom 17.5.1983 - 2 BvL 8/82 -, E 64, 158 (168) und vom 13.12.1983 - 2 BVL 13, 14, 15/82 -, E 66, 1 (17) sowie BVerwG, Beschluss vom 14.11.1985 - 2 C 14/83 -, juris

im Sinne der Entscheidungserheblichkeit gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eine andere Entscheidung als im Falle der Gültigkeit des Gesetzes dar.

Der Senat hält die Vorschrift des § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 KFAG 2008, die der Beurteilung des Feststellungsbegehrens zugrunde zu legen ist, für unvereinbar mit Art. 120 Abs. 1 SVerf.

Die darin enthaltene Bestimmung über die Deckung der Kosten der nach § 58 Abs. 1 und 2 LBO in der seit 1.1.2008 geltenden Fassung (im Folgenden: LBO 2008) erfolgten Übertragung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde an die Klägerin steht im Widerspruch zu Art. 120 Abs. 1 SVerf, weil sie den inhaltlichen Anforderungen dieser Verfassungsnorm nicht genügt.

Dabei geht der Senat im Einzelnen von Folgendem aus: Die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde sind Auftragsangelegenheiten im Sinne des Art. 120 Abs. 1 SVerf (1.). Die Übertragung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde an die Klägerin auf Antrag nach § 58 Abs. 2 LBO 2008 stellt eine „Übertragung“ im Sinne des Art. 120 Abs. 1 SVerf dar (2.). Die Übertragung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde an die Klägerin nach § 58 Abs. 2 LBO 2008 ist wirksam „durch Gesetz“ erfolgt (3.) und die in § 16 Abs. 5 KFAG 2008 enthaltene Bestimmung über die Deckung der Kosten der nach § 58 Abs. 2 LBO 2008 erfolgten Übertragung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde an die Klägerin genügt den inhaltlichen Anforderungen des Art. 120 Abs. 1 SVerf nicht (4.).

1. Die Aufgabe der unteren Bauaufsichtsbehörde ist eine staatliche Aufgabe im Sinne des Art. 120 Abs. 1 SVerf,

zu diesem Erfordernis siehe: Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Urteil vom 10.1.1994 – Lv 2/92 -, noch zu Art. 120 SVerf a.F., sowie Beschluss vom 13.3.2006 – Lv 2/05 -, juris

und zwar im Hinblick sowohl auf die Materie als auch auf die gesetzliche Ausgestaltung.

Der Gesetzgeber geht ausweislich des Wortlautes des § 57 Abs. 1 LBO 2008 – ebenso wie in den davor geltenden Fassungen - davon aus, dass die Bauaufsicht eine staatliche Aufgabe ist. Dem korrespondiert, dass Auftragsangelegenheiten insbesondere im Bereich der Ordnungsverwaltung angesiedelt sind. Auftragsangelegenheiten sind vor allem dadurch gekennzeichnet, dass der Staat der Verwaltung Einzelanweisungen hinsichtlich des "Ob" und des "Wie" der Aufgabenerledigung erteilen kann. Dies ist bezüglich der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde der Fall. Schließlich wird die Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde nicht durch deren Übertragung auf eine Gemeinde zu einer Selbstverwaltungsangelegenheit

vgl. hierzu Grupp in Wendt/Rixecker, Verfassung des Saarlandes, Art. 120 , Rdnr. 2.

Dies gilt auch dann, wenn in dem Verfahren zur Übertragung eine Beteiligung der Gemeinde stattfindet. Auch die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass es sich bei den Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde grundsätzlich um Auftragsangelegenheiten handelt.

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist auch die Frage, ob die im Jahr 2008 erfolgte Übertragung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde an die Klägerin auf deren Antrag nach § 58 Abs. 2 LBO 2008 eine „Übertragung“ von Aufgaben im Sinne des Art. 120 Abs. 1 SVerf darstellt, zu bejahen.

Während die Klägerin davon ausgeht, dass sowohl eine Übertragung von Auftragsangelegenheiten ohne oder gegen den Willen der Gemeinde, als auch eine Übertragung von Auftragsangelegenheiten auf Antrag (optionale Übertragung) vom Regelungsbereich des Art. 120 Abs. 1 SVerf erfasst werden, meint der Beklagte, eine optionale Übertragung von Auftragsangelegenheiten unterfalle dem Anwendungsbereich des Art. 120 Abs. 1 SVerf nicht. Der tatsächliche Anwendungsbereich der Norm ist durch Auslegung zu ermitteln

zur Prüfungssystematik vgl. Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Beschluss vom 13.3.2006 – Lv 2/05 -, juris.

Bei einer Auslegung nach seinem Wortlaut erfasst Art. 120 Abs. 1 SVerf gleichermaßen die optionale wie die nicht-optionale Verlagerung von Auftragsangelegenheiten auf Gemeinden und Gemeindeverbände.

Nach ihrem Wortlaut betrifft die genannte Norm die Übertragung staatlicher Aufgaben zur Durchführung an Gemeinden und Gemeindeverbände. Sprachliche Anknüpfungspunkte für eine Differenzierung zwischen einer Übertragung „auf Antrag“, d.h. mit dem Einverständnis der Gemeinde oder des Gemeindeverbandes, und einer Übertragung ohne Antrag, d.h. ohne oder gegen den Willen der Gemeinde oder des Gemeindeverbandes, fehlen. Zudem handelt es sich bei dem Begriff der „Übertragung“ um eine sprachlich neutrale Formulierung, die vom reinen Wortsinn her eine Aufgabenverlagerung sowohl mit als auch ohne oder gegen den Willen der Gemeinde oder des Gemeindeverbandes, d.h. eine optionale ebenso wie eine nicht-optionale Aufgabenverlagerung, erfasst.

Im Gegensatz dazu verwendet beispielsweise die Bestimmung des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein zum Kommunalen Finanzausgleich, die - auf der Rechtsfolgenseite - vergleichbare Gebote wie Art. 120 Abs. 1 SVerf enthält, den Begriff der „Verpflichtung“ von Gemeinden und Gemeindeverbänden zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben. In einer solchen Begriffswahl könnte jedenfalls eher als in der neutralen Formulierung der „Übertragung“ staatlicher Aufgaben ein sprachlicher Anknüpfungspunkt für eine interpretative Ausgrenzung optionaler Aufgabenverlagerung aus dem Anwendungsbereich der Norm gesehen werden.

Die genannte Verfassungsnorm ist auch nicht mit Blick auf einen nur eingeschränkten Schutzzweck der Norm enger als nach ihrem Wortlaut auszulegen.

Bestünde der Schutzzweck des Art. 120 Abs. 1 SVerf allein darin, die Gemeinden davor zu bewahren, dass ihnen die Wahrnehmung von Auftragsangelegenheiten gegen (oder ohne) ihren Willen aufgedrängt und überbürdet wird, ohne dass das Land Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen hätte, so müsste eine Auslegung in Betracht gezogen werden, nach der die optionale Übertragung von Auftragsangelegenheiten von Art. 120 Abs. 1 SVerf - ungeachtet seines selbst keine Einschränkung enthaltenden Wortlauts - nicht erfasst wird.

Die Norm wäre dann einschränkend dahin auszulegen, dass mit der „Übertragung“ von „staatlichen Aufgaben zur Durchführung“ nur die Verlagerung nicht-optionaler Auftragsangelegenheiten gemeint ist. Derartiges ergibt sich jedoch weder aus der Entstehungsgeschichte der Norm, noch aus anderen Gesichtspunkten. Vielmehr lassen sich aus der Entstehungsgeschichte und den Gesetzgebungsmaterialien zu Art. 120 Abs. 1 SVerf hinreichende Anhaltspunkte für die Bejahung eines umfassenden Schutzzwecks ableiten. Aus den genannten Quellen ergibt sich eine materielle Kostentragungspflicht des Landes für alle Kosten, die den Kommunen bei Erledigung der Auftragsangelegenheiten entstehen. Dafür, dass diese materielle Kostentragungspflicht auf nicht-optionale Auftragsangelegenheiten beschränkt sein könnte, gibt es demgegenüber keinerlei Anhaltspunkte.

In dem Bericht der Enquetekommission „Reform der Verfassung des Saarlandes“ vom 27.5.1999 (LT-Drucksache 11/2043) – im Folgenden: Bericht der Enquetekommission Verfassung -, heißt es nach der Überschrift „11. Abschnitt: Art. 120 – Finanzieller Ausgleich für die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben durch die Kommunen (sog. Konnexitätsprinzip)“ unter Randnummer 135, die allgemeine Finanzgewährleistungspflicht des Landes gemäß Art. 119 Abs. 2 SVerf beziehe sich auf sämtliche Aufgaben der Gemeinden und Gemeindeverbände, also auch auf die (staatlichen) Auftragsangelegenheiten. Dessen ungeachtet hebe Art. 120 Abs. 2 SVerf a.F. (= Art. 120 Abs. 1 Satz 3 SVerf n.F.) noch einmal absichtsvoll und ausdrücklich hervor, dass das Land den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Durchführung der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel sichere. Die Verfassung stelle damit die „materielle Kostentragungspflicht“ des Landes für die Kosten, die den Kommunen bei Erledigung der Auftragsangelegenheiten entstehen, erneut und betont heraus.

