Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 13. Okt. 2016 - 4 LB 4/15

ECLI:ECLI:DE:OVGSH:2016:1013.4LB4.15.0A
bei uns veröffentlicht am13.10.2016

Tenor

Die Berufung des Klägers zu 2. gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 4. Kammer, Einzelrichterin – vom 5. August 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger zu 2. trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger zu 2. kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger zu 2. (im Folgenden: Kläger) begehrt die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis.

2

Bei den Eltern des Klägers handelt es sich ausweislich der von ihnen vorgelegten Geburtsurkunden um … A. (den Kläger zu 1.) und …. Sie stammen aus dem früheren … (heute …, Aserbaidschan) und sind armenische Volkszugehörige. Nach eigenen Angaben flohen sie wegen des ethnischen Konflikts zwischen Armeniern und Aserbaidschanern 1988 nach Moskau und von dort in das 150 km entfernte …. Eine Anmeldung in Russland sei nicht erfolgt, da Flüchtlinge aus Armenien unerwünscht gewesen seien. Der Kläger sei am 17. Oktober 1996 geboren worden.

3

Die Familie, zu der noch zwei weitere Kinder gehörten, reiste 1999 nach Deutschland ein. Der Asylantrag des Klägers blieb erfolglos. Für Frau … stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Jahr 2005 fest, dass hinsichtlich der Russischen Föderation das Abschiebungshindernis des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliege. Im Hinblick darauf erteilte die Ausländerbehörde dem Kläger am 10. Februar 2006 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Diese wurde bis zum 29. Februar 2008 verlängert. Am 26. Februar 2008 beantragte der Kläger eine weitere Verlängerung.

4

Im Jahr 2009 wandte sich die Beklagte an das Bundesamt mit der Bitte um Prüfung der Staatenlosigkeit. Die daraufhin veranlassten Ermittlungen der deutschen Botschaft in Baku führten zu dem Ergebnis, die von den Eltern vorgelegten Urkunden seien echt. Zu einigen Angaben über die Lebensumstände in … hätten sich im Vergleich zu Recherchen vor Ort Widersprüche ergeben. Es sei nicht möglich, Registerauszüge zu erhalten. Die aserbaidschanischen Behörden verweigerten dies, um eine mögliche Rückkehr ethnischer Armenier zu verhindern. Im Übrigen seien ethnische Armenier spätestens seit 1998 aus den entsprechenden Datenbanken gestrichen worden. Von den deutschen Botschaften in Eriwan und Moskau hätten Vorwürfe in anonymen Schreiben, die Eltern des Klägers besäßen Immobilien in Armenien bzw. Russland, nicht bestätigt werden können. In einer abschließenden Stellungnahme vom 23. August 2011 gelangte das Bundesamt zu der Einschätzung, es bestünden keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Eltern nicht aus Aserbaidschan stammten oder in Russland legalisiert Aufenthalt genommen hätten, bevor sie nach Deutschland ausgereist seien. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht bei der Klärung der Staatsangehörigkeit könne ihnen nicht vorgeworfen werden.

5

Am 21. Juni 2012 hat der Kläger Untätigkeitsklage mit dem Ziel erhoben, die Beklagte zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu verpflichten.

6

Mit Bescheid vom 10. Juli 2012 hat die Beklagte die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Kläger sei nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert. Seine Eltern hätten falsche Angaben gemacht, sie seien daher nicht die Personen, die sie behaupteten zu sein. Dies sei kausal für den weiteren Verbleib im Bundesgebiet. Das Verhalten der Eltern wirke auch für die minderjährigen Kinder. Außerdem sei der Lebensunterhalt nicht gesichert. Im Hinblick auf die gesetzliche Möglichkeit, von dieser Voraussetzung abzusehen, sei es ständige Verwaltungspraxis der Beklagten, Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen schon bei partieller Sicherung des Lebensunterhalts, ggf. sogar bei Nachweis stetiger intensiver Bemühungen zur Beschäftigungsaufnahme zu erteilen. Der Vater des Klägers bemühe sich nicht um Aufnahme einer Beschäftigung oder um den Erwerb von Sprachkenntnissen, er sei nicht ansatzweise integriert. Daher spreche überwiegendes dafür, nicht von der Sicherung des Lebensunterhalts abzusehen, um in einer Zeit stetig knapper werdender Mittel für die öffentlichen Haushalte eine Verringerung der erheblichen von dem Vater veranlassten Aufwendungen zu erreichen.

7

Der Kläger hat diesen Bescheid in das Klageverfahren einbezogen. Er hat vorgetragen, er habe im Sommer 2014 in Itzehoe seinen Hauptschulabschluss gemacht. Nach den Ferien werde er voraussichtlich auf die …Schule in A-Stadt gehen, um dort seinen Realschulabschluss zu machen.

8

Der Kläger hat beantragt,

9

die Beklagte unter Aufhebung seiner Verfügung vom 10. Juli 2012 zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

10

Die Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. August 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Ausreise des Klägers sei aus tatsächlichen Gründen unmöglich, weil für ihn keine Einreisedokumente eines aufnahmebereiten Staates vorlägen. Einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe jedoch die Tatsache entgegen, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt nicht aus eigener Anstrengung sichern könne, sondern von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz abhängig sei. Der Vater des Klägers habe keine Arbeit. Der Kläger gehe noch zur Schule. Seit 2010 bis zur mündlichen Verhandlung im Juli 2014 habe der Vater des Klägers weder Arbeitsaufnahmen vorgetragen noch nachgewiesen. Dem Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Absehen von der Anwendung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Lebensunterhaltssicherung habe die Beklagte dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass sie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Fall in Aussicht gestellt habe, dass der Vater des Klägers eine nicht nur vorübergehende Beschäftigung mit einem Verdienst von mindestens 400 Euro monatlich nachweise. Der Kläger habe darüber hinaus keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei gut integrierten Jugendlichen. Abgesehen davon, dass der Bevollmächtigte des Klägers den Antrag vor Erreichen des 15. Lebensjahres des Klägers gestellt habe, habe der Kläger das Erreichen des Hauptschulabschlusses und den beabsichtigten weiteren Schulbesuch mit dem Ziel des Erreichens des Realschulabschlusses der Beklagten bislang nicht angezeigt.

13

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers.

14

Der Kläger hat ab dem 29. August 2014 die Berufseingangsklasse der… Schule besucht. Zum 30. Januar 2015 ist er „wegen Fehlzeiten und Volljährigkeit“ ausgeschult worden. Laut Abgangszeugnis hat er 328 Stunden versäumt, davon 302 ohne Begründung. Einen allgemeinbildenden Abschluss oder eine berufliche Vorbildung hat er nicht erreicht. Die Fächernoten lauten auf einmal ausreichend, einmal mangelhaft und sechsmal ungenügend.

15

Der Vater des Klägers hat im Jahr 2015 weitere Urkunden bei der Beklagten eingereicht, unter anderem (erneut) einen sowjetischen Inlandspass.

16

Der Kläger trägt vor, er sei ohne sein Verschulden gehindert, sich in den Besitz eines Passes zu setzen und das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, da die Staatsangehörigkeit der Eltern ungeklärt sei. Im Übrigen lebe er inzwischen über einen sehr langen Zeitraum in Deutschland, sodass er als faktischer Inländer anzusehen sei. Diese Bewertung dränge sich insbesondere deswegen auf, weil seine Familie ausschließlich in Deutschland lebe und in Aserbaidschan keine familiären oder sozialen Kontakte bestünden. Der Beklagte habe kein Ermessen betätigt. Die Dauer des bisherigen Aufenthaltes müsse auch im Bereich der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen dazu führen, dass eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werde. Eine Aufenthaltsbeendigung nach Aserbaidschan werde ohnehin nicht erfolgen. Die aserbaidschanischen Behörden weigerten sich, armenisch-stämmigen Personen bei der Aufklärung ihrer Identität und gegebenenfalls bei der Beschaffung von Dokumenten aus Aserbaidschan behilflich zu sein. Die Aufenthaltserlaubnis könne nicht mit dem Argument versagt werden, öffentliche Kassen zu schonen, da der Kläger ohnehin in Deutschland bleibe. Zur Aufnahme einer Beschäftigung könne der Kläger ausreichend dadurch motiviert werden, dass ihm eine kurzfristige Aufenthaltserlaubnis erteilt werde. Der Duldungsstatus erschwere den Zugang zum Arbeitsmarkt. Im Übrigen sei die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts ein ausreichendes Motiv zur Arbeitssuche. Er werde in der auf die mündliche Verhandlung folgenden Woche einen Vertrag über die Ausbildung zum Anlagenmechaniker unterschreiben.

17

Der Kläger beantragt,

18

das auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juli 2014 am 5. August 2014 ergangene Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts abzuändern, soweit es den Berufungskläger betrifft, und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Verfügung vom 10. Juli 2012 zu verpflichten, dem Berufungskläger eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu erteilen.

19

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

21

Sie hält an dem angegriffenen Bescheid fest. Allerdings bestünden nunmehr überwiegende Gründe für die Annahme, dass hinsichtlich des Klägers keine falschen Angaben zur Identität gemacht worden seien, da der Vater Urkunden vorgelegt habe, die dessen Identität voraussichtlich belegten. Einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe jedoch derzeit die Tatsache entgegen, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt nicht – auch nicht anteilig – aus eigener Anstrengung sichere. Der Kläger lebe im Haushalt seiner Eltern und die Familie bestreite ihren Lebensunterhalt von öffentlichen Leistungen. Weder die Eltern noch der Kläger selbst gingen einer Beschäftigung nach.

22

Von der Anwendung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen werde auch unter Einbeziehung der aktuellen Sachlage nicht im Wege einer Ermessensentscheidung abgesehen. Bei einer nachträglichen Änderung der maßgeblichen Umstände habe die Behörde ihre Ermessensentscheidung zu ergänzen. Dies sei vorliegend im Hinblick die eingetretene Volljährigkeit und die Ausschulung des Klägers angezeigt. Über den langjährigen Aufenthalt, dementsprechend erworbene Sprachkenntnisse und die bestehenden familiären Beziehungen zu aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen hinaus seien für eine Aufenthaltslegalisierung sprechende Integrationsleistungen des Klägers nicht vorgetragen worden. Aus den Angaben der Schule sei zu schließen, dass der Kläger weder einen Schulabschluss erreicht habe noch in sonstiger Weise positive Schulleistungen zu verzeichnen seien. Vielmehr belegten sowohl die Ergebnisse als auch die Fehlzeiten eine fehlende schulische Integration des Klägers. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und damit die Sicherung des Lebensunterhaltes der Familie durch die Eltern des Klägers sei zukünftig nicht zu erwarten. Darüber hinaus bestünden derzeit auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger zukünftig in der Lage sein werde, zumindest seinen eigenen Bedarf durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu sichern. Die Belange des Klägers seien mit dem öffentlichen Interesse, am Erfordernis einer Sicherung des Lebensunterhaltes festzuhalten, abzuwägen. Dem Interesse an einer Schonung öffentlicher Mittel komme ein hohes Gewicht zu. Die auf Seiten des Klägers in die Abwägung einzustellenden Umstände überwögen dies nicht. Auch im Fall des Klägers trage die Beklagte dem Umstand der langjährigen Duldung sowie den familiären Belangen dadurch Rechnung, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht von einer vollständigen Sicherung des Lebensunterhaltes abhängig gemacht werde. Darüber hinaus würden stetige ernsthafte und umfangreiche eigene Bemühungen zur Aufnahme einer Beschäftigung in der Regel positiv gewertet. Im vorliegenden Fall sei jedoch weder die Aufnahme einer Beschäftigung durch den Kläger ersichtlich noch würden entsprechend intensive Bemühungen nachgewiesen. Gerade bei jungen Menschen sei es wichtig, sie mit der Aussicht auf einen besseren Aufenthaltsstatus zur Arbeitssuche zu motivieren. Dies habe schon häufig Erfolg gehabt. Der Duldungsstatus hindere den Kläger nicht daran, sich um Arbeit zu bemühen.

23

Auch die Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 AufenthG lägen nicht vor. Das Erreichen des Hauptschulabschlusses sei ebenso wie ein erfolgreicher sechsjähriger Schulbesuch nicht nachgewiesen worden. Schließlich fehle es an genügenden Anhaltspunkten für eine positive Integrationsprognose.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25

Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage des Klägers zu 2. ist unbegründet. Die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis leidet auch nicht unter einem Ermessensfehler (§§ 114, 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

26

1. Die Aufenthaltserlaubnis kann nicht nach § 25a Abs. 1 AufenthG erteilt werden. Gemäß § 25a Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der hier maßgeblichen Fassung zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2013 – 1 C 16/12 –, juris Rn. 14) setzt die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Ausländer im Bundesgebiet in der Regel vier Jahre erfolgreich eine Schule besucht oder einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat. Kriterien für einen erfolgreichen Schulbesuch sind die Regelmäßigkeit des Schulbesuchs sowie die Versetzung in die nächste Klassenstufe (BT-Drs. 17/5093 S. 15, 18/4097 S. 42; Wunderle, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, AufenthG § 25a Rn. 12; Burr, in: Fritz/Vormeier, GK-AufenthG, Stand 2016, § 25a Rn 15; Welte, Jurion-Onlinekommentar AufenthG, Stand 2016, § 25 Rn. 12 f.). Den von der Beklagten beigezogenen Unterlagen der Walther-Lehmkuhl-Schule ist nicht zu entnehmen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Vielmehr ergibt sich daraus, dass der Kläger entgegen seiner Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht keinen Hauptschulabschluss erreicht hat. Aus der Berufseingangsklasse wurde der Kläger schon nach wenigen Monaten u.a. wegen Fehlzeiten ausgeschult. Laut Schulbescheinigung wurde der Lehrgang ohne Erfolg beendet.

27

2. Eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AufenthG hat die Beklagte fehlerfrei abgelehnt.

28

a) Die besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm sind erfüllt. Danach soll einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer, dessen Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist, die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Ferner ist gemäß § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG erforderlich, dass der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist.

29

Bei der erstmaligen Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG im Jahr 2006 war die Abschiebung des vollziehbar ausreisepflichtigen Klägers seit mehr als 18 Monaten ausgesetzt.

30

Die Ausreise des Klägers ist aus tatsächlichen Gründen unmöglich. Er besitzt keinen Reisepass und hat auch nicht die Möglichkeit, sich einen solchen zu verschaffen, da weder die Russische Föderation noch die Republik Aserbaidschan ihn als ihren Staatsangehörigen ansehen. Das ergibt sich aus den vorliegenden Schreiben der dortigen Konsularbehörden. Das Bundesamt hält den Kläger nach entsprechenden Recherchen für staatenlos. Insofern ist auch damit zu rechnen, dass das Ausreisehindernis dauerhaft bestehen bleiben wird.

31

Der Kläger ist unverschuldet an der Ausreise gehindert. Er macht gegenwärtig keine falschen Angaben im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG. Zwar ist ein Ausreisehindernis auch dann vom Ausländer verschuldet, wenn es auf einem in der Vergangenheit liegenden Fehlverhalten beruht (BVerwG, Urteil vom 19. April 2011 – 1 C 3/10 –, juris Rn. 19 f.). Minderjährigen ist das Verhalten ihrer gesetzlichen Vertreter zuzurechnen (BVerwG, Beschluss vom 30. April 1997 – 1 B 74/97 –, juris Rn. 4; Urteil vom 26. Oktober 2010 – 1 C 18/09 –, juris Rn. 22). Ob die Eltern des Klägers vorwerfbar falsche Angaben gemachten haben, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls unterliegt die Identität des Klägers nach dem Gesamteindruck der beigebrachten Unterlagen und der weiteren Angaben der Eltern keinen vernünftigen Zweifeln, sodass etwaige Falschangaben für das Ausreisehindernis nicht ursächlich waren. Dies entspricht der Auffassung des Bundesamtes, der sich nunmehr auch die Beklagte angeschlossen hat. Die vorliegenden Urkunden sind echt, die Antworten bei der getrennten Anhörung im Asylverfahren detailliert und widerspruchsfrei, sie stimmen im Kern überein. Auch der Umstand, dass der Vater des Klägers nach Angaben der Dolmetscherin des Bundesamtes mit einem aserbaidschanischen Akzent spricht, zeigt, dass die Eltern nicht über ihre Herkunft getäuscht haben. Überdies belegt das Foto im sowjetischen Inlandspass die Identität des Vaters.

32

Gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG „soll“ die Aufenthaltserlaubnis bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen erteilt werden. Ein Grund für die Abweichung von dieser Regel ist nicht ersichtlich und wird von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.

33

b) Jedoch müssen bei einem Regelanspruch nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich erfüllt sein (BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 1 B 19/14 –, juris Rn. 6). Dies ist nicht durchgängig der Fall.

34

Jedenfalls die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist nicht zu bejahen. Der Lebensunterhalt des Klägers ist nicht gesichert, denn der Kläger kann ihn nicht ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten (§ 2 Abs. 3 AufenthG). Insofern liegt kein Ausnahmefall vor, der die Anwendung dieser im Regelfall geltenden Erteilungsvoraussetzung ausschließt. Ein Ausnahmefall besteht unter anderem dann, wenn der Schutz der Familie oder des Privatlebens (Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK) die Erteilung eines Aufenthaltstitels gebieten (BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 – 1 C 3/08 –, juris Rn. 17 und 20). Eine Rechtsverdichtung in diesem Sinne hat die Beklagte zutreffend verneint.

35

Die Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG begründen keinen Ausnahmefall. Die Mutter des mittlerweile volljährigen Klägers besitzt eine Aufenthaltserlaubnis. Auch die Bindungen zwischen Eltern und volljährigen Kindern unterfallen dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG. Ihnen darf in der grundrechtlich gebotenen Abwägung jedoch regelmäßig ein geringeres Gewicht beigemessen werden als im Verhältnis von Eltern zu minderjährigen Kindern. In Bezug auf Bindungen zu volljährigen Familienangehörigen gebieten es die Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG regelmäßig nicht, einwanderungspolitische Gründe oder sonstige öffentliche Belange, die gegen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sprechen, zurückzustellen. Weitergehende Schutzwirkungen aus Art. 6 Abs. 1 GG kommen nur ausnahmsweise in Betracht, wenn nämlich ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitglieds angewiesen ist (OVG Magdeburg, Beschluss vom 27. November 2014 – 2 B 98/14 –, juris Rn. 20). Derartiges ist nicht ersichtlich.

