Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 28. Nov. 2018 - W 2 K 17.1452
Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 27. September 2016 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
I.
a) bei ausschließlichen Wohngrundstücken ein Viertel der Gesamtfläche des Grundstücks,
b) bei gewerblich genutzten Grundstücken die tatsächlich befestigte Grundstücksfläche, mindestens aber ein Viertel der Gesamtfläche des Grundstücks. Nicht berücksichtigt werden befestigte Grundstücksflächen, die durch Versickerung entsorgt werden. Befestigte Grundstücksflächen, von denen Regenwasser zur Toilettenspülung verwendet wird, bleiben außer Ansatz.
II.
den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheids des Landratsamtes Aschaffenburg vom 27. September 2016 aufzuheben.
die Klage abzuweisen.
Gründe
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 1.797,03 Euro festgesetzt.
Gründe
Tenor
Die Berufung wird zugelassen.
Die Entscheidung über die Kosten des Zulassungsverfahrens bleibt der Entscheidung im Berufungsverfahren vorbehalten.
1
G r ü n d e
2Der Antrag hat Erfolg.
3Die Berufung ist gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Das ist hier der Fall.
4Die Antragsbegründung, auf deren Prüfung der Senat im Zulassungsverfahren beschränkt ist, begründet ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils jedenfalls in Bezug auf den in der hier maßgeblichen Gebührensatzung vom 1. Februar 2010 zur Entwässerungssatzung in der Fassung der III. Änderungssatzung vom 14. Dezember 2012 (GS) geregelten Gebührenmaßstab für die streitbefangenen Niederschlagswasserbeseitigungsgebühren.
5Nach § 4 Abs. 4 GS werden die in dieser Vorschrift geregelten Gebührensätze für die kanalwirksame Fläche je „angefangene 25 m2“ erhoben. Diese Regelung führt dazu, dass die Gebührenpflichtigen trotz nominal gleichen Gebührensatzes in Abhängigkeit von der jeweiligen Grundstücksgröße mit unterschiedlichen Gebühren pro m2 versiegelter Fläche belastet werden, wobei sich dies bei Grundstücken mit geringeren kanalwirksamen Flächengrößen wie typischerweise Ein- und Zweifamilienhäusern mit Garten stärker auswirkt als etwa bei gewerblich genutzten Grundstücken und – erst recht – bei den in der Verwaltungspraxis der Beklagten zu jeweils einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefassten Straßenflächen der Gemeinde, des Kreises und des Landes. So beträgt der durchschnittliche Gebührensatz pro m2 bei einem Grundstück mit 200 m2 kanalwirksamer Fläche bei dem für das Jahr 2007 geltenden Gebührensatz von 14,32 Euro/angefangene 25 m2 0,57 Euro/m2, während für ein Grundstück mit 201 m2 kanalwirksamer Fläche 0,64 Euro/m2 anfallen; die Differenz liegt bei 12 %. Bei Grundstücken von 500 m2 (wiederum 0,57 Euro/m2) und 501 m2 (0,60 Euro/m2) beträgt die Differenz immerhin noch 5,3 %.
6Ein sachlicher Grund für die darin zu sehende Ungleichbehandlung ist nicht erkennbar. Durchbrechungen des Gleichheitssatzes bzw. des Grundsatzes der Abgabengerechtigkeit aufgrund von Typisierung und Pauschalierung können zwar – insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen – unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im jeweiligen Entsorgungsgebiet durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht.
7Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2012 - 9 A 2646/11 -, NWVBl. 2013, 259, zur Unzulässigkeit einer Bagatellregelung für nachweislich der Abwasseranlage nicht zugeführte Wassermengen.
8Dafür sind hier indessen rechtfertigende Gründe von ausreichendem Gewicht nicht ersichtlich. Die Beklagte hat die kanalwirksamen Grundstücksflächen konkret ermittelt und – mit Ausnahme lediglich der Straßenflächen – gerade nicht nur grob abgeschätzt. Bei dieser Sachlage entfiele bei m2-genauer Abrechnung sogar ein zwischengeschalteter Rechenschritt zur Ermittlung der sog. Bemessungseinheiten (angefangene 25 m2). Die für verschiedene Nutzergruppen sich faktisch ergebenden unterschiedlichen Gebührensätze sind in ihrer absoluten Höhe nicht völlig unbedeutend.
9Zur Unzulässigkeit von Auf- und Abrundungen rechnerisch ermittelter Gebührensätze vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Juni 2008 - 9 A 208/05 -, ZKF 2008, 187.
10Sie können bei kleineren Wohnhäusern durchaus im Bereich von immerhin über 10 Euro liegen.
11Ausreichend gewichtige verwaltungspraktische Schwierigkeiten, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, vermag der Senat nicht zu erkennen. Der Hinweis auf mögliche Änderungen der maßgeblichen Flächen auf dem Grundstück dürfte kaum verfangen, wenn – wie hier – die Flächen zunächst konkret ermittelt worden sind. Nachträglicher Ermittlungs- und sonstiger Verwaltungsaufwand kann dadurch in Grenzen gehalten werden, dass dem Grundstückseigentümer – wie hier in § 4 Abs. 3 GS bereits geregelt – die Pflicht auferlegt wird, Veränderungen der überbauten und/oder befestigten Fläche der Gemeinde anzuzeigen. Dass es im Falle derartiger nachträglicher Änderungen häufig zu Rechtsstreitigkeiten kommt, ist dem Senat in seiner Rechtsprechungspraxis bislang nicht bekannt geworden.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.