Unter Randnummer 142 des Berichts der Enquetekommission Verfassung heißt es weiter, Übereinstimmung bestehe in der Kommission darin, dass jede Neuformulierung des Art. 120 SVerf an der grundlegenden Unterscheidung von Selbstverwaltungsangelegenheiten und Auftragsangelegenheiten, wie sie in der Saarländischen Verfassung angelegt sei, festhalten und nicht auch nur den falschen Anschein eines kommunalen Aufgabenmonismus wecken solle.

Zu den „vom Konnexitätsprinzip des Art. 120 SVerf umfassten Lastenverschiebungen“ wird nach der dementsprechenden Überschrift vor Randnummer 144 des Berichts der Enquetekommission Verfassung unter den Randnummern 145 bis 147 ausgeführt, von dem Konnexitätsprinzip umfasst werde gemäß Art. 120 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 SVerf (n.F.) zunächst der Fall der landesgesetzlichen Übertragung staatlicher Aufgaben zur Erledigung durch die Gemeinden und Gemeindeverbänden (Übertragung von Auftragsangelegenheiten), weiter die pflichtigen Selbstverwaltungsangelegenheiten und die Fälle der Organleihe (OB als Ortspolizeibehörde).

Als „vom Konnexitätsprinzip nicht umfasste Sachverhalte“ werden nach der entsprechenden Überschrift vor Randnummer 148 nur die Kommunalen Frauenbeauftragten (§ 79 a KSVG) genannt. Hierzu wird ausgeführt, diese und vergleichbare Regelungen, die sich auf kommunale Haushalte belastend auswirkten, könnten nicht eine konkrete Ausgleichsverpflichtung des Landes nach Art. 120 SVerf auslösen. Der Fall der optionalen Auftragsangelegenheiten wird bei den nach Maßgabe des Berichts der Enquetekommission Verfassung vom Konnexitätsprinzip nicht umfassten Sachverhalten demgegenüber nicht genannt.

Unter den Randnummern 153 und 157 des Berichts der Enquetekommission Verfassung ist des Weiteren ausgeführt, mit dem Junktim des Art. 120 Abs. 1 Satz 2 SVerf n.F. solle sich der Gesetzgeber gleichzeitig Rechenschaft ablegen über die dadurch den Kommunen entstehenden Kosten und über deren Deckung durch das Land. Er solle sich vor dem Landtag und der Öffentlichkeit konkret auf die Frage einlassen, wie das Land seiner materiellen Kostentragungspflicht (Art. 120 Abs. 2 SVerf a.F. = Art. 120 Abs. 1 Satz 3 SVerf n.F.) nachkommen wolle. Die materielle Kostentragungspflicht des Landes für die Kosten der Auftragsverwaltung sei verfassungsrechtlich in Art. 120 Abs. 2 SVerf a.F. = Art. 120 Abs. 1 Satz 3 SVerf n.F. verankert. Das Land müsse für die Kosten der Auftragsverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände einstehen.

Aus diesen Darlegungen des Berichts der Enquetekommission Verfassung folgt, dass der Schutzzweck des Art. 120 Abs. 1 SVerf – dem Modell der dualistischen Aufgabenwahrnehmung durch die Kommunen folgend –

zum Modell des Aufgabendualismus im Saarländischen Kommunalrecht vgl. auch Grupp in Wendt/Rixecker, Verfassung des Saarlandes, Art. 120 , Rdnr. 2

auf die Sicherung der materiellen Kostentragungspflicht des Landes für alle Auftragsangelegenheiten gerichtet ist. Für eine Einschränkung dieses Schutz- und Sicherungszweckes im Sinne einer Begrenzung auf die nicht-optionalen Auftragsangelegenheiten gibt es keine Anhaltspunkte.

Der Sicherungszweck ist auch nicht aus sich selbst heraus eingeschränkt. Denn bei optionaler Übernahme von Auftragsangelegenheiten fallen für die Gemeinden und Gemeindeverbände in gleichem Umfang wie bei der nicht-optionalen Übertragung Kosten an. In beiden Fällen fehlen die dafür zu verauslagenden Haushaltsmittel den betreffenden Gemeinden und Gemeindeverbände gleichermaßen für die Wahrnehmung von Selbstverwaltungsangelegenheiten

zur Beanspruchung der Verwaltungskraft der Gemeinden und Gemeindeverbände durch Auftragsangelegenheiten vgl. Grupp in Wendt/Rixecker, Verfassung des Saarlandes, Art. 120 , Rdnr. 4, und Wohlfahrt, Kommunalrecht im Saarland, 3. Aufl., S. 79.

Es besteht daher kein Anlass für eine einschränkende Auslegung des Art. 120 Abs. 1 SVerf in dem Sinne, dass die optionale Übertragung von Auftragsangelegenheiten nicht konnexitätsrelevant sei. Der Schutzzweck des Art. 120 Abs. 1 SVerf liegt vielmehr uneingeschränkt darin, die Gemeinden davor zu bewahren, dass die Wahrnehmung von Auftragsangelegenheiten auf sie verlagert wird, ohne dass das Land zugleich Bestimmungen über die Deckung der Kosten trifft.

3. Die Übertragung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde an die Klägerin nach § 58 Abs. 2 LBO 2008 ist wirksam „durch Gesetz“ erfolgt.

Handelt es sich bei der Übertragung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde an die Klägerin aufgrund der in § 58 Abs. 2 LBO 2008 eröffneten Option – wie zuvor festgestellt - um eine Übertragung von Auftragsangelegenheiten im Sinne des Art. 120 Abs. 1 SVerf, so konnte diese nach Satz 1 der genannten Verfassungsnorm wirksam nur „durch förmliches Gesetz“ erfolgen

zu diesem Erfordernis vgl. Grupp in Wendt/Rixecker, Verfassung des Saarlandes, Art. 120 , Rdnr. 1; Brosig, Die Verfassung des Saarlandes, 2001, S. 281; Mückl in Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen 2006, § 3 Rdnr. 61 und Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung, 2. Aufl., S. 342, Rdnr. 883.

Eine solche wirksame Übertragung ist hier - spätestens ab dem 4.7.2008 - zu bejahen.

Die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde waren vor dem 1.1.2008 wie folgt übertragen: Nach § 54 Abs. 1 Satz 2 LBO 1988 waren (die Landräte als untere staatliche Verwaltungsbehörden, der Stadtverbandspräsident und) in der Landeshauptstadt Saarbrücken und in den kreisfreien Städten die Oberbürgermeister Untere Bauaufsichtsbehörden. Gleiches galt gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 LBO 1996. Nach § 58 Abs. 1 Satz 2 LBO 2004 in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung wurden die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörden von (den Landkreisen, dem Stadtverband Saarbrücken und) der Landeshauptstadt Saarbrücken als Auftragsangelegenheiten wahrgenommen.

§ 58 LBO in der vom 1.1. bis 21.2.2008 geltenden Fassung regelte in Abs. 1 Satz 2: Die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörden werden von den Landkreisen und dem Regionalverband Saarbrücken als Auftragsangelegenheiten wahrgenommen, soweit in diesem Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes nichts anderes bestimmt ist. Abs. 2 der genannten Vorschrift regelte: Die oberste Bauaufsichtsbehörde überträgt einer Gemeinde auf Antrag durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde, wenn die Gemeinde mehr als 30.000 Einwohnerinnen und Einwohner hat und ihre Leistungsfähigkeit nachweist. Gemäß § 58 LBO in der vom 21.2.2008 bis 16.9.2010 geltenden Fassung galt für die Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörden gleiches (im Folgenden deshalb weiterhin: LBO 2008).

Durch § 1 der Zuständigkeitsverordnung zur Landesbauordnung (ZustV-LBO) vom 31.3.1989, geändert durch das Gesetz vom 21.11.2007 (Amtsbl. S. 2393) mit Gültigkeit vom 1.1.2008 bis 3.7.2008, war bestimmt: Die Landeshauptstadt Saarbrücken und die Städte Homburg, Neunkirchen, Saarlouis, St. Ingbert und Völklingen nehmen die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde wahr.

Durch § 1 der Zuständigkeitsverordnung zur Landesbauordnung (ZustV-LBO) vom 23.6.2008 mit Gültigkeit vom 4.7.2008 bis 31.12.2015 wurde bestimmt: Die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörden werden der Landeshauptstadt Saarbrücken und den Städten Homburg, Neunkirchen, Saarlouis, St. Ingbert und Völklingen übertragen.

Aus den genannten Vorschriften folgt, dass der Landeshauptstadt Saarbrücken, d.h. der Klägerin, die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörden bis zum 31.12.2007 durch Gesetz (§ 58 Abs. 1 Satz 2 LBO 2004) übertragen waren. Ab 1.1.2008 waren ihr die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörden durch Gesetz (§ 58 Abs. 1 Satz 2 LBO 2008) entzogen und auf den Regionalverband Saarbrücken übertragen.

Die Bestimmung des § 1 ZustV-LBO vom 31.3.1989, geändert durch das Gesetz vom 21.11.2007 (Amtsbl. S. 2393) mit Gültigkeit vom 1.1.2008 bis 3.7.2008 stand dazu ab 1.1.2008 in Widerspruch. Ein Antrag der Klägerin lag zum 1.1.2008 (noch) nicht vor. Dieser wurde erst mit Schreiben vom 25.2.2008 gestellt. Eine „Übertragung auf Antrag“ nach § 58 Abs. 2 LBO 2008 erfolgte erst in § 1 der Zuständigkeitsverordnung zur Landesbauordnung (ZustV-LBO) vom 23.6.2008 mit Gültigkeit ab 4.7.2008.