36

Aus Art. 8 EMRK ergibt sich kein weitergehender Schutz. Danach hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Bei jungen Erwachsenen, die nach Erreichen der Volljährigkeit weiterhin mit ihren Eltern in häuslicher Gemeinschaft leben, stellt ihre Beziehung zu den Eltern und anderen nahen Familienmitgliedern Familienleben in diesem Sinne dar (OVG Magdeburg, a.a.O. Rn. 23). Der Schutz auf Achtung des Privatlebens umfasst die Summe aller sonstigen familiären, persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (OVG Magdeburg, a.a.O. Rn. 26). Demzufolge ist der Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 EMRK sowohl hinsichtlich des Familien- als auch hinsichtlich des Privatlebens betroffen, da sich der Kläger seit seinem dritten Lebensjahr in Deutschland aufhält und nach wie vor bei seinen Eltern lebt. Der Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK erweist sich jedoch im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK als gerechtfertigt. Im Rahmen der Schrankenbestimmung des Art. 8 Abs. 2 EMRK ist das Interesse des Klägers an der Legalisierung seines Aufenthalts mit dem gegenläufigen öffentlichen Interesse, der Regelerteilungsvoraussetzung auch im Einzelfall Geltung zu verschaffen, abzuwägen. Diese Abwägung fällt zu Lasten des Klägers aus, da der Eingriff schon wegen seines geringen Gewichts nicht unverhältnismäßig ist. Die Gefahr einer Aufenthaltsbeendigung besteht für den Kläger nicht, da er auch bei einer Versagung der Aufenthaltserlaubnis nicht abgeschoben werden kann. Zudem stellt die in Rede stehende Erteilungsvoraussetzung kein unüberwindbares Hindernis dar. Dem Kläger ist zuzumuten, sich um Arbeit zu bemühen und auf diesem Wege zur Sicherung seines Lebensunterhalts beizutragen. Gründe, die dem entgegenstehen könnten, macht der Kläger nicht geltend. Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs wäre auch dann zu bejahen, wenn der Kläger ein „faktischer Inländer“ wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Über den langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet hinaus ist eine weitergehende wirtschaftliche oder soziale Integration nicht erkennbar. Der Kläger besitzt keinen Schulabschluss und übt keine Berufstätigkeit aus. Soziale Beziehungen, die über die Bindung an die mit ihm eingereisten Familienangehörigen hinausreichen, sind nicht bekannt.

37

c) Von der Anwendung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen kann gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abgesehen werden. Die Beklagte hat das ihr insofern eingeräumte Ermessen zu Lasten des Klägers ausgeübt. Dabei sind ihr keine Rechtsfehler unterlaufen (§ 114 VwGO).

38

Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Nachprüfung der Ermessensausübung ist die Berufungsverhandlung (BVerwG, Urteil vom 7. April 2009 – 1 C 17/08 –, juris Rn. 37). Der Beurteilung sind diejenigen Erwägungen zu Grunde zu legen, die von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgetragen worden sind. Zwar enthält bereits der Bescheid vom 10. Juli 2012 Ermessenserwägungen. Ändern sich – wie hier durch das Erreichen der Volljährigkeit – die für die Ermessensausübung erheblichen Tatsachen zwischen dem Erlass des Bescheides und dem Beurteilungszeitpunkt, muss der Behörde jedoch Gelegenheit gegeben werden, ihre Ermessenserwägungen entsprechend zu aktualisieren. Dies kann gemäß § 114 Satz 2 VwGO auch im laufenden Verfahren geschehen (BVerwG, Urteil vom 7. April 2009, a.a.O. Rn. 42).

39

Hiergegen kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, die Beklagte habe bei Erhebung der Untätigkeitsklage noch kein Ermessen ausgeübt. Die Ermessensbetätigung bei Erlass des Versagungsbescheides vom 10. Juli 2012 stellt sich nicht als unzulässiges Nachschieben von Gründen dar. Ein solches „Nachschieben“ liegt nur dann vor, wenn bereits ein Verwaltungsakt existiert und dafür nachträglich eine Begründung gegeben wird. Hier hingegen handelt es sich um die Begründung des zugleich erlassenen (ablehnenden) Verwaltungsaktes.

40

Bei der Entscheidung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG über ein Absehen von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen im Ermessenswege sind alle für und gegen eine Aufenthaltslegalisierung sprechenden Umstände umfassend zu würdigen. Dabei sind die bisherigen Integrationsleistungen des Ausländers und alle weiteren für eine Aufenthaltslegalisierung sprechenden Umstände zu berücksichtigen und zu gewichten. In die Abwägung sind auch die Gründe einzustellen, aufgrund derer die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen (BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2013 – 1 C 17/12 –, juris Rn. 31). Die Beklagte ist zutreffend von dem Normzweck des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ausgegangen. Dieser besteht darin, neue Belastungen für die öffentlichen Haushalte durch die Erteilung von Aufenthaltstiteln zu vermeiden. Bei der vorzunehmenden Abwägung hat die Beklagte die für die Aufenthaltslegalisierung sprechenden Bindungen des Klägers an das Inland berücksichtigt, diese jedoch nicht für so gewichtig gehalten, dass ein Überwiegen gegenüber der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhaltes als wichtigste Voraussetzung, der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu begegnen, festgestellt werden könne. Aus der Sicht der Beklagten ist entscheidend, dass der Kläger sich nicht um Arbeit bemüht. Die Orientierung an diesem ausschlaggebenden Argument lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Die Beklagte geht zutreffend davon aus, dass die Inaussichtstellung eines Aufenthaltstitels ein geeignetes Mittel ist, um den Kläger zu Eigenanstrengungen zu veranlassen, und dass der Duldungsstatus den Kläger nicht daran hindert, solche Bemühungen nachzuweisen.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

42

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


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Tatbestand 1 Die Klägerinnen, eine marokkanische Staatsangehörige und ihre Tochter, erstreben die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 13. Okt. 2016 - 4 LB 4/15.

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 22. Dez. 2017 - 4 MB 63/17

bei uns veröffentlicht am 22.12.2017

Tenor Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 1. Kammer - vom 23. August 2017 geändert und der Antragsgegnerin untersagt, den Antragsteller vor Ablauf von sechs Monaten ab Zugang

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine türkische Staatsangehörige, begehrt die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG.

2

Die 1973 geborene Klägerin war im Februar 2003 im Bundesgebiet aufgegriffen worden, ohne im Besitz eines Aufenthaltstitels zu sein. Sie wurde vom Beklagten am 6. Februar 2003 ausgewiesen und in die Türkei abgeschoben.

3

Im September 2004 heiratete sie in der Türkei einen deutschen Staatsangehörigen und erhielt nach Befristung der Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung im Januar 2006 ein Visum zum Ehegattennachzug. Nach ihrer Einreise beantragte sie bei der Ausländerbehörde in Berlin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Am 23. Mai 2006 gaben die Klägerin und ihr Ehemann bei der Ausländerbehörde schriftliche Erklärungen über das Bestehen einer auf Dauer angelegten ehelichen Lebensgemeinschaft ab und verpflichteten sich, der Ausländerbehörde jede Veränderung der ehelichen Gemeinschaft unverzüglich mitzuteilen. Daraufhin erhielt die Klägerin am gleichen Tag eine bis zum 22. Mai 2009 gültige Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug.

4

Im Mai 2009 teilte die Klägerin der Ausländerbehörde in Berlin mit, sie habe sich bereits im Februar 2007 von ihrem Ehemann getrennt und sei nach Hessen gezogen, wo sie seit November 2007 beschäftigt sei. Am 13. Mai 2009 meldete sie sich erstmalig mit Hauptwohnsitz in H. (Hessen) an und beantragte am 22. Juni 2009 beim Beklagten eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG. Beigefügt waren u.a. Lohnabrechnungen von November 2007 bis Juni 2009, in denen H. als Wohnort der Klägerin angegeben ist.

5

Das Bezirksamt Spandau von Berlin teilte dem Beklagten mit, der Ehemann der Klägerin habe sich seit 10. Juli 2007 aus der gemeinsamen Wohnung abgemeldet. Er habe zwei Kinder mit einer polnischen Staatsangehörigen, von denen das erste am 8. Januar 2007 geboren sei. Die Eheleute lebten seit 1. Februar 2007 getrennt, und die Klägerin habe seit Januar 2008 eine Lohnsteuerkarte mit der Steuerklasse I. Ihr Ehemann habe erklärt, dass er seit 1. Februar 2007 von seiner Ehefrau dauernd getrennt lebe.

6

Mit Bescheid vom 27. August 2009 lehnte der Beklagte die Ausstellung der beantragten Aufenthaltserlaubnis ab, setzte der Klägerin eine Ausreisefrist von drei Monaten und drohte ihr die Abschiebung in die Türkei an. Der Bescheid wurde darauf gestützt, dass der Aufenthalt der Klägerin nicht ordnungsgemäß im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 sei. Sie habe spätestens ab November 2007 ihren Lebensmittelpunkt und ihren Arbeitsplatz im Main-Taunus-Kreis gehabt. Sie sei ihren Meldepflichten nicht nachgekommen, um den Anschein aufrechtzuerhalten, weiterhin in der bisherigen Ehewohnung mit dem Ehemann zusammenzuleben.

7

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin mit Beschluss vom 9. Februar 2012 zurückgewiesen. Er hat seine Entscheidung damit begründet, dass eine Beschäftigung nur dann ordnungsgemäß im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 sei, wenn sie im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des Mitgliedstaates stehe. Beschäftigungszeiten aufgrund eines Aufenthaltstitels, der nur aufgrund einer Täuschung erteilt worden sei, seien nicht ordnungsgemäß. Es könne dahinstehen, ob das Unterlassen einer Mitteilung über die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft grundsätzlich dem Erwirken einer Aufenthaltserlaubnis durch Täuschung gleichzustellen sei. Jedenfalls in dem hier vorliegenden Fall verstieße es gegen Treu und Glauben, wenn die Klägerin Aufenthaltsrechte aus einer Erwerbstätigkeit herleiten könnte, die sie nur habe aufnehmen können, weil sie mehr als zwei Jahre ihrer Mitwirkungsverpflichtung nicht nachgekommen sei. Damit habe sie den Ausländerbehörden die Möglichkeit genommen, ihren Aufenthalt vorzeitig zu beenden. Es spreche einiges dafür, dass die Eheleute bereits bei Abgabe der Erklärungen am 23. Mai 2006 nicht in ehelicher Gemeinschaft gelebt hätten und die Erklärungen wahrheitswidrig nur abgegeben worden seien, um der Klägerin ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen. Das könne aber dahinstehen, da sich jedenfalls das weitere Verhalten der Klägerin als rechtsmissbräuchlich erweise.

8

Zwar ergebe sich die Pflicht zur Mitteilung der veränderten Lebensumstände nicht aus § 82 AufenthG. Die Klägerin habe sich aber am 23. Mai 2006 wirksam verpflichtet, der Ausländerbehörde unverzüglich jede Veränderung der ehelichen Lebensgemeinschaft (z.B. Trennung über einen längeren Zeitraum, Wohnungswechsel oder ähnliche Umstände) mitzuteilen. Die schriftliche Erklärung sei inhaltlich hinreichend bestimmt und lasse den Verpflichtungscharakter deutlich erkennen. Alternativ zu der die Klägerin weniger belastenden Erklärung hätte die Behörde die Möglichkeit gehabt, die Aufenthaltserlaubnis mit einer kürzeren Geltungsdauer zu erteilen oder den Aufenthaltstitel mit einer Nebenbestimmung zu versehen.

9

Der von ihr übernommenen Verpflichtung sei die Klägerin nicht nachgekommen. Sie habe selbst vorgetragen, bereits seit Juni 2007 in Hessen zu arbeiten. Sie habe sich erst unmittelbar vor Ablauf ihrer Aufenthaltserlaubnis in H. angemeldet und dabei zum ersten Mal angegeben, dauerhaft von ihrem Ehemann getrennt zu leben. Dieses Vorgehen sei offensichtlich von dem Willen getragen gewesen, die ihr zum Zweck der Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft erteilte Aufenthaltserlaubnis vollumfänglich auszunutzen, bevor sie der Ausländerbehörde die Änderung ihrer Lebensumstände mitgeteilt habe. Angesichts der Gesamtumstände des Falles sei das Unterlassen der entsprechenden Mitteilung der Abgabe unrichtiger Angaben vergleichbar.

10

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, es gebe keine gesetzliche Regelung, die einem Ausländer vorschreibe, ihm ungünstige Umstände der Ausländerbehörde unaufgefordert mitzuteilen. Eine Offenbarungspflicht habe auch nicht durch die von der Klägerin unterzeichnete Erklärung begründet werden können. Ohne gesetzliche Rechtsgrundlage sei diese von ihr abgegebene Erklärung wirkungslos. Der melderechtliche Verstoß der Klägerin lasse eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit zu, führe aber nicht zu einem Verlust ihres assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts. Damit sei die Beschäftigung der Klägerin ordnungsgemäß im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80.

11

Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Berufungsgerichts und führt aus, dass § 82 AufenthG durch § 26 Abs. 2 VwVfG ergänzt werde. Die Ausländerbehörde habe statt einer kürzeren Befristung eine Variante gewählt, die die Klägerin weniger belaste. Daher sei die Übertragung der Mitwirkungspflicht zumutbar. Die Klägerin habe den Behörden sämtliche Prüfungsmöglichkeiten genommen. Deshalb stehe ihr Verhalten einer Täuschung gleich.

12

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt und hält die Revision für unbegründet. § 82 Abs. 1 AufenthG schließe nicht das Recht der Ausländerbehörde aus, die Abgabe einer Verpflichtungserklärung zu verlangen. Durch die Vorschrift werde der allgemeine verfahrensrechtliche Untersuchungsgrundsatz zulasten des Ausländers erweitert und nicht eingeschränkt. Die Übernahme einer Offenbarungspflicht sei in gleicher Weise zulässig wie eine Nebenbestimmung und stelle für den Ausländer ein milderes Mittel dar, da er weniger häufig bei der Ausländerbehörde vorsprechen und seltener Gebühren für die Titelerteilung zahlen msse.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Die Begründung des Berufungsgerichts für die Annahme, die Beschäftigung der Klägerin sei nicht ordnungsgemäß im Sinne des Art. 6 ARB 1/80, verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar ist die Klägerin der von ihr wirksam übernommenen Verpflichtung nicht nachgekommen, der Ausländerbehörde unverzüglich jede Veränderung der ehelichen Lebensgemeinschaft mitzuteilen. Das Berufungsgericht hat es aber versäumt, die für einen Rechtsmissbrauch wegen Täuschung notwendigen tatsächlichen Feststellungen zum Täuschungsvorsatz der Klägerin zu treffen. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung vermag der Senat in der Sache weder positiv noch negativ abschließend zu entscheiden, so dass der Rechtsstreit gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.

14

1. Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, Urteil vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Rn. 10 = Buchholz 402.242 § 32 AufenthG Nr. 4). Nichts anderes gilt bei Verpflichtungsklagen auf Ausstellung einer (deklaratorischen) Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG zum Nachweis eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts (Urteil vom 19. April 2012 - BVerwG 1 C 10.11 - BVerwGE 143, 38 Rn. 11 = Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 60). Während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderungen sind vom Revisionsgericht allerdings zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es nunmehr anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.> = Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 15). Der revisionsgerichtlichen Beurteilung ist daher das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86) zugrunde zu legen. Hierdurch hat sich die Rechtslage hinsichtlich der im vorliegenden Fall einschlägigen Bestimmungen aber nicht geändert.

15

2. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 2 AufenthG wird einem Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht und der weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt, auf Antrag eine Aufenthaltserlaubnis ausgestellt. Nach Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich ARB Nr. 1/80 hat ein türkischer Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung das Recht, weiterhin eine unselbstständige Erwerbstätigkeit bei dem gleichen Arbeitgeber auszuüben. Türkische Staatsangehörige, die sich auf dieses Recht berufen wollen, müssen mithin drei Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen Arbeitnehmer sein, dem regulären Arbeitsmarkt im Aufnahmemitgliedstaat angehören und dort mindestens ein Jahr beim gleichen Arbeitgeber einer ordnungsgemäßen Beschäftigung nachgehen (Urteil vom 19. April 2012 a.a.O. Rn. 13 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Rs. C-14/09, Genc - Slg. 2010, I-00931 Rn. 16).

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3. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG abgelehnt hat, halten einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.

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Zwar ist die Klägerin zweifellos Arbeitnehmerin. Denn sie übt eine tatsächliche und echte Vollzeitbeschäftigung im Haushalt der Eheleute K. nach deren Weisung aus und erhält hierfür eine Vergütung. Sie gehört auch dem regulären Arbeitsmarkt in Deutschland an, denn sie hält sich legal im Aufnahmemitgliedstaat auf und geht hier einer legalen Beschäftigung nach (vgl. zu diesen Voraussetzungen Urteil vom 19. April 2012 a.a.O. Rn. 12 ff. m.w.N.). Aber die Begründung des Berufungsgerichts für seine Annahme, die Klägerin sei nicht ordnungsgemäß beschäftigt bzw. könne sich aus Treu und Glauben darauf nicht berufen, verletzt revisibles Recht.

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3.1 Eine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 setzt eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts voraus. Außerdem muss die Beschäftigung im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats stehen. Eine in diesem Sinne nur vorläufige Position kann sich zum einen aus verfahrensrechtlichen Vorschriften (etwa zu der Fiktionswirkung eines Antrags oder der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels) ergeben. Beschäftigungszeiten können folglich so lange nicht als ordnungsgemäß angesehen werden, wie nicht endgültig feststeht, dass dem Betroffenen während des fraglichen Zeitraums das Aufenthaltsrecht von Rechts wegen aus materiellen Gründen zustand (Urteil vom 19. September 2000 - BVerwG 1 C 13.00 - Buchholz 402.240 § 6 AuslG Nr. 15 = NVwZ 2001, 333; EuGH, Urteil vom 30. September 1997 - Rs. C-98/96, Ertanir - Slg. 1997, I-05179 Rn. 47 ff. m.w.N.). Zum anderen beruhen auch Beschäftigungszeiten, die ein türkischer Arbeitnehmer während der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis zurückgelegt hat, die ihm nur aufgrund einer Täuschung der Behörden erteilt worden ist, nicht auf einer gesicherten Rechtsposition. Sie sind vielmehr als nur aufgrund einer vorläufigen Position zurückgelegt zu betrachten, da dem Ausländer während dieser Zeiten von Rechts wegen kein Aufenthaltsrecht zustand (EuGH, Urteile vom 5. Juni 1997 - Rs. C-285/95, Kol - Slg. 1997, I-3069 Rn. 26 f.; vom 30. September 1997 - Rs. C-36/96, Günaydin - Slg. 1997, I-05143 = NVwZ 1999, 283 Rn. 45; vom 30. September 1997 - Rs. C-98/96, Ertanir - a.a.O. Rn. 51; vom 26. November 1998 - Rs. C-1/97, Birden - Slg. 1998, I-07747 Rn. 59; vom 11. Mai 2000 - Rs. C-37/98, Savas - Slg. I-2927 Rn. 61 f.; vom 29. September 2011 - Rs. C-187/10, Unal - NVwZ 2012, 31 Rn. 45 und vom 8. November 2012 - Rs. C-268/11, Gülbahace - NVwZ 2012, 1617 Rn. 50 f.).

