Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 10. Juni 2013 - 6 B 10351/13


Gericht
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 8. März 2013 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 190.558,12 € festgesetzt.
Gründe
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Die Beschwerde des Antragsgegners bleibt ohne Erfolg. Die von ihm dargelegten Gründe, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ausschließlich den Gegenstand der Überprüfung durch den Senat darstellen, führen nicht zu einer von dem angefochtenen Beschluss abweichenden Entscheidung. Mit ihm hat das Verwaltungsgericht dem Antragsgegner vorläufig eine Sicherheitsleistung durch Hinterlegung eines Betrags in Höhe von 762.232,51 Euro nebst Zinsen auf einem Sperrkonto aufgegeben.
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I. Der mit diesem Ziel gestellte Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig.
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1. Wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, fehlt dem Antragsteller nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse für die begehrte einstweilige Anordnung. Zwar kann er als Mitglied des Antragsgegners die Umsetzung der Negativentscheidung der Europäischen Kommission vom 25. April 2012 über die staatliche Beihilfe SA.25051 (C 19/2010) (exNN 23/2010) durch Rückzahlung der Umlagebeträge betreiben. Erzwingen kann er eine solche Umsetzung jedoch gegen den Widerstand der übrigen Verbandsmitglieder nicht.
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2. Dem einstweiligen Rechtsschutzbegehren kann auch nicht der Einwand des Verbots einer Vorwegnahme der Hauptsache entgegen gehalten werden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich der Antragsgegner durch Vereinbarungen vom 5. Dezember 2012 verpflichtet hat, Sicherheit auch im Hinblick auf die von seinen übrigen Mitgliedern gezahlten Umlagebeträge zu leisten, wenn er im vorliegenden Verfahren unterliegt. Denn die Einzahlung auf ein Sperrkonto kann vergleichsweise einfach rückgängig gemacht werden. Über einen Geldbetrag auf einem Sperrkonto kann der Antragsteller zudem einstweilen nicht verfügen.
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Ob eine solche Sicherheitsleistung den Antragsgegner finanziell überfordert und seine wirtschaftliche Existenz gefährdet, braucht nicht weiter erörtert zu werden. Einerseits wird dadurch die auf eine Geldleistung gerichtete Klage im Verfahren 1 K 1053/12.TR nicht in der Hauptsache vorweggenommen. Andererseits erscheint es dem Senat – ungeachtet der Vereinbarungen vom 5. Dezember 2012 – nicht ausgeschlossen, dass sich der Antragsgegner gegenüber den Hinterlegungsbegehren seiner übrigen Verbandsmitglieder in weiteren Verfahren auf Erlass einstweiliger Anordnungen auf die Bestandskraft der Umlagebescheide, mit denen die als Beihilfe qualifizierten Geldbeträge festgesetzt wurden, berufen kann (vgl. BVerwG, 3 C 44.09, BVerwGE 138, 322, juris, Rn. 15). Mit der vorliegenden Beschwerde wurde dieser Einwand jedenfalls nicht i.S.d. § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO dargelegt.
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II. Der Antragsteller kann sich auch auf einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund i.S.d. § 123 Abs. 1 VwGO berufen.
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Anders als der Antragsgegner meint, steht dem Antragsteller nämlich nach der im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden Prüfung ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch aufgrund der Negativentscheidung der Europäischen Kommission vom 25. April 2012 zu. Mit dieser Entscheidung wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, die Umlagezahlungen, die dem Antragsgegner nach Auffassung der Kommission unter Verletzung von Art. 106 Abs. 2, 107 Abs. 1, 108 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union- AEUV - seit dem 26. Mai 1998 gewährt wurden, zuzüglich Zinsen von diesem Begünstigten sofort zurückzufordern. Die effektive Umsetzung dieser Verpflichtung wird durch die begehrte einstweilige Anordnung erreicht.