Fest steht damit, dass der Klägerin die bis zum 31.12.2007 bestehende nicht-optionale gesetzliche Zuständigkeit für die Auftragsangelegenheit „Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde“ mit Wirkung ab 1.1.2008 fehlte. Eine im Anschluss daran erfolgende erneute gesetzliche Übertragung dieser Auftragsangelegenheit stellt damit eine Übertragung staatlicher Aufgaben im Sinne des Art. 120 Abs. 1 Satz 1 SVerf dar

vgl. in diesem Zusammenhang Henneke, Die Kommunen in der Finanzverfassung des Bundes und der Länder, 2008, S. 186 unter Hinweis auf Entscheidungen des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 14.2.2002 - 17/01 - und vom 18.12.1997- 47/96 -.

Vorliegend kann der Klägerin nach dem 1.1.2008 demgemäß nur noch eine optionale, d.h. auf Antrag verliehene Zuständigkeit für diese Auftragsangelegenheit zugestanden haben. Diese Zuständigkeit ist, ungeachtet der Frage, ab welchem Zeitpunkt zwischen dem 1.1.2008 und dem 4.7.2008 diese – gegebenenfalls rückwirkend - wirksam geworden ist, spätestens mit Inkrafttreten des § 1 der Zuständigkeitsverordnung zur Landesbauordnung (ZustV-LBO) vom 23.6.2008 am 4.7.2008 eingetreten.

Die dem zugrunde liegende Aufgabenübertragung ist entgegen der Auffassung des Beklagten wirksam. Sie ist im Sinne des Art 120 Abs. 1 Satz 1 SVerf als „durch förmliches Gesetz“ erfolgt anzusehen. Zwar bestimmt § 58 Abs. 2 LBO 2008, dass die oberste Bauaufsichtsbehörde einer Gemeinde auf Antrag „durch Rechtsverordnung“ ganz oder teilweise die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde überträgt. Jedoch hat der Gesetzgeber in § 58 Abs. 1 und 2 LBO 2008 selbst durch förmliches Gesetz mit hinreichender Regelungsdichte entschieden, dass bei Vorliegen eng begrenzter, gebundener Tatbestandsvoraussetzungen eine Übertragung erfolgt.

Betrachtet man die einzelnen Komponenten der Übertragung einer Auftragsangelegenheit von Seiten des Landes auf Gemeinden und Gemeindeverbände, so setzen sich diese zusammen aus einem Akt der Wegverlagerung und einem Akt der Hinverlagerung. Den Akt der Verlagerung weg vom Land hat der Gesetzgeber in § 58 Abs. 1 und 2 LBO 2008 uneingeschränkt und unmittelbar vollzogen, indem er bestimmt hat, dass die Auftragsangelegenheit „Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde“ nicht vom Land wahrgenommen wird. Darüber hinaus regelt die genannte Norm selbst bereits abschließend eine wesentliche Komponente auch des Aktes der Hinverlagerung, nämlich die Verlagerung der Auftragsangelegenheit hinein in den kommunalen Bereich der Gemeinden und Gemeindeverbände. Ausschließlich die Zuständigkeitsverteilung innerhalb des kommunalen Bereichs legt das Gesetz - in engen Grenzen - nicht abschließend selbst fest, indem es in § 58 Abs. 2 LBO 2008 für bestimmte Fälle ein Optionsmodell vorsieht. Dieses besteht nur für wenige Kommunen und führt bei Vorliegen dreier klar bestimmter Tatbestandsmerkmale zum – gebundenen – Vollzug der optionalen Zuständigkeitsverteilung innerhalb des kommunalen Bereichs. Bei den nach § 58 Abs. 2 LBO 2008 maßgeblichen Tatbestandsmerkmalen, nämlich „Antrag der Gemeinde“, „mehr als 30.000 Einwohner“ und „Nachweis der Leistungsfähigkeit der Gemeinde“ handelt es sich um Rechtsbegriffe, die wie alle in der Normsetzung verwendeten sprachlichen Begriffe in mehr oder weniger großem Umfang einer Auslegung zugänglich sind. Jedoch sind Anhaltspunkte dafür, dass insbesondere der unbestimmte Rechtsbegriff „Nachweis der Leistungsfähigkeit der Gemeinde“ einen Bewertungsspielraum des Verordnungsgebers eröffnen könnte, entgegen der Auffassung des Beklagten nicht gegeben.

Es bestehen daher – auch nach der oben dargelegten Sicherungs- und Schutzfunktion des Art 120 Abs. 1 SVerf - keine Bedenken, einen solchen Übertragungsakt als durch förmliches Gesetz erfolgt zu qualifizieren. Der Gesetzgeber hat die Erfüllung seiner materiellen Kostentragungspflicht gegenüber den Gemeinden und Gemeindeverbänden aus Art. 120 Abs. 1 SVerf daher auch bei der hier gegebenen Ausgestaltung der Übertragung von Auftragsangelegenheiten zu bedenken und zu gewährleisten.

4. Die in § 16 Abs. 5 KFAG 2008 enthaltene Bestimmung über die Deckung der Kosten der nach § 58 Abs. 2 LBO 2008 erfolgten Übertragung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde an die Klägerin genügt den inhaltlichen Anforderungen des Art. 120 Abs. 1 SVerf nicht.

Eine ausdrückliche Bestimmung über die Kosten der Auftragsangelegenheit „Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde“ lässt sich dem Wortlaut der Norm des § 16 Abs. 5 Satz 1 KFAG 2008 unmittelbar nicht entnehmen. Die Grundlagen der Bemessung des darin unter Nr. 1 für die Klägerin vorgegebenen Kopfbetrages lassen sich allein aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht erschließen. Jedoch geht aus der Gesetzesbegründung zu § 16 Abs. 5 Satz 1 KFAG 2008 hervor, dass bei der Bemessung des Kopfbetrages in § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 KFAG 2008 sehr wohl eine Bestimmung über die Kosten der Auftragsangelegenheit „Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde“ getroffen wurde. Der Inhalt der dort getroffenen Bestimmung über die Kosten geht dahin, dass die Kosten dieser Auftragsangelegenheit mit der Begründung nicht berücksichtigt werden, dass diese Aufgabenwahrnehmung für die genannten Städte optional ist

vgl. Landtagsdrucksache 13/1403, S. 84 zu § 16 Abs. 5 KFAG.

Wörtlich heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 16 Abs. 5 Satz 1 KFAG 2008: „Die Höhe der Kopfbeträge wird an die seit der letzten Anpassung eingetretene Kostenentwicklung und an die Hochzonung von bisher über die Kopfbeträge mitfinanzierten Aufgaben angepasst. Grundlage für die Anpassung sind die Ist-Zuschussbeträge nach den Jahresrechnungen 2005. Nicht berücksichtigt werden die finanziellen Belastungen durch die Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde, da diese Aufgabenwahrnehmung für die genannten Städte optional ist.“

Diese Bestimmung „über die Deckung der Kosten“ der Auftragsangelegenheit „Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde“ genügt indes den inhaltlichen Anforderungen des Art 120 Abs. 1 Satz 2 und 3 SVerf nicht. Letztere sind durch Auslegung der Norm zu ermitteln.

Bereits bei Auslegung des Art. 120 Abs. 1 SVerf nach seinem Wortlaut bestehen erhebliche Zweifel, ob eine Bestimmung, die eine vollständige Nichtberücksichtigung von Kosten, die durch die Wahrnehmung einer zur Durchführung übertragenen staatlichen Aufgabe entstehen, als „Bestimmung über die Deckung der Kosten“ derselben angesehen werden kann. Denn tatsächlich wird eine Bestimmung ausschließlich über das Unterlassen der Deckung der Kosten getroffen.

Die Auslegung des Art. 120 Abs. 1 SVerf nach der Entstehungsgeschichte der Norm vertieft und bestätigt diese Zweifel.

Nach dem Bericht der Enquetekommission Verfassung (LT-Drucksache 11/2043) hebt Art. 120 Abs. 1 Satz 3 SVerf absichtsvoll und ausdrücklich hervor, dass das Land den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Durchführung der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel sichert und damit die „materielle Kostentragungspflicht“ des Landes für die Kosten, die den Kommunen bei Erledigung der Auftragsangelegenheiten entstehen, erneut und betont heraus stellt. Den weg, auf dem das Land seiner Kostentragungspflicht nachkomme, lasse die Verfassung allerdings bewusst offen. Wenn nicht auf andere Weise, so müsse sie das Land zumindest mit dem Instrument des kommunalen Finanzausgleichs erfüllen.

Dementsprechend heißt es unter Randnummer 154 des Berichts der Enquetekommission Verfassung, Art. 120 Abs. 1 Satz 2 SVerf zwinge nicht dazu, die Kosten, die den Kommunen bei Erledigung der Auftragsangelegenheiten entstehen, auf das Land mit Hilfe einer speziellen, genau bezifferten Kostenregelung zu überbürden. Auch der kommunale Finanzausgleich werde als Instrument zur Realisierung der materiellen Kostentragungspflicht des Landes nicht ausgeschlossen.

Der Verpflichtung aus Art. 120 Abs. 1 Satz 2 SVerf werde aber nicht mit einem pauschalen Verweis auf den „kommunalen Finanzausgleich“ Genüge getan. Solle der kommunale Finanzausgleich als Instrument des Lastenausgleichs im Falle des Art. 120 Abs. 1 Satz 2 SVerf eingesetzt werden, so müsse verlangt werden, dass im Gesetzgebungsverfahren die Auswirkungen auf den kommunalen Finanzausgleich und seine demzufolge u.U. erforderlich werdende Anpassung und Änderung auf der Grundlage möglichst genauer Schätzungen und Berechnungen der zu erwartenden neuen Kostenlast für die Gemeinden bzw. Gemeindeverbände dargelegt und gegebenenfalls vorgenommen würden.