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Der Senat hat bereits entschieden, dass ein türkischer Staatsangehöriger sich auch dann nicht auf ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht aus Art. 6 ARB 1/80 berufen kann, wenn er wegen der Täuschung der Ausländerbehörde nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden ist (Urteil vom 12. April 2005 - BVerwG 1 C 9.04 - BVerwGE 123, 190 <199 f.> = Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 43 mit Verweis auf das Urteil vom 17. Juni 1998 - BVerwG 1 C 27.96 - BVerwGE 107, 58 <71 ff.>). Denn der tragende Grund dafür, die aufenthaltsrechtliche Position des Betroffenen als nicht gefestigt sondern nur vorläufig anzusehen, ist der durch die Täuschung begründete, objektiv vorliegende materielle Mangel des von der Behörde erteilten Aufenthaltstitels, da dem Ausländer während dessen Laufzeit von Rechts wegen kein Aufenthaltsrecht zustand (EuGH, Urteile vom 5. Juni 1997 - Rs. C-285/95, Kol - a.a.O. Rn. 27; vom 11. Mai 2000 - Rs. C-37/98, Savas - a.a.O. Rn. 61 und vom 29. September 2011 - Rs. C-187/10, Unal - NVwZ 2012, 31 Rn. 45). Ebenso ist geklärt, dass es in Fällen einer durch Täuschung erwirkten Aufenthaltserlaubnis keiner Rücknahme des nationalen Aufenthaltstitels bedarf, um mit Blick auf Art. 6 ARB 1/80 von einer fehlenden ordnungsgemäßen Beschäftigung auszugehen (Urteil vom 12. April 2005 a.a.O. S. 200 f.). Diese Sichtweise, die für das Entstehen eines durch Art. 6 ARB 1/80 begründeten assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts allein auf das (fehlende) materielle Recht abstellt, wird auch in der systematischen Einordnung der Fallgruppe täuschungsbedingter Nichtentstehung eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts deutlich. In seinem Urteil vom 22. Dezember 2010 - Rs. C-303/08, Bozkurt - (Slg. 2010, I-13445 Rn. 47 ff.) hat der Gerichtshof seine o.g. Rechtsprechungslinie in den größeren systematischen Zusammenhang missbräuchlicher Berufung auf Normen des Unionsrechts gestellt. Für die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Erwerbs eines Aufenthaltsrechts kommt es aber weder auf eine strafrechtliche Sanktionierung des missbräuchlichen Verhaltens noch auf die rückwirkende Aufhebung des dadurch erwirkten nationalen Aufenthaltstitels an. Durchgreifende unionsrechtliche Zweifelsfragen wurden insoweit weder geltend gemacht noch sind solche für den Senat ersichtlich.

20

3.2 Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann sich die Klägerin wegen Rechtsmissbrauchs nicht auf eine ordnungsgemäße Beschäftigung berufen. Es verstieße gegen Treu und Glauben, wenn sie ein Aufenthaltsrecht aus einer Erwerbstätigkeit herleiten könnte, die sie nur habe aufnehmen können, weil sie mehr als zwei Jahre ihrer Mitwirkungsverpflichtung nicht nachgekommen sei. Diese Begründung verletzt revisibles Recht. Zwar ist der Verwaltungsgerichtshof zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin sich wirksam verpflichtet hat, der Ausländerbehörde unverzüglich jede Veränderung der ehelichen Lebensgemeinschaft mitzuteilen (3.2.1). Nach seinen Feststellungen hat die Klägerin diese Pflicht auch objektiv verletzt (3.2.2) und dadurch die Ausländerbehörde von der sofortigen Aufenthaltsbeendigung abgehalten (3.2.3). Das Berufungsgericht hat aber nicht - wie für eine Täuschung erforderlich - festgestellt, dass sich die Klägerin subjektiv vorwerfbar, d.h. dolos verhalten hat (3.2.4).

21

3.2.1 Die Klägerin hat sich wirksam verpflichtet, der Ausländerbehörde unverzüglich jede Veränderung der ehelichen Lebensgemeinschaft (z.B. Trennung über einen längeren Zeitraum, Wohnungswechsel oder ähnliche Umstände) mitzuteilen. Die schriftliche, von der Klägerin eigenhändig unterschriebene Erklärung vom 23. Mai 2006 ist inhaltlich klar und eindeutig gefasst, lässt den rechtlich verbindlichen Verpflichtungscharakter deutlich erkennen und erweist sich hinsichtlich der übernommenen Verpflichtung als hinreichend bestimmt.

22

Zwar ergibt sich - wie die Revision zu Recht einwendet - eine solche Offenbarungspflicht außerhalb eines laufenden Verwaltungsverfahrens weder aus § 82 AufenthG noch aus § 26 Abs. 2 VwVfG. Auch ist die Übernahme einer Offenbarungspflicht durch Willenserklärung gesetzlich nicht vorgesehen. Eine gesetzliche Rechtsgrundlage (Befugnisnorm) ist aber nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes nur für die einseitig hoheitliche Auferlegung von Pflichten durch die Verwaltung notwendig, nicht aber für deren Übernahme im Wege der Selbstverpflichtung des Betroffenen. Zudem steht der Inhalt der übernommenen Offenbarungspflicht im Einklang mit den Regelungen des Aufenthaltsgesetzes. Denn die übernommene Mitwirkungspflicht hätte - worauf der Vertreter des Bundesinteresses zutreffend hinweist - gemäß § 12 Abs. 2 AufenthG und § 36 VwVfG auch durch eine der Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug beigefügte Auflage rechtmäßig verfügt werden können (vgl. Urteil vom 16. Juni 2004 - BVerwG 1 C 20.03 - BVerwGE 121, 86 <90> = Buchholz 402.240 § 19 AuslG Nr. 10). Zwar ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Deutschen gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG als gebundene Entscheidung ausgestaltet, aber bei der Ersterteilung steht die Befristung über ein Jahr hinaus (§ 27 Abs. 4 Satz 4 AufenthG) im Auswahlermessen der Ausländerbehörde. Des Weiteren betrifft die Offenbarungspflicht entscheidungserhebliche Tatsachen aus der Sphäre der Klägerin (§ 27 Abs. 1 AufenthG), die der Ausländerbehörde nicht ohne Weiteres bekannt werden. Daher ist die Übernahme der Offenbarungspflicht auch aus Zumutbarkeitsgesichtspunkten mit Blick auf die Verantwortungssphären von Ausländer und Behörde legitim. Hätte die Ausländerbehörde die Verpflichtung der Klägerin, jede Veränderung der ehelichen Gemeinschaft unverzüglich mitzuteilen, im Wege einer Auflage zur Aufenthaltserlaubnis verfügt, wäre das mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben zur Ermessensausübung in § 36 Abs. 3 und § 40 VwVfG nicht zu beanstanden. Dann ist aber nicht ersichtlich, warum die entsprechende Selbstverpflichtung der Klägerin nicht wirksam sein sollte. Schließlich hätte die Ausländerbehörde alternativ auch die Aufenthaltserlaubnis kürzer als drei Jahre befristen können, um das Vorliegen oder den Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft in kürzeren Intervallen zu überprüfen. Insoweit erweist sich die von ihr gewählte Vorgehensweise nur als günstig für den betroffenen Ausländer, der weniger oft bei der Behörde vorsprechen muss und für den seltener Gebühren wegen der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis anfallen.

23

3.2.2 Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin diese Offenbarungspflicht objektiv verletzt. Denn sie hat der Ausländerbehörde nicht unverzüglich, sondern erst im Mai 2009 - kurz vor Ablauf ihrer Aufenthaltserlaubnis - mitgeteilt, dass sie sich bereits im Februar 2007 von ihrem Ehemann getrennt hat. Zudem hat sie sich im Mai 2009 erstmals in H. angemeldet.

24

3.2.3 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch festgestellt, dass die Verletzung der Offenbarungspflicht kausal war für die nicht früher erfolgte Aufenthaltsbeendigung der Klägerin und die ihr damit erst mögliche Aufnahme einer Beschäftigung. Denn er hat ausgeführt, dass es angesichts des nur kurzen Aufenthalts der Klägerin im Bundesgebiet bis zur Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft und des Fehlens besonderer Umstände zu erwarten gewesen wäre, dass die Ausländerbehörde das ihr durch § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG eingeräumte Ermessen dahingehend ausgeübt hätte, eine nachträgliche Befristung zu verfügen. Es kann dahinstehen, ob die Erwägungen des Berufungsgerichts zutreffen, dass eine (nicht von Anfang an rechtswidrige) Aufenthaltserlaubnis nicht gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nachträglich mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Trennung der Eheleute hätte befristet werden können (so aber Dienelt, in: Renner, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 7 AufenthG Rn. 43; OVG Bremen, Beschluss vom 2. Februar 2010 - 1 B 366/09 - InfAuslR 2010, 193 <195>). Aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 23. Mai 1995 - BVerwG 1 C 3.94 - BVerwGE 98, 298 <302 ff.>) ergibt sich das jedenfalls nicht.

25

3.2.4 Die angefochtene Entscheidung verletzt jedoch revisibles Recht, da der Verwaltungsgerichtshof von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten der Klägerin ausgegangen ist, ohne die für einen Rechtsmissbrauch infolge Täuschung notwendigen tatsächlichen Feststellungen zum Täuschungsvorsatz der Klägerin zu treffen. Seine Erwägungen in den Entscheidungsgründen, das Vorgehen der Klägerin sei "offensichtlich von dem Willen getragen, die ihr zum Zwecke der Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft erteilte Aufenthaltserlaubnis vollumfänglich auszunutzen" (BA S. 24 f.) und die Einschätzung, "dass die Klägerin offensichtlich keine Bedenken hat, falsche Angaben zu machen, wenn sie sich davon eine Verbesserung ihrer aufenthaltsrechtlichen Position verspricht ..." (BA S. 26), reichen dafür nicht aus. Vielmehr bedarf es der aufgrund ordnungsgemäßer Beweiswürdigung gewonnenen Überzeugungsgewissheit des Tatrichters, dass sich die Klägerin bewusst ihrer Verpflichtung zuwider verhalten hat.

26

Diese innere Tatsache ist auch entscheidungserheblich, denn allein ein objektiver Mangel des materiellen Aufenthaltsrechts, der nach nationalem Recht eine nachträgliche Befristung der erteilten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gerechtfertigt hätte, reicht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht aus, um einen Missbrauch unionsrechtlicher Rechte anzunehmen (Urteil vom 29. September 2011 - Rs. C-187/10, Unal - NVwZ 2012, 31 Rn. 48 ff.). Der Gerichtshof hat entschieden, dass Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats daran hindert, die Aufenthaltserlaubnis eines türkischen Staatsangehörigen rückwirkend auf den Zeitpunkt zu widerrufen, von dem an der im nationalen Recht vorgesehene Grund für ihre Erteilung nicht mehr besteht, wenn der Arbeitnehmer keine Täuschung begangen hat und der Widerruf nach Ablauf des in Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich genannten Zeitraums von einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung erfolgt. Diese Entscheidung macht deutlich, dass dem türkischen Arbeitnehmer in einer solchen Fallkonstellation ohne vorsätzliches Verhalten auch kein Rechtsmissbrauch entgegengehalten werden kann, wenn er das Ende der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht unverzüglich der Ausländerbehörde offenbart, obwohl er eine entsprechende Mitwirkungspflicht übernommen hat.

27

4. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts zur subjektiven Seite vermag der Senat in der Sache nicht abschließend zu entscheiden. Weder erweist sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) noch hätte das Begehren der Klägerin unabhängig vom Vorliegen dolosen Verhaltens Erfolg. Da sich die Klägerin gegenüber der Ausländerbehörde zur unverzüglichen Mitteilung verpflichtet hatte, entspräche - den Vorsatz zu ihren Lasten unterstellt - die unterlassene Offenlegung der Tatsache, dass die eheliche Lebensgemeinschaft beendet ist, in der Gewichtung einer aktiven Täuschung. Entgegen der Auffassung der Revision erweisen sich, wenn ein Ausländer eine entsprechende Offenbarungspflicht übernommen hat, bei wissentlichem und willentlichen Verschweigen der offenzulegenden Umstände Tun und Unterlassen unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs als gleichwertig (a.A. OVG Bremen, Beschluss vom 2. Februar 2010 a.a.O. S. 195). Daher hängt die Entscheidung des Falles von der Frage ab, ob die Klägerin die Trennung von ihrem Ehemann bewusst verschwiegen hat. Somit ist der Rechtsstreit gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt inzwischen nur noch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen.

2

Der 1958 geborene Kläger war früher pakistanischer Staatsangehöriger und ist inzwischen staatenlos. Er heiratete 1985 in Pakistan eine pakistanische Staatsangehörige, mit der er nach wie vor verheiratet ist und nach eigenen Angaben fünf gemeinsame Kinder hat. 1989 kam der Kläger - ohne seine Familie - nach Deutschland und stellte einen Asylantrag, den er zurücknahm, nachdem er 1990 eine deutsche Staatsangehörige geheiratet hatte. Im Hinblick auf diese Ehe erhielt er zunächst eine befristete Aufenthaltserlaubnis und 1993 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. 1996 wurde der Kläger eingebürgert, nachdem er auf seine pakistanische Staatsangehörigkeit verzichtet hatte. Wenige Monate später wurde seine Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen geschieden.

3

1997 beantragte die pakistanische Ehefrau des Klägers für sich und ihre Kinder ein Visum zum Nachzug zu ihrem Ehemann. Erst dadurch erhielten die deutschen Behörden Kenntnis von der Ehe in Pakistan. Daraufhin wurde die Einbürgerung des Klägers 1999 zurückgenommen. Seit Februar 2005 ist der Rücknahmebescheid bestandskräftig.

4

Im April 2005 beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Auf die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht auf den Hauptantrag des Klägers hin festgestellt, dass die dem Kläger 1993 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis seit Februar 2005, also seit Abschluss des Verfahrens um die Rücknahme der Einbürgerung, als Niederlassungserlaubnis fortgilt. Im Berufungsverfahren hat der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten gegen den stattgebenden Feststellungsausspruch zurückzuweisen, hilfsweise den Beklagten zur (Neu-)Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu verpflichten.

5

Der Verwaltungsgerichtshof hat der Berufung des Beklagten hinsichtlich des Hauptantrages stattgegeben und die Klage auf Feststellung der Fortgeltung des alten Aufenthaltstitels abgewiesen. Auf den Hilfsantrag des Klägers hin hat er den Beklagten verpflichtet, über den Antrag auf (Neu-)Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Hinsichtlich des weitergehenden Hilfsantrags auf Verpflichtung zur Erteilung hat er die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG seien gegeben. Der Kläger sei seit Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vollziehbar ausreisepflichtig. Seine Ausreise sei allerdings auf unabsehbare Zeit tatsächlich unmöglich, da er staatenlos sei und die Ausstellung eines pakistanischen Passes nicht in Betracht komme. Er sei auch unverschuldet an der Ausreise gehindert. Es spreche viel dafür, dass es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankomme, ob das Ausreisehindernis schuldhaft geschaffen worden sei, da die Vorschrift ihrem Wortlaut nach an ein aktuelles Verhalten anknüpfe. Selbst wenn ein "Vorverschulden" zu berücksichtigen wäre, könnte dem Kläger das Bestehen des Ausreisehindernisses gleichwohl nicht angelastet werden. Zwar werfe der Beklagte dem Kläger zu Recht vor, dass er im Zusammenhang mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Jahre 1990 sowie im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens im Jahre 1994 falsche Angaben über seinen Familienstand gemacht habe. Aus dem Gesamtzusammenhang der Regelbeispiele des § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG wie auch der Gesamtregelung des § 25 Abs. 5 AufenthG folge jedoch, dass sich die fehlerhaften Angaben auf die Ausreisehindernisse beziehen müssten, die die Ausreise unmöglich machten. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da das bestehende Ausreisehindernis der Passlosigkeit des Klägers nicht etwa darauf beruhe, dass der Kläger insoweit falsche Angaben gemacht habe, sondern vielmehr darauf zurückzuführen sei, dass er aufgrund seiner Einbürgerung die pakistanische Staatsangehörigkeit verloren habe und eine Wiedereinbürgerung nach den einschlägigen pakistanischen Gesetzen nicht möglich sei. Die falschen Angaben des Klägers seien daher ursächlich für die Rücknahme der Einbürgerung, nicht jedoch für die Unmöglichkeit der Ausreise.

6

Der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG könne dem Kläger nicht entgegengehalten werden. Ein Ausweisungsgrund liege nicht vor. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Vorlage gefälschter Urkunden sei wegen Geringfügigkeit eingestellt worden. Ob der Lebensunterhalt des Klägers gesichert sei (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG), lasse sich den Akten nicht entnehmen. Der Kläger sei seit einigen Jahren selbstständig im Reisegewerbe tätig und beziehe hieraus sein Einkommen. Ob dieses Einkommen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreiche, müsse vom Beklagten im Rahmen der Neubescheidung geprüft werden. Dabei sei auch § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in den Blick zu nehmen.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision zugelassen. Er hat hierzu ausgeführt, Gründe für die Zulassung der Revision lägen "insoweit vor, als eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Frage, ob ein infolge einer Einbürgerung erloschener Aufenthaltstitel nach einer Rücknahme der Einbürgerung wiederauflebt, noch aussteht."

