Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 14. Mai 2014 - 1 D 272/14

bei uns veröffentlicht am14.05.2014

Tenor

Die Beschwerde gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagenden Ausspruch im Tenor des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 8. Mai 2014 - 6 L 753/14 - wird zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Prozesskostenhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts ist zulässig, aber unbegründet.

Nach den §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese Voraussetzungen sind fallbezogen nicht erfüllt. In der angefochtenen Entscheidung hat das Verwaltungsgericht dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Eilrechtschutzverfahren der Sache nach zu Recht verweigert, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung zu keinem Zeitpunkt hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat. Die Zurückweisung des Eilrechtschutzbegehrens und damit auch die Ablehnung des hierauf bezogenen Prozesskostenhilfegesuchs hat das Verwaltungsgericht damit begründet, dass die im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erstrebte vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners, die Entfernung der vom Antragsteller näher bezeichneten und als volksverhetzend erachteten Wahlplakate gegenüber der Beigeladenen ordnungsbehördlich anzuordnen, nicht dem Schutze eigener Rechte des Antragstellers diene und daher durch § 42 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen sei. Diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens des Antragstellers uneingeschränkt zuzustimmen.

Die zum Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis setzt zum Zwecke des Ausschlusses sog. Popularklagen analog § 42 Abs. 2 VwGO voraus, dass der Antragsteller die zumindest mögliche Verletzung eigener Rechte geltend macht. Als Rechte, deren Verletzung geltend gemacht werden können und die Voraussetzung für die Antragsbefugnis sind, kommen alle Normen in Betracht, die entweder ausschließlich oder - neben anderen Zwecken - zumindest auch dem Schutz der Interessen des Antragstellers zu dienen bestimmt sind. Nicht ausreichend sind dagegen lediglich ideelle, wirtschaftliche oder ähnliche Interessen

Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 42 Rdnr. 59, 78.

Im vorliegenden Fall ist vom Antragsteller nicht aufgezeigt und auch sonst nicht ersichtlich, dass er durch das in Rede stehende Wahlplakat der Beigeladenen „Geld für die Oma statt für Sinti und Roma“ möglicherweise in eigenen Rechten verletzt sein kann. Zwar ist menschlich ohne weiteres nachvollziehbar, dass sich der Antragsteller gerade im Hinblick darauf, dass er nach seinen Angaben Angehöriger des jüdischen Glaubens ist, durch die besagten Wahlplakate der Beigeladenen in seinen Gefühlen verletzt sieht. Dies reicht aber zur Geltendmachung einer zumindest möglichen Verletzung eigener Rechte im Verständnis des § 42 Abs. 2 VwGO nicht aus. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die Aussagen auf den in Rede stehenden Wahlplakaten für den Antragsteller einen ehrverletzenden Inhalt haben. Denn durch die beanstandeten Plakate wird der Antragsteller weder in seiner Person noch als Angehöriger seines Glaubens angesprochen. Eine eigene Rechtsposition wird dem Antragsteller auch nicht dadurch vermittelt, dass die Angehörigen der in den umstrittenen Wahlplakaten angesprochenen Minderheiten ebenso wie die Angehörigen jüdischen Glaubens durch die Nationalsozialisten verfolgt wurden.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den vom Antragsteller angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vom 24.9.2009 und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 19.9.2009

BVerfG, Beschluss vom 24.9.2009 - 2 BvR 2179/09 - und OVG für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 19.9.2009 - 3 M 155/09 -, jeweils zitiert nach Juris.

In jenen Verfahren ging es um den - vor dem Oberverwaltungsverwaltungsgericht und nachfolgend vor dem Bundesverfassungsgericht erfolglos gebliebenen - Eilrechtsschutzantrag eines Kreisverbandes der Beigeladenen gegen ein behördliches Einschreiten in Bezug auf von dem Kreisverband verwendete Wahlplakate und damit um einen mit dem fallbezogenen Streitgegenstand nicht vergleichbaren Sachverhalt. Es ist Sache der zuständigen Behörden, nach den in der angeführten Rechtsprechung dargelegten Grundätzen darüber zu befinden, ob die umstrittenen Wahlplakate einen diskriminierenden oder gar volksverhetzenden Inhalt haben, und gegebenenfalls dagegen einzuschreiten. Diese Konstellation liegt den zitierten Entscheidungen zugrunde. Dagegen kann ein Bürger, der durch den Inhalt der Plakate nicht in eigenen Rechten verletzt wird, ein solches Einschreiten nicht gerichtlich erzwingen.