Den so umrissenen Anforderungen genügt die Regelung des § 16 Abs. 5 KFAG 2008 offenkundig nicht.

Zwar ist es, wie ausdrücklich zu betonen ist, nach dem Grundsatz der materiellen Kostentragungspflicht des Landes aus Art 120 Abs. 1 SVerf weder erforderlich, dass die seitens des Landes vorzunehmende Erstattung von Kosten der Wahrnehmung von Auftragsangelegenheiten in der konkret angefallenen Höhe erfolgt

vgl. Grupp in Wendt/Rixecker, Verfassung des Saarlandes, Art. 120 , Rdnr. 5, sowie Wohlfahrt, Kommunalrecht im Saarland, 3. Aufl., S. 58 und 78; a.A. etwa Henneke, Öffentliches Finanzwesen, a.a.O., Rdnr. 889,

noch dass diese außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs erfolgt. Jedoch genügt den Anforderungen der genannten Verfassungsnorm weder ein – hier nicht einmal erfolgter - pauschaler Verweis auf den kommunalen Finanzausgleich, noch - erst recht nicht - eine dahinter noch zurückbleibende Bestimmung, die, wie vorliegend § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 KFAG 2008, vorsieht, dass die betreffenden Kosten überhaupt nicht berücksichtigt werden. Vielmehr muss eine Berücksichtigung der Kosten der Wahrnehmung von Auftragsangelegenheiten, unabhängig davon, in welcher Höhe und mit welchem finanzrechtlichen Instrument dies geschieht, überhaupt erfolgen. Dies gebietet der Grundsatz der materiellen Kostentragungspflicht des Landes aus Art 120 Abs. 1 SVerf.

Dem kann der Beklagte auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass durch die in § 16 Abs. 5 KFAG 2008 bestimmte Nichtberücksichtigung der Kosten der Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde die den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt zustehende Finanzausgleichsmasse nicht geschmälert werde und im Falle einer Berücksichtigung dieser Kosten zugunsten der Klägerin alle übrigen saarländischen Gemeinden die bei der Klägerin anfallenden Kosten der Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde mitfinanzieren müssten, weil entsprechende Zuweisungen an die Klägerin letztlich die Mittel schmälerten, die nach § 16 Abs. 11 KFAG 2008 als pauschale Zuweisungen zu Investitionen auf alle Gemeinden verteilt würden.

Zwar trifft es zu, dass der Anteil der den Gemeinden und Gemeindeverbänden zu Gute kommenden Finanzausgleichsmasse an der Verbundmasse nach § 6 Abs. 1 und 2 KFAG 2008 - durch entsprechende Reduzierung des Verbundsatzes auf 20,555 vom Hundert - tatsächlich lediglich insoweit verringert wurde, als es der Hochzonung von Aufgaben von den Gemeindeverbänden und den Städten Saarbrücken, Völklingen und St. Ingbert auf das Land und damit einer entsprechenden finanziellen Belastung des Landes durch die Wahrnehmung der entsprechenden Aufgaben korrespondiert

vgl. Landtagsdrucksache 13/1403, S. 82 zu § 6 Abs. 3 KFAG.

Auch ist - demzufolge - durch die Nichtberücksichtigung der bei der Klägerin anfallenden Kosten der Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde in § 16 Abs. 5 KFAG 2008 die den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt zustehende Finanzausgleichsmasse nicht geschmälert worden.

Jedoch folgt hieraus gleichwohl nicht, dass das Land eine den inhaltlichen Anforderungen des Art 120 Abs. 1 Satz 2 SVerf entsprechende Bestimmung über die Deckung der Kosten der Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde durch die Klägerin getroffen hat.

Der Hinweis des Beklagten auf die Belassung der fraglichen Mittel in der Finanzausgleichsmasse, wo sie – über § 16 Abs. 11 KFAG 2008 als pauschale Zuweisungen zu Investitionen - allen Gemeinden zu Gute kommen können, kann allenfalls als pauschaler und daher den oben dargelegten Anforderungen nicht genügender Verweis auf den kommunalen Finanzausgleich angesehen werden. Darüber hinaus dürfte das beim horizontalen Finanzausgleich zu berücksichtigende Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung

vgl. dazu VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.2.2012 – VGH N 3/11 -, juris.

es gebieten, dass eine Berücksichtigung der Kosten der Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde zugunsten derjenigen Gemeinde zu erfolgen hat, bei der sie anfallen. Damit ist es nicht zu vereinbaren, die Wahrnehmung bestimmter Auftragsangelegenheiten, die nicht nur unmerkliche Kosten verursachen, und die nur einer oder einzelnen Gemeinden obliegt, im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs überhaupt nicht zu berücksichtigen. Auch dies gilt, wie nochmals zu betonen ist, unabhängig davon, in welcher Höhe und bei welchem Instrument des Finanzausgleichs eine Berücksichtigung der Kosten letztlich erfolgt. Eine – wie hier - gänzliche Nichtberücksichtigung ist mit Art. 120 Abs. 1 SVerf jedoch nicht zu vereinbaren. Der Senat ist deshalb von der Verfassungswidrigkeit der streitentscheidenden Norm des § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 KFAG 2008 überzeugt.

Das Verfahren war daher gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und dem Verfassungsgerichtshof des Saarlandes gemäß Art 97 Nr. 3 SVerf die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 KFAG 2008 mit Art. 120 Abs. 1 der Verfassung des Saarlandes vereinbar ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 28. Apr. 2011 - 2 C 51/08

bei uns veröffentlicht am 28.04.2011

Tatbestand 1 Der Kläger steht als Richter der Besoldungsgruppe R 1 im Dienst des Beklagten. Er ist Vater von fünf Kindern, von denen im Jahr 2003 vier beihilferechtlich
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Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 10. Juni 2016 - 1 K 4093/11

bei uns veröffentlicht am 10.06.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils

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(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Der Kläger steht als Richter der Besoldungsgruppe R 1 im Dienst des Beklagten. Er ist Vater von fünf Kindern, von denen im Jahr 2003 vier beihilferechtlich berücksichtigungsfähig waren. Auf seinen Antrag, ihm für krankheitsbedingte Aufwendungen Beihilfen zu gewähren, setzte der Beklagte unter Abzug der jährlichen Selbstbeteiligung des Klägers von 140 € für das Jahr 2003 eine Beihilfe in Höhe von 397,31 € fest.

2

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 140 € abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht den Beklagten im Wesentlichen aus folgenden Gründen zur Bewilligung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 140 € verpflichtet:

3

§ 12a BVO NRW sei zwar formell rechtmäßig, verstoße jedoch seit 2003 gegen Art. 33 Abs. 5 GG und sei deshalb unanwendbar. Seit diesem Jahr dürfe die Kostendämpfungspauschale den Beihilfeansprüchen der Beamten wegen der bis dahin eingetretenen Besoldungsabsenkung durch Abschaffung des Urlaubsgeldes und Kürzung der jährlichen Sonderzuwendung nicht mehr entgegengehalten werden. Der Umfang dieser Absenkung überschreite 4% eines Jahresnettoeinkommens; die Kostendämpfungspauschale mache zusätzlich und je nach Gehaltsstufe bis zu 1,32% eines Jahresnettoeinkommens aus. Sie führe damit zu einer Unterschreitung der aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenen amtsangemessenen Alimentation, da die Beamtenschaft greifbar von der Einkommensentwicklung vergleichbarer Beschäftigter abgekoppelt worden sei. Deshalb verletze die jährliche pauschale Selbstbeteiligung an den Krankheitskosten ab dem Jahr 2003 die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Dieser sei verpflichtet, die Gefährdung der amtsangemessenen Alimentation im Bereich der Beihilfe durch eine Nichtanwendung des § 12a BVO NRW zu kompensieren. Ob die Vorschrift wegen Verfassungswidrigkeit nichtig sei, könne demgegenüber offen bleiben.

4

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Revision. Er beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. September 2007 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgericht Köln vom 5. August 2005 zurückzuweisen.

5

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

Der Senat ist an einer Entscheidung in der im Rubrum genannten Besetzung nicht gehindert. Die Beschlüsse des Senats vom 19. und 20. April 2011 zu den letzten beiden Befangenheitsgesuchen des Klägers und der Beschluss vom 26. April 2011 zu Fragen der Akteneinsicht sind in der sich aus den Geschäftsverteilungsplänen des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats ergebenden Besetzung ergangen. Insbesondere ist Richter am BVerwG Dr. H. durch Ziffer 5.a des Beschlusses des Präsidiums vom 28. Juni 2010 zum stellvertretenden Vorsitzenden des 2. Senats bestimmt worden, ohne dass es allerdings auf diesen Aspekt ankäme, da sich die Spruchkörperbesetzung im Rahmen der dem Senat zugewiesenen Richter aus der senatsinternen Geschäftsverteilung ergibt. Auch der am Sitzungstag per Fax eingegangene Antrag, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben, hindert eine Entscheidung nicht, da der Prozessbevollmächtigte des Klägers keine erheblichen Gründe vorgetragen hat, die einer Terminswahrnehmung durch ihn entgegengestanden hätten. Er hat den Antrag vielmehr damit begründet, dass die Beschlüsse des Senats über Befangenheitsgesuche und einen Antrag auf Einsicht in die Voten und Entwürfe der Senatsmitglieder in gesetzwidriger Besetzung gefasst worden seien. Dies ist indes, wie ausgeführt, nicht der Fall; vielmehr hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Termin wahrnehmen und seinen Rechtsstandpunkt sowohl hinsichtlich der Besetzung des Gerichts als auch zur Sache vortragen können, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen.