8

Revision hat lediglich der Beklagte eingelegt. Er wehrt sich gegen die auf den Hilfsantrag des Klägers ausgesprochene Verpflichtung zur Neubescheidung und macht geltend, die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG lägen nicht vor.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG mit einer Begründung bejaht, die revisionsgerichtlicher Prüfung nicht standhält. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen im Berufungsurteil kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Das Verfahren ist daher an den Verwaltungsgerichtshof zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

10

1. Die Revision des Beklagten ist zulässig.

11

Das Berufungsgericht hat die Revision nicht nur hinsichtlich des Hauptantrages, sondern unbeschränkt und damit auch hinsichtlich des Hilfsantrages zugelassen. Weder der Urteilsformel noch der Rechtsmittelbelehrung ist ein Anhalt dafür zu entnehmen, dass das Berufungsgericht die Revision lediglich hinsichtlich des Hauptantrages zulassen wollte. Dessen ungeachtet wäre gleichwohl von einer derartigen Beschränkung auszugehen, wenn sie sich aus der Begründung für die Zulassung der Revision eindeutig ergeben würde. Es entspricht - auf der Grundlage des hier geltenden Prozessrechts - allgemeiner Auffassung, dass die Frage, ob eine Revision beschränkt oder unbeschränkt zugelassen worden ist, gegebenenfalls durch Auslegung aller maßgebenden Umstände, insbesondere der Zulassungsbegründung zu ermitteln ist. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsmittelklarheit kann aber nur dann von einer beschränkten Zulassung ausgegangen werden, wenn sich dies bei der Auslegung eindeutig ergibt (vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. November 2009 - 1 BvR 2298/09 -; BVerwG, Urteil vom 10. September 1992 - BVerwG 5 C 80.88 - Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 6; jeweils m.w.N.).

12

Im Entscheidungsfall lässt sich dem Berufungsurteil nicht eindeutig entnehmen, dass das Berufungsgericht die Revision hinsichtlich des Hilfsantrages nicht zulassen wollte. Die vom Berufungsgericht in der Zulassungsbegründung angesprochene "Frage, ob ein infolge einer Einbürgerung erloschener Aufenthaltstitel nach einer Rücknahme der Einbürgerung wieder auflebt", hat nicht nur für den Hauptantrag auf Feststellung der Fortgeltung des alten Aufenthaltstitels Bedeutung, sondern - als Vorfrage - auch für den Hilfsantrag auf Verpflichtung zur (Neu-)Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

13

2. Der Hauptantrag des Klägers ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Da lediglich der Beklagte Revision eingelegt hat, ist die für den Kläger nachteilige Entscheidung des Berufungsgerichts hinsichtlich seines auf Feststellung der Fortgeltung des alten Aufenthaltstitels gerichteten Hauptantrages rechtskräftig geworden. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur der Hilfsantrag des Klägers bezüglich der Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis, und zwar beschränkt auf die vom Berufungsgericht ausgesprochene Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung. Den weitergehenden Antrag des Klägers auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat das Berufungsgericht abgewiesen. Diese Teilabweisung ist, da der Kläger keine Revision eingelegt hat, rechtskräftig geworden.

14

3. Die Revision des Beklagten ist begründet. Das Berufungsgericht hat bereits die allgemeinen Voraussetzungen des § 5 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in einer Weise beurteilt, die Bundesrecht verletzt.

15

So hätte das Berufungsgericht nicht offenlassen dürfen, ob der Lebensunterhalt des Klägers gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Das Tatsachengericht ist gehalten, die Sache spruchreif zu machen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es kann sich nicht, wie es das Berufungsgericht getan hat, darauf beschränken, den Akteninhalt auszuwerten (UA S. 13 f.). Gegebenenfalls muss es eigene Ermittlungen anstellen und kann dies nicht der Behörde im Rahmen der Neubescheidung überantworten (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 23. Oktober 2003 - BVerwG 1 B 80.03 - Buchholz 310 § 113 Abs. 5 VwGO Nr. 5 m.w.N.). Dies gilt auch insoweit, als die Ausländerbehörde - bei fehlender Sicherung des Lebensunterhalts - gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ermächtigt ist, im Ermessenswege von diesem Erfordernis abzusehen. Hier hätte das Berufungsgericht gegebenenfalls prüfen müssen, ob nicht angesichts der Tatsache, dass der Kläger die deutschen Behörden über Jahre massiv getäuscht hat, das behördliche Ermessen zu Lasten des Klägers auf Null reduziert ist.

16

Auch die Annahme des Berufungsgerichts, gegen den Kläger liege kein Ausweisungsgrund vor (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG), hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Diese Annahme ist, soweit das Berufungsgericht sich dabei auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 2004 bezieht (UA S. 13), auf eine zu schmale Tatsachengrundlage gestützt und wird daher den Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung nicht gerecht (§ 108 Abs. 1 VwGO). Das Ermittlungsverfahren betraf den Vorwurf der Urkundenfälschung (§ 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Der Kläger hatte im Klageverfahren gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung Dokumente vorgelegt, die belegen sollten, dass er sich vor seiner Heirat in Deutschland von seiner pakistanischen Ehefrau hatte scheiden lassen, deshalb keine Doppelehe geführt und daher keine falschen Angaben in diesem Zusammenhang gemacht hatte. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in dem Rücknahmeverfahren durch Sachverständigengutachten, durch Recherchen des Vertrauensanwalts der Deutschen Botschaft in Pakistan sowie durch eine eingehende, förmliche Vernehmung des Klägers festgestellt, dass die Dokumente gefälscht waren (Urteil vom 22. Juni 2004 - VGH 12 UE 2792/02 - UA S. 11 f.; auf dieses Urteil und die beigezogene entsprechende Gerichtsakte hat das Berufungsgericht Bezug genommen). Bei dieser Sachlage hätte sich das Berufungsgericht nicht darauf beschränken dürfen, sich ohne eigene Bewertung auf die nicht näher begründete Einschätzung der Staatsanwaltschaft zu beziehen, zumal die Straftat des Klägers unmittelbaren aufenthaltsrechtlichen Bezug hat.

17

4. Auch bei den speziellen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG hat das Berufungsgericht auf zu schmaler Tatsachengrundlage angenommen, dass die Ausreise des Klägers nach Pakistan unmöglich sei.

18

Es trifft zwar zu, dass der Kläger nicht in der Lage ist, ohne ein Reisedokument nach Pakistan auszureisen. Es mag auch zutreffen, dass der Kläger, der die pakistanische Staatsangehörigkeit aufgegeben hat, nicht mehr mit der Ausstellung eines pakistanischen Reisedokuments rechnen kann (UA S. 10). Das Berufungsgericht hat aber nicht geprüft, ob der Kläger nicht mit einem deutschen Reisedokument ausreisen könnte. Ausweislich der Akten und nach dem vom Kläger nicht bestrittenen Vorbringen des Beklagten ist der Kläger in den vergangenen Jahren mehrfach nach Pakistan ausgereist und hat sich dort zum Teil offenbar längere Zeit aufgehalten. Hierfür hat ihm der Beklagte jeweils einen befristeten Reiseausweis ausgestellt. Auch für eine endgültige Ausreise aus dem Bundesgebiet kommt die Ausstellung eines Reiseausweises durch den Beklagten in Betracht (§ 6 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 5 AufenthV). Für einen Aufenthalt des Klägers in Pakistan, wo nach wie vor seine Familie lebt, ist nach den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen die Erteilung einer sogenannten "Pakistan Origin Card" denkbar.

19

5. Sollte es noch darauf ankommen, wird das Berufungsgericht auch die Frage, ob der Kläger im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG unverschuldet an der Ausreise gehindert ist, rechtlich neu zu beurteilen haben. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe die Unmöglichkeit seiner Ausreise nicht zu vertreten, greift zu kurz. Das Berufungsgericht sieht allein in der Passlosigkeit des Klägers den maßgeblichen Umstand, der das Ausreisehindernis darstelle. Diese Passlosigkeit beruhe jedoch nicht auf den falschen Angaben, die der Beklagte dem Kläger zu Recht vorhalte (UA S. 11). Mit dieser Sichtweise verfehlt das Berufungsgericht die Frage des Verschuldens im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG. Der Kläger hat sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts und ausweislich der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Akten des Beklagten den Aufenthalt in Deutschland von Anfang an durch falsche Angaben erschlichen und durch Täuschung sowohl bei der Einbürgerung als auch bei der Rücknahme der Einbürgerung weiter über Jahre gesichert. Ohne die falschen Angaben und ohne die Täuschung hätte er keine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Er wäre nicht eingebürgert worden und hätte keine Veranlassung gehabt, auf seine pakistanische Staatsangehörigkeit zu verzichten. Dieser Umstand ist vom Kläger zu vertreten. Er kann in dem Gesamtzusammenhang, der bei der Beurteilung des § 25 Abs. 5 AufenthG in den Blick zu nehmen ist, nicht unberücksichtigt bleiben. Es widerspricht Sinn und Zweck einer humanitären Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG, einen Ausländer, der sich - wie der Kläger - den Aufenthalt in Deutschland von vornherein erschlichen und durch Täuschung weiter langfristig gesichert hat, dadurch zu privilegieren, dass man nach Aufdeckung der Täuschung seinen Aufenthalt erneut legalisiert und ihm damit die Perspektive eines Daueraufenthalts und gegebenenfalls einer erneuten Einbürgerung eröffnet.

20

Dieser vom Kläger zu vertretende Umstand bleibt, auch wenn seine Anfänge Jahre zurückliegen, für die Beurteilung des Verschuldens im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG beachtlich, solange das Ausreisehindernis darauf beruht. Da ist dann nicht mehr der Fall, wenn dieser Umstand durch andere Ursachen für ein Ausreisehindernis - in der Art einer überholenden Kausalität - überlagert wird, die der Kläger nicht zu vertreten hat. Dies bedarf anlässlich des Entscheidungsfalles keiner weiteren Erörterung, zumal vorliegend nichts für eine derart überholende Kausalität ersichtlich ist.

21

Im Übrigen erscheint es auch als fraglich, ob der Kläger alles ihm Zumutbare unternommen hat, um das Ausreisehindernis zu überwinden ("Pakistan Origin Card", deutsches Reisedokument). Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls beide angesprochenen Komplexe näher zu untersuchen haben.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen, eine marokkanische Staatsangehörige und ihre Tochter, erstreben die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen.

2

Die nach eigenen Angaben 1968 in Casablanca geborene Klägerin zu 1 reiste im Mai 2000 in das Bundesgebiet ein; die Klägerin zu 2 wurde hier am 31. Mai 2000 geboren. Die Klägerinnen beantragten Asyl, weil sie Repressalien seitens ihrer Familie befürchteten. Die ledige Klägerin zu 1 gab an, wegen ihrer Schwangerschaft von ihrem Stiefvater und ihren Brüdern geschlagen worden zu sein. Von den marokkanischen Behörden habe sie keine Hilfe erhalten. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - lehnte den Asylantrag mit Bescheid vom 25. August 2000 ab. Im Anschluss an das erfolglose Klageverfahren wurde der weitere Aufenthalt der Klägerinnen geduldet.

3

Den am 3. März 2004 gestellten Asylfolgeantrag lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 15. März 2004 ab. Die auf Feststellung von Abschiebungshindernissen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 18. November 2005 ab; der Antrag auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg. Auch ein weiterer Asylfolgeantrag vom März 2006 blieb erfolglos.

4

Noch während des laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hatte der Beklagte die Klägerin zu 1 erstmals aufgefordert, ein Formular zur Beantragung von Passersatzpapieren auszufüllen. Das lehnte die Klägerin sowohl zu diesem Zeitpunkt als auch später ab.

5

Am 5. Februar 2007 beantragten die Klägerinnen beim Beklagten die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aufgrund der Bleiberechtsregelung des IMK-Beschlusses vom 17. November 2006. Der Beklagte lehnte die Anträge mit Bescheid vom 15. August 2007 ab, da die Klägerinnen Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert und behindert hätten. Die Klägerin zu 1 habe das ihr mehrfach vorgelegte Antragsformular auf Erteilung eines marokkanischen Passersatzpapiers nicht ausgefüllt. Trotz entsprechender Aufforderung habe sie auch keine Identitätsnachweise aus Marokko vorgelegt. Den Widerspruch wies die Bezirksregierung mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2007 zurück.

6

Das Verwaltungsgericht wies die Klagen mit Urteil vom 28. Oktober 2008 ab. Die Berufungen der Klägerinnen hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 19. August 2009 zurückgewiesen. Es hat seine Entscheidung auf folgende Erwägungen gestützt:

7

Die Klägerinnen hätten keinen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 104a Abs. 1 AufenthG, denn sie hätten den Ausschlussgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG verwirklicht. Der Wortlaut dieser Vorschrift erfasse auch ein Verhalten, das sich in der Verletzung von Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung erschöpfe. Außer Betracht blieben nur gering gewichtige Pflichtverletzungen, wenn z.B. der Ausländer seinen Verpflichtungen später nachgekommen sei oder die Ausländerbehörde es versäumt habe, diese zu konkretisieren. Daran gemessen hätten die Klägerinnen ihre Mitwirkungspflichten nachhaltig und andauernd verletzt; das Verhalten der Klägerin zu 1 sei ihrer minderjährigen und von ihr vertretenen Tochter zuzurechnen. Die dagegen gerichteten Einwände der Klägerinnen griffen nicht durch. Die Klägerin zu 1 brauche keinen Pass ausgestellt zu bekommen, sondern könne zur Beschaffung von Identitätsnachweisen wie z.B. einer Abschrift ihrer Geburtsurkunde etc. einen Rechtsanwalt einschalten. Sie habe aber keinerlei Bemühungen in dieser Richtung entfaltet. Unerheblich sei, ob dem Beklagten alle für die Passbeantragung notwendigen Angaben bekannt seien. Jedenfalls fehle weiterhin die Unterschrift der Klägerin auf dem Antragsformular. Aufgrund der von ihr angeführten Bemühungen des Caritasverbands hätte nicht ernsthaft mit der Ausstellung von Personalpapieren gerechnet werden können, denn in dem Schreiben vom 29. Mai 2007 seien nicht einmal die Namen der Klägerinnen genannt worden. Die Motive der Klägerinnen minderten das Gewicht ihres Verhaltens nicht, denn ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer dürfe seine Mitwirkung nicht unter Berufung auf zielstaatsbezogene Umstände verweigern, hinsichtlich derer das Bundesamt das Vorliegen eines Abschiebungsverbots verneint habe. Für die notwendige Kausalität reiche es aus, wenn keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass trotz ordnungsgemäßer Mitwirkung eine Aufenthaltsbeendigung unmöglich gewesen wäre. Nicht erforderlich seien Konsequenzen für bereits eingeleitete aufenthaltsbeendende Maßnahmen. Der Ausschlussgrund greife trotz der geäußerten Bedenken an der marokkanischen Staatsangehörigkeit der Klägerin zu 2. Es sei davon auszugehen, dass sie diese bereits mit Geburt gemäß Art. 6 des marokkanischen Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1958 erworben habe. Andernfalls wäre sie inzwischen, seit Inkrafttreten der Neufassung des Gesetzes aus dem Jahre 2007, marokkanische Staatsangehörige.

8

Wegen ihrer beharrlichen Weigerung, an der Passbeschaffung mitzuwirken, hätten die Klägerinnen auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. der Bleiberechtsanordnung. Insofern könne dahinstehen, ob die Bleiberechtsanordnung aus dem Jahr 2006 noch anwendbar sei. Schließlich stehe den Klägerinnen auch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu. Zwar könnten sie gegenwärtig ohne Pass oder Passersatzpapier nicht freiwillig nach Marokko ausreisen. Bei ernsthafter Mitwirkung der Klägerin zu 1 sei jedoch mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit zu rechnen, sodass sie nicht unverschuldet an ihrer freiwilligen Ausreise gehindert seien. Der Klägerin zu 2 sei auch kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK zu erteilen. Eine rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise und Abschiebung im Hinblick auf den Schutz ihre Privatlebens könne jedenfalls für ausländische Kinder, die in Haushaltsgemeinschaft mit ihren in Deutschland geduldeten Eltern lebten, nicht allein aus ihrem langjährigen Aufenthalt in Deutschland und ihrer Integration in die hiesigen Verhältnisse abgeleitet werden.

9

Hiergegen richten sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revisionen der Klägerinnen.

Entscheidungsgründe

10

Der Senat konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters des Beklagten verhandeln und entscheiden, weil dieser in der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).

11

Die zulässigen Revisionen der Klägerinnen sind unbegründet. Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerinnen auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen in Übereinstimmung mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abgelehnt. Ihrem Begehren steht mit Blick auf die Anspruchsgrundlagen sowohl des § 104a AufenthG (1.) als auch des § 25 Abs. 5 AufenthG (2.) entgegen, dass die Klägerin zu 1 die gebotene und zumutbare Mitwirkung an der Beschaffung von Passersatzpapieren verweigert hat.

12

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerinnen keinen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 104a Abs. 1 AufenthG haben, da sie den in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 2 der Vorschrift enthaltenen Versagungstatbestand erfüllen. Danach ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage der gesetzlichen Altfallregelung nur möglich, wenn der Ausländer behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht vorsätzlich hinausgezögert oder behindert hat.

13

a) § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG setzt voraus, dass die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtmäßig ist. Das ist hier der Fall. Sämtliche Asylanträge der Klägerinnen hatten keinen Erfolg. Hat das Bundesamt festgestellt, dass zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote gemäß § 60 AufenthG nicht bestehen, ist sowohl die Ausländerbehörde im Aufenthaltserlaubnisverfahren wie auch das Gericht in einem sich daran anschließenden Prozess an diese Entscheidung gebunden (§ 42 Satz 1 AsylVfG; vgl. dazu Urteil vom 27. Juni 2006 - BVerwG 1 C 14.05 - BVerwGE 126, 192 Rn. 12 und 17). Die Verwaltungsgerichte haben gegenüber den Klägerinnen mehrfach rechtskräftig festgestellt, dass ihrer Abschiebung nach Marokko keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote entgegenstehen. Daher kann ihr Vorbringen, die Gefahr einer geschlechtsspezifischen Verfolgung sei bislang nicht geprüft worden, ihrem Begehren nicht zum Erfolg verhelfen.