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1. Die ausdrücklich gegenüber dem Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland ausgesprochene Verpflichtung trifft den Antragsteller als eine derjenigen Körperschaften des öffentlichen Rechts unmittelbar, welche die als Beihilfe qualifizierten öffentlichen Mittel an den begünstigten Antragsgegner gezahlt haben. Demgegenüber wird der Antragsgegner als „Begünstigter“ durch die Entscheidung der Kommission vom 25. April 2012 nicht unmittelbar verpflichtet, wie sich aus Art. 2 Abs. 1 dieser Entscheidung ergibt (vgl. hierzu EuGH, C-344/98 – Masterfoods –, Slg. 2000, I-11369, juris, Rn. 50). Diese Negativentscheidung ist unverzüglich und effektiv umzusetzen (vgl. EuGH, C-232/05 - Scott Paper -, Slg. 2005, I-10017, juris, Rn. 41 f.), und zwar grundsätzlich nach mitgliedstaatlichem Verfahrensrecht, soweit es – wie hier – an unionsrechtlichen Bestimmungen dazu fehlt (BVerwG, 3 C 44.09, BVerwGE 138, 322, juris). Ein einstweiliger Rechtsschutzantrag mit dem Ziel, den Rückforderungsbetrag auf ein Sperrkonto einzuzahlen, steht dem aufgrund der Negativentscheidung verpflichteten Beihilfengeber dabei als Handlungsmöglichkeit offen.
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2. Das Verwaltungsgericht hat die von den mitgliedstaatlichen Gerichten zu beachtenden Besonderheiten der Gewährung vorläufigen bzw. einstweiligen Rechtsschutzes, der die effektive Durchsetzung des Unionsrechts berühren kann, zutreffend dargestellt. Ausgehend von der Verpflichtung der nationalen Gerichte, die volle Wirksamkeit der Entscheidung zu gewährleisten, mit der die Rückforderung der Beihilfe angeordnet wurde (EuGH, C-304/09 - Kommission ./. Italien -, Slg. 2010, I-13903, juris, Rn. 45), kann auch nach Auffassung des Senats eine Vollzugsaussetzung oder die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung, mit der die Durchsetzung der Negativentscheidung verfolgt wird, nach Maßgabe der Beschwerdebegründung allenfalls unter den Voraussetzungen erfolgen, die der Europäische Gerichtshof in den Rechtssachen Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest (EuGH, C-143/88 und C-92/89, Slg. 1991, I-415, juris) sowie Atlanta (EuGH, C-465/93, Slg. 1995, I-3761, juris) aufgestellt hat.
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Danach muss erstens das mitgliedstaatliche Gericht erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der Handlung der Union haben und diese Gültigkeitsfrage, sofern der Gerichtshof mit ihr noch nicht befasst ist, diesem selbst vorlegen. Das mitgliedstaatliche Gericht muss angeben, weshalb es meint, dass der Gerichtshof die Ungültigkeit der Handlung der Union feststellen muss (EuGH, C-304/09 - Kommission ./. Italien -, Slg. 2010, I-13903, juris, Rn. 46). Zweitens muss die Entscheidung dringlich sein, um einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zu vermeiden. Dabei ist drittens das Interesse der Union angemessen zu berücksichtigen, und viertens sind bei der Prüfung dieser Voraussetzungen die Entscheidungen des Gerichtshofs oder des Gerichts erster Instanz über die Rechtmäßigkeit der Handlung der Union oder ein Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes betreffend gleichartige einstweilige Anordnungen auf der Ebene der Europäischen Union zu beachten.
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3. Nach diesen Maßstäben bestehen an der – noch nicht bestandskräftigen – Entscheidung der Europäischen Kommission vom 25. April 2012 keine erheblichen rechtlichen Zweifel.