7

Schließlich ist der Senat inhaltlich nicht, wie der Kläger meint, darauf beschränkt, die im Beschluss über die Zulassung der Revision angesprochenen Rechtsfragen zu behandeln. Er ist zwar an die Zulassung der Revision gebunden - die vom Kläger angeführte Entscheidung (Urteil vom 25. April 1961 - BVerwG 8 C 306.59 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 13) bestätigt diese Bindung lediglich für den Wegfall des Zulassungsgrundes -, hat aber im Revisionsverfahren das Berufungsurteil im Rahmen der §§ 137 ff. VwGO ohne Bindung an die geltend gemachten oder vom Gericht angenommenen Zulassungsgründe zu überprüfen (Beschluss vom 14. August 1962 - BVerwG 5 B 83.61 - BVerwGE 14, 342 = Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 21).

8

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen als den vom Oberverwaltungsgericht angeführten Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Beklagte war berechtigt, die Beihilfe des Klägers im Jahr 2003 um die Kostendämpfungspauschale gemäß § 12a der nordrhein-westfälischen Beihilfenverordnung - BVO NRW - zu kürzen (dazu 1. und 2.). Ein Begehren des Klägers festzustellen, dass seine Alimentation die Grenze der Amtsangemessenheit in einem bestimmten Zeitraum unterschritten habe, ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden (dazu 3.).

9

1. Gemäß § 12a Abs. 1 BVO NRW in der hier maßgebenden Fassung von Art. II des Gesetzes zur Änderung der Beihilfenverordnung vom 18. Dezember 2002 (GV. NRW S. 660 <666>) wird die Beihilfe je Kalenderjahr, in dem die beihilfefähigen Aufwendungen entstanden sind, um eine gestaffelte Kostendämpfungspauschale von 150 bis 750 € gekürzt. Richter mit einem Amt der Besoldungsgruppe R 1 sind der Stufe 2 (300 €) zugeordnet. Für jedes berücksichtigungsfähige Kind verringert sich die Kostendämpfungspauschale nach § 12a Abs. 5 BVO NRW um 40 €.

10

§ 12a Abs. 1 BVO NRW unterliegt nach der Rechtsprechung des Senats weder hinsichtlich des Art. 33 Abs. 5 GG noch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG oder auf den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts Bedenken; insbesondere verlangen weder die Alimentations- noch die Fürsorgepflicht, dass Aufwendungen im Krankheitsfall durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und ergänzende Beihilfeleistungen lückenlos gedeckt werden (Urteile vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 49.07 -, BVerwGE 131, 20 <24 Rn. 19> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94, und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 52.08 -, NVwZ 2010, 1507).

11

Die Kostendämpfungspauschale ist auch nicht, wie der Kläger meint, verfassungswidrig, weil sie in unzulässiger Weise zwischen gesunden und kranken Beamten unterscheide. Denn sie knüpft nicht an die Unterscheidung zwischen kranken und gesunden Beamten bzw. Richtern an, sondern gewährt unterschiedslos jedem Beamten im Bedarfsfalle einen Anspruch auf eine um den Betrag der Kostendämpfungspauschale geminderte Kostenerstattung, soweit sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen ist. Der tatsächliche Umstand, dass Beamte den Betrag der Kostendämpfungspauschale aus ihren Bezügen bestreiten müssen und dass dies jeweils nur Beamte trifft, die in einem Kalenderjahr Beihilfeleistungen in Anspruch nehmen, verlässt im Übrigen nicht die im Beihilfesystem angelegte Sachgesetzlichkeit, wonach Beamte bzw. Richter im Bedarfsfall nicht mit erheblichen krankheitsbedingten Aufwendungen belastet werden dürfen, die nicht durch zumutbare Eigenvorsorge abgesichert werden können (vgl. zu diesem Maßstab Urteil vom 26. August 2009 - BVerwG 2 C 62.08 - Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 20). Der Selbstbehaltsregelung liegt die Wertung zu Grunde, dass die Anspruchsminderung um den Betrag der Kostendämpfungspauschale jedem betroffenen Beamten im Regelfall ohne beihilferechtlichen Ausgleich zugemutet werden kann.

12

Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG begründet auch nicht der Umstand, dass sowohl kinderlose Beamte als auch Beamte mit Kindern von der Kostendämpfungspauschale betroffen sind (vgl. Urteil vom 20. März 2008 a.a.O. S. 23 f. m.w.N.). Für Beamte mit Kindern verringert sich die Kostendämpfungspauschale für 2003 um 40 € je berücksichtigungsfähiges Kind, so dass Beamte insbesondere in den unteren und mittleren Besoldungsgruppen erheblich entlastet sind. Außerdem entfällt die Kostendämpfungspauschale bei Aufwendungen für Vorsorgeuntersuchungen, die bei Kindern besonders häufig anfallen; zudem besteht die Möglichkeit einer zusätzlichen Unterstützung bei Vorliegen einer wirtschaftlichen Notlage (§ 13 Abs. 9 BVO NRW), so dass eine Verletzung der Fürsorgepflicht zu Lasten kinderreicher Beamter vermieden werden kann. Der weitere Umstand, dass die Kostendämpfungspauschale nur im Hinblick auf Kinder, nicht aber im Hinblick auf Ehegatten der Beamten reduziert wird, ist gleichfalls nicht zu beanstanden, da berücksichtigungsfähige Kinder die wirtschaftliche Leistungskraft des Beamten in aller Regel stärker beanspruchen als Ehegatten.

13

2. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, der Dienstherr sei auf Grund des Fürsorgegrundsatzes (Art. 33 Abs. 5 GG) dazu berechtigt oder gar verpflichtet, Versäumnisse der Besoldungsgesetze ggf. durch eine Nichtanwendung belastender Beihilfevorschriften zu kompensieren, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.

14

Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht gebietet, dass Beamte bzw. Richter in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nicht mit erheblichen Aufwendungen beschwert bleiben, die sie durch zumutbare Eigenvorsorge mit Hilfe der Regelalimentation nicht absichern können (Urteil vom 20. März 2008, a.a.O., S 24 Rn. 20 m.w.N.). Allerdings kommt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG entsprechenden Systems von Alimentation und Fürsorgeleistungen, insbesondere bei der Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang Beihilfeleistungen gewährt werden, ein erheblicher Spielraum zu. Das Beihilfensystem als solches ist nicht verfassungsrechtlich verankert, da es nicht einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) darstellt. Ob die Fürsorge in Krankheits- und Pflegefällen durch Beihilfeleistungen, durch Mittel der Regelalimentation zur Finanzierung einer Krankenversicherung oder nicht versicherbarer Belastungen oder durch eine Kombination aus diesen Elementen unter Wahrung der Amtsangemessenheit der Alimentation sichergestellt wird, ist dem Gesetzgeber überlassen (BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225 <232 f.>; Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR 1715/03 u.a. - DVBl 2007, 1493 <1495>; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 - BVerwG 2 C 36.02 - BVerwGE 118, 277 <279 f.> = Buchholz 237.6 § 87c NdsLBG Nr. 1, S. 3). Der Spielraum des Gesetzgebers bei der Gestaltung des Besoldungsrechts wird grundsätzlich erst durch Maßnahmen überschritten, die sich als evident sachwidrig erweisen (BVerfG, Beschlüsse vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <320> und vom 6. Mai 2004 - 2 BvL 16/02 - BVerfGE 110, 353 <364>; stRspr). Deshalb kann der Gesetzgeber das Alimentationsniveau sowohl dadurch anheben, dass er die Dienstbezüge erhöht, als auch dadurch, dass er besoldungsrelevante Einschnitte rückgängig macht oder Fürsorgeleistungen gewährt. Selbst wenn das Beihilfensystem so ausgestaltet sein sollte, dass die Beamten in Krankheits- und Pflegefällen unter Verstoß gegen das Gebot amtsangemessener Alimentation mit unzumutbaren Kosten belastet werden, würde daraus nicht die Nichtigkeit oder - wie das Berufungsgericht meint - die Unanwendbarkeit der entsprechenden beihilferechtlichen Vorschriften folgen, sondern die Notwendigkeit einer Anpassung des Alimentationsniveaus durch Änderung des Besoldungsgesetzes.

15

Die vom Berufungsgericht für richtig gehaltene Nichtanwendung belastender Beihilfevorschriften im Einzelfall verkennt diesen Zusammenhang von Alimentations- und Fürsorgepflicht. Dem Beamten bzw. Richter, der sein grundrechtsgleiches Recht auf amtsangemessene Alimentation geltend machen will, ist es verwehrt, durch eine Klage auf Gewährung von Fürsorgeleistungen ohne gesetzliche Grundlage in den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einzugreifen. Aus demselben Grund kann auch das Gericht sich nicht mit Hilfe einer "Anwendungssperre" belastender Beihilferegelungen an die Stelle des Gesetzgebers setzen. Vielmehr kann der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nur dadurch gewahrt werden, dass betroffene Beamte ihren auf eine höhere Alimentation zielenden Anspruch prozessual durch eine Feststellungsklage geltend machen (stRspr; Urteile vom 20. März 2008, a.a.O., vom 28. Mai 2009 - BVerwG 2 C 23.07 - Buchholz 11 Art. 57 GG Nr. 1, und vom 6. November 2009 - BVerwG 2 C 60.08 - juris; vgl. auch Urteil vom 20. Juni 1996 - BVerwG 2 C 7.95 - Buchholz 240 § 2 BBesG Nr. 8 und BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2009 - 2 BvL 13/08 u.a. - juris). Dieser Weg ist ihnen auch im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) zuzumuten, da davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber die Konsequenzen aus einer entsprechenden gerichtlichen Feststellung ziehen wird. In wirtschaftlichen Notlagen kommen unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht vorläufige Zahlungen in Betracht (Urteil vom 20. Juni 1996, a.a.O.).