14

Das Berufungsgericht hat auch zu Recht entschieden, dass keine inlandsbezogenen Abschiebungsverbote vorliegen. Entgegen dem Vorbringen der Revision lässt sich im vorliegenden Fall aus Art. 2 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK kein Abschiebungsverbot zugunsten der Klägerin zu 2 ableiten. Das von diesen Bestimmungen u.a. geschützte Recht auf Achtung des Privatlebens umfasst, auch soweit es keinen familiären Bezug hat, die Summe der persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen - angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen - bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (Urteil vom 27. Januar 2009 - BVerwG 1 C 40.07 - BVerwGE 133, 72 Rn. 21; BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Mai 2007 - 2 BvR 304/07 - NVwZ 2007, 946 <947>; EGMR, Urteil vom 23. Juni 2008 - 1638/03 - Maslov - InfAuslR 2008, 333). Ein Privatleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK, das den Schutzbereich der Vorschrift eröffnet und eine Verwurzelung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte begründet, kommt grundsätzlich nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines schutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht (Urteil vom 30. April 2009 - BVerwG 1 C 3.08 - NVwZ 2009, 1239 Rn. 20; offengelassen in: EGMR, Urteile vom 16. September 2004 - 11103/03 - Ghiban - NVwZ 2005, 1046 und vom 8. April 2008 - 21878/06 - Nnyanzi - ZAR 2010, 189 <190 f.>). Da der Klägerin zu 2 - wie ihrer Mutter - ausschließlich asylverfahrensrechtliche Aufenthaltsgestattungen und Duldungen erteilt worden sind, wurde ihr zu keiner Zeit ein Aufenthaltsrecht eingeräumt, das ein berechtigtes Vertrauen auf Fortbestand hätte begründen können. Der Beklagte hat den Klägerinnen nie eine Verfestigung ihres Aufenthalts in Aussicht gestellt; vielmehr hat er seit Abschluss des ersten Asylverfahrens konsequent auf die Beendigung ihres Aufenthalts hingewirkt.

15

Selbst wenn man zugunsten der Klägerin zu 2 unterstellt, dass die Beendigung des Aufenthalts in ihre Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK eingreifen würde, wäre der Eingriff gerechtfertigt (Art. 8 Abs. 2 EMRK). Die Aufenthaltsbeendigung der Klägerin zu 2 steht in Einklang mit geltendem Recht und dient einem legitimen Ziel, nämlich der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Sie erweist sich mit Blick darauf als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" und verhältnismäßig. Zwar ist die im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts neun Jahre alte Klägerin zu 2 in Deutschland geboren und hier aufgewachsen. Aber auch wenn die Jahre der Kindheit die Persönlichkeit in besonderer Weise prägen, kann in diesem Alter angesichts des fortschreitenden Sozialisationsprozesses noch nicht von einer irreversiblen Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse ausgegangen werden. Insoweit räumt die Revision selbst ein, dass die Klägerin zu 2 rudimentär arabisch spricht; zudem lässt sich in ihrem Alter Sprachkompetenz gut erwerben. Im Rahmen der Abwägung ist außerdem zu berücksichtigen, dass bei Minderjährigen das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern im Vordergrund steht. Die von Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Beziehung zwischen Eltern und Kindern führt dazu, dass Kinder in der familiären Gemeinschaft grundsätzlich das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Erziehungsberechtigten teilen. In aller Regel - und so auch hier - erscheint es selbst einem in Deutschland geborenen ausländischen Kind zumutbar, nach mehrjährigem asylverfahrensbedingtem Aufenthalt das Land zusammen mit seinen Eltern bzw. einem Elternteil wieder zu verlassen und sich in dem Land seiner Staatsangehörigkeit zu integrieren. Dabei kann im vorliegenden Fall nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Verzögerung der Aufenthaltsbeendigung auf der mangelnden Mitwirkung der Klägerin zu 1 bei der Passbeschaffung beruht; dieses Verhalten ihrer Mutter als ihrer gesetzlichen Vertreterin muss sich die Klägerin zu 2 zurechnen lassen.

16

b) Der objektive Tatbestand des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG knüpft an aufenthaltsbeendende Maßnahmen an. Entgegen der Auffassung der Revision setzt die Vorschrift nicht voraus, dass eine behördliche Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung bereits konkret eingeleitet worden war (so aber Fränkel, in: HK-AuslR, § 104a AufenthG Rn. 13). Andernfalls würde dieser Ausschlussgrund in besonders qualifizierten Fällen, wenn der ausreisepflichtige Ausländer z.B. noch vor der Möglichkeit einer Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen untergetaucht ist, nicht greifen. Diese Auffassung verfehlt den Zweck der Vorschrift, aufenthaltsrechtliche Pflichtverletzungen des Ausländers nicht durch die Gewährung eines Bleiberechts zu honorieren.

17

c) Hinauszögern oder Behindern behördlicher Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung im Sinne des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG setzt kein aktives Tun des Ausländers voraus. Vielmehr greift der Ausschlusstatbestand grundsätzlich auch dann, wenn die Erfüllung von Mitwirkungspflichten verweigert wird und die mangelnde Mitwirkung ein gewisses Gewicht erreicht, sodass es gerechtfertigt erscheint, sie aktivem Handeln gleichzustellen und ein Bleiberecht zu versagen. Allerdings muss die Ausländerbehörde gesetzliche Mitwirkungspflichten z.B. zur Beschaffung von Identitätspapieren (§ 48 Abs. 3 AufenthG) konkret gegenüber dem Betroffenen aktualisiert haben, um aus der mangelnden Mitwirkung negative aufenthaltsrechtliche Folgen ziehen zu können. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung (BA S. 16 f.) festgestellt, dass die Klägerin zu 1 seitens des Beklagten aufgefordert worden ist, Pass- bzw. Passersatzpapieranträge zu unterschreiben und ihre Mitwirkung andauernd verletzt hat. An diese tatsächliche Feststellung ist das Revisionsgericht gebunden, da die Revision keine Verfahrensrügen erhoben hat (§ 137 Abs. 2 VwGO). Mit ihrem Vorbringen, der Beklagte habe nicht vorgetragen, wann konkret er die Klägerin zur Unterschrift aufgefordert habe, vermag die Revision die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts nicht erfolgreich infrage zu stellen.

18

Die konkret eingeforderte Mitwirkungshandlung muss rechtmäßig, insbesondere dem Betroffenen zumutbar gewesen sein (Urteil vom 10. November 2009 - BVerwG 1 C 19.08 - BVerwGE 135, 219 Rn. 20). Der Umstand, dass die Klägerinnen sich auf das Vorliegen zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote berufen, stellt die Zumutbarkeit der geforderten Mitwirkungshandlungen nicht infrage. Denn insoweit sind die Ausländerbehörde und die Verwaltungsgerichte gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG an die Feststellungsbescheide des Bundesamtes gebunden.

19

d) Die Revision wendet ein, dass auch dann, wenn die Klägerin zu 1 das Antragsformular unterschrieben hätte, zumindest für die Klägerin zu 2 keine Papiere ausgestellt worden wären. Die gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts erweise sich als nicht verifizierbare Annahme. Mit diesem Vorbringen stellt die Revision infrage, dass die Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung auf dem Verhalten der Klägerin zu 1 beruht; sie verfehlt jedoch den Maßstab, nach dem sich die Kausalität beurteilt.

20

Im Ansatz trifft es zu, dass die Tatbestandsmerkmale "hinauszögern" und "behindern" eine Kausalbeziehung zwischen dem Verhalten des Ausländers und dem Misserfolg der behördlichen Aufenthaltsbeendigung voraussetzen. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass eine Aufenthaltsbeendigung möglich ist, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für das Gegenteil vorliegen (BA S. 8). Das entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats, derzufolge dem Ausländer keine Handlungen abverlangt werden dürfen, die von vornherein ohne Einfluss auf die Möglichkeit der Ausreise oder erkennbar aussichtslos sind (Beschlüsse vom 3. Juni 2006 - BVerwG 1 B 132.05 - und vom 10. März 2009 - BVerwG 1 B 4.09 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 3 und 11 zu § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG). Unterhalb dieser Schwelle besteht hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen einer Verletzung von Mitwirkungspflichten und der Erfolglosigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen, der immer nur hypothetisch beurteilt werden kann, eine tatsächliche widerlegbare Vermutung zulasten des Ausländers (vgl. auch Urteil vom 10. November 2009 a.a.O. Rn. 20).

21

Legt man diesen Maßstab zugrunde, ist das Berufungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung in nachvollziehbarer Weise zu der Feststellung gelangt, dass die Klägerinnen die tatsächliche Kausalitätsvermutung nicht widerlegt haben. Ihre Einwände, die sie gegen die ausführliche Würdigung des Berufungsgerichts zum Erwerb der marokkanische Staatsangehörigkeit der Klägerin zu 2 (BA S. 19 ff.) erheben, greifen nicht durch. Zum einen wiederholt die Revision nur ihr Berufungsvorbringen, ohne sich mit der Begründung der angefochtenen Entscheidung auseinander zu setzen. Zum anderen übersieht sie, dass die Anwendung ausländischen Rechts zur Tatsachenfeststellung zählt (§ 173 VwGO i.V.m. § 293 ZPO), an die das Revisionsgericht gebunden ist, wenn keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben werden (§ 137 Abs. 2 VwGO).

22

e) § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG setzt subjektiv ein vorsätzliches Verhalten des Ausländers voraus. Eine wissentliche und willentliche Behinderung oder Verzögerung aufenthaltsbeendender Maßnahmen liegt jedenfalls dann vor, wenn der Betroffene von der Ausländerbehörde ausdrücklich zur (zumutbaren und erheblichen) Mitwirkung angehalten wird und sich der Mitwirkung verweigert (Urteil vom 10. November 2009 a.a.O. Rn. 21). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht - wie bereits ausgeführt - festgestellt, dass der Beklagte die Klägerin zu 1 aufgefordert hat, das Antragsformular zur Ausstellung von Passersatzpapieren zu unterschreiben. Dem hat sich die Klägerin zu 1 verweigert. Ihre Motive sind, da sie sich auf das Vorliegen zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote beruft, aufenthaltsrechtlich unbeachtlich, da (mehrfach) rechtskräftig festgestellt worden ist, dass keines der in § 60 AufenthG geregelten Abschiebungsverbote greift. Im Übrigen schließt die gesetzliche Ausreisepflicht die Obliegenheit für den Ausländer ein, sich auf seine Ausreise einzustellen, zur Ausreise bereit zu sein und einen dahingehenden Willen zu bilden. In diesem Rahmen ist ein ausreisepflichtiger Ausländer gehalten, zur Ausreise nicht nur willens und bereit zu sein, sondern auch an darauf zielenden Maßnahmen mitzuwirken (vgl. Urteil vom 10. November 2009 a.a.O. Rn. 14). Mit ihrem Verhalten, das sich die Klägerin zu 2 als gesetzlich Vertretene zurechnen lassen muss, hat die Klägerin zu 1 die Ausstellung von Passersatzpapieren vorsätzlich vereitelt.

23

f) Da bereits § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG dem geltend gemachten Anspruch entgegensteht, bedarf es im vorliegenden Fall keiner weiteren Erörterung, wie sich die Regelung des § 104a Abs. 5 Satz 1 AufenthG auf den Prüfungsmaßstab für das streitgegenständliche Begehren auswirkt. Danach darf eine Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung nur mit einer Gültigkeit bis zum 31. Dezember 2009 erteilt werden. Diese Vorschrift schließt die (erstmalige) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 104a AufenthG für einen nach dem 31. Dezember 2009 liegenden Zeitraum aus. Die Konsequenzen aus der zeitlichen Beschränkung der erstrebten Rechtsfolge, die während des Revisionsverfahrens aktuell geworden ist, kann im vorliegenden Verfahren dahinstehen (vgl. aber Urteil vom 26. Oktober 2010 - BVerwG 1 C 19.09 -).

24

2. Ein Anspruch der Klägerinnen nach § 25 Abs. 5 AufenthG scheidet aus, da bereits die Tatbestandsvoraussetzungen der Bestimmung nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Gemäß Satz 3 der Vorschrift darf eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt nach Satz 4 insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

25

Die Klägerinnen sind vollziehbar ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG). Die rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise kann sich auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, weil dann eine freiwillige Rückkehr grundsätzlich unzumutbar ist. Aber auch bei der Entscheidung über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ist die Ausländerbehörde bei ehemaligen Asylbewerbern gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG an die (positive oder negative) Feststellung des Bundesamtes gebunden (Urteil vom 27. Juni 2006 a.a.O. Rn. 17). Demzufolge kann die Berufung auf zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote auch insoweit der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Jedoch ist davon auszugehen, dass die Klägerinnen tatsächlich nicht über gültige Reisedokumente verfügen (§ 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG). Damit erscheint ihre Ausreise derzeit und auf absehbare Zeit unmöglich.

26

Die Klägerinnen sind allerdings nicht unverschuldet an ihrer Ausreise gehindert. Ein Verschulden im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, da die Klägerinnen zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses vorsätzlich nicht erfüllt haben (§ 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG). Insoweit kann auf die Ausführungen zu § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG verwiesen werden.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist.

(2) Erwerbstätigkeit ist die selbständige Tätigkeit, die Beschäftigung im Sinne von § 7 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und die Tätigkeit als Beamter.

(3) Der Lebensunterhalt eines Ausländers ist gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Nicht als Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gilt der Bezug von:

1.
Kindergeld,
2.
Kinderzuschlag,
3.
Erziehungsgeld,
4.
Elterngeld,
5.
Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch, dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz,
6.
öffentlichen Mitteln, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen und
7.
Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
Ist der Ausländer in einer gesetzlichen Krankenversicherung krankenversichert, hat er ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Bei der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug werden Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen berücksichtigt. Der Lebensunterhalt gilt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 16a bis 16c, 16e sowie 16f mit Ausnahme der Teilnehmer an Sprachkursen, die nicht der Studienvorbereitung dienen, als gesichert, wenn der Ausländer über monatliche Mittel in Höhe des monatlichen Bedarfs, der nach den §§ 13 und 13a Abs. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bestimmt wird, verfügt. Der Lebensunterhalt gilt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 16d, 16f Absatz 1 für Teilnehmer an Sprachkursen, die nicht der Studienvorbereitung dienen, sowie § 17 als gesichert, wenn Mittel entsprechend Satz 5 zuzüglich eines Aufschlages um 10 Prozent zur Verfügung stehen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gibt die Mindestbeträge nach Satz 5 für jedes Kalenderjahr jeweils bis zum 31. August des Vorjahres im Bundesanzeiger bekannt.

(4) Als ausreichender Wohnraum wird nicht mehr gefordert, als für die Unterbringung eines Wohnungssuchenden in einer öffentlich geförderten Sozialmietwohnung genügt. Der Wohnraum ist nicht ausreichend, wenn er den auch für Deutsche geltenden Rechtsvorschriften hinsichtlich Beschaffenheit und Belegung nicht genügt. Kinder bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres werden bei der Berechnung des für die Familienunterbringung ausreichenden Wohnraumes nicht mitgezählt.

(5) Schengen-Staaten sind die Staaten, in denen folgende Rechtsakte in vollem Umfang Anwendung finden:

1.
Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19),
2.
die Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1) und
3.
die Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (ABl. L 243 vom 15.9.2009, S. 1).

(6) Vorübergehender Schutz im Sinne dieses Gesetzes ist die Aufenthaltsgewährung in Anwendung der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 212 S. 12).

(7) Langfristig Aufenthaltsberechtigter ist ein Ausländer, dem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung nach Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. EU 2004 Nr. L 16 S. 44), die zuletzt durch die Richtlinie 2011/51/EU (ABl. L 132 vom 19.5.2011, S. 1) geändert worden ist, verliehen und nicht entzogen wurde.

(8) Langfristige Aufenthaltsberechtigung – EU ist der einem langfristig Aufenthaltsberechtigten durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellte Aufenthaltstitel nach Artikel 8 der Richtlinie 2003/109/EG.

(9) Einfache deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten Nr. R (98) 6 vom 17. März 1998 zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen – GER).

(10) Hinreichende deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau A 2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(11) Ausreichende deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(11a) Gute deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(12) Die deutsche Sprache beherrscht ein Ausländer, wenn seine Sprachkenntnisse dem Niveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen entsprechen.

(12a) Eine qualifizierte Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn es sich um eine Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf handelt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist.

(12b) Eine qualifizierte Beschäftigung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn zu ihrer Ausübung Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die in einem Studium oder einer qualifizierten Berufsausbildung erworben werden.

(12c) Bildungseinrichtungen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Ausbildungsbetriebe bei einer betrieblichen Berufsaus- oder Weiterbildung,
2.
Schulen, Hochschulen sowie Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung.

(13) International Schutzberechtigter ist ein Ausländer, der internationalen Schutz genießt im Sinne der

1.
Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) oder
2.
Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9).

(14) Soweit Artikel 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31), der die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung betrifft, maßgeblich ist, gelten § 62 Absatz 3a für die widerlegliche Vermutung einer Fluchtgefahr im Sinne von Artikel 2 Buchstabe n der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 und § 62 Absatz 3b Nummer 1 bis 5 als objektive Anhaltspunkte für die Annahme einer Fluchtgefahr im Sinne von Artikel 2 Buchstabe n der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 entsprechend; im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 bleibt Artikel 28 Absatz 2 im Übrigen maßgeblich. Ferner kann ein Anhaltspunkt für Fluchtgefahr vorliegen, wenn

1.
der Ausländer einen Mitgliedstaat vor Abschluss eines dort laufenden Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung oder zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz verlassen hat und die Umstände der Feststellung im Bundesgebiet konkret darauf hindeuten, dass er den zuständigen Mitgliedstaat in absehbarer Zeit nicht aufsuchen will,
2.
der Ausländer zuvor mehrfach einen Asylantrag in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 gestellt und den jeweiligen anderen Mitgliedstaat der Asylantragstellung wieder verlassen hat, ohne den Ausgang des dort laufenden Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung oder zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz abzuwarten.
Die für den Antrag auf Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
a)
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 oder 2 besteht,
b)
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Überstellungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
c)
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Überstellungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Überstellungshaft vorzuführen. Auf das Verfahren auf Anordnung von Haft zur Überstellung nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 finden die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend Anwendung, soweit das Verfahren in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 nicht abweichend geregelt ist.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Gründe

I.

1

Die am 17.04.1962 in (…) (heute S./ Kasachstan) geborene Antragstellerin reiste am 24.12.1999 mit einem von der Deutschen Botschaft in Almaty ausgestellten Visum zusammen mit ihrem Ehemann und ihren beiden am (…) 1982 bzw. (…) 1985 geborenen Töchtern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihr Ehemann und ihre beiden Kinder sind als Abkömmlinge eines Spätaussiedlers deutsche Staatsangehörige. Am 03.07.2000 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine Aufenthaltserlaubnis, die in den Folgejahren mehrfach verlängert wurde. Am 14.04.2008 beantragte die Antragstellerin erneut die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und erklärte dabei, dass die eheliche Lebensgemeinschaft fortbestehe. Daraufhin verlängerte die Antragsgegnerin am selben Tag die Aufenthaltserlaubnis bis zum 13.04.2011. Am 12.04.2011 stellte die Antragstellerin erneut einen Verlängerungsantrag und erklärte, dass die eheliche Lebensgemeinschaft seit dem 15.04.2008 nicht mehr geführt werde. Daraufhin verlängerte die Antragsgegnerin am 25.10.2011 die Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG bis zum 24.10.2012.