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Gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Zahlungen gleich welcher Art unzulässige Beihilfen, wenn sie durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Eine staatliche Maßnahme fällt jedoch nicht unter Art. 107 Abs. 1 AEUV, soweit sie als Ausgleich anzusehen ist, der die Gegenleistung für Leistungen bildet, die von den Unternehmen, denen sie zugute kommt, zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht werden, so dass diese Unternehmen in Wirklichkeit keinen finanziellen Vorteil erhalten und die genannte Maßnahme somit nicht bewirkt, dass sie gegenüber den mit ihnen im Wettbewerb stehenden Unternehmen in eine günstigere Wettbewerbsstellung gelangen (EuGH, C-280/00 - Altmark-Trans -, Slg. 2000, I-7747, juris, Rn. 87).
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a) Dass es sich bei den Umlagen, die die Mitglieder des Antragsgegners zur Deckung des Finanzbedarfs des Zweckverbands gemäß § 10 des Landesgesetzes über die kommunale Zusammenarbeit i. V. m. der Verbandsordnung des Antragsgegners - VerbO - an diesen geleistet haben, um staatliche Mittel i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt, hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt.
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b) Der Antragsgegner ist auch als Unternehmen i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV zu betrachten. Im Kontext des Wettbewerbsrechts umfasst der Begriff des Unternehmens - unabhängig von Rechtsform und Art der Finanzierung - jede Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, also eine Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten (EuGH, C-82/01 P - Aéroports de Paris -, Slg. 2002, I-9297, juris, Rn. 75, 79). Nehmen Unternehmen nur mit einzelnen Unternehmenszweigen am Wettbewerb teil, ist nur auf diese abzustellen (vgl. EuGH, C-49/07 – MOTOE –, Slg. 2008, I-4863, juris, Rn. 25).
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aa) Der Antragsgegner betreibt die Tierkörperbeseitigung und die Verarbeitung von Schlachtabfällen der Kategorien 1 und 2 im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 vom 3. Oktober 2002 bzw. der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 vom 21. Oktober 2009 im Bereich seiner Mitglieder als öffentliche Aufgabe. Gleichzeitig hält er Beseitigungskapazitäten für den Fall von Tierseuchen vor. Daneben verarbeitet er aber in Konkurrenz mit anderen Marktteilnehmern auch Schlachtabfälle der Kategorie 3. Außerdem hat er die Fremdentsorgung im Auftrag baden-württembergischer Entsorgungsverpflichteter und die Entsorgung tierischer Nebenprodukte in den Regierungsbezirken Kassel und Gießen übernommen.
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bb) Der Unternehmenszweig des Antragsgegners, dem die Beseitigung der Schlachtabfälle der Kategorien 1 und 2 sowie die Seuchenreserve obliegt, nimmt nicht am Wettbewerb teil (vgl. BVerwG, 3 C 44.09, BVerwGE 138, 322, juris, Rn. 27). Vielmehr handelt es sich dabei um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Antragsgegners, mit denen dieser aufgrund europäischer und nationaler Rechtsvorschriften betraut ist (vgl. BVerwG, 3 C 44.09, BVerwGE 138, 322, juris, Rn. 30 ff.). Denn das diesen zugrunde liegende Interesse unterscheidet sich erheblich von anderen Tätigkeiten des Wirtschaftslebens (vgl. hierzu EuGH, C-242/95 – GT-Link –, Slg. 1997, I-4449, juris, Rn. 53). Zwar dürfen die Mitgliedstaaten nicht jedwede Tätigkeit zur öffentlichen Aufgabe machen und durch staatliche Mittel (mit-)finanzieren, wie die Kommission in Erwägungsgrund 167 ihrer Negativentscheidung ausführt. Allerdings steht ihnen ein großer Ermessensspielraum zu, welche Arten von Leistungen sie als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betrachten. Davon ist kein offenkundiger Fehlgebrauch gemacht worden, als die Beseitigung des Materials der Kategorien 1 und 2 und die Seuchenvorsorge dem Antragsgegner durch Rechtsvorschriften übertragen wurden, und zwar angesichts der auch von der Kommission in Erwägungsgrund 171 bestätigten Gefahren, die für die Gesundheit von diesem Material ausgehen. Dass dem zwingendes Unionsrecht entgegensteht, ist nicht ersichtlich.