Eine Antragsbefugnis ist nach alledem nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 166 VwGO, 127 Abs. 4 ZPO, Nr. 5502 Kostenverordnung der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 14. Mai 2014 - 1 D 272/14 zitiert 7 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 3 Höhe der Kosten


(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

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Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 19. Sept. 2009 - 3 M 155/09

bei uns veröffentlicht am 19.09.2009

Tenor Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 11. September 2009 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird für
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Verwaltungsgericht München Beschluss, 20. Sept. 2017 - M 22 E 17.4359

bei uns veröffentlicht am 20.09.2017

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt. Gründe

Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 01. Juli 2016 - 4 Bs 261/15

bei uns veröffentlicht am 01.07.2016

Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 10. Dezember 2015 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kost

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(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 11. September 2009 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller verwendet im Gebiet des Landkreises X. im Zusammenhang mit der Teilnahme der NPD an der für den 27.09.2009 angesetzten Wahl zum Deutschen Bundestag unter anderem ein Plakat, auf dem im oberen Drittel auf rotem Hintergrund und weiß unterlegt drei schwarze Vögel mit weit geöffneten Augen zu sehen sind. Zwei der Vögel ragen mit ihren Schnäbeln über ein Bündel Euro-Geldscheine. Einer von ihnen pickt mit seinem Schnabel nach dem Geldbündel, der andere hält seinen geöffneten Schnabel, dessen oberer Teil überdimensioniert und leicht gekrümmt ist, über das Geldbündel. Im Hintergrund ist in der Mitte ein sehr viel kleinerer Vogel gleicher Art zu erkennen. Die Krallenfüße der beiden vorderen Vögel sind gut zu sehen. In das mittlere Drittel des Plakats, das einen weißen Hintergrund aufweist, ragt das Geldbündel deutlich hinein, ebenso, wenn auch nur am oberen Rand, die Krallenfüße der Vögel. Auf dem weißen Hintergrund aufgedruckt sind in schwarzen Buchstaben untereinandergestellt die Worte: "Polen - Invasion stoppen!". Im unteren Drittel des Plakats findet sich in Großbuchstaben ein Logo der NPD und ein angekreuztes Wahlfeld.

2

Dieses Plakat wurde ab dem 31.08.2009 in den Gemeinden A., B. und C. in größerer Zahl aufgehängt. Auf der Grundlage des § 81 SOG M-V entfernten Mitarbeiter der Ämter D. und E. diese Plakate und verwahrten sie vorübergehend bis zum 07.09.2009 amtlich auf. Sie sind an den Antragsteller zurückgegeben worden und werden wieder im Wahlkampf verwendet. Gegen dieses Plakat hat es in der Bevölkerung des Landkreises X. Proteste gegeben. Die Ordnungsbehörden wurden zum Einschreiten aufgefordert.

3

Mit Datum vom 04.09.2009 erließ der Antragsgegner gegen den Antragsteller eine auf § 13 SOG M-V gestützte Ordnungsverfügung mit dem Inhalt, dass dem Antragsteller untersagt wurde, im Landkreis X. die Wahlplakate mit dem Inhalt "Poleninvasion - stoppen" in der Öffentlichkeit, insbesondere im öffentlichen Straßenraum oder an und in öffentlichen Einrichtungen zu verbreiten, öffentlich auszustellen, anzuschlagen, vorzuführen oder sonst zugänglich zu machen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 angedroht; die sofortige Vollziehung der Unterlassungsanordnung wurde angeordnet. Die Plakate störten wegen ihres Inhalts sowohl die öffentliche Sicherheit wie die öffentliche Ordnung.

4

Dagegen hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt. Das Verwaltungsgericht hat auf den Antrag des Antragstellers die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder hergestellt. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Er führt im Wesentlichen aus, dass der Tatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB auch bei Beachtung der verfassungsrechtlichen Grenzen der Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit erfüllt sei. Darin liege die Störung der öffentlichen Sicherheit. Die öffentliche Ordnung sei ebenfalls gestört.