2

Den am 25.09.2012 gestellten Antrag auf weitere Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis lehnte die Antragsgegnerin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 05.05.2014 ab, weil der Lebensunterhalt der Antragstellerin nicht gesichert sei. Zur näheren Begründung führte sie u.a. aus, die Antragstellerin habe lediglich ALG-II-Bescheide vorgelegt. Ein Arbeitsverhältnis habe sie bisher nicht nachweisen können. Besondere Umstände, insbesondere familiärer Art, die ein Absehen von dieser Regelerteilungsvoraussetzung rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Die beiden Töchter, von denen nur eine in A-Stadt lebe, seien bereits seit vielen Jahren volljährig. Auch das Alter der Antragstellerin von 52 Jahren begründe keinen Ausnahmefall, auch weil sie bereits früher eine Beschäftigung hätte aufnehmen können, aus der sie ihren Lebensunterhalt hätte bestreiten können. Sie habe während ihres langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet insgesamt nur 28 Monate versicherungsfreie Tätigkeiten ausgeübt. Soweit die Schwierigkeiten, eine Beschäftigung aufzunehmen, darauf beruhen sollten, dass die Antragstellerin schlechte Kenntnisse der deutschen Sprache besitze, habe sie dies wegen der unzureichenden Bemühungen zum Erlernen der deutschen Sprache selbst zu vertreten. Im Übrigen sei ihr spätestens seit dem 25.10.2011 bekannt, dass sie zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis eine eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts nachweisen müsse. Hinzu komme, dass ihr Eingliederungsjahr nach der Trennung von ihrem Ehemann bereits im April 2009 aufgelaufen gewesen wäre. Auch eine Verwurzelung der Antragstellerin in Deutsachland lasse sich nicht feststellen. Obwohl sie sich nahezu seit 14 ½ Jahren erlaubt im Bundesgebiet aufhalte, habe sie es nicht geschafft, sich in die hiesigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zu integrieren.

3

Den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres am 15.05.2015 erhobenen Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss vom 11.08.2014 abgelehnt. Zur Begründung hat es auf die Ausführungen der Antragsgegnerin im Ablehnungsbescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt: Aus Art. 8 EMRK ergebe sich kein Abschiebungsverbot zugunsten der Antragstellerin. Das Familienleben im Sinne dieser Norm umfasse nur die eheliche Beziehung zwischen Partnern und die der Kernfamilie von Eltern und ihren minderjährigen Kindern. Anders als diese genössen Beziehungen zwischen Erwachsenen nur dann den Schutz dieser Norm, wenn zusätzliche Elemente der Abhängigkeit dargelegt würden, die über die gefühlsmäßigen Bindungen hinausgingen. Solche zusätzlichen Elemente, aufgrund derer die Antragstellerin auf die Unterstützung ihrer 28 und 31 Jahre alten Töchter oder diese auf ihre Unterstützung in besonderer Weise angewiesen wären, seien nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

II.

4

A. Die von der Antragstellerin hiergegen erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

5

1. Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin ein, sie befinde sich seit dem 25.08.2014 in einem sozialversicherungspflichtigen geringfügigen Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und einem Arbeitslohn von 7,96 € pro Stunde, wobei nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nicht auszuschließen sei, dass die Arbeitszeit bzw. der Umfang der derzeit ausgeübten Erwerbstätigkeit erweitert werde.

6

1.1. Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich die Beschwerde mit „neuem Vorbringen“ insoweit nicht geführt werden kann, als damit eine Änderung der Sach-, Rechts- oder Verfahrenslage dargetan wird, und „neue“ Umstände beim vorläufigen Rechtsschutz in Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO oder in Änderungsverfahren zu Beschlüssen nach § 123 Abs. 1 VwGO beim Gericht der Hauptsache einzubringen sind. Von diesem Grundsatz ist zwar dann eine Ausnahme zu machen, wenn die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) dies erfordert, insbesondere wenn eine Abschiebung unmittelbar droht (vgl. Beschl. d. Senats v. 25.08.2006 – 2 M 228/06 –, juris, RdNr. 21, m.w.N.). Dafür ist hier aber nichts ersichtlich.

7

1.2. Im Übrigen kann die Antragstellerin mit diesem Vorbringen auch in der Sache nicht durchdringen.

8

Für die Verlängerung der zuletzt bis zum 24.10.2012 befristeten Aufenthaltserlaubnis als eigenständige Aufenthaltserlaubnis ist § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG maßgeblich mit der Folge, dass, sofern kein atypischer Fall gegeben ist, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG erfüllt sein müssen. Insbesondere muss der Lebensunterhalt gesichert sein (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Dies ist bei der Antragstellerin nicht der Fall, auch wenn sie mittlerweile eine Beschäftigung aufgenommen hat.

9

Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt das Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Dabei bleiben die in § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgeführten öffentlichen Mittel außer Betracht.

10

Erforderlich ist mithin die positive Prognose, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme anderer öffentlicher Mittel gesichert ist. Dies erfordert einen Vergleich des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs mit den nachhaltig zur Verfügung stehenden Mitteln. Dabei richten sich sowohl die Ermittlung des zur Verfügung stehenden Einkommens als auch der Unterhaltsbedarf bei erwerbsfähigen Ausländern seit dem 01.01.2005 grundsätzlich nach den entsprechenden Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II. Unerheblich ist, ob Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen werden; nach dem gesetzlichen Regelungsmodell kommt es nur auf das Bestehen eines entsprechenden Anspruchs an (zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 29.08.2013 – 10 C 10.12 –, BVerwGE 146, 198 [203 f.], RdNr. 13 in juris, m.w.N.). Erforderlich ist bei der Prognose eine Abschätzung auch aufgrund rückschauender Betrachtung, ob ohne unvorhergesehene Ereignisse in Zukunft gewährleistet erscheint, dass der Lebensunterhalt dauerhaft und ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aufgebracht werden kann (BayVGH, Beschl. v. 24.04.2014 – 10 ZB 14.524 –, juris, RdNr. 6). Auch wenn eine solche Prognose mit Unwägbarkeiten belastet ist, muss zumindest auf der Basis der sich aus der bisherigen Erwerbsbiografie ergebenden Daten ein Verlaufsschema erkennbar sein, das bei Extrapolation der relevanten Erfahrungen die begründete Annahme stabiler Einkommensverhältnisse erlaubt; denn aus dem Zweck der Norm ergibt sich zugleich die Notwendigkeit einer gewissen Verlässlichkeit des Mittelzuflusses (OVG BBg, Beschl. v. 28.04.2006 – OVG 11 N 9.06 –, juris, RdNr. 11).

11

Gemessen daran erscheint der Lebensunterhalt der Antragstellerin auch unter Berücksichtigung des mittlerweile eingegangenen Arbeitsverhältnisses als Reinigungskraft schon deshalb nicht gesichert, weil das Arbeitsverhältnis nach § 1 des vorgelegten Arbeitsvertrages vom 18.08.2014 bereits am 31.12.2014 endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Hinzu kommt, dass eine Probezeit von 3 Monaten vereinbart ist, innerhalb der das Arbeitsverhältnis gekündigt werden kann. Der Umstand, dass – wie die der Antragstellerin vorträgt – die Erweiterung der Arbeitszeit bzw. des Umfangs der derzeit ausgeübten Erwerbstätigkeit gemäß den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen „nicht auszuschließen“ ist, reicht für die Prognose, dass die Tätigkeit dauerhaft ausgeübt werden kann, nicht aus.

12

Auch wenn der Arbeitsvertrag in Zukunft (weiter) Gültigkeit haben sollte, wäre der Lebensunterhalt durch die mit der ausgeübten Tätigkeit erzielten Einkünfte ohne zusätzliche Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nicht gesichert.

13

Der Unterhaltsbedarf der Antragstellerin setzt sich aus der Summe des für sie maßgebenden Regelsatzes nach § 20 SGB II und den Kosten der Unterkunft zusammen. Der Regelsatz für alleinstehende Personen wie die Antragstellerin beträgt nach Nr. 1 der Bekanntmachung vom 16.10.2013 über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs. 5 SGB II für die Zeit ab 01.01.2014 (BGBl I 1620) derzeit 391 € und nach Nr. 1 der Bekanntmachung vom 15.10.2014 für die Zeit ab 01.01.2015 399 €. Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung, die nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind, betragen nach dem vorliegenden Mietvertrag insgesamt 323,26 €. Dies ergibt einen Gesamtbedarf von 714,26 € bzw. 722,26 €.

14

Der Antragstellerin steht nach der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als Reinigungskraft nach den arbeitsvertraglichen Regelungen bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von höchstens 20 Stunden ein Bruttoeinkommen von wöchentlich höchstens 159,20 €, monatlich also höchstens etwa 637 € zur Verfügung. Vom Einkommen sind auch der Werbungskostenfreibetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II in Höhe von 100 € sowie der Freibetrag nach § 11b Abs. 2 S. 1 Nr. 6, Abs. 3 SBG II in Höhe von 107,40 € (20 % von 537 €) abzusetzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.11.2010 – 1 C 20.09 –, BVerwGE 138, 135 [147 f.], RdNr. 33 in juris). Es verbleibt damit ein anrechnungsfähiges monatliches Einkommen in Höhe von höchstens ca. 430 €. Dieses Einkommen, von dem gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II voraussichtlich noch Sozialversicherungsbeiträge abzusetzen sind, reicht nicht aus, um den Gesamtbedarf zu decken.

15

Auch ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, inwieweit sich an der fehlenden Bedarfsdeckung dadurch etwas zugunsten der Antragstellerin ändert, dass sie ihren Angaben zufolge die Wohnung künftig gemeinsam mit ihrer jüngeren Tochter (N.) bewohnen wird, die bereits das 29. Lebensjahr vollendet hat und deshalb mit der Antragstellerin gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II keine Bedarfsgemeinschaft (mehr) bilden kann. Bei der dann vorzunehmenden Aufteilung der Kosten für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen (vgl. BSG Urt. v. 16.04.2013 – B 14 AS 71/12 R –, juris, RdNr. 23, m.w.N.) ergäbe sich ein auf die Antragstellerin entfallender Bedarf von 552,63 € bzw. 560,63 €, der mit dem höchstens zu erzielenden Einkommen der Antragstellerin ebenfalls nicht gedeckt werden kann.

16

Es ist auch nicht zu erwarten, dass sich die Einkommensverhältnisse der Antragstellerin zeitnah so verbessern werden, dass sie ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel auskommen wird. Ihre Erwerbsbiografie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie während ihres über 14-jährigen Aufenthalts im Bundesgebiet nur in sehr geringem Umfang eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat. Nach dem von der Deutschen Rentenversicherung dargestellten Versicherungsverlauf vom 28.06.2013 (Bl. 145 f. des Verwaltungsvorgangs) hat sie nur in den Zeiträumen vom 19.08.2002 bis 31.12.2003 und vom 01.02.2006 bis 31.12.2006 geringfügige nicht versicherungspflichtige Tätigkeiten ausgeübt. Dies mag zwar auch daran gelegen haben, dass die Antragstellerin wegen fehlender Deutschkenntnisse, die sie mittlerweile durch die Teilnahme an verschiedenen Kursen verbessert hat. nur schwer eine Arbeit finden konnte. Gleichwohl erscheint es fraglich, ob sie künftig dauerhaft einer Erwerbstätigkeit nachgehen wird, mit der sie ihren Lebensunterhalt bestreiten kann. Die bloße Hoffnung der Antragstellerin, dass ihr jetziger Arbeitgeber den Umfang ihrer Tätigkeit erweitern wird, reicht auch insoweit nicht aus.

17

Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihre Töchter ihr gegenüber gemäß § 1601 BGB unterhaltspflichtig seien und deshalb zu Unterhaltsleistungen herangezogen werden könnten, ohne dass eine Kostenübernahmeerklärung nach § 68 Abs. 1 AufenthG abgegeben werden müsse. Für die Sicherstellung des Lebensunterhalts im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG reicht es zwar aus, wenn Leistungen eines Familienangehörigen in Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht erbracht werden und wenn diese aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse in der Lage sind, den Unterhalt auf längere Sicht zu gewährleisten (vgl. BayVGH, Beschl. v. 12.11.2008 – 19 ZB 08.1943, 19 CS 08.1944 –, InfAuslR 2009, 76 [77], RdNr. 4 in juris, m.w.N.). Dabei werden Unterhaltsleistungen eines unterhaltspflichtigen Familienangehörigen für die Sicherung des Lebensunterhalts des Ausländers nur dann zu berücksichtigen sein, wenn der Unterhaltspflichtige nicht nur zur Zahlung imstande, sondern auch zu einer kontinuierlichen Leistungserbringung willens ist (vgl. HessVGH, Urt. v. 16.02.2004 – 12 UE 2675/03 –, InfAuslR 2004, 239; Funke-Kaiser, in: GK AufenthG, II - § 2 RdNr. 94). Gemessen daran werden dem Grunde nach gegebene Unterhaltsansprüche der Antragstellerin gegenüber ihren beiden Töchtern bei der Sicherung des Lebensunterhalts – ungeachtet der bislang nicht dargelegten Zahlungsbereitschaft – schon deshalb nicht berücksichtigt werden können, weil die Töchter nach derzeitigen Stand nicht leistungsfähig sind. Gemäß § 1603 Abs. 1 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Ausgehend von der – unter Beteiligung aller Oberlandesgerichte und der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages e.V. entwickelten – sogenannten „Düsseldorfer Tabelle“ in der für die Jahre 2013/2014 maßgeblichen Fassung vom 01.01.2013 ist bei einer Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern von einem angemessenen Selbstbehalt in Höhe von 1.600 € (einschließlich 450 € Warmmiete) zuzüglich der Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens auszugehen. Da die ältere Tochter der Antragstellerin (O.) nach den Feststellungen der Antragsgegnerin (Bl. 241 des Verwaltungsvorgangs) nur über ein Nettoeinkommen in Höhe von monatlich 1.534,54 € verfügt, könnte die Antragstellerin ihr gegenüber keine Unterhaltsansprüche geltend machen. Dass die jüngere Tochter der Antragstellerin (N.) in absehbarer Zeit über ausreichendes Einkommen verfügt, um der Antragstellerin bei Berücksichtigung des Selbstbehalts Unterhalt gewähren zu können, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die bloße Erwartung der Antragstellerin, dass ihre Töchter „angesichts ihres Alters, des vorliegenden Ausbildungsniveaus und des beruflichen Werdegangs“ auf Dauer leistungsfähig sein werden, genügt nicht.

18

2. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist ein atypischer Fall, der ein Absehen von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG rechtfertigen könnte, nicht mit Blick auf die Gewährleistungen des Art. 8 EMRK und Art. 6 Abs. 1 GG erkennbar. Zwar können sowohl verfassungs-, unions- oder völkerrechtliche Gewährleistungen als auch atypische Umstände des Einzelfalls, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, eine Ausnahme vom Regelfall rechtfertigen (BVerwG, Urt. v. 13.06.2013 – 10 C 16.12 –, NVwZ 2013, 1493 [1494], RdNr. 16, m.w.N.). Dem entsprechend sind auch die Gewährleistungen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK in den Blick zu nehmen.

19

2.1. Die Bindungen der Antragstellerin im Bundesgebiet begründen unter Berücksichtigung der Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG aller Voraussicht nach aber keinen solchen Ausnahmefall.

20

Art 6 Abs. 1 GG schützt das Zusammenleben von Eltern und Kindern in einer häuslichen Gemeinschaft (BVerfG, Beschl. v. 30.11.1988 – 1 BvR 37/85 –, BVerfGE 79, 203 [211]; Beschl. v. 31.05.1978 – 1 BvR 683/77 –, BVerfGE 48, 327 [339]). Diese Verfassungsnorm verpflichtet die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und angemessen zur Geltung zu bringen (BVerfG, Beschl. v. 17.05.2011 – 2 BvR 2625/10 –, juris). Auch die Bindungen zwischen Eltern und volljährigen Kindern unterfallen dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 05.02.1981 – 2 BvR 646/80 –, BVerfGE 57, 178 [178]). Ihnen darf in der grundrechtlich gebotenen Abwägung jedoch regelmäßig ein geringeres Gewicht beigemessen werden als im Verhältnis von Eltern zu minderjährigen Kindern. In Bezug auf Bindungen zu volljährigen Familienangehörigen gebieten es die Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG regelmäßig nicht, einwanderungspolitische Gründe oder sonstige öffentliche Belange, die gegen einen angestrebten Daueraufenthalt sprechen, zurückzustellen. Weitergehende Schutzwirkungen aus Art. 6 Abs. 1 GG kommen nur ausnahmsweise in Betracht, wenn nämlich ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitglieds angewiesen ist und dieser Beistand nur im Bundesgebiet erbracht werden kann, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen Deutschlands nicht zumutbar ist (vgl. Urt. d. Senats v. 15.05.2014 – 2 L 136/12 –, juris, RdNr. 32, m.w.N.).

21

Eine solche Fallgestaltung ist hier aber nicht ersichtlich. Soweit die Antragstellerin einwendet, ihre jüngere hochschwangere Tochter (N.) werde zu ihr umziehen, handelt es sich um neues Vorbringen, das aus den oben bereits dargelegten Gründen im Beschwerdeverfahren keine Berücksichtigung finden kann. Im Übrigen ist nicht dargelegt, weshalb die mittlerweile 29-jährige Tochter gerade auf die Hilfe und Unterstützung der Antragstellerin angewiesen ist, insbesondere weshalb der Vater des ungeborenen Kindes nicht willens oder in der Lage ist, der Tochter diejenige Hilfe und Unterstützung zu gewähren, die in einer Kernfamilie üblich ist.