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Der Antragsgegner hat diese Aufgaben auch nicht aufgrund seiner erfolgreichen Beteiligung an einer Ausschreibung, also im Wettbewerb mit anderen Bietern erlangt, sondern aufgrund gesetzlicher bzw. staatsvertraglicher Festlegung. Das Absehen von einer möglich gewesenen Ausschreibung und die Entscheidung für eine „In-house-Lösung“ ist unionsrechtlich nicht zu beanstanden, da – wie die Kommission in Erwägungsgrund 148 ihrer Negativentscheidung bestätigt – insoweit für die Gebietskörperschaften eine Wahlfreiheit besteht. Dass ein Wettbewerb durch eine – unionsrechtlich nicht zwingend durchzuführende – Ausschreibung hätte entstehen können, bedeutet nicht, dass ein solcher entstanden ist.
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cc) Eine Marktbeeinflussung durch den genannten Unternehmenszweig kann auch nicht damit begründet werden, die Kosten der Beseitigung des Materials der Kategorien 1 und 2 sowie der Seuchenreserve müssten von den Landwirten und Schlachtbetrieben getragen werden.
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Zwar hat der Europäische Gerichtshof (EuGH, C-126/01 – GEMO –, Slg. 2003, I-13769, juris, Rn. 30) entschieden, dass die finanzielle Belastung, die durch die Beseitigung von Tierkörpern und Schlachtabfällen entsteht, ein Kostenpunkt ist, der mit der wirtschaftlichen Tätigkeit von Viehzüchtern und Schlachthöfen zwangsläufig verbunden ist und diese durch den Verzicht auf kostendeckende Entgelte eine Vergünstigung erhalten, die sie sonst zu tragen hätten. Diese Vergünstigung ermögliche ihnen, ihre Produkte günstiger als andere anzubieten, und beeinflusse damit den innergemeinschaftlichen Fleischhandel.
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Diese Entscheidung lässt den Schluss zu, durch Umlagezahlungen, die der Antragsgegner erhält und für eine Absenkung der Entsorgungsgebühren verwendet, würden Landwirte und Schlachtbetriebe von Kosten entlastet, die von ihnen eigentlich übernommen werden müssten. Von einer Begünstigung des Antragsgegners durch die Umlagen für die Beseitigung von verbandseigenem Material der Kategorien 1 und 2 sowie der Seuchenvorsorge kann aber nicht gesprochen werden, weil er dadurch nicht von einer Belastung befreit wird, die er sonst zu tragen hätte. Dass nicht der Antragsgegner, sondern die Landwirte und Schlachtbetriebe diese Kosten eigentlich zu übernehmen haben, entspricht auch der Auffassung der Kommission in Erwägungsgrund 187 ihrer Negativentscheidung. Damit fehlt es gegenüber dem Antragsgegner insoweit an einem Merkmal der Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV (vgl. EuGH, C-126/01 – GEMO -, Slg. 2003, I-13769, juris, Rn. 28).
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Zudem ergeben sich aus der Begründung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache GEMO (EuGH, C-126/01, Slg. 2003, I-13769, juris, Rn. 32), durch die von den Viehzüchtern und Schlachthöfen ausgeübten Tätigkeiten entstünden nicht verwendbare und vor allem umweltschädliche Produkte und Rückstände, deren Beseitigung ihrem Verursacher obliege, erhebliche Zweifel, ob damit auch die Aufwendungen für die Seuchenreserve gemeint sind. Denn anders als die Kosten für die Beseitigung von Schlachtabfällen und von einzelnen verendeten Tieren sind die Aufwendungen, die im Seuchenfall entstehen, mit der wirtschaftlichen Tätigkeit von Landwirten und Schlachtbetrieben keinesfalls zwangsläufig verbunden. Sie entstehen regelmäßig nicht durch deren wirtschaftliche Tätigkeit und werden von diesen meist nicht „verursacht“. Dem entspricht, dass die Kosten der Seuchenvorsorge nicht gebührenfähig sind, weil ihnen keine Gegenleistung für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung des Antragsgegners gegenüber steht.