5

Der Antragsgegner beantragt,

6

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 11.09.2009 den Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 07.09.2009 gegen die Ordnungsverfügung des Beschwerdeführers vom 04.09.2009 wiederherzustellen, abzulehnen.

7

Der Antragsteller beantragt,

8

die Beschwerde zurückzuweisen.

9

Er tritt unter Hinweis auf eine rechtliche Prüfung des auch im Landtagswahlkampf in Sachsen verwendeten Plakats durch den dortigen Generalstaatsanwalt der Rechtsauffassung entgegen, der Tatbestand des § 130 Abs. 1 StGB sei erfüllt. Das Plakat lasse auch ein anderes als das vom Antragsgegner vertretene Verständnis zu. Insbesondere sei es möglich, es als zwei voneinander streng zu trennende Aussagen enthaltend zu verstehen: Die Ablehnung des Euro und die Ablehnung der Zuwanderung polnischer Staatsbürger nach Deutschland. Der 01.09. sei im Empfinden der Durchschnittsbürger ein normaler Tag.

II.

10

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

11

Aus den vom Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO seiner Entscheidung maßgeblich zugrundezulegenden Ausführungen der Beschwerdebegründung ergibt sich, dass die angegriffene Ordnungsverfügung rechtmäßig ergangen ist.

12

Der Antragsgegner hat zu Recht § 13 Sicherheits- und Ordnungsgesetz M-V (vom 25.03.1998, GVOBl. S. 335, SOG M-V) als Rechtsgrundlage für seine ordnungsrechtliche Verfügung herangezogen. Eine spezialgesetzliche Regelung ordnungsrechtlicher Eingriffsbefugnisse für die hier in Rede stehende rechtliche Materie ist nicht ersichtlich. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 SOG M-V sind erfüllt.

13

Die genannte Vorschrift ermächtigt die Ordnungsbehörden im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder dem Einzelnen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird.

14

Der Antragsgegner ist die nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 SOG M-V zuständige Ordnungsbehörde.

15

Durch die Verwendung des in der Ordnungsverfügung näher beschriebenen Plakats wird sowohl die öffentliche Sicherheit als auch die öffentliche Ordnung gestört.

16

Das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen (vgl. BVerfG, B. v. 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 und 341/81 - NJW 1985, 2395; VGH Kassel B. v. 03.02.1989 - 3 TH 375/89 -). Wird gegen Strafgesetze verstoßen, liegt darin, wenn der Verstoß nicht bereits vollendet ist, eine Störung der öffentlichen Sicherheit (vgl. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 11. Aufl. 2007, Rn. 101).

17

Die Verwendung des Plakats, das Gegenstand der streitbefangenen Ordnungsverfügung ist, verstößt nach Überzeugung des Senats gegen § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Die Vorschrift lautet:

18

" Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlicht macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft".

19

Der Antragsteller greift durch die Verwendung des von der streitbefangenen Verfügung erfassten Plakats die Menschenwürde der in Deutschland lebenden polnischen Staatsangehörigen an. Dieser Teil der Bevölkerung wird durch die in dem Plakat zum Ausdruck kommende Meinungsäußerung böswillig verächtlich gemacht.

20

Dabei ist hervorzuheben, dass sich die Meinungsäußerung des Antragstellers durch das Plakat nicht darauf beschränkt, durch Worte auf den Betrachter zu wirken. Das Plakat wirkt auf den Betrachter auch mit seinen bildhaften Elementen und seiner graphischen Gestaltung. Diese Gestaltung lässt ohne weiteres erkennen, dass es sich um eine einheitliche Aussage handelt, nicht aber um zwei unterschiedliche Meinungsäußerungen mit jeweils ganz anderem Inhalt.