22

2.2. Eine Ausnahmefall ergibt sich voraussichtlich auch nicht mit Blick auf die Gewährleistungen des Art. 8 EMRK.

23

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Das Familienleben im Sinne dieser Norm umfasst die (eheliche) Beziehung zwischen Partnern und die der Kernfamilie von Eltern und ihren minderjährigen Kindern (Burr, in: GK-AufenthG II - § 25 RdNr. 147, unter Hinweis auf EGMR, Urt. v. 09.10.2003 – 48321/99 [Slivenko/Lettland] –). Beziehungen zwischen Erwachsenen genießen hingegen nicht ohne weiteres den Schutz nach Art. 8 EMRK, wenn keine zusätzlichen Elemente der Abhängigkeit dargelegt werden, die über die gefühlsmäßigen Bindungen hinausgehen (EGMR, Urt. v. 17.04.2003 – 52853/99 [Yilmaz/Deutschland] –, NJW 2004, 2147 [2148]). Bei jungen Erwachsenen, die nach Erreichen der Volljährigkeit weiterhin mit ihren Eltern in häuslicher Gemeinschaft leben, geht der EGMR allerdings davon aus, dass auch ihre Beziehung zu den Eltern und anderen nahen Familienmitgliedern Familienleben darstellt und aufenthaltsbeendende Maßnahmen daher auch in das Recht auf Achtung des Familienlebens eingreifen (EGMR, Urt. v. 23.06.2008 – Nr. 1638/03 [Maslov II] –, InfAuslR 2008, 333; vgl. auch VGH BW, Beschl. v. 05.02.2009 – 11 S 3244/08 –, InfAuslR 2009, 178, RdNr. 16).

24

2.2.1. Danach kann sich die Antragstellerin voraussichtlich nicht auf eine Verletzung ihres Familienlebens durch die Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis berufen. Die eheliche Gemeinschaft mit ihrem Ehemann besteht nicht mehr. Eine häusliche Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und ihren beiden erwachsenen Töchtern wurde bereits in den Jahren 2005 bzw. 2012 beendet. Der Umstand, dass die mittlerweile 29-jährige schwangere Tochter (N.) nach den Angaben der Antragstellerin beabsichtigt, wieder zu ihrer Mutter zu ziehen, kann als „neues Vorbringen“ im Beschwerdeverfahren wiederum nicht berücksichtigt werden. Er dürfte im Übrigen nicht dazu führen, dass diese Beziehung (wieder) dem Begriff des Familienlebens im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK unterfällt. In seiner Entscheidung vom 23.06.2008 (a.a.O.) hat der EGMR ein solches Familienleben lediglich bei Beziehungen junger Erwachsener, die noch keine eigene Familie gegründet haben, zu ihren Eltern angenommen. Unabhängig davon, ob die 29-jährige Tochter noch als junge Erwachsene im vom EGMR verstandenen Sinne bezeichnet werden kann, ist nicht dargelegt, dass sie keine eigene Familie hat, insbesondere keine eheliche oder lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft mit dem Vater des ungeborenen Kindes besteht. Zusätzliche Elemente der Abhängigkeit zwischen der Antragstellerin und ihrer Tochter, die über die gefühlsmäßigen Bindungen hinausgehen, sind nicht dargelegt worden.

25

2.2.2. Eine bei Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis drohende Aufenthaltsbeendigung greift zwar in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK in Bezug auf das Privatleben der Antragstellerin ein. Der in Art. 8 Abs. 2 EMRK verankerte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dürfte aber nicht verletzt sein.

26

Der Schutz auf Achtung des Privatlebens umfasst die Summe aller sonstigen familiären, persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen angesichts dieser zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.02.2011 – 2 BvR 1392/10 –, InfAuslR 2011, 235, RdNr. 19 in juris). Da sich die Antragstellerin viele Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, ist der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK in Bezug auf das Privatleben eröffnet (vgl. Urt. d. Senats v. 15.05.2014, a.a.O., RdNr. 37 in juris).

27

2.2.2.1. Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt insbesondere bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.09.1998 – 1 C 8.96 –, InfAuslR 1999, 54; Urt. v. 27.01.2009 – 1 C 40.07 –, BVerwGE 133, 73 [82 ff.], RdNr. 20 ff.; vgl. auch EGMR; Entsch. v. 16.06.2005 – 60654/00 – [Sisojeva] –, InfAuslR 2005, 349). Ob eine solche Fallgestaltung vorliegt, hängt zum einen von der Integration des Ausländers in Deutschland, zum anderen aber auch von seiner Möglichkeit zur (Re-)Integration in seinem Heimatland ab. Das Ausmaß der „Verwurzelung“ bzw. die für den Ausländer mit einer „Entwurzelung" verbundenen Folgen sind unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben sowie der Regelung des Art. 8 EMRK zu ermitteln, zu gewichten und mit den Gründen, die für eine Aufenthaltsbeendigung sprechen, abzuwägen. Von erheblichem Gewicht sind dabei die Dauer des Aufenthalts, wo der Ausländer die Schulzeit verbracht hat und geprägt wurde, sowie der Schulabschluss und die Deutschkenntnisse, die er erworben hat. Von Bedeutung ist auch die Legitimität des bisherigen Aufenthalts. Was die berufliche Verwurzelung in Deutschland betrifft, ist zu prüfen, ob der Ausländer berufstätig und dadurch in der Lage ist, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie dauerhaft zu sichern, und ob er über längere Zeit öffentliche Sozialleistungen bezogen hat. Ferner ist von Bedeutung, ob der Betreffende eine Berufsausbildung absolviert hat und ihn diese Ausbildung gegebenenfalls für eine Berufstätigkeit qualifiziert, die nur oder bevorzugt in Deutschland ausgeübt werden kann. Bei der sozialen Integration ist das Ausmaß sozialer Bindungen bzw. Kontakte des Ausländers außerhalb der Kernfamilie von Belang. Auch strafrechtliche Verurteilungen sind in die Betrachtung einzustellen. Alle diese Umstände sind im Wege einer Gesamtbewertung zu gewichten (vgl. zum Ganzen auch BVerwG, Urt. v. 27.01.2009, a.a.O., S. 84, RdNr. 24).

28

Nach diesem Maßstab kann die Antragstellerin nicht als „faktische Inländerin“ angesehen werden. Für eine Verwurzelung in Deutschland in diesem Sinne genügt es nicht, dass sie sich mittlerweile bereits etwa 15 Jahre – ganz überwiegend rechtmäßig – im Bundesgebiet aufhält. Entscheidend gegen eine Verwurzelung spricht, dass die Antragstellerin die ersten 38 Lebensjahre in der ehemaligen Sowjetunion bzw. Kasachstan verbracht hat, nach den unbestrittenen Angaben der Antragsgegnerin trotz des langjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik nur wenig deutsch spricht und sie ihren Lebensunterhalt ganz überwiegend nicht ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten konnte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie neben der Beziehung zu ihren Töchtern weitere soziale Kontakte in Deutschland pflegt.

29

Es bestehen auch keine genügenden Anhaltspunkte für eine „Entwurzelung“ der Antragstellerin in ihrem Heimatland. Für die Möglichkeit zur Reintegration eines Ausländers im Heimatland ist vor allem von Bedeutung, inwieweit Kenntnisse der dort gesprochenen und geschriebenen Sprache bestehen, inwieweit der Ausländer mit den dortigen Verhältnissen vertraut ist und inwieweit er dort bei der Wiedereingliederung auf Hilfestellung durch Verwandte und sonstige Dritte rechnen kann, soweit diese erforderlich sein sollte; das Maß der Vertrautheit hängt davon ab, in welchem Alter das Heimatland verlassen wurde (vgl. Urt. d. Senats v. 15.05.2014, a.a.O., m.w.N.). Bei der gebotenen Gesamtgewichtung ist für die Reintegrationsfähigkeit der Antragstellerin von erheblichem Gewicht, dass sie in ihrem Heimatland die ersten 38 Lebensjahre verbrachte, daher dort geprägt wurde und die Heimatsprache spricht. Die Antragstellerin kann die Möglichkeit der Reintegration auch nicht allein mit dem Einwand in Frage stellen, sie habe keinerlei Kontakte (mehr) mit Verwandten oder Bekannten in ihrem Herkunftsland und ihre Schwester, mit der sie zuletzt im Jahr 2003 gesprochen habe, habe jegliche (weitere) Kontakte abgelehnt. Auch wenn dieser Vortrag zutreffen sollte, ist nicht dargelegt, aus welchen Gründen eine ggf. erforderliche Kontaktaufnahme zu anderen Verwandten als ihre Schwester oder Bekannten nicht möglich sein soll. Zudem hängt die Frage der Reintegrationsfähigkeit nicht allein davon ab, ob der Ausländer in seinem Heimatland auf die Unterstützung von Verwandten oder Bekannten hoffen kann.

30

2.2.2.2. Der Eingriff in das Privatleben der Antragstellerin ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil ihre schwangere Tochter nach dem Vortrag im Beschwerdeverfahren wieder in die Wohnung der Antragstellerin einziehen will. Wie oben bereits ausgeführt, kann dieses neue Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden, und zudem fehlt es an einer Darlegung, weshalb die Tochter gerade auf die Hilfe und Unterstützung der Antragstellerin angewiesen ist, insbesondere weshalb der Vater des ungeborenen Kindes nicht willens oder in der Lage ist, der Tochter diejenige Hilfe und Unterstützung zu gewähren, die in einer Kernfamilie üblich ist.

31

2.4. Der Vortrag der Antragstellerin, sie genieße einen erhöhten Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG, ist schon deshalb nicht stichhaltig, weil es vorliegend nicht um eine Ausweisung der Antragstellerin, sondern um die Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis geht.

32

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

33

C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.

34

D. Die begehrte Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren kann nicht bewilligt werden, weil die Beschwerde aus den oben dargelegten Gründen keine hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

Tatbestand

1

Die nach eigenen Angaben 1993 geborene Klägerin begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG (Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden).

2

Der Vater der Klägerin kam im Jahr 2000 nach Deutschland. Die Klägerin, ihre Mutter und ein Bruder folgten Anfang 2002. 2006 wurde im Bundesgebiet ein weiterer Bruder geboren. Asylanträge, die damit begründet wurden, dass die Familie aus Aserbaidschan stamme, sie teils armenischer, teils aserischer Volkszugehörigkeit seien und nach mehrjährigem Zwischenaufenthalt in Georgien nunmehr im Bundesgebiet Schutz suchten, blieben ohne Erfolg. Eine vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gegen die Klägerin verfügte Abschiebungsandrohung wurde im Klageverfahren aufgehoben, soweit ihr die Abschiebung nach Aserbaidschan angedroht worden war.

3

Nach Abschluss der Asylverfahren wurde die Familie wegen ungeklärter Identität und Staatsangehörigkeit im Bundesgebiet geduldet. 2009 wurde der Vater der Klägerin zu einer Geldstrafe verurteilt, weil eine von ihm vorgelegte Geburtsurkunde nach den Ermittlungen der Ausländerbehörde für eine andere, in Armenien lebende Person ausgestellt worden war. Im November 2006 stellten die Klägerin und ihre Familie Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und erhoben im Dezember 2007 Untätigkeitsklagen.

4

Mit Urteil vom 18. August 2011 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a Abs. 1 AufenthG zu erteilen; die Klagen der übrigen Familienangehörigen wurden rechtskräftig abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 27. März 2012 die die Klägerin betreffende Entscheidung geändert und den Beklagten verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu entscheiden; im Übrigen hat es ihre Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klägerin habe nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Ihr vor Inkrafttreten des § 25a AufenthG gestellter und in der mündlichen Verhandlung wiederholter Antrag erfasse auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift. Diese bilde zusammen mit der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG einen einheitlichen Streitgegenstand. Die Klägerin erfülle zwar die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Auch stehe § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Täuschungshandlungen ihrer Eltern dürften der Klägerin bei § 25a Abs. 1 AufenthG nicht zugerechnet werden. Eine eigene Täuschung über ihre Identität und Staatsangehörigkeit liege nicht vor. Die Verletzung eigener Mitwirkungspflichten nach Eintritt der Volljährigkeit könne nur im Rahmen des Ermessens berücksichtigt werden. Die Klägerin erfülle aber nicht die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG (Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit) und des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG (Passpflicht). Weder dem Wortlaut noch dem Normzweck des § 25a AufenthG sei zu entnehmen, dass von diesen Voraussetzungen generell suspendiert werde. Das Ziel des Gesetzgebers, gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden unter bestimmten Voraussetzungen einen legalen Aufenthalt zu ermöglichen, stelle nicht das öffentliche Interesse an der Klärung der Identität und der Staatsangehörigkeit sowie an der Erfüllung der Passpflicht in Frage. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Die Klägerin mache lediglich geltend, die Eltern hätten ihre Identität und ihre Personalien korrekt angegeben, was offensichtlich nicht zutreffe. Bei humanitären Aufenthaltstiteln könne nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aber im Ermessenswege von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen abgesehen werden. Diesbezüglich habe der Beklagte bislang keine Entscheidung getroffen. Die Ermessensbetätigung sei weder zu Gunsten noch zu Lasten der Klägerin vorgezeichnet. Eine Ermessensreduzierung zu ihren Gunsten ergebe sich insbesondere nicht aus Art. 8 EMRK. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Recht auf Familien- und Privatleben liege nicht vor. Die Klägerin habe die ersten Jahre ihrer Kindheit nicht in Deutschland verbracht. Sie habe als Muttersprache Armenisch gelernt und könnte im Familienverband zurückkehren. Eine fehlende Mitwirkung der Klägerin seit Volljährigkeit dürfe der Beklagte im Grundsatz in die Ermessenserwägungen mit einstellen. Diese wiege aber nicht so schwer, dass die Entscheidung zu Lasten der Klägerin vorgezeichnet wäre. Bei der Ermessensausübung sei auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht gehindert wäre, die Ausreisepflicht der übrigen Familienmitglieder durchzusetzen. Vor allem sei aber die beachtliche Integrationsleistung der Klägerin mit dem gerade im Rahmen von § 25a AufenthG bedeutsamen Gewicht zu würdigen. Sie habe, obwohl sie bei Einreise über keine Deutschkenntnisse verfügt habe, den Weg von der Grundschule über die Realschule bis ins Gymnasium geschafft. Neben dem Realschulabschluss könne sie exzellente Deutschkenntnisse vorweisen. Nach ihrem Vorbringen besuche sie weiterhin das Gymnasium, um dieses mit dem Abitur abzuschließen. Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG fehle es hingegen schon an den tatbestandlichen Voraussetzungen.

5

Die Klägerin begehrt mit der vom Senat zugelassenen Revision die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Zur Begründung macht sie geltend, bei § 25a Abs. 1 AufenthG handele es sich um eine abschließende Sonderregelung, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG fänden daher keine Anwendung. Das in § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG eröffnete Ermessen sei zu ihren Gunsten reduziert, weil ihr die Vorlage eines gültigen Reisepasses ohne Mitwirkung der Eltern nicht möglich sei.

6

Der Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht verteidigen die angegriffene Entscheidung.

7

Während des Revisionsverfahrens hat das armenische Außenministerium die armenische Staatsangehörigkeit der Familie bestätigt und ihrer Rückübernahme nach Armenien zugestimmt. Mit Bescheid vom 10. Mai 2012 hat der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt. Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) einen Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG abgelehnt.

9

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch das Begehren der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG. Bei sachdienlicher Auslegung erfasste der im November 2006 bei der Ausländerbehörde gestellte Antrag alle in Betracht kommenden Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen). Damit erstreckte er sich - unter den hier gegebenen Umständen - nicht nur auf § 25 Abs. 5 AufenthG, sondern auch auf die während des gerichtlichen Verfahrens in Kraft getretene Regelung in § 25a Abs. 1 AufenthG, ohne dass es insoweit - wie vom Berufungsgericht vorsorglich veranlasst - einer erneuten Antragstellung bedurfte.

10

Die Klägerin hat ihre Revision aber nur damit begründet, dass sie hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG nicht lediglich einen Bescheidungs-, sondern einen Erteilungsanspruch habe. Soweit das Berufungsgericht einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG abgelehnt hat, wurde dies mit der Revision nicht angegriffen. Insoweit ist das Urteil des Berufungsgerichts in Rechtskraft erwachsen. Da sich beide Aufenthaltstitel in den Rechtsfolgen unterscheiden, handelt es sich - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - um unterschiedliche Streitgegenstände (so im Ergebnis auch Senatsurteil vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 22.09 - BVerwGE 138, 336 = Buchholz 402.242 § 104a AufenthG Nr. 7 jeweils Rn. 20 zum Verhältnis der Aufenthaltserlaubnis auf Probe nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu den übrigen Aufenthaltserlaubnissen nach Kapitel 2 Abschnitt 5).

11

Aufenthaltsrechtliche Unterschiede ergeben sich vor allem bei einer späteren Verlängerung. Auf diese finden nach § 8 Abs. 1 AufenthG dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung. Da beide Aufenthaltstitel eigenen Tatbestandsvoraussetzungen unterliegen, hängt damit auch eine spätere Verlängerung von unterschiedlichen Voraussetzungen ab. Die Klägerin könnte nach Ablauf der Gültigkeit des einen Aufenthaltstitels statt dessen Verlängerung auch nicht die Erteilung des anderen Aufenthaltstitels beantragen. Denn die (erstmalige) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG setzt die vollziehbare Ausreisepflicht des Ausländers voraus und eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG kann nur einem geduldeten Ausländer erteilt werden. Ein späterer Wechsel von dem einen auf den anderen Aufenthaltstitel ist damit ausgeschlossen. Außerdem kann der Aufenthalt von Familienangehörigen des Ausländers nur bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG unter den erleichterten Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 und 3 AufenthG legalisiert werden. Zudem haben beide Aufenthaltstitel unterschiedliche sozialrechtliche Wirkungen. Der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erhält Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG). Die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG ist hingegen in § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG nicht erwähnt und vermittelt damit eine Leistungsberechtigung nach dem SGB II oder XII. Damit stellt die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG wegen ihrer - regelmäßig günstigeren - Rechtsfolgen gegenüber der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG einen eigenständigen Streitgegenstand dar.

12

2. Die Klägerin hat - über den vom Berufungsgericht zugesprochenen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hinaus - keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG.

13

Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. Urteile vom 16. Juni 2004 - BVerwG 1 C 20.03 - BVerwGE 121, 86 <88> = Buchholz 402.240 § 19 AuslG Nr. 10 S. 4 f. m.w.N. und vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 = Buchholz 402.242 § 32 AufenthG Nr. 4 jeweils Leitsatz 3 und Rn. 37 ff.). Spätere Rechtsänderungen sind im Revisionsverfahren zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.> = Buchholz § 73 AsylVfG Nr. 15 S. 32). Das Begehren der Klägerin ist daher an dem Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86) zu messen. Hierdurch haben sich die hier maßgeblichen Rechtsvorschriften aber nicht geändert.