16

Die Annahme des Berufungsgerichts, Rechtsschutz sei in Fällen wie dem vorliegenden dort zu suchen, wo das System von Alimentation und Beihilfe die Schwelle der Rechtswidrigkeit überschreite, trifft zwar zu. Allerdings führt sie nicht dazu, dass eine Verpflichtungsklage auf Gewährung höherer Beihilfen zu erheben ist, da nicht die beihilferechtliche Regelung, die zu einem Absinken des Alimentationsniveaus unter die Schwelle der Amtsangemessenheit führt, rechtswidrig ist, sondern das Besoldungsgesetz, das eine verfassungswidrig zu niedrige Alimentation festsetzt. Die vom Berufungsgericht für ausreichend gehaltene Anwendungssperre des § 12a BVO NRW trägt dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass weder die Kostendämpfungspauschale noch ihre Anwendung rechtswidrig sind, sondern - unterstellt, das Alimentationsniveau des Klägers sei im Jahre 2003 verfassungswidrig zu niedrig gewesen - das Besoldungsgesetz. Dem Ansatz des Berufungsgerichts stehen bereits der besoldungsrechtliche Vorbehalt des Gesetzes sowie der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung entgegen, da er auf eine Nichtanwendungskompetenz der Behörde für jeden Einzelfall, in dem die Behörde das von ihr für verfassungsgemäß gehaltene Alimentationsniveau durch Anwendung einer Kürzungs- oder Streichungsregelung gefährdet sähe, hinausläuft. Er umgeht zugleich das Normverwerfungsmonopol der Gerichte bzw. - soweit Parlamentsgesetze betroffen sind - des Bundesverfassungsgerichts und greift in den Gestaltungsspielraum des Besoldungsgesetzgebers ein, der zu der Entscheidung darüber berufen ist, ob eine unzureichende Alimentation durch den Abbau von Kürzungsvorschriften oder durch Anhebung der Regelalimentation behoben werden soll. Schließlich führt der Ansatz des Berufungsgerichts zu dem unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht tragbaren Ergebnis, dass je nach geltend gemachter Leistung - Beihilfe ohne Selbstbehalt für beihilfefähige Aufwendungen, Beihilfe für nicht beihilfefähige Aufwendungen, Sonderzuwendung usw. - und Einzelfall zahlreiche Vorschriften des öffentlichen Dienstrechts einer Anwendungssperre gegenüber einzelnen Beamten unterliegen können, während sie gegenüber anderen Beamten Anwendung finden, weil diese ihren Anspruch auf Kompensation der unzureichenden Besoldung in anderer Weise oder gar nicht geltend gemacht haben.

17

3. Ein auf die Feststellung einer verfassungswidrig unzureichenden Alimentation gerichtetes Begehren ist im vorliegenden Fall nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Ein solches Begehren lässt sich dem Vortrag des Klägers in erster und zweiter Instanz nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weder ausdrücklich noch konkludent entnehmen; im Revisionsverfahren wäre eine entsprechende Klageänderung im Übrigen gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig.

18

Der Streitgegenstand im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird nicht nur durch den Klageantrag, sondern auch durch den Klagegrund bestimmt. Neben der angestrebten Rechtsfolge ist deshalb auch der Sachverhalt, aus dem sich diese Rechtsfolge ergeben soll, für den Streitgegenstand bestimmend (Beschluss vom 9. August 2000 - BVerwG 8 B 72.00 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 80). Das Gericht ist bei der Ermittlung des Begehrens zwar nicht an die Fassung der Anträge gebunden, darf aber über das Klagebegehren nicht hinausgehen (§ 88 VwGO). Im vorliegenden Fall hat der Kläger sich nach den in erster und zweiter Instanz gestellten Anträgen auf die Anfechtung des Beihilfebescheids vom 14. März 2003 und des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2003 sowie auf die Erhebung einer Verpflichtungsklage auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 140 € für das Jahr 2003 beschränkt; im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hat er zunächst eine Leistungsklage auf Auszahlung eines Beihilfebetrages von 140 € erhoben. Damit hat er den zur Entscheidung des Gerichts gestellten Sachverhalt auf den Beihilfeanspruch beschränkt; alleiniges Ziel des Verfahrens ist - wie sich nicht zuletzt in dem vom Berufungsgericht festgesetzten Streitwert widerspiegelt - die Durchsetzung eines bezifferten Anspruchs auf höhere Beihilfeleistungen.

19

Zwar ist der Kläger zur Begründung des geltend gemachten Leistungsbegehrens auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit seiner Besoldung im Jahr 2003 eingegangen. Diesen Ausführungen kommt für das angestrebte Rechtsschutzziel jedoch lediglich die Funktion eines Begründungselements zu, das die Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Beihilfeanspruchs belegen soll. Ein auf die Erhöhung der Bezüge gerichtetes Klagebegehren hat der Kläger vielmehr ausdrücklich abgelehnt, weil er die Anfechtung desjenigen Rechtsakts, der zu der von ihm beklagten Unteralimentation geführt habe, für vorrangig hält. Nach Auffassung des Klägers muss der Beihilfebescheid, durch den ein Beihilfeanspruch des Klägers aufgrund der Kostendämpfungspauschale in rechtswidriger Weise teilweise abgewiesen worden sei, angefochten bzw. die zu Grunde liegende Norm des Verordnungsrechts beseitigt werden, um einen höheren Alimentationsanspruch durchsetzen zu können. Eine Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht komme wegen der Befugnis der Fachgerichte, verfassungswidriges Verordnungsrecht für unwirksam zu erklären, nicht in Betracht.

20

Damit hat der Kläger auch in der Revisionsinstanz nochmals zum Ausdruck gebracht, dass er nicht das Begehren verfolgt, den Gesetzgeber zu einem Tätigwerden zu veranlassen, als dessen Folge sich nach Abschluss eines Gesetzgebungsverfahrens ein Anspruch betroffener Beamter auf zusätzliche Leistungen ergeben würde. Ein derartiges Feststellungsbegehren ist auch nicht als nachrangiges Begehren in dem streitgegenständlichen Leistungsantrag auf Gewährung einer weiteren Beihilfe enthalten, weil die Rechtsschutzziele beider Begehren nicht identisch sind (vgl. Urteil vom 28. April 2005 - BVerwG 2 C 1.04 - BVerwGE 123, 308 <312> = Buchholz 240 § 72a BBesG Nr. 1 S. 3 f.). Soweit der Kläger davon ausgeht, dass in seinem Verpflichtungsantrag auch ein Begehren, das verfassungswidrig zu niedrige Niveau seiner Alimentation festzustellen, enthalten sei, verkennt er, dass nach der zitierten Rechtsprechung des Senats ein auf höhere Beihilfe gerichtetes Rechtsschutzbegehren gerade nicht ausreicht, einen Anspruch auf amtsangemessene Alimentation geltend zu machen.

(1) Klageänderungen und Beiladungen sind im Revisionsverfahren unzulässig. Das gilt nicht für Beiladungen nach § 65 Abs. 2.

(2) Ein im Revisionsverfahren nach § 65 Abs. 2 Beigeladener kann Verfahrensmängel nur innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Beiladungsbeschlusses rügen. Die Frist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Der Kläger steht als Richter der Besoldungsgruppe R 1 im Dienst des Beklagten. Er ist Vater von fünf Kindern, von denen im Jahr 2003 vier beihilferechtlich berücksichtigungsfähig waren. Auf seinen Antrag, ihm für krankheitsbedingte Aufwendungen Beihilfen zu gewähren, setzte der Beklagte unter Abzug der jährlichen Selbstbeteiligung des Klägers von 140 € für das Jahr 2003 eine Beihilfe in Höhe von 397,31 € fest.

2

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 140 € abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht den Beklagten im Wesentlichen aus folgenden Gründen zur Bewilligung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 140 € verpflichtet:

3

§ 12a BVO NRW sei zwar formell rechtmäßig, verstoße jedoch seit 2003 gegen Art. 33 Abs. 5 GG und sei deshalb unanwendbar. Seit diesem Jahr dürfe die Kostendämpfungspauschale den Beihilfeansprüchen der Beamten wegen der bis dahin eingetretenen Besoldungsabsenkung durch Abschaffung des Urlaubsgeldes und Kürzung der jährlichen Sonderzuwendung nicht mehr entgegengehalten werden. Der Umfang dieser Absenkung überschreite 4% eines Jahresnettoeinkommens; die Kostendämpfungspauschale mache zusätzlich und je nach Gehaltsstufe bis zu 1,32% eines Jahresnettoeinkommens aus. Sie führe damit zu einer Unterschreitung der aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenen amtsangemessenen Alimentation, da die Beamtenschaft greifbar von der Einkommensentwicklung vergleichbarer Beschäftigter abgekoppelt worden sei. Deshalb verletze die jährliche pauschale Selbstbeteiligung an den Krankheitskosten ab dem Jahr 2003 die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Dieser sei verpflichtet, die Gefährdung der amtsangemessenen Alimentation im Bereich der Beihilfe durch eine Nichtanwendung des § 12a BVO NRW zu kompensieren. Ob die Vorschrift wegen Verfassungswidrigkeit nichtig sei, könne demgegenüber offen bleiben.