21

Die Formulierung "Polen - Invasion stoppen!" erfasst auch die in Deutschland lebenden polnischen Staatsangehörigen. Dies ergibt sich aus der verfassungsrechtlich gebotenen objektiven Auslegung dieser Äußerung. Dabei geht der Senat von der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zuletzt B. v. 12.05.2009 - 1 BvR 2272/04 -, juris) aus, wonach zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der Deutung einer Äußerung gehört, dass sie unter Einbeziehung ihres Kontextes ausgelegt und ihr kein Sinn zugemessen wird, den sie objektiv nicht haben kann. Bei mehrdeutigen Äußerungen darf eine sanktionierte Bedeutung nicht zu Grunde gelegt werden, ohne vorher mit schlüssigen Gründen Deutungen ausgeschlossen zu haben, welche die Sanktion nicht zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerfGE 85, 1 <13 f.>; 82, 43 <52 f.>; 272 <280 f.>; 94, 1 <9>; 114, 339 <349>; BVerfGK 4, 54 <56>). Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht und von den erkennbaren Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird den Anforderungen an eine tragfähige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfGE 54, 129 <137>; 93, 266 <295>; 94, 1 <9>).

22

Der Begriff der "Invasion", wie er auf dem Plakat verwendet wird, umfasst bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe für die Auslegung nicht nur diejenigen polnischen Staatsangehörigen, die sich gegenwärtig nicht in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, die aber die Einreise und den dauernden Aufenthalt hierhin beabsichtigen. Erfasst sind auch diejenigen polnischen Staatsangehörigen, die sich bereits seit längerem in Deutschland aufhalten oder auf Dauer hier leben. Der Begriff "Invasion" auf dem Plakat hat offensichtlich keine militärische Bedeutung. Er ist aus seinem Kontext, d.h. seiner Verwendung im Wahlkampf der NPD, heraus zu verstehen. Teil der allgemein bekannten politischen Absichten der NPD, der der Antragsteller angehört, ist, den Zuzug ausländischer Staatsangehöriger nach Deutschland zu begrenzen und die Zahl der in Deutschland auf Dauer oder für längere Zeit lebenden nicht deutschen Staatsangehörigen zu verringern. Demzufolge bezieht sich der Begriff "Invasion" auf dem Wahlplakat auf den seit Jahren im Rahmen der geltenden Gesetze erfolgenden Zuzug ausländischer Staatsangehöriger in das Bundesgebiet. Teil dieser "Invasion" ist auch die bereits in Deutschland lebende Gruppe der ausländischen Staatsangehörigen. Die Aussage "Polen - Invasion stoppen!" erfasst daher auch die bereits in Deutschland auf Dauer oder längere Zeit lebenden polnischen Staatsangehörigen. Dies folgt auch aus dem Begriff "stoppen", der die Unterbrechung eines bereits andauernden Vorgangs meint.

23

Die vom Antragsteller geäußerte Auffassung, die Aussage erlaube auch das Verständnis, dass nur die außerhalb von Deutschland lebenden Polen gemeint seien, ist mit Blick auf die konkreten Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Zugehörigkeit des Antragstellers zur NPD und die Verwendung des streitgegenständlichen Plakates besonders in einem Bereich, in dem viele polnische Staatsangehörige bereits für längere Zeit oder auf Dauer ihren Aufenthalt genommen haben, lebensfremd.

24

Auch die Menschenwürde dieses Teils der Bevölkerung wird durch die Aussage auf dem Plakat angegriffen. Durch die Kombination der Bilddarstellung mit dem Text setzt der Antragsteller die in Deutschland lebenden polnischen Staatsangehörigen mit schwarzen Vögeln gleich, die sich in Art von Krähen oder vergleichbaren Vögeln über Geld hermachen. Dieser Personenkreis wird dadurch als raffgierig und ohne eigene Leistung sich bereichernd dargestellt. Insbesondere die auf einen objektiven Betrachter abstoßend wirkende Darstellung der Vögel hat zum Ziel, diese Bevölkerungsgruppe als minderwertig und verachtenswert zu charakterisieren. Diese Gleichsetzung erfolgt offensichtlich aus ausländerfeindlichen und damit aus verwerflichen Motiven. Eine irgendwie geartete sittlich achtenswerte Rechtfertigung für eine solche Meinungsäußerung ist nicht zu erkennen. Darin liegt ein Angriff auf die Menschenwürde anderer. Mit einer solchen Darstellung wird nicht mit den Mitteln einer Karikatur ein einzelner Wesens- oder Charakterzug eines Menschen oder eines durch einen solchen Wesenszug charakterisierten Teils der Bevölkerung überspitzt dargestellt, um durch die Überspitzung eine bestimmte politische Auffassung zu verdeutlichen, sondern die angesprochenen Personen sind als Gesamtpersönlichkeit gemeint; ihnen wird ihr Menschsein abgesprochen, und sie werden als unterwertig dargestellt.