14

Nach § 25a Abs. 1 AufenthG kann einem geduldeten Ausländer, der in Deutschland geboren wurde oder vor Vollendung des 14. Lebensjahres eingereist ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn (1.) er sich seit sechs Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält, (2.) er seit sechs Jahren erfolgreich im Bundesgebiet eine Schule besucht oder in Deutschland einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat und (3.) der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach Vollendung des 15. und vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird, sofern gewährleistet erscheint, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Solange sich der Jugendliche oder der Heranwachsende in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung oder einem Hochschulstudium befindet, schließt die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht aus. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist zu versagen, wenn die Abschiebung aufgrund eigener falscher Angaben des Ausländers oder aufgrund seiner Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit ausgesetzt ist.

15

a) Die Klägerin erfüllt nach den - von den Beteiligten nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Klarstellend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass es für eine Antragstellung innerhalb des Zeitfensters des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ausreicht, wenn der Betroffene - wie hier - vor Vollendung des 15. Lebensjahres einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gestellt hat und das Verfahren über dieses Begehren bei Vollendung des 21. Lebensjahres noch nicht abgeschlossen war. In diesem Fall gibt der Ausländer mit der Fortführung des Verfahrens zu erkennen, dass er an seinem Antrag festhält und sich dieser - nach Inkrafttreten der Neuregelung - nunmehr auch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG erstreckt, ohne dass es einer erneuten Antragstellung bedarf.

16

b) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der zwingende Versagungsgrund des § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegensteht. Er erfasst nur Fälle, in denen die Abschiebung ausgesetzt ist, weil der Ausländer selbst falsche Angaben gemacht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat. Täuschungsverhalten der Eltern wird nicht zugerechnet (BTDrucks 17/5093 S. 16). Erforderlich ist ein aktives Handeln; allein das passive Fortwirkenlassen früherer Angaben der Eltern durch Schweigen oder eine Verletzung gesetzlicher Mitwirkungspflichten reicht nicht aus, ist von der Ausländerbehörde aber im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen. Das Handeln muss zudem schuldhaft sein, also auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit beruhen, und für die Aussetzung der Abschiebung ursächlich sein.

17

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin nicht selbst über ihre Identität und ihre Staatsangehörigkeit getäuscht, insbesondere hat sie die durch die Täuschung ihres Vaters bewirkte Unklarheit über ihre Identität und Staatsangehörigkeit nach Eintritt der Volljährigkeit nicht durch eigenes aktives Handeln aufrechterhalten. Ihr ist lediglich vorzuwerfen, dass sie auf die Aufforderung des Beklagten, bis zum 30. Dezember 2011 einen gültigen Reisepass vorzulegen, nicht reagiert und nicht nachvollziehbar dargelegt hat, warum sie diese Aufforderung nicht erfüllen kann und zumutbare Maßnahmen zur Klärung ihrer Identität und Staatsangehörigkeit nicht zur Verfügung stehen. Diese Verletzung ihrer gesetzlichen Mitwirkungspflichten nach § 48 Abs. 3 und § 82 Abs. 1 AufenthG steht eigenen Falschangaben oder Täuschungshandlungen nicht gleich.

18

c) Die Klägerin erfüllt im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung durch das Berufungsgericht aber nicht die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a und 4 AufenthG. Danach setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass die Identität und, falls der Ausländer nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit geklärt ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG) und die Passpflicht nach § 3 AufenthG erfüllt wird (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG). Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass nach der Erklärung des armenischen Außenministeriums inzwischen zumindest eine Rückkehrberechtigung in einen anderen Staat besteht, fehlt es weiterhin an der Klärung ihrer Identität und der Erfüllung der Passpflicht. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a und 4 AufenthG auch bei der Erteilung eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG Anwendung finden.

19

aa) Gegenteiliges ist dem Wortlaut des § 25a Abs. 1 AufenthG nicht zu entnehmen. In § 25a Abs. 1 Satz 2 AufenthG findet sich lediglich hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhalts eine - den Ausländer begünstigende - Sonderregelung gegenüber § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Diese gilt auch nur in bestimmten Sachverhaltskonstellationen. Schließt die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG nicht aus, solange sich der Jugendliche oder der Heranwachsende in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung oder einem Hochschulstudium befindet, spricht dies im Umkehrschluss dafür, dass es im Übrigen bei der allgemeinen Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und damit bei der Anwendung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen verbleibt.

20

Auch der Regelung in § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist nicht zu entnehmen, dass zumindest § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG verdrängt wird. § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG statuiert bei einem bestimmten, dem Ausländer vorwerfbaren Verhalten einen zwingenden Versagungsgrund, der weder in Ausnahmefällen noch im Ermessenswege überwunden werden kann. Demgegenüber finden sich in § 5 Abs. 1 AufenthG allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, an deren Einhaltung grundsätzlich bei jeder Aufenthaltslegalisierung ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Feststellung der Identität, mit der sowohl eine entsprechende Aufklärungspflicht der Ausländerbehörde (§ 49 Abs. 3 AufenthG) als auch eine entsprechende Mitwirkungspflicht des Ausländers (§ 48 Abs. 3 AufenthG) korrespondiert. Denn es besteht ein gewichtiges staatliches Interesse an der Individualisierung der Personen, denen ein Aufenthaltstitel erteilt wird. § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG führt gegenüber § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG insofern zu einer Verschärfung als in Fällen, in denen die Abschiebung aufgrund eigener Falschangaben oder Täuschungshandlungen des Ausländers ausgesetzt ist, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG zwingend zu versagen ist. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass in allen anderen Fällen, in denen die Identität oder Staatsangehörigkeit des Jugendlichen oder des Heranwachsenden ungeklärt ist, § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG keine Anwendung finden soll.

21

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass § 25a Abs. 2 AufenthG die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Eltern oder einen allein personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG besitzt, (u.a.) davon abhängig macht, das der Lebensunterhalt der Eltern bzw. des Elternteils eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert ist (§ 25a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Dem ist lediglich zu entnehmen, dass die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts durch Erwerbstätigkeit bei der Erstreckung der Aufenthaltslegalisierung auf die Eltern des Ausländers nach § 25a Abs. 2 AufenthG eine zwingende Erteilungsvoraussetzung darstellt, von der weder über § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bei Vorliegen eines Ausnahmefalls abzusehen ist noch über § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Ermessenswege abgesehen werden kann. Aus dieser Verschärfung bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG kann nicht auf eine Absicht des Gesetzgebers geschlossen werden, er habe in allen anderen von § 25a AufenthG geregelten Fällen auf die Anwendung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gänzlich verzichten wollen. Erst recht ergibt sich aus dieser Regelung nichts für eine Nichtanwendung der weiteren in § 5 AufenthG enthaltenen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen.

22

bb) Enthält § 25a AufenthG keinen eindeutigen Hinweis für eine Suspendierung von den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a und 4 AufenthG, sprechen vor allem systematische Gründe für deren Anwendung bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG. § 5 AufenthG findet sich im Zweiten Kapitel (Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet) im Ersten Abschnitt unter der Überschrift "Allgemeines". Nach der Konzeption des Aufenthaltsgesetzes enthält die Vorschrift allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, die von so grundlegendem staatlichen Interesse sind (BTDrucks 15/420 S. 69 f.), dass der Gesetzgeber sie "vor die Klammer" gezogen hat. Sie gelten für alle weiteren Abschnitte des Zweiten Kapitels und damit für jede Erteilung eines Aufenthaltstitels. Fälle, in denen von der Anwendung ganz oder zumindest hinsichtlich einzelner Erteilungsvoraussetzungen zwingend abzusehen ist oder im Ermessenswege abgesehen werden kann, hat der Gesetzgeber beim jeweiligen Aufenthaltstitel ausdrücklich kenntlich gemacht (vgl. § 18a Abs. 3, § 27 Abs. 3 Satz 2, § 28 Abs. 1 Satz 2 bis 4, § 29 Abs. 2 und 4 Satz 1, § 30 Abs. 3, § 33 Satz 1, § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1, § 38 Abs. 3, § 104a Abs. 1 Satz 1 und § 104b AufenthG). Gleichzeitig hat er in § 5 Abs. 1 AufenthG bestimmt, dass die dort genannten Voraussetzungen (nur) in der Regel vorliegen müssen. Außerdem hat er in § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG Sonderregelungen getroffen, wann bei einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 von der Anwendung des § 5 Abs. 1 AufenthG insgesamt oder zumindest hinsichtlich einzelner Erteilungsvoraussetzungen abgesehen werden muss oder im Ermessenswege abgesehen werden kann. Mit diesen Sonderregelungen hat er dem Umstand Rechnung getragen, dass bei der Aufenthaltsgewährung aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen die Erteilung eines Aufenthaltstitel in bestimmten Fällen typischerweise nicht von der Einhaltung aller Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG abhängig gemacht werden kann, und in allen anderen Fällen die Ausländerbehörden über die Möglichkeit, im Ermessenswege von der Einhaltung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen abzusehen, zu einer Einzelfallwürdigung verpflichtet. Dies lässt ein ausdifferenziertes und damit abschließendes Regelungswerk erkennen und zeigt, dass der Gesetzgeber auch hinsichtlich der Anwendbarkeit der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen auf humanitäre Aufenthaltstitel, zu denen die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG gehört, eine in sich geschlossene Regelung geschaffen hat (vgl. Urteil vom 22. Mai 2012 - BVerwG 1 C 8.11 - BVerwGE 143, 138 = Buchholz 402.242 § 5 AufenthG Nr. 10 jeweils Rn. 16).

23

cc) Auf dieses Regelungssystem hat der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien bei § 25a Abs. 1 AufenthG zurückgegriffen. Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften vom 23. Juni 2011 (BGBl I S. 1266) mit Wirkung zum 1. Juli 2011 nachträglich in das Aufenthaltsgesetz eingefügt. Sie geht zurück auf einen Änderungsantrag des Bundesrats (BRDrucks 704/10 S. 1), der vom Innenausschuss des Bundestags aufgegriffen wurde (BTDrucks 17/5093 S. 6). Dabei ging der Innenausschuss in der Begründung der von ihm empfohlenen - und später Gesetz gewordenen - Änderung davon aus, dass auch bei diesem Aufenthaltstitel die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG grundsätzlich erfüllt sein müssen. Es sollte lediglich von der eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts während der Zeit der schulischen und beruflichen Ausbildung oder des Studiums abgesehen werden. Hinsichtlich der hier streitigen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a und 4 AufenthG wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch in Fällen, in denen kein eigenes Täuschungsverhalten des Geduldeten und damit kein zwingender Versagungsgrund vorliege, die Titelerteilung entsprechend den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen davon abhänge, dass die Identität des Ausländers geklärt sei und der Passpflicht nachkommen werde (BTDrucks 17/5093 S. 15 f.).

24

dd) Sinn und Zweck des § 25a Abs. 1 AufenthG stehen der Anwendung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a und 4 AufenthG nicht entgegen. § 25a Abs. 1 AufenthG eröffnet geduldeten Jugendlichen und Heranwachsenden eine eigene gesicherte Aufenthaltsperspektive, wenn sie sich in Deutschland gut integriert haben (BTDrucks 17/5093 S. 15). Das Aufenthaltsrecht kann bereits vor Erreichen der Volljährigkeit geltend gemacht werden und hängt nicht von der aufenthaltsrechtlichen Stellung der Eltern ab. Anders als bei § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK erfolgt eine isolierte Betrachtung allein des Integrationsgrades des ganz oder teilweise in Deutschland aufgewachsenen Kindes ohne Rücksicht auf das Verhalten der übrigen Familienangehörigen. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG stehen daher nur eigene Falschangaben und Täuschungshandlungen - zwingend - entgegen. Dies ändert aber nichts daran, dass auch bei dem durch § 25a Abs. 1 AufenthG begünstigten Personenkreis ein grundlegendes öffentliches Interesse an der Einhaltung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen besteht. Dies gilt insbesondere für die Regelerteilungsvoraussetzung geklärter Identität in § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG. Sie ist Ausdruck eines gewichtigen öffentlichen Interesses an der Identifizierung eines Ausländers vor Legalisierung seines Aufenthalts. Das sicherheitsrechtlich motivierte Anliegen dieser Erteilungsvoraussetzung kommt im Gesetzgebungsverfahren deutlich zum Ausdruck. Denn zur Begründung des § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG wurde im Innenausschuss des Bundestags darauf abgestellt, dass es nicht zuletzt vor dem Hintergrund weltweiter Terrorismusgefahren nicht angehen könne, dass Personen, die an der Klärung ihrer Identität nicht mitwirkten, der Zugang zu einem Aufenthaltstitel geebnet werde (BTDrucks 15/955 S. 7). Die grundsätzliche Anwendung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen hat bei der Aufenthaltsgewährung nach § 25a Abs. 1 AufenthG auch nicht zur Folge, dass bei ungeklärter Identität eine Legalisierung des Aufenthalts automatisch ausscheidet. Denn von den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG ist - abgesehen von der Privilegierung in § 25a Abs. 1 Satz 2 AufenthG hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhalts - bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG nicht nur in Ausnahmefällen abzusehen. Vielmehr bedarf es auch in Regelfällen über § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG stets einer Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde und damit einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Dies gibt der Ausländerbehörde hinreichend Gelegenheit zur angemessenen Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Dabei hat sie insbesondere die Gründe, auf denen das Nichtvorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen beruht, aber auch das private Interesse des Ausländers und das öffentliche Interesse an der Legalisierung des Aufenthalts gut integrierter Jugendlicher und Heranwachsender zu gewichten und gegeneinander abzuwägen.

25

ee) Angesichts dieses Auslegungsbefunds überzeugt den Senat die Auffassung der Klägerin nicht, bei § 25a Abs. 1 AufenthG handele es sich hinsichtlich der Regelerteilungsvoraussetzungen um eine gesetzlich normierte Ausnahme vom Regelfall, mit der Folge, dass § 5 Abs. 1 AufenthG bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG generell keine Anwendung finde. Mit dem in § 5 Abs. 1 AufenthG normierten Regel-/Ausnahmeverhältnis soll vor allem atypischen Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen werden. Fälle, in denen nach Auffassung des Gesetzgebers bei der Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis typischerweise die Einhaltung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht geboten ist, finden sich nach der Gesetzessystematik in § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Der Gesetzgeber hat bei Schaffung des § 25a Abs. 1 AufenthG aber davon abgesehen, die Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf dieses neue humanitäre Aufenthaltsrecht zu erstrecken.

26

d) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass hinsichtlich der Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a und 4 AufenthG kein Ausnahmefall vorliegt. Nach der Rechtsprechung des Senats können bei den Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG neben atypischen Umständen des Einzelfalls, die so bedeutsam sind, das sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, auch verfassungs-, unions- oder völkerrechtliche Gewährleistungen eine Ausnahme vom Regelfall rechtfertigen. Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, unterliegt keinem Einschätzungsspielraum der Behörde, sondern ist gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar (vgl. Urteil vom 22. Mai 2012 - BVerwG 1 C 6.11 - BVerwGE 143, 150 = Buchholz 402.242 § 28 AufenthG Nr. 3 jeweils Rn. 11 m.w.N.).

27

aa) Für eine Atypik ist vorliegend - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht und auf der Grundlage seiner nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatrichterlichen Feststellungen - nichts ersichtlich. Danach hat die Klägerin zwar nicht selbst getäuscht, ist aber auch nicht ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen.

28

bb) Art. 6 GG und Art. 8 EMRK gebieten bei der inzwischen volljährigen Klägerin ebenfalls kein Absehen von den Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1a und 4 AufenthG. Insoweit kann auf die Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägerin - im Lichte des Rechts auf Achtung des Familien- und des Privatlebens nach Art. 8 EMRK und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EGMR - ein Verlassen Deutschlands zusammen mit ihren ebenfalls ausreisepflichtigen Eltern und Geschwistern unter den hier gegebenen Umständen (Einreise erst mit acht Jahren, armenische Muttersprache, Rückkehr im Familienverband) unzumutbar und damit unverhältnismäßig wäre.

29

e) Bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG kann von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG aber über § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Ermessenswege abgesehen werden.

30

Von dieser Ermächtigung hatte der Beklagte im hier maßgeblichen Zeitpunkt keinen Gebrauch gemacht. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass unter den hier gegebenen Umständen die Voraussetzungen für eine Ermessensverdichtung zu Gunsten der Klägerin trotz ihres privaten Interesses und des öffentlichen Interesses an der Legalisierung des Aufenthalts gut integrierter Jugendlicher und Heranwachsender nicht vorliegen. Denn es besteht grundsätzlich auch ein gewichtiges öffentliches Interesse an der Identifizierung eines Ausländers vor der Legalisierung seines Aufenthalts und an der Erfüllung diesbezüglicher Mitwirkungspflichten.

31

Auch wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts, den Beklagten nur zur Bescheidung zu verpflichten, damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, weist der Senat mit Blick auf die zwischenzeitliche Antragsablehnung durch die Ausländerbehörde, die allerdings nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten darauf hin, dass bei der Entscheidung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG über ein Absehen von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen im Ermessenswege - wie vom Berufungsgericht zutreffend angenommen - alle für und gegen eine Aufenthaltslegalisierung sprechenden Umstände umfassend zu würdigen sind. Dies gilt gleichermaßen für das der Ausländerbehörde nach § 25a Abs. 1 AufenthG selbst bei Vorliegen sämtlicher Erteilungsvoraussetzungen verbleibende (Rest-)Ermessen. Dabei sind gerade bei der Entscheidung über eine Aufenthaltsgewährung nach § 25a Abs. 1 AufenthG die bisherigen Integrationsleistungen des Ausländers und alle weiteren für eine Aufenthaltslegalisierung sprechenden Umstände zu berücksichtigen und zu gewichten. Insoweit ist es allerdings Aufgabe des Ausländers, seine persönlichen Belange und alle für ihn günstigen Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder der Ausländerbehörde bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände geltend zu machen und erforderliche Nachweise vorzulegen (§ 82 Abs. 1 AufenthG). Bei der Ermessensentscheidung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sind von der Ausländerbehörde in die Abwägung auch die Gründe einzustellen, aufgrund derer die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen. Dabei dürfen dem Ausländer wegen der gesetzgeberischen Wertung in § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG etwaige Falschangaben und Täuschungen seiner Eltern und/oder Dritter nicht zugerechnet werden. Eigene Verstöße gegen seine gesetzlichen Mitwirkungspflichten sind aber beachtlich und entsprechend zu gewichten.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.