4

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Revision. Er beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. September 2007 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgericht Köln vom 5. August 2005 zurückzuweisen.

5

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

Der Senat ist an einer Entscheidung in der im Rubrum genannten Besetzung nicht gehindert. Die Beschlüsse des Senats vom 19. und 20. April 2011 zu den letzten beiden Befangenheitsgesuchen des Klägers und der Beschluss vom 26. April 2011 zu Fragen der Akteneinsicht sind in der sich aus den Geschäftsverteilungsplänen des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats ergebenden Besetzung ergangen. Insbesondere ist Richter am BVerwG Dr. H. durch Ziffer 5.a des Beschlusses des Präsidiums vom 28. Juni 2010 zum stellvertretenden Vorsitzenden des 2. Senats bestimmt worden, ohne dass es allerdings auf diesen Aspekt ankäme, da sich die Spruchkörperbesetzung im Rahmen der dem Senat zugewiesenen Richter aus der senatsinternen Geschäftsverteilung ergibt. Auch der am Sitzungstag per Fax eingegangene Antrag, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben, hindert eine Entscheidung nicht, da der Prozessbevollmächtigte des Klägers keine erheblichen Gründe vorgetragen hat, die einer Terminswahrnehmung durch ihn entgegengestanden hätten. Er hat den Antrag vielmehr damit begründet, dass die Beschlüsse des Senats über Befangenheitsgesuche und einen Antrag auf Einsicht in die Voten und Entwürfe der Senatsmitglieder in gesetzwidriger Besetzung gefasst worden seien. Dies ist indes, wie ausgeführt, nicht der Fall; vielmehr hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Termin wahrnehmen und seinen Rechtsstandpunkt sowohl hinsichtlich der Besetzung des Gerichts als auch zur Sache vortragen können, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen.

7

Schließlich ist der Senat inhaltlich nicht, wie der Kläger meint, darauf beschränkt, die im Beschluss über die Zulassung der Revision angesprochenen Rechtsfragen zu behandeln. Er ist zwar an die Zulassung der Revision gebunden - die vom Kläger angeführte Entscheidung (Urteil vom 25. April 1961 - BVerwG 8 C 306.59 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 13) bestätigt diese Bindung lediglich für den Wegfall des Zulassungsgrundes -, hat aber im Revisionsverfahren das Berufungsurteil im Rahmen der §§ 137 ff. VwGO ohne Bindung an die geltend gemachten oder vom Gericht angenommenen Zulassungsgründe zu überprüfen (Beschluss vom 14. August 1962 - BVerwG 5 B 83.61 - BVerwGE 14, 342 = Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 21).

8

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen als den vom Oberverwaltungsgericht angeführten Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Beklagte war berechtigt, die Beihilfe des Klägers im Jahr 2003 um die Kostendämpfungspauschale gemäß § 12a der nordrhein-westfälischen Beihilfenverordnung - BVO NRW - zu kürzen (dazu 1. und 2.). Ein Begehren des Klägers festzustellen, dass seine Alimentation die Grenze der Amtsangemessenheit in einem bestimmten Zeitraum unterschritten habe, ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden (dazu 3.).

9

1. Gemäß § 12a Abs. 1 BVO NRW in der hier maßgebenden Fassung von Art. II des Gesetzes zur Änderung der Beihilfenverordnung vom 18. Dezember 2002 (GV. NRW S. 660 <666>) wird die Beihilfe je Kalenderjahr, in dem die beihilfefähigen Aufwendungen entstanden sind, um eine gestaffelte Kostendämpfungspauschale von 150 bis 750 € gekürzt. Richter mit einem Amt der Besoldungsgruppe R 1 sind der Stufe 2 (300 €) zugeordnet. Für jedes berücksichtigungsfähige Kind verringert sich die Kostendämpfungspauschale nach § 12a Abs. 5 BVO NRW um 40 €.

10

§ 12a Abs. 1 BVO NRW unterliegt nach der Rechtsprechung des Senats weder hinsichtlich des Art. 33 Abs. 5 GG noch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG oder auf den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts Bedenken; insbesondere verlangen weder die Alimentations- noch die Fürsorgepflicht, dass Aufwendungen im Krankheitsfall durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und ergänzende Beihilfeleistungen lückenlos gedeckt werden (Urteile vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 49.07 -, BVerwGE 131, 20 <24 Rn. 19> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94, und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 52.08 -, NVwZ 2010, 1507).

11

Die Kostendämpfungspauschale ist auch nicht, wie der Kläger meint, verfassungswidrig, weil sie in unzulässiger Weise zwischen gesunden und kranken Beamten unterscheide. Denn sie knüpft nicht an die Unterscheidung zwischen kranken und gesunden Beamten bzw. Richtern an, sondern gewährt unterschiedslos jedem Beamten im Bedarfsfalle einen Anspruch auf eine um den Betrag der Kostendämpfungspauschale geminderte Kostenerstattung, soweit sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen ist. Der tatsächliche Umstand, dass Beamte den Betrag der Kostendämpfungspauschale aus ihren Bezügen bestreiten müssen und dass dies jeweils nur Beamte trifft, die in einem Kalenderjahr Beihilfeleistungen in Anspruch nehmen, verlässt im Übrigen nicht die im Beihilfesystem angelegte Sachgesetzlichkeit, wonach Beamte bzw. Richter im Bedarfsfall nicht mit erheblichen krankheitsbedingten Aufwendungen belastet werden dürfen, die nicht durch zumutbare Eigenvorsorge abgesichert werden können (vgl. zu diesem Maßstab Urteil vom 26. August 2009 - BVerwG 2 C 62.08 - Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 20). Der Selbstbehaltsregelung liegt die Wertung zu Grunde, dass die Anspruchsminderung um den Betrag der Kostendämpfungspauschale jedem betroffenen Beamten im Regelfall ohne beihilferechtlichen Ausgleich zugemutet werden kann.

12

Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG begründet auch nicht der Umstand, dass sowohl kinderlose Beamte als auch Beamte mit Kindern von der Kostendämpfungspauschale betroffen sind (vgl. Urteil vom 20. März 2008 a.a.O. S. 23 f. m.w.N.). Für Beamte mit Kindern verringert sich die Kostendämpfungspauschale für 2003 um 40 € je berücksichtigungsfähiges Kind, so dass Beamte insbesondere in den unteren und mittleren Besoldungsgruppen erheblich entlastet sind. Außerdem entfällt die Kostendämpfungspauschale bei Aufwendungen für Vorsorgeuntersuchungen, die bei Kindern besonders häufig anfallen; zudem besteht die Möglichkeit einer zusätzlichen Unterstützung bei Vorliegen einer wirtschaftlichen Notlage (§ 13 Abs. 9 BVO NRW), so dass eine Verletzung der Fürsorgepflicht zu Lasten kinderreicher Beamter vermieden werden kann. Der weitere Umstand, dass die Kostendämpfungspauschale nur im Hinblick auf Kinder, nicht aber im Hinblick auf Ehegatten der Beamten reduziert wird, ist gleichfalls nicht zu beanstanden, da berücksichtigungsfähige Kinder die wirtschaftliche Leistungskraft des Beamten in aller Regel stärker beanspruchen als Ehegatten.

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2. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, der Dienstherr sei auf Grund des Fürsorgegrundsatzes (Art. 33 Abs. 5 GG) dazu berechtigt oder gar verpflichtet, Versäumnisse der Besoldungsgesetze ggf. durch eine Nichtanwendung belastender Beihilfevorschriften zu kompensieren, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.

14

Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht gebietet, dass Beamte bzw. Richter in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nicht mit erheblichen Aufwendungen beschwert bleiben, die sie durch zumutbare Eigenvorsorge mit Hilfe der Regelalimentation nicht absichern können (Urteil vom 20. März 2008, a.a.O., S 24 Rn. 20 m.w.N.). Allerdings kommt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG entsprechenden Systems von Alimentation und Fürsorgeleistungen, insbesondere bei der Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang Beihilfeleistungen gewährt werden, ein erheblicher Spielraum zu. Das Beihilfensystem als solches ist nicht verfassungsrechtlich verankert, da es nicht einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) darstellt. Ob die Fürsorge in Krankheits- und Pflegefällen durch Beihilfeleistungen, durch Mittel der Regelalimentation zur Finanzierung einer Krankenversicherung oder nicht versicherbarer Belastungen oder durch eine Kombination aus diesen Elementen unter Wahrung der Amtsangemessenheit der Alimentation sichergestellt wird, ist dem Gesetzgeber überlassen (BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225 <232 f.>; Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR 1715/03 u.a. - DVBl 2007, 1493 <1495>; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 - BVerwG 2 C 36.02 - BVerwGE 118, 277 <279 f.> = Buchholz 237.6 § 87c NdsLBG Nr. 1, S. 3). Der Spielraum des Gesetzgebers bei der Gestaltung des Besoldungsrechts wird grundsätzlich erst durch Maßnahmen überschritten, die sich als evident sachwidrig erweisen (BVerfG, Beschlüsse vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <320> und vom 6. Mai 2004 - 2 BvL 16/02 - BVerfGE 110, 353 <364>; stRspr). Deshalb kann der Gesetzgeber das Alimentationsniveau sowohl dadurch anheben, dass er die Dienstbezüge erhöht, als auch dadurch, dass er besoldungsrelevante Einschnitte rückgängig macht oder Fürsorgeleistungen gewährt. Selbst wenn das Beihilfensystem so ausgestaltet sein sollte, dass die Beamten in Krankheits- und Pflegefällen unter Verstoß gegen das Gebot amtsangemessener Alimentation mit unzumutbaren Kosten belastet werden, würde daraus nicht die Nichtigkeit oder - wie das Berufungsgericht meint - die Unanwendbarkeit der entsprechenden beihilferechtlichen Vorschriften folgen, sondern die Notwendigkeit einer Anpassung des Alimentationsniveaus durch Änderung des Besoldungsgesetzes.