25

In diesem Angriff liegt eine böswillige Verächtlichmachung der Bevölkerungsgruppe.

26

"Verächtlich machen" im Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist die aus verwerflichen Beweggründen erfolgende Darstellung anderer als verachtenswert, minderwertig oder unwürdig (vgl. Fischer, StGB, 56. Aufl. 2009, § 130 Rn. 11). Aus der durch die Gestaltung des Plakats deutlich werdenden Verbindung der bildhaften Darstellung und des Textes wird deutlich, dass beide Gestaltungselemente (Text und Bild) derart miteinander verbunden sind, dass es sich um eine einheitliche Meinungsäußerung handelt. Der Senat hat, veranlasst durch die Äußerung des Antragstellers in seiner Beschwerdeerwiderung, geprüft, ob ein Verständnis des Plakats in dem Sinne möglich ist, dass es sich um zwei unterschiedliche, strikt voneinander zu trennende und unterschiedlichen Inhalt habende und nur räumlich, nicht aber inhaltlich verbundene Aussagen handelt; nach Überzeugung des Senats ist ein solches Verständnis der durch das Plakat kundgegebenen Meinungsäußerung abwegig. Anhaltspunkte für die vom Antragsteller gegebene Auslegung, es handele sich bei der Bilddarstellung um eine selbständige politische Auseinandersetzung mit dem von ihm abgelehnten Euro, finden sich bei objektiver Betrachtung des Plakats nicht.

27

Die Meinungsäußerung ist auch geeignet den öffentlichen Frieden zu gefährden. Aus der Struktur des § 130 Abs. 1 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt folgt, dass es ausreicht, wenn die Äußerung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Diese Eignung liegt vor, wenn die Äußerung geeignet ist, die latent vorhandene Gewaltbereitschaft gegenüber Teilen der Bevölkerung zu vertiefen. Eine solche latente Gewaltbereitschaft bei rechtsradikal oder nationalsozialistisch gesinnten Vereinigungen gegenüber polnischen Staatsangehörigen ist allgemein bekannt; die mit dem Wahlplakat verbreitete Meinung ist geeignet, die Gewaltbereitschaft zu stärken und die Gewaltschwelle herabzusetzen.

28

Auch der subjektive Tatbestand ist erfüllt; nach Überzeugung des Senats entspricht es dem Willen des Antragstellers, eine so zu verstehende Äußerung in der Öffentlichkeit zu verbreiten, weil er sich auf diese Weise eine Mobilisierung seiner Anhängerschaft bei der Bundestagswahl erhofft.

29

Der Senat hat die Anwendung des § 13 SOG M-V im Licht der grundrechtlich verbürgten und für eine Demokratie grundlegenden Gewährung der Meinungsfreiheit zu betrachten und abzuwägen, ob nicht im konkreten Einzelfall das Grundrecht auf Meinungsfreiheit überwiegt, anders formuliert, ob nicht im Einzelfall aufgrund konkreter Umstände die sich aus der grundsätzlichen Strafbarkeit der Meinungsäußerung ergebende ordnungsrechtliche Berechtigung zum staatlichen Eingriff in das Grundrecht wegen des Gehalts des Grundrechts zurückstehen muss. Solche einzelfallbezogenen Umstände vermag der Senat vorliegend nicht zu erkennen. Der Umstand, dass die Äußerung im Wahlkampf gefallen ist, und die Überlegung, dies erlaube, in diesem Rahmen "robuster" zu formulieren, gibt keine Rechtfertigung zur Störung des öffentlichen Friedens unter den weiteren Voraussetzungen des § 130 StGB.

30

Unabhängig von den obigen Überlegungen liegt eine Störung der öffentlichen Ordnung im Sinne des § 13 SOG M-V vor.