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Ferner wird in der Entscheidung in der Rechtssache GEMO (EuGH, C-126/01 – GEMO –, Slg. 2003, I-13769, juris) eine Beeinflussung des Wettbewerbs der Unternehmen, die Schlachtabfälle beseitigen, nicht erwähnt. Ihr ist insbesondere nichts für Umlagen, die der Beseitigung von verbandseigenem Material der Kategorien 1 und 2 sowie der Seuchenvorsorge dienen, zu entnehmen.
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c) Gleichwohl bestehen an der Auffassung der Kommission, der Antragsgegner sei in einer den Wettbewerb verfälschenden Weise durch die Umlagezahlungen begünstigt worden, keine erheblichen rechtlichen Zweifel. Denn die einem Unternehmen, das mit bestimmten Unternehmensbereichen nicht auf einem Markt tätig ist, i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV gewährten Mittel können nur dann ohne Einfluss auf den Wettbewerb sein, wenn sie ausschließlich für die nicht am Wettbewerb teilnehmenden Unternehmenszweige vorgesehen sind (vgl. EuGH, C-39/94 – SFEI –, Slg. 1996, I-3547, juris, Rn. 62). Davon kann hier nicht ausgegangen werden.
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So dienten die in den Wirtschaftsjahren 1998 bis 2009 angeforderten Umlagen sämtlichen Unternehmenszweigen des Antragsgegners. Für diese Wirtschaftsjahre sah die Verbandsordnung vor, dass die Umlage erhoben wird, wenn die Einnahmen des Antragsgegners insgesamt zur Bestreitung der Ausgaben nicht ausreichten. Insoweit fehlte es an der Zweckbindung der Umlage für den außerhalb des Marktes arbeitenden Unternehmenszweig der Beseitigung von verbandseigenem Material der Kategorien 1 und 2 sowie der Seuchenvorsorge, die auch ohne ausdrückliche normative Erwähnung als selbstverständlicher Bestandteil der öffentlichen Aufgabe der Beseitigung des Materials der Kategorien 1 und 2 zu betrachten ist (BVerwG, 3 C 44.09, BVerwGE 138, 322, juris).
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Hinsichtlich der Wirtschaftsjahre 2010 bis 2012 sollten die Umlagezahlungen zwar nach ihrer Wirkung, auf die es entscheidend ankommt (EuGH, C-382/99 – Niederlande ./. Kommission –, Slg. 2002, I-5163, juris, Rn. 61), die Erfüllung der dem Antragsgegner gesetzlich übertragenen öffentlichen Aufgabe, Schlachtabfälle der Kategorien 1 und 2 im Bereich seiner Mitglieder zu beseitigen und insoweit auch eine Seuchenreserve vorzuhalten, herbeiführen. Dies ist in § 9 Abs. 3 VerbO 2010 ausdrücklich festgelegt. Gemäß § 9 Abs. 2 VerbO 2010 wird die Umlage für jedes Wirtschaftsjahr im Voraus durch Satzung festgesetzt. Allerdings ist die Seuchenreservekapazität in § 10 VerbO 2010 durch die Angabe bestimmter Beseitigungsmengen geregelt. Dass die Umlagen aber für die Seuchenvorsorge in dem festgelegten Umfang benötigt und verwendet wurden, hat die Kommission in ihrer Negativentscheidung ausführlich und in einer Weise widerlegt, die jedenfalls keine erheblichen Zweifel auslöst.