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Die vom Berufungsgericht für richtig gehaltene Nichtanwendung belastender Beihilfevorschriften im Einzelfall verkennt diesen Zusammenhang von Alimentations- und Fürsorgepflicht. Dem Beamten bzw. Richter, der sein grundrechtsgleiches Recht auf amtsangemessene Alimentation geltend machen will, ist es verwehrt, durch eine Klage auf Gewährung von Fürsorgeleistungen ohne gesetzliche Grundlage in den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einzugreifen. Aus demselben Grund kann auch das Gericht sich nicht mit Hilfe einer "Anwendungssperre" belastender Beihilferegelungen an die Stelle des Gesetzgebers setzen. Vielmehr kann der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nur dadurch gewahrt werden, dass betroffene Beamte ihren auf eine höhere Alimentation zielenden Anspruch prozessual durch eine Feststellungsklage geltend machen (stRspr; Urteile vom 20. März 2008, a.a.O., vom 28. Mai 2009 - BVerwG 2 C 23.07 - Buchholz 11 Art. 57 GG Nr. 1, und vom 6. November 2009 - BVerwG 2 C 60.08 - juris; vgl. auch Urteil vom 20. Juni 1996 - BVerwG 2 C 7.95 - Buchholz 240 § 2 BBesG Nr. 8 und BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2009 - 2 BvL 13/08 u.a. - juris). Dieser Weg ist ihnen auch im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) zuzumuten, da davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber die Konsequenzen aus einer entsprechenden gerichtlichen Feststellung ziehen wird. In wirtschaftlichen Notlagen kommen unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht vorläufige Zahlungen in Betracht (Urteil vom 20. Juni 1996, a.a.O.).

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Die Annahme des Berufungsgerichts, Rechtsschutz sei in Fällen wie dem vorliegenden dort zu suchen, wo das System von Alimentation und Beihilfe die Schwelle der Rechtswidrigkeit überschreite, trifft zwar zu. Allerdings führt sie nicht dazu, dass eine Verpflichtungsklage auf Gewährung höherer Beihilfen zu erheben ist, da nicht die beihilferechtliche Regelung, die zu einem Absinken des Alimentationsniveaus unter die Schwelle der Amtsangemessenheit führt, rechtswidrig ist, sondern das Besoldungsgesetz, das eine verfassungswidrig zu niedrige Alimentation festsetzt. Die vom Berufungsgericht für ausreichend gehaltene Anwendungssperre des § 12a BVO NRW trägt dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass weder die Kostendämpfungspauschale noch ihre Anwendung rechtswidrig sind, sondern - unterstellt, das Alimentationsniveau des Klägers sei im Jahre 2003 verfassungswidrig zu niedrig gewesen - das Besoldungsgesetz. Dem Ansatz des Berufungsgerichts stehen bereits der besoldungsrechtliche Vorbehalt des Gesetzes sowie der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung entgegen, da er auf eine Nichtanwendungskompetenz der Behörde für jeden Einzelfall, in dem die Behörde das von ihr für verfassungsgemäß gehaltene Alimentationsniveau durch Anwendung einer Kürzungs- oder Streichungsregelung gefährdet sähe, hinausläuft. Er umgeht zugleich das Normverwerfungsmonopol der Gerichte bzw. - soweit Parlamentsgesetze betroffen sind - des Bundesverfassungsgerichts und greift in den Gestaltungsspielraum des Besoldungsgesetzgebers ein, der zu der Entscheidung darüber berufen ist, ob eine unzureichende Alimentation durch den Abbau von Kürzungsvorschriften oder durch Anhebung der Regelalimentation behoben werden soll. Schließlich führt der Ansatz des Berufungsgerichts zu dem unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht tragbaren Ergebnis, dass je nach geltend gemachter Leistung - Beihilfe ohne Selbstbehalt für beihilfefähige Aufwendungen, Beihilfe für nicht beihilfefähige Aufwendungen, Sonderzuwendung usw. - und Einzelfall zahlreiche Vorschriften des öffentlichen Dienstrechts einer Anwendungssperre gegenüber einzelnen Beamten unterliegen können, während sie gegenüber anderen Beamten Anwendung finden, weil diese ihren Anspruch auf Kompensation der unzureichenden Besoldung in anderer Weise oder gar nicht geltend gemacht haben.

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3. Ein auf die Feststellung einer verfassungswidrig unzureichenden Alimentation gerichtetes Begehren ist im vorliegenden Fall nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Ein solches Begehren lässt sich dem Vortrag des Klägers in erster und zweiter Instanz nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weder ausdrücklich noch konkludent entnehmen; im Revisionsverfahren wäre eine entsprechende Klageänderung im Übrigen gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig.

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Der Streitgegenstand im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird nicht nur durch den Klageantrag, sondern auch durch den Klagegrund bestimmt. Neben der angestrebten Rechtsfolge ist deshalb auch der Sachverhalt, aus dem sich diese Rechtsfolge ergeben soll, für den Streitgegenstand bestimmend (Beschluss vom 9. August 2000 - BVerwG 8 B 72.00 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 80). Das Gericht ist bei der Ermittlung des Begehrens zwar nicht an die Fassung der Anträge gebunden, darf aber über das Klagebegehren nicht hinausgehen (§ 88 VwGO). Im vorliegenden Fall hat der Kläger sich nach den in erster und zweiter Instanz gestellten Anträgen auf die Anfechtung des Beihilfebescheids vom 14. März 2003 und des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2003 sowie auf die Erhebung einer Verpflichtungsklage auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 140 € für das Jahr 2003 beschränkt; im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hat er zunächst eine Leistungsklage auf Auszahlung eines Beihilfebetrages von 140 € erhoben. Damit hat er den zur Entscheidung des Gerichts gestellten Sachverhalt auf den Beihilfeanspruch beschränkt; alleiniges Ziel des Verfahrens ist - wie sich nicht zuletzt in dem vom Berufungsgericht festgesetzten Streitwert widerspiegelt - die Durchsetzung eines bezifferten Anspruchs auf höhere Beihilfeleistungen.

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Zwar ist der Kläger zur Begründung des geltend gemachten Leistungsbegehrens auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit seiner Besoldung im Jahr 2003 eingegangen. Diesen Ausführungen kommt für das angestrebte Rechtsschutzziel jedoch lediglich die Funktion eines Begründungselements zu, das die Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Beihilfeanspruchs belegen soll. Ein auf die Erhöhung der Bezüge gerichtetes Klagebegehren hat der Kläger vielmehr ausdrücklich abgelehnt, weil er die Anfechtung desjenigen Rechtsakts, der zu der von ihm beklagten Unteralimentation geführt habe, für vorrangig hält. Nach Auffassung des Klägers muss der Beihilfebescheid, durch den ein Beihilfeanspruch des Klägers aufgrund der Kostendämpfungspauschale in rechtswidriger Weise teilweise abgewiesen worden sei, angefochten bzw. die zu Grunde liegende Norm des Verordnungsrechts beseitigt werden, um einen höheren Alimentationsanspruch durchsetzen zu können. Eine Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht komme wegen der Befugnis der Fachgerichte, verfassungswidriges Verordnungsrecht für unwirksam zu erklären, nicht in Betracht.

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Damit hat der Kläger auch in der Revisionsinstanz nochmals zum Ausdruck gebracht, dass er nicht das Begehren verfolgt, den Gesetzgeber zu einem Tätigwerden zu veranlassen, als dessen Folge sich nach Abschluss eines Gesetzgebungsverfahrens ein Anspruch betroffener Beamter auf zusätzliche Leistungen ergeben würde. Ein derartiges Feststellungsbegehren ist auch nicht als nachrangiges Begehren in dem streitgegenständlichen Leistungsantrag auf Gewährung einer weiteren Beihilfe enthalten, weil die Rechtsschutzziele beider Begehren nicht identisch sind (vgl. Urteil vom 28. April 2005 - BVerwG 2 C 1.04 - BVerwGE 123, 308 <312> = Buchholz 240 § 72a BBesG Nr. 1 S. 3 f.). Soweit der Kläger davon ausgeht, dass in seinem Verpflichtungsantrag auch ein Begehren, das verfassungswidrig zu niedrige Niveau seiner Alimentation festzustellen, enthalten sei, verkennt er, dass nach der zitierten Rechtsprechung des Senats ein auf höhere Beihilfe gerichtetes Rechtsschutzbegehren gerade nicht ausreicht, einen Anspruch auf amtsangemessene Alimentation geltend zu machen.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.