31

Unter öffentlicher Ordnung versteht das allgemeine Polizeirecht die Summe der ungeschriebenen Verhaltensregeln, deren Einhaltung nach den Vorstellungen der Menschen im jeweiligen Rechtsraum für ein geordnetes staatsbürgerliches Zusammenleben unverzichtbar sind (vgl. OVG Weimar B. v. 12.11.1993 - 2 EO 147/93; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl. 2002, § 3 II 2). Dabei kommt es nicht darauf an, dass es einzelne Menschen gibt, die diesen Grundkonsens nicht teilen; maßgeblich ist, dass die ganz überwiegende Zahl der im jeweiligen Rechtsraum lebenden Menschen diesen Grundkonsens akzeptiert. Das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Ordnung steht selbstständig neben dem der öffentlichen Sicherheit; für ein Aufgehen der öffentlichen Ordnung in der öffentlichen Sicherheit gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Dagegen spricht bereits die gesetzliche Formulierung in § 13 SOG M-V, die in Kenntnis der wissenschaftlichen Diskussion und anders lautender landesrechtlicher Bestimmungen die öffentliche Ordnung in den Tatbestand der Norm aufgenommen hat.

32

Zur öffentlichen Ordnung, die im vorliegenden Fall durch das von der streitbefangenen Verfügung erfasste Plakat gestört worden ist, gehört der Gedanke des friedlichen Zusammenlebens der Völker in Europa. Dieses Grundverständnis konkretisiert sich in den Grenzregionen dahin, dass mit der jeweiligen Nachbarbevölkerung bewußt und gezielt ein vertrauensvolles Zusammenleben entwickelt, gefestigt und gelebt wird.

33

Eine Störung der öffentlichen Ordnung liegt nicht bereits dann vor, wenn eine Meinungsäußerung jenseits dieses Grundkonsenses liegt oder sie darauf gerichtet ist, diesen Grundkonsens zu ändern. Der Begriff der öffentlichen Ordnung ist keine Klausel, die es verhindern soll, dass sich die ungeschriebenen politischen, ethischen oder moralischen Anschauungen der Menschen im Laufe der Zeit ändern. Der Wandel von ungeschriebenen Verhaltensregeln kann nicht über das Ordnungsrecht verhindert werden. Zur Störung der öffentlichen Ordnung gehört eine erhebliche Intensität des Widerspruchs zu den allgemein akzeptierten ungeschriebenen grundlegenden Verhaltensregeln. Nicht erforderlich ist hingegen, dass dieser Widerspruch strafrechtlich von Bedeutung ist.

34

Meinungsäußerungen wie die sich aus dem Wahlplakat ergebende mit ihrer Verächtlichungmachung der Angehörigen der Nachbarbevölkerung verstoßen gegen diesen Gedanken des friedlichen Miteinanders in einer Intensität, die eine Störung der öffentlichen Ordnung deswegen darstellt, weil die Menschenwürde der von der Meinungsäußerung betroffenen Personengruppe verletzt wird.

35

Die Meinungsfreiheit kann nach Art. 5 Abs. 2 GG nur durch ein allgemeines Gesetz, Gesetze zum Schutze der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre begrenzt werden. Darunter fällt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht die öffentlichen Ordnung, selbst wenn sie in den Tatbestand einer Norm aufgenommen worden ist (BVerfG B. v. 19.12.2007 - 1 BvR 2793/04 -, NVwZ 2008, 671 unter Berufung auf BVerfGE 111, 147 <155 ff.> zu § 15 Abs. 1 VersG). Das Bundesverfassungsgericht hat hingegen einen Verstoß gegen die Menschenwürde ungeachtet der Möglichkeit seiner strafrechtlichen Ahndung als Schranke der Pressefreiheit angesehen (BVerfG B. v. 11.03.2003 - 1 BvR 426/02 -, BVerfGE 107, 275 [Schockwerbung]; dazu Bethge in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 5 Rn. 177). Angesichts der Gleichrangigkeit der Presse- und der Meinungsäußerungsfreiheit kann diese Rechtsprechung auch auf die Störung der öffentlichen Ordnung bei Verletzung der Menschenwürde durch einer entsprechenden Meinungsäußerung übertragen werden.

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Schließlich genügt die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung - gerade noch - den gesetzlichen Anforderungen. Mit Blick auf das angegriffene und verletzte Rechtsgut Menschenwürde und die durch den nahen Zeitablauf drohende Erledigung der Verfügung war es gerechtfertigt, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung höher zu bewerten als das private Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.