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Es ist zwar allein Sache der Mitglieder des Antragsgegners, ob sie Überkapazitäten zu finanzieren bereit sind oder auf deren Abbau drängen, um ihre Umlagepflicht zu reduzieren (BVerwG, 3 C 44.09, BVerwGE 138, 322, juris, Rn. 34). Wenn aber - wie hier durch § 10 VerbO 2010 geschehen - die Seuchenreservekapazität der Menge nach ausdrücklich bestimmt worden ist, bleibt kein Raum für die Finanzierung einer darüber hinausgehenden zusätzlichen Kapazität durch Erhebung einer Umlage. Vielmehr kann unter diesen Umständen die Kommission in den Erwägungsgründen 216 ff. ihrer Negativentscheidung dem Antragsgegner entgegen halten, die in § 10 VerbO 2010 vorgeschriebene Seuchenreserve könne bereits aus den betriebsbedingt vorhandenen Leerkapazitäten abgedeckt werden. Soweit der Antragsgegner mit seiner Beschwerdebegründung darauf hinweist, § 10 VerbO 2010 sei dahingehend zu verstehen, dass die dort der Menge nach ausdrücklich bestimmte Seuchenreservekapazität zusätzlich zu den Leerkapazitäten vorgehalten werden solle, findet sich dafür kein eindeutiger Anhaltspunkt im Wortlaut der §§ 9 f. VerbO. Angesichts des Umstands, dass der Antragsgegner die von ihm selbst in ihrem konkreten Umfang festgelegte Seuchenreservekapazität schon durch einen Drei-Schicht-Betrieb an sieben Tagen einer Woche abdecken kann, bestehen keine erheblichen Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung der Kommission, dem Antragsgegner entstünden keine Nettokosten für die Sicherstellung der Seuchenreserve.
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Nicht überzeugend ist der dagegen in der Beschwerdebegründung erhobene Einwand, an der Zweckbestimmung einer Umlage zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe ändere sich nichts durch die nachträglich gewonnene Erkenntnis, dass diese Aufgabe auch ohne die umlagefinanzierten Kapazitäten allein aufgrund der Leerkapazitäten der am Wettbewerb teilnehmenden Unternehmenszweige hätte erfüllt werden können. Denn einerseits sind dem Antragsgegner die Leerkapazitäten bekannt, die durch zusätzliche Verarbeitungsschichten genutzt werden können. Andererseits kann eine ins Einzelne gehende Überprüfung der Berechnung, die die Kommission in ihrer Negativentscheidung hierzu vorgenommen hat, nur im Hauptsacheverfahren erfolgen. Die im vorliegenden Verfahren für die Ablehnung der begehrten einstweiligen Anordnung zur Durchsetzung der Kommissionsentscheidung erforderlichen erheblichen Zweifel an der Richtigkeit dieser Berechnung sind jedenfalls nicht hinreichend deutlich.
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d) Angesichts dessen vermag sich der Antragsgegner auch nicht auf die Bestimmung des Art. 106 AEUV zu berufen. Danach gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, die Vorschriften der Verträge, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert, wobei die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden darf, das dem Interesse der Union zuwiderläuft. Unabhängig von weiteren Fragen nach dem Vorliegen der sog. Altmark-Kriterien (vgl. EuGH, C-280/00 - Altmark-Trans -, Slg. 2000, I-7747, juris) hat der Antragsgegner – wie ausgeführt – bis zum Jahr 2009 die Umlagen nicht ausschließlich für die nicht am Wettbewerb teilnehmenden Unternehmenszweige vorgesehen. Es fehlte aber auch – wie oben ausgeführt – für die Wirtschaftsjahre 2010 bis 2012 voraussichtlich an Nettokosten, die Umlagezahlungen für eine Seuchenreserve hätten rechtfertigen können.
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4. Anders als der Antragsgegner meint, ist sein Vertrauen, die Umlagezahlungen dauerhaft behalten zu dürfen, nicht schutzwürdig.
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Der Europäische Gerichtshof (C-91/01 - Italien/Kommission -, Slg. 2004, I-4355, Rn. 66 und 67) hat entschieden, dass der Empfänger einer Beihilfe, solange die Kommission keine Genehmigungsentscheidung erlassen hat und solange die Klagefrist gegen eine solche Entscheidung nicht abgelaufen ist, keine Gewissheit über die Rechtmäßigkeit der geplanten Beihilfe hat, so dass weder eine Berufung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes noch auf den Grundsatz der Rechtssicherheit möglich ist. Vertrauensschutz kann nur durch Handlungen der Unionsorgane ausgelöst werden, nicht jedoch durch solche der Mitgliedstaaten (vgl. EuGH, C-5/89 – BUG-Alutechnik –, Slg. 1990, I-3437, juris, Rn. 16). Die der Kommission nicht notifizierten Umlagen sind weder von ihr noch von einem anderen Unionsorgan – auch nicht vorläufig – gebilligt worden.
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Erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Negativentscheidung, wonach der Antragsgegner aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren 3 C 44.09 (BVerwGE 138, 322, juris) keinen Vertrauensschutz ableiten kann, sind ebenso wenig dargelegt. Mit diesem Urteil wurde das von Konkurrentinnen des Antragsgegners geltend gemachte Rückzahlungsbegehren für die Jahre 2005 bis 2008 – lediglich – mit der Begründung zurückgewiesen, die den Umlagen zugrunde liegenden Bescheide seien nicht angefochten worden. Das Feststellungsbegehren, dass die Umlage im Wirtschaftsjahr 2009 eine Beihilfe darstellte, wurde als unzulässig erachtet. Für die Jahre 2005 bis 2009 fehlt damit ein Anknüpfungspunkt für ein Vertrauen des Antragsgegners, die Umlagen seien in der Sache nicht zu beanstanden.
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Hinsichtlich der Wirtschaftsjahre ab 2010 hat das Bundesverwaltungsgericht zwar entschieden, in ihrer Ausgestaltung durch die Neufassung der Verbandsordnung vom 2. Februar 2010 sei die Umlage nicht als Beihilfe im Sinne des Unionsrechts anzusehen und eine Überdimensionierung der Seuchenreserve habe keinen Einfluss auf die Gebührengestaltung des Antragsgegners in Ansehung der Beseitigung von Material der Kategorien 1 und 2 und schon gar keinen Einfluss auf die Preisgestaltung bei der Verarbeitung von Material der Kategorie 3 (BVerwG, 3 C 44.09, BVerwGE 138, 322, juris, Rn. 36). Diese Entscheidung erging aber, bevor die Kommission den Beihilfencharakter der Umlagezahlungen und deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt abschließend geprüft hatte. Während dieses förmlichen Prüfungsverfahrens durch die Kommission sind die mitgliedstaatlichen Gerichte vor allem im Zusammenhang mit dem Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV zur Prüfung befugt, ob eine bestimmte Maßnahme eine Beihilfe darstellt (EuGH, C-368/04 – Transalpine -, Slg. 2006, I-9957, juris, Rn. 34; vgl. auch BVerfG, 1 BvR 2682/11, juris, Rn. 8). Nur insoweit kann das Vertrauen des Antragsgegners auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts als schützenswert angesehen werden. Nach Abschluss des förmlichen Prüfungsverfahrens durch die Kommission und Erlass ihrer Negativentscheidung ist es dem Europäischen Gericht (erster Instanz) vorbehalten, im Rahmen einer bei ihm erhobenen Nichtigkeitsklage über den Beihilfencharakter einer bestimmten Maßnahme zu befinden, während es ausgeschlossen ist, dass die Kommissionsentscheidung über die Rückforderung vor einem nationalen Gericht in Frage gestellt wird (EuGH, C-232/05 – Scott Paper –, Slg. 2006, I-10071, Rn. 60).
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5. Der erforderliche Anordnungsgrund ist vom Verwaltungsgericht zutreffend angenommen worden.
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6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen im Beschwerdeverfahren einen eigenen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt haben, entspricht es der maßgeblichen Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten insoweit dem Antragsgegner aufzuerlegen.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG.


Annotations